Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2017 - RiZ (R) 2/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:070917URIZ.R.2.15.0
bei uns veröffentlicht am07.09.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Tenor

Auf die Revision des Antragstellers wird das Urteil des Dienstgerichtshofs für Richter bei dem Oberlandesgericht Stuttgart vom 17. April 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den Dienstgerichtshof für Richter zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Antragsteller ist Richter am Oberlandesgericht K.    .

2

Mit Vermerk vom 12. Oktober 2011 teilte die Präsidentin des Oberlandesgerichts dem Antragsteller mit, dass sie beabsichtige, ihm im Rahmen der Dienstaufsicht die ordnungswidrige Art der Ausführung seiner Amtsgeschäfte gemäß § 26 Abs. 2 DRiG vorzuhalten und ihn zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen, und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme.

3

Am 26. Januar 2012 erließ sie den folgenden, dem Antragsteller zugestellten Bescheid:

"Vorhalt und Ermahnung nach § 26 Abs. 2 DRiG:

Sehr geehrter Herr S.          ,

die richterliche Unabhängigkeit verbietet nach ganz herrschender und auch von mir geteilter Ansicht für Richter die Festlegung von Arbeitszeiten. Der von einem Richter geschuldete Einsatz ist deshalb nach dem durchschnittlichen Erledigungspensum vergleichbarer Richterinnen und Richter zu bemessen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.09.1982 - 2 B 12/82 - NJW 1983, 62 - juris Rn. 3 a.E.). Das Durchschnittspensum unterschreiten Sie seit Jahren ganz erheblich und jenseits aller großzügig zu bemessender Toleranzbereiche. Im Jahre 2011 erledigten Sie sogar weniger Verfahren als dies der durchschnittlichen Leistung einer Halbtagsrichterin/eines Halbtagsrichters am Oberlandesgericht entspricht.

        U-Verfahren

                 

Erledigungen

Offene Verfahren

Überjährige
Verfahren

2008   

ROLG S.

43    

76    

23    

        

OLG gesamt   

74,7         

61,9         

9,5       

2009   

ROLG S.

58    

98    

23    

        

OLG gesamt

71,2         

66,0         

15,7         

2010   

ROLG S.

48    

127     

60    

        

OLG gesamt

71,4         

64,4         

17,7         

2011   

ROLG S.

37    

88    

22    

        

OLG gesamt

74,6         

61,6         

14,3         

Quelle:

Eingänge, Offene und überjährige Verfahren 2008 - 2010: Erledigungsstatistik des OLG

Eingänge 2011 und Erledigungen 2008 - 2011: Hades Zivil

Nach § 26 Abs. 2 DRiG halte ich Ihnen deshalb die ordnungswidrige Art der Ausführung der Amtsgeschäfte vor und ermahne Sie zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte.

Die von Ihrem Bevollmächtigten nach Ablauf der Ihnen gewährten Stellungnahmefrist beantragte weitere Fristverlängerung lehne ich ab. Ich hatte Ihnen die beabsichtigte Maßnahme der Dienstaufsicht und deren Begründung bereits am 18.10.2011 erläutert und Ihnen eine auf Ihr Gesuch verlängerte Stellungnahmefrist bis zum 20.01.2012 eingeräumt. Innerhalb dieser Frist von einem Vierteljahr hatten Sie ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme. Dabei ist zu sehen, dass Sie den Grund der Maßnahme, d.h. Ihre unterdurchschnittliche Erledigungsleistung, nicht in Abrede gestellt, sondern in Ihrer Überlastungsanzeige vom 31.10.2011 ausdrücklich eingeräumt haben, schon seit 2002 am OLG als Berichterstatter in der Regel statistisch zu weniger Verfahrenserledigungen beigetragen zu haben, als der Durchschnitt der Kolleginnen und Kollegen. Auch haben Sie die Ihnen eröffnete Möglichkeit, dem Präsidium in der Präsidiumssitzung vom 16.12.2011 zu der Problematik Rede und Antwort zu stehen, nicht genutzt, da das Präsidium Ihrem Bevollmächtigten aus Rechtsgründen die Teilnahme an der Präsidiumssitzung nicht gestattet hat.

Eine Beeinträchtigung ihrer richterlichen Unabhängigkeit ist mit dieser Maßnahme der Dienstaufsicht nicht verbunden. Nach § 26 Abs. 2 DRiG umfasst die Dienstaufsicht das Recht, Richtern die ordnungswidrige Art der Ausführung der Amtsgeschäfte vorzuhalten und sie zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen. Es kann deshalb keinem Zweifel unterliegen, dass die monatelange Nichtbearbeitung von Teilbereichen eines richterlichen Dezernats ebenso beanstandet werden kann wie ein unbefriedigendes Arbeitspensum eines Richters (vgl. BGH, Dienstgericht des Bundes, Urteil vom 22.09.1998 - RiZ 2/97 - DRiZ 1999, 141 <144> m.w.N.; stRspr.; vgl. auch Schmidt-Räntsch, DRiG, 6. Aufl. 2009, § 26 Rn. 24 a.E.)."

4

Gegen den Bescheid legte der Antragsteller Widerspruch ein, den die Präsidentin des Oberlandesgerichts mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2012 zurückwies.

5

Der Antragsteller hat beim Dienstgericht für Richter beantragt festzustellen, dass der Bescheid der Präsidentin des Oberlandesgerichts vom 26. Januar 2012 und der Widerspruchsbescheid vom 20. April 2012 unzulässig sind. Das Dienstgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die Berufung des Antragstellers hat der Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Stuttgart zurückgewiesen. Das Anhalten zu vermehrten Erledigungen sei mit der richterlichen Unabhängigkeit vereinbar. Dem Richter werde nicht nahegelegt, sein Amt in einer bestimmten Richtung auszuüben, und auf ihn auch kein unzulässiger Erledigungsdruck ausgeübt. Dagegen richtet sich die Revision des Antragstellers.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Dienstgerichtshofs und zur Zurückverweisung.

7

I. Der Prüfungsantrag ist zulässig. Der Antragsteller hat einen Prüfungsantrag nach § 63 Nr. 4 Buchst. f BW-LRiStAG i.V.m. § 26 Abs. 3 DRiG gestellt.

8

Soweit der konkret gestellte Antrag nicht nur dahin geht, die Unzulässigkeit des Bescheids oder einzelner Formulierungen festzustellen, sondern weitergehende Formulierungen zur Tatsachengrundlage bzw. dem Zweck des Bescheids enthält, ist er zwar unzulässig. Nach § 84 Abs. 2 Satz 2 BW-LRiStAG stellt das Gericht im Prüfungsverfahren die Unzulässigkeit der Maßnahme fest oder weist den Antrag zurück. Die zu weitreichenden Formulierungen führen aber nicht zur Unzulässigkeit des gesamten Antrags. Nach § 88 VwGO ist das Gericht nicht an die Fassung der Anträge gebunden, und das Rechtsschutzziel, auf das es allein ankommt, lässt sich den Anträgen entnehmen, abgesehen davon, dass mit dem zweiten Hilfsantrag auch ein Antrag ohne über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende Formulierung gestellt ist.

9

II. Die Zurückweisung der Berufung durch den Dienstgerichtshof hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung hätte der Dienstgerichtshof den Prüfungsantrag nicht für unbegründet erachten dürfen.

10

1. Nach § 26 Abs. 1 DRiG untersteht der Richter einer Dienstaufsicht nur, soweit dadurch seine Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt wird. Der Rechtsweg zu den Dienstgerichten findet statt, wenn ein Richter behauptet, dass eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtige. Die Prüfungsbefugnis der Dienstgerichte ist aus diesem Grund sowohl hinsichtlich des Anfechtungsgegenstandes (auf Maßnahmen der Dienstaufsicht) als auch hinsichtlich des Anfechtungsgrundes (auf Beeinträchtigungen der richterlichen Unabhängigkeit) beschränkt. Die weitergehende Rechtmäßigkeitskontrolle von Maßnahmen der Dienstaufsicht obliegt den Verwaltungsgerichten. Die beschränkte Prüfungsbefugnis unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG, NVwZ 2016, 764 Rn. 93).

11

2. Das gilt auch für Maßnahmen der Dienstaufsicht, die sich auf das Arbeitspensum eines Richters beziehen.

12

a) Auch die Arbeitsleistung des Richters in quantitativer Hinsicht unterliegt der Dienstaufsicht und ist ihr nicht von vornherein entzogen. Das folgt schon aus § 26 Abs. 2 DRiG. Danach umfasst die Dienstaufsicht ausdrücklich auch die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen.

13

Der angefochtene Bescheid enthält einen solchen Vorhalt. Dem Antragsteller wird nach der Auslegung des Dienstgerichtshofs vorgehalten, dass seine Erledigungszahlen deutlich hinter denjenigen anderer am Oberlandesgericht K.        tätiger Richter zurückbleiben, und die Zahl seiner überjährigen Verfahren den Durchschnittswert der beim Oberlandesgericht K.      tätigen Richter deutlich übersteigt. An diese Auslegung des Tatrichters ist das Dienstgericht des Bundes als Revisionsgericht grundsätzlich gebunden. Die tatrichterliche Würdigung einer Äußerung oder Erklärung ist nur darauf zu überprüfen, ob sie gegen anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, ob wesentlicher Tatsachenstoff, der für die Auslegung von Bedeutung sein kann, außer Betracht gelassen wurde, oder ob sie sonst auf Rechtsfehlern beruht (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - RiZ (R) 4/13, juris Rn. 18; Urteil vom 4. März 2015 - RiZ (R) 4/14, NVwZ-RR 2015, 826 Rn. 25).

