Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Okt. 2013 - XII ZB 176/12

bei uns veröffentlicht am16.10.2013
vorgehend
Amtsgericht Hamburg-Harburg, 632 F 285/06, 04.05.2011
Hanseatisches Oberlandesgericht, 10 UF 65/11, 23.02.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 176/12
vom
16. Oktober 2013
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EGBGB Art. 17 Abs. 3; VersAusglG § 27

a) Die Härteklausel des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz EGBGB steht einer
Anwendung des Verwirkungseinwandes als eigenständigem Rechtsinstitut entgegen
(im Anschluss an Senatsbeschluss vom 17. Januar 2007 - XII ZB 168/01 -
FamRZ 2007, 996).

b) Das persönliche Fehlverhalten eines Ehegatten in der Zeit nach der Aufhebung
der ehelichen Lebensgemeinschaft rechtfertigt den Ausschluss des Versorgungsausgleichs
, der die verfassungsrechtlich geschützte Teilhabe an dem während der
Ehe gemeinsam geschaffenen Versorgungsvermögen gewährleisten soll, nur ausnahmsweise
und nur dann, wenn das Fehlverhalten besonders krass ist oder
sonst unter den Ehepartnern besonders belastenden Umständen geschieht und
die Durchführung des Versorgungsausgleichs unerträglich erscheint (im Anschluss
an Senatsurteil vom 28. März 1984 - IVb ZR 64/82 - FamRZ 1984, 662).
BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2013 - XII ZB 176/12 - OLG Hamburg
AG Hamburg-Harburg
Weitere Beteiligte:
1.
2.
3.
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Oktober 2013 durch die
Richter Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Günter, Dr. Botur und Guhling

beschlossen:
Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird abgelehnt. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Familiensenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 23. Februar 2012 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen. Beschwerdewert: bis 2.000 €

Gründe:

I.

1
Das Verfahren betrifft die nachträgliche Durchführung eines Versorgungsausgleichs unter regelwidriger Anwendung des deutschen Rechts (Art. 17 Abs. 3 EGBGB).
2
Die Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) und der Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann) hatten am 27. Oktober 1979 in Tunesien miteinander ihre Ehe geschlossen, aus der drei mittlerweile volljährige Kinder hervorgegangen sind. Während ihrer Ehe lebten die Ehegatten, die damals die tunesische Staatsangehörigkeit besaßen, in Deutschland. Am 13. Februar 1992 wurde die Ehe in Tunesien auf einen am 7. Oktober 1991 zugestellten Scheidungsantrag nach tunesischem Recht geschieden. Mit der Scheidung wurde der Ehemann zur Zahlung eines Unterhalts in monatlicher Höhe von 80 tunesischen Dinar (seinerzeit rund 67 €) sowie zu einer Einmalzahlung in Höhe von 2.500 tunesischen Dinar (seinerzeit [richtig:] rund 2.109 €) als Schadenersatz zum Ausgleich immaterieller Schäden an die Ehefrau verurteilt. Ein Versorgungsausgleich wurde nicht durchgeführt.
3
Nach der Scheidung erwarben beide Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit. Im Jahr 2008 veröffentlichte die Ehefrau unter einem Pseudonym ein mit Unterstützung einer Journalistin verfasstes Buch, in dem sie im Stil einer Autobiographie ihre zwölfjährige Ehe mit dem Ehemann als Zwangsehe beschreibt , in deren Verlauf der Ehemann ihr die Kinder entzogen und sie laufend misshandelt und vergewaltigt habe. Für ihre schriftstellerische Tätigkeit erhielt die Ehefrau in den Jahren zwischen 2007 und 2009 Autorenhonorare in Gesamthöhe von rund 50.000 €, die sie nicht versteuert hat. Im November 2009 wurde über das Vermögen der Ehefrau das Insolvenzverfahren eröffnet.
4
Den im August 2006 bei Gericht angebrachten Antrag der Ehefrau auf nachträgliche Durchführung des Versorgungsausgleichs hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 4. Mai 2011 zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Ehefrau hat das Oberlandesgericht den Versorgungsausgleich durchgeführt und Anrechte der Ehefrau bei der gesetzlichen Rentenversicherung im Wege interner Teilung mit einem Ausgleichswert von 1,7334 Entgeltpunkten zugunsten des Ehemanns ausgeglichen. Umgekehrt hat es im Wege interner Teilung Anrechte des Ehemanns bei der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Ausgleichswert von 7,1952 Entgeltpunkten sowie Anrechte der betrieblichen Altersversorgung mit einem Ausgleichswert von 11.184 € zugunsten der Ehefrau ausgeglichen.
5
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Ehemann die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
7
Auf das Verfahren ist wegen Art. 111 Abs. 5 FGG-RG das seit dem 1. September 2009 geltende Verfahrensrecht anzuwenden, weil das Verfahren zwar vor dem 1. September 2009 eingeleitet worden ist, aber bis zum 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung ergangen war.
8
1. Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt aus Billigkeitsgründen ausgeschlossen sei, und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
9
Bei der Billigkeitsabwägung nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 EGBGB (aF) sei ein umfassender Vergleich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten vorzunehmen. Dabei sei die Billigkeitsprüfung nicht auf die Zeit bis zur Beendigung der Ehe beschränkt; vielmehr könnten auch Umstände berücksichtigt werden, die erst nach der Beendigung der Ehe eingetreten seien. Anhaltspunkte dafür, dass die Ehefrau über ein solches Vermögen verfügen könnte , dass sie nicht auf die anteiligen Versorgungsanrechte angewiesen wäre, seien nicht ersichtlich. Für die nicht näher substantiierte Behauptung des Ehemannes , wonach die Ehefrau seit 2008 Alleineigentümerin einer mit den Gewinnen aus ihrer Buchveröffentlichung finanzierten Eigentumswohnung in Tunesien sei, ließen sich auch in den die Ehefrau betreffenden Insolvenzakten keine weiteren Anhaltspunkte finden. Die Ehefrau habe ihrerseits schlüssig vorgetragen , die Einkünfte aus der Buchveröffentlichung in die Ausbildung der gemeinsamen Kinder investiert zu haben. Im Übrigen seien die der Ehefrau 15 Jahre nach der Ehescheidung aus der Veröffentlichung ihres Buches zugeflossenen Honorare ohnehin nicht so hoch, dass ihnen bei der Billigkeitsabwägung entscheidende Bedeutung zukäme.
10
Es könne deshalb auch dahinstehen, ob der Ehemann die ihm im Scheidungsurteil auferlegte Schadensersatzzahlung erfüllt habe. Bei dem ausgeurteilten Betrag, der bereits seiner Höhe nach keinen nennenswerten Beitrag zur Altersversorgung habe bieten können, habe es sich nach dem Wortlaut des Scheidungsurteils um einen Schadensersatz für moralischen Schaden und nicht um einen Beitrag zur Altersvorsorge gehandelt.
11
Auch die Härteklausel des neben dem Art. 17 Abs. 3 EGBGB zu prüfenden § 27 VersAusglG führe nicht zum Ausschluss desVersorgungsausgleichs. Nach dem Prüfungsmaßstab des § 27 VersAusglG liege keine grobe Unbilligkeit vor, und zwar auch dann nicht, wenn die Schilderungen der Ehefrau über das Verhalten des Ehemanns während der Ehe tatsächlich unzutreffend sein sollten, wie es der Ehemann behaupte. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs könne zwar unbillig sein, wenn der Ausgleichsberechtigte ein Verbrechen oder ein schweres Vergehen zum Nachteil des Ausgleichspflichtigen begangen habe. Die Ehefrau habe sich aber, die Unrichtigkeit ihrer Schilderungen unterstellt, mit der Veröffentlichung ihres Buchs allenfalls einer Beleidigungstat im Sinne des vierzehnten Abschnitts des Strafgesetzbuchs (§§ 185 ff. StGB) strafbar gemacht. Diese Tat weise jedoch keine solche Qualität auf, dass vor ihrem Hintergrund die Teilhabe der Ehefrau an den während der Ehe erwirtschafteten Versorgungsanrechten in einem unerträglichen Widerspruch zum Grundgedanken des Versorgungsausgleichs stünde. Entscheidend für diese Beurteilung sei, dass die Ehefrau durch die Verwendung eines Pseudonyms und die Veränderung ihrer persönlichen Daten eine eindeutige Zuordnung vermieden habe und eine Absicht, den Ehemann mit der Veröffentlichung des Buches gezielt zu schaden, nicht ersichtlich sei. Das Buch vermittle vielmehr den Eindruck, einen literarischen Beitrag zur öffentlichen Diskussion über Zwangsehen leisten und diese öffentliche Debatte auch für den Erfolg des Buches nutzen zu wollen. Die Behauptung des Ehemanns, er sei für die zahlenmäßig überschaubare "tunesische Community" in seiner Stadt eindeutig als der in dem Buch geschilderte Ehemann identifizierbar, lasse sich nur aus dem Umstand schlussfolgern, dass die Ehefrau auf dem Umschlag ihres Buches abgebildet sei. Im Übrigen habe der Ehemann nach seinem eigenen Vorbringen selbst erst Jahre nach der Veröffentlichung von dem Buch Kenntnis erlangt.
12
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.
13
a) Das Beschwerdegericht ist zutreffend von der Anwendbarkeit des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EGBGB aF (d.h. in der bis zum 28. Januar 2013 geltenden Fassung, vgl. Art. 229 § 28 Abs. 2 EGBGB) ausgegangen. Ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken begegnet die vom Beschwerdegericht nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz EGBGB aF vorgenommene Billigkeitsabwägung , wonach der Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten weder herabzusetzen noch auszuschließen ist.
14
Die in Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz EGBGB aF vorgesehene Billigkeitsprüfung dient nach den Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. auch BTDrucks. 10/5632 S. 42 f.) dazu, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute zu berücksichtigen und internationalen Elementen des Eheverlaufs Rechnung zu tragen. Vor allem sollen unbillige Ergebnisse vermieden werden, die sich dadurch ergeben könnten, dass ein Ehegatte inländische Anwartschaften abgeben muss, während der andere Ehegatte bereits seiner Alterssicherung dienende Vermögenswerte im Ausland besitzt, an denen der Ausgleichspflichtige nicht partizipieren kann (Senatsbeschlüsse vom 23. Februar 1994 - XII ZB 39/93 - FamRZ 1994, 825, 826 und vom 17. Januar 2007 - XII ZB 168/01 - FamRZ 2007, 996 Rn. 10).
15
Die Anwendung einer derartigen Billigkeitsklausel und die Würdigung eines gefundenen Ergebnisses unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit sind in erster Linie dem Tatrichter vorbehalten. Die tatrichterliche Beurteilung ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde nur begrenzt nachprüfbar, insbesondere dahin, ob der Tatrichter die maßgeblichen Umstände ausreichend und umfassend in seine Abwägung einbezogen hat (st. Rspr; vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. November 1999 - XII ZB 132/98 - FamRZ 2000, 418, 419 und vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 64/03 - FamRZ 2007, 366, 367, jeweils mwN).
16
aa) Nicht zu beanstanden ist die Annahme des Beschwerdegerichts, dass die Einnahmen der Ehefrau aus ihrer schriftstellerischen Tätigkeit zwischen den Jahren 2007 und 2009 für sich genommen der Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht entgegenstehen. Die Versorgungslage des Ehemannes wird sich bezüglich der gesamten - auch außerhalb der Ehezeit erworbenen - Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung und der betrieblichen Altersversorgung selbst nach Durchführung des Versorgungsausgleiches noch erheblich besser darstellen als die Versorgungslage der Ehefrau, so dass allein der nachehezeitliche Zufluss von 50.000 € eine Unbilligkeit im Sinne des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz EGBGB aF nicht zu begründen vermag.
17
bb) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde können dem Beschwerdegericht auch keine Verfahrensverstöße im Hinblick auf die Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehefrau, insbesondere im Hinblick auf die seit dem Jahre 2009 erzielten Einnahmen aus der Taschenbuchausgabe und den fremdsprachigen Ausgaben ihres Buches, angelastet werden.
18
Zwar sind die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen grundsätzlich von Amts wegen durchzuführen (§ 26 FamFG). Dieser allgemeine Grundsatz erfährt im Versorgungsausgleichsverfahren allerdings eine Einschränkung dahingehend, dass es den Verfahrensbeteiligten überlassen ist, die ihnen vorteilhaften Umstände, die dem Gericht nicht ohne weiteres bekannt sein können, von sich aus vorzubringen und durch eingehende Tatsachendarstellung und geeigneten Beweisantritt an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 64/03 - FamRZ 2007, 366, 367 mwN). Bei der Billigkeitsklausel des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz EGBGB aF handelt es sich - wie bei § 27 VersAusglG - um eine anspruchsbegrenzende Norm mit Ausnahmecharakter. Für das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes muss der Beteiligte, der sich darauf beruft, dessen tatsächliche Voraussetzungen unter Berücksichtigung der allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln geltend machen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Mai 1990 - XII ZB 58/89 - FamRZ 1990, 1341, 1342 und vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 64/03 - FamRZ 2007, 366, 367 mwN).
19
Das Beschwerdegericht war auch nach dem Vortrag des Ehemanns, die Ehefrau habe fortlaufend Einkünfte aus der Vermarktung ihres Buches erzielt, nicht gehalten, die Einkommenssituation der Ehefrau von Amts wegen weiter aufzuklären. Denn es hat festgestellt, dass auf Antrag der Ehefrau am 19. November 2009 das Verbraucherinsolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet worden war und nach dem Schlussbericht des Treuhänders vom 11. Mai 2010 kein verwertbares Vermögen der Antragstellerin ermittelt werden konnte. Anhaltspunkte für die Annahme, die Ehefrau werde während der sechs- jährigen Wohlverhaltensphase ihre pfändbaren Einkünfte aus der Vermarktung des Buches nicht an den Treuhänder weiterleiten, sondern für sich selbst verbrauchen oder auf die Seite schaffen, sind vom Ehemann dagegen nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr durfte das Beschwerdegericht davon ausgehen, dass die Ehefrau während der Wohlverhaltensphase sämtliches pfändbares Einkommen zur Rückführung ihrer Schulden an den Treuhänder weiterleiten wird. Damit stehen die Einkünfte der Ehefrau aber gerade nicht für die eigene Altersvorsorge zur Verfügung.
20
cc) Die Billigkeitsentscheidung des Beschwerdegerichts wird auch durch den Zeitablauf zwischen dem Scheidungsausspruch und dem Antrag auf nachträgliche Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht in Frage gestellt.
21
Die Härteklausel nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz EGBGB aF steht einer Anwendung des Verwirkungseinwandes als eigenständigem Rechtsinstitut entgegen. Denn sie setzt gegenüber § 242 BGB andere und - vor allem durch das Merkmal der Unbilligkeit - strengere Maßstäbe und verdrängt daher im Bereich des Versorgungsausgleichs die allgemeinen Grundsätze über die Verwirkung von Rechten (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Januar 2007 - XII ZB 168/01 - FamRZ 2007, 996 Rn. 26). Besondere Umstände, die dem Zeitablauf im Rahmen der Billigkeitsabwägung ausnahmsweise ein entscheidendes Gewicht verleihen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit die Rechtsbeschwerde auf das Alter des Ehemannes abstellen will, ist bereits darauf hinzuweisen, dass dieser bei Antragstellung im Jahre 2006 erst 53 Jahre alt und es dementsprechend nicht ausgeschlossen gewesen ist, den Verlust von Anrechten bei Durchführung des Versorgungsausgleiches bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze durch verstärkte Vorsorgeanstrengungen wenigstens teilweise wieder kompensieren zu können. Im Übrigen konnte sich der Ehemann grundsätzlich nicht darauf einstellen, dass sich die lebensjüngere Ehefrau bereits abschließend mit ihrer Altersvorsorge befasst hatte (vgl. auch Senatsbeschluss vom 17. Januar 2007 - XII ZB 168/01 - FamRZ 2007, 996 Rn. 29).
22
b) Es ist ebenfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht keinen Härtefall nach § 27 VersAusglG angenommen hat.
23
Gemäß § 27 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen. Ob und in welchem Umfang die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig erscheint, unterliegt grundsätzlich der tatrichterlichen Beurteilung. Diese ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde nur daraufhin zu überprüfen , ob alle wesentlichen Umstände berücksichtigt wurden und das Ermessen in einer dem Gesetzeszweck entsprechenden Weise ausgeübt worden ist (Senatsbeschluss vom 19. September 2012 - XII ZB 649/11 - FamRZ 2013, 106 Rn. 16 mwN). Nach diesen eingeschränkten Prüfungsmaßstäben halten die Erwägungen, mit denen das Beschwerdegericht das Vorliegen eines Härtefalls nach § 27 VersAusglG im Ergebnis verneint hat, den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
24
aa) Aus Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 GG folgt, dass beide Eheleute gleichermaßen an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen berechtigt sind. Die Leistungen, die von den Ehegatten im Rahmen der ehelichen Rollenverteilung erbracht werden, sind als grundsätzlich gleichwertig anzusehen; die Leistungen desjenigen Ehegatten, der - wie hier die Ehefrau - Haushaltsführung und Kinderbetreuung übernommen hat, haben für das gemeinsame Leben der Ehepartner keinen geringeren Wert als das Erwerbseinkommen des berufstätigen Ehegatten. Der Versorgungsausgleich dient insoweit der Aufteilung von gemeinsam erwirtschaftetem Vermögen der Eheleute, welches nur wegen der in der Ehe gewählten Aufgabenverteilung einem der beiden Ehegatten rechtlich zugeordnet war (vgl. BVerfG FamRZ 1984, 653, 654 und FamRZ 2003, 1173; vgl. auch Senatsbeschluss vom 9. Mai 1990 - XII ZB 76/89 - FamRZ 1990, 985, 986 f.).
25
In diesem Zusammenhang hat die Härtefallklausel des § 27 VersAusglG die Funktion eines Gerechtigkeitskorrektivs. Sie soll als Ausnahmeregelung eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Entscheidung in solchen Fällen ermöglichen , in denen die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs zur "Prämierung" einer groben Verletzung der aus der ehelichen Gemeinschaft folgenden Pflichten führen oder gegen die tragenden Prinzipien des Versorgungsausgleichs verstoßen würde. Die Auslegung des § 27 VersAusglG hat sich indessen stets an der gesetzgeberischen Zielsetzung des Versorgungsausgleichs zu orientieren, nämlich die gleichberechtigte Teilhabe der Eheleute an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen zu verwirklichen und dem Ehegatten, der in der Ehezeit wegen der Aufteilung von Erwerbstätigkeit und Familienarbeit keine eigenen Versorgungsanwartschaften hat aufbauen können, eine eigene Versorgung zu verschaffen (BVerfG FamRZ 2003, 1173 f.).
26
bb) Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass eine grobe Unbilligkeit des Versorgungsausgleichs nicht nur durch wirtschaftlich relevante Verhältnisse begründet werden, sondern sich auch aus einem Fehlverhalten eines Ehegatten im persönlichen Bereich ergeben kann (vgl. bereits Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 1982 - IVb ZB 615/80 - FamRZ 1983, 32, 33 und vom 12. November 1986 - IVb ZB 67/85 - FamRZ 1987, 362, 363). Beim Vorliegen eines solchen Fehlverhaltens, das erst die Zeit nach der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft betrifft, kann der ausgleichsberechtigte Ehegat- te von der Teilhabe an dem in der Ehezeit gemeinsam erwirtschafteten Versorgungsvermögen nur dann ausgeschlossen werden, wenn das Fehlverhalten besonders krass ist oder sonst unter den Ehepartnern besonders belastenden Umständen geschieht und die Durchführung des Versorgungsausgleichs deshalb unerträglich erscheint (vgl. Senatsurteil vom 28. März 1984 - IVb ZR 64/82 - FamRZ 1984, 662, 665). Nachdem der Ehefrau im vorliegenden Fall zu keinem Zeitpunkt der Vorwurf gemacht wurde, während der Ehe ihre Pflichten in der Familie verletzt zu haben, hat das Beschwerdegericht zu Recht besonders strenge Anforderungen an ein den Versorgungsausgleich ausschließendes Fehlverhalten der Ehefrau gestellt.
27
cc) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht bei seiner Billigkeitsabwägung nicht die Bedeutung des durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Ehemanns grundsätzlich verkannt.
28
Als Schutzgüter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unter anderem die Privat-, Geheim- und Intimsphäre (BVerfG NJW 1969, 1707; NJW 1978, 807, 809), die persönliche Ehre und das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person (BVerfG NJW 1973, 1226, 1227 f.) anerkannt. Das Recht auf Achtung der Privatsphäre gesteht dabei jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zu, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Zum Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre gehören der familiäre Bereich und die persönlichen, auch die geschlechtlichen Beziehungen zu einem Partner (BVerfG NJW 1997, 1769 mwN). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt darüber hinaus insbesondere auch die soziale Anerkennung des Einzelnen; daher umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken. Ohne dass es dem Einzelnen einen Anspruch darauf verliehe, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist, schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht ihn doch jedenfalls vor verfälschenden oder entstellenden Darstellungen seiner Person und Beeinträchtigungen seiner Persönlichkeit (BVerfG NJW 1998, 1381, 1383).
29
Nach diesen Grundsätzen sind die in dem Buch geschilderten Umstände der Ehe zwischen dem Ehemann und der Ehefrau durchaus geeignet, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Ehemanns zu beeinträchtigen. Der Ehemann hat ein allgemeines Interesse daran, dass Einzelheiten des Zusammenlebens der Ehegatten nicht gegen oder ohne seinen Willen in der Öffentlichkeit ausgebreitet werden, sondern innerhalb der Abgeschlossenheit der Ehe verbleiben. Dabei käme es nicht einmal darauf an, ob die von der Ehefrau geschilderten Verhaltensweisen des Ehemanns zutreffend geschildert wurden oder nicht. Geht man mangels entgegenstehender Feststellungen des Beschwerdegerichts für das Rechtsbeschwerdeverfahren davon aus, dass die Schilderungen der Ehefrau in ihrem Buch zu den Verhältnissen in der Ehe der Beteiligten tatsächlich unzutreffend sind, so ergibt sich auch hieraus eine (weitere) Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Ehemanns; denn die dem Ehemann in dem Buch vorgeworfenen Verhaltensweisen sind zweifellos geeignet , ihn in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen und sein soziales Ansehen zu schmälern.
30
Indem das Beschwerdegericht die Veröffentlichung des Buches an den Tatbeständen einer Beleidigungstat nach den §§ 185 ff. StGB gemessen hat, hat es das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Ehemanns jedenfalls im Hinblick auf den Schutz des Einzelnen vor unwahren Darstellungen seiner Person in seine Abwägung mit aufgenommen. Denn geschütztes Rechtsgut der §§ 185 ff. StGB ist die persönliche Ehre als ein Aspekt der Personenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Auch nach der strafrechtlichen Definition handelt es sich bei der persönlichen Ehre um ein Verfassungsrechtsgut von hohem Rang (vgl. MünchKommStGB/Regge Vor §§ 185 Rn. 9).
31
dd) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist das Beschwerdegericht nicht von der "Esra"-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG NJW 2008, 39 ff.) abgewichen und hat auch nicht die Auffassung vertreten, dass ein mit der Veröffentlichung des Buches verbundene Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Ehemannes durch die Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG gedeckt sei. Vielmehr hat das Beschwerdegericht die Frage nach der Erkennbarkeit der Person des Ehemanns und der Intention der Ehefrau bei der Veröffentlichung des Buches lediglich als einen Gesichtspunkt in die umfassende Billigkeitsabwägung gemäß § 27 VersAusglG eingestellt. In seine Würdigung hat das Beschwerdegericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise den Umstand einbezogen, dass die Ehefrau das Buch unter einem Pseudonym veröffentlicht und die Namen von Ehemann und Ehefrau in dem Buch nicht genannt werden. Es hat sich - in verfassungsrechtlich gebotener Weise (vgl. BVerfG FamRZ 2003, 1173, 1174) - auch davon leiten lassen, welche Auswirkungen die Veröffentlichung des Buches im konkreten Einzelfall auf die Person des Ehemanns hatte und die insoweit für maßgebend erachteten Umstände (die Auflösung des Pseudonyms ist allenfalls für einen sehr begrenzten Personenkreis möglich, der Ehemann hat trotz der Publizität des Buches selbst erst nach drei Jahren von dessen Veröffentlichung erfahren) in tatrichterlicher Verantwortung gewürdigt.
32
ee) Ferner hat das Beschwerdegericht mit Recht in die Billigkeitsabwägung einfließen lassen, dass die Ehefrau während der mehr als zwölfjährigen Ehe unter Verzicht auf eine eigene Berufstätigkeit drei gemeinsame Kinder erzogen , den Haushalt geführt und dadurch einen gleichwertigen Beitrag zum gemeinsam erwirtschafteten Versorgungsvermögen geleistet hat (vgl. BVerfG FamRZ 2003, 1173, 1174). Wenn das Beschwerdegericht bei der Gesamtabwägung aller genannten Umstände zu dem Ergebnis gelangt, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs zum Nachteil des Ehemanns nicht unerträglich erscheint, ist gegen diese tatrichterliche Entscheidung aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
33
c) Das Oberlandesgericht hat auch nicht den Anspruch des Ehemanns auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, indem es ohne vorherigen rechtlichen Hinweis von der Entscheidung in erster Instanz abgewichen ist.
34
Zwar darf ein in erster Instanz obsiegender Beteiligter grundsätzlich darauf vertrauen, vom Rechtsmittelgericht rechtzeitig einen solchen Hinweis zu erhalten, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und insbesondere auf Grund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (Senatsbeschluss vom 4. Mai 2011 - XII ZR 86/10 - NJW-RR 2011, 1009 f.). Dies gilt aber nicht, wenn die dem in erster Instanz erfolgreichen Beteiligten günstige Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts als zentraler Streitpunkt zur Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht gestellt wird. Denn in diesem Fall müssen die Beteiligten von vornherein damit rechnen, dass das Rechtsmittelgericht anderer Auffassung sein könnte; seine dementsprechende Entscheidung kann im Grundsatz nicht überraschend sein (BGH Urteil vom 21. Oktober 2005 - V ZR 169/04 - NJW-RR 2006, 235, 236 und Beschluss vom 20. Dezember 2007 - IX ZR 207/05 - NJW-RR 2008, 581).
35
So liegt der Fall hier. Die Frage nach dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs aus Billigkeitsgründen war zentraler Gegenstand des Verfahrens. Das Amtsgericht hatte seine Billigkeitsentscheidung zum Nachteil der Ehefrau in der ersten Instanz damit begründet, dass die Ehefrau mit der Vermarktung ihres Buches voraussichtlich Gewinne in einer Höhe erzielt habe, die der Höhe der im Versorgungsausgleich zu übertragenden Kapitalwerte entspräche. Der Ehemann konnte nicht davon ausgehen, dass sich das Beschwerdegericht von den gleichen Erwägungen leiten lassen würde. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Ehemann bei einem rechtzeitigen richterlichen Hinweis seinen Sachvortrag , das Eheleben der Beteiligten sei in dem Buch gänzlich falsch und verleumderisch dargestellt, unter Beweis gestellt hätte. Denn die Billigkeitsentscheidung des Beschwerdegerichts beruht gerade nicht darauf, dass der Ehemann die Unwahrheit der in dem Buch der Ehefrau geschilderten Ereignisse nicht habe beweisen können.

