Finanzgericht München Urteil, 10. März 2016 - 14 K 2710/13

bei uns veröffentlicht am10.03.2016

Gericht

Finanzgericht München

Gründe

Finanzgericht München

Az.: 14 K 2710/13

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

Stichwort: Anwendung des § 166 AO bei widerspruchsloser Feststellung im Insolvenzverfahren

In der Streitsache

…,

Klägerin

gegen

…,

Beklagter

wegen Haftung

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München durch aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 10. März 2016

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.

Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.

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Gründe

I.

Die ... GmbH (im Folgenden GmbH) wurde im Jahr 2000 gegründet. Die Klägerin war von Anfang an Geschäftsführerin der GmbH. Faktischer Geschäftsführer war ihr Ehemann. Die GmbH gab zunächst für die Jahre 2003 bis 2005 weder Voranmeldungen noch Umsatzsteuer- oder Körperschaftsteuererklärungen ab. Mit Bescheiden vom 14. Oktober 2005 schätzte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die Besteuerungsgrundlagen und setzte Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Hiergegen legte die GmbH Einspruch ein. Am 31. März 2006 stellte das FA und am 12. Oktober 2006 die Klägerin den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für die GmbH. Mit Beschluss vom ... November 2006 eröffnete das Amtsgericht Landshut das Insolvenzverfahren (Az. ...). Das FA meldete Forderungen wegen Umsatzsteuer 2003 bis 2005, Körperschaftsteuer 2003 bis 2005 inklusive Solidaritätszuschlag sowie Säumniszuschläge, Zinsen und Verspätungszuschläge zur Tabelle an. Anfangs bestritt der Insolvenzverwalter die Forderungen; sie wurden aber nachträglich in voller Höhe festgestellt. Die GmbH widersprach den Forderungen nicht. Das Amtsgericht Landshut hob das Insolvenzverfahren nach Vollzug der Schlussverteilung am .... April 2009 auf. Die GmbH wurde wegen Vermögenslosigkeit am ... Juni 2009 von Amts wegen gelöscht. Die Klägerin war während des Insolvenzverfahrens fachkundig vertreten.

Die GmbH erzielte Umsatzerlöse in Höhe von 4.406.401,28 € in 2004 und in Höhe von 946.961,71 € in 2005. Die von ihr bezogenen Leistungen betrugen 3.121.093,55 € in 2004 und 2.353.034,23 € in 2005. Zum 31. Dezember 2005 bestanden noch Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 228.556,17 €.

Nach Anhörung der Klägerin erließ das FA am 2. Dezember 2008 einen an sie gerichteten Haftungsbescheid in Höhe von 746.771,80 €. Sie werde gemäß § 69 der Abgabenordnung (AO) in Haftung genommen. Zahlungen der GmbH seinen aufgrund des Insolvenzverfahrens nicht mehr zu erwarten. Ferner wies es darauf hin, dass gegen den faktischen Geschäftsführer am 1. Dezember 2008 ebenfalls ein Haftungsbescheid erlassen worden sei.

Alle im Haftungsbescheid aufgeführten Steuern und steuerliche Nebenleistungen sind im Insolvenzverfahren ohne Widerspruch der GmbH festgestellt worden.

Auf Einspruch der Klägerin verringerte das FA in seiner Einspruchsentscheidung vom 14. August 2013 den Haftungsbetrag auf 692.523,80 € und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Abweichend von seinem ursprünglichen Bescheid berücksichtigte das FA Zinsen und Säumniszuschläge nicht mehr bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern lediglich bis zur Stellung des Insolvenzantrages am 31. März 2006; das FA nahm die Klägerin letztlich für Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag der Jahre 2003 bis 2005 sowie diese Steuern betreffende steuerliche Nebenleistungen in Anspruch. In seiner Einspruchsentscheidung führte das FA aus, durch Inanspruchnahme werde kein laufendes Unternehmen gefährdet; der Geschäftsbetrieb der GmbH sei eingestellt.

Am 13. September 2013 erhob die Klägerin Klage. Sie trägt Einwendungen gegen die Höhe der Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer der GmbH in den Jahren 2005 vor; dadurch würden sich die Steuern und steuerlichen Nebenleistungen auf 123.968,83 € verringern. Ihr sei es nicht möglich gewesen, im Rahmen des Insolvenzverfahrens gegen ergangene Bescheide Rechtsbehelfe einzulegen, weil keine Bescheide erlassen worden, sondern lediglich Mitteilungen an den Insolvenzverwalter versandt worden seien. Die eingelegten Einsprüche gegen die vor dem Insolvenzverfahren ergangenen Bescheide habe der Insolvenzverwalter nicht zurückgenommen. Der fehlende Widerspruch gegen die angemeldeten Forderungen könne nicht als Einverständnis der Klägerin herangezogen werden, da sie zu diesem Zeitpunkt die Grundlage für die Höhe der Steuerschuld noch nicht gekannt habe; hiervon hätte sie erst im Laufe des Einspruchsverfahrens gegen den Haftungsbescheid erfahren. Der Insolvenzverwalter habe mit Schreiben vom 2. Juli 2008 dem FA mitgeteilt, dass er zwar der Forderungsanmeldung zustimme, aber er habe ergänzt, ein Zugeständnis von Umsätzen sei damit ausdrücklich nicht verbunden. Die Haftungsquote betrage lediglich 4,07%. Der Haftungszeitraum habe am 24. November 2005 begonnen und abweichend von der Annahme des FA schon am 3. März 2006 geendet. Hierzu legte sie ohne weitere Erläuterung den Ausdruck des Kontenblatts „1800“ für das Jahr 2006 vor. Eine entsprechende Berechnung der Haftungsquote reichte die Klägerin ein. Die GmbH sei darüber hinaus bereits im Jahr 2005 insolvenzreif gewesen. Bei fristgerechter Abgabe der Steuererklärungen im Jahr 2005 wäre die GmbH schon früher überschuldet gewesen. Im Jahr 2005 seien bis März bereits Verluste in Höhe von 482.000 € aufgelaufen, so dass man von einer Vermögenslosigkeit zu diesem Zeitpunkt ausgehen müsse. Bereits am 28. Februar 2005 sei das Gewerbe abgemeldet worden. Die Klägerin betreibe nach wie vor einen Getränkehandel sowie einen Internethandel mit Waren aller Art; das Unternehmen beschäftigt derzeit 50 Arbeitskräfte. Der Betrieb sei bei der Höhe der festgesetzten Haftungssumme gefährdet. Zu keiner Zeit seien Nachweise eines vergeblichen Vollstreckungsversuchs in das bewegliche Vermögen der GmbH übersandt worden.

Die Klägerin beantragt,

den Haftungsbescheid vom 2. Dezember 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. August 2013 dahingehend abzuändern, dass die Haftungssumme auf 5.047,70 Euro herabgesetzt wird.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin sei gemäß § 166 AO an die Höhe der im Insolvenzverfahren festgestellten Steuerforderungen gebunden. Sie hätte als Geschäftsführerin der GmbH den zur Tabelle angemeldeten Forderungen des FA widersprechen können. Dies sei indessen nicht geschehen (Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts - FG - Rheinland-Pfalz vom 25. Februar 2014 3 K 1283/12, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2014, 1166). Aufgrund des Abschlusses des Insolvenzverfahrens mit anschließender Löschung im Handelsregister sei hinreichend dargelegt, dass Zahlungen der GmbH nicht mehr zu erwarten seien. Die Tilgungen aufgrund der ausgeschütteten Quote seien bei Ergehen der Einspruchsentscheidung haftungsmindernd berücksichtigt worden.

Mit Schreiben vom 1. Februar 2016 bat das Gericht die Klägerin, eine Ermittlung der Haftungsquote für den Zeitraum vom 10. Januar 2004 bis 31. März 2006 vorzulegen. Die Klägerin antworte mit Schreiben vom 25. Februar 2016, in diesem Zeitraum habe die Summe der Gesamtverbindlichkeiten inklusive Steuern (außer Lohnsteuer) 3.312.796,27 € und die bezahlten Verbindlichkeiten 297.220,99 € betragen; dies ergebe eine Haftungsquote von 8,97%. Ab dem 3. März 2006 seien keine nennenswerten Zahlungen mehr geleistet worden.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des weiteren Sachverhalts wird auf die eingereichten Schriftsätze, die vorgelegten Behördenakten, insbesondere auf die Einspruchsentscheidung vom 14. August 2013 sowie die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 10. März 2016 Bezug genommen.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Die Einwendungen der Klägerin gegen die Höhe der Steuer und der steuerlichen Nebenleistungen bleiben gemäß § 166 AO erfolglos. Die Haftungsquote beträgt 100%. Ermessensfehler liegen nicht vor.

Nach § 191 Abs. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet.

Die in den §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden (§ 69 Satz 1 AO). Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 AO).

1. Die Klägerin kann sich im Rahmen des Haftungsverfahrens nicht darauf berufen, dass die Steuerschulden nicht in der vom FA geltend gemachten Höhe bestehen, weil sie insoweit an die in der Insolvenztabelle widerspruchlos festgestellten Forderungen des FA nach § 166 AO gebunden ist.

Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so hat dies neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten (§ 166 AO).

Die Vorschrift ist eine Vereinfachungsnorm. Das Haftungsverfahren soll dem von § 166 AO erfassten Haftungsschuldner keine erneute Überprüfungsmöglichkeit hinsichtlich der Steuerfestsetzungen verschaffen, weil er bereits zur Anfechtung der Steuerfestsetzung befugt war oder diese bereits - erfolglos - angefochten hat. Sofern § 166 AO eingreift, soll daher das Haftungsverfahren von den Fragen der materiellen Richtigkeit der Steuerfestsetzungen befreit werden (Urteil des FG Rheinland-Pfalz in EFG 2014, 1166; vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. Juli 1966 V 64/64, BStBl III 1966, 610 zu der vergleichbaren Regelung in § 119 der Reichsabgabenordnung - RAO -).

Zwar ist die Feststellung in der Insolvenztabelle und die Möglichkeit des Widerspruchs dagegen nicht ausdrücklich in § 166 AO erwähnt (hierauf u. a. abstellend: Beschluss des FG Köln vom 24. November 2014 13 V 2905/14, nicht veröffentlicht - nv -).

a) Jedoch steht eine vom Insolvenzschuldner nicht bestrittene und festgestellte Forderung einer unanfechtbaren Steuerfestsetzung gleich.

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 der Insolvenzordnung - InsO -). Allerdings bleibt hiervon die Organstellung eines Geschäftsführers einer GmbH unberührt. Die Organe der GmbH bleiben bestehen, nehmen aber nur solche Kompetenzen wahr, die nicht die Insolvenzmasse betreffen (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. Januar 2006 IX ZR 282/03, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht - ZinsO - 2006, 260). Die Insolvenzgläubiger können ihre Insolvenzforderungen gemäß § 87 InsO nur im Wege der Anmeldung zur Insolvenztabelle (§§ 174 ff. InsO) weiterverfolgen. Das Insolvenzrecht verdrängt insoweit das Verfahrensrecht der AO (BFH-Urteil vom 2. November 2010 VII R 62/10, BStBl II 2011, 439). Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist das FA daher gehindert, einen Steuerbescheid wirksam zu erlassen. Die Feststellung der Forderung in der Insolvenztabelle stellt das insolvenzrechtliche Äquivalent zur Steuerfestsetzung durch Verwaltungsakt dar (BFH-Urteil vom 19. August 2008 VII R 36/07, BStBl II 2009, 90; vgl. auch BFH-Urteil vom 16. April 2013 VII R 44/12, BStBl II 2013, 778).

Gem. § 178 Abs. 3 InsO wirkt die Eintragung in die Tabelle für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern. Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger erhoben wird oder soweit ein erhobener Widerspruch beseitigt ist (§ 178 Abs. 1 InsO). Die Insolvenzgläubiger können festgestellte Forderungen nach Abschluss des Insolvenzverfahrens dann gem. § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO gegen den Insolvenzschuldner vollstrecken, wenn dieser die Forderung im Prüfungstermin nicht bestritten hatte. Das FA kann in diesem Fall im Verwaltungswege vollstrecken (§ 251 Abs. 2 Satz 1 AO), Rechtsbehelfe gegen solche Steuerforderungen, erledigen sich (BFH-Beschluss vom 10. November 2010 IV B 18/09, BFH/NV 2011, 650).

Deswegen steht die Feststellung einer Forderung, welche der Insolvenzschuldner nicht bestritten hat, einer unanfechtbaren Festsetzung im Sinne des § 166 AO gleich (vgl. FG Rheinland-Pfalz in EFG 2014, 1166; die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wies der BFH mit nicht dokumentiertem Beschluss vom 23.September 2014 XI B 40/14 als unbegründet zurück; zweifelnd: FG-Köln vom 24. November 2014 13 V 2905/14, nv).

b) Darüber hinaus entspricht der Möglichkeit zur Anfechtung des Bescheides in § 166 AO die Möglichkeit zum Widerspruch im Insolvenzverfahren. Der Senat folgt nicht der Auffassung des FG-Köln vom 24. November 2014 13 V 2905/14, nv, wonach aufgrund völlig unterschiedlicher Rechtsfolgen der Widerspruch des Schuldners im Insolvenzverfahren nicht der Anfechtung eines Bescheides im Sinne des § 166 AO gleichzustellen sei. Im Hinblick auf die Vorschrift des § 166 AO sind die Rechtsfolgen indessen vergleichbar. Maßgeblich für die Bindungswirkung nach § 166 AO ist, dass der Dritte die Unanfechtbarkeit einer Steuerforderung gegenüber dem Steuerpflichtigen verhindern kann. Diese Rechtsfolge hat das Bestreiten des Insolvenzschuldners. Zwar hindert es nicht die Feststellung der Forderung (vgl. § 178 Abs. 1 InsO); jedoch wirkt die Eintragung einer solchen Forderung in die Tabelle nach § 178 Abs. 3 InsO wie ein rechtskräftiges Urteil nur gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern. Diese Wirkung tritt gegenüber dem Insolvenzschuldner durch sein Bestreiten gerade nicht ein (vgl. § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO). In diesen Fällen konnte und musste das FA bis zum 30. Juni 2007 seine Forderungen selbst verfolgen und einen entsprechenden Rechtsstreit aufnehmen (vgl. § 184 InsO in der damaligen Fassung; BFH-Urteil vom 13. November 2007 VII R 61/06, BStBl II 2008, 790).

Unerheblich ist, ob der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Einspruch eingelegt hatte, über den noch nicht entschieden ist. Denn die widerspruchslose Feststellung der zunächst festgesetzten Forderung des FA führt zu einem vollstreckbaren Titel des FA (vgl. § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO) und zur Erledigung des Einspruchs. Im Ergebnis ist also der Einspruch erfolglos geblieben. In diesen Fällen gilt § 166 AO ebenfalls (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 17. Januar 1939 I 345/38, RStBl 1939, 325 zur § 119 RAO; Rüsken in Klein, Kommentar zur AO, 12. Auflage 2014, § 166 Rz. 1; Bucziek in Beermann/Gosch, Kommentar zur AO und Finanzgerichtsordnung - FGO -, Stand: November 2015, § 166 AO Rz. 32; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO und FGO, Stand: Februar 2016, § 166 AO Rz. 3, 6; Kruse in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, November 2015, § 166 Rz. 14), weil es für den mit der Vorschrift verfolgten Vereinfachungszweck keine Rolle spielt, ob der Dritte von seiner Möglichkeit zur Anfechtung tatsächlich Gebrauch macht. Bei erfolglosem Rechtsbehelf ist die Bindung erst recht gerechtfertigt (RFH-Urteil in RStBl 1939, 325 zur § 119 RAO).

c) Hier hat das FA sämtliche Forderungen gegen die GmbH, für die es die Klägerin in Haftung genommen hat, zur Insolvenztabelle angemeldet. Diese Forderungen wurden festgestellt und in die Tabelle eingetragen. Die Klägerin war während des Insolvenzverfahrens die Geschäftsführerin der GmbH und hat den Forderungen im Namen der GmbH nicht widersprochen. Damit sind ihr Einwendungen nach § 166 AO insoweit abgeschnitten. Unerheblich ist, ob der Klägerin die Besteuerungsgrundlagen für die angemeldeten Forderungen bekannt waren oder wie der Insolvenzverwalter seine Zustimmung zu den angemeldeten Forderungen begründete. Denn maßgeblich für die Wirkungen nach § 178 Abs. 1 InsO und nach § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO ist lediglich, dass der zunächst erhobene Widerspruch des Insolvenzverwalters beseitigt wurde und die GmbH die Forderungen im Prüfungstermin nicht bestritt. Hinzu kommt, dass die Klägerin im Insolvenzverfahren fachkundig vertreten war.

2. Die Klägerin hat eine Pflichtverletzung begangen, weil sie weder Steuererklärungen einreichte noch die fälligen Steuern abführte. Sie handelte auch grob fahrlässig. Die Nichtentrichtung der Steuer zum gesetzlichen Fälligkeitstermin indiziert die (grob fahrlässige) Schuldhaftigkeit der damit verbundenen Pflichtverletzung (BFH-Beschluss vom 20. Oktober 2005 VII B 17/05, BFH/NV 2006, 241; vgl. BFH-Urteil vom 13. März 2003 VII R 46/02, BStBl II 2003, 556).