14

Mit diesem Vorhalt wird dem Antragsteller eine quantitativ unbefriedigende Arbeitsleistung vorgehalten und nicht nur ein statistischer Zahlenvergleich gemacht. Der Bescheid weist der Statistik allerdings einen besonderen Stellenwert zu. Er bezieht sich nicht nur für den geschuldeten Einsatz auf ein durchschnittliches Erledigungspensum vergleichbarer Richterinnen und Richter, sondern listet daran anschließend Erledigungszahlen, offene Verfahren und überjährige Verfahren auf. Seinem Sinn nach geht er aber darüber hinaus. Er hält dem Antragsteller eine ungenügende Erledigung und damit eine ungenügende quantitative Arbeitsleistung vor. Im Bescheid kommt das trotz des Hinweises auf ein Durchschnittspensum und der Aufnahme der Tabelle mit Erledigungszahlen auch dadurch zum Ausdruck, dass von einem unbefriedigenden Arbeitspensum gesprochen wird und davon, dass der Antragsteller weniger erledigt habe, als dies der durchschnittlichen Leistung eines Halbtagsrichters/einer Halbtagsrichterin entsprochen habe.

15

Zusammen mit der Tabelle, in der die Zahl der offenen und der "überjährigen" Verfahren festgehalten ist, wird damit zum Ausdruck gebracht, dass der Antragsteller eine quantitativ unzureichende Arbeitsleistung erbringt, so dass im Verhältnis zu anderen Richterinnen und Richtern deutlich mehr offene Verfahren und damit Arbeitsreste und Rückstände entstanden sind.

16

b) Der Vorhalt und das Anhalten zu einer unverzögerten Erledigung beeinträchtigt den Antragsteller grundsätzlich nicht in seiner richterlichen Unabhängigkeit.

17

aa) Wegen einer Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit ist allein die eigentliche Rechtsfindung der Dienstaufsicht vollständig entzogen. Eine Maßnahme der Dienstaufsicht ist wegen Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit unzulässig, wenn sie in diesem Bereich auf eine direkte oder indirekte Weisung hinausläuft, wie der Richter entscheiden oder verfahren soll; insoweit muss sich die Dienstaufsicht auch jeder psychologischen Einflussnahme enthalten (BVerfG, NVwZ 2016, 764 Rn. 76; BGH, Urteil vom 31. Januar 1984 - RiZ (R) 3/83, BGHZ 90, 41, 43 f.). Dabei ist im Interesse eines wirksamen Schutzes der richterlichen Unabhängigkeit eine großzügige Grenzziehung geboten und sind deshalb alle der Rechtsfindung auch nur mittelbar dienenden Sach- und Verfahrensentscheidungen in diesen dienstaufsichtsfreien Raum einzubeziehen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 1985 - RiZ (R) 7/84, BGHZ 93, 238, 243 mwN). Der Versuch, den Richter in seine Entscheidungsfreiheit beeinträchtigender Weise zu einer bestimmten Art der Erledigung zu veranlassen, wäre mit der richterlichen Unabhängigkeit nicht zu vereinbaren (vgl. BGH, Urteil vom 3. Oktober 1977 - RiZ (R) 1/77, BGHZ 69, 309, 313).

18

Dagegen ist die richterliche Unabhängigkeit nicht schon allein dann beeinträchtigt, wenn der Richter unmittelbar oder mittelbar mit dem Vorhalt zu einer Änderung seiner Arbeitsweise veranlasst wird. Das Gesetz geht in § 26 Abs. 1 DRiG selbst davon aus, dass die richterliche Amtstätigkeit in Teilbereichen der Dienstaufsicht zugänglich ist, und gibt den dienstaufsichtführenden Stellen in § 26 Abs. 2 DRiG ausdrücklich die Befugnis, dem Richter die ordnungswidrige Art der Ausführung von Amtsgeschäften vorzuhalten und ihn zu ordnungsgemäßer und unverzögerter Erledigung zu ermahnen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes unterliegt daher die richterliche Amtsführung insoweit der Dienstaufsicht, als es um die Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs, die äußere Form der Erledigung der Amtsgeschäfte oder um solche Fragen geht, die dem Kernbereich der Rechtsprechung so weit entrückt sind, dass sie nur noch als zur äußeren Ordnung gehörig anzusehen sind (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 1985 - RiZ (R) 7/84, BGHZ 93, 238, 244 mwN).

19

bb) Der Vorhalt von Rückständen oder Arbeitsresten und die (auch) hierauf bezogene Ermahnung, die übertragenen Aufgaben fortan ordnungsgemäß und unverzögert zu erledigen, stellen nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes daher grundsätzlich noch keine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit dar (BGH, Urteil vom 16. September 1987 - RiZ (R) 5/87, NJW 1988, 421, 422; Urteil vom 3. November 2004 - RiZ (R) 5/03, juris Rn. 34; Urteil vom 8. November 2006 - RiZ (R) 2/05,NJW-RR 2007, 281 Rn. 21; Urteil vom 3. Dezember 2009 - RiZ (R) 1/09, juris Rn. 35). Darin liegt weder eine irgendwie geartete Einflussnahme auf den Inhalt der zu treffenden Entscheidungen noch sonst der Versuch, den Richter anzuhalten, sein Amt in einer bestimmten Richtung auszuüben. Ebenso wenig bedeutet die Aufforderung, geringere Rückstände auflaufen zu lassen, für sich allein den Versuch, den Richter in seine Entscheidungsfreiheit beeinträchtigender Weise zu einer bestimmten Art der Erledigung zu veranlassen. Damit wird der Richter zwar aufgefordert, seine Arbeitsweise zu ändern, aber nicht, in einem bestimmten Sinn zu entscheiden oder sein Amt in einer bestimmten Richtung auszuüben.

20

Es geht vielmehr um eine der Dienstaufsicht unterliegende Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs der Amtsgeschäfte des Richters. Rückstände sind gleichbedeutend mit Unzuträglichkeiten in der Laufzeit der Prozesse. Dem entgegenzuwirken, ist eine legitime Aufgabe der Justizverwaltungen (BGH, Urteil vom 16. September 1987 - RiZ (R) 4/87, NJW 1988, 419, 420). Dabei darf auch Einfluss auf die Arbeitsweise eines Richters genommen werden und er angehalten werden, seine Arbeitsweise so zu gestalten, dass keine Unzuträglichkeiten in der Laufzeit der Prozesse entstehen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 1987 - RiZ (R) 5/87, NJW 1988, 421, 422; Urteil vom 8. November 2006 - RiZ (R) 2/05, NJW-RR 2007, 281 Rn. 19).

21

cc) Allerdings gibt es eine Grenze, von der an einem Richter mit Rücksicht auf seine von Verfassungs wegen geschützte Unabhängigkeit Rückstände von der Dienstaufsicht nicht zur Last gelegt werden dürfen. Diese Grenze steht in Frage, wo eine Erledigung der Eingänge in sachgerechter Weise nicht mehr möglich ist. Würde der Richter gleichwohl wegen der entstehenden Rückstände dienstaufsichtlichen Maßnahmen ausgesetzt, so würde er zu einer Arbeitsweise gedrängt, bei der die Erledigung um ihrer selbst willen im Vordergrund stünde. Ein dahin wirkender Erledigungsdruck liefe auf die Aufforderung zu einer sachwidrigen Bearbeitung hinaus und wäre mit dem Rechtsprechungsauftrag des Richters nicht zu vereinbaren. Eine dienstaufsichtliche Maßnahme, von der ein solcher Druck ausginge, wäre wegen Eingriffs in die richterliche Unabhängigkeit unzulässig (BGH, Urteil vom 16. September 1987 - RiZ (R) 4/87, NJW 1988, 419, 420).

22

Die hiernach von der Dienstaufsicht zu respektierende Grenze bestimmt das Dienstgericht des Bundes in ständiger Rechtsprechung eigenständig mit Blick auf den Schutz der richterlichen Unabhängigkeit nicht - wie der Antragsteller für richtig hält - nach den subjektiven Vorstellungen des einzelnen Richters, sondern im Vergleich zu anderen Richtern. Das dienstaufsichtliche Eingreifen wegen vorhandener Rückstände und der mit einem Vorhalt verbundene Erledigungsdruck ist dann eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit, wenn dem Richter damit indirekt ein Pensum abverlangt wird, welches sich allgemein, also auch von anderen Richtern, sachgerecht nicht mehr bewältigen lässt (BGH, Urteil vom 16. September 1987 - RiZ (R) 5/87, NJW 1988, 421, 422; Urteil vom 3. November 2004 - RiZ (R) 5/03, juris Rn. 34; Urteil vom 5. Oktober 2005 - RiZ (R) 5/04, NJW 2006, 692 Rn. 21; Urteil vom 3. Dezember 2009 - RiZ (R) 1/09, juris Rn. 35).