III.

36
Dem Ehemann konnte die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe nicht bewilligt werden. Die Sache hat keine - über die Anwendung von Art. 17 Abs. 3 EGBGB und § 27 VersAusglG auf den Einzelfall hinausgehende - grundsätzliche Bedeutung, denn sie wirft in diesem Zusammenhang keine Rechtsfragen auf, die noch einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen. Fehlt es an der grundsätzlichen Bedeutung der Sache, kommt es für die Bewilligung von Verfahrens- kostenhilfe in der Rechtsbeschwerdeinstanz allein auf die Erfolgsaussichten an (Senatsbeschluss vom 24. April 2013 - XII ZR 159/12 - FamRZ 2013, 1199 Rn. 14). Diese bestehen im vorliegenden Fall nicht. Klinkhammer Schilling Günter Botur Guhling
Vorinstanzen:
AG Hamburg-Harburg, Entscheidung vom 04.05.2011 - 632 F 285/06 -
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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


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(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde, sind weiter die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren finden die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung, wenn die Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde.

(2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren in Familiensachen, die am 1. September 2009 ausgesetzt sind oder nach dem 1. September 2009 ausgesetzt werden oder deren Ruhen am 1. September 2009 angeordnet ist oder nach dem 1. September 2009 angeordnet wird, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt.

(5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.

10
Keine Bedenken bestehen gegen die vom Oberlandesgericht nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB vorgenommene Billigkeitsabwägung , wonach der Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien weder herabzusetzen noch auszuschließen ist. Die Anwendung einer derartigen Billigkeitsklausel und die Würdigung eines ge- fundenen Ergebnisses unter dem Gesichtspunkt, "ob es der Billigkeit nicht widerspricht" , ist in erster Linie dem Tatrichter vorbehalten. Sie ist im Verfahren der weiteren Beschwerde nur begrenzt nachprüfbar, insbesondere dahin, ob der Tatrichter die maßgeblichen Umstände ausreichend und umfassend in seine Abwägung einbezogen hat (Senatsbeschluss vom 10. November 1999 - XII ZB 132/98 - FamRZ 2000, 418, 419). Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers dient die in Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB vorgesehene Billigkeitsprüfung dazu, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute zu berücksichtigen und internationalen Elementen des Eheverlaufs Rechnung zu tragen. Gerechtigkeitserwägungen sollen bereits bei der Weichenstellung zum deutschen Recht hin ausgewogene Berücksichtigung finden; vor allem sollen unbillige Ergebnisse vermieden werden, die sich dadurch ergeben könnten, dass ein Ehegatte inländische Anwartschaften abgeben muss, während der andere Ehegatte bereits seiner Alterssicherung dienende Vermögenswerte im Ausland besitzt, an denen der Ausgleichspflichtige nicht partizipieren kann (Senatsbeschluss vom 23. Februar 1994 - XII ZB 39/93 - FamRZ 1994, 825, 826; vgl. auch BT-Drucks. 10/5632 S. 42 f.).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 64/03
vom
20. Dezember 2006
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EGBGB Art. 17 Abs. 3 Satz 2
Zur Billigkeitsentscheidung nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB, wenn der aus
dem Versorgungsausgleich Berechtigte dauerhaft im Ausland (hier: Türkei) lebt
und keinen Bezug zum deutschen Rechtskreis hat (Fortführung des Senatsbeschlusses
vom 10. November 1999 - XII ZB 132/98 - FamRZ 2000, 418 f.)
BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 64/03 - KG
AG Tempelhof-Kreuzberg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2006 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke, die Richter
Prof. Dr. Wagenitz und Fuchs und die Richterin Dr. Vézina:

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin als Senat für Familiensachen vom 3. März 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Kammergericht in Berlin zurückverwiesen. Beschwerdewert: 1.340 €

Gründe:


I.

1
Die Parteien, beide türkische Staatsangehörige, haben am 20. Juni 1956 in der Türkei geheiratet. Aus der Ehe sind vier inzwischen volljährige, in der Türkei aufgewachsene Kinder hervorgegangen. Der im Jahr 1933 geborene Ehemann (Antragsgegner) ist 1970 ohne seine Familie zur Erwerbstätigkeit nach Deutschland gekommen, wo er seither lebt. Die im Jahr 1942 geborene Ehefrau (Antragstellerin), die zu keinem Zeitpunkt sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, lebt im Haushalt eines ihrer Söhne in B. /Türkei.
2
Auf den am 4. September 1997 zugestellten Antrag der Ehefrau ist die Ehe durch Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - nach türkischem Recht geschieden worden. Gleichzeitig hat das Familiengericht auf Antrag der Ehefrau nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass vom Versicherungskonto des Antragsgegners auf ein bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund; weitere Beteiligte zu 2) einzurichtendes Versicherungskonto der Antragstellerin Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 436,80 DM (223,33 €), bezogen auf den 31. August 1997, übertragen werden. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts - Familiengericht - hat der Antragsgegner bei der Deutschen Rentenversicherung Oberbayern (DRV Oberbayern, weitere Beteiligte zu 1) in der Ehezeit (1. Juni 1956 bis 31. August 1997, § 1587 Abs. 2 BGB) inländische Versorgungsanwartschaften in Höhe von monatlich 873,61 DM (446,67 €) erworben; die Antragstellerin verfügt über keine Rentenanwartschaften.
3
Der Antragsgegner hat gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, der Wertausgleich sei unter Billigkeitsgesichtspunkten auszuschließen. Er habe der Antragstellerin anlässlich verschiedener Besuche in der Türkei insgesamt 65.000 DM überlassen, damit sie durch den Erwerb einer Immobilie für ihr Alter vorsorgen könne. Die Ehefrau habe das Geld einem der gemeinsamen Söhne zur Verfügung gestellt, bei dem sie nun unentgeltlich bei freier Kost wohne. Die Antragstellerin hat den Erhalt jeglicher Zuwendungen bestritten und behauptet, der Antragsgegner habe , seitdem er die Türkei verlassen habe, allenfalls geringe Unterhaltsleistungen für die Familie erbracht. Wegen der Erziehung der gemeinsamen Kinder habe sie für ihr Alter nicht vorsorgen können. Inzwischen sei sie alt, krank und auf finanzielle Mittel angewiesen.
4
Das Kammergericht hat mit Beschluss vom 21. September 1998 die Entscheidung zum Versorgungsausgleich zunächst dahin abgeändert, dass vom Versicherungskonto des Ehemannes auf ein einzurichtendes Konto der Antragstellerin bei der DRV Bund Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 145,60 DM (74,44 €), bezogen auf den 31. August 1997, zu übertragen seien. Die Kürzung gemäß Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB auf ein Drittel des hälftigen Wertunterschieds hat es mit den im Vergleich zu Deutschland geringeren Lebenshaltungskosten in der Türkei begründet. Im Übrigen habe der Antragsgegner die behaupteten Zahlungen in Höhe von 65.000 DM an die Antragstellerin weder belegt noch "genauer nach Zeit sowie Ort und Umständen der Übergabe substantiiert", weshalb der Vortrag unbeachtlich sei.
5
Auf die zugelassene weitere Beschwerde der Antragstellerin hat der Senat mit Beschluss vom 10. November 1999 (- XII ZB 132/98 - FamRZ 2000, 418 f.) die Entscheidung des Kammergerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Bei der erforderlichen Überprüfung nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB, ob die Durchführung des Versorgungsausgleichs der Billigkeit entspreche, sei unberücksichtigt geblieben, dass Rentenleistungen an im Ausland lebende Berechtigte nach § 113 Abs. 3 SGB VI regelmäßig nur in Höhe von 70 % ausgezahlt würden. Bei der Beurteilung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse könne zudem nicht nur auf die geringeren Lebenshaltungskosten in der Türkei abgestellt werden. Es müsse auch Berücksichtigung finden, dass der Antragsgegner in Deutschland in die allgemeine soziale Sicherung, einschließlich der gesetzlichen Krankenversicherung und der ggf. eintretenden ergänzenden Sozialhilfe, einbezogen sei. Die Antragsgegnerin verfüge hingegen über keine eigene Krankenversicherung und müsse für ihre medizinische Versorgung selbst aufkommen.
6
Mit Beschluss vom 3. März 2003 hat das Kammergericht eine Herabsetzung auf 50 % des hälftigen Wertunterschieds befürwortet und die Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - zum Versorgungsausgleich dahin abgeändert, dass vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der DRV Oberbayern auf ein einzurichtendes Konto der Antragstellerin bei der DRV Bund Rentenanwartschaften in Höhe von 111,67 € (218,40 DM), bezogen auf den 31. August 1997, übertragen werden.
7
Hiergegen wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragsgegners , mit der er einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs erreichen möchte.

II.