3. Die vom FA angenommene Haftungsquote von 100% ist nicht zu beanstanden.

a) Die Haftung nach § 69 AO ist dem Umfang nach auf den Betrag beschränkt, der infolge der Pflichtverletzung nicht entrichtet worden ist. Stehen zur Begleichung der Steuerschulden insgesamt ausreichende Mittel nicht zur Verfügung, so bewirkt die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die Haftung nur in dem Umfang, in dem der Verpflichtete das FA gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat. Rückständige Umsatzsteuer ist danach vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern. Ist dies nicht geschehen, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat (= Haftungssumme). Hierzu hat das FA unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen die Haftungsquote zu ermitteln oder - soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann - im Schätzungswege die Quote festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt (§ 162 AO). Zur Feststellung der Haftungssumme kann das FA vom Geschäftsführer einer GmbH, den es als Haftungsschuldner wegen der nicht entrichteten Umsatzsteuer in Anspruch nehmen will, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum verlangen (BFH-Urteil vom 27. Februar 2007 VII R 60/05, BStBl II 2008, 508, m. w. N.). Auf die Liquiditätsverhältnisse zu den jeweiligen Zahlungs- und Steuerfälligkeitszeitpunkten kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 11. Juli 1989 VII R 81/87, BStBl II 1990, 357; BFH-Beschluss vom 4. Mai 2004 VII B 318/03, BFH/NV 2004, 1363). Beginn des Haftungszeitraums ist die Fälligkeit der Steuerschulden (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juli 1989 VII R 81/87, BStBl II 1990, 357).

Verletzt der Haftungsschuldner als Geschäftsführer der GmbH die ihm obliegende Mitwirkungspflicht, die Gesamtverbindlichkeiten und die geleisteten Zahlungen im Haftungszeitraum mitzuteilen, so ist dies bei der Schätzung zu berücksichtigen. Macht der Haftungsschuldner keine oder nur unvollständige Angaben, kann er sich auf Schätzungsfehler des FA nur in einem eingeschränkten Umfang berufen. Will er eine für ihn günstigere Haftungsquote erreichen, bleibt es ihm vorbehalten, einen entsprechenden Liquiditätsstatus der GmbH vorzulegen (BFH-Urteil vom 26. Oktober 2011 VII R 22/10, BFH/NV 2012, 777).

b) Die von der Klägerin mitgeteilten geleisteten Zahlungen sind nicht zutreffend.

Der Haftungszeitraum begann mit der Fälligkeit der ältesten anzumeldenden Steuer jedenfalls am 10. Januar 2004. Diese ist die Umsatzsteuer für 2003. Die GmbH hätte die Steuer für dieses Jahr spätestens am 10. Januar 2004 anmelden müssen (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung der Streitjahre - UstG -). Zu diesem Zeitpunkt waren auch spätestens die Vorauszahlungen fällig (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 UStG). Der Senat nimmt als das Ende des Haftungszeitraums den Antrag auf Insolvenz am 31. März 2006 an; allein die Tatsache, dass ab dem 3. März 2006 keine größeren Zahlungen mehr geleistet worden seien, rechtfertigt noch nicht die Annahme der Insolvenz.

Die Klägerin trug vor, im Haftungszeitraum hätten die bezahlten Verbindlichkeiten insgesamt 297.220,99 € betragen. Dies ist aber unzutreffend: Bei bezogenen Leistungen in Höhe von 3.121.093,55 € in 2004 und in Höhe von 2.353.034,23 € in 2005 betrugen die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen zum 31. Dezember 2005 nur noch 228.556,17 €. Demnach bezahlte die GmbH in den Jahren 2004 und 2005 auf diese Verbindlichkeiten insgesamt 5.245.571,61 €.

Da die Klägerin ihre Mitwirkungspflichten nicht erfüllt hat, kann sie keine für sie günstigere Haftungsquote erreichen. Angesichts der umfangreichen Zahlungen gibt es keinen Anhaltspunkt für eine lediglich anteilige Haftung der Klägerin.

4. Ermessensfehler liegen nicht vor. Im Rahmen des § 191 Abs. 1 AO hat das FA eine Ermessensentscheidung zu treffen, die vom FG nur darauf zu überprüfen ist, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 102 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der Einwand der Klägerin, die Existenz ihrer Betriebe sei gefährdet, ist nicht substantiiert. Sie hat keine Angaben gemacht, welche diese Annahme nahelegten.

Darüber hinaus musste das FA die Beitreibung der Steuerschulden bei der GmbH nicht versuchen. Nach § 219 Abs. 1 Satz 1 AO darf ein Haftungsschuldner auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Hieraus folgt, dass auch der Haftungsanspruch selbst subsidiär ist, wenn feststeht, dass der Steuerschuldner zur Zahlung in der Lage ist (BFH-Urteil vom 23. September 2009 VII R 43/08, BStBl II 2010, 215). Dies ist hier indessen nicht der Fall, weil die GmbH nach Durchführung des Insolvenzverfahrens wegen Vermögenslosigkeit gelöscht wurde. Das FA durfte also davon ausgehen, dass sie die Steuerschulden nicht werde begleichen können.

5. Die Kostentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

6. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Urteilsbesprechung zu Finanzgericht München Urteil, 10. März 2016 - 14 K 2710/13

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Abgabenordnung - AO 1977 | § 34 Pflichten der gesetzlichen Vertreter und der Vermögensverwalter


(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 102


Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Er

Insolvenzordnung - InsO | § 178 Voraussetzungen und Wirkungen der Feststellung


(1) Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger erhoben wird oder soweit ein erhobener Widerspruch bes

Abgabenordnung - AO 1977 | § 69 Haftung der Vertreter


Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt

Abgabenordnung - AO 1977 | § 251 Vollstreckbare Verwaltungsakte


(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem

Insolvenzordnung - InsO | § 87 Forderungen der Insolvenzgläubiger


Die Insolvenzgläubiger können ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen.

Insolvenzordnung - InsO | § 201 Rechte der Insolvenzgläubiger nach Verfahrensaufhebung


(1) Die Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen. (2) Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfun

Insolvenzordnung - InsO | § 184 Klage gegen einen Widerspruch des Schuldners


(1) Hat der Schuldner im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) eine Forderung bestritten, so kann der Gläubiger Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner erheben. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein

Abgabenordnung - AO 1977 | § 35 Pflichten des Verfügungsberechtigten


Wer als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, hat die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 219 Zahlungsaufforderung bei Haftungsbescheiden


Wenn nichts anderes bestimmt ist, darf ein Haftungsschuldner auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussi

Abgabenordnung - AO 1977 | § 166 Drittwirkung der Steuerfestsetzung


Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so hat dies neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Ver

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Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so hat dies neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so hat dies neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten.


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Tenor

I. Der Haftungsbescheid vom 19. April 2010 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2012 dahin geändert, dass die Haftungssumme auf 63.624,-- € gemindert wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger zu 4/5 und der Beklagte zu 1/5 zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Strittig ist ein Haftungsbescheid.

2

Der Kläger ist Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der T GmbH. Die GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 30. Juni 1999 gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist der Groß– und Einzelhandel von Unterhaltungselektronik, der Im- und Export von Waren aller Art sowie Internetmarketing und Werbung.

3

Im Herbst des Jahres 2009 fand bei der GmbH eine Steuerfahndungsprüfung auf Grund eines Auskunftsersuchens der französischen Steuerverwaltung statt. Die Prüfung bezog sich auf die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen an die V SARL und an die C SARL in Frankreich. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung hatte die GmbH Lieferungen an die beiden vorgenannten französischen Firmen im Zeitraum von November 2008 bis Dezember 2008 in Höhe von insgesamt 218.758 € und im Zeitraum vom Januar bis Mai 2009 mit einem Gesamtbetrag von 153.772 € als innergemeinschaftliche Lieferungen umsatzsteuerfrei belassen. Nach Auffassung der Steuerfahndung war allerdings wegen fehlerhaften Buch- und Belegnachweises die Steuerfreiheit für die Lieferungen zu versagen. (Kurzberichte vom 15. Dezember 2009 und 9. November 2009, Blatt 3ff der Haftungsakte Fach Einsprüche Umsatzsteuervoranmeldungen).

4

Der Beklagte folgte der Auffassung der Steuerfahndung und änderte die Umsatzsteuervorauszahlungsfestsetzungen für Dezember 2008 und für März 2009 mit Bescheiden vom 31. Dezember 2009 und 13. Januar 2010 entsprechend. Hiergegen legte die GmbH am 26. Januar 2010 Einspruch ein.

5

Mit Schreiben vom 3. März 2010 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass er wegen rückständiger Umsatzsteuern und zugehörigen Säumniszuschlägen der GmbH in Höhe von derzeit insgesamt 73.269 € hafte. Der Kläger wurde aufgefordert, die zur Ermittlung einer Tilgungsquote für den Haftungszeitraum vom 10. Januar 2009 bis 19. Mai 2010 erforderlichen Angaben zu machen. Am 31. März 2010 wurde im Rahmen eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Mit Haftungsbescheid vom 19. April 2010 wurde der Kläger für die Steuerrückstände der GmbH mit einer geschätzten Tilgungsquote von 80% in Höhe von 63.624 € in Haftung genommen. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 12. Mai 2010 mit Hinweis auf die Begründung der Einsprüche der GmbH gegen die Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 2008 und März 2009 Einspruch ein.

6

Mit Schreiben vom 4. März 2010 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, es fehle bereits an einem Nachweis, dass die GmbH die Kaufverträge mit den französischen Gesellschaften C SARL und V SARL abgeschlossen habe, weil der angebliche Abholer, Herr C, nicht als Beauftragter/Vertretungsberechtigter der Abnehmerfirmen identifizierbar sei. Weiter sei auch nicht nachgewiesen, dass die angeblichen Abnehmer die Liefergegenstände nach Frankreich befördert oder versendet hätten.

7

Am 30. März 2010 beantragte der Kläger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH beim Amtsgericht (Blatt 1 der Insolvenzverfahrensakte 7a IN .../10). Mit Beschluss vom 31. März 2010 ordnete das Amtsgericht die Sequestration an (Blatt 12 der Insolvenzverfahrensakte). Mit Beschluss vom 12. Mai 2010 ermächtigte das Amtsgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter, die arbeitsrechtliche Kündigung des Klägers als Geschäftsführer zur Vermeidung unnötiger Masseverbindlichkeiten nach Verfahrenseröffnung auszusprechen (Blatt 39 der Insolvenzverfahrensakte). Am gleichen Tage kündigte der vorläufige Insolvenzverwalter dem Kläger (Bericht zur ersten Gläubigerversammlung vom 17. Juni 2010, Blatt 115, 120 Insolvenzverfahrensakte). Der Kläger wurde vom Insolvenzgericht weiterhin als Vertreter der GmbH über den Gang des Insolvenzverfahrens informiert (vgl. Blatt 66, 110, 158, 177 der Insolvenzverfahrensakte). Am 19. Mai 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet (Blatt 63 der Insolvenzverfahrensakte).

8

Nach dem Bericht des Insolvenzverwalters zur ersten Gläubigerversammlung vom 17. Juni 2010 beliefen sich offene Forderungen der GmbH auf insgesamt ca. 206.000 €, von denen Forderungen in Höhe von ca. 176.000 € zweifelhaft seien. Die Endkunden hätten überwiegend per Vorkasse gezahlt und Anzahlungen in Höhe von ca. 37.000 € geleistet, ohne dass die GmbH die Ware versandt habe. Die vorgefundene Vermögenssituation lasse sich nicht ohne weiteres mit den beträchtlichen Umsätzen in den Jahren 2007 bis 2009 in Einklang bringen. Der Kläger hätte als Geschäftsführer spätestens Mitte Februar 2010 erkennen können, dass die GmbH zahlungsunfähig sei (Blatt 115 ff der Insolvenzverfahrensakte).

9

Die erste Gläubigerversammlung fand am 24. Juni 2010 statt (Blatt 149 der Insolvenzverfahrensakte), der Termin zur Prüfung angemeldeter Forderungen in der Gläubigerversammlung fand am 26. August 2010 statt (Blatt 170 der Insolvenzverfahrensakte).

10

Der Beklagte meldete die Forderungen gegenüber der GmbH, welche auch Grundlage des Haftungsbescheids waren, zur Tabelle an. Die Forderungen wurden vom Insolvenzverwalter nicht bestritten und der Beklagte sah die Einsprüche damit als erledigt an.

11

Mit Schreiben vom 20. September 2010 forderte der Beklagte den Kläger auf, den Einspruch anderweitig zu begründen, da eine Berufung auf die dem Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Forderungen nicht zulässig sei. Da keine Antwort des Klägers erfolgte, drohte der Beklagte mit Schreiben vom 6. Juni 2011 eine Verböserung des Haftungsbescheides dahingehend an, dass er eine Haftungsquote von 100% der Haftung zu Grunde lege, da die Anwendung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung mangels Angaben des Klägers ausscheide und nach dem Bericht des Insolvenzverwalters die GmbH für das Jahr 2009 ein positives Ergebnis von 103.087 € und für die ersten beiden Monate des Jahres 2010 ein positives Ergebnis von 56.100 € erzielt habe (vgl. Bericht des Insolvenzverwalters vom 17. Mai 2010, Blatt 42 ff der Insolvenzverfahrensakte; hier Blatt 48, Tabelle zur Umsatzentwicklung).

12

Mit Schreiben vom 28. November 2011 begründete der Kläger seinen Einspruch dahingehend, der Beklagte verkenne, dass die geforderten Nachweise für die innergemeinschaftlichen Lieferungen nur dann für die Steuerbefreiung Bedeutung hätten, wenn strittig sei, ob die Waren die Grenze überschritten hätten. Dies sei aber unstrittig, da ansonsten die Aussage in den Kurzberichten der Steuerfahndung, die französische Abnehmerfirma sei trotz hoher angeblicher innergemeinschaftlicher Erwerbe ihren steuerlichen Verpflichtungen in Frankreich nicht nachgekommen, nicht plausibel erscheine. Ein möglicher Missbrauch in Frankreich erlaubte es dem Beklagten nicht, eine Versteuerung im Inland vorzunehmen. Mit Schreiben vom 31. Januar 2012 ergänzte der Kläger seinen Einspruch dahingehend, dass die widerspruchslose Hinnahme der von dem Beklagten zur Tabelle angemeldeten Forderungen durch den Insolvenzverwalter nicht gegenüber ihm als Haftungsschuldner wirke. Denn der Kläger habe im Namen der GmbH Einspruch gegen die Umsatzsteuerbescheide erhoben. Nach der Einsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters habe er keine Erklärungen als Geschäftsführer mehr für die Gesellschaft im Einspruchsverfahren abgeben können und sei daher im Haftungsverfahren mit Einwendungen gegen die Umsatzsteuerfestsetzung nicht ausgeschlossen.

13

Mit Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2012 setzte der Beklagte die Haftungssumme auf 79.522 € fest und wies den Einspruch des Klägers zurück. Die Eintragung der Forderungen in die Insolvenztabelle wirke wie ein rechtskräftiges Urteil sowohl gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern als auch dem Insolvenzschuldner. Da ein Widerspruch gegen die Anmeldung zur Tabelle nicht erfolgt sei, könne der Kläger gem. § 166 AO keine Einwendungen mehr gegen die dem Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Umsatzsteuerfestsetzungen geltend machen. Auch die GmbH habe der Forderung des Beklagten im Insolvenzverfahren widersprechen können. Ein solcher Widerspruch hätte bewirkt, dass sich die Rechtskraftwirkung der Eintragung der Forderungen in die Insolvenztabelle nur auf die Insolvenzschuldnerin als Trägerin der Insolvenzmasse erstrecke. Für das Einspruchsverfahren hätte der Tabelleneintrag dann keine Wirkung entfaltet. Da die GmbH, vertreten durch den Kläger als Geschäftsführer, im vorliegenden Fall der Anmeldung der Umsatzsteuerforderungen zur Tabelle nicht widersprochen habe, entfalte der Tabelleneintrag aber die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. Da der Kläger keine Angaben zur Ermittlung einer Haftungsquote gemacht habe, sei die Haftung in voller Höhe der rückständigen Steuerschuld festzusetzen. Nach dem Bericht des Insolvenzverwalters habe die GmbH auch über die Mittel zur Tilgung der Rückstände verfügt.