23

In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, welche Arbeitsleistung dem Richter in allgemein dienstrechtlicher Hinsicht zumutbar ist. Von der Grenze, ab der der Vorhalt von Rückständen und unzureichender Erledigung die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt, unterscheidet das Dienstgericht des Bundes die Frage, ob dem Richter mehr abverlangt wird, als er dienstrechtlich schuldet, als Frage der Richtigkeit des Vorhalts (BGH, Urteil vom 16. September 1987 - RiZ (R) 4/87, NJW 1988, 419, 420). Wird er an Maßstäben gemessen, die etwa im Vergleich zum übrigen öffentlichen Dienst und der dortigen Arbeitszeit überzogen sind, ist eine dienstaufsichtsrechtliche Maßnahme möglicherweise sachlich nicht gerechtfertigt (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 1987 - RiZ (R) 4/87, NJW 1988, 419, 420) und darf aus diesem Grund nicht getroffen werden (vgl. BVerfG, NJW 2012, 2334 Rn. 17 f.). Eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit ist damit aber nicht, jedenfalls nicht notwendig, verbunden. Die Grenze der Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit ist vielmehr erst überschritten, wenn ein Arbeitsanfall in Frage steht, welcher allgemein, also auch von anderen Richtern, nicht sachgerecht bewältigt werden könnte (BGH, Urteil vom 16. September 1987 - RiZ (R) 4/87, NJW 1988, 419, 420).

24

Diese Grundsätze gelten für Beurteilungen und für ausdrücklich als solche bezeichnete Maßnahmen der Dienstaufsicht gleichermaßen. Auch dienstliche Beurteilungen sind Maßnahmen der Dienstaufsicht (BGH, Urteil vom 16. März 2005 - RiZ (R) 2/04, BGHZ 162, 333, 338). Das Dienstgericht des Bundes hat deshalb auch bei Vorhalten einzelner verzögert erledigter Verfahren oder bestimmter Verfahrensweisen (BGH, Urteil vom 5. Oktober 2005 - RiZ (R) 5/04, NJW 2006, 692 Rn. 21.; Urteil vom 3. Dezember 2009 - RiZ (R) 1/09, juris Rn. 35) oder beim Vorhalt unzureichender Arbeitsleistung aufgrund der Erledigungs- und Arbeitsrestezahlen (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 2004 - RiZ (R) 5/03, juris Rn. 34) die Grenze für die Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit dort gezogen, wo der geforderte Arbeitsanfall auch von anderen Richtern nicht sachgerecht bewältigt werden kann.

25

In dem so vorgenommenen Vergleich liegt auch nicht deshalb eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit, weil dem Richter entweder strukturelle Langsamkeit oder überdurchschnittliche Sorgfalt zum Vorwurf gemacht und damit keine Verletzung von Dienstpflichten vorgeworfen würde (so Wittreck, NJW 2012, 3287, 3290). Dass dem Richter mit einem Vergleich mit der Erledigung anderer Richter in der Sache mittelbar nur entweder strukturelle Langsamkeit oder überdurchschnittliche Sorgfalt "vorgeworfen" werden würden, verkennt schon im Ausgangspunkt, dass auch andere Ursachen hinter einer weit unterdurchschnittlichen Arbeitsleistung liegen können. Die in dem Vorhalt von Rückständen und der Ermahnung zu unverzögerter Erledigung enthaltene Aufforderung, die Arbeitsweise zu ändern, bedeutet nicht, in einem bestimmten Sinn zu entscheiden oder sein Amt in einer bestimmten Richtung auszuüben. Vielmehr ist dabei auch zu berücksichtigen, dass Rückstände gleichbedeutend mit Unzuträglichkeiten in der Laufzeit der Prozesse sind. Dem entgegenzuwirken, ist aber eine legitime Aufgabe der Justizverwaltungen (BGH, Urteil vom 16. September 1987 - RiZ (R) 4/87, NJW 1988, 419, 420). Die richterliche Unabhängigkeit schützt das Interesse der Parteien an einer sachgerechten, unbeeinflussten Entscheidung, nicht eine bestimmte Arbeitsweise des Richters, soweit diese zu Unzuträglichkeiten der Verfahrensabwicklung im Dezernat des Richters führt. Das Interesse der Parteien an einer sachgerechten Erledigung beinhaltet auch das Interesse an einer zügigen, unverzögerten Entscheidung und an einer entsprechenden Arbeitsweise des Richters.

26

Wenn die Leistung aus Gründen der "strukturellen Langsamkeit" in dem Sinn, dass die Menschen unterschiedlich leistungsfähig sind und deshalb nicht jeder die Durchschnittsleistung erbringen kann, nicht erbracht werden kann, und dies vorgehalten wird, beeinträchtigt der Vorhalt die richterliche Unabhängigkeit nicht. Für die Frage, ob die Maßnahmen der Dienstaufsicht als Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit zu werten sind, kommt es nicht auf die individuelle Belastbarkeit des Richters an, sondern - wie oben ausgeführt - darauf, ob ihm ein Arbeitspensum abverlangt wurde, das sich allgemein nicht mehr sachgerecht hätte erledigen lassen (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - RiZ (R) 1/09, juris Rn. 40). Ob dem Richter mehr abverlangt wird, als er dienstrechtlich schuldet, ist eine Frage der Richtigkeit des Vorhalts (BGH, Urteil vom 16. September 1987 - RiZ (R) 4/87, NJW 1988, 419, 420), die aufgrund der Beschränkung des Anfechtungsgrunds im Prüfungsverfahren auf die Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit nicht von den Dienstgerichten, sondern den Verwaltungsgerichten zu entscheiden ist.

27

Der Vorhalt unterdurchschnittlicher Erledigungen ist auch nicht notwendig ein Mittel, unzulässige Einzelweisungen zur "strafferen" Verhandlungsführung, zum Verzicht auf Beweisaufnahmen u. a. m. zu vermeiden und dennoch im Ergebnis Einfluss auf die Rechtsprechung des Richters zu nehmen, weil dem betroffenen Richter nur die Möglichkeiten bleiben, schlicht mehr zu arbeiten, um im Ergebnis durchschnittlich produktiv zu sein, und seine wöchentliche Arbeitszeit unzulässig zu steigern, oder unsorgfältig zu arbeiten (so Wittreck NJW 2012, 3287, 3291). Der Vergleich mit den Erledigungszahlen anderer zeigt, dass eine vergleichbare tatsächliche Belastung von anderen Richtern ohne Zuhilfenahme pflichtwidriger Praktiken bewältigt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 1987 - RiZ (R) 4/87, NJW 1988, 419, 421).

28

c) Die Feststellung des Dienstgerichtshofs, dem Antragsteller werde auch nicht indirekt ein Pensum abverlangt, welches sich allgemein, also auch von anderen Richtern, sachgerecht nicht mehr bewältigen lässt, ist aber in einem entscheidenden Punkt nicht rechtsfehlerfrei getroffen.

29

aa) Der Dienstgerichtshof hat diese Feststellung nicht nur auf die deutlich höheren durchschnittlichen Erledigungszahlen und die deutlich niedrigere durchschnittliche Zahl der offenen bzw. überjährigen Verfahren der anderen Richter am Oberlandesgericht gestützt, sondern auch auf die anderer Richter im selben Senat und auf die eigenen Angaben des Antragstellers in seiner Überlastungsanzeige vom 31. Oktober 2011 an die Senatskollegen. Damit liegt es auch eher fern, dass das von anderen Richtern zu Leistende hier deshalb niedriger anzusetzen ist, weil in den Senaten, denen der Antragsteller angehört, besondere Zuständigkeiten bestehen, die eine geringere Erledigungszahl bedingen. Solche Spezialzuständigkeiten sind aber auch nicht behauptet. Vielmehr verweist der Antragsteller selbst darauf, dass er weniger als andere Richter erledigt, ohne dass er diesen ein pflichtwidriges Verhalten unterstellt.

30

Dem Antragsteller wurde dabei nach den Feststellungen des Dienstgerichtshofs keineswegs - was auch nicht zulässig wäre - nur eine Abweichung von Durchschnittswerten vorgehalten, sondern dass er deutlich weniger Verfahren als andere Richter erledigt, erheblich mehr offene Verfahren und erheblich mehr überjährige Verfahren hat, also seine Arbeitsleistung, gemessen am Pensum, das andere Richter erledigen, erheblich geringer ist.

31

Dass der Dienstgerichtshof für die Bestimmung, ob dem Antragsteller ein Pensum abverlangt wird, das sich auch von anderen Richtern nicht sachgerecht erledigen lässt, auf die durchschnittlichen Erledigungszahlen anderer Richter abgestellt hat, ist für sich allein nicht rechtsfehlerhaft. Allerdings darf nicht aus dem Blick verloren werden, dass diese Zahlen nur angeben können, was andere Richter tatsächlich erledigen. Eine Zahl über die durchschnittliche Erledigung bildet schon nicht ab, ob die Erledigungszahl mit dem dienstrechtlich geschuldeten Mindesteinsatz oder mit einem überobligationsmäßigen Einsatz erreicht wird. Erst recht lässt sich daraus allein nicht entnehmen, ob die erledigten Verfahren sachgerecht erledigt worden sind. Die tatsächlichen Erledigungszahlen können daher nur einen Anhalt für das Arbeitspensum geben, das sich sachgerecht erledigen lässt, wenn zudem festgestellt werden kann, dass diese Erledigungen sachgerecht erreicht werden. Schon wegen der unterschiedlichen Zuschnitte von Dezernaten und der unterschiedlichen Arbeitsweisen in verschiedenen Spruchkörpern eines Gerichts wird sich daraus kein Punktwert, sondern allenfalls eine ungefähre Größe bestimmen lassen.