8
Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Kammergericht.
9
1. Das Kammergericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Auf Antrag der Ehefrau sei gemäß Art. 17 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EGBGB der Versorgungsausgleich regelwidrig nach deutschem Recht durchzuführen. Das nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB maßgebliche türkische Scheidungsstatut kenne den Versorgungsausgleich nicht; der Antragsgegner habe aber in der Ehezeit inländische Anwartschaften erworben. Die nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB erforderliche Billigkeitsabwägung unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse führe allerdings zu einer Beschränkung des Wertausgleichs auf die Hälfte des sich nach § 1587 b Abs. 1 BGB errechnenden Ausgleichsanspruchs der Ehefrau (111,67 € statt 223,34 €). Deren Lebenshaltungsniveau sei - unter Berücksichti- gung der konkreten Lebenssituation beider Ehegatten - niedriger als das des in Deutschland lebenden Antragsgegners. Bei der Abwägung sei auch zu berücksichtigen , dass sich die Antragstellerin in der Türkei um die Erziehung der gemeinsamen Kinder gekümmert habe und deshalb keine eigene Altersversorgung habe aufbauen können. Krankenversichert sei sie lediglich zeitweise kostenlos über ihren Sohn E. Hingegen könne die Übertragung von Anrechten der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung unter bestimmten Voraussetzungen sogar dazu führen, dass die Antragstellerin Pflichtmitglied in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung werde. Einen Anspruch auf Teilhabe an einem durch die Verhältnisse in Deutschland geprägten höheren Lebensstandard habe die Antragstellerin jedoch nicht. Auch sei der Wertausgleich nicht deshalb ungekürzt durchzuführen, weil der in Deutschland lebende Antragsgegner seine infolge des Versorgungsausgleichs unzureichende Rente durch ergänzende Sozialhilfe aufbessern könne. Auf der anderen Seite könne nicht deshalb von der Durchführung des Wertausgleichs abgesehen werden, weil bereits die ungekürzte Rente des Antragsgegners nicht ausreiche, dessen Lebensunterhalt ohne ergänzende Sozialhilfe zu sichern. Entsprechende Selbstbehaltgrenzen gebe es beim Versorgungsausgleich nicht. Der Wertausgleich sei auch wirtschaftlich sinnvoll, da die in der Türkei lebende Antragstellerin ohne weitere Beitragszeiten einen durchsetzbaren Rentenanspruch erhalte, der ihr auf der Grundlage des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens ungekürzt ausgezahlt werde. Sonstige Umstände, die eine weitere Herabsetzung oder gar einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs rechtfertigten, habe der Antragsgegner nicht dargetan. Insbesondere habe er trotz Ankündigung nichts Erhebliches mehr zu seiner Behauptung vorgetragen, die Antragstellerin habe bereits der Altersvorsorge dienende 65.000 DM erhalten. Sein darauf gestützter Antrag auf Ausschluss des Versorgungsausgleichs könne deshalb bereits aus den Gründen des Beschlusses vom 21. September 1998 keinen Erfolg haben.
10
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
11
2. Das Beschwerdegericht hat im Ansatz zu Recht nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB eine Billigkeitsabwägung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien vorgenommen und dabei insbesondere das gegenüber Deutschland niedrigere Lebenshaltungsniveau in der Türkei berücksichtigt. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers dient die Billigkeitsprüfung dazu, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute zu berücksichtigen und internationalen Aspekten des Eheverlaufs Rechnung zu tragen. Gerechtigkeitserwägungen sollen bereits bei der Weichenstellung zum deutschen Recht hin ausgewogene Berücksichtigung finden; vor allem sollen unbillige Ergebnisse vermieden werden, die sich dadurch ergeben könnten, dass ein Ehegatte inländische Anwartschaften abgeben muss, während der andere Ehegatte bereits seiner Alterssicherung dienende Vermögenswerte im Ausland besitzt , an denen der Ausgleichspflichtige nicht partizipieren kann (Senatsbeschluss vom 23. Februar 1994 - XII ZB 39/93 - FamRZ 1994, 825, 826; vgl. auch BT-Drucks. 10/5632 S. 42 f.). Die Anwendung einer derartigen Billigkeitsklausel und die Würdigung eines gefundenen Ergebnisses unter dem Gesichtspunkt , "ob es der Billigkeit nicht widerspricht", ist in erster Linie dem Tatrichter vorbehalten. Sie ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde nur begrenzt, insbesondere dahin nachprüfbar, ob der Tatrichter die maßgeblichen Umstände ausreichend und umfassend in seine Abwägung einbezogen hat (Senatsbeschluss vom 10. November 1999 aaO S. 419). Auf der Grundlage dieser eingeschränkten Überprüfbarkeit kann der angefochtene Beschluss aber keinen Bestand haben.
12
a) Ohne Erfolg beanstandet die Rechtsbeschwerde allerdings, das Beschwerdegericht habe bei seiner Billigkeitsabwägung den Vortrag des Antragsgegners fehlerhaft nicht berücksichtigt, er habe zwischen 1979 und 1982 der Antragstellerin für ihre Altersvorsorge 65.000 DM (33.233,97 €) zukommen lassen. Dem Beschwerdegericht ist kein Verfahrensverstoß durch Unterlassung gebotener Beweiserhebung unterlaufen.
13
aa) Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zwar grundsätzlich von Amts wegen vorzunehmen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben (§ 12 FGG). Das Verfahren betreffend den Versorgungsausgleich ist indessen eine echte Streitsache der freiwilligen Gerichtsbarkeit, bei der sich die Ehegatten regelmäßig als Gegner mit widerstreitenden vermögensrechtlichen Interessen privatrechtlicher Natur gegenüberstehen (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 85, 180, 188 und vom 3. November 1993 - XII ZB 33/92 - FamRZ 1994, 234, 236). Hier obliegt es den beteiligten Ehegatten, die ihnen vorteilhaften Umstände, die dem Gericht nicht ohne weiteres bekannt sein können, von sich aus vorzubringen und durch eingehende Tatsachendarstellung und geeigneten Beweisantritt an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken (vgl. Senatsbeschlüsse vom 3. November 1993 aaO S. 236 und vom 23. März 1988 - IVb ZB 51/87 - FamRZ 1988, 709, 710). Die Ermittlungspflicht des Gerichts endet deshalb grundsätzlich dort, wo es ein Verfahrensbeteiligter allein oder in erster Linie in der Hand hat, die notwendigen Erklärungen abzugeben. Bei der Billigkeitsklausel des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB handelt es sich - wie bei § 1587 c BGB - um eine anspruchsbegrenzende Norm mit Ausnahmecharakter (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Mai 1990 - XII ZB 58/89 - FamRZ 1990, 1341, 1342). Für das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes muss der Beteiligte, der sich darauf beruft, dessen tatsächliche Voraussetzungen unter Berücksichtigung der allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln geltend machen (Keidel/ Kuntze/Schmidt FGG 15. Aufl. § 12 Rdn. 121 f.; vgl. für § 1587 c BGB Senatsbeschlüsse vom 9. Mai 1990 aaO S. 1342 und vom 23. März 1988 aaO S. 710).
14
bb) Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 23. Juni 1998 vorgetragen , er habe der Antragstellerin im Jahr 1979 10.000 DM, im Jahr 1980 20.000 DM, im Jahr 1981 15.000 DM und im Jahr 1982 20.000 DM über den ältesten Sohn für den Erwerb einer Immobilie als Altersvorsorge zukommen lassen. Die Antragstellerin hat den Vortrag zulässig mit der Behauptung bestritten , der Antragsteller wolle lediglich mit unrichtiger Sachverhaltsdarstellung den Ausschluss des Versorgungsausgleichs erreichen. Da der Umfang der Darlegungslast vom Bestreiten des Gegners abhängig ist, oblag es nun dem für die Voraussetzungen des anspruchsbegrenzenden Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB darlegungs- und beweisbelasteten Antragsgegner, den bisher allgemein gehaltenen Vortrag hinsichtlich Zeitpunkt, Ort und konkreter Umstände der Zahlungen zu substantiieren, um der Antragstellerin eine weitere Erklärungslast aufzuerlegen (vgl. Zöller/Greger ZPO 26. Aufl. § 138 Rdn. 8 a) und das Vorbringen ggf. einer Beweisaufnahme zugänglich zu machen. Dem ist der Antragsgegner nicht nachgekommen. Die im Schriftsatz vom 23. Juni 1998 angekündigten Bankbelege für die behaupteten Zahlungen hat er nicht vorgelegt; ebenso hat er entgegen den mit Schriftsatz vom 25. Juli 2000 angekündigten "Ergänzungen des Vorbringens zu den Überweisungen" nichts weiter vorgetragen. Auch der vorgelegte Beleg einer türkischen Bank vom 25. Mai 1980 für die Überweisung von 150.000 Türkischen Lira an den ältesten Sohn Y. der Parteien vermag entgegen der Rechtsbeschwerde die behauptete Zahlung von 10.000 DM (5.112,92 €) an die Antragstellerin im Jahr 1980 nicht zu untermauern. Der ausgewiesene Betrag entsprach 1980 umgerechnet nur ca. 3.000 DM (1.533,88 €). Lediglich mit Schriftsatz vom 23. Juni 1998 hat der Antragsgegner konkretisierend ausgeführt, im Dezember 1980 habe er seinem Sohn Y. weitere 10.000 DM in der Wohnung des benannten Zeugen Y.A. in Istanbul übergeben. Dass diese Summe es der damals erst 38 Jahre alten und in der Türkei ohne eigene Einkünfte lebenden, allein erziehenden Antragstellerin ermöglicht haben soll, mittels Immobilienerwerbs für ihr Alter vorzusorgen, ist indes auch vor dem Hintergrund geringer Lebenshaltungskosten in der Türkei nicht nachvollziehbar. Mangels substantiierten Tatsachenvortrags und damit wegen fehlender Beweisbedürftigkeit (vgl. Musielak/Foerste ZPO 4. Aufl. § 284 Rdn. 16) musste das Beschwerdegericht über die behaupteten Geldzahlungen keinen Beweis erheben, insbesondere konnte es von einer Vernehmung der benannten Zeugen E.A. und Y.A. absehen.
15
cc) Der Antragsgegner kann sich dabei nicht darauf berufen, das Beschwerdegericht habe es versäumt, ihn vor Erlass der angegriffenen Entscheidung auf die fehlende Substantiierung seines Vortrags hinzuweisen. Zwar besteht grundsätzlich eine entsprechende gerichtliche Hinweispflicht (vgl. BGH Urteil vom 22. April 1999 - I ZR 37/97 - NJW 1999, 3716). Spätestens seit dem Beschluss des Beschwerdegerichts vom 21. September 1998, in dem u.a. die behaupteten Zahlungen als "nicht ausreichend dargetan" behandelt wurden, war dem Antragsgegner aber der Mangel seines Vortrags bekannt. Auch durfte er, nachdem der genannte Beschluss durch den Senat aus anderen Gründen aufgehoben und zurückverwiesen worden war, nicht davon ausgehen, das Kammergericht habe seine entsprechende Auffassung geändert. Mit Beschluss vom 28. August 2000 hat es vielmehr angekündigt, unter "Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs und etwaigem ergänzenden Sachvortrag" neu zu entscheiden. Daraus folgt, dass das Beschwerdegericht eine Beweisaufnahme über die behaupteten Geldzahlungen weiterhin nicht für erforderlich hielt.
16
b) Ebenfalls ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die angegriffene Entscheidung sei widersprüchlich und mangelhaft begründet. Sie beanstandet, das Kammergericht habe in seiner ursprünglichen Entscheidung vom 21. September 1998 den nach § 1587 b BGB ermittelten Ausgleichsbetrag zunächst um 67 % gekürzt. Nach der Aufhebung und Zurückverweisung durch den Senat halte es nun eine Kürzung um lediglich 50 % für geboten, obwohl neue, eine Herabsetzung rechtfertigende Argumente nicht hinzugetreten seien. Der Senat hatte in seiner Entscheidung vom 10. November 1999 (aaO) den Beschluss des Kammergerichts jedoch insgesamt aufgehoben und zurückverwiesen. Er hatte dabei dem Beschwerdegericht entsprechend § 565 Abs. 2 ZPO a.F. bindend (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 1997 - XII ARZ 27/97 - FamRZ 1998, 477; MünchKomm/Finger ZPO 2. Aufl. § 621 e Rdn. 70) aufgegeben, erneut in die Billigkeitsabwägung nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB einzutreten. Bei der erneuten Abwägung der maßgeblichen Umstände musste sich das Kammergericht deshalb nicht an den tragenden Gründen seiner Entscheidung vom 21. September 1998 orientieren. Zwar trifft es zu, dass Rentenzahlungen der Deutschen Rentenversicherung an in der Türkei lebende Berechtigte - trotz der geringeren Lebenshaltungskosten - ungekürzt ausgezahlt werden (vgl. Art. 35 des Abkommens der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30. April 1964, BGBl. 1965 II, 1170 f.; anders noch Senatsbeschluss vom 10. November 1999 aaO S. 419). Auch spricht dieser Umstand bei der Abwägung nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB eher für eine Kürzung des Wertausgleichs. Es blieb dem Beschwerdegericht dennoch unbenommen, den Aspekt der niedrigeren Lebenshaltungskosten anders als in der Ausgangsentscheidung zu gewichten und den Ausgleichsbetrag in geringerem Umfang herabzusetzen.
17
c) Die Rechtsbeschwerde wendet allerdings zu Recht ein, das Kammergericht habe bei seiner Entscheidung den Vortrag des Antragsgegners nicht berücksichtigt, die Antragstellerin verfüge in der Türkei über eigene Rentenanwartschaften. Nach dem für das Rechtsbeschwerdeverfahren als wahr zu unterstellenden Vortrag des Antragsgegners soll die Antragstellerin nach türkischem Sozialversicherungsrecht in den Zeiten kostenfrei gesetzlich rentenver- sichert sein, in denen ihr Sohn E. - in dessen Haushalt sie lebt - sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. Das Beschwerdegericht hat zum Bestehen und zur Höhe eines solchen Versicherungsanspruchs keine Feststellungen getroffen. Zwar bliebe ein solches Anrecht bei der Berechnung des eigentlichen Ausgleichsanspruchs unberücksichtigt, weil es weder mit Hilfe des Vermögens noch durch die Arbeit der Ehegatten begründet oder aufrechterhalten worden wäre (vgl. § 1587 Abs. 1 Satz 2 BGB). In die Billigkeitsabwägung nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB wäre es dennoch - da die wirtschaftliche Situation der Antragstellerin verbessernd - einzubeziehen.
18
4. Der angefochtene Beschluss kann daher nicht bestehen bleiben. Die Sache ist unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Kammergericht zurückzuverweisen, damit es Feststellungen dazu treffen kann, ob bzw. in welcher Höhe die Antragstellerin über das behauptete Anrecht aus der türkischen gesetzlichen Rentenversicherung verfügt. Dabei kann das Beschwerdegericht der Antragstellerin zunächst entsprechend § 11 Abs. 2 VAHRG aufgeben , genaue Angaben zu einem möglichen Rentenanspruch zu machen. Ebenso kann es über die Verbindungsstelle der Deutschen Rentenversicherung für die Türkei mit einem Auskunftsersuchen an den türkischen Versicherungsträger herantreten. Schließlich bleibt dem Beschwerdegericht auch die Möglichkeit, einen Sachverständigen zu Rate zu ziehen (vgl. allgemein zur Ermittlung ausländischer Anrechte: Rahm/Künkel/Paetzold Handbuch des Familiengerichtsverfahrens Kap. VIII Rdn. 1082 ff).
19
a) Im Rahmen einer erneuten Prüfung kann sich der Antragsgegner dabei für eine weitergehende Kürzung des Versorgungsausgleichs nicht allein darauf berufen, der Wertausgleich gefährde seinen "Mindestbedarf" und führe dazu, dass er verstärkt auf Sozialhilfeleistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts angewiesen sei. Unterhaltsrechtlich erhebliche Selbstbehaltgrenzen bestehen beim Versorgungsausgleich nicht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Januar 1993 - XII ZB 59/90 - FamRZ 1993, 682, 684 und vom 18. Mai 1988 - IVb ZB 109/87 - FamRZ 1989; 46, 47; Palandt/Brudermüller BGB § 1587 c Rdn. 21; MünchKomm/Dörr BGB 4. Aufl. § 1587 c Rdn. 19; Schwab/Hahne Handbuch des Scheidungsrechts 5. Aufl. Kap. VI Rdn. 283). Dieser Gesichtspunkt kann im Rahmen der Billigkeitsabwägung eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs nur dann rechtfertigen, wenn der Wertausgleich die Erhöhung einer bereits ausreichenden Versorgung des im Ausland lebenden Berechtigten zur Folge hätte, dem Verpflichteten hingegen für seinen Lebensunterhalt dringend benötigte Anrechte entziehen würde, und so ein erhebliches wirtschaftliches Ungleichgewicht die Folge wäre (vgl. für § 1587 c BGB Senatsbeschlüsse vom 20. Januar 1993 aaO S. 684 und vom 18. Mai 1988 aaO S. 47; a.A. OLG Frankfurt a.M. FamRZ 2000, 163, 164). Sollte das Beschwerdegericht deshalb im weiteren Verfahren feststellen, dass die Antragstellerin über die behaupteten Rentenanrechte in der Türkei verfügt, wird es bei seiner Abwägung nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB zu berücksichtigen haben, inwieweit diese Anrechte - auch vor dem Hintergrund vergleichsweise niedriger Lebenshaltungskosten in der Türkei - eine angemessene Versorgung im Alter gewährleisten.
20
b) Der Antragsgegner kann allerdings nicht erreichen, dass der Versorgungsausgleich vollständig ausgeschlossen wird. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Kammergericht auch zugunsten der Antragstellerin das Verbot der reformatio in peius zu beachten haben (für dessen Geltung im Versorgungsausgleichsverfahren vgl. Senatsbeschluss BGHZ aaO S. 185 ff; für den Fall der Zurückverweisung vgl. Senatsbeschluss vom 24. Mai 1989 - IVb ZB 28/88 - FamRZ 1989, 957, 958). Mit ihrem erfolgreichen Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 21. September 1998 hat die Antragstellerin erst die Grundlage für die zweite Entscheidung des Kammergerichts vom 3. März 2003 geschaffen , gegen die sich nun die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners rich- tet. Das Beschwerdegericht kann deshalb den Versorgungsausgleich nicht mit einem Betrag durchführen, der den mit Beschluss vom 21. September 1998 der Antragstellerin zugesprochenen Ausgleichsbetrag unterschreitet.
Hahne Weber-Monecke Wagenitz Fuchs Vézina

Vorinstanzen:
AG Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 11.03.1998 - 179 F 8814/97 -
KG Berlin, Entscheidung vom 03.03.2003 - 3 UF 10730/99 -

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 64/03
vom
20. Dezember 2006
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EGBGB Art. 17 Abs. 3 Satz 2
Zur Billigkeitsentscheidung nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB, wenn der aus
dem Versorgungsausgleich Berechtigte dauerhaft im Ausland (hier: Türkei) lebt
und keinen Bezug zum deutschen Rechtskreis hat (Fortführung des Senatsbeschlusses
vom 10. November 1999 - XII ZB 132/98 - FamRZ 2000, 418 f.)
BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 64/03 - KG
AG Tempelhof-Kreuzberg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2006 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke, die Richter
Prof. Dr. Wagenitz und Fuchs und die Richterin Dr. Vézina:

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin als Senat für Familiensachen vom 3. März 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Kammergericht in Berlin zurückverwiesen. Beschwerdewert: 1.340 €

Gründe:


I.