14

Der Kläger trägt vor, die Auffassung des Beklagten, durch die widerspruchslose Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle seien die Steuern rechtskräftig festgesetzt und er habe dies gegen sich gelten zu lassen, gehe fehl. Die widerspruchslose Hinnahme der vom Beklagten zur Tabelle angemeldeten Forderungen durch den Insolvenzverwalter wirke nicht gegenüber ihm als Haftungsschuldner, da er im Namen der GmbH Einspruch gegen die Umsatzsteuerbescheide eingelegt habe. Nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe der Insolvenzverwalter die Verfügungsbefugnis für die Geschäfte der GmbH übernommen und er habe als Geschäftsführer keine Erklärungen mehr für die Gesellschaft abgeben können. Er habe das Einspruchsverfahren für die GmbH durch den Verlust der Verwaltungs– bzw. Verfügungsbefugnis über das Vermögen der GmbH nach Einsetzung eines Insolvenzverwalters nicht weiterbetreiben können. Da er keine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der GmbH mehr gehabt habe, habe er auch keinen Widerspruch in die Tabelle eintragen können, um das unterbrochene Rechtsbehelfsverfahren weiter zu verfolgen. Daher erstrecke sich die Rechtswirkung des § 166 AO nicht auf ihn. Nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung komme es für die Anwendung des § 166 AO alleine darauf an, ob es ein Geschäftsführer versäumt habe, während der Zeit, zu der er insolvenzrechtlich noch nicht daran gehindert gewesen sei, einen Rechtsbehelf gegen Steuerbescheide einzulegen. Da er dies aber getan habe, sei er mit Einwendungen gegen die Umsatzsteuerfestsetzung nicht präkludiert. Dies zeige sich auch dadurch, dass ein Widerspruch zumindest insolvenzrechtlich nicht die Feststellung der Forderung vereiteln könne. Insofern könne eine nach seinem Verständnis rechtsfolgenlose Erklärung im insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahren nicht dazu führen, dass ihm als Dritten die Möglichkeit genommen sei, im steuerrechtlichen Verfahren einen gegenüber der GmbH erlassenen Bescheid als Vertreter kraft eigenen Rechts anzufechten. Die Rechtskraftwirkung des § 178 InsO erstrecke sich nur gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern. Die Schlussfolgerungen des Beklagten scheiterten auch am Wortlaut des § 166 AO. Denn dieser setze voraus, dass der Dritte einen gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anfechten könne. Bei der Forderungsanmeldung zur Tabelle handle es sich nicht um einen erlassenen Bescheid, sondern um die Mitteilung der Höhe einer fällig gewordenen Steuerschuld. Selbst wenn die widerspruchslose Forderungsanmeldung zur Tabelle so wirke, als seien die Bescheide über die Steuerfestsetzung bestandskräftig, handle es sich aus der Sicht des Dritten nicht um einen gegenüber dem Insolvenzschuldner erlassenen Bescheid. Die Rechtskraftwirkung des Eintrags in die Insolvenztabelle erstrecke sich nicht auf den als Haftungsschuldner in Anspruch genommenen Gesellschafter. Es sei erforderlich, dass die Steuerschuld auf Grund eines Steuerbescheides im Sinne von § 166 AO unanfechtbar sei. Die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle könne nicht als Bescheid angesehen werden, da es an einem regelnden hoheitlichen Ausspruch der Finanzbehörde mangele. Aber auch aus tatsächlichen Gründen sei ihm ein Widerspruch gegen die Eintragung zur Tabelle nicht möglich gewesen. Er habe sich für einen Zeitraum von acht Wochen im Juni und Juli des Jahres 2010 wegen schwerer Depressionen im Krankenhaus befunden. Auch vor diesem Zeitraum sei er seit Januar/Februar 2010 krank geschrieben und nicht in der Lage gewesen, etwaige Abwicklungsvorgänge für die GmbH wahrzunehmen. Auch nach dem Krankenhausaufenthalt sei er noch lange krankgeschrieben gewesen und erhalte eine Erwerbsunfähigkeitsrente bis heute. Dies ergebe sich aus den beigefügten Attesten des Dr. O. (Blatt 131 bis 137 der Prozessakte), der Rechnung der Privatklinik Dr. A GmbH (Blatt 138 der Prozessakte) und der Bescheinigung über Rentenleistungen von der S Versicherung (Blatt 139 der Prozessakte). Der Arzt Dr. O. sei auch als Zeuge zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass er krankheitsbedingt außer Stande gewesen sei, zum Zeitpunkt der Gläubigerversammlung im Insolvenzverfahren Widerspruch zur Tabelle einzulegen. Auch habe er seine Mitwirkungspflicht nicht verletzt. Es sei ihm unmöglich gewesen, die vom Beklagten geforderten Angaben zu machen, da sich die Unterlagen der GmbH beim Insolvenzverwalter befunden hätten. Von dort habe er keine Auskunft bekommen, was die Vernehmung der beim Insolvenzverwalter tätigen Frau A. als Zeugin bestätigen werde. Der Beklagte habe sich selbst die Unterlagen beim Insolvenzverwalter beschaffen müssen. Darüber hinaus sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Der Beklagte habe ihm gegenüber keinen Hinweis auf die Rechtsfolgen eines unterlassenen Widerspruchs hinsichtlich seiner Inanspruchnahme als Haftungsschuldner gegeben. Die Umsatzsteuerbescheide seien rechtswidrig. Wegen des Verbringens der Ware über die Grenze nach Frankreich habe der GmbH nicht die Umsatzsteuerfreiheit für die innergemeinschaftlichen Lieferungen versagt werden dürfen. Denn die erforderlichen Beleg- und Buchnachweise erlangten nur dann Bedeutung, wenn strittig sei, ob die Ware überhaupt die Grenze überschritten habe. Nach den Ausführungen in den Kurzberichten der Steuerfahndung sei dies aber unstrittig, da ansonsten die Aussage, dass die französische Abnehmerfirma trotz hoher angeblicher innergemeinschaftlicher Erwerbe ihren steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei, nicht plausibel sei. Ein möglicher Missbrauch in Frankreich erlaube es dem Beklagten nach der jüngsten Rechtsprechung des EuGH nicht, die Umsätze in Deutschland zu versteuern.

15

Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom 19. April 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2012 aufzuheben.

16

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

17

Der Beklagte trägt vor, soweit der Kläger unter Erhebungsverfahren die Anwendung von insolvenzrechtlichen Vorschriften verstehe, sei zu entgegen, dass der Grundsatz bestehe, Insolvenzrecht gehe vor Steuerrecht. Die Entstehung und die Höhe der Ansprüche richteten sich nach dem Steuerrecht, die Geltendmachung der Forderungen jedoch nach insolvenzrechtlichen Vorschriften. Dies habe beispielsweise zur Folge, dass keine Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid erfolge, sondern durch Anmeldung zur Tabelle, die wie eine Steuerfestsetzung wirke. Auch auf das bereits geführte Rechtsbehelfsverfahren wirkte sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus. Ein bestehendes Rechtsbehelfsverfahren werde durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen. Die weitere Verfolgung des unterbrochenen Rechtsbehelfsverfahrens gegen die erlassenen Steuerbescheide sei der GmbH -vertreten durch den Kläger als Geschäftsführer- durch Widerspruch zur Tabelle möglich gewesen. Die Regelung des § 166 AO finde daher Anwendung.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist unbegründet.

19

Der Beklagte hat den Kläger zu Recht zur Haftung für die in der Einspruchsentscheidung festgesetzte Haftungssumme herangezogen.

20

Gemäß § 69 i.V.m. § 34 AO kann der Geschäftsführer einer Gesellschaft wegen rückständiger Umsatzsteuer durch Haftungsbescheid nach § 191 AO in Haftung genommen werden, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm auferlegten steuerlichen Verpflichtungen nicht erfüllt und insbesondere nicht dafür gesorgt hat, dass die Steuern aus den Mitteln, die er verwaltete, entrichtet wurden.

21

1.
Der Kläger war als Geschäftsführer und gesetzlicher Vertreter der GmbH i.S.d. § 34 Abs. 1 AO verpflichtet, die steuerlichen Interessen der GmbH wahrzunehmen und die daraus resultierenden Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Zu ihnen gehörte die fristgerechte Entrichtung der geschuldeten Steuern.

22

a)
Eine Entrichtung der vom Beklagten mit Umsatzsteuervorauszahlungsbescheiden vom 31. Dezember 2009 und 13. Januar 2010 festgesetzten Umsatzsteuervorauszahlungen für Dezember 2008 und für März 2009 ist indes nicht erfolgt. Die in der Nichtentrichtung liegende objektive Pflichtwidrigkeit indiziert den gegenüber dem Kläger zu erhebenden Schuldvorwurf (vgl. BFH-Urteil vom 04. Dezember 2007- VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521; BFH-Beschluss vom 5. März 1998 - VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325). Ziel der Haftung ist es, Steuerausfälle auszugleichen, die durch grob fahrlässige oder vorsätzliche Pflichtverletzungen der in § 34 und § 35 AO bezeichneten Personen verursacht worden sind. Zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers und dem Eintritt des durch die Nichtentrichtung der geschuldeten Abgabenbeträge entstandenen Vermögensschadens beim Steuergläubiger besteht auch ein adäquater Kausalzusammenhang. Denn durch die pflichtwidrige Nichtabführung der fällig gewordenen Umsatzsteuerbeträge wird eine reale Ursache für den Eintritt eines Vermögensschadens in Form eines Steuerausfalls gesetzt (vgl. BFH-Urteil vom 04. Dezember 2007 - VII R 18/06, a.a.O.). Die Voraussetzungen der Haftung des Klägers für die Steuerschulden der GmbH liegen damit vor.

23

b)
Auch die Ermessenserwägungen des Beklagten in dem angefochtenen Haftungsbescheid vom 19. April 2010 sind nicht zu beanstanden. Wegen der dem Steuergläubiger im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgabe, die geschuldeten Abgaben nach Möglichkeit zu erheben, kann der Erlass eines Haftungsbescheides bei Uneinbringlichkeit der Erstschuld nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen ermessensfehlerhaft sein. Deshalb ist das Entschließungsermessen im Streitfall mit dem Hinweis auf die Unmöglichkeit einer Einziehung der rückständigen Steuer durch Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber dem Steuerschuldner jedenfalls bei Nichtvorliegen außergewöhnlicher Umstände regelmäßig ausreichend begründet (vgl. Finanzgericht Köln, Urteil vom 13. Oktober 2011 - 13 K 4121/07, EFG 2012, 195).

24

c)
Der Beklagte hat die Haftungssumme allerdings zu Unrecht in der Einspruchsentscheidung auf 100% der rückständigen Steuer erhöht.

25

aa)
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist bei der Haftung für Umsatz- und Körperschaftssteuer der haftungsbegrenzende Grundsatz der anteiligen Tilgung zu beachten. Dieser besagt, dass der gesetzliche Vertreter nach §§ 69, 34 AO nur in dem Umfang in Anspruch genommen werden kann, in dem er bei der Tilgung der Gesamtverbindlichkeiten das Finanzamt gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt hat. Im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht ist der Haftungsschuldner verpflichtet, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum zu erteilen; eine ungerechtfertigte Weigerung, solche in seinem Wissensbereich liegenden Auskünfte zu erteilen, können zu einer unter Umständen für den Geschäftsführer nachteiligen Schätzung der Haftungssumme berechtigen. Dabei sind bei der Schätzung der Haftungssumme vom Geschäftsführer gem. § 90 Abs. 1 AO die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum zu verlangen. Im Rahmen seiner Mitwirkungs- und Auskunftspflicht nach § 93 Abs. 1 AO ist der Haftungsschuldner gehalten, die geforderten Daten zur Mittelverwendung während des Haftungszeitraumes, zu dem Bestand an Eigen- und Fremdkapital der GmbH sowie zu Art und Umfang der Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge, insbesondere insoweit als die Zahlungen zur Gläubigerbefriedigung gedient haben, beizubringen. Solange der Haftungsschuldner die vorgenannten Daten nicht selbst ermittelt oder vorlegt, kann das Finanzamt von seiner Schätzungsbefugnis Gebrauch machen. Die Verletzung der dem Geschäftsführer im Rahmen der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme obliegenden Mitwirkungspflicht zur Sachverhaltsaufklärung kann bei der Ausübung der Schätzungsbefugnis berücksichtigt werden (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 - VII R 8/03, BFH/NV 2004, 1498).

26

Der Kläger selbst hat keinerlei Angaben zu den vom Beklagten aufgeworfenen Fragen zur Ermittlung einer Tilgungsquote gemacht.

27

Nach den Ermittlungen des Beklagten an Hand der vom Insolvenzverwalter zur Verfügung gestellten Kontounterlagen hat der Kläger Zahlungen in Höhe von 232.777 € an andere Gläubiger geleistet. Insoweit sind die Fragen des Beklagten zur Ermittlung einer Tilgungsquote auch unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen Benachteiligung gegenüber anderen Gläubigern der GmbH durchaus berechtigt, zumal der Beklagte auf Grund dieser eigenen Ermittlungen nicht in der Lage war, eine Tilgungsquote zu berechnen. Da der Kläger diese Angaben aber verweigert hat, war der Beklagte befugt, eine Tilgungsquote und damit eine Haftungssumme zu schätzen. Der Beklagte hat die Haftungssumme in dem angefochtenen Haftungsbescheid vom 19. April 2010 nachvollziehbar zunächst in Höhe von 80% geschätzt.

28

Zwar kann einem Haftungsschuldner nicht zum Nachteil gereichen, wenn er nachvollziehbar darlegt, dass er nicht in der Lage ist, zuverlässige Auskünfte über den Umfang der im Haftungszeitraum erbrachten Tilgungsleistungen zu geben, weil sich die Unterlagen beim Insolvenzverwalter befinden und er trotz schriftlicher Anfrage von dort keine Auskunft und keinen Einblick in die Unterlagen erhalten hat. Ein Haftungsschuldner kommt dann seiner Mitwirkungspflicht nach, indem er mitteilt, das Finanzamt gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt zu haben und indem er im Übrigen auf die beim Insolvenzverwalter befindlichen Buchführungsunterlagen verweist, weil er weitere Angaben aus dem Gedächtnis nicht machen kann (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2007 - VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521).

29

Der Kläger hat hierzu angegeben, die Buchführungsunterlagen der GmbH hätten sich beim Insolvenzverwalter befunden und er habe die Unterlagen von dort nicht erhalten. Allerdings hat der Beklagte den Kläger bereits mit Schreiben vom 3. März zu den entsprechenden Angaben aufgefordert und erst am 31. März 2010 wurde ein –vorläufiger- Insolvenzverwalter bestellt. Der Insolvenzverwalter hat in seinem Bericht zur ersten Gläubigerversammlung vom 17. Juni 2010 dargelegt, die Geschäftsunterlagen der GmbH hätten sich beim Geschäftsführer, also dem Kläger, befunden. Einer Beweiserhebung zu der Frage, ob dem Kläger die Einsicht in die Geschäftsunterlagen der GmbH beim Insolvenzverwalter verwehrt wurde, bedarf es aber nicht, weil es darauf für die Entscheidung des Streitfalls nicht ankommt.

30

Der Insolvenzverwalter hat in seinem Bericht zur ersten Gläubigerversammlung vom 17. Juni 2010 auch dargelegt, während der Steuerberater der GmbH bis einschließlich Dezember 2009 die Buchführung erledigt habe, habe die GmbH die Monate Januar und Februar 2007 selbst gebucht. Insofern kann also keine Rede davon sein, dass der Kläger mangels Kenntnis der finanziellen Situation der GmbH dem Beklagten die entsprechenden Angaben zur Ermittlung einer Tilgungsquote -wenigstens aus dem Gedächtnis und wenigstens in ungefährer Höhe- nicht hätte machen können. Der Kläger hat auch im Klageverfahren nicht vorgetragen, in welcher Höhe eine Tilgungsquote anzunehmen sei und inwiefern die vom Beklagten dem Haftungsbescheid zugrunde gelegte Tilgungsquote unzutreffend ist.

31

Bei seiner Schätzung einer Tilgungsquote von 80% im Haftungsbescheid ist der Beklagte von den ihm zur Verfügung stehenden Kenntnissen ausgegangen, dass nach dem Bericht des Insolvenzverwalters die GmbH für das Jahr 2009 ein positives Ergebnis von 103.087 € und für die ersten beiden Monate des Jahres 2010 ein positives Ergebnis von 56.100 € erzielt habe.

32

bb)
Aber selbst bei einer Mitwirkungspflichtverletzung des Haftungsschuldners durch unvollständige Auskunft entfällt die Aufklärungspflicht des Finanzamts nicht völlig. Das Finanzamt ist jedenfalls verpflichtet, die ihm bekannten Indizien über die finanzielle Situation des Steuerschuldners in die notwendige Ermessenserwägung einfließen zu lassen. Auch bei einer Mitwirkungspflichtverletzung darf dies das Finanzamt nicht unterlassen und sich mit der Feststellung begnügen, Anhaltspunkte für eine eventuell vorzunehmende Quotierung seien nicht ersichtlich (vgl. Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 9. Oktober 2001 - II 333/01, in juris). Verletzt der Haftungsschuldner die ihm obliegende Mitwirkungspflicht durch Schweigen oder eine unberechtigte Weigerung, die in seinem Wissensbereich liegenden Auskünfte zu erteilen, so kann dies zwar zu seinem Nachteil verwertet werden. Doch entfällt die Aufklärungspflicht des Finanzamts damit nicht gänzlich, sie reduziert sich lediglich ihrem Umfang nach. Das Finanzamt hat dann die ihm ohne weiteren Aufwand zugänglichen Unterlagen heranzuziehen. Die Annahme einer 100%igen Tilgungsquote ist aber gerade in Fällen eines zeitlich schnell nachfolgenden Konkurses eher die Ausnahme als die Regel (vgl. Sächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 20. Oktober 1999 - 2 V 75/99, EFG 2000, 46). In den Fällen, in denen über das Vermögen des Steuerschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Forderungen anderer Gläubiger nicht voll befriedigt werden (vgl. Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 31. Januar 2006 - 9 K 4573/03 H, EFG 2006, 706 und Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 20. August 2002 - 2 K 367/98, in juris).