32

bb) Zu Unrecht hat sich der Dienstgerichtshof vor allem gehindert gesehen zu überprüfen, ob die Angaben in dem angefochtenen Bescheid darüber, was von anderen Richtern des Oberlandesgerichts K.      erledigt wird, zutreffen.

33

Nach der Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes ist im richterdienstgerichtlichen Verfahren zwar der Frage nicht nachzugehen, ob der angefochtene Bescheid aus anderen Gründen als wegen Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit, etwa wegen sachlicher Unrichtigkeit, fehlerhaft ist (BGH, Urteil vom 16. September 1987 - RiZ (R) 5/87, NJW 1988, 421, 422; Urteil vom 31. Januar 1984 - RiZ (R) 3/83, BGHZ 90, 41, 48 ff.; ebenso BVerwGE 67, 222, 223 ff.). Hierüber ist vielmehr gegebenenfalls vom Verwaltungsgericht zu befinden. Dazu gehört auch die Frage, zu welcher Arbeitsleistung der Antragsteller dienstrechtlich verpflichtet ist (BGH, Urteil vom 16. September 1987 - RiZ (R) 4/87, NJW 1988, 419, 420), und ob es zutrifft, dass seine Arbeitsleistung unterdurchschnittlich und damit quantitativ unbefriedigend ist (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2005 - RiZ (R) 5/04, NJW 2006, 692 Rn. 26; Urteil vom 3. November 2004 - RiZ (R) 5/03, juris Rn. 36; Urteil vom 14. April 1997 - RiZ (R) 1/96, DRiZ 1997, 467, 468; Urteil vom 16. September 1987 - RiZ (R) 5/87, NJW 1988, 421, 422; Urteil vom 31. Januar 1984 - RiZ (R) 3/83, BGHZ 90, 41, 48 ff.; ebenso BVerwGE 67, 222, 223 ff.).

34

Die Zuständigkeit der Dienstgerichte ist dagegen betroffen, wenn zu ermitteln ist, ob der Vorhalt die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt. Ob dem Richter mit dem Vorhalt indirekt ein Pensum abverlangt wird, welches sich allgemein, also auch von anderen Richtern, sachgerecht nicht mehr bewältigen lässt, ist daher von den Dienstgerichten zu ermitteln und festzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2006 - RiZ (R) 2/05, NJW-RR 2007, 281 Rn. 28; Urteil vom 3. Dezember 2009 - RiZ (R) 1/09, juris Rn. 35 ff.). Soweit zur Ermittlung dieses Pensums, das sich von anderen Richtern nicht sachgerecht erledigen lässt, unter anderem - wie hier - Durchschnittszahlen der tatsächlichen Erledigungsquote, zu den offenen Verfahren und den überjährigen Verfahren anderer Richter herangezogen werden (vgl. dazu BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - RiZ (R) 1/09, juris Rn. 38), ist die Prüfungsbefugnis der Dienstgerichte eröffnet. Der Dienstgerichtshof hätte daher den Einwendungen des Antragstellers, diese Zahlen seien nicht zutreffend ermittelt und ihre Ermittlung leide unter methodischen Mängeln, etwa weil es unterschiedliche Zählweisen bei den verschiedenen Senaten gebe, nachgehen müssen.

35

Dass sich dieser Rechtsfehler auf die Entscheidung ausgewirkt hat, kann revisionsrechtlich nicht ausgeschlossen werden. Zwar ist die tatsächliche durchschnittliche Erledigungsquote und die Zahl der nicht erledigten bzw. überjährigen Verfahren anderer Richter des Oberlandesgerichts K.      nur ein Gesichtspunkt, den der Dienstgerichtshof zur Bestimmung dessen, was andere Richter sachgerecht erledigen, herangezogen hat. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass eine andere Ermittlung der Durchschnittszahlen darauf Auswirkungen hat, selbst wenn die angegebenen Durchschnittszahlen eine erheblich höhere Arbeitsleistung anderer Richter als des Antragstellers ausweisen.

36

3. Im weiteren Verfahren wird ggf. zu berücksichtigen sein, dass den in die Berechnung eingeflossenen Zahlen zu Erledigungen und Rückständen gleiche Eingangszahlen zugrunde liegen, dass bei der Ermittlung auf Richter vergleichbarer Position abzustellen ist (vgl. BVerfG, NJW 2012, 2334 Rn. 17) und dass Durchschnittszahlen für das, was sich von anderen Richtern sachgerecht erledigen lässt, entgegen dem Eindruck, den der angefochtene Bescheid erweckt, nur ein Anhaltspunkt sein können. Zur Feststellung, was sich von anderen Richtern vergleichbarer Position sachgerecht erledigen lässt, kann der Dienstgerichtshof darüber hinaus ggf. auch auf eigene Erfahrung zurückgreifen (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - RiZ (R) 1/09, juris Rn. 38).

Mayen     

      

Drescher     

      

Menges

      

Koch     

      

Gericke     

      

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2017 - RiZ (R) 2/15

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2017 - RiZ (R) 2/15

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 88


Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Deutsches Richtergesetz - DRiG | § 26 Dienstaufsicht


(1) Der Richter untersteht einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird. (2) Die Dienstaufsicht umfaßt vorbehaltlich des Absatzes 1 auch die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts v
Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2017 - RiZ (R) 2/15 zitiert 3 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 88


Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Deutsches Richtergesetz - DRiG | § 26 Dienstaufsicht


(1) Der Richter untersteht einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird. (2) Die Dienstaufsicht umfaßt vorbehaltlich des Absatzes 1 auch die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts v

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Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2017 - RiZ (R) 2/15 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2017 - RiZ (R) 2/15 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Okt. 2005 - RiZ (R) 5/04

bei uns veröffentlicht am 05.10.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL RiZ(R) 5/04 vom 5. Oktober 2005 in dem Prüfungsverfahren des Richters Antragsteller, Berufungskläger und Revisionskläger, gegen Antragsgegner, Berufungsbeklagter und Revisionsbeklagter, wegen Anfech

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Nov. 2006 - RiZ (R) 2/05

bei uns veröffentlicht am 08.11.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL RiZ(R) 2/05 vom 8. November 2006 in dem Prüfungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja _____________________ DRiG § 26 Abs. 3, § 71 Abs. 3 BRRG § 126 Abs. 1 Die Frage, ob Vorhalt un

Bundesgerichtshof Urteil, 04. März 2015 - RiZ (R) 4/14

bei uns veröffentlicht am 04.03.2015

Tenor Die Revision gegen das Urteil des Dienstgerichtshofs für Richter bei dem Oberlandesgericht Stuttgart vom 21. März 2014 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2017 - RiZ (R) 2/15.

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 11. Nov. 2021 - 2 BvR 1473/20

bei uns veröffentlicht am 03.12.2021

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT  - 2 BvR 1473/20 - In dem Verfahrenüberdie Verfassungsbeschwerde   des Herrn (…), - Bevollmächtigte:Rechtsanwältin (…)- gegen a) das Urteil des Bundesgerich

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2017 - RiZ (R) 1/15

bei uns veröffentlicht am 07.09.2017

Tenor Die Revision des Antragstellers gegen das Urteil des Dienstgerichtshofs für Richter bei dem Oberlandesgericht Stuttgart vom 17. April 2015 wird zurückgewiesen.

Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 23. Jan. 2017 - 2 Ws 336/16

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Tenor 1. Der Antrag des Anzeigeerstatters A vom 7. November 2016 auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 7. Oktober 2016 - 10 Zs 1911/16 - wird als unzulässig verworfen. 2. Eine Kostenent

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(1) Der Richter untersteht einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird.

(2) Die Dienstaufsicht umfaßt vorbehaltlich des Absatzes 1 auch die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen.

(3) Behauptet der Richter, daß eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtige, so entscheidet auf Antrag des Richters ein Gericht nach Maßgabe dieses Gesetzes.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Der Richter untersteht einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird.

(2) Die Dienstaufsicht umfaßt vorbehaltlich des Absatzes 1 auch die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen.

(3) Behauptet der Richter, daß eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtige, so entscheidet auf Antrag des Richters ein Gericht nach Maßgabe dieses Gesetzes.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Dienstgerichtshofs für Richter bei dem Oberlandesgericht Stuttgart vom 21. März 2014 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Antragsteller ist Richter am Amtsgericht M.      im Dienste des Antragsgegners, des Landes Baden-Württemberg. Er wendet sich gegen eine Anordnung des Präsidenten des Landgerichts M.      an die Direktorinnen und Direktoren der Amtsgerichte des Landgerichtsbezirks, durch die er seine richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt sieht.

2

Der Präsident des Landgerichts M.     ordnete in einem Schreiben vom 1. Februar 2010 an die Direktorinnen und Direktoren der Amtsgerichte im Bezirk des Landgerichts an:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte in Zukunft durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Sie grundsätzlich alle nach Rechtsmitteleinlegung vom Landgericht und vom Oberlandesgericht (in Familiensachen) zu Ihrem Amtsgericht zurückkommenden Verfahrensakten zur Kenntnis nehmen können. Dies betrifft auch Rechtsmittel, die auf Hinweis gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgenommen worden sind.

Die Anordnung soll dazu dienen, die Basis für die künftigen Beurteilungen/Vorbeurteilungen (gemäß Ziffer 1 der Beurteilungsrichtlinie des Justizministeriums vom 15.10.2008) zu erweitern.