1
Die Parteien, beide türkische Staatsangehörige, haben am 20. Juni 1956 in der Türkei geheiratet. Aus der Ehe sind vier inzwischen volljährige, in der Türkei aufgewachsene Kinder hervorgegangen. Der im Jahr 1933 geborene Ehemann (Antragsgegner) ist 1970 ohne seine Familie zur Erwerbstätigkeit nach Deutschland gekommen, wo er seither lebt. Die im Jahr 1942 geborene Ehefrau (Antragstellerin), die zu keinem Zeitpunkt sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, lebt im Haushalt eines ihrer Söhne in B. /Türkei.
2
Auf den am 4. September 1997 zugestellten Antrag der Ehefrau ist die Ehe durch Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - nach türkischem Recht geschieden worden. Gleichzeitig hat das Familiengericht auf Antrag der Ehefrau nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass vom Versicherungskonto des Antragsgegners auf ein bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund; weitere Beteiligte zu 2) einzurichtendes Versicherungskonto der Antragstellerin Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 436,80 DM (223,33 €), bezogen auf den 31. August 1997, übertragen werden. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts - Familiengericht - hat der Antragsgegner bei der Deutschen Rentenversicherung Oberbayern (DRV Oberbayern, weitere Beteiligte zu 1) in der Ehezeit (1. Juni 1956 bis 31. August 1997, § 1587 Abs. 2 BGB) inländische Versorgungsanwartschaften in Höhe von monatlich 873,61 DM (446,67 €) erworben; die Antragstellerin verfügt über keine Rentenanwartschaften.
3
Der Antragsgegner hat gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, der Wertausgleich sei unter Billigkeitsgesichtspunkten auszuschließen. Er habe der Antragstellerin anlässlich verschiedener Besuche in der Türkei insgesamt 65.000 DM überlassen, damit sie durch den Erwerb einer Immobilie für ihr Alter vorsorgen könne. Die Ehefrau habe das Geld einem der gemeinsamen Söhne zur Verfügung gestellt, bei dem sie nun unentgeltlich bei freier Kost wohne. Die Antragstellerin hat den Erhalt jeglicher Zuwendungen bestritten und behauptet, der Antragsgegner habe , seitdem er die Türkei verlassen habe, allenfalls geringe Unterhaltsleistungen für die Familie erbracht. Wegen der Erziehung der gemeinsamen Kinder habe sie für ihr Alter nicht vorsorgen können. Inzwischen sei sie alt, krank und auf finanzielle Mittel angewiesen.
4
Das Kammergericht hat mit Beschluss vom 21. September 1998 die Entscheidung zum Versorgungsausgleich zunächst dahin abgeändert, dass vom Versicherungskonto des Ehemannes auf ein einzurichtendes Konto der Antragstellerin bei der DRV Bund Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 145,60 DM (74,44 €), bezogen auf den 31. August 1997, zu übertragen seien. Die Kürzung gemäß Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB auf ein Drittel des hälftigen Wertunterschieds hat es mit den im Vergleich zu Deutschland geringeren Lebenshaltungskosten in der Türkei begründet. Im Übrigen habe der Antragsgegner die behaupteten Zahlungen in Höhe von 65.000 DM an die Antragstellerin weder belegt noch "genauer nach Zeit sowie Ort und Umständen der Übergabe substantiiert", weshalb der Vortrag unbeachtlich sei.
5
Auf die zugelassene weitere Beschwerde der Antragstellerin hat der Senat mit Beschluss vom 10. November 1999 (- XII ZB 132/98 - FamRZ 2000, 418 f.) die Entscheidung des Kammergerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Bei der erforderlichen Überprüfung nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB, ob die Durchführung des Versorgungsausgleichs der Billigkeit entspreche, sei unberücksichtigt geblieben, dass Rentenleistungen an im Ausland lebende Berechtigte nach § 113 Abs. 3 SGB VI regelmäßig nur in Höhe von 70 % ausgezahlt würden. Bei der Beurteilung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse könne zudem nicht nur auf die geringeren Lebenshaltungskosten in der Türkei abgestellt werden. Es müsse auch Berücksichtigung finden, dass der Antragsgegner in Deutschland in die allgemeine soziale Sicherung, einschließlich der gesetzlichen Krankenversicherung und der ggf. eintretenden ergänzenden Sozialhilfe, einbezogen sei. Die Antragsgegnerin verfüge hingegen über keine eigene Krankenversicherung und müsse für ihre medizinische Versorgung selbst aufkommen.
6
Mit Beschluss vom 3. März 2003 hat das Kammergericht eine Herabsetzung auf 50 % des hälftigen Wertunterschieds befürwortet und die Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - zum Versorgungsausgleich dahin abgeändert, dass vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der DRV Oberbayern auf ein einzurichtendes Konto der Antragstellerin bei der DRV Bund Rentenanwartschaften in Höhe von 111,67 € (218,40 DM), bezogen auf den 31. August 1997, übertragen werden.
7
Hiergegen wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragsgegners , mit der er einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs erreichen möchte.

II.

8
Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Kammergericht.
9
1. Das Kammergericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Auf Antrag der Ehefrau sei gemäß Art. 17 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EGBGB der Versorgungsausgleich regelwidrig nach deutschem Recht durchzuführen. Das nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB maßgebliche türkische Scheidungsstatut kenne den Versorgungsausgleich nicht; der Antragsgegner habe aber in der Ehezeit inländische Anwartschaften erworben. Die nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB erforderliche Billigkeitsabwägung unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse führe allerdings zu einer Beschränkung des Wertausgleichs auf die Hälfte des sich nach § 1587 b Abs. 1 BGB errechnenden Ausgleichsanspruchs der Ehefrau (111,67 € statt 223,34 €). Deren Lebenshaltungsniveau sei - unter Berücksichti- gung der konkreten Lebenssituation beider Ehegatten - niedriger als das des in Deutschland lebenden Antragsgegners. Bei der Abwägung sei auch zu berücksichtigen , dass sich die Antragstellerin in der Türkei um die Erziehung der gemeinsamen Kinder gekümmert habe und deshalb keine eigene Altersversorgung habe aufbauen können. Krankenversichert sei sie lediglich zeitweise kostenlos über ihren Sohn E. Hingegen könne die Übertragung von Anrechten der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung unter bestimmten Voraussetzungen sogar dazu führen, dass die Antragstellerin Pflichtmitglied in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung werde. Einen Anspruch auf Teilhabe an einem durch die Verhältnisse in Deutschland geprägten höheren Lebensstandard habe die Antragstellerin jedoch nicht. Auch sei der Wertausgleich nicht deshalb ungekürzt durchzuführen, weil der in Deutschland lebende Antragsgegner seine infolge des Versorgungsausgleichs unzureichende Rente durch ergänzende Sozialhilfe aufbessern könne. Auf der anderen Seite könne nicht deshalb von der Durchführung des Wertausgleichs abgesehen werden, weil bereits die ungekürzte Rente des Antragsgegners nicht ausreiche, dessen Lebensunterhalt ohne ergänzende Sozialhilfe zu sichern. Entsprechende Selbstbehaltgrenzen gebe es beim Versorgungsausgleich nicht. Der Wertausgleich sei auch wirtschaftlich sinnvoll, da die in der Türkei lebende Antragstellerin ohne weitere Beitragszeiten einen durchsetzbaren Rentenanspruch erhalte, der ihr auf der Grundlage des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens ungekürzt ausgezahlt werde. Sonstige Umstände, die eine weitere Herabsetzung oder gar einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs rechtfertigten, habe der Antragsgegner nicht dargetan. Insbesondere habe er trotz Ankündigung nichts Erhebliches mehr zu seiner Behauptung vorgetragen, die Antragstellerin habe bereits der Altersvorsorge dienende 65.000 DM erhalten. Sein darauf gestützter Antrag auf Ausschluss des Versorgungsausgleichs könne deshalb bereits aus den Gründen des Beschlusses vom 21. September 1998 keinen Erfolg haben.
10
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
11
2. Das Beschwerdegericht hat im Ansatz zu Recht nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB eine Billigkeitsabwägung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien vorgenommen und dabei insbesondere das gegenüber Deutschland niedrigere Lebenshaltungsniveau in der Türkei berücksichtigt. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers dient die Billigkeitsprüfung dazu, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute zu berücksichtigen und internationalen Aspekten des Eheverlaufs Rechnung zu tragen. Gerechtigkeitserwägungen sollen bereits bei der Weichenstellung zum deutschen Recht hin ausgewogene Berücksichtigung finden; vor allem sollen unbillige Ergebnisse vermieden werden, die sich dadurch ergeben könnten, dass ein Ehegatte inländische Anwartschaften abgeben muss, während der andere Ehegatte bereits seiner Alterssicherung dienende Vermögenswerte im Ausland besitzt , an denen der Ausgleichspflichtige nicht partizipieren kann (Senatsbeschluss vom 23. Februar 1994 - XII ZB 39/93 - FamRZ 1994, 825, 826; vgl. auch BT-Drucks. 10/5632 S. 42 f.). Die Anwendung einer derartigen Billigkeitsklausel und die Würdigung eines gefundenen Ergebnisses unter dem Gesichtspunkt , "ob es der Billigkeit nicht widerspricht", ist in erster Linie dem Tatrichter vorbehalten. Sie ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde nur begrenzt, insbesondere dahin nachprüfbar, ob der Tatrichter die maßgeblichen Umstände ausreichend und umfassend in seine Abwägung einbezogen hat (Senatsbeschluss vom 10. November 1999 aaO S. 419). Auf der Grundlage dieser eingeschränkten Überprüfbarkeit kann der angefochtene Beschluss aber keinen Bestand haben.
12
a) Ohne Erfolg beanstandet die Rechtsbeschwerde allerdings, das Beschwerdegericht habe bei seiner Billigkeitsabwägung den Vortrag des Antragsgegners fehlerhaft nicht berücksichtigt, er habe zwischen 1979 und 1982 der Antragstellerin für ihre Altersvorsorge 65.000 DM (33.233,97 €) zukommen lassen. Dem Beschwerdegericht ist kein Verfahrensverstoß durch Unterlassung gebotener Beweiserhebung unterlaufen.
13
aa) Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zwar grundsätzlich von Amts wegen vorzunehmen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben (§ 12 FGG). Das Verfahren betreffend den Versorgungsausgleich ist indessen eine echte Streitsache der freiwilligen Gerichtsbarkeit, bei der sich die Ehegatten regelmäßig als Gegner mit widerstreitenden vermögensrechtlichen Interessen privatrechtlicher Natur gegenüberstehen (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 85, 180, 188 und vom 3. November 1993 - XII ZB 33/92 - FamRZ 1994, 234, 236). Hier obliegt es den beteiligten Ehegatten, die ihnen vorteilhaften Umstände, die dem Gericht nicht ohne weiteres bekannt sein können, von sich aus vorzubringen und durch eingehende Tatsachendarstellung und geeigneten Beweisantritt an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken (vgl. Senatsbeschlüsse vom 3. November 1993 aaO S. 236 und vom 23. März 1988 - IVb ZB 51/87 - FamRZ 1988, 709, 710). Die Ermittlungspflicht des Gerichts endet deshalb grundsätzlich dort, wo es ein Verfahrensbeteiligter allein oder in erster Linie in der Hand hat, die notwendigen Erklärungen abzugeben. Bei der Billigkeitsklausel des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB handelt es sich - wie bei § 1587 c BGB - um eine anspruchsbegrenzende Norm mit Ausnahmecharakter (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Mai 1990 - XII ZB 58/89 - FamRZ 1990, 1341, 1342). Für das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes muss der Beteiligte, der sich darauf beruft, dessen tatsächliche Voraussetzungen unter Berücksichtigung der allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln geltend machen (Keidel/ Kuntze/Schmidt FGG 15. Aufl. § 12 Rdn. 121 f.; vgl. für § 1587 c BGB Senatsbeschlüsse vom 9. Mai 1990 aaO S. 1342 und vom 23. März 1988 aaO S. 710).
14
bb) Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 23. Juni 1998 vorgetragen , er habe der Antragstellerin im Jahr 1979 10.000 DM, im Jahr 1980 20.000 DM, im Jahr 1981 15.000 DM und im Jahr 1982 20.000 DM über den ältesten Sohn für den Erwerb einer Immobilie als Altersvorsorge zukommen lassen. Die Antragstellerin hat den Vortrag zulässig mit der Behauptung bestritten , der Antragsteller wolle lediglich mit unrichtiger Sachverhaltsdarstellung den Ausschluss des Versorgungsausgleichs erreichen. Da der Umfang der Darlegungslast vom Bestreiten des Gegners abhängig ist, oblag es nun dem für die Voraussetzungen des anspruchsbegrenzenden Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB darlegungs- und beweisbelasteten Antragsgegner, den bisher allgemein gehaltenen Vortrag hinsichtlich Zeitpunkt, Ort und konkreter Umstände der Zahlungen zu substantiieren, um der Antragstellerin eine weitere Erklärungslast aufzuerlegen (vgl. Zöller/Greger ZPO 26. Aufl. § 138 Rdn. 8 a) und das Vorbringen ggf. einer Beweisaufnahme zugänglich zu machen. Dem ist der Antragsgegner nicht nachgekommen. Die im Schriftsatz vom 23. Juni 1998 angekündigten Bankbelege für die behaupteten Zahlungen hat er nicht vorgelegt; ebenso hat er entgegen den mit Schriftsatz vom 25. Juli 2000 angekündigten "Ergänzungen des Vorbringens zu den Überweisungen" nichts weiter vorgetragen. Auch der vorgelegte Beleg einer türkischen Bank vom 25. Mai 1980 für die Überweisung von 150.000 Türkischen Lira an den ältesten Sohn Y. der Parteien vermag entgegen der Rechtsbeschwerde die behauptete Zahlung von 10.000 DM (5.112,92 €) an die Antragstellerin im Jahr 1980 nicht zu untermauern. Der ausgewiesene Betrag entsprach 1980 umgerechnet nur ca. 3.000 DM (1.533,88 €). Lediglich mit Schriftsatz vom 23. Juni 1998 hat der Antragsgegner konkretisierend ausgeführt, im Dezember 1980 habe er seinem Sohn Y. weitere 10.000 DM in der Wohnung des benannten Zeugen Y.A. in Istanbul übergeben. Dass diese Summe es der damals erst 38 Jahre alten und in der Türkei ohne eigene Einkünfte lebenden, allein erziehenden Antragstellerin ermöglicht haben soll, mittels Immobilienerwerbs für ihr Alter vorzusorgen, ist indes auch vor dem Hintergrund geringer Lebenshaltungskosten in der Türkei nicht nachvollziehbar. Mangels substantiierten Tatsachenvortrags und damit wegen fehlender Beweisbedürftigkeit (vgl. Musielak/Foerste ZPO 4. Aufl. § 284 Rdn. 16) musste das Beschwerdegericht über die behaupteten Geldzahlungen keinen Beweis erheben, insbesondere konnte es von einer Vernehmung der benannten Zeugen E.A. und Y.A. absehen.
15
cc) Der Antragsgegner kann sich dabei nicht darauf berufen, das Beschwerdegericht habe es versäumt, ihn vor Erlass der angegriffenen Entscheidung auf die fehlende Substantiierung seines Vortrags hinzuweisen. Zwar besteht grundsätzlich eine entsprechende gerichtliche Hinweispflicht (vgl. BGH Urteil vom 22. April 1999 - I ZR 37/97 - NJW 1999, 3716). Spätestens seit dem Beschluss des Beschwerdegerichts vom 21. September 1998, in dem u.a. die behaupteten Zahlungen als "nicht ausreichend dargetan" behandelt wurden, war dem Antragsgegner aber der Mangel seines Vortrags bekannt. Auch durfte er, nachdem der genannte Beschluss durch den Senat aus anderen Gründen aufgehoben und zurückverwiesen worden war, nicht davon ausgehen, das Kammergericht habe seine entsprechende Auffassung geändert. Mit Beschluss vom 28. August 2000 hat es vielmehr angekündigt, unter "Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs und etwaigem ergänzenden Sachvortrag" neu zu entscheiden. Daraus folgt, dass das Beschwerdegericht eine Beweisaufnahme über die behaupteten Geldzahlungen weiterhin nicht für erforderlich hielt.
16
b) Ebenfalls ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die angegriffene Entscheidung sei widersprüchlich und mangelhaft begründet. Sie beanstandet, das Kammergericht habe in seiner ursprünglichen Entscheidung vom 21. September 1998 den nach § 1587 b BGB ermittelten Ausgleichsbetrag zunächst um 67 % gekürzt. Nach der Aufhebung und Zurückverweisung durch den Senat halte es nun eine Kürzung um lediglich 50 % für geboten, obwohl neue, eine Herabsetzung rechtfertigende Argumente nicht hinzugetreten seien. Der Senat hatte in seiner Entscheidung vom 10. November 1999 (aaO) den Beschluss des Kammergerichts jedoch insgesamt aufgehoben und zurückverwiesen. Er hatte dabei dem Beschwerdegericht entsprechend § 565 Abs. 2 ZPO a.F. bindend (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 1997 - XII ARZ 27/97 - FamRZ 1998, 477; MünchKomm/Finger ZPO 2. Aufl. § 621 e Rdn. 70) aufgegeben, erneut in die Billigkeitsabwägung nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB einzutreten. Bei der erneuten Abwägung der maßgeblichen Umstände musste sich das Kammergericht deshalb nicht an den tragenden Gründen seiner Entscheidung vom 21. September 1998 orientieren. Zwar trifft es zu, dass Rentenzahlungen der Deutschen Rentenversicherung an in der Türkei lebende Berechtigte - trotz der geringeren Lebenshaltungskosten - ungekürzt ausgezahlt werden (vgl. Art. 35 des Abkommens der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30. April 1964, BGBl. 1965 II, 1170 f.; anders noch Senatsbeschluss vom 10. November 1999 aaO S. 419). Auch spricht dieser Umstand bei der Abwägung nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB eher für eine Kürzung des Wertausgleichs. Es blieb dem Beschwerdegericht dennoch unbenommen, den Aspekt der niedrigeren Lebenshaltungskosten anders als in der Ausgangsentscheidung zu gewichten und den Ausgleichsbetrag in geringerem Umfang herabzusetzen.
17
c) Die Rechtsbeschwerde wendet allerdings zu Recht ein, das Kammergericht habe bei seiner Entscheidung den Vortrag des Antragsgegners nicht berücksichtigt, die Antragstellerin verfüge in der Türkei über eigene Rentenanwartschaften. Nach dem für das Rechtsbeschwerdeverfahren als wahr zu unterstellenden Vortrag des Antragsgegners soll die Antragstellerin nach türkischem Sozialversicherungsrecht in den Zeiten kostenfrei gesetzlich rentenver- sichert sein, in denen ihr Sohn E. - in dessen Haushalt sie lebt - sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. Das Beschwerdegericht hat zum Bestehen und zur Höhe eines solchen Versicherungsanspruchs keine Feststellungen getroffen. Zwar bliebe ein solches Anrecht bei der Berechnung des eigentlichen Ausgleichsanspruchs unberücksichtigt, weil es weder mit Hilfe des Vermögens noch durch die Arbeit der Ehegatten begründet oder aufrechterhalten worden wäre (vgl. § 1587 Abs. 1 Satz 2 BGB). In die Billigkeitsabwägung nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB wäre es dennoch - da die wirtschaftliche Situation der Antragstellerin verbessernd - einzubeziehen.
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4. Der angefochtene Beschluss kann daher nicht bestehen bleiben. Die Sache ist unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Kammergericht zurückzuverweisen, damit es Feststellungen dazu treffen kann, ob bzw. in welcher Höhe die Antragstellerin über das behauptete Anrecht aus der türkischen gesetzlichen Rentenversicherung verfügt. Dabei kann das Beschwerdegericht der Antragstellerin zunächst entsprechend § 11 Abs. 2 VAHRG aufgeben , genaue Angaben zu einem möglichen Rentenanspruch zu machen. Ebenso kann es über die Verbindungsstelle der Deutschen Rentenversicherung für die Türkei mit einem Auskunftsersuchen an den türkischen Versicherungsträger herantreten. Schließlich bleibt dem Beschwerdegericht auch die Möglichkeit, einen Sachverständigen zu Rate zu ziehen (vgl. allgemein zur Ermittlung ausländischer Anrechte: Rahm/Künkel/Paetzold Handbuch des Familiengerichtsverfahrens Kap. VIII Rdn. 1082 ff).
19
a) Im Rahmen einer erneuten Prüfung kann sich der Antragsgegner dabei für eine weitergehende Kürzung des Versorgungsausgleichs nicht allein darauf berufen, der Wertausgleich gefährde seinen "Mindestbedarf" und führe dazu, dass er verstärkt auf Sozialhilfeleistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts angewiesen sei. Unterhaltsrechtlich erhebliche Selbstbehaltgrenzen bestehen beim Versorgungsausgleich nicht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Januar 1993 - XII ZB 59/90 - FamRZ 1993, 682, 684 und vom 18. Mai 1988 - IVb ZB 109/87 - FamRZ 1989; 46, 47; Palandt/Brudermüller BGB § 1587 c Rdn. 21; MünchKomm/Dörr BGB 4. Aufl. § 1587 c Rdn. 19; Schwab/Hahne Handbuch des Scheidungsrechts 5. Aufl. Kap. VI Rdn. 283). Dieser Gesichtspunkt kann im Rahmen der Billigkeitsabwägung eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs nur dann rechtfertigen, wenn der Wertausgleich die Erhöhung einer bereits ausreichenden Versorgung des im Ausland lebenden Berechtigten zur Folge hätte, dem Verpflichteten hingegen für seinen Lebensunterhalt dringend benötigte Anrechte entziehen würde, und so ein erhebliches wirtschaftliches Ungleichgewicht die Folge wäre (vgl. für § 1587 c BGB Senatsbeschlüsse vom 20. Januar 1993 aaO S. 684 und vom 18. Mai 1988 aaO S. 47; a.A. OLG Frankfurt a.M. FamRZ 2000, 163, 164). Sollte das Beschwerdegericht deshalb im weiteren Verfahren feststellen, dass die Antragstellerin über die behaupteten Rentenanrechte in der Türkei verfügt, wird es bei seiner Abwägung nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB zu berücksichtigen haben, inwieweit diese Anrechte - auch vor dem Hintergrund vergleichsweise niedriger Lebenshaltungskosten in der Türkei - eine angemessene Versorgung im Alter gewährleisten.
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b) Der Antragsgegner kann allerdings nicht erreichen, dass der Versorgungsausgleich vollständig ausgeschlossen wird. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Kammergericht auch zugunsten der Antragstellerin das Verbot der reformatio in peius zu beachten haben (für dessen Geltung im Versorgungsausgleichsverfahren vgl. Senatsbeschluss BGHZ aaO S. 185 ff; für den Fall der Zurückverweisung vgl. Senatsbeschluss vom 24. Mai 1989 - IVb ZB 28/88 - FamRZ 1989, 957, 958). Mit ihrem erfolgreichen Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 21. September 1998 hat die Antragstellerin erst die Grundlage für die zweite Entscheidung des Kammergerichts vom 3. März 2003 geschaffen , gegen die sich nun die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners rich- tet. Das Beschwerdegericht kann deshalb den Versorgungsausgleich nicht mit einem Betrag durchführen, der den mit Beschluss vom 21. September 1998 der Antragstellerin zugesprochenen Ausgleichsbetrag unterschreitet.
Hahne Weber-Monecke Wagenitz Fuchs Vézina