33

Nicht gerechtfertigt ist daher die Annahme einer Tilgungsquote von 100% durch den Beklagten in seiner Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2012. Denn nach dem Bericht des Insolvenzverwalters seien Forderungen der GmbH in Höhe insgesamt ca. 206.000 € ausstehend gewesen, von denen allerdings Forderungen in Höhe von ca. 176.000 € zweifelhaft gewesen seien. Die Endkunden hätten überwiegend per Vorkasse gezahlt und Anzahlungen in Höhe von ca. 37.000 € geleistet, die GmbH allerdings keine Ware mehr ausgeliefert. Nach Einschätzung des Insolvenzverwalters hätte der Kläger als Geschäftsführer spätestens Mitte Februar 2010 erkennen können, dass die GmbH zahlungsunfähig sei. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass die finanziellen Mittel der GmbH im Haftungszeitraum noch ausgereicht hätten, alle Verbindlichkeiten und somit auch die Steuerforderungen des Beklagten in voller Höhe zu erfüllen. Bei der Schätzung der Tilgungsquote ist daher zu berücksichtigen, dass bei den vom Insolvenzverwalter ermittelten positiven Ergebnissen die zweifelhaften Forderungen ebenso zu berücksichtigen sind wie etwaige Rückzahlungsansprüche hinsichtlich der geleisteten Vorauszahlungen der Kunden der GmbH. Eine Tilgungsquote von 100% ist demnach zu hoch angesetzt.

34

cc)
Das Gericht macht daher von seiner ihm zustehenden eigenen Schätzungsbefugnis -§ 96 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FGO i.V.m. § 162 AO- (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 – VII R 8/03, BFH/NV 2004, 1498) Gebrauch und schätzt die Tilgungsquote ausgehend von den vorgenannten Umständen, die sich aus der Insolvenzverfahrensakte ergeben, auf 80% der rückständigen Steuer. Bei dieser Schätzung berücksichtigt das Gericht die fehlende Mitwirkung des Klägers nur insoweit, als dieser keinerlei Angaben, also auch keine Angaben aus dem Gedächtnis, zur Ermittlung einer Tilgungsquote gemacht hat, nicht aber den Umstand, dass der Kläger nicht die vom Beklagten geforderten Angaben aus den Geschäftsunterlagen der GmbH heraus gemacht hat. Das Gericht geht bei seiner Schätzung davon aus, dass nach dem Bericht des Insolvenzverwalters die GmbH für das Jahr 2009 ein positives Ergebnis von 103.087 € und für die ersten beiden Monate des Jahres 2010 ein positives Ergebnis von 56.100 € erzielt hat. Ausgehend von diesen betrieblichen Ergebnissen ist allerdings zu berücksichtigen, dass von den ausstehenden Forderungen in Höhe insgesamt ca. 206.000 € Forderungen in Höhe von ca. 176.000 € zweifelhaft waren und dass auf Anzahlungen in Höhe von ca. 37.000 € keine Ware mehr ausgeliefert wurde. Allerdings hat die GmbH nach den Ermittlungen des Beklagten anhand der vom Insolvenzverwalter zur Verfügung gestellten Kontounterlagen Zahlungen in Höhe von 232.777 € an andere Gläubiger im Haftungszeitraum geleistet. Weiterhin berücksichtigt das Gericht die Einschätzung des Insolvenzverwalters, dass die GmbH spätestens ab Mitte Februar 2010 zahlungsunfähig war. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint die Schätzung einer Tilgungsquote von 80% gerechtfertigt, wie diese auch der Beklagte in dem angefochtenen Haftungsbescheid vorgenommen hat.

35

2.
Dem Kläger ist es gem. § 166 AO verwehrt, im Haftungsverfahren Einwendungen gegen die zu Grunde liegenden Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide geltend zu machen.

36

a)
Nach § 166 AO hat eine gegenüber dem Steuerpflichtigen unanfechtbar festgesetzte Steuer neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch derjenige gegen sich gelten zu lassen, der in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. § 166 AO ist eine Vereinfachungsnorm. Das Haftungsverfahren soll dem von § 166 AO erfassten Haftungsschuldner keine erneute Überprüfungsmöglichkeit hinsichtlich der Steuerfestsetzungen verschaffen, weil er bereits zur Anfechtung der Steuerfestsetzung befugt war oder diese bereits -erfolglos- angefochten hat. Sofern § 166 AO eingreift, soll daher das Haftungsverfahren von den Fragen der materiellen Richtigkeit der Steuerfestsetzungen befreit werden. Insoweit dient § 166 AO der Vereinfachung der Verfahrensabläufe (vgl. Finanzgericht Köln, Urteil vom 13. Oktober 2011 - 13 K 2582/07, EFG 2012, 778). Das Haftungsverfahren dient nicht dazu, dem Haftungsschuldner eine erneute Überprüfungsmöglichkeit der Steuerfestsetzungen im Haftungsverfahren zu ermöglichen, wenn er bereits kraft eigenen Rechts zur Anfechtung der Steuerfestsetzungen befugt war (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 13. Februar 2007 - 11 V 205/06, EFG 2007, 1050). Der Haftungsschuldner muss den gegen den von ihm vertretenen Steuerschuldner ergangenen Steuerbescheid gegen sich gelten lassen, wenn er die Steuerfestsetzung mit Rechtsbehelfen hätte angreifen können (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Juli 2003 - VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540). Zweck der Vorschrift ist es zu verhindern, dass das Steuerfestsetzungsverfahren, das gegen den Steuerpflichtigen durchgeführt worden ist, nochmals im Rahmen eines Haftungsverfahrens gegen einen Dritten aufgerollt wird und sich damit das Verfahren unnötig verzögert (vgl. Cöster in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, Rn 2 zu § 166).

37

Der Kläger hat zwar als gesetzlicher Vertreter der GmbH gegen die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide vom 31. Dezember 2009 und 13. Januar 2010 Einspruch eingelegt und diese damit angefochten. Wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH am 19. Mai 2010 richtet sich die Anfechtung der Umsatzsteuerforderungen i.S.d. § 166 AO durch den Kläger als Vertreter der GmbH nunmehr nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften. Denn insoweit besteht grundsätzlich Vorrang des Insolvenzrechts vor dem Steuerverfahrensrecht (vgl. BFH-Urteil vom 02. November 2010 - VII R 62/10, BStBl. II 2011, 439). Das von der GmbH durch Einlegung des Einspruchs eröffnete Einspruchsverfahren wurde mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 19. Mai 2010 analog § 240 ZPO unterbrochen (vgl. Finanzgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 17. August 2005 - 4 K 1893/02, EFG 2005, 1664).

38

b)
Mit der widerspruchslosen Eintragung der dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Umsatzsteuerforderungen in der Tabelle hat das Einspruchsverfahren seine Erledigung gefunden.

39

Wird während eines finanzgerichtlichen Verfahrens über einen Steueranspruch das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen eröffnet und das Klageverfahren dadurch unterbrochen, bewirkt die widerspruchslose Feststellung der Steuerforderung zur Insolvenztabelle die Erledigung des Finanzrechtsstreits in der Hauptsache (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Mai 2013 - X B 134/12, BStBl. II 2013, 585). Denn nachdem auch der Kläger als Vertreter des Insolvenzschuldners der Haftungsforderung des Beklagten nicht widersprochen hat, wirkt die Eintragung in die Insolvenztabelle gemäß § 178 Abs. 3 und § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil nicht nur gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern, sondern auch gegenüber dem Insolvenzschuldner. Folge der Rechtskraft ist, dass in einem rechtshängigen Verfahren keine abweichende Entscheidung getroffen werden kann und sich der ursprüngliche Rechtsstreit somit in der Hauptsache erledigt hat (vgl. Finanzgericht Hamburg, Gerichtsbescheid vom 15. August 2011 - 3 K 132/11, EFG 2011, 2180 m.w.N.). Da die Eintragung der auf den angefochtenen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheiden beruhenden Umsatzsteuerforderungen in die Insolvenztabelle mangels Widerspruchs des Insolvenzverwalters und der Insolvenzgläubiger wie ein rechtskräftiges Urteil wirkt -§ 178 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 InsO-, tritt jedenfalls dann, wenn -wie vorliegend- auch der Schuldner der Feststellung zur Insolvenztabelle nicht widersprochen hat -vgl. §§ 178 Abs. 1 Satz 2, 184, 201, 257 InsO-, bezüglich der Rechtsstreitigkeiten, die die gegen die Insolvenzmasse gerichteten Steuerforderungen betreffen, die Erledigung der Hauptsache ein (vgl. BFH-Beschluss vom 10. November 2010 - IV B 18/09, BFH/NV 2011, 650).

40

c)
Unabhängig davon, dass nach der neueren Rechtsprechung des BFH die widerspruchslose Feststellung der Steuerforderung zur Insolvenztabelle nicht die Unterbrechung des Rechtsbehelfsverfahrens beendet (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Mai 2013 - X B 134/12, a.a.O. und Lose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Rn. 51 zu § 251 AO), ist die Steuerforderung aber unanfechtbar geworden i.S.d. § 166 AO.

41

Als Voraussetzung der Anwendung des § 166 AO muss die Steuerfestsetzung gegenüber dem Steuerpflichtigen unanfechtbar sein. Nach dem Wortlaut setzt die Regelung des § 166 AO voraus, dass die Steuerfestsetzung nicht -mehr- mit einem förmlichen Rechtsbehelf angefochten werden kann. Denn § 166 AO spricht von einer "unanfechtbaren" Steuerfestsetzung und stellt damit eindeutig auf die Möglichkeit der Anfechtung mittels eines Rechtsbehelfs ab (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, Rn. 18 zu § 166 AO). Gem. § 178 Abs. 3 InsO bewirkt die Eintragung in die Insolvenztabelle nach den zu § 322 ZPO entwickelten Grundsätzen in gleichem Umfang Rechtskraft zwischen den Parteien, wie es bei einem rechtskräftigen Urteil der Fall ist. Diese Rechtskraft führt einerseits zur Unzulässigkeit weiterer Verfahren zwischen den Parteien über denselben Streitgegenstand und hindert andererseits in schon rechtshängigen Verfahren eine abweichende Entscheidung (vgl. BGH-Beschluss vom 02. Februar 2005 - XII ZR 233/02, in juris). Die unbestrittene Eintragung in die Tabelle gilt bei Steuerforderungen daher wie ein bestandskräftiger Verwaltungsakt (vgl. Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 29. Mai 2002 - III 65/1999, EFG 2002, 1274). Die Fortsetzung des Rechtsbehelfsverfahrens ist ausgeschlossen und auch überflüssig, wenn der Schuldner gegen einen Steuerbescheid zunächst Einspruch eingelegt, dem Eintrag der Steuerforderung in die Tabelle jedoch nicht widersprochen hat (vgl. Jatzke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Rn. 325 zu § 253 AO). Gelten die Ansprüche als festgestellt i.S.d. § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO, so können sie nicht mehr mit Rechtsbehelfen angefochten werden (vgl. Lose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Rn. 62 zu § 251 AO).

42

Daher muss der Kläger nach der Regelung des § 166 AO auch im Streitfall durch die widerspruchslose Feststellung der Umsatzsteuerforderungen des Beklagten zur Insolvenztabelle diese gegen sich gelten lassen.

43

d)
Das Gericht folgt nicht der Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf (vgl. Urteil vom 23. März 1982 VIII (II) 91/76 UM, EFG 1982, 550), die Rechtskraftwirkung des Eintrags in die Konkurstabelle erstrecke sich nicht auf den als Haftungsschuldner in Anspruch genommenen Gesellschafter einer OHG, über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet wurde, auch wenn der Haftungsschuldner von der ihm gem. § 144 Abs. 2 KO zustehenden Befugnis, persönlich als Gemeinschuldner Widerspruch zur Konkurstabelle gegen die Eintragung der angemeldeten Forderungen zu erheben, keinen Gebrauch gemacht hat. Dieses Urteil ist zu der Regelung des § 119 AO in der Fassung vor 1977 ergangen, welche Vorläufer der Regelung des § 166 AO 1977 war und bei der die zu jener Norm ergangene Rechtsprechung uneingeschränkt auf § 166 AO übertragen werden kann (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, Rn. 6 zu § 166 AO). Das Finanzgericht Düsseldorf hat sich darauf gestützt, dass diese auf Vorschriften der Privatrechtsordnung beruhende Wirkung des § 119 AO a.F. auf das hoheitliche Verhältnis zwischen Steuergläubiger und Haftungsschuldner nicht übertragen werden könne. Weder enthalte die Konkursordnung keinen Hinweis darauf, im Fall des Konkurses einer OHG verschlechtere ein unterlassener Widerspruch des Gemeinschuldners zugleich seine Position als Haftungsschuldner gegenüber dem Steuergläubiger, noch sei dies aus der Anmeldung der Forderung bzw. deren Eintragung in die Konkurstabelle ersichtlich. In dem vom Finanzgericht Düsseldorf entschiedenen Fall hatte der dortige Kläger im Hinblick auf § 6 KO als Vertreter der Gemeinschuldnerin aber -anderes als im vorliegenden Streitfall- keine Befugnis, Einspruch gegen den auf Grund des vom Konkursverwalter erhobenen Widerspruchs erlassenen Feststellungsbescheid einzulegen. Das Finanzgericht Düsseldorf wendet sich insoweit gegen eine über den Wortlaut hinausgehende, aus dem Sinn des § 119 AO a.F. abgeleitete, ausdehnende Anwendung dergestalt, die dem Gemeinschuldner gem. § 144 Abs. 2 KO persönlich zustehende Befugnis, Widerspruch gegen die angemeldeten Forderungen zu erheben, dem "eigenen Anfechtungsrecht" gleichzustellen.

44

Im Streitfall konnte der Kläger hingegen als Geschäftsführer und damit als gesetzlicher Vertreter der GmbH die Umsatzsteuerfestsetzung anfechten und auch als Vertreter der GmbH -der Insolvenzschuldnerin- Widerspruch gegen die zur Tabelle angemeldeten Forderungen des Beklagten erheben. Die damit zu weit gehende Begründung seiner Auffassung durch das Finanzgericht Düsseldorf lässt den Grundsatz des Vorrangs des Insolvenzrechts außer Acht und dass sich aus § 166 AO ohne Weiteres ergibt, dass der Haftungsschuldner -sofern die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen- den gegen den von ihm vertretenen Steuerschuldner ergangenen Steuerbescheid gegen sich gelten lassen muss und sich folglich ebenso wenig wie der Steuerschuldner selbst gegenüber einem bestandskräftigen Steuerbescheid auf die materielle Rechtslage berufen kann (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Juli 2003 - VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540). Auch würde der Zweck des § 166 AO der Vereinfachung der Verfahrensabläufe entfallen (vgl. Finanzgericht Köln, Urteil vom 13. Oktober 2011 - 13 K 2582/07, EFG 2012, 778). Die Regelung des § 166 AO greift zudem auch gegenüber einem anfechtungsberechtigten Dritten ein, dem die Steuerfestsetzung zunächst nicht bekannt geworden ist, oder der aus anderen tatsächlichen Gründen von seinem Anfechtungsrecht keinen Gebrauch machen konnte (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, Rn. 24 zu    § 166 AO). Daher kann es für die Anwendung des § 166 AO keine Rolle spielen, dass der Kläger als gesetzlicher Vertreter der GmbH nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in diesem Verfahren nicht nochmals darauf hingewiesen wird, dass bereits außerhalb des Insolvenzverfahrens angefochtene Steuerbescheide, sofern diese Forderungen zur Tabelle angemeldet wurden, im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu bestreiten sind. Da die widerspruchslose Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle einem rechtskräftigen Urteil vergleichbar ist, kann einem vor dem Insolvenzverfahren erhobenen Einspruch gegen einen Steuerbescheid keine Bedeutung mehr zukommen. Dies zeigt sich auch darin, dass nach der neueren Rechtsprechung des BFH die widerspruchslose Feststellung der Steuerforderung nicht zugleich die Unterbrechung eines finanzgerichtlichen Verfahrens beendet (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Mai 2013 - X B 134/12, a.a.O.).

45

e)
Unerheblich ist, ob der Kläger zum Zeitpunkt der Gläubigerversammlung krankheitsbedingt außer Stande gewesen war, im Insolvenzverfahren der GmbH Widerspruch zur Tabelle einzulegen. Daher bedurfte es keiner Beweiserhebung zu dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag.

46

Aus den vorgelegten Attesten ergibt sich für die erste Gläubigerversammlung am 24. Juni 2010 allerdings keine Arbeitsunfähigkeit des Klägers und der Kläger wurde an diesem Tag aus der Privatklinik Dr. A GmbH entlassen.