3

Die Direktorin des Amtsgerichts M.         leitete dieses Schreiben an die Richter und die übrigen Beschäftigten des Amtsgerichts mit folgendem Hinweis weiter:

[…] in der Anlage übersende ich Ihnen die Anordnung des Präsidenten des Landgerichts M.       vom 01.02.2010 und bitte künftig Sorge zu tragen, dass mir vom Rechtsmittelgericht zurückkommende Akten (Landgericht, Oberlandesgericht) vorgelegt werden.

4

Der Antragsteller wandte sich als Richterrat des Amtsgerichts mit Schreiben vom 3. Februar 2010 an den Präsidenten des Landgerichts und bat um Klarstellung, ob dessen zur Kenntnis weitergegebenes Schreiben als Anweisung an die Richter des Amtsgerichts verstanden werden solle, die jeweiligen Akten der Direktorin vorzulegen. Der Präsident des Landgerichts stellte mit Schreiben vom 5. Februar 2010 klar, dass es sich bei seinem Schreiben vom 1. Februar 2010 um keine Anweisung an die Richter des Amtsgerichts handele, sondern um eine Anweisung an die Direktorinnen und Direktoren der jeweiligen Amtsgerichte. Die Direktorin des Amtsgerichts M.       führte in einem an die Richter des Amtsgerichts gerichteten Schreiben vom 4. Februar 2010 aus:

[...] um weitere Missverständnisse zu vermeiden, teile ich Ihnen mit, dass die von mir [...] getroffene Anordnung sich an die Geschäftsstellenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter richtet.

5

Der vom Antragsteller gegen die Anordnung des Präsidenten des Landgerichts vom 1. Februar 2010 eingelegte Widerspruch vom 27. Januar 2011 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2011 zurückgewiesen.

6

Der Antragsteller hat beim Dienstgericht einen Antrag nach § 26 Abs. 3 DRiG gestellt und geltend gemacht, die Anordnung des Präsidenten des Landgerichts M.       vom 1. Februar 2010 beeinträchtige seine richterliche Unabhängigkeit. Zur Begründung hat er ausgeführt, die gegenüber der Direktorin des Amtsgerichts erteilte Anordnung, sämtliche Akten aus Rechtsmittelverfahren für Zwecke der dienstlichen Beurteilung zur Kenntnis zu nehmen, übe Druck auf ihn aus, künftig stärker in Einklang mit der Rechtsprechung der Rechtsmittelgerichte zu entscheiden. Außerdem werde mit dieser Anordnung die Dienstaufsicht in unzulässiger Weise auf die Direktorin des Amtsgerichts übertragen.

7

Der Antragsteller hat beantragt,

festzustellen, dass die Anordnung des Präsidenten des Landgerichts M.     vom 1. Februar 2010 an die Direktorinnen und Direktoren der Amtsgerichte des Landgerichtsbezirks, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass grundsätzlich alle nach Rechtsmittelerledigung vom Landgericht und Oberlandesgericht zum Amtsgericht zurückkommenden Verfahrensakten von den Direktorinnen und Direktoren zur Kenntnis genommen werden können, unzulässig ist.

8

Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, es liege schon keine Maßnahme der Dienstaufsicht vor. Der Dienstvorgesetzte sei befugt, zur Vorbereitung dienstlicher Beurteilungen in Verfahrensakten Einsicht zu nehmen und von Rechtsmittelentscheidungen Kenntnis zu nehmen. Der Präsident des Landgerichts habe diese Aufgabe den Direktorinnen und Direktoren der Amtsgerichte übertragen dürfen.

9

Das Dienstgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die Berufung des Antragstellers ist ohne Erfolg geblieben. Der Dienstgerichtshof hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Bei der Anordnung des Präsidenten des Landgerichts handele es sich um eine Maßnahme der Dienstaufsicht. Sie beeinträchtige die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers nicht. Der Dienstvorgesetzte dürfe zur Vorbereitung der Beurteilung eines Richters zwar keine Maßnahme ergreifen, die den Eindruck erwecken könnte, er werde sich bei der Beurteilung (auch) davon leiten lassen, ob und inwieweit der zu beurteilende Richter mit der Rechtsauffassung des Rechtsmittelgerichts übereinstimme. Die angeordnete Vorlage der Rechtsmittelrückläufer sei jedoch nicht geeignet, einen solchen Eindruck hervorzurufen. Mit der Anordnung seien auch nicht Aufgaben des Dienstvorgesetzten in unzulässiger Weise übertragen worden. Der Landgerichtspräsident habe damit schon keine Befugnisse der Dienstaufsicht übertragen, da er weiterhin für die Beurteilung der Richterinnen und Richter im Landgerichtsbezirk zuständig geblieben sei. Bei seiner Beurteilung dürfe er sich auf Beurteilungsbeiträge der Direktorinnen und Direktoren der Amtsgerichte stützen. Er dürfe diesen daher auch nähere Vorgaben hinsichtlich der Beurteilungsgrundlagen machen.

10

Der Antragsteller verfolgt mit der Revision seinen Antrag weiter. Der Antragsgegner beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

I. Die Revision des Antragstellers hat keinen Erfolg. Der Dienstgerichtshof hat mit Recht angenommen, dass die Anordnung des Präsidenten des Landgerichts M.       vom 1. Februar 2010 an die Direktorinnen und Direktoren der Amtsgerichte des Landgerichtsbezirks die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers nicht beeinträchtigt.

12

1. Der Dienstgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass der vom Antragsteller gestellte Antrag zulässig ist.

13

a) Behauptet ein Richter, dass eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtige, so entscheidet gemäß § 26 Abs. 3 DRiG auf Antrag des Richters ein Gericht nach Maßgabe dieses Gesetzes. Ein solcher Prüfungsantrag ist nur zulässig, wenn eine Maßnahme der Dienstaufsicht im Sinne des § 26 Abs. 3 DRiG vorliegt und nachvollziehbar dargelegt ist, dass diese Maßnahme die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt. Dazu genügt die schlichte - nachvollziehbare - Behauptung einer Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit. Die Frage, ob die beanstandete Maßnahme die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt, ist eine Frage der Begründetheit des Prüfungsantrags (BGH, Urteil vom 14. Februar 2013 - RiZ 3/12, NJW-RR 2013, 1215 Rn. 16 mwN).

14

Der Begriff „Maßnahme der Dienstaufsicht“ ist entsprechend dem auf einen umfassenden Rechtsschutz der richterlichen Unabhängigkeit gerichteten Zweck des § 26 Abs. 3 DRiG weit auszulegen. Es genügt bereits eine Einflussnahme, die sich lediglich mittelbar auf die rechtsprechende Tätigkeit des Richters auswirkt oder darauf abzielt. Erforderlich ist jedoch, dass sich das Verhalten einer dienstaufsichtführenden Stelle bei objektiver Betrachtung gegen einen bestimmten Richter oder eine bestimmte Gruppe von Richtern wendet, es also zu einem konkreten Konfliktfall zwischen der Justizverwaltung und dem Richter oder bestimmten Richtern gekommen ist oder ein konkreter Bezug zur Tätigkeit eines Richters besteht. Eine Maßnahme der Dienstaufsicht muss sich in irgendeiner Weise kritisch mit dem dienstlichen Verhalten eines oder mehrerer Richter befassen oder geeignet sein, sich auf das künftige Verhalten dieser Richter in bestimmter Richtung auszuwirken (BGH, Urteil vom 14. Februar 2013 - RiZ 3/12, NJW-RR 2013, 1215 Rn. 17 mwN).

15

b) Der Antragsteller hat nachvollziehbar dargelegt, dass die beanstandete Anordnung des Präsidenten des Landgerichts M.       an die Direktorinnen und Direktoren der Amtsgerichte des Landgerichtsbezirks bei objektiver Betrachtung einen konkreten Bezug zu seiner rechtsprechenden Tätigkeit hat und geeignet ist, sich mittelbar auf diese Tätigkeit auszuwirken und damit seine richterliche Unabhängigkeit zu beeinträchtigen.

16

Die Anordnung des Präsidenten des Landgerichts richtet sich zwar nicht unmittelbar an den Antragsteller, sondern an die Direktorinnen und Direktoren der Amtsgerichte im Landgerichtsbezirk. Sie betrifft den Antragsteller aber mittelbar. Die auch gegenüber der Direktorin des Amtsgerichts M.      getroffene Anordnung, in Zukunft durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass sie alle nach Rechtsmitteleinlegung vom Landgericht und vom Oberlandesgericht (in Familiensachen) zum Amtsgericht zurückkommenden Verfahrensakten zur Kenntnis nehmen kann, betrifft auch die Akten der dem Antragsteller als Richter zugewiesenen Verfahren. Sie hat damit einen konkreten Bezug zu seiner rechtsprechenden Tätigkeit.