Vorinstanzen:
AG Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 11.03.1998 - 179 F 8814/97 -
KG Berlin, Entscheidung vom 03.03.2003 - 3 UF 10730/99 -

Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 64/03
vom
20. Dezember 2006
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EGBGB Art. 17 Abs. 3 Satz 2
Zur Billigkeitsentscheidung nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB, wenn der aus
dem Versorgungsausgleich Berechtigte dauerhaft im Ausland (hier: Türkei) lebt
und keinen Bezug zum deutschen Rechtskreis hat (Fortführung des Senatsbeschlusses
vom 10. November 1999 - XII ZB 132/98 - FamRZ 2000, 418 f.)
BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 64/03 - KG
AG Tempelhof-Kreuzberg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2006 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke, die Richter
Prof. Dr. Wagenitz und Fuchs und die Richterin Dr. Vézina:

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin als Senat für Familiensachen vom 3. März 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Kammergericht in Berlin zurückverwiesen. Beschwerdewert: 1.340 €

Gründe:


I.

1
Die Parteien, beide türkische Staatsangehörige, haben am 20. Juni 1956 in der Türkei geheiratet. Aus der Ehe sind vier inzwischen volljährige, in der Türkei aufgewachsene Kinder hervorgegangen. Der im Jahr 1933 geborene Ehemann (Antragsgegner) ist 1970 ohne seine Familie zur Erwerbstätigkeit nach Deutschland gekommen, wo er seither lebt. Die im Jahr 1942 geborene Ehefrau (Antragstellerin), die zu keinem Zeitpunkt sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, lebt im Haushalt eines ihrer Söhne in B. /Türkei.
2
Auf den am 4. September 1997 zugestellten Antrag der Ehefrau ist die Ehe durch Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - nach türkischem Recht geschieden worden. Gleichzeitig hat das Familiengericht auf Antrag der Ehefrau nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass vom Versicherungskonto des Antragsgegners auf ein bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund; weitere Beteiligte zu 2) einzurichtendes Versicherungskonto der Antragstellerin Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 436,80 DM (223,33 €), bezogen auf den 31. August 1997, übertragen werden. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts - Familiengericht - hat der Antragsgegner bei der Deutschen Rentenversicherung Oberbayern (DRV Oberbayern, weitere Beteiligte zu 1) in der Ehezeit (1. Juni 1956 bis 31. August 1997, § 1587 Abs. 2 BGB) inländische Versorgungsanwartschaften in Höhe von monatlich 873,61 DM (446,67 €) erworben; die Antragstellerin verfügt über keine Rentenanwartschaften.
3
Der Antragsgegner hat gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, der Wertausgleich sei unter Billigkeitsgesichtspunkten auszuschließen. Er habe der Antragstellerin anlässlich verschiedener Besuche in der Türkei insgesamt 65.000 DM überlassen, damit sie durch den Erwerb einer Immobilie für ihr Alter vorsorgen könne. Die Ehefrau habe das Geld einem der gemeinsamen Söhne zur Verfügung gestellt, bei dem sie nun unentgeltlich bei freier Kost wohne. Die Antragstellerin hat den Erhalt jeglicher Zuwendungen bestritten und behauptet, der Antragsgegner habe , seitdem er die Türkei verlassen habe, allenfalls geringe Unterhaltsleistungen für die Familie erbracht. Wegen der Erziehung der gemeinsamen Kinder habe sie für ihr Alter nicht vorsorgen können. Inzwischen sei sie alt, krank und auf finanzielle Mittel angewiesen.
4
Das Kammergericht hat mit Beschluss vom 21. September 1998 die Entscheidung zum Versorgungsausgleich zunächst dahin abgeändert, dass vom Versicherungskonto des Ehemannes auf ein einzurichtendes Konto der Antragstellerin bei der DRV Bund Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 145,60 DM (74,44 €), bezogen auf den 31. August 1997, zu übertragen seien. Die Kürzung gemäß Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB auf ein Drittel des hälftigen Wertunterschieds hat es mit den im Vergleich zu Deutschland geringeren Lebenshaltungskosten in der Türkei begründet. Im Übrigen habe der Antragsgegner die behaupteten Zahlungen in Höhe von 65.000 DM an die Antragstellerin weder belegt noch "genauer nach Zeit sowie Ort und Umständen der Übergabe substantiiert", weshalb der Vortrag unbeachtlich sei.
5
Auf die zugelassene weitere Beschwerde der Antragstellerin hat der Senat mit Beschluss vom 10. November 1999 (- XII ZB 132/98 - FamRZ 2000, 418 f.) die Entscheidung des Kammergerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Bei der erforderlichen Überprüfung nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB, ob die Durchführung des Versorgungsausgleichs der Billigkeit entspreche, sei unberücksichtigt geblieben, dass Rentenleistungen an im Ausland lebende Berechtigte nach § 113 Abs. 3 SGB VI regelmäßig nur in Höhe von 70 % ausgezahlt würden. Bei der Beurteilung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse könne zudem nicht nur auf die geringeren Lebenshaltungskosten in der Türkei abgestellt werden. Es müsse auch Berücksichtigung finden, dass der Antragsgegner in Deutschland in die allgemeine soziale Sicherung, einschließlich der gesetzlichen Krankenversicherung und der ggf. eintretenden ergänzenden Sozialhilfe, einbezogen sei. Die Antragsgegnerin verfüge hingegen über keine eigene Krankenversicherung und müsse für ihre medizinische Versorgung selbst aufkommen.
6
Mit Beschluss vom 3. März 2003 hat das Kammergericht eine Herabsetzung auf 50 % des hälftigen Wertunterschieds befürwortet und die Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - zum Versorgungsausgleich dahin abgeändert, dass vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der DRV Oberbayern auf ein einzurichtendes Konto der Antragstellerin bei der DRV Bund Rentenanwartschaften in Höhe von 111,67 € (218,40 DM), bezogen auf den 31. August 1997, übertragen werden.
7
Hiergegen wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragsgegners , mit der er einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs erreichen möchte.

II.