47

Die Drittwirkung der Steuerfestsetzung gem. § 166 AO greift aber gegenüber einem Geschäftsführer als Haftungsschuldner bereits insoweit ein, als dieser aufgrund der gesetzlichen Regelungen über die Vertretung der Gesellschaft zur Anfechtung der Steuerbescheide befugt gewesen wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 30. Dezember 1998 – VII B 168/98, VII B 171/98, VII B 168/98, VII B 171/98, BFH/NV 1999, 1054). "In der Lage sein" im Sinne des § 166 AO meint die rechtliche Befugnis zur Anfechtung der Steuerfestsetzung, nicht die tatsächliche Möglichkeit (vgl. Finanzgericht Köln, Urteil vom 13. Oktober 2011 – 13 K 2582/07, EFG 2012, 778; Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 29. Juni 2007 – 1 V 59/07, EFG 2007, 1654).

48

Zwar hatte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 15. Mai 2010 gekündigt. Allerdings berührt diese Kündigung die Stellung des Klägers als Geschäftsführer der GmbH nicht, da der Kläger von der Gesellschafterversammlung der GmbH nicht abberufen und kein neuer Geschäftsführer bestellt wurde. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses berührt nur den Anspruch des Klägers auf Vergütung seiner Geschäftsführertätigkeit, nicht aber das Organverhältnis (vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Rn 63 zu § 35). Der Kläger war also rechtlich in der Lage, den Widerspruch gegen die Steuerforderung des Beklagten zur Tabelle anzumelden. Zudem wurde der Kläger weiterhin vom Insolvenzgericht als Vertreter der GmbH über den Gang des Insolvenzverfahrens informiert.

49

Im Übrigen war der Kläger ausweislich der vorgelegten Atteste des als Zeuge benannten Arztes auch nicht während des gesamten Zeitraums von der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens bis zur ersten Gläubigerversammlung arbeitsunfähig. Vielmehr war der Kläger danach in der Zeit vom 11. Mai 2010 bis zum 1. Juni 2010 nicht arbeitsunfähig. Jedenfalls hätte der Kläger wenigstens für seine Vertretung sorgen können. Zudem bedeutet die dem Kläger attestierte Arbeitsunfähigkeit nicht, dass der Kläger nicht in der Lage gewesen wäre, gegenüber dem Insolvenzverwalter den Widerspruch schriftlich bis zur ersten Gläubigerversammlung zu erklären.

50

3.
Auch wenn es daher nicht darauf ankommt, weist das Gericht darauf hin, dass die Einwände des Klägers gegen die Umsatzsteuervorauszahlungsfestsetzungen ohnehin unbeachtlich sind.

51

Nach der neueren Rechtsprechung des BFH sind die Voraussetzungen für das Vorliegen und den Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung durch eine Reihe von Urteilen unter Bezug auf die Rechtsprechung des EuGH im Wesentlichen geklärt. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich danach, dass die Verpflichtung des Unternehmers nach § 6a Abs. 3 UStG, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach Maßgabe der §§ 17a, 17c UStDV nachzuweisen, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Entgegen der früheren Rechtsprechung des BFH sind die Nachweispflichten aber keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Die Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG und §§ 17a, 17c UStDV bestimmen vielmehr lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat (BFH-Urteile vom 6. Dezember 2007 - V R 59/03, UR 2008, 186; vom 8. November 2007 - V R 71/05 und V R 72/05, UR 2008, 337 und UR 2008, 340). Nach der neueren Rechtsprechung des BFH folgt daraus, dass sofern der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nachkommt, grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung gem. § 6a Abs. 1 UStG nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der -formellen- Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbrachte (BFH-Urteile vom 6. Dezember 2007 - V R 59/03, a.a.O.; vom 8. November 2007 - V R 71/05 und V R 72/05, a.a.O.).

52

a)
Im Streitfall ergibt sich aus den Auskunftsersuchen der französischen Steuerverwaltung aber gerade nicht, dass die Waren an die angeblichen Abnehmerfirmen geliefert wurden und dass es in Frankreich lediglich an einer Erwerbsbesteuerung der Lieferungen fehlt. Allein mit der Aussage in den Kurzberichten der Steuerfahndung, die französische Steuerverwaltung habe hinsichtlich angeblicher Warenlieferungen um Amtshilfe gebeten, ergibt sich aber nicht, dass die Lieferungen tatsächlich an die angegebene Abnehmerfirma erfolgt sind und die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung im Übrigen vorgelegen hätten. Im Schreiben vom 4. März 2010 hat der Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Informationen der französischen Steuerverwaltung über die fehlende Erwerbsbesteuerung lediglich als ein Hinweis unter mehreren angeführt seien, warum an der Richtigkeit des Belegnachweises gezweifelt werde.

53

b)
Entscheidend ist im Streitfall jedenfalls, dass weder durch den Beleg- oder Buchnachweis noch auf sonstige Art und Weise nachgewiesen ist, dass der tatsächliche Abholer der gelieferten Gegenstände für die angeblichen Käufer der Waren in dem anderen Mitgliedstaat tätig geworden ist.

54

Zu der Erfüllung der formellen Nachweispflichten ist in § 17a Abs. 1 Satz 1 UStDV geregelt, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Dies muss sich gem. § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV aus den Belegen eindeutig ergeben. In den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer soll der Unternehmer den erwähnten Nachweis gem. § 17a Abs. 2 UStDV durch
- das Doppel der Rechnung (Nr. 1),
- einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein (Nr. 2),
- eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten (Nr. 3),
sowie
- eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet "zu befördern" (Nr. 4) führen.

55

Der für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung geforderte Belegnachweis kann nicht durch eine mündliche, sondern nur durch eine schriftliche Versicherung geführt werden. Dies ergibt der Hinweis auf "Belege" in § 17a Abs. 1 Satz 1 UStDV. Die gesetzlich geforderte eindeutige und leichte Nachprüfung muss gem. § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV aus Urkunden in Form von Belegen möglich sein (BFH-Urteil vom 18. Juli 2002 - V R 3/02, BStBl. II 2003, 616).

56

Zwar gehört die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nicht zu den Erfordernissen eines ordnungsgemäßen Belegnachweises, ebenso wenig der Nachweis der Legitimation des Unterzeichners einer solchen Vollmacht (vgl. BFH-Beschluss vom 3. August 2009 - XI B 79/08, BFH/NV 2010, 72). Aber die Belege haben im Hinblick auf die Nachweisfunktion stets bestimmten Mindestanforderungen zu entsprechen. So kommt einem Beleg, der weder selbst noch durch Verbindung mit anderen Unterlagen den Namen und die Anschrift des Ausstellers erkennen lässt, kein Beweiswert zu, zumal die Belegangaben dann nicht eindeutig und leicht nachprüfbar sind (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 - V R 65/06, BStBl. II 2010, 511). In den sog. Abholfällen i. S. d. § 17a Abs. 2 UStDV, in denen ein vom Abnehmer Beauftragter den Liefergegenstand abholt, muss sich aus der Versicherung gemäß § 17 a Abs. 2 Nr. 3 UStDV daher ergeben, dass dieser Beauftragter des Abnehmers ist und es muss ein Bezug zu der Lieferung bzw. dem Liefergegenstand, für den Abholvollmacht erteilt wird, erkennbar sein. In diesem Fall muss die Empfangsbestätigung oder die Versicherung eine mit Datum versehene Unterschrift des Beauftragten enthalten und die Identität des Beauftragten muss belegt werden (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 2007 V R 26/05, BFH/NV 2008, 1067).

57

Erweisen sich die Nachweisangaben aber als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht nach allgemeinen Beweisregeln und -grundsätzen ausräumt, ist die Lieferung steuerpflichtig. Der Unternehmer trägt dabei das Risiko einer nicht geglückten Aufklärung einer als zweifelhaft erscheinenden Beförderung zum Bestimmungsort oder einer zweifelhaften Bevollmächtigung eines Abnahmebeauftragten (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 - V R 65/06, BFH/NV 2009, 1555).

58

Im Streitfall ergibt sich weder aus den vorgelegten Belegen, dass die Waren durch den Abholer für den Käufer der Waren im Rahmen der Lieferbeziehung in den anderen Mitgliedstaat befördert wurden, noch ergibt sich dies aus den vom Kläger im Rechtsbehelfsverfahren nachträglich vorgelegten Unterlagen. Für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht lediglich ausreichend, dass die Waren in den anderen Mitgliedstaat gelangt sind. Denn für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung kommt es nicht allein darauf an, dass die Liefergegenstände auf irgend einem Wege ins übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt, sondern dass die Lieferung von dem Leistenden im Inland an den Leistungsempfänger im übrigen Gemeinschaftsgebiet aufgrund der Vertragsbeziehungen, die der Leistung zugrunde liegen, nachgewiesen wird. Diesen Nachweis hat der Kläger im Streitfall aber nicht erbracht.

59

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so hat dies neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten.

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

Wer als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, hat die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann.

(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.

(2) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so hat dies neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten.

(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.

Die Insolvenzgläubiger können ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Verwalter in dem über das Vermögen des X e.V. (im Folgenden: Schuldner) am 1. März 2001 eröffneten Insolvenzverfahren. Er hat im Juli 2002 für den Schuldner betreffend den Zeitraum Januar und Februar 2001 eine Umsatzsteuererklärung abgegeben. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ist von dieser Erklärung abgewichen und hat eine Steuerberechnung für diesen Zeitraum aufgestellt, in der es einen Vorsteuervergütungsanspruch von ... € ausgewiesen hat. Ferner hat das FA Forderungen in Höhe von ... DM im Insolvenzverfahren angemeldet, die zur Tabelle festgestellt worden sind.

2

Mit Umbuchungsmitteilung vom November 2004 hat das FA vorgenannten Vorsteuervergütungsanspruch mit offenen vorinsolvenzlichen Steuerforderungen verrechnet und hierüber am 13. Mai 2005 einen Abrechnungsbescheid erteilt. Der dagegen vom Kläger erhobene Einspruch führte zur Änderung des Abrechnungsbescheids dahin, dass lediglich ... € gegen Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer und Umsatzsteuer 2000 verrechnet wurden. Dafür hatte das FA aus der Differenz zwischen der Umsatzsteuer 2001 in Höhe von ... DM und den auf den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfallenden Vorsteuern in Höhe von ... DM einen Vergütungsanspruch von ... € als vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet und nicht durch Saldierung gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) verbraucht ermittelt. Im Übrigen wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

3

Die deswegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Es urteilte, der vom FA erklärten Aufrechnung stehe das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 der Insolvenzordnung (InsO) nicht entgegen. Der Abschluss von Verträgen, Lieferungen und sonstigen Leistungen sowie die Erteilung von Rechnungen könnten zwar anfechtbare Rechtshandlungen im Sinne dieser Vorschrift darstellen. Das FA habe die Möglichkeit der Aufrechnung jedoch nicht durch solche Rechtshandlungen erlangt. Denn diese seien zwar Voraussetzung für die Entstehung eines Vorsteuerabzugsrechts, ließen jedoch noch keinen Vorsteuervergütungsanspruch entstehen. Der Schuldner habe das Umsatzsteuerguthaben erst durch die Umsatzsteuererklärung 2001 erlangt, also durch Handlungen, die von dem Kläger selbst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden seien. Schon deshalb handele es sich nicht um anfechtbare Rechtshandlungen i.S. der §§ 129 ff. InsO. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Vergütungsanspruch vom FA durch eine abweichende Festsetzung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens festgesetzt worden sei. Denn auch dies stelle keine anfechtbare Rechtshandlung dar.

4

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, mit der die Verletzung des materiellen Rechts gerügt wird.

5

Die vom FA erklärte Aufrechnung sei gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3, § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO unwirksam.

6

Das FG sei davon ausgegangen, dass der für die Anfechtung maßgebliche Zeitpunkt dann vorliege, wenn die gesamte Aufrechnungslage erlangt sei. Das widerspreche der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Nicht die Aufrechnungslage sei Anfechtungsgegenstand, sondern diejenige Rechtshandlung, die zu einer Aufrechnungsvoraussetzung führe und damit den Rechtsgrund einer Aufrechnungslage schaffe. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei es für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausreichend, wenn die Aufrechnungslage im Begriff sei zu entstehen und die für die Aufrechnung notwendigen Forderungen in ihrem Kern begründet seien. Diese Sichtweise sei auch für § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO maßgeblich; eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung hinsichtlich der beiden vorgenannten Vorschriften führte zu einem Wertungswiderspruch.

7

Es ergebe sich dann auch ein Widerspruch zu § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO, der gerade bei im Entstehen begriffenen Aufrechnungslagen eingreife und die Aufrechnung im Insolvenzverfahren zulasse. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO inkorporiere die Voraussetzungen der Gläubigerbenachteiligung i.S. des § 129 Abs. 1 InsO. Würde sich § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ausschließlich auf eine vollständig entwickelte Aufrechnungslage beziehen, wie das FG angenommen habe, so würde es immer an der Gläubigerbenachteiligung fehlen, da dem Insolvenzgläubiger bereits eine nach dem Modell des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO schützenswerte Rechtsposition erwachsen wäre. § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO verdränge § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht. Entscheidend für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift sei, ob eine Handlung die Möglichkeit der Aufrechnung schaffe und damit den Grundstein für eine Aufrechnung lege, sei es durch Begründung der Hauptforderung, sei es durch Begründung der Gegenforderung oder der Gegenseitigkeit. Für die Anfechtbarkeit der Aufrechnungslage sei allein entscheidend, wann das Gegenseitigkeitsverhältnis begründet worden sei (Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 11. November 2004 IX ZR 237/03, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 2005, 487).

8

Die Revision weist ferner darauf hin, dass der Vorsteuervergütungsanspruch i.S. des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO nach der Rechtsprechung des BFH vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sei, weil der zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung führe, in diesem Zeitraum verwirklicht worden sei. § 95 InsO gehe der Regelung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht vor (Hinweis auf das vorgenannte Urteil des BGH).

9

Unzutreffend sei auch die Annahme des FG, der Vorsteuervergütungsanspruch entstehe erst mit der Steueranmeldung. In Wahrheit entstehe die Umsatzsteuer in dem Moment, in dem sie berechenbar werde, nämlich mit dem Ende des letzten Tages des betreffenden Veranlagungszeitraums (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 9. Mai 1996 V R 62/94, BFHE 181, 188, BStBl II 1996, 662). Auch ein Vergütungsanspruch entstehe wie alle Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht sei, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpfe. Er entstehe also bereits dann, wenn die Vorsteuerbeträge aus Fremdumsätzen die Umsatzsteuer aus Eigenumsätzen überschritten. Er sei unabhängig davon, ob der Unternehmer eine Steueranmeldung abgebe.

10

Es fehle auch nicht an einer anfechtbaren Rechtshandlung. Als eine solche Rechtshandlung seien Lieferungen oder sonstige Leistungen eines Unternehmers zu qualifizieren. Allein entscheidend sei, ob eine solche Handlung rechtliche Wirkung zeitige und die Befriedigung eines Insolvenzgläubigers ermögliche. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats seien steuerrechtliche Vergütungs- und Erstattungsansprüche nach denselben Grundsätzen zu beurteilen, die für die Behandlung von Steueransprüchen maßgeblich seien (Hinweis auf das Urteil vom 31. Mai 2005 VII R 74/04, BFH/NV 2005, 1745). Folglich sei auch die Rechtsprechung des BGH maßgeblich, die umsatzsteuerpflichtige Leistungen des Schuldners an andere Unternehmer als anfechtbare Rechtshandlungen ansehe; für einen Vorsteuervergütungsanspruch könne nichts anderes gelten.

11

Schließlich rügt die Revision eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch das FG, weil ein vergleichbarer Sachverhalt ohne sachlichen Grund anders als von der ordentlichen Gerichtsbarkeit behandelt werde. Die Zuständigkeit der Finanzgerichtsbarkeit für die Entscheidung eines insolvenzanfechtungsrechtlich zu beurteilenden Falles ergebe sich überdies aus einer zufälligen Zuweisung, da die Zuständigkeit der Finanzgerichtsbarkeit nur durch den steuerrechtlichen Abrechnungsbescheid begründet werde, welcher den tatsächlichen Gehalt des Rechtsstreits nicht berücksichtige.

12

Die Revision weist abschließend darauf hin, dass das FA unstreitig Kenntnis von der Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung hatte und durch dessen Aufrechnungserklärung die Befriedigungsmöglichkeit der konkurrierenden Insolvenzgläubiger verschlechtert werde.