17

Die Anordnung ist nach der nachvollziehbaren Behauptung des Antragstellers geeignet, seine richterliche Unabhängigkeit zu beeinträchtigen. Die angeordnete Sichtung aller nach Rechtsmitteleinlegung zum Amtsgericht zurückkommender Verfahrensakten durch die Direktorin des Amtsgerichts soll die Grundlage für die dienstliche Beurteilung der Richter des Amtsgerichts erweitern. Die dienstliche Beurteilung eines Richters bewertet seine bisherige Amtsführung und kann sich damit auf sein künftiges dienstliches Verhalten auswirken. Sie stellt deshalb eine Maßnahme der Dienstaufsicht dar (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2005 - RiZ(R) 2/04, BGHZ 162, 333, 337 f., mwN). Desgleichen kann sich eine Maßnahme, die - wie hier die angeordnete Sichtung von Verfahrensakten - die Grundlage für die dienstliche Beurteilung eines Richters erweitern soll und einen konkreten Bezug zur rechtsprechenden Tätigkeit des Richters hat, auf dessen dienstliches Verhalten auswirken. Auch sie ist daher als Maßnahme der Dienstaufsicht zu werten (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2013 - RiZ 3/12, NJW-RR 2013, 1215 Rn. 24). Der Antragsteller hat ferner nachvollziehbar behauptet, die beanstandete Maßnahme beeinträchtige seine richterliche Unabhängigkeit, weil mit der lückenlosen Beobachtung der Rechtsmittelrückläufer eine allgemeine Kontrolle stattfinde, die psychisch vermittelten Einfluss auf den Inhalt seiner Entscheidungen nehmen solle.

18

2. Der Dienstgerichtshof hat mit Recht angenommen, dass der Antrag unbegründet ist.

19

a) Die angefochtene Anordnung ist ausschließlich daraufhin zu überprüfen, ob sie den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt. Ob sie im Übrigen rechtmäßig ist, ist im Prüfungsverfahren nach § 26 Abs. 3 DRiG nicht zu entscheiden.

20

aa) Nach § 26 Abs. 1 DRiG untersteht der Richter einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird. Nach § 26 Abs. 2 DRiG umfasst die Dienstaufsicht vorbehaltlich des Absatzes 1 auch die Befugnis, dem Richter die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäftes vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen.

21

bb) Zum Schutzbereich der sachlichen richterlichen Unabhängigkeit gehören in erster Linie die eigentliche Rechtsfindung und die ihr mittelbar dienenden Sach- und Verfahrensentscheidungen einschließlich nicht ausdrücklich vorgeschriebener, dem Interesse der Rechtssuchenden dienender richterlicher Handlungen, die in einem konkreten Verfahren mit der Aufgabe des Richters, Recht zu finden und den Rechtsfrieden zu sichern, in Zusammenhang stehen (sog. Kernbereich). Sie sind dienstaufsichtlichen Maßnahmen grundsätzlich entzogen, es sei denn, es liegt ein offensichtlicher, jedem Zweifel entrückter Fehlgriff vor. Dagegen unterliegt die richterliche Amtsführung insoweit der Dienstaufsicht, als es um die Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs, die äußere Form der Erledigung eines Dienstgeschäftes oder um solche Fragen geht, die dem Kernbereich der Rechtsprechungstätigkeit so weit entrückt sind, dass sie nur noch als zur äußeren Ordnung gehörig angesehen werden können (BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - RiZ(R) 4/13, juris Rn. 16 f., mwN).

22

cc) Eine dienstliche Beurteilung beeinträchtigt die richterliche Unabhängigkeit nicht schon dann, wenn sie die richterliche Amtsführung und spezifisch richterliche Fähigkeiten bewertet. Das entspricht vielmehr dem Zweck einer solchen Beurteilung. Sie verletzt die richterliche Unabhängigkeit vielmehr nur dann, wenn sie auf eine direkte oder indirekte Weisung hinausläuft, wie der Richter künftig verfahren oder entscheiden soll. In dieser Richtung muss die dienstliche Beurteilung eines Richters sich allerdings auch jeder psychischen Einflussnahme enthalten. Sie ist unzulässig, wenn die in ihr enthaltene Kritik den Richter veranlassen könnte, in Zukunft eine andere Verfahrens- oder Sachentscheidung als ohne diese Kritik zu treffen (BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - RiZ(R) 4/13, juris Rn. 15 mwN). Dementsprechend sieht § 5 Abs. 1 und 3 des baden-württembergischen Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetzes (LRiStaG) die dienstliche Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung von Richtern auf Lebenszeit vor, mit dem Hinweis, dass bei der Beurteilung richterlicher Amtsgeschäfte die sich aus § 26 Abs. 1 und 2 DRiG ergebenden Beschränkungen zu beachten sind und eine Stellungnahme zum Inhalt richterlicher Entscheidungen unzulässig ist.

23

dd) Eine Maßnahme, die - wie hier die angeordnete Sichtung von Verfahrensakten - erst die Grundlage für die dienstliche Beurteilung von Richtern schaffen oder erweitern soll und einen konkreten Bezug zur rechtsprechenden Tätigkeit des Richters hat, verletzt die richterliche Unabhängigkeit grundsätzlich nur dann, wenn sie bei objektiver Betrachtung den Eindruck erweckt, eine auf der Grundlage dieser Maßnahme erstellte dienstliche Beurteilung laufe zwangsläufig zumindest auch auf eine - die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigende - direkte oder indirekte Weisung oder psychische Einflussnahme hinaus, wie der Richter künftig verfahren oder entscheiden soll. Erweckt eine solche Maßnahme diesen Eindruck, könnte sie den Richter veranlassen, in Zukunft eine andere Verfahrens- oder Sachentscheidung als ohne diese Maßnahme zu treffen.

24

Erscheint es bei objektiver Betrachtung dagegen möglich, dass eine auf der Grundlage einer solchen Maßnahme erstellte dienstliche Beurteilung die richterliche Unabhängigkeit wahrt und beispielsweise allein die richterliche Amtsführung und spezifisch richterliche Fähigkeiten bewertet, ist auch die betreffende Maßnahme grundsätzlich nicht als unzulässig anzusehen. Allein die Möglichkeit, dass eine auf der Grundlage einer solchen Maßnahme erstellte dienstliche Beurteilung auf eine direkte oder indirekte Weisung oder psychische Einflussnahme hinauslaufen könnte, wie der Richter künftig verfahren oder entscheiden soll, rechtfertigt es regelmäßig nicht, bereits in dieser vorbereitenden Maßnahme eine unzulässige Einflussnahme auf die rechtsprechende Tätigkeit des Richters zu sehen.

25

b) Das Dienstgericht des Bundes ist gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG in Verbindung mit § 137 Abs. 2 VwGO als Revisionsgericht im Prüfungsverfahren grundsätzlich an die im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, sofern in Bezug auf diese Feststellungen keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht sind. Die tatrichterliche Würdigung einer Äußerung oder Erklärung ist daher nur darauf zu überprüfen, ob sie gegen anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, ob wesentlicher Tatsachenstoff, der für die Auslegung von Bedeutung sein kann, außer Betracht gelassen wurde, oder ob sie sonst auf Rechtsfehlern beruht (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - RiZ(R) 4/13, juris Rn. 18 mwN).

26

c) Nach diesen Maßstäben ist die Würdigung der beanstandeten Anordnung durch den Dienstgerichtshof revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

27

aa) Die Anordnung des Präsidenten des Landgerichts an die Direktorinnen und Direktoren der Amtsgerichte des Landgerichtsbezirks, in Zukunft durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass sie grundsätzlich alle nach Rechtsmitteleinlegung vom Landgericht und vom Oberlandesgericht zum Amtsgericht zurückkommenden Verfahrensakten zur Kenntnis nehmen können, soll dazu dienen, die Basis für die künftigen Beurteilungen und Vorbeurteilungen der an den Amtsgerichten tätigen Richter zu erweitern.

28

bb) Bei objektiver Betrachtung erweckt diese Anordnung nach den vom Dienstgerichtshof getroffenen Feststellungen nicht den Eindruck, eine auf der Grundlage der angeordneten Sichtung aller nach Rechtsmitteleinlegung zum Amtsgericht zurückkommenden Verfahrensakten erstellte dienstliche Beurteilung laufe zwangsläufig auf eine - die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigende - direkte oder indirekte Weisung oder psychische Einflussnahme hinaus, wie der Antragsteller künftig verfahren oder entscheiden soll. Vielmehr erscheint es nach den Feststellungen des Dienstgerichtshofs bei objektiver Betrachtung möglich, dass eine auf der Grundlage dieser Maßnahme erstellte dienstliche Beurteilung die richterliche Unabhängigkeit wahrt und allein die richterliche Amtsführung und spezifisch richterliche Fähigkeiten bewertet. Unter diesen Umständen verletzt die angeordnete Maßnahme die richterliche Unabhängigkeit nicht.

29

(1) Ein Vorhalt in einer dienstlichen Beurteilung, der dahin verstanden werden kann, der Richter müsse der obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Rechtsprechung folgen, beeinträchtigt allerdings die richterliche Unabhängigkeit. Der Richter ist grundsätzlich nicht verpflichtet, der obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Rechtsprechung zu folgen. Ausnahmen gelten lediglich für Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Art. 94 Abs. 2 GG, § 31 BVerfGG) und in besonderen Einzelfällen, etwa bei einer Zurückverweisung eines Rechtsstreits durch das Revisionsgericht (§ 563 Abs. 2 ZPO). Daher ist es unzulässig, dem Richter in einer dienstlichen Beurteilung vorzuhalten, dass er immer wieder von der obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht und seine Entscheidungen mehrfach in der Rechtsmittelinstanz korrigiert worden sind. Dagegen kann in einer dienstlichen Beurteilung beispielsweise der Vorhalt zulässig sein, der Richter nehme die obergerichtliche oder höchstrichterliche Rechtsprechung von vornherein nicht zur Kenntnis. Ein solcher Vorhalt soll den Richter nicht zu einer bestimmten Entscheidung veranlassen, sondern betrifft lediglich methodische Standards der Rechtsanwendungstechnik (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juni 2009 - RiZ(R) 5/08, BGHZ 181, 268 Rn. 25 mwN; Urteil vom 13. Februar 2014 - RiZ(R) 4/13, juris Rn. 24).