8
Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Kammergericht.
9
1. Das Kammergericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Auf Antrag der Ehefrau sei gemäß Art. 17 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EGBGB der Versorgungsausgleich regelwidrig nach deutschem Recht durchzuführen. Das nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB maßgebliche türkische Scheidungsstatut kenne den Versorgungsausgleich nicht; der Antragsgegner habe aber in der Ehezeit inländische Anwartschaften erworben. Die nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB erforderliche Billigkeitsabwägung unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse führe allerdings zu einer Beschränkung des Wertausgleichs auf die Hälfte des sich nach § 1587 b Abs. 1 BGB errechnenden Ausgleichsanspruchs der Ehefrau (111,67 € statt 223,34 €). Deren Lebenshaltungsniveau sei - unter Berücksichti- gung der konkreten Lebenssituation beider Ehegatten - niedriger als das des in Deutschland lebenden Antragsgegners. Bei der Abwägung sei auch zu berücksichtigen , dass sich die Antragstellerin in der Türkei um die Erziehung der gemeinsamen Kinder gekümmert habe und deshalb keine eigene Altersversorgung habe aufbauen können. Krankenversichert sei sie lediglich zeitweise kostenlos über ihren Sohn E. Hingegen könne die Übertragung von Anrechten der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung unter bestimmten Voraussetzungen sogar dazu führen, dass die Antragstellerin Pflichtmitglied in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung werde. Einen Anspruch auf Teilhabe an einem durch die Verhältnisse in Deutschland geprägten höheren Lebensstandard habe die Antragstellerin jedoch nicht. Auch sei der Wertausgleich nicht deshalb ungekürzt durchzuführen, weil der in Deutschland lebende Antragsgegner seine infolge des Versorgungsausgleichs unzureichende Rente durch ergänzende Sozialhilfe aufbessern könne. Auf der anderen Seite könne nicht deshalb von der Durchführung des Wertausgleichs abgesehen werden, weil bereits die ungekürzte Rente des Antragsgegners nicht ausreiche, dessen Lebensunterhalt ohne ergänzende Sozialhilfe zu sichern. Entsprechende Selbstbehaltgrenzen gebe es beim Versorgungsausgleich nicht. Der Wertausgleich sei auch wirtschaftlich sinnvoll, da die in der Türkei lebende Antragstellerin ohne weitere Beitragszeiten einen durchsetzbaren Rentenanspruch erhalte, der ihr auf der Grundlage des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens ungekürzt ausgezahlt werde. Sonstige Umstände, die eine weitere Herabsetzung oder gar einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs rechtfertigten, habe der Antragsgegner nicht dargetan. Insbesondere habe er trotz Ankündigung nichts Erhebliches mehr zu seiner Behauptung vorgetragen, die Antragstellerin habe bereits der Altersvorsorge dienende 65.000 DM erhalten. Sein darauf gestützter Antrag auf Ausschluss des Versorgungsausgleichs könne deshalb bereits aus den Gründen des Beschlusses vom 21. September 1998 keinen Erfolg haben.
10
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
11
2. Das Beschwerdegericht hat im Ansatz zu Recht nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB eine Billigkeitsabwägung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien vorgenommen und dabei insbesondere das gegenüber Deutschland niedrigere Lebenshaltungsniveau in der Türkei berücksichtigt. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers dient die Billigkeitsprüfung dazu, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute zu berücksichtigen und internationalen Aspekten des Eheverlaufs Rechnung zu tragen. Gerechtigkeitserwägungen sollen bereits bei der Weichenstellung zum deutschen Recht hin ausgewogene Berücksichtigung finden; vor allem sollen unbillige Ergebnisse vermieden werden, die sich dadurch ergeben könnten, dass ein Ehegatte inländische Anwartschaften abgeben muss, während der andere Ehegatte bereits seiner Alterssicherung dienende Vermögenswerte im Ausland besitzt , an denen der Ausgleichspflichtige nicht partizipieren kann (Senatsbeschluss vom 23. Februar 1994 - XII ZB 39/93 - FamRZ 1994, 825, 826; vgl. auch BT-Drucks. 10/5632 S. 42 f.). Die Anwendung einer derartigen Billigkeitsklausel und die Würdigung eines gefundenen Ergebnisses unter dem Gesichtspunkt , "ob es der Billigkeit nicht widerspricht", ist in erster Linie dem Tatrichter vorbehalten. Sie ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde nur begrenzt, insbesondere dahin nachprüfbar, ob der Tatrichter die maßgeblichen Umstände ausreichend und umfassend in seine Abwägung einbezogen hat (Senatsbeschluss vom 10. November 1999 aaO S. 419). Auf der Grundlage dieser eingeschränkten Überprüfbarkeit kann der angefochtene Beschluss aber keinen Bestand haben.
12
a) Ohne Erfolg beanstandet die Rechtsbeschwerde allerdings, das Beschwerdegericht habe bei seiner Billigkeitsabwägung den Vortrag des Antragsgegners fehlerhaft nicht berücksichtigt, er habe zwischen 1979 und 1982 der Antragstellerin für ihre Altersvorsorge 65.000 DM (33.233,97 €) zukommen lassen. Dem Beschwerdegericht ist kein Verfahrensverstoß durch Unterlassung gebotener Beweiserhebung unterlaufen.
13
aa) Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zwar grundsätzlich von Amts wegen vorzunehmen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben (§ 12 FGG). Das Verfahren betreffend den Versorgungsausgleich ist indessen eine echte Streitsache der freiwilligen Gerichtsbarkeit, bei der sich die Ehegatten regelmäßig als Gegner mit widerstreitenden vermögensrechtlichen Interessen privatrechtlicher Natur gegenüberstehen (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 85, 180, 188 und vom 3. November 1993 - XII ZB 33/92 - FamRZ 1994, 234, 236). Hier obliegt es den beteiligten Ehegatten, die ihnen vorteilhaften Umstände, die dem Gericht nicht ohne weiteres bekannt sein können, von sich aus vorzubringen und durch eingehende Tatsachendarstellung und geeigneten Beweisantritt an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken (vgl. Senatsbeschlüsse vom 3. November 1993 aaO S. 236 und vom 23. März 1988 - IVb ZB 51/87 - FamRZ 1988, 709, 710). Die Ermittlungspflicht des Gerichts endet deshalb grundsätzlich dort, wo es ein Verfahrensbeteiligter allein oder in erster Linie in der Hand hat, die notwendigen Erklärungen abzugeben. Bei der Billigkeitsklausel des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB handelt es sich - wie bei § 1587 c BGB - um eine anspruchsbegrenzende Norm mit Ausnahmecharakter (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Mai 1990 - XII ZB 58/89 - FamRZ 1990, 1341, 1342). Für das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes muss der Beteiligte, der sich darauf beruft, dessen tatsächliche Voraussetzungen unter Berücksichtigung der allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln geltend machen (Keidel/ Kuntze/Schmidt FGG 15. Aufl. § 12 Rdn. 121 f.; vgl. für § 1587 c BGB Senatsbeschlüsse vom 9. Mai 1990 aaO S. 1342 und vom 23. März 1988 aaO S. 710).
14
bb) Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 23. Juni 1998 vorgetragen , er habe der Antragstellerin im Jahr 1979 10.000 DM, im Jahr 1980 20.000 DM, im Jahr 1981 15.000 DM und im Jahr 1982 20.000 DM über den ältesten Sohn für den Erwerb einer Immobilie als Altersvorsorge zukommen lassen. Die Antragstellerin hat den Vortrag zulässig mit der Behauptung bestritten , der Antragsteller wolle lediglich mit unrichtiger Sachverhaltsdarstellung den Ausschluss des Versorgungsausgleichs erreichen. Da der Umfang der Darlegungslast vom Bestreiten des Gegners abhängig ist, oblag es nun dem für die Voraussetzungen des anspruchsbegrenzenden Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB darlegungs- und beweisbelasteten Antragsgegner, den bisher allgemein gehaltenen Vortrag hinsichtlich Zeitpunkt, Ort und konkreter Umstände der Zahlungen zu substantiieren, um der Antragstellerin eine weitere Erklärungslast aufzuerlegen (vgl. Zöller/Greger ZPO 26. Aufl. § 138 Rdn. 8 a) und das Vorbringen ggf. einer Beweisaufnahme zugänglich zu machen. Dem ist der Antragsgegner nicht nachgekommen. Die im Schriftsatz vom 23. Juni 1998 angekündigten Bankbelege für die behaupteten Zahlungen hat er nicht vorgelegt; ebenso hat er entgegen den mit Schriftsatz vom 25. Juli 2000 angekündigten "Ergänzungen des Vorbringens zu den Überweisungen" nichts weiter vorgetragen. Auch der vorgelegte Beleg einer türkischen Bank vom 25. Mai 1980 für die Überweisung von 150.000 Türkischen Lira an den ältesten Sohn Y. der Parteien vermag entgegen der Rechtsbeschwerde die behauptete Zahlung von 10.000 DM (5.112,92 €) an die Antragstellerin im Jahr 1980 nicht zu untermauern. Der ausgewiesene Betrag entsprach 1980 umgerechnet nur ca. 3.000 DM (1.533,88 €). Lediglich mit Schriftsatz vom 23. Juni 1998 hat der Antragsgegner konkretisierend ausgeführt, im Dezember 1980 habe er seinem Sohn Y. weitere 10.000 DM in der Wohnung des benannten Zeugen Y.A. in Istanbul übergeben. Dass diese Summe es der damals erst 38 Jahre alten und in der Türkei ohne eigene Einkünfte lebenden, allein erziehenden Antragstellerin ermöglicht haben soll, mittels Immobilienerwerbs für ihr Alter vorzusorgen, ist indes auch vor dem Hintergrund geringer Lebenshaltungskosten in der Türkei nicht nachvollziehbar. Mangels substantiierten Tatsachenvortrags und damit wegen fehlender Beweisbedürftigkeit (vgl. Musielak/Foerste ZPO 4. Aufl. § 284 Rdn. 16) musste das Beschwerdegericht über die behaupteten Geldzahlungen keinen Beweis erheben, insbesondere konnte es von einer Vernehmung der benannten Zeugen E.A. und Y.A. absehen.
15
cc) Der Antragsgegner kann sich dabei nicht darauf berufen, das Beschwerdegericht habe es versäumt, ihn vor Erlass der angegriffenen Entscheidung auf die fehlende Substantiierung seines Vortrags hinzuweisen. Zwar besteht grundsätzlich eine entsprechende gerichtliche Hinweispflicht (vgl. BGH Urteil vom 22. April 1999 - I ZR 37/97 - NJW 1999, 3716). Spätestens seit dem Beschluss des Beschwerdegerichts vom 21. September 1998, in dem u.a. die behaupteten Zahlungen als "nicht ausreichend dargetan" behandelt wurden, war dem Antragsgegner aber der Mangel seines Vortrags bekannt. Auch durfte er, nachdem der genannte Beschluss durch den Senat aus anderen Gründen aufgehoben und zurückverwiesen worden war, nicht davon ausgehen, das Kammergericht habe seine entsprechende Auffassung geändert. Mit Beschluss vom 28. August 2000 hat es vielmehr angekündigt, unter "Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs und etwaigem ergänzenden Sachvortrag" neu zu entscheiden. Daraus folgt, dass das Beschwerdegericht eine Beweisaufnahme über die behaupteten Geldzahlungen weiterhin nicht für erforderlich hielt.
16
b) Ebenfalls ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die angegriffene Entscheidung sei widersprüchlich und mangelhaft begründet. Sie beanstandet, das Kammergericht habe in seiner ursprünglichen Entscheidung vom 21. September 1998 den nach § 1587 b BGB ermittelten Ausgleichsbetrag zunächst um 67 % gekürzt. Nach der Aufhebung und Zurückverweisung durch den Senat halte es nun eine Kürzung um lediglich 50 % für geboten, obwohl neue, eine Herabsetzung rechtfertigende Argumente nicht hinzugetreten seien. Der Senat hatte in seiner Entscheidung vom 10. November 1999 (aaO) den Beschluss des Kammergerichts jedoch insgesamt aufgehoben und zurückverwiesen. Er hatte dabei dem Beschwerdegericht entsprechend § 565 Abs. 2 ZPO a.F. bindend (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 1997 - XII ARZ 27/97 - FamRZ 1998, 477; MünchKomm/Finger ZPO 2. Aufl. § 621 e Rdn. 70) aufgegeben, erneut in die Billigkeitsabwägung nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB einzutreten. Bei der erneuten Abwägung der maßgeblichen Umstände musste sich das Kammergericht deshalb nicht an den tragenden Gründen seiner Entscheidung vom 21. September 1998 orientieren. Zwar trifft es zu, dass Rentenzahlungen der Deutschen Rentenversicherung an in der Türkei lebende Berechtigte - trotz der geringeren Lebenshaltungskosten - ungekürzt ausgezahlt werden (vgl. Art. 35 des Abkommens der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30. April 1964, BGBl. 1965 II, 1170 f.; anders noch Senatsbeschluss vom 10. November 1999 aaO S. 419). Auch spricht dieser Umstand bei der Abwägung nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB eher für eine Kürzung des Wertausgleichs. Es blieb dem Beschwerdegericht dennoch unbenommen, den Aspekt der niedrigeren Lebenshaltungskosten anders als in der Ausgangsentscheidung zu gewichten und den Ausgleichsbetrag in geringerem Umfang herabzusetzen.
17
c) Die Rechtsbeschwerde wendet allerdings zu Recht ein, das Kammergericht habe bei seiner Entscheidung den Vortrag des Antragsgegners nicht berücksichtigt, die Antragstellerin verfüge in der Türkei über eigene Rentenanwartschaften. Nach dem für das Rechtsbeschwerdeverfahren als wahr zu unterstellenden Vortrag des Antragsgegners soll die Antragstellerin nach türkischem Sozialversicherungsrecht in den Zeiten kostenfrei gesetzlich rentenver- sichert sein, in denen ihr Sohn E. - in dessen Haushalt sie lebt - sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. Das Beschwerdegericht hat zum Bestehen und zur Höhe eines solchen Versicherungsanspruchs keine Feststellungen getroffen. Zwar bliebe ein solches Anrecht bei der Berechnung des eigentlichen Ausgleichsanspruchs unberücksichtigt, weil es weder mit Hilfe des Vermögens noch durch die Arbeit der Ehegatten begründet oder aufrechterhalten worden wäre (vgl. § 1587 Abs. 1 Satz 2 BGB). In die Billigkeitsabwägung nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB wäre es dennoch - da die wirtschaftliche Situation der Antragstellerin verbessernd - einzubeziehen.
18
4. Der angefochtene Beschluss kann daher nicht bestehen bleiben. Die Sache ist unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Kammergericht zurückzuverweisen, damit es Feststellungen dazu treffen kann, ob bzw. in welcher Höhe die Antragstellerin über das behauptete Anrecht aus der türkischen gesetzlichen Rentenversicherung verfügt. Dabei kann das Beschwerdegericht der Antragstellerin zunächst entsprechend § 11 Abs. 2 VAHRG aufgeben , genaue Angaben zu einem möglichen Rentenanspruch zu machen. Ebenso kann es über die Verbindungsstelle der Deutschen Rentenversicherung für die Türkei mit einem Auskunftsersuchen an den türkischen Versicherungsträger herantreten. Schließlich bleibt dem Beschwerdegericht auch die Möglichkeit, einen Sachverständigen zu Rate zu ziehen (vgl. allgemein zur Ermittlung ausländischer Anrechte: Rahm/Künkel/Paetzold Handbuch des Familiengerichtsverfahrens Kap. VIII Rdn. 1082 ff).
19
a) Im Rahmen einer erneuten Prüfung kann sich der Antragsgegner dabei für eine weitergehende Kürzung des Versorgungsausgleichs nicht allein darauf berufen, der Wertausgleich gefährde seinen "Mindestbedarf" und führe dazu, dass er verstärkt auf Sozialhilfeleistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts angewiesen sei. Unterhaltsrechtlich erhebliche Selbstbehaltgrenzen bestehen beim Versorgungsausgleich nicht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Januar 1993 - XII ZB 59/90 - FamRZ 1993, 682, 684 und vom 18. Mai 1988 - IVb ZB 109/87 - FamRZ 1989; 46, 47; Palandt/Brudermüller BGB § 1587 c Rdn. 21; MünchKomm/Dörr BGB 4. Aufl. § 1587 c Rdn. 19; Schwab/Hahne Handbuch des Scheidungsrechts 5. Aufl. Kap. VI Rdn. 283). Dieser Gesichtspunkt kann im Rahmen der Billigkeitsabwägung eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs nur dann rechtfertigen, wenn der Wertausgleich die Erhöhung einer bereits ausreichenden Versorgung des im Ausland lebenden Berechtigten zur Folge hätte, dem Verpflichteten hingegen für seinen Lebensunterhalt dringend benötigte Anrechte entziehen würde, und so ein erhebliches wirtschaftliches Ungleichgewicht die Folge wäre (vgl. für § 1587 c BGB Senatsbeschlüsse vom 20. Januar 1993 aaO S. 684 und vom 18. Mai 1988 aaO S. 47; a.A. OLG Frankfurt a.M. FamRZ 2000, 163, 164). Sollte das Beschwerdegericht deshalb im weiteren Verfahren feststellen, dass die Antragstellerin über die behaupteten Rentenanrechte in der Türkei verfügt, wird es bei seiner Abwägung nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB zu berücksichtigen haben, inwieweit diese Anrechte - auch vor dem Hintergrund vergleichsweise niedriger Lebenshaltungskosten in der Türkei - eine angemessene Versorgung im Alter gewährleisten.
20
b) Der Antragsgegner kann allerdings nicht erreichen, dass der Versorgungsausgleich vollständig ausgeschlossen wird. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Kammergericht auch zugunsten der Antragstellerin das Verbot der reformatio in peius zu beachten haben (für dessen Geltung im Versorgungsausgleichsverfahren vgl. Senatsbeschluss BGHZ aaO S. 185 ff; für den Fall der Zurückverweisung vgl. Senatsbeschluss vom 24. Mai 1989 - IVb ZB 28/88 - FamRZ 1989, 957, 958). Mit ihrem erfolgreichen Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 21. September 1998 hat die Antragstellerin erst die Grundlage für die zweite Entscheidung des Kammergerichts vom 3. März 2003 geschaffen , gegen die sich nun die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners rich- tet. Das Beschwerdegericht kann deshalb den Versorgungsausgleich nicht mit einem Betrag durchführen, der den mit Beschluss vom 21. September 1998 der Antragstellerin zugesprochenen Ausgleichsbetrag unterschreitet.
Hahne Weber-Monecke Wagenitz Fuchs Vézina

Vorinstanzen:
AG Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 11.03.1998 - 179 F 8814/97 -
KG Berlin, Entscheidung vom 03.03.2003 - 3 UF 10730/99 -

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

10
Keine Bedenken bestehen gegen die vom Oberlandesgericht nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB vorgenommene Billigkeitsabwägung , wonach der Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien weder herabzusetzen noch auszuschließen ist. Die Anwendung einer derartigen Billigkeitsklausel und die Würdigung eines ge- fundenen Ergebnisses unter dem Gesichtspunkt, "ob es der Billigkeit nicht widerspricht" , ist in erster Linie dem Tatrichter vorbehalten. Sie ist im Verfahren der weiteren Beschwerde nur begrenzt nachprüfbar, insbesondere dahin, ob der Tatrichter die maßgeblichen Umstände ausreichend und umfassend in seine Abwägung einbezogen hat (Senatsbeschluss vom 10. November 1999 - XII ZB 132/98 - FamRZ 2000, 418, 419). Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers dient die in Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB vorgesehene Billigkeitsprüfung dazu, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute zu berücksichtigen und internationalen Elementen des Eheverlaufs Rechnung zu tragen. Gerechtigkeitserwägungen sollen bereits bei der Weichenstellung zum deutschen Recht hin ausgewogene Berücksichtigung finden; vor allem sollen unbillige Ergebnisse vermieden werden, die sich dadurch ergeben könnten, dass ein Ehegatte inländische Anwartschaften abgeben muss, während der andere Ehegatte bereits seiner Alterssicherung dienende Vermögenswerte im Ausland besitzt, an denen der Ausgleichspflichtige nicht partizipieren kann (Senatsbeschluss vom 23. Februar 1994 - XII ZB 39/93 - FamRZ 1994, 825, 826; vgl. auch BT-Drucks. 10/5632 S. 42 f.).

Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 86/10
vom
4. Mai 2011
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Mai 2011 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Dose,
Schilling und Dr. Günter

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 18. Mai 2010 zugelassen. Auf die Revision des Beklagten wird das vorgenannte Urteil aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 139.902 €

Gründe:

I.

1
Der Kläger macht gegen den Beklagten als seinen ehemaligen Betreuer Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzungen bei Ausübung der Betreuertätigkeit geltend.
2
Der von Geburt an geistig behinderte Kläger befindet sich seit 1975 in einem Diakoniezentrum der E. gAG. Nachdem der Kläger von seinem Vater ein erhebliches Vermögen, zu dem auch zwei Immobilien gehörten, geerbt hatte, wurde im Jahr 1992 der Beklagte zum Betreuer des Klägers mit den Aufgaben- kreisen Zustimmung zur Heilbehandlung, Vertretung vor Gerichten und Behörden , Vermögenssorge und Aufenthaltsbestimmung bestellt.
3
Bis Oktober 2004 bestritt der Kläger die Heim- und Pflegekosten aus den Barmitteln seiner Erbschaft. Ab November 2004 leistete er keine Zahlungen an die E. gAG. Auf die wegen der rückständigen Heim- und Pflegekosten erhobenen Klage der E. gAG wurde der Kläger durch Anerkenntnisurteil vom 20. April 2007 zur Zahlung von rund 105.310 € verurteilt.
4
2007 verkaufte der Beklagte ein Grundstück des Klägers, für das im Jahr 2001 von einem Gutachter ein Verkehrswert von rund 76.693 € ermittelt worden war, zu einem Kaufpreis von 37.500 €.
5
Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger vom Beklagten Schadensersatz in Höhe von gerundet 144.504 € nebst Zinsen. Zur Begründung hat er vorgetragen, der Beklagte hätte bereits im Oktober 2004 einen Sozialhilfeantrag für den Kläger stellen müssen. In diesem Fall hätte das Sozialamt die Heim- und Pflegekosten übernommen und der Kläger wäre nicht zur Zahlung von rund 105.310 € verurteilt worden. Daneben schulde der Beklagte Schadensersatz in Höhe von rund 39.139 €, weil er ein bereits seit Übernahme der Betreuung im Jahre 1992 leer stehendes Grundstück des Klägers erst im Jahr 2007 verkauft und deshalb nur einen Verkaufserlös weit unter dem im Jahr 2001 ermittelten Verkehrswert erzielt habe.
6
Der Kläger hat zunächst einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt, der vom Landgericht mit der Begründung abgelehnt wurde, der Kläger habe weder eine Pflichtverletzung des Beklagten noch einen ersatzfähigen Schaden schlüssig dargelegt. Das Kammergericht hat sich dieser Auffassung angeschlossen und die Beschwerde des Klägers zurückgewiesen.
7
Die dennoch erhobene Klage hat das Landgericht mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe eine Pflichtverletzung des Beklagten nicht substantiiert vorgetragen.
8
Auf die Berufung des Klägers hat das Kammergericht den Beklagten zur Zahlung von rund 34.592 € und zur Freistellung des Klägers von der durch das Anerkenntnisurteil titulierten Forderung der E. gAG in Höhe von rund 105.310 € verurteilt.
9
Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten. Er begehrt die Zulassung der Revision und im Ergebnis die Abweisung der Klage.

II.