13

Das FA hat mitgeteilt, dass es nicht beabsichtige, zur Revisionsbegründung Stellung zu nehmen.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision des Klägers ist begründet und führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Der Vorsteuervergütungsanspruch des Schuldners ist nicht durch Verrechnung mit den gegen ihn gerichteten Forderungen des FA erloschen, sofern die dem Vergütungsanspruch zugrundeliegenden Umsätze unter den Voraussetzungen des § 130 oder § 131 InsO von dem Insolvenzschuldner getätigt worden sind, was noch vom FG aufzuklären sein wird. Die Aufrechnungserklärung des FA wäre nämlich dann insoweit gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unwirksam und der angefochtene Bescheid rechtswidrig, so dass er den Kläger in seinen Rechten verletzte (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

15

1. Nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist eine Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Die Vorschrift verfolgt das Ziel, den Anfechtungsvorschriften der InsO (§§ 129 ff. InsO) im Hinblick auf eine von einem Insolvenzgläubiger erklärte Aufrechnung in dem Sinne Geltung zu verschaffen, dass einer etwaigen Aufrechnungserklärung die Rechtswirkung genommen und dadurch eine anderenfalls etwa notwendige Anfechtung der betreffenden Rechtsvorgänge seitens des Insolvenzverwalters überflüssig wird (vgl. Windel in Jaeger, Insolvenzordnung, § 96 Rz 45 f.; Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 96 Rz 46; Bork, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht --ZinsO-- 2003, 686, 687). Sie ist dahin zu verstehen, dass der Erwerb der Möglichkeit der Aufrechnung zugunsten eines späteren Insolvenzgläubigers erfolgt sein muss, dieser also nicht etwa bereits beim Erwerb dieser Möglichkeit Insolvenzgläubiger, mithin das Insolvenzverfahren beim Erwerb noch nicht anhängig gewesen sein muss. Vielmehr schränkt § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO gerade § 94 InsO ein, der grundsätzlich eine vor Verfahrenseröffnung eingetretene Aufrechnungslage während des Insolvenzverfahrens fortbestehen lässt und die Abgabe einer Aufrechnungserklärung während desselben zulässt (Uhlenbruck, a.a.O., § 96 Rz 46; vgl. auch Onusseit, Festschrift für Walter Gerhardt, 2004, S. 725, 737 ff.).

16

a) Das FA ist im Streitfall Insolvenzgläubiger; denn es hat gegen den Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete (Steuer-)Forderungen, die nicht beglichen worden sind (vgl. § 38 InsO). Fraglich und für die Beurteilung der Streitsache entscheidend ist, ob das FA die Möglichkeit der Aufrechnung i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO "durch eine anfechtbare Rechtshandlung" erlangt hat, sofern es --wie hier einstweilen unterstellt werden soll-- unter den in § 130 InsO oder § 131 InsO bezeichneten Voraussetzungen, insbesondere etwa in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Steuerschuldners (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO), Schuldner eines Anspruchs desselben, wie im Streitfall des Vergütungsanspruchs des Schuldners aufgrund eines Vorsteuerüberhangs, oder Gläubiger von Steuerforderungen gegen den (späteren) Insolvenzschuldner geworden ist. Denn ob das eine oder das andere eingetroffen ist, ist für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ohne Belang. Die Vorschrift nimmt einer Aufrechnungserklärung ihre Wirksamkeit (d.h.: erklärt sie für unzulässig) ungeachtet dessen, ob die anfechtbare Rechtshandlung --wie hier-- die Begründung der Haupt- oder ob sie die Begründung einer Gegenforderung zur Folge hat. Danach zu unterscheiden gäbe weder der Wortlaut noch der eben erläuterte Sinn der Vorschrift irgendeinen Anhaltspunkt. Die anfechtbare Rechtshandlung kann also sowohl eine Vermehrung der Schulden des Insolvenzschuldners als auch eine Verringerung seines Aktivvermögens auslösen (Uhlenbruck, a.a.O., § 96 Rz 47; MünchKommInso/Kirchhof, 2. Aufl., § 129 Rz 100, beide mit zahlr. Nachw.).

17

b) Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 16. November 2004 VII R 75/03 (BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193) erkannt, § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO hindere die Aufrechnung des Finanzamts mit Steuerforderungen aus der Zeit vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen einen durch einen Vorsteuerüberhang ausgelösten Vergütungsanspruch des Insolvenzschuldners (dort aufgrund der Vorsteuer aus dem Vergütungsanspruch eines vorläufigen Insolvenzverwalters), der in "kritischer" Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens seinen Entstehungsgrund hat, nicht; denn es fehle in einem solchen Fall an einer Rechtshandlung, weil die Verpflichtung des Schuldners zur Vergütung der Tätigkeit eines vorläufigen Insolvenzverwalters nicht auf einer vertraglichen Vereinbarung, sondern auf dessen Bestellung durch das Insolvenzgericht und der von diesem vorgenommenen Festsetzung seiner Vergütung beruhe, die vom vorläufigen Insolvenzverwalter für die Ausführung seiner Leistung zu entrichtende Umsatzsteuer --wie jede Steuer-- kraft Gesetzes entstehe und das Gleiche für die damit korrespondierende Berechtigung des Leistungsempfängers (Insolvenzschuldner) zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG gelte.

18

Demgegenüber hat der BGH in seinem Urteil vom 22. Oktober 2009 IX ZR 147/06 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2010, 413) darauf hingewiesen, dass Steuertatbestände in der Regel an Rechtshandlungen des Steuerpflichtigen oder Dritter anknüpfen und hieraus die Steuerpflicht ableiten, so wie es auch bei umsatzsteuerpflichtigen Leistungen der Fall sei, die zum Entstehen einer Steuerforderung des Finanzamts führen. Das ändert aber nach Auffassung des BGH nichts daran, dass die betreffenden (umsatzsteuerpflichtigen) Leistungen, welche zum Entstehen der Steuerforderung führen, eine Rechtshandlung i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO darstellen.

19

Der erkennende Senat folgt nach erneuter rechtlicher Prüfung dieser Beurteilung des BGH.

20

aa) Der in diesem Zusammenhang entscheidende Begriff "Rechtshandlung" ist in § 129 InsO als Handlung definiert, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist und die Insolvenzgläubiger benachteiligt; er bezeichnet also, wie es der Senat in seinem Urteil in BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193 einleitend ausgeführt hat, ein von einem Willen getragenes Handeln, das rechtliche Wirkungen auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann. Umsatzsteuer (auch: zu vergütende Umsatzsteuer) entsteht zwar von Gesetzes wegen --sowohl die Steuerschuld des Leistenden wie der Anspruch des Leistungsempfängers auf Anrechnung der im an den Leistenden zu entrichtenden Entgelt enthaltenen sog. Vorsteuer--, das Entstehen von Umsatzsteuer bzw. Vorsteuer setzt jedoch voraus, dass eine Leistung erbracht wird. Diese Leistungserbringung sieht der erkennende Senat in Übereinstimmung mit dem BGH und der auch im Schrifttum allgemein vertretenen Auffassung als eine Rechtshandlung i.S. des § 129 InsO an.

21

Eine Leistungserbringung mag zwar kein Rechtsgeschäft sein, aber sie ist eine Rechtshandlung. Dass die (unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 130 ff. InsO anfechtbare) Rechtshandlung unmittelbar und unabhängig vom Hinzutreten etwaiger weiterer Umstände (hier insbesondere der späteren Abgabe einer Umsatzsteueranmeldung bzw. der abweichenden Berechnung der maßgeblichen Vergütung durch das FA) eine Aufrechnungslage zum Entstehen bringen müsste, setzt § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht voraus. Er verlangt lediglich, dass die Rechtshandlung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, dass sie irgendeine Voraussetzung für die Aufrechnungsmöglichkeit des Insolvenzschuldners geschaffen hat (vgl. Uhlenbruck, a.a.O., § 96 Rz 47) und dass die Rechtshandlung die Insolvenzgläubiger benachteiligt. Wenn es an Letzterem auch im Hinblick auf die Leistungserbringung als solcher fehlen mag --der Verpflichtung zur Zahlung des Entgelts für die vom Schuldner in Anspruch genommenen Leistungen steht gegenüber, dass zugunsten des Insolvenzschuldners (möglicherweise zumindest) gleichwertige Leistungen erbracht worden sind--, fehlt es daran nicht im Hinblick auf die durch die Leistungserbringung und den daraus folgenden Anspruch auf Anrechnung von Vorsteuer ausgelöste Möglichkeit des FA zur Aufrechnung seiner vorinsolvenzlich begründeten Forderungen.

22

Die Leistungserbringung zeitigte im Streitfall neben einem Anspruch auf das Leistungsentgelt u.a. das Entstehen einer Aufrechnungslage für das FA. Dadurch sind die übrigen Gläubiger des Schuldners benachteiligt. Denn durch eine Aufrechnung erhält das FA nach Art einer abgesonderten Befriedigung vollständige Befriedigung für seine verrechneten Forderungen, für die es sonst, weil es sich um Insolvenzforderungen handelt, nur mit einer Befriedigung nach Maßgabe der im Insolvenzverfahren errechneten Quote rechnen könnte.

23

Hat eine (an sich einheitliche) Rechtshandlung in solcher Weise mehrere, abtrennbare Rechtswirkungen, darf deren anfechtungsweise Rückgewähr nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, dass die Handlung auch sonstige, für sich nicht anfechtbare Folgen ausgelöst habe (BGH-Urteil vom 5. April 2001 IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233). Denn Gegenstand der Anfechtung ist nicht die Rechtshandlung selbst, sondern angefochten wird eine bestimmte gläubigerbenachteiligende Wirkung, die durch eine Rechtshandlung ausgelöst wird (BGH-Urteil vom 21. Januar 1999 IX ZR 329/97, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --ZIP-- 1999, 406, mit Schrifttumsnachweisen; vgl. statt aller auch MünchKommInso/Kirchhof, a.a.O., § 129 Rz 56a). Es ist folglich belanglos, ob die Eingangsumsätze, aus denen die betroffenen Vorsteuerbeträge herrühren, im Interesse der Masse lagen und insofern als solche nicht anfechtbar sind. Einen Rechtsgrundsatz, dass mehrere durch eine Handlung ausgelöste Rechtswirkungen nur ganz oder gar nicht anfechtbar sind, gibt es nicht (siehe auch Rz 11 des BGH-Urteils in HFR 2010, 413). Das gilt auch für solche Folgen --z.B. eine Aufrechnungslage--, die im Kausalverlauf einen Schritt ferner liegen als nähere, unanfechtbare Rechtsfolgen, z.B. ein die Aufrechnungslage herbeiführender Vertragsschluss (BGH-Urteil in BGHZ 147, 233).

24

Die bei einer durch die Unwirksamkeitsanordnung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO, wie dargelegt, erübrigten Insolvenzanfechtung zu beanspruchende Rückgewähr der Aufrechnungslage bestünde demgemäß nicht etwa in der Rückabwicklung des durch die vom Schuldner getroffene Leistungsvereinbarung begründeten Rechtsverhältnisses, sondern in der Durchsetzung seiner Steuervergütungsforderung unabhängig von der Gegenforderung des FA. Dementsprechend lässt § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO völlig unberührt, dass die Vergütungsforderung des Schuldners zwar (gegenüber der Masse) befriedigt werden muss, allerdings (sofern eine anfechtbare Rechtshandlung vorliegt) nicht im Wege der Aufrechnung zur Befriedigung für alte Schulden des Insolvenzschuldners verwendet werden darf (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 147, 233).

25

bb) An den Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO fehlt es auch nicht deshalb, weil die gläubigerbenachteiligende Wirkung der durch die Inanspruchnahme von Leistungen seitens des Schuldners ausgelösten Aufrechnungslage deshalb in Zweifel gezogen werden müsste, weil es an der erforderlichen Kausalität der Rechtshandlung für die anfechtungsrelevante Rechtsfolge --die Aufrechnungslage-- fehlte. Anfechtbarkeit setzt allerdings einen solchen Kausalzusammenhang voraus (MünchKommInso/ Kirchhof, a.a.O., § 129 Rz 169; Dauernheim, Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 5. Aufl., § 129 Rz 40). Der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der angefochtenen Rechtshandlung und der Beeinträchtigung des Gläubigerzugriffs auf die Masse ist jedoch schon dann gegeben, wenn die Rechtshandlung im natürlichen Sinne eine (nicht hinwegzudenkende) Bedingung für die Gläubigerbenachteiligung darstellt; er setzt nicht voraus, dass ggf. ein weiterer Umstand, der zu der angefochtenen Rechtshandlung hinzutritt und erst mit dieser zusammen die Gläubigerbenachteiligung auslöst, seinerseits durch eine anfechtbare Rechtshandlung verursacht ist (BGH-Urteil vom 9. Dezember 1999 IX ZR 102/97, BGHZ 143, 246), und er wird durch das Hinzutreten solcher weiteren Umstände auch nicht etwa unterbrochen.

26

cc) Schließlich fehlt es für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO auch nicht daran, dass das FA --wie diese Vorschrift sinngemäß voraussetzt-- infolge einer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begangenen Rechtshandlung in den Genuss einer Aufrechnungsmöglichkeit gelangt ist.

27

Die als Anknüpfungspunkt der Anfechtung maßgebliche Rechtshandlung, das Erbringen der Leistung, ist gleichsam im natürlichen Sinne vor diesem Zeitpunkt vorgenommen worden. Durch sie ist der Vorsteuervergütungsanspruch zwar noch nicht steuer(verfahrens)rechtlich begründet worden, wohl aber als insolvenzrechtlicher Anspruch. Denn für das insolvenzrechtliche Begründetsein einer Forderung oder eines Anspruchs kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. dazu zusammenfassend Rüsken, ZIP 2007, 2053) nicht auf das Entstehen im steuer(verfahrens)rechtlichen Sinn, sondern auf die Verwirklichung des Lebenssachverhalts an, der die betreffenden steuerrechtlichen Folgen hat. Aber schon die tatsächliche Verwirklichung des Besteuerungstatbestandes lässt den steuerlichen Anspruch aufschiebend bedingt durch das Eintreten der steuerverfahrensrechtlichen Voraussetzungen seiner Wirksamkeit entstehen (vgl. statt aller Senatsurteil vom 17. April 2007 VII R 27/06, BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, und Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl., S. 95, m.w.N. aus der Rspr.).

28

§ 140 Abs. 1 InsO ändert daran nichts. Denn § 140 Abs. 3 InsO lässt den Eintritt einer solchen Bedingung für die Bestimmung des Zeitpunkts außer Betracht, in dem die Rechtshandlung als vorgenommen anzusehen ist, welcher sonst durch § 140 Abs. 1 InsO auf den Zeitpunkt gelegt wird, in dem die Rechtswirkungen der Rechtshandlung eintreten (i.e.: die Aufrechnungslage entsteht). Das gilt nicht nur für Forderungen des Finanzamts, sondern auch für steuerliche Forderungen des Steuerpflichtigen.

29

Allerdings wird in der Rechtsprechung des BGH und im Schrifttum die Auffassung vertreten, § 140 Abs. 3 InsO sei unmittelbar nur bei Rechtsgeschäften anwendbar, weil andere Rechtshandlungen nicht bedingt oder befristet sein könnten (BGH-Urteil vom 14. Dezember 2006 IX ZR 102/03, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2007, 1588; vgl. auch Henckel in Jaeger, a.a.O., § 140 Rz 50). Das trifft freilich nur für eine rechtsgeschäftliche Bedingung zu, nicht aber für vom Gesetz aufgestellte "Bedingungen", unter denen nach vorgenannter Rechtsprechung des Senats Ansprüche der hier strittigen Art stehen. § 140 Abs. 3 InsO ist daher nach Auffassung des erkennenden Senats in dem hier strittigen Zusammenhang unmittelbar zumindest aber entsprechend anzuwenden (vgl. zu dieser Möglichkeit auch die Urteile des BGH in NJW 2007, 1588, und vom 14. Juni 2007 IX ZR 56/06, NJW 2007, 2640).

30

§ 140 Abs. 3 InsO verfolgt nämlich das Ziel, Ansprüche als insolvenzfest zu erhalten, obwohl sich der Rechtserwerb erst in kritischer Zeit vollendet hat, wofür dann keine Rechtfertigung besteht, wenn der Anfechtungsgegner vor Beginn jenes "kritischen" Zeitraums noch keine unentziehbare Rechtsposition erlangt hatte (BGH-Urteil in NJW 2007, 2640). Denn § 140 Abs. 1 InsO beruht auf dem Rechtsgedanken, "dass der Zeitpunkt entscheiden soll, in dem durch die Handlung eine Rechtsposition begründet worden ist, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne die Anfechtung beachtet werden müsste" (BGH-Urteil vom 22. Januar 2004 IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350). Mit der Leistungserbringung wird aber aufgrund der einschlägigen Regelungen des UStG eine gleichsam automatisch ablaufende Ereigniskette in Gang gesetzt (ähnlich wie in den in § 140 Abs. 2 InsO ausdrücklich geregelten Fällen), weil der Insolvenzschuldner gegenüber dem leistenden Unternehmer Anspruch auf Ausweisung der Umsatzsteuer und gegenüber dem Finanzamt auf deren Berücksichtigung als Vorsteuer hat; es hängt also nicht etwa von einer im ungewissen Belieben Dritter stehenden Handlung ab, ob die rechtliche Wirkung der Leistungserbringung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintritt.

31

§ 140 Abs. 1 InsO hat im Gegensatz hierzu sog. mehraktige Rechtshandlungen im Blick, die anfechtbar bleiben sollen, auch wenn der erste Akt noch in "unkritischer" Zeit vorgenommen worden ist (etwa eine Abtretung künftiger Forderungen oder eine Vorausverpfändung sowie eine Pfändung einer künftigen Forderung, welche erst mit deren Entstehen rechtliche Wirkung i.S. des § 140 Abs. 1 InsO entfalten sollen; vgl. BGH-Urteil vom 20. März 2003 IX ZR 166/02, BFH/NV 2004, Beilage 2, 179). Eine solche mehraktige Rechtshandlung i.S. des § 140 Abs. 1 InsO liegt aber hier nicht deshalb vor, weil die steuerrechtlichen Wirkungen einer anfechtbaren Rechtshandlung aufgrund steuerverfahrensrechtlicher Regelungen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintreten, wenn anders nicht der grundsätzliche Vorrang des Insolvenzrechts vor dem Steuerverfahrensrecht missachtet werden soll (vgl. statt aller Urteil des Senats vom 17. Dezember 1998 VII R 47/98, BFHE 188, 149, BStBl II 1999, 423).