30

(2) Der Dienstgerichtshof hat angenommen, die vom Präsidenten des Landgerichts getroffene Anordnung zur Vorlage der Rechtsmittelrückläufer erwecke nicht den Eindruck, bei einer Beurteilung werde es - zumindest auch - darauf ankommen, ob und inwieweit der zu beurteilende Richter mit der Rechtsauffassung des Rechtsmittelgerichts übereinstimme. Aus den Rechtsmittelrückläufern könnten auch Rückschlüsse auf die fachliche Qualität der Arbeit des Richters und die Art und Weise der Bearbeitung der Rechtsfälle wie beispielsweise die Einhaltung gesetzlicher Fristen, die Ausführlichkeit der Begründung einer Entscheidung oder die äußere Form der Aktenführung gezogen werden. Zudem folge aus dem in der Anordnung gegebenen Hinweis, mit der Sichtung der Rechtsmittelrückläufer solle die Basis künftiger Beurteilungen erweitert werden, dass die Beurteilungen auch künftig nicht auf die aus der Sichtung der Rechtsmittelrückläufer gewonnenen Erkenntnisse beschränkt werden sollten. Aus diesem Hinweis ergebe sich, dass in die Beurteilung insbesondere auch die Erkenntnisse aus den in erster Instanz abgeschlossenen Verfahren einzubeziehen seien. Die Anordnung einer Sichtung der Rechtsmittelrückläufer demonstriere entgegen der Ansicht des Antragstellers kein überproportionales Interesse des Antragsgegners an Entscheidungen, die einer inhaltlichen Überprüfung durch die zweite Instanz unterzogen worden seien. Sie lasse daher nicht darauf schließen, dass es der Dienstaufsicht dabei um eine Übereinstimmung der Entscheidungen des beobachteten Richters mit der obergerichtlichen Rechtsprechung und damit um die Inhalte der rechtsprechenden Tätigkeit gehen könnte.

31

(3) Die Revision rügt, der Dienstgerichtshof habe bei seiner Beurteilung das Vorbringen des Antragstellers übergangen, wonach sich der Anschein einer unzulässigen Einflussnahme auf seine richterliche Tätigkeit aus der Tatsache ergebe, dass die Rechtsmittelrückläufer lückenlos beobachtet würden und ihnen dadurch im Verhältnis zu den in erster Instanz abgeschlossenen Verfahren eine weit überproportionale Bedeutung zukomme. Der Antragsteller habe vorgetragen, dass die Rechtsmittelrückläufer zu 100% beobachtet und in die dienstliche Beurteilung eingestellt würden, während von den sonstigen Verfahren nur maximal 1% beobachtet und bei der dienstlichen Beurteilung berücksichtigt würden. Da sich die Rechtsmittelrückläufer von den in erster Instanz abgeschlossenen Verfahren unter dem Gesichtspunkt der dienstlichen Beurteilung allein dadurch unterschieden, dass ein Obergericht eine Aussage zum Inhalt der Entscheidung gemacht habe, liege die Vermutung nahe, dass es bei der Sichtung der Rechtsmittelrückläufer um den Inhalt der Entscheidung gehe.

32

(4) Mit dieser Rüge kann die Revision keinen Erfolg haben. Das von der Revision als übergangen gerügte Vorbringen des Antragstellers ist nicht entscheidungserheblich. Es kommt nicht darauf an, ob und inwieweit die Vermutung naheliegt, dass es bei der angeordneten Sichtung der Rechtsmittelrückläufer darum geht, Erkenntnisse über den Inhalt der Entscheidungen zu gewinnen. Selbst wenn es bei der angeordneten Sichtung der Rechtsmittelläufer auch darum gehen sollte, Erkenntnisse über den Inhalt der Entscheidungen zu erlangen, rechtfertigte dies bei objektiver Betrachtung nicht die Annahme, es gehe dem Antragsgegner dabei um Erkenntnisse, deren Vorhalt im Rahmen einer dienstlichen Beurteilung auf eine - die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigende - direkte oder indirekte Weisung oder psychische Einflussnahme hinausliefe, wie der Antragsteller künftig verfahren oder entscheiden soll. Insbesondere gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass mit der Sichtung der Rechtsmittelrückläufer festgestellt werden soll, ob und inwieweit der Antragsteller von der obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht und seine Entscheidungen in der Rechtsmittelinstanz korrigiert worden sind. Aus dem Inhalt von Entscheidungen können wesentliche Erkenntnisse über richterliche Fähigkeiten - wie etwa die Beherrschung methodischer Standards der Rechtsanwendung - gewonnen werden, die im Rahmen einer dienstlichen Beurteilung verwertet werden können, ohne die richterliche Unabhängigkeit zu verletzen. Allein die Möglichkeit, dass bei einer Sichtung von Rechtsmittelrückläufern auch Umstände bekannt werden können, die im Rahmen einer dienstlichen Beurteilung nicht verwertet werden könnten, ohne die richterliche Unabhängigkeit zu beeinträchtigen, rechtfertigt es nicht, in dieser Maßnahme eine unzulässige Einflussnahme auf die rechtsprechende Tätigkeit des Richters zu sehen.

33

Zudem lassen sich bei einem Richter, der wie der Antragsteller als Richter beim Amtsgericht in Zivilsachen tätig ist, aus Rechtsmittelrückläufern eher als aus erstinstanzlich abgeschlossenen Verfahren im Rahmen einer dienstlichen Beurteilung verwertbare Erkenntnisse aus dem Inhalt von Entscheidungen gewinnen. Der Antragsteller hat vorgetragen, er habe im Jahr 576 Neueingänge gehabt und etwa gleich viele Verfahren erledigt. Von den erledigten Verfahren seien etwa 90% durch Vergleich abgeschlossen worden. Gegen fünf seiner Urteile sei Berufung und etwa gegen 10 bis 15 Beschlüsse (in der Regel Streitwertbeschlüsse und PKH-Beschlüsse) Beschwerde eingelegt worden. Die Zahlen seien in den Jahren 2012 und 2013 etwa gleich gewesen. Aus den in erster Instanz durch Vergleich abgeschlossenen Verfahren, die bei einem Richter am Amtsgericht in Zivilsachen einen Großteil der Verfahren darstellen und beim Antragsteller die überragende Mehrzahl der Verfahren ausmachen, lassen sich zwangsläufig keine - im Rahmen einer dienstlichen Beurteilung verwertbare - Erkenntnisse über die Qualität der Urteile des Richters gewinnen, die sich beispielsweise in der Wahrung von methodischen Standards der Rechtsanwendung oder der Gründlichkeit und Verständlichkeit der Entscheidungen zeigt.

34

Aus dem Umstand, dass zur Erweiterung der Grundlagen dienstlicher Beurteilungen sämtliche Rechtsmittelrückläufer zur Kenntnis genommen werden sollen, lässt sich gleichfalls kein Anhaltspunkt dafür herleiten, in einer darauf gestützten Beurteilung solle in unzulässiger Weise auf die rechtsprechende Tätigkeit des Antragstellers Einfluss genommen werden. Die nach Rechtsmitteleinlegung vom Rechtsmittelgericht zum Amtsgericht zurückkommenden Akten betreffen eine sowohl für sich genommen als auch im Verhältnis zu den insgesamt erledigten Verfahren geringe Zahl von Verfahren (im Falle des Antragstellers etwa 15 bis 20 von 576 Verfahren). Der Umstand, dass sämtliche Akten dieser Verfahren zur Kenntnis genommen werden sollen, lässt daher nicht darauf schließen, es gehe dabei nicht um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Qualität der Entscheidungen, sondern um die Feststellung, ob und inwieweit die betroffenen Richter bei ihren Entscheidungen der Rechtsauffassung des Rechtsmittelgerichts gefolgt sind. Soweit der Antragsteller geltend macht, es sei beurteilungsrechtlich unzulässig, den Rechtsmittelrückläufern im Verhältnis zu den in erster Instanz abgeschlossenen Verfahren eine weit überproportionale Bedeutung beizumessen, kann er damit schon deshalb keinen Erfolg haben, weil im Prüfungsverfahren nach § 26 Abs. 3 DRiG lediglich zu entscheiden ist, ob die angefochtene Anordnung die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt. Es kommt dagegen nicht darauf an, ob sie im Übrigen rechtmäßig ist.

35

Die Sichtung von Rechtsmittelrückläufern des Antragstellers stellt entgegen der Ansicht der Revision auch nicht deshalb eine unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit unzulässige Beeinträchtigung seiner richterlichen Unabhängigkeit dar, weil er das 50. Lebensjahr vollendet hat und daher gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 LRiStaG von der Regelbeurteilung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LRiStaG ausgenommen ist. Mit der angeordneten Sichtung der Rechtsmittelrückläufer soll die Grundlage für künftige Beurteilungen und Vorbeurteilungen der an den Amtsgerichten tätigen Richter erweitert werden. Die Sichtung der Rechtsmittelrückläufer auch von Richtern, die nicht mehr beurteilt werden, stellt grundsätzlich eine verhältnismäßige Maßnahme dar, um insoweit den für künftige Beurteilungen und Vorbeurteilungen anderer Richter erforderlichen Vergleichsmaßstab zu gewinnen. Davon abgesehen kann gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 und 3 LRiStaG auch eine - vom Alter unabhängige - Beurteilung des Antragstellers aus konkretem Anlass erforderlich werden.