10
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits (§ 544 Abs. 7 ZPO). Das Berufungsgericht hat, wie der Beklagte zu Recht rügt, dessen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
11
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, das Landgericht habe die Anforderungen an die Substantiierungspflicht des Klägers überspannt. Zwar sei der Prozesskostenhilfeantrag des Klägers zu Recht abgelehnt worden, weil die Begründung des Gesuchs etwas oberflächlich ausgefallen sei. Spätestens nach der Einreichung der Klage und dem Eingang der Klageerwiderung habe das Landgericht seine ursprüngliche Haltung zur Substantiierungspflicht aber überdenken und zu der Feststellung kommen müssen, dass dem Beklagten die vorgeworfene Pflichtverletzung zur Last falle.
12
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen, vom Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis nach § 139 ZPO zu erhalten, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und insbesondere aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (Senatsurteil vom 27. April 1994 - XII ZR 16/93 - NJW 1994, 1880, 1881; BGH Urteile vom 15. März 2006 - IV ZR 32/05 - FamRZ 2006, 942, 943 und vom 16. Mai 2002 - VII ZR 197/01 - NJW-RR 2002, 1436). Gerichtliche Hinweispflichten dienen der Vermeidung von Überraschungsentscheidungen und konkretisieren den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör (BVerfGE 84, 188, 189 f.). Rechtliche Hinweise müssen danach den Parteien in ihrer konkreten Situation so erteilt werden, dass es diesen auch tatsächlich möglich ist, vor einer Entscheidung zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können, sie also nicht gehindert werden, rechtzeitig ihren Sachvortrag zu ergänzen (BVerfGE 84, 188, 190; 86, 133, 144; Zöller/Greger, ZPO 29. Aufl. § 139 Rn. 14).
13
3. Danach hätte das Kammergericht dem Beklagten rechtzeitig den Hinweis erteilen müssen, dass es - anders als das Landgericht - die Klage für schlüssig hält und damit dem Beklagten die Gelegenheit geben müssen, seinen Vortrag entsprechend zu ergänzen.
14
a) Das Landgericht hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger die Ursächlichkeit zwischen der behaupteten Pflichtverletzung des Beklagten und dem geltend gemachten Schaden nicht schlüssig dargelegt habe. Es stehe nämlich aufgrund der im Jahr 2006 noch vorhandenen beträchtlichen Eigenmittel des Klägers nicht fest, ob ihm bei einer Antragstellung im Oktober 2004 tatsächlich Sozialhilfe in Form der Übernahme der Heim- und Pflegekosten gewährt worden wäre. In der Berufungsbegrün- dung hat der Kläger seinen Vortrag hierzu nur geringfügig gegenüber seinem erstinstanzlichen Vorbringen ergänzt. Insbesondere ist er auf die vom Landgericht für entscheidend gehaltene Frage, ob der Kläger bereits bei einer Antragstellung im Oktober 2004 tatsächlich Sozialhilfe erhalten hätte, nicht substantiiert eingegangen. Der Kläger hat nur seinen erstinstanzlichen Vortrag wiederholt , wonach die sozialhilferechtliche Situation im November 2004 und im Juni 2006 identisch und sämtlicher Grundbesitz des Klägers noch vorhanden gewesen sei. Die weiterhin fehlende Substantiierung des Vorbringens wurde vom Beklagten im Berufungsverfahren ausdrücklich gerügt. In dieser Verfahrenssituation durfte der Beklagte darauf vertrauen, dass sein Vortrag im Berufungsverfahren ausreichend war, zumal das Kammergericht im Prozesskostenhilfeverfahren die Klage ebenfalls für unschlüssig gehalten und einen Schaden des Klägers verneint hatte.
15
In seiner Entscheidung hat das Kammergericht indes eine von dem erstinstanzlichen Urteil abweichende Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zugrunde gelegt, indem es den Beklagten für verpflichtet gehalten hat, die Vermögensverhältnisse des Klägers im November 2004 darzulegen und vorzutragen , weshalb vorhandene Mittel nicht zur Bezahlung der Heimkosten verwendet wurden. Auf diese abweichende Rechtsauffassung hätte das Kammergericht den Beklagten hinweisen müssen, um ihm Gelegenheit zu geben, seinen Sachvortrag zu ergänzen und gegebenenfalls Beweis anzutreten. Dies ist nicht geschehen.
16
b) Zudem hätte das Kammergericht den Beklagten darauf hinweisen müssen, dass es die Klage auch hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs wegen des verspäteten Verkaufes der Immobilie für schlüssig hält. Das landgerichtliche Urteil verhält sich zu diesem Klagebegehren nicht. Im Prozesskostenhilfeverfahren hatte das Kammergericht in seiner Be- schwerdeentscheidung hierzu noch ausgeführt, dass der Sachvortrag des Klägers für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht genüge. Für die behauptete Pflichtverletzung sei ausschließlich der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Dieser habe nicht schlüssig dargetan, dass zu irgendeinem Zeitpunkt auch ein Käufer gefunden und bereit gewesen wäre, das Grundstück zu dem im Jahr 2001 ermittelten Schätzpreis zu erwerben und der Beklagte dies pflichtwidrig verhindert habe. In der angegriffenen Entscheidung hat das Kammergericht dagegen die Auffassung vertreten, der Beklagte könne sich nicht mit der Begründung entlasten, der Kläger habe nicht schlüssig dargetan, dass ein Käufer gefunden worden wäre, der das Grundstück zu dem Schätzpreis erworben hätte. Der Beklagte hätte vielmehr selbst vortragen müssen, dass er vergeblich versucht habe, das Grundstück zu einem akzeptablen Preis zu veräußern. Damit hat das Kammergericht seine Entscheidung auf eine Begründung gestützt, mit der der Beklagte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte. Ohne einen rechtzeitigen Hinweis hätte das Berufungsgericht diese geänderte Rechtsauffassung zur Verteilung der Darlegungsund Beweislast seiner Entscheidung nicht zu Grunde legen dürfen. Ohne einen vorherigen Hinweis nach § 139 ZPO darf ein Gericht keine Anforderungen an den Sachvortrag stellen, mit denen auch eine gewissenhafte und kundige Prozesspartei nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (BVerfG NJW 2000, 275; BGHZ 154, 288 = NJW 2003, 1944, 1947).
17
4. Schließlich hat das Kammergericht den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) auch dadurch verletzt, dass es entscheidungserhebliches erstinstanzliches Vorbringen des Beklagten nicht berücksichtigt hat.
18
Das Kammergericht hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte im Rahmen der sekundären Darlegungslast habe vortragen müssen, dass er ver- geblich versucht habe, das Grundstück zu einem angemessenen Preis zu veräußern. Unabhängig von der Frage, ob dieses Verständnis der Regeln über die sekundäre Darlegungslast der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs entspricht (vgl. hierzu Senatsurteile vom 18. Februar 2009 - XII ZR 163/07 - FamRZ 2009, 849 Rn. 22 und vom 22. April 1998 - XII ZR 229/96 - FamRZ 1998, 955, 956 mwN), hat das Kammergericht sich nicht mit dem Vorbringen des Beklagten befasst, wonach dieser bereits im Jahr 2001 einen Architekten mit dem Verkauf der Immobilie beauftragt habe und trotz mehrerer Kaufinteressenten ein Verkauf des Anwesens nur an der nicht erteilten Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht gescheitert sei. Auf der Grundlage der vom Kammergericht vertretenen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast wäre dieses Vorbringen des Beklagten entscheidungserheblich gewesen. Dennoch wurde es vom Kammergericht nicht berücksichtigt. Zwar hat der Beklagte diesen erstinstanzlichen Vortrag in der Berufungsinstanz nicht ausdrücklich wiederholt. Da das Landgericht zu der behaupteten Pflichtverletzung durch den verspäteten Verkauf der Immobilie keine Ausführungen gemacht hat, bestand für den Beklagten nach dem bisherigen Verfahrensverlauf aber kein Anlass, in der Berufungserwiderung diesen Vortrag ausdrücklich zu wiederholen. Da dieses Vorbringen in der Berufungsinstanz angefallen war (vgl. BGH Urteil vom 27. September 2006 - VIII ZR 19/04 - NJW 2007, 2414 Rn. 16 mwN), hätte es vom Kammergericht berücksichtigt werden müssen.
19
5. Das angefochtene Urteil kann unter diesen Umständen keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit muss an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, um dem Beklagten die Nachholung des erforderlichen Vortrags zu ermöglichen.

III.

20
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
21
Nach allgemeinen Grundsätzen ist der Kläger auch bei einem Schadensersatzanspruch nach §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB für die Pflichtverletzung, den Schaden und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden darlegungs- und beweispflichtig (Palandt/ Diederichsen BGB 70. Aufl. § 1833 Rn. 6). Deshalb muss der Kläger im vorliegenden Fall zunächst einen schlüssigen und gegebenenfalls beweisbewehrten Vortrag dazu halten, dass er bei einer Antragstellung im November 2004 einen Anspruch auf Sozialhilfe gehabt hätte und er deshalb die Heim- und Pflegekosten nicht aus seinem Einkommen und Vermögen hätte bestreiten müssen. Nur wenn der Kläger nachvollziehbar darstellen kann, dass ihm ein entsprechender Anspruch auf Sozialhilfe zugestanden hätte und dieser allein an der verspäteten Antragstellung durch den Beklagten gescheitert ist, käme ein hierdurch entstandener Vermögensschaden des Klägers in Betracht (vgl. OLG Schleswig OLGR Schleswig 2003, 8, 10; Meier BtPrax 99, 57, 59). Soweit das Kammergericht dagegen meint, der Beklagte habe vortragen müssen, welche Mittel des Klägers im Jahr 2004 vorhanden gewesen waren und wie diese verwendet wurden, verkennt das Kammergericht diese Darlegungs- und Beweislastverteilung.
Hahne Weber-Monecke RiBGH Dose ist tagungsbedingt an der Unterschriftsleistung verhindert. Hahne Schilling Günter
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 04.11.2009 - 22 O 100/09 -
KG Berlin, Entscheidung vom 18.05.2010 - 7 U 177/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 169/04 Verkündet am:
21. Oktober 2005
Wilms
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 242 Ce, 862 Abs. 1, 906, 1004 Abs. 1

a) Sollen mit dem aus Besitz bzw. Eigentum abgeleiteten Unterlassungsanspruch
wiederholte gleichartige Störungen abgewehrt werden, die zeitlich unterbrochen
auftreten, löst jede neue Einwirkung einen neuen Anspruch aus; die im Rahmen
des Einwands der Verwirkung für die Beurteilung des Zeitmoments maßgebliche
Frist beginnt jeweils neu zu laufen.

b) Das Fehlen einer notwendigen öffentlich-rechtlichen Genehmigung stellt für die
Frage der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung nur ein Kriterium von mehreren
dar. Entscheidend ist eine Würdigung aller Umstände, ausgerichtet am Empfinden
eines "verständigen Durchschnittsmenschen", insbesondere unter Berück-
sichtigung der nach § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB maßgeblichen Grenz- oder
Richtwerte.
BGH, Urteil vom 21. Oktober 2005 - V ZR 169/04 - OLG Stuttgart
LG Rottweil
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die
Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Czub und Dr. Roth

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22. Juli 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin zu 2 ist Nießbrauchsberechtigte eines Hausgrundstücks, welches sie seit 1991 mit dem Kläger zu 1, ihrem Ehemann, bewohnt. Schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite befindet sich das Grundstück der Beklagten , die dort ein von ihrem verstorbenen Ehemann übernommenes Fuhrunternehmen betreibt.
2
Der Ehemann der Beklagten erhielt 1970 die Genehmigung zum Bau eines Wohnhauses mit zwei Pkw-Garagen und zwei Lkw-Garagen „als Fuhrgeschäft“ sowie für eine oberirdische Heizöllagerung von 12.000 Litern. Das Wohnhaus mit den zwei Pkw-Garagen wurde erstellt, die beiden Lkw-Garagen hingegen nicht. Statt dessen legte der Ehemann der Beklagten Abstellplätze für bis zu drei Lkw an. Er errichtete zudem eine 1972 nachträglich zugelassene Eigenverbrauchstankstelle, die inzwischen stillgelegt wurde. Von einer 1978 erteilten Genehmigung für den Neubau einer Montagegrube machte er keinen Gebrauch. Heute besteht der Fuhrpark aus zwei oder drei Lastkraftwagen, davon mindestens zwei Tanklastzügen, die als Gefahrguttransporter eingesetzt werden.
3
Seit 1998 wenden sich die Kläger mit zahlreichen Eingaben an Behörden und an den Petitionsausschuss des Landtags Baden-Württemberg sowie mit einer verwaltungsgerichtlichen Klage vergeblich gegen den - zeitweilig bis zu acht Lastkraftwagen umfassenden - Fuhrbetrieb. Sie fühlen sich durch Anund Abfahrten der Lastzüge, durch Dieselabgase und insbesondere durch an Samstagen ausgeführte Wartungs- und Reparaturarbeiten beeinträchtigt.
4
Das Landgericht hat die vorliegende Klage, mit der die Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der Benutzung ihres Grundstücks als Fuhrbetrieb mit Tanklastzügen und Hängerzügen sowie für die Durchführung von Reparatur- und Wartungsarbeiten verlangen, abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat der Klage stattgegeben. Mit ihrer von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


I.


5
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist es bei der Prüfung der Wesentlichkeit und der Ortsüblichkeit von Immissionen ein sachgerechter Ansatz, ob die emittierende Anlage mit oder ohne behördliche Genehmigung betrieben wird. Ein nicht genehmigter Betrieb könne nicht ortsüblich sein. Das Fehlen der notwendigen Genehmigung spreche zudem so lange für eine Wesentlichkeit der Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks, wie nicht feststehe, dass die Anlage ohne Einschränkungen genehmigungsfähig sei. Nach den überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in einem zwischen den Klägern und der Gemeinde geführten Rechtsstreit sei der gesamte Fuhrbetrieb der Beklagten materiell baurechtswidrig und in seiner Ausprägung nicht genehmigungsfähig. Damit sei nach den von dem Bundesgerichtshof aufgestellten Darlegungs - und Beweisregeln vorgegeben, dass von dem Betrieb der Beklagten Einwirkungen ausgingen, welche die Benutzung des Grundstücks der Kläger wesentlich beeinträchtigten. Da die Genehmigungsfähigkeit einer typisierenden Betrachtung folge, komme es nicht darauf an, ob hier Lärmschutzvorschriften eingehalten seien. Ob Immissionsunterlassungsansprüche verwirkt werden könnten, brauche nicht entschieden zu werden, denn die Voraussetzungen für eine Verwirkung lägen nicht vor.
6
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.


7
1. Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, dass das Berufungsgericht eine Überraschungsentscheidung getroffen und damit gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 139 ZPO verstoßen habe. Entgegen ihrer Ansicht war es nicht verpflichtet, die Beklagte darauf hinzuweisen, dass es hinsichtlich der möglichen Verwirkung des Unterlassungsanspruchs ihren Vortrag zu dem sogenannten Umstandsmoment für nicht ausreichend hielt.
8
Zwar trifft es zu, dass eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen kann, dass das Berufungsgericht ihr rechtzeitig einen Hinweis nach § 139 ZPO gibt, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und insbesondere aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (BGH, Urt. v. 27. April 1994, XII ZR 16/93, WM 1994, 1823, 1824 m.w.N.). Aber diese Situation war hier nicht gegeben. Das Landgericht hat nicht, wie die Beklagte meint, die Klageabweisung (auch) damit begründet, die Kläger müssten sich den Einwand der Verwirkung entgegenhalten lassen. Vielmehr hat es den Gesichtspunkt der Verwirkung lediglich angesprochen, ohne darüber eine Entscheidung zu treffen. Zudem bestand für das Berufungsgericht auch deshalb keine Hinweispflicht , weil das Problem der Verwirkung von Beginn an eine der zentralen Fragen des Rechtsstreits und auch Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht war; dabei hat es den Parteien den weiteren Verfahrenslauf aufgezeigt, falls der Gesichtspunkt der Verwirkung nicht zum Tragen kommen sollte. Bei dieser Sachlage war die Beklagte auch ohne richterlichen Hinweis gehalten, umfassend zu den beiden Elementen der Verwirkung, dem Zeit- und dem Umstandsmoment, vorzutragen. Außerdem schließt die Vorgehensweise des Berufungsgerichts die Annahme aus, es habe eine Überraschungsentscheidung zu Lasten der Beklagten getroffen.
9
2. Ebenfalls erfolglos macht die Revision geltend, der Anspruch der Kläger gegen die Beklagte sei verwirkt. Allerdings kann hier offen bleiben, ob - wie das Berufungsgericht gemeint hat - das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment nicht erfüllt ist; denn es fehlt an dem ebenfalls notwendigen Zeitmoment.
10
a) Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (ständige Rechtsprechung, siehe nur Senat, BGHZ 122, 308, 315 m.w.N.; BGH, Urt. v. 14. November 2002, VII ZR 23/02, NJW 2003, 824). Die Verwirkung ist somit ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB); sie kann im gesamten Privatrecht eingewendet werden (Senat, BGHZ 122, 308, 314). Verwirkt werden können nur subjektive Rechte, weil nur bei ihnen davon gesprochen werden kann, ihre Ausübung stehe in Widerspruch zu der länger andauernden Nichtausübung, die bei dem Schuldner einen entsprechenden Vertrauenstatbestand begründet hat (BGH, Beschl. v. 1. Juli 1994, BLw 95/93, WM 1994, 1944, 1945). Der Verwirkung unterliegen dingliche Rechte nicht, wohl aber die daraus folgenden Ansprüche (Bamberger /Roth/Grüneberg, BGB, § 242 Rdn. 163; MünchKomm-BGB/Roth, 4. Aufl., § 242 Rdn. 298; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 242 Rdn. 107; Soergel /Teichmann, BGB, 12. Aufl., § 242 Rdn. 335; Staudinger/J. Schmidt, BGB [1995], § 242 Rdn. 538). Mithin bestehen keine Bedenken, auch die aus Besitz bzw. Eigentum abgeleiteten Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach §§ 862 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB dem Einwand der Verwirkung auszusetzen (vgl. Senat, Urt. v. 22. Juni 1990, V ZR 3/89, NJW 1990, 2555, 2556).
11
b) Bei Unterlassungsansprüchen der hier vorliegenden Art ist zu unterscheiden : Sollen wiederholte gleichartige Störungen abgewehrt werden, die zeitlich unterbrochen auftreten, löst jede neue Einwirkung einen neuen Anspruch aus (Bamberger/Roth/Grüneberg, aaO; Palandt/Heinrichs, aaO; ebenso RG JW 1935, 1775 für den Schadensersatzanspruch). Die für die Beurteilung des Zeitmoments maßgebliche Frist beginnt jeweils neu zu laufen, so dass es in der Regel - mit Ausnahme besonders langer Unterbrechungen - an dem Zeitmoment fehlt. Ob das auch für die Abwehr ununterbrochen andauernder Einwirkungen gilt (vgl. Senat, Urt. v. 14. Oktober 1994, V ZR 76/93, WM 1995, 300, 301 für den Beginn der Ausschlussfrist des § 864 Abs. 1 BGB), kann offen bleiben. Solche Immissionen sind nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.
12
3. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch eine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung des von den Klägern bewohnten Grundstücks durch Immissionen angenommen, die von dem Grundstück der Beklagten herrühren. Die Feststellungen in dem Berufungsurteil rechtfertigen das nicht.
13
a) Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht - stillschweigend - davon ausgegangen, dass den Klägern ein Unterlassungsanspruch nach §§ 862 Abs. 1 Satz 2, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 1065 BGB gegen die Beklagte als Betreiberin des störenden Fuhrunternehmens zustehen kann; richtig ist auch, dass ein solcher Anspruch nicht nach § 864 Abs. 1 BGB durch Fristablauf erloschen und die Zulässigkeit der Immissionen am Maßstab des § 906 BGB zu messen ist (vgl. Senat, Urt. v. 14. Oktober 1994, V ZR 76/93, WM 1995, 300, 301).
14
b) Fehlerhaft hat das Berufungsgericht aber den Vortrag der Beklagten für unerheblich gehalten, die von ihrem Grundstück ausgehenden Lärmemissionen lägen unterhalb der in den Vorschriften der TA-Lärm für Mischgebiete enthaltenen Grenzwerte. Das zeigt, dass das Berufungsgericht die für seine Ansicht herangezogene Rechtsprechung des Senats missverstanden hat. Es hat die für den Erfolg des Unterlassungsanspruchs notwendige Unterscheidung zwischen einer wesentlichen Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks und einer ortsüblichen Benutzung des emittierenden Grundstücks (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB) verkannt. In seinem Urteil vom 30. Oktober 1998 hat der Senat nicht den Grundsatz aufgestellt, dass die von einem Betrieb auf ein Nachbargrundstück einwirkenden Immissionen als wesentlich anzusehen sind, wenn dieser bauplanungsrechtlich nicht genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig ist; vielmehr hat er es lediglich für rechtlich unbedenklich gehalten, bei der Erheblichkeitsprüfung die Tatsache mit zu berücksichtigen, dass die für den Betrieb notwendige behördliche Genehmigung fehlt (BGHZ 140, 1, 6 f.). Hinsichtlich der ortsüblichen Benutzung des emittierenden Grundstücks hat der Senat entschieden, dass eine vorhandene Genehmigung nicht automatisch die Ortsüblichkeit begründet, sondern dafür nur einen Anhalt bietet; das Fehlen einer notwendigen Genehmigung schließt allerdings die Ortsüblichkeit aus (BGHZ 140, 1, 9), jedenfalls dann, wenn es auch an der Genehmigungsfähigkeit fehlt (vgl. Wenzel, NJW 2005, 241, 245). Das verdeutlicht, dass bei der für die Feststellung der Wesentlichkeit erforderlichen Würdigung der Gesamtumstände das Fehlen der öffentlich-rechtlichen Genehmigung nur ein einzelnes Kriterium ist. Es kann zu dem Ergebnis führen, dass die von dem Betriebsgrundstück ausgehenden Emissionen die Benutzung des Nachbargrundstücks nur unwesentlich beeinträchtigen und deshalb kein Unterlassungsanspruch des Nachbarn besteht. Dass der Betrieb aus öffentlich-rechtlichen Gründen wegen fehlender Genehmigung nicht aufrechterhalten bleiben dürfte, ist für die Beurteilung der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks somit nicht von alleiniger Bedeutung. Maßgeblich bleibt, ob im konkreten Fall von dem Betrieb Immissionen ausgehen, die sich nach dem Empfinden eines "verständigen Durchschnittsmenschen" als wesentlich darstellen (Senat BGHZ 148, 261, 264 m.w.Nw.). Dabei können die nach § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB maßgeblichen Regelwerke, in denen Grenz- oder Richtwerte für Immissionen festgelegt sind, nicht außer Betracht gelassen werden.
15
4. Unter diesen Gesichtspunkten wird das Berufungsgericht dem Vortrag der Beklagten nachzugehen haben, die von ihrem Grundstück ausgehenden Lärmemissionen lägen unterhalb der maßgeblichen Grenzwerte.
16
a) Trifft das zu, ist zunächst von der Unwesentlichkeit der Lärmbeeinträchtigung für die Benutzung des von den Klägern bewohnten Grundstücks auszugehen (§ 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB); es ist dann Sache der Kläger, Umstände darzulegen und zu beweisen, welche diese Indizwirkung erschüttern (Senat, Urt. v. 13. Februar 2004, V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1318). Dazu haben sie bisher nichts vorgetragen, weil sie zu Unrecht davon ausgegangen sind, von der Beklagten wegen der fehlenden baurechtlichen Genehmigung die Unterlassung der Benutzung des Grundstücks zum Befahren, Abstellen sowie zur Reparatur und Wartung von Lastkraftwagen verlangen zu können. Insoweit müssen die Kläger gegebenenfalls Gelegenheit zu weiterem Vortrag erhalten.
17
b) Bestätigt sich der Vortrag der Beklagten nicht, werden die maßgeblichen Grenz- oder Richtwerte also überschritten, rechtfertigt das allerdings nicht ohne weiteres die Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks , sondern indiziert lediglich das Vorliegen einer solchen (Senat, grundstücks, sondern indiziert lediglich das Vorliegen einer solchen (Senat, Urt. v. 13. Februar 2004, V ZR 217/03, aaO). Der Beklagten wird damit nicht die Möglichkeit abgeschnitten, eine nur unwesentliche Beeinträchtigung darzulegen und zu beweisen.
18
c) Die indizielle Bedeutung der Einhaltung oder Nichteinhaltung von Grenz- oder Richtwerten muss das Berufungsgericht beachten. Es kann im Rahmen seines Beurteilungsspielraums unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung des Empfindens eines verständigen Durchschnittsmenschen von dem Regelfall abweichen und trotz Unterschreitens der Werte eine wesentliche Beeinträchtigung annehmen oder eine solche trotz Überschreitens der Werte verneinen.
19
5. Das Berufungsgericht wird auch Feststellungen zu der Wesentlichkeit der von den Klägern ebenfalls geltend gemachten Beeinträchtigungen durch das Einsickern von Schweröl in den Boden und durch die Abgase der LkwMotoren treffen müssen. Falls es wegen einer oder mehrerer Immissionen eine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung des von den Klägern bewohnten Grundstücks feststellt, wird es aufzuklären haben, ob sie durch eine ortsübliche Benutzung des Grundstücks der Beklagten herbeigeführt wird und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB). Verneint es die Ortsüblichkeit, muss es den Klägern die Möglichkeit zu einer Anpassung ihres Unterlassungsantrags geben. Die Parteien und das Berufungsgericht haben nämlich bisher übersehen, dass der Störer regelmäßig zwischen verschiedenen zur Abhilfe geeigneten Maßnahmen wählen kann, es also grundsätzlich ihm überlassen bleibt, auf welchem Weg er die Beeinträchtigung abwendet; daher kann der Beeinträchtigte in der Regel lediglich die Vornahme geeigneter Maßnahmen zur Verhinderung der Beeinträchtigung verlangen und der Urteilsausspruch nur allgemein auf Unterlassung von Störungen bestimmter Art lauten (Senat, Urt. v. 12. Dezember 2003, V ZR 98/03, NJW 2004, 1035, 1037 m.w.N.). Hier haben die Kläger jedoch bisher die Verurteilung der Beklagten zu einer konkreten Maßnahme beantragt, die das Berufungsgericht auch ausgesprochen hat. Das ist aber nur dann zulässig, wenn allein diese Maßnahme den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung gewährleistet oder wenn weitere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise jedoch nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können (Senat, Urt. v. 12. Dezember 2003, V ZR 98/03, aaO). Dazu fehlt es bisher an Parteivortrag und an Feststellungen des Berufungsgerichts.