32

dd) Selbst wenn man indes § 140 Abs. 3 InsO nicht anwenden würde, müsste die Klage im Streitfall Erfolg haben, weil die Aufrechnung dann aufgrund des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO --erst recht-- unzulässig wäre. Würde nämlich --entgegen der Rechtsprechung des Senats-- die insolvenzrechtliche Beachtlichkeit der Aufrechnungslage erst in dem Zeitpunkt angenommen, in dem auch die steuerverfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine Aufrechnung eingetreten sind, durch Saldierung gemäß § 16 UStG also ein --wie das FG meint-- "erfüllbarer Anspruch" auch steuerverfahrensrechtlich entstanden ist, so bedeutete dies, dass das FA die Vorsteuervergütung erst infolge von Ereignissen schuldig geworden wäre, die das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO auslösten, weil sie nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten sind.

33

2. Die Entscheidung hängt nach alledem davon ab, ob das FA im Streitfall die Möglichkeit der Aufrechnung unter den Voraussetzungen des § 130 InsO oder des § 131 InsO erlangt hat oder sich --was freilich nicht ernstlich in Betracht zu ziehen ist-- die Anfechtbarkeit seiner Aufrechnungsmöglichkeit anderweit ergibt.

34

Dazu hat das FG entsprechend seinem Rechtsstandpunkt nichts festgestellt. Aus seinem Urteil ergibt sich zwar, dass die Vorsteuer, die auf die betreffenden Umsätze entfällt, in Voranmeldungszeiträumen nach dem Insolvenzantrag erfasst worden ist. Das lässt es naheliegend erscheinen, dass die betreffenden Leistungen nach dem Insolvenzantrag oder in der Zeit unmittelbar vor demselben und damit unter den Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO bzw., sofern der Schuldner damals bereits zahlungsunfähig war, in dem in § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO bezeichneten Zeitraum in Anspruch genommen worden sind. In diesem Fall griffe für die durch die betreffenden Umsätze begründete Umsatzsteuervergütung das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ein, weil dem FA im Weiteren die Möglichkeit einer Aufrechnung und damit einer Befriedigung seiner Steuerforderungen gegen den Schuldner verschafft worden ist, welche das FA nicht i.S. des § 131 Abs. 1 InsO gegenüber dem Schuldner beanspruchen konnte. Nach der Rechtsprechung des BGH ist nämlich § 131 InsO einschlägig (und nicht ein Fall einer sog. kongruenten Deckung gemäß § 130 InsO gegeben), wenn sich die Aufrechnungsbefugnis nicht aus dem zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger zuerst entstandenen Rechtsverhältnis ergibt (BGH-Urteil vom 9. Februar 2006 IX ZR 121/03, NJW-RR 2006, 1062; vgl. u.a. auch BGH-Urteil in BGHZ 147, 233). Im Streitfall bestand ein Anspruch des FA auf Begleichung der Steuern durch Zahlung, nicht aber darauf, dem FA die Möglichkeit einer Erfüllung des Vergütungsanspruchs des Schuldners durch Aufrechnung zu verschaffen; diese ist erst dadurch entstanden, dass der Schuldner (insolvenzrechtlich vor Verfahrenseröffnung entstandene) anrechenbare Vorsteuern entrichtet hat (vgl. Bork, ZinsO 2003, 686, 689; Onusseit, a.a.O., S. 725, 741, beide mit zahlr. Nachw.).

35

Die Sache muss mithin gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur weiteren tatsächlichen Aufklärung zurück an das FG gehen, das, wenn sich die eben erläuterten Annahmen als unzutreffend erweisen sollten, § 130 InsO zu prüfen haben wird.

Tatbestand

1

I. Mit Bescheid vom 19. Februar 2009 gewährte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) der X-GmbH (GmbH) eine Investitionszulage. Einen Teilbetrag daraus trat die GmbH an die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ab. Auf die entsprechende Abtretungsanzeige hin überwies das FA der Klägerin diesen Betrag.

2

Am 1. September 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Da das FA der Auffassung war, die Voraussetzungen für die Gewährung der Investitionszulage lägen nicht mehr vor, meldete es die Rückforderung des Zulagebetrages zur Insolvenztabelle an. Gleichzeitig forderte es mit Bescheid vom 18. September 2009 von der Klägerin den an sie gezahlten Betrag zurück. Zur Begründung führte es an, da die Voraussetzungen für die Gewährung der Investitionszulage wegen der Produktionseinstellung im Juni 2009 nicht mehr vorgelegen hätten, sei die Bewilligung "mit Forderungsanmeldungen vom 18. September 2009" geändert worden.

3

Der Insolvenzverwalter und ein Insolvenzgläubiger bestritten die zur Tabelle angemeldete Forderung. Mit Bescheid vom 29. Juni 2010 stellte das FA daraufhin gegenüber dem Insolvenzverwalter den angemeldeten Investitionszulagebetrag als Insolvenzforderung fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig, nachdem das FA den Einspruch des Insolvenzverwalters mit Einspruchsentscheidung vom 4. Januar 2011 zurückgewiesen hatte.

4

Ebenfalls am 4. Januar 2011 wies das FA den Einspruch der Klägerin gegen den Rückforderungsbescheid vom 18. September 2009 zurück. Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob den Rückforderungsbescheid letztlich mit der Begründung auf, der Rechtsgrund für die Zahlung der Investitionszulage sei in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheids maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung über den angefochtenen Verwaltungsakt noch nicht weggefallen gewesen. Sowohl der rechtskräftige Abschluss des Feststellungsverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter als auch die Eintragung des Forderungsbetrages zur Tabelle seien nach Erlass der Einspruchsentscheidung zum streitgegenständlichen Rückforderungsbescheid erfolgt; sie seien schon deshalb für die Beurteilung des Streitfalls ohne Belang.

5

Das FA begründet seine Revision zum einen damit, dass das FG für die Beurteilung, ob der Rechtsgrund für die Auszahlung eines Teilbetrages der Investitionszulage an die Klägerin i.S. des § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) weggefallen sei, rechtsfehlerhaft auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung über den Rückforderungsbescheid abgestellt habe. Zum anderen vertritt es die Auffassung, dass sich bereits durch die Anmeldung des Rückzahlungsanspruchs zur Insolvenztabelle, spätestens aber durch den Erlass des entsprechenden Feststellungsbescheids --beide hätten im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Einspruchsentscheidung bereits vorgelegen-- der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der ausgezahlten Investitionszulage auf andere Weise i.S. des § 218 Abs. 1, § 124 Abs. 2 AO i.V.m. § 13 des Investitionszulagengesetzes 2007 (InvZulG) erledigt habe. Dies müsse auch die Zessionarin gegen sich gelten lassen mit der Folge, dass von ihr die Rückzahlung des ihr ausgezahlten Teilbetrages verlangt werden könne.

6

Die Klägerin hält die Entscheidung des FG für richtig. Rechtsgrund für die Zahlung des FA an sie sei der Bewilligungsbescheid über die Investitionszulage vom 19. Februar 2009, aus dem sich der teilweise an sie abgetretene Zahlungsanspruch ergebe. Dieser Bewilligungsbescheid sei bis zur Beendigung des Verwaltungsverfahrens über den Rückforderungsbescheid weder durch Aufhebung noch durch Änderung weggefallen. Zwar könne die Feststellung zur Insolvenztabelle die gleiche Wirkung haben wie eine inhaltsgleiche förmliche Änderung des Bescheids über die Investitionszulage. Diese Wirkung müsse auch ein Abtretungsempfänger gegen sich gelten lassen. Da die Rückforderung des FA aber erst im Verlaufe des finanzgerichtlichen Verfahrens zur Tabelle eingetragen worden sei, könne sie sich auf die Rechtmäßigkeit des an sie, die Klägerin, gerichteten Rückforderungsbescheids nicht auswirken.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

8

1. Das FG hätte der Klage nicht deshalb stattgeben dürfen, weil im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung über den Rückforderungsbescheid der Investitionszulagebescheid als Rechtsgrund für die Auszahlung des abgetretenen Teilbetrages nicht förmlich aufgehoben war.

9

Anders als das FG meint, kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines gebundenen Verwaltungsakts grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der finanzgerichtlichen Entscheidung an. Das gilt nicht nur für Verpflichtungsklagen (vgl. dazu u.a. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 101 Rz 6, m.w.N.), sondern auch in Anfechtungsfällen, in denen der angefochtene Bescheid während des Gerichtsverfahrens --etwa durch ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO-- rechtmäßig wird. Denn nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO hebt das Gericht den angefochtenen Verwaltungsakt auf, wenn er rechtswidrigist. Der Erfolg im Anfechtungsprozess hängt also davon ab, dass der in § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO umschriebene "Anspruch auf Aufhebung des VA" im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nach materiellem und formellem Recht besteht. Das FG hat diese Sach- und Rechtslage bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Mai 2009 II R 53/07, BFHE 225, 493, BStBl II 2009, 852; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 100 FGO Rz 6, 7; für den Fall, dass ein Anspruch das Nichtbestehen von Ausschlusstatbeständen voraussetzt: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. März 2004  8 C 5.03, BVerwGE 120, 246, m.w.N.).

10

Dem steht auch nicht die BFH-Entscheidung vom 24. April 2008 IV R 50/06 (BFHE 220, 324, BStBl II 2009, 35) entgegen. Zwar findet sich dort die Formulierung, dass für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, vorliegend also der Einspruchsentscheidung abzustellen ist. Aus dem Kontext der Entscheidung und der Bezugnahme auf § 367 Abs. 2 Satz 1 AO ergibt sich aber zweifelsfrei, dass diese Aussage nur den dort beurteilten Sachverhalt betrifft, in dem es um die Heilung eines ursprünglich bei seinem Erlass mangelhaften Bescheids durch die Einspruchsentscheidung ging. Wenn die so verstandene Aussage im Hinblick auf die klare Regelung des § 367 Abs. 1 AO offensichtlich zutreffend ist, so ist sie ebenso offensichtlich nicht auf den anders gelagerten Streitfall zu übertragen.

11

2. Die Entscheidung des FG, den angefochtenen Rückforderungsbescheid aufzuheben, kann auch nicht deshalb Bestand haben, weil sie im Ergebnis richtig ist. Das wäre nur dann der Fall, wenn sich die Klägerin --unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der FG-Entscheidung-- auf den Investitionszulagebescheid als Rechtsgrundlage für das Behaltendürfen des an sie abgetretenen und gezahlten Teilbetrages berufen könnte. So verhält es sich aber nicht.

12

Der streitgegenständliche Rückforderungsbescheid gegen die Zessionarin ist rechtmäßig, weil der Rechtsgrund für die Zahlung der an sie abgetretenen Investitionszulage, die einer Steuervergünstigung im Wesentlichen gleichgestellt wird, weggefallen ist (§ 37 Abs. 2, § 218 Abs. 2, § 124 Abs. 2 AO i.V.m. §§ 13, 14 InvZulG; vgl. zum öffentlich-rechtlichen Rückzahlungsanspruch BFH-Urteil vom 14. Februar 1989 VII R 55/86, BFH/NV 1989, 751, unter II.1., m.w.N.). Der Investitionszulagebescheid hat sich mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erledigt und der materiell-rechtliche Anspruch auf die Zulage ist rückwirkend entfallen.

13

a) Die Klägerin war infolge der Teilabtretung (§ 46 AO i.V.m. § 398 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) der der GmbH mit Bescheid bewilligten Investitionszulage Leistungsempfängerin der vom FA überwiesenen Summe (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteile vom 5. Juni 2007 VII R 17/06, BFHE 217, 241, BStBl II 2007, 738; vom 13. Juni 1997 VII R 62/96, BFH/NV 1998, 143, m.w.N.).

14

b) Im Zeitpunkt der Zahlung war der der GmbH gegenüber ergangene Investitionszulagebescheid i.V.m. der nach § 46 Abs. 1 AO zulässigen Abtretung des Teilbetrages der rechtliche Grund für die erhaltene Zahlung i.S. des § 37 Abs. 2 AO.

15

c) Da die Investitionszulage gemäß § 2 InvZulG unter bestimmten, in der Zukunft zu erfüllenden Voraussetzungen (Bindungszeitraum) gewährt wird, handelt es sich zunächst nur um eine (materiell) vorläufige Begünstigung. Können insbesondere die Verbleibensvoraussetzungen nicht mehr erfüllt werden, liegt verfahrensrechtlich ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor, das bei einem bereits bestandskräftigen Zulagebescheid grundsätzlich durch Erlass eines Änderungsbescheids zu berücksichtigen ist (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen betr. Gewährung von Investitionszulage nach dem Investitionszulagegesetz 2007 vom 8. Mai 2008, BStBl I S. 590 --BMF IV C 3–InvZ 1015/07/0001-- Rz 269).

16

Im Streitfall ist der Zulagebescheid als formeller Rechtsgrund der Zahlung vom FA nicht aufgehoben oder geändert worden. Zwar könnte auch in einer Rückforderung der gewährten Zulage von der GmbH die Änderung des ursprünglichen Bescheids liegen (vgl. schon BFH-Urteil vom 16. Januar 1986 III R 116/83, BFHE 146, 322, BStBl II 1986, 467), ein Rückforderungsbescheid gegenüber der GmbH ist aber ebenfalls nicht ergangen. Die Rückforderung gegenüber der Klägerin hatte demgegenüber keine Auswirkungen auf den Investitionszulagebescheid. Denn durch die Abtretung wird der Zessionar nicht Beteiligter des Festsetzungsverfahrens, ihm wird lediglich die Rechtsstellung des Zedenten im Erhebungsverfahren übertragen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. Juni 2004 VII B 257/02, BFH/NV 2005, 3, und vom 13. Juli 2000 V B 5/00, BFH/NV 2001, 5, jeweils m.w.N.).

17

d) Das FA war zur Aufhebung/Änderung des Zulagebescheids nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO bzw. zum Erlass eines diesen ersetzenden Rückforderungsbescheids wegen des über das Vermögen der GmbH eröffneten Insolvenzverfahrens nicht (mehr) berechtigt (§ 87 der Insolvenzordnung --InsO--, § 251 Abs. 2 Satz 1 AO).

18

aa) Zwar hätte sich durch eine den ursprünglichen Bewilligungsbescheid ändernde Festsetzung der Investitionszulage auf null € nicht unmittelbar ein Zahlungsanspruch ergeben, der als Insolvenzforderung hätte angemeldet werden können.

19

Die durch die Insolvenzeröffnung bewirkte Unterbrechung des Verfahrens (analog § 240 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO) bezieht sich nach ständiger BFH-Rechtsprechung aber nicht nur auf das eigentliche Steuerfestsetzungsverfahren, sondern auch auf andere Verfahren, die Auswirkungen auf die nach § 174 InsO zur Tabelle anzumeldenden Steuerforderungen haben können. So dürfen nach der BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 2. Juli 1997 I R 11/97, BFHE 183, 365, BStBl II 1998, 428 zur Rechtslage während der Geltung der Konkursordnung) nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Festsetzungs- bzw. Feststellungsbescheide mehr erlassen werden, die die Höhe der zur Tabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen könnten. Dass diese Bescheide nicht unmittelbar auf eine Befriedigung des Steuergläubigers gerichtet sind, hat der BFH als unerheblich angesehen (vgl. BFH-Urteile vom 10. Dezember 2008 I R 41/07, BFH/NV 2009, 719, unter II.2.a; vom 18. Dezember 2002 I R 33/01, BFHE 201, 392, BStBl II 2003, 630, unter II.1.).

20

Diese Erwägungen lassen sich auf die Konstellation des Streitfalls übertragen. Denn mit der Aufhebung des Zulagebescheids wäre die Rechtsgrundlage für die gezahlte Investitionszulage --mit der Rechtsfolge des Rückzahlungsanspruchs aus § 37 Abs. 2 AO, einer Insolvenzforderung-- entfallen.

21

bb) Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Fiskus wegen des Vorrangs der Insolvenzordnung (§ 251 Abs. 2 Satz 1 AO) nicht mehr die ihm sonst durch die Abgabenordnung eingeräumte Möglichkeit, die Rechtsgrundlage für die gewährte Investitionszulage durch Aufhebungs- bzw. Änderungsbescheid i.S. des § 218 Abs. 1 AO aus der Welt zu schaffen. Seinen gegen den bisherigen Zulageberechtigten materiell-rechtlich entstandenen Rückzahlungsanspruch muss er stattdessen --wie jeder andere Insolvenzgläubiger-- durch Anmeldung zur Insolvenztabelle (§ 174 InsO) geltend machen. Konsequenterweise kann sich der Insolvenzverwalter demgegenüber nicht auf den formell noch bestehenden Investitionszulagebescheid berufen, sondern ist auf den insolvenzrechtlichen Weg des Widerspruchs mit der Folge des dann vom FA zu erlassenden Feststellungsbescheids verwiesen (§ 178 ff. InsO i.V.m. § 251 Abs. 3 AO). Ist die Forderung schließlich in die Insolvenztabelle eingetragen (§ 178 Abs. 3, §§ 183, 185 InsO), wirkt dies wie die bestandskräftige Festsetzung der Forderung (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 2011 V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298; vom 23. Februar 2010 VII R 48/07, BFHE 228, 134, BStBl II 2010, 562). Im Ergebnis erweist sich damit der Investitionszulagebescheid im Insolvenzverfahren als wirkungslos; er hat sich auf andere Weise i.S. des § 124 Abs. 2 AO erledigt.