36

Nach der rechtsfehlerfreien Würdigung des Dienstgerichtshofs wird auch nicht bereits durch die beanstandete Maßnahme als solche unabhängig von einer späteren Verwendung bei einer Beurteilung auf die rechtsprechende Tätigkeit des Antragstellers unzulässig Einfluss genommen. Der Antragsteller macht ohne Erfolg geltend, die beanstandete Maßnahme beeinträchtige seine richterliche Unabhängigkeit, weil mit der lückenlosen Beobachtung der Rechtsmittelrückläufer eine allgemeine Kontrolle stattfinde, die psychisch vermittelten Einfluss auf den Inhalt seiner Entscheidungen nehmen solle. Die dienstaufsichtführende Stelle kann ihre Aufgaben, eine geordnete Rechtspflege zu gewährleisten und die Einhaltung der Dienstpflichten zu kontrollieren, nur erfüllen, wenn sie befugt ist, sich durch ständige Beobachtung des Dienstbetriebs und der Arbeit der Richter zu informieren (BGH, Urteil vom 6. Oktober 2011 - RiZ(R) 7/10, MMR 2012, 128 Rn. 27 mwN). Eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit kommt zwar in Betracht, wenn mit der Beobachtung Maßnahmen verbunden werden, die dazu bestimmt oder geeignet sind, die richterliche Rechtsfindung durch psychischen Druck oder auf andere Weise unmittelbar oder mittelbar zu beeinflussen (BGH, Urteil vom 6. Oktober 2011 - RiZ(R) 7/10, MMR 2012, 128 Rn. 28 mwN). Die hier in Rede stehende Sichtung der Rechtsmittelrückläufer ist jedoch weder dazu bestimmt noch bei vernünftiger Betrachtung geeignet, die betroffenen Richter zu einer bestimmten Entscheidung zu veranlassen. Insbesondere erweckt sie nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Dienstgerichtshofs bei einer von subjektiven Befürchtungen freien Betrachtung nicht den Eindruck, der Dienstvorgesetzte erwarte von den betroffenen Richtern, dass sie bei ihren Entscheidungen der Rechtsauffassung des Rechtsmittelgerichts folgen.

37

cc) Die Revision rügt ohne Erfolg, die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers sei verletzt, weil der Präsident des Landgerichts den Direktorinnen und Direktoren der Amtsgerichte mit der beanstandeten Anordnung in unzulässiger Weise die Wahrnehmung von Aufgaben der Dienstaufsicht übertragen habe.

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(1) Wird eine Maßnahme der Dienstaufsicht gegenüber einem Richter durch eine unzuständige Person vorgenommen, ist die richterliche Unabhängigkeit bereits aus diesem Grund verletzt. Eine Maßnahme der Dienstaufsicht kann nur von demjenigen vorgenommen werden, dem die entsprechende Befugnis zur Dienstaufsicht zusteht. Andere Amtsträger als der Dienstvorgesetzte können mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben der Dienstaufsicht im Einzelfall nur in der Weise beauftragt werden, dass sie mit inhaltlich ganz bestimmten Weisungen für die zu treffende Maßnahme zu versehen sind, die eine eigene Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ ausschließen und den Beauftragten jedenfalls nur als ausführendes und nicht als entscheidendes Organ in Erscheinung treten lassen (BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - RiZ(R) 4/09, juris Rn. 32 mwN).

39

(2) Nach diesen Maßstäben ist es nicht zu beanstanden, dass der Präsident des Landgerichts den Direktorinnen und Direktoren der Amtsgerichte mit der beanstandeten Anordnung die Aufgabe der Sichtung von Rechtsmittelrückläufern zur Wahrnehmung übertragen hat.

40

Die angeordnete Sichtung von Rechtsmittelrückläufern stellt entgegen der Ansicht des Dienstgerichtshofs allerdings eine Maßnahme der Dienstaufsicht dar, weil damit die Grundlage für künftige Beurteilungen und Vorbeurteilungen der Richter erweitert werden soll (vgl. oben Rn. 13 bis 17). Der Präsident des Landgerichts hat diese Maßnahme der Dienstaufsicht jedoch in zulässiger Weise auf die Direktorinnen und Direktoren der Amtsgerichte zur Wahrnehmung übertragen.

41

Bei der dienstlichen Beurteilung eines Richters handelt es sich um eine Maßnahme der Dienstaufsicht, die allein von demjenigen vorgenommen werden kann, dem die entsprechende Befugnis zur Dienstaufsicht zusteht. Daher ist allein der Präsident des Landgerichts, soweit er Dienstvorgesetzter der Richter beim Amtsgericht ist (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 1 GVG in Verbindung mit § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 des baden-württembergischen Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen der ordentlichen Gerichtsbarkeit), zur dienstlichen Beurteilung der Richter beim Amtsgericht befugt. Bei seiner Beurteilung kann er sich allerdings, um sich ein Bild von den Leistungen und der Persönlichkeit der Richter zu machen, auch auf Stellungnahmen der Direktorinnen und Direktoren der Amtsgerichte stützen, bei denen die zu beurteilenden Richter im maßgebenden Beurteilungszeitraum tätig gewesen sind (vgl. BGH, Urteil vom 25. August 1992 - RiZ(R) 2/92, juris Rn. 19 mwN). Er ist folglich auch befugt, den Direktorinnen und Direktoren der Amtsgerichte im Wege einer Anordnung vorzugeben, auf welcher Grundlage ihre Stellungnahme beruhen soll.

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Der Präsident des Landgerichts war danach berechtigt, die Direktorinnen und Direktoren der Amtsgerichte zur Erweiterung der Grundlagen dienstlicher Beurteilungen mit der Sichtung von Rechtsmittelrückläufern zu beauftragen. Eine solche Beauftragung anderer Amtsträger mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Dienstaufsicht ist entgegen der Ansicht der Revision nicht nur dann zulässig, wenn der Dienstvorgesetzte diese Aufgabe nicht selbst wahrnehmen kann. Unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit genügt es vielmehr, dass die Direktorinnen und Direktoren der Amtsgerichte bei der Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgabe nur als ausführende und nicht als entscheidende Organe in Erscheinung treten und die Richterinnen und Richter beim Amtsgericht allein vom Präsidenten des Landgerichts beurteilt werden.

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II. Danach war die Revision des Antragstellers gegen das Urteil des Dienstgerichtshofs für Richter zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 VwGO.

Bergmann                    Drescher                        Menges

                    Koch                         Gericke

(1) Der Richter untersteht einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird.

(2) Die Dienstaufsicht umfaßt vorbehaltlich des Absatzes 1 auch die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen.

(3) Behauptet der Richter, daß eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtige, so entscheidet auf Antrag des Richters ein Gericht nach Maßgabe dieses Gesetzes.

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(1) Der in § 26 Abs. 2 DRiG vorgesehene Vorhalt einer verzögerten Erledigung der Amtsgeschäfte stellt grundsätzlich keine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit dar. Etwas anderes gilt - wie das Dienstgericht zutreffend gesehen hat - nur dann, wenn dem Richter indirekt ein Pensum abverlangt wird, das sich allgemein, also auch von anderen Richtern in sachgerechter Weise nicht mehr erledigen lässt (st.Rspr., vgl. etwa BGH, Urteile vom 16. September 1987 - RiZ(R) 5/87, NJW 1988, 421, 422 und vom 5. Oktober 2005 - RiZ(R) 5/04, NJW 2006, 692 f.). Ein dahin wirkender Erledigungsdruck liefe auf die Aufforderung zu einer sachwidrigen Bearbeitung hinaus und wäre mit dem Rechtsprechungsauftrag des Richters nicht zu vereinbaren.
21
aa) Der in § 26 Abs. 2 DRiG vorgesehene Vorhalt einer verzögerten Erledigung der Amtsgeschäfte stellt grundsätzlich keine Beeinträchti- gung der richterlichen Unabhängigkeit dar. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem Richter indirekt ein Pensum abverlangt wird, das sich allgemein , also auch von anderen Richtern, in sachgerechter Weise nicht mehr erledigen lässt (BGH, Urteil vom 16. September 1987 - RiZ(R) 5/87, NJW 1988, 421, 422). Ein dahin wirkender Erledigungsdruck liefe auf die Aufforderung zu einer sachwidrigen Bearbeitung hinaus und wäre mit dem Rechtsprechungsauftrag des Richters nicht zu vereinbaren.
21
(1) Der in § 26 Abs. 2 DRiG vorgesehene Vorhalt einer verzögerten Erledigung der Amtsgeschäfte stellt grundsätzlich keine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit dar. Etwas anderes gilt - wie das Dienstgericht zutreffend gesehen hat - nur dann, wenn dem Richter indirekt ein Pensum abverlangt wird, das sich allgemein, also auch von anderen Richtern in sachgerechter Weise nicht mehr erledigen lässt (st.Rspr., vgl. etwa BGH, Urteile vom 16. September 1987 - RiZ(R) 5/87, NJW 1988, 421, 422 und vom 5. Oktober 2005 - RiZ(R) 5/04, NJW 2006, 692 f.). Ein dahin wirkender Erledigungsdruck liefe auf die Aufforderung zu einer sachwidrigen Bearbeitung hinaus und wäre mit dem Rechtsprechungsauftrag des Richters nicht zu vereinbaren.