III.


20
Nach alledem ist das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann.
Krüger Klein Lemke
Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Rottweil, Entscheidung vom 02.02.2004 - 3 O 351/03 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 22.07.2004 - 2 U 27/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 207/05
vom
20. Dezember 2007
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und Vill
am 20. Dezember 2007

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. November 2005 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Beschwerdegegenstand wird auf 377.155,32 € festgesetzt.

Gründe:


1
zulässige, Die insbesondere statthafte Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger unter dem Gesichtspunkt einer Missachtung der richterlichen Hinweispflicht (§ 139 ZPO) auf eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einem möglicherweise verspätet erteilten Hinweis des Berufungsgerichts, weil der Kläger infolge des eingehenden, von ihm richtig erfassten Beklagtenvortrags zutreffend über die Sach- und Rechtslage unterrichtet war.
2
1. Ein gerichtlicher Hinweis ist entbehrlich, wenn die Partei von der Gegenseite die gebotene Unterrichtung erhalten hat (BGH, Urt. v. 22. November 2006 - VIII ZR 72/06, WM 2007, 984, 986 Tz. 19; v. 24. September 1987 - III ZR 188/86, NJW 1988, 696 f; v. 2. Oktober 1979 - VI ZR 245/78, NJW 1980, 223 f).
Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage auf zwei ineinander greifende Erwägungen gestützt, nämlich das Fehlen einer ärztlichen Feststellung innerhalb der 15-Monatsfrist in Verbindung mit der objektiven Unmöglichkeit, eine solche ärztliche Feststellung fristgerecht herbeizuführen. Auf beide Aspekte war der Kläger durch den Beklagten unmissverständlich hingewiesen worden.
3
2. a) Bereits erstinstanzlich hat der Beklagte in Übereinstimmung mit der späteren rechtlichen Würdigung des Berufungsgerichts geltend gemacht, dass die Dauerfolgen weder innerhalb der Frist von 15 Monaten ärztlich festgestellt noch tatsächlich eingetreten seien. In seiner Berufungsbegründung hat er die Schlüssigkeit der Klage beanstandet und abermals vorgetragen, dass es nicht auf die Frage der fristgerechten Anmeldung ankomme, weil für einen Dauerschaden keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte bestanden hätten und eine entsprechende ärztliche Feststellung nicht habe herbeigeführt werden können. Eine auf den Unfall rückführbare Invalidität habe nicht vorgelegen oder sei zumindest (noch) nicht feststellbar gewesen. Dieses Vorbringen hat der Beklagte durch Schriftsatz vom 18. April 2005, also ein halbes Jahr vor der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2005, mit dem Bemerken vertieft, der Kläger wolle trotz des ausführlichen Berufungsvortrags die Rüge der Unschlüssigkeit der Klage "einfach nicht zur Kenntnis nehmen".
4
b) Der Kläger hat - wie seine schriftsätzlichen Äußerungen belegen - dieses Vorbringen richtig verstanden. Auf die Berufungsbegründung hat er erwidert , es komme entscheidend auf die Versäumung der 15-Monatsfrist und die Tatsache an, dass innerhalb der Frist die bei dem Kläger bereits vorliegende Invalidität nicht festgestellt worden sei. Dieses Verständnis entspricht - aus der Warte des darlegungs- und beweispflichtigen Klägers formuliert - exakt der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, wonach eine dauerhafte Funktions- beeinträchtigung innerhalb der 15-Monatsfrist ärztlich feststellbar sein muss. Angesichts dieser eindeutigen Sachlage war ein zusätzlicher gerichtlicher Hinweis nicht geboten.
5
3. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG auch deshalb ausscheidet, weil der Kläger auf den verspäteten Hinweis des Berufungsgerichts nicht reagiert und es versäumt hat, in der mündlichen Verhandlung Vertagung oder einen Schriftsatznachlass zu beantragen oder zumindest innerhalb der Spruchfrist einen Schriftsatz nachzureichen.
Fischer Ganter Kayser
Gehrlein Vill
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.10.2004 - 1 O 648/03 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 15.11.2005 - I-4 U 218/04 -

Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 159/12
vom
24. April 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die im Rahmen eines Bedarfsdeckungsgeschäftes nach § 1357 Abs. 1 BGB
wirksam begründete Mitverpflichtung eines Ehegatten aus einem von dem
anderen Ehegatten vor der Trennung abgeschlossenen Energielieferungsvertrag
für die Ehewohnung endet nicht ohne weiteres schon mit der Trennung
oder mit dem Auszug des mitverpflichteten Ehegatten aus der Ehewohnung
; dies gilt auch für die nach Trennung oder Auszug verbrauchte
Energie.

b) Wird die Revision durch das Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung
der Rechtssache zugelassen und ergeben sich tatsächlich keine entscheidungserheblichen
Rechtsfragen, die einer Klärung durch höchstrichterliche
Entscheidung bedürfen, kommt es für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe
allein auf die Erfolgsaussichten in der Sache an.
BGH, Beschluss vom 24. April 2013 - XII ZR 159/12 - LG Hagen
AG Schwelm
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. April 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur

beschlossen:
Der Beklagten wird die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Revisionsverfahrens versagt.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin schloss am 8. Oktober 2008 mit dem Ehemann der Beklagten einen Vertrag über die Lieferung von Strom an die in der damaligen Ehewohnung in E. gelegene Entnahmestelle. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestand eine Lebensgemeinschaft zwischen der Beklagten und ihrem Ehemann. Die Beklagte und ihr Ehemann trennten sich im November 2009, und zwar zunächst innerhalb der Wohnung. Am 25. Mai 2010 zog die Beklagte aus der vormaligen Ehewohnung aus.
2
Die Klägerin kündigte den Stromlieferungsvertrag am 14. September 2010 wegen Zahlungsrückstands und stellte anschließend eine Rechnung über ihre bis zur Kündigung erbrachten Stromlieferungen. Die Parteien streiten - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - noch darüber, ob die Beklagte auch für den Teil der im Übrigen unstreitigen Rechnung der Klägerin in Höhe von 397,60 € haftet, der den Zeitraum nach ihrem Auszug aus der vorma- ligen Ehewohnung am 25. Mai 2010 bis zur Vertragsbeendigung am 14. September 2010 erfasst. Das Amtsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen; auf die Berufung der Klägerin wurde die Beklagte durch das Landgericht zur Zahlung dieses weiteren Betrages von 397,60 € nebst Zinsen verurteilt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer zugelassenen Revision.

II.

3
Die für die Durchführung des Revisionsverfahrens beantragte Prozesskostenhilfe ist nicht zu bewilligen, weil die Rechtsverfolgung der Beklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO).
4
1. Unbeschadet der für den Senat bindenden Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht stellen sich im vorliegenden Fall keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (BGHZ 151, 221, 223 = NJW 2002, 3029; BGHZ 154, 288, 291 = NJW 2003, 1943). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage insbesondere dann, wenn sie vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden worden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn dazu in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (vgl. BGH Beschluss vom 8. Februar 2010 - II ZR 54/09 - NJW-RR 2010, 1047 Rn. 3). So liegt der Fall hier nicht.
5
a) Es wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen, dass der Abschluss eines Stromlieferungsvertrages durch den Ehemann der Beklagten ein Bedarfsdeckungsgeschäft im Sinne des § 1357 Abs. 1 BGB darstellt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte der Klägerin bis zum Ende des Abrechnungszeitraumes am 14. September 2010 die Trennung von ihrem Ehemann bzw. ihren Auszug aus der Ehewohnung nicht mitgeteilt. Auch haben weder die Beklagte noch ihr Ehemann bis zu diesem Zeitpunkt eine Kündigung des Stromlieferungsvertrages erklärt.
6
b) Entscheidungserheblich könnte daher allenfalls die Rechtsfrage sein, ob die nach § 1357 Abs. 1 BGB wirksam begründete Mitverpflichtung eines Ehegatten aus einem von dem anderen Ehegatten vor der Trennung abgeschlossenen Energielieferungsvertrag für die Ehewohnung ohne weiteres bereits mit der Trennung oder mit dem Auszug aus der Ehewohnung endet. Dies wird in der Rechtsprechung (vgl. LG Koblenz RdE 1988, 215 f.; LG Oldenburg FamRZ 2006, 703; AG Wuppertal ZMR 1980, 239, 240; AG Bad Oeynhausen RdE 1984, 28, 29; AG Erlangen RdE 1986, 50, 51; AG Beckum FamRZ 1988, 501 f.; AG Neuruppin FamRZ 2009, 1221, 1222) und in der Literatur (vgl. Palandt/Brudermüller BGB 72. Aufl. § 1357 Rn. 9; MünchKommBGB/Roth 6. Aufl. § 1357 Rn. 49; Staudinger/Voppel BGB [Bearbeitungsstand: April 2007] § 1357 Rn. 103; Eckebrecht in Scholz/Kleffmann/Motzer [Bearbeitungsstand: Mai 2012] Teil A Rn. 56; Soergel/Lange BGB 12. Aufl. § 1357 Rn. 18; Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht 6. Aufl. § 19 Rn. 71; Hahn in BeckOK BGB [Stand: 1. Februar 2013] § 1357 Rn. 44; Grüne RdE 1986, 42, 45; Schütte/ Horstkotte in Hempel/Franke Recht der Energie- und Wasserversorgung [Bearbeitungsstand : Juni 2011] § 32 AVBWasserV Rn. 68 mit zahlreichen weiteren Nachweisen) einhellig und zutreffend verneint:
7
aa) Eine solche Enthaftung des mitverpflichteten Ehegatten lässt sich insbesondere nicht aus § 1357 Abs. 3 BGB herleiten. Unmittelbar ist diese Vorschrift hier nicht anwendbar, weil sie für den Fall des Getrenntlebens nur die Wirkungen des § 1357 Abs. 1 BGB und damit die Mithaftung des nicht vertrag- schließenden Ehegatten bei Abschluss eines neuen Bedarfsdeckungsgeschäftes in der Trennungszeit ausschließt. So liegt der Fall hier nicht, weil es sich bei einem Versorgungsvertrag über die Lieferung von Strom um einen Bezugsvertrag (Dauerlieferungsvertrag) und damit um ein echtes Dauerschuldverhältnis handelt (Palandt/Grüneberg BGB 72. Aufl. vor § 311 Rn. 28, 30) und es für die Begründung der hieraus resultierenden Forderungen auf den Abschluss des Dauerschuldvertrags und nicht auf die daraus hervorgehenden Einzelverbindlichkeiten ankommt (BGH Urteil vom 12. Dezember 2005 - II ZR 283/03 - NJW 2006, 765 mit weiteren Nachweisen). Eine Regelung zur Enthaftung eines Ehegatten von einer während bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft wirksam begründeten Mitverpflichtung lässt sich § 1357 Abs. 3 BGB dagegen nicht entnehmen.
8
bb) Auch eine entsprechende Anwendung von § 1357 Abs. 3 BGB auf die Enthaftung des getrennt lebenden Ehegatten in den Fällen eines Dauerschuldverhältnisses kommt nicht in Betracht. Es fehlt bereits an einer Regelungslücke in Bezug auf den Fortbestand der Mithaftung des zwischenzeitlich getrennt lebenden Ehegatten für die nach der Trennung aus einem Dauerschuldverhältnis hervorgehenden Einzelverbindlichkeiten. Mit Recht weist die Revisionserwiderung darauf hin, dass sich ein gleichgelagertes Problem bei allen Bedarfsdeckungsgeschäften stellt, bei denen zwischen Vertragsschluss und Leistungserbringung der Fall des Getrenntlebens eintritt. Wenn es insoweit an einer speziellen gesetzlichen Regelung fehlt, lässt dies darauf schließen, dass der Gesetzgeber eine automatische, nur an den Tatbestand des Getrenntlebens anknüpfende Enthaftung des zuvor wirksam mitverpflichteten Ehegatten nicht gewollt hat.
9
2. Ergeben sich somit keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen, die einer Klärung durch höchstrichterliche Entscheidung und einer Erörterung in der mündlichen Verhandlung bedürften, kommt es für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe allein auf die Erfolgsaussichten in der Sache an (BGH Beschluss vom 25. Juni 2003 - IV ZR 366/02 - juris Rn. 7; vgl. auch Senatsbeschluss vom 6. November 2002 - XII ZR 259/01 - FamRZ 2003, 521 f.). Diese bestehen nicht, weil das Berufungsurteil in der Sache richtig sein dürfte.
Dose Weber-Monecke Schilling Günter Botur
Vorinstanzen:
AG Schwelm, Entscheidung vom 31.05.2011 - 20 C 27/11 -
LG Hagen, Entscheidung vom 15.12.2011 - 7 S 60/11 -