22

e) Die mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetretene Rechtslage --Erledigung des Investitionszulagebescheids auf andere Weise-- muss die Klägerin als Zessionarin des Anspruchs gegen sich gelten lassen. Wie der Senat bereits entschieden hat, kann einem Abtretungsempfänger mit dem Zahlungsanspruch nur die Rechtsposition übertragen werden, die der Abtretende selbst im Erhebungsverfahren innehat. Wer sich eine steuerrechtliche Förderung abtreten lässt, übernimmt eine mit dem Risiko ihres Bestehens behaftete Forderung. Durch eine Abtretung des Anspruchs ändert sich zwar der Zahlungsempfänger, das Steuerschuldverhältnis bleibt davon aber unberührt; mit der Abtretung eines aus einem Steuerschuldverhältnis herrührenden Erstattungs-/Vergütungsanspruchs geht nur der Zahlungsanspruch auf den Abtretungsempfänger über. Ein besonderer Schutz für denjenigen, der --freiwillig-- eine risikobehaftete Forderung übernimmt, ist der Rechtsordnung nicht zu entnehmen.

23

Das bedeutet allerdings nicht, dass der Rückzahlungsanspruch gegen einen Zessionar davon abhängt, ob das FA die Rückforderung im Insolvenzverfahren des Zedenten geltend macht und ob sie schließlich in die Insolvenztabelle eingetragen worden ist. Denn gerade in den Fällen, in denen das FA einen Erstattungs-/Vergütungsbetrag auftragsgemäß ganz oder teilweise an einen Zessionar geleistet hat, wird es häufig entweder zu gar keiner Anmeldung zur Insolvenztabelle kommen oder der angemeldete Betrag wird von der vom Zessionar zurückgeforderten Summe abweichen. Denn das FA ist nicht verpflichtet, den Zedenten neben dem Zessionar in Anspruch zu nehmen, sondern hat insoweit ein Auswahlermessen, das im Regelfall durch die Bestimmung des Leistungsempfängers vorgeprägt ist (vgl. Klein/ Ratschow, AO, 11. Aufl., § 37 Rz 100 ff.). Jedenfalls in den Fällen, in denen der volle, ursprünglich festgesetzte Investitionszulagebetrag an den Zessionar ausgezahlt worden ist, kann das FA von einer Anmeldung des Rückzahlungsanspruchs zur Insolvenztabelle absehen. Auch in den Fällen der Teilabtretung sind Ermessenserwägungen denkbar, die das FA veranlassen mögen, von einer Anmeldung zur Tabelle im Insolvenzverfahren des Zedenten abzusehen. Diese Fallgestaltungen machen deutlich, dass der Rückzahlungsanspruch gegen den Zessionar nicht davon abhängen kann, ob und in welcher Höhe der Rückzahlungsanspruch im Insolvenzverfahren angemeldet und festgestellt worden ist. Vielmehr ist --unbeschadet der Anmeldung/Feststellung der Forderung des FA im Insolvenzverfahren des Zedenten-- im Verfahren der Rückforderung gegenüber dem Zessionar inzident zu prüfen, ob der Zedent materiell-rechtlich einen Anspruch auf den Erstattungs-/Vergütungsbetrag hat.

24

Dem steht nicht entgegen, dass der Senat in seinem Urteil vom 19. August 2008 VII R 36/07 (BFHE 222, 205, BStBl II 2009, 90) der Eintragung in die Insolvenztabelle Rechtswirkungen auch gegenüber einem am Insolvenzverfahren Nichtbeteiligten --hier dem Zessionar-- wegen der rechtlichen Gleichstellung der Feststellung einer angemeldeten Umsatzsteuer zur Tabelle mit dem Erlass eines Berichtigungsbescheids zuerkannt hat, weil beide Maßnahmen Grundlage der Verwirklichung des Steueranspruchs i.S. des § 218 Abs. 1 AO sind und der Zessionar, obwohl am Steuerfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht beteiligt, dessen Rechtswirkungen gegen sich gelten lassen muss. Denn diese Aussage betrifft nur den Fall, dass sich der Zessionar auf die Rechtswidrigkeit der Rückforderung wegen angeblichen (Fort-)Bestehens eines Anspruchs des Zedenten beruft, nachdem in dessen Insolvenzverfahren die Rückforderung widerspruchslos oder infolge eines Bescheids nach § 251 Abs. 3 AO zur Tabelle festgestellt worden ist. Zu der Frage, ob die Aufhebung/Änderung des ursprünglichen Erstattungs-/Vergütungsbescheids durch die Feststellung des Rückzahlungsanspruchs im Insolvenzverfahren des Zedenten Voraussetzung für die Rückforderung gegenüber dem Zessionar ist, musste der Senat seinerzeit nicht Stellung nehmen.

25

f) Im Streitfall steht aufgrund der zwischenzeitlich vollzogenen Feststellung des Rückzahlungsanspruchs zur Insolvenztabelle auch für die Klägerin bindend fest --insoweit greifen die Ausführungen im Urteil in BFHE 222, 205, BStBl II 2009, 90, s.o.-- dass der Anspruch der GmbH auf die gewährte Zulage und damit der Rechtsgrund für die Zahlung des (Teil-)Betrages an die Klägerin nachträglich entfallen ist. Der Rückzahlungsbescheid des FA erweist sich danach als rechtmäßig.

(1) Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger erhoben wird oder soweit ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Ein Widerspruch des Schuldners steht der Feststellung der Forderung nicht entgegen.

(2) Das Insolvenzgericht trägt für jede angemeldete Forderung in die Tabelle ein, inwieweit die Forderung ihrem Betrag und ihrem Rang nach festgestellt ist oder wer der Feststellung widersprochen hat. Auch ein Widerspruch des Schuldners ist einzutragen. Auf Wechseln und sonstigen Schuldurkunden ist vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle die Feststellung zu vermerken.

(3) Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern.

(1) Die Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen.

(2) Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, können aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. Einer nicht bestrittenen Forderung steht eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle kann erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt werden.

(3) Die Vorschriften über die Restschuldbefreiung bleiben unberührt.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

Tatbestand

1

I. Die Klage des Klägers gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 2001 und 2002 hatte nur teilweise Erfolg. Nach Eingang der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist am … März 2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet worden. Die auf den Gewinnfeststellungsbescheiden beruhenden rückständigen Einkommensteuerforderungen wurden vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) angemeldet und von der Insolvenzverwalterin (Frau Rechtsanwältin X) --Beschwerdeführerin-- anerkannt. Auf das Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 5. Juli 2010 hat das FA die Hauptsache mit Schriftsatz vom 2. August 2010 für erledigt erklärt. Die Beschwerdeführerin hat sich --mit einem gleichfalls am 2. August 2010 verfassten Schriftsatz-- dahin eingelassen, dass sie nicht Partei des Rechtsstreits sei und --da dessen Aufnahme von ihr nicht veranlasst worden sei-- auch keine Prozesserklärung abgeben werde. Mit weiterem Schreiben der Geschäftsstelle des beschließenden Senats wurde der Beschwerdeführerin die Erledigungserklärung des FA zur Kenntnisnahme übersandt; ein Hinweis gemäß § 138 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wurde nicht erteilt. Die Beschwerdeführerin hat sich hierauf nicht mehr geäußert.

Entscheidungsgründe

2

II. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen.

3

1. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers ist nicht nur das Beschwerdeverfahren unterbrochen (§ 240 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO), sondern auch die Beschwerdeführerin aufgrund ihres Rechts, die Insolvenzmasse zu verwalten und hierüber zu verfügen (§ 80 der Insolvenzordnung --InsO--), an dem anhängigen Beschwerdeverfahren kraft Amtes beteiligt worden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. März 2006 VII R 11/05, BFHE 212, 11, BStBl II 2006, 573, zu II.4.). Entgegen ihrer Einlassung ist letztere Rechtswirkung nicht an die Erklärung des Insolvenzverwalters zur Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens gebunden.

4

2. Da die Eintragung der auf den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheiden beruhenden Einkommensteuerforderungen in die vom Insolvenzverwalter zu führende Tabelle (Insolvenztabelle) mangels Widerspruchs des Insolvenzverwalters und der Insolvenzgläubiger wie ein rechtskräftiges Urteil wirkt (§ 178 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 InsO), tritt jedenfalls dann, wenn --wie vorliegend-- auch der Schuldner der Feststellung zur Insolvenztabelle nicht widersprochen hat (vgl. §§ 178 Abs. 1 Satz 2, 184, 201, 257 InsO), bezüglich der Rechtsstreitigkeiten, die die gegen die Insolvenzmasse gerichteten Steuerforderungen betreffen, die Erledigung der Hauptsache --hier: die Erledigung des Beschwerdeverfahrens-- ein (Schumacher in MünchKommInsO, 2. Aufl., § 178 Rz 89; BFH-Urteil in BFHE 212, 11, BStBl II 2006, 573, zu II.6.).

5

3. Folge hiervon ist nicht nur, dass die Unterbrechung des Beschwerdeverfahrens endet (Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 2. Februar 2005 XII ZR 233/02, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2005, 372), sondern darüber hinaus auch, dass dann, wenn --wie im anhängigen Verfahren-- die Beteiligten den Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklären und auch die Voraussetzungen für eine nach § 138 Abs. 3 FGO fingierte Erledigungserklärung nicht vorliegen (dazu Gräber/ Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 138 Rz 1, Rz 20), eine isolierte Kostenentscheidung gemäß § 138 Abs. 1 FGO ausgeschlossen (BFH-Beschluss vom 4. Juli 1986 VII B 134/85, BFHE 147, 110, BStBl II 1986, 752) und die Beschwerde --aufgrund des nunmehr fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses-- als unzulässig zu verwerfen ist (BFH-Beschluss vom 2. Oktober 1992 VI B 105/91, BFHE 169, 20, BStBl II 1993, 57; Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. August 1985  8 B 128/84, Die öffentliche Verwaltung 1985, 1064; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 74).

Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so hat dies neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten.

(1) Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger erhoben wird oder soweit ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Ein Widerspruch des Schuldners steht der Feststellung der Forderung nicht entgegen.

(2) Das Insolvenzgericht trägt für jede angemeldete Forderung in die Tabelle ein, inwieweit die Forderung ihrem Betrag und ihrem Rang nach festgestellt ist oder wer der Feststellung widersprochen hat. Auch ein Widerspruch des Schuldners ist einzutragen. Auf Wechseln und sonstigen Schuldurkunden ist vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle die Feststellung zu vermerken.

(3) Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern.

(1) Die Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen.

(2) Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, können aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. Einer nicht bestrittenen Forderung steht eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle kann erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt werden.

(3) Die Vorschriften über die Restschuldbefreiung bleiben unberührt.

(1) Hat der Schuldner im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) eine Forderung bestritten, so kann der Gläubiger Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner erheben. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so kann der Gläubiger diesen Rechtsstreit gegen den Schuldner aufnehmen.

(2) Liegt für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es dem Schuldner binnen einer Frist von einem Monat, die mit dem Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren mit dem Bestreiten der Forderung beginnt, den Widerspruch zu verfolgen. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist gilt ein Widerspruch als nicht erhoben. Das Insolvenzgericht erteilt dem Schuldner und dem Gläubiger, dessen Forderung bestritten worden ist, einen beglaubigten Auszug aus der Tabelle und weist den Schuldner auf die Folgen einer Fristversäumung hin. Der Schuldner hat dem Gericht die Verfolgung des Anspruchs nachzuweisen.

(1) Die Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen.

(2) Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, können aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. Einer nicht bestrittenen Forderung steht eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle kann erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt werden.

(3) Die Vorschriften über die Restschuldbefreiung bleiben unberührt.

Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so hat dies neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten.

(1) Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger erhoben wird oder soweit ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Ein Widerspruch des Schuldners steht der Feststellung der Forderung nicht entgegen.

(2) Das Insolvenzgericht trägt für jede angemeldete Forderung in die Tabelle ein, inwieweit die Forderung ihrem Betrag und ihrem Rang nach festgestellt ist oder wer der Feststellung widersprochen hat. Auch ein Widerspruch des Schuldners ist einzutragen. Auf Wechseln und sonstigen Schuldurkunden ist vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle die Feststellung zu vermerken.

(3) Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern.

(1) Die Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen.

(2) Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, können aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. Einer nicht bestrittenen Forderung steht eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle kann erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt werden.

(3) Die Vorschriften über die Restschuldbefreiung bleiben unberührt.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war seit der Gründung alleinige Geschäftsführerin der A-GmbH (GmbH), für die sie am 23. Dezember 2003 einen Insolvenzantrag stellte. Das Insolvenzverfahren wurde am 9. Februar 2004 eröffnet. Die GmbH war zu diesem Zeitpunkt mit Umsatzsteuer aus dem Jahr 2003 im Rückstand.

2

Nachdem sich die Klägerin weder zur Sache geäußert noch die geforderten Berechnungen aus den Geschäftsunterlagen vorgelegt hatte, erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) am 27. Mai 2004 einen Haftungsbescheid, mit dem er die Klägerin nach §§ 191, 69, 34 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 35 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) für den Zeitraum vom 11. August 2003 bis zum 23. Dezember 2003 (Eingang des Insolvenzantrags) mit einer Quote von 70 % der rückständigen Beträge (Umsatzsteuer und Säumniszuschläge) in Höhe von insgesamt 25.693,01 €, d.h. anteilig in Höhe von 17.985,10 € (70 % von 25.693,01 €) in Anspruch nahm.

3

In dem im Übrigen erfolglosen Einspruchsverfahren minderte das FA die Haftungssumme --wegen einer bei Erlass des Haftungsbescheids unberücksichtigt gebliebenen Verrechnung eines Steuererstattungsanspruchs der GmbH in Höhe von 3.502,96 € mit den Steuerrückständen-- auf nunmehr 15.533,03 €.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1274 veröffentlichten Urteil teilweise statt. Es reduzierte die Haftungsquote auf 50 % und die Haftungssumme auf 7.298 €. Das FA habe die Klägerin als Geschäftsführerin gemäß § 69 i.V.m. § 34 AO, § 35 GmbHG dem Grunde nach zu Recht, aber mit einer zu hohen Haftungsquote in Haftung genommen. Die quotale Inanspruchnahme der Klägerin als Haftungsschuldnerin in Höhe von 70 % der Umsatzsteuerschulden der GmbH halte einer Überprüfung nicht stand. Die Anwendung dieses Prozentsatzes auf die Steuerschulden der GmbH sei angesichts des verfügbaren weiteren Zahlenmaterials aus dem Insolvenzgutachten und den Umsatzsteuervoranmeldungen auch unter Berücksichtigung der nicht ausreichenden Mitwirkung der Klägerin zu pauschal. Auch werde die Haftungssumme durch Anwendung der Quote auf die "verbliebene" Steuerschuld der GmbH ohne Beschränkung auf den Haftungszeitraum und ohne Abzug der darin beglichenen Steuerschulden nicht zutreffend berechnet.

5

Eine Haftung der Klägerin nach § 69 i.V.m. § 34 AO auf die volle Steuerschuld wegen der --erst im Verlauf des finanzgerichtlichen Verfahrens bekannt gewordenen-- Fälschung einer Freistellungsbescheinigung vom 16. November 2001 komme nicht in Betracht.

6

Mit der Revision macht das FA im Wesentlichen geltend, dass entgegen der Auffassung des FG die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme der Klägerin nach § 69 AO in Höhe der rückständigen Umsatzsteuer und Säumniszuschläge von Juli bis Oktober 2003 wegen der Fälschung der Freistellungsbescheinigung durch die Klägerin gegeben seien. In seinem weiteren Vortrag wendet sich das FA gegen die vom FG geschätzte Haftungsquote und die ermittelte Haftungssumme.

7

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin hält die Entscheidung des FG für zutreffend und beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Senat entscheidet nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO in der Sache selbst.

10

Das FA hat die Klägerin nach Grund und Höhe zu Recht gemäß § 69 i.V.m. § 34 Abs. 1, § 191 Abs. 1 AO als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen.

11

1. Das FG hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin die ihr als Geschäftsführerin der GmbH obliegenden steuerlichen Pflichten zumindest grob fahrlässig verletzt hat. Denn als Geschäftsführerin und gesetzliche Vertreterin der GmbH i.S. von § 34 Abs. 1 AO war sie damit betraut, die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen. Zu ihnen gehörte die fristgerechte Entrichtung der Umsatzsteuervorauszahlungen (§ 18 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes).

12

2. Das erstinstanzliche Urteil war aber aufzuheben, weil das FG bei der Ausübung seiner Schätzungsbefugnis (§ 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO i.V.m. § 162 AO) die Verletzung der dem Haftungsschuldner nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) obliegenden Pflicht zur Mitwirkung an der Sachaufklärung nicht in dem gebotenen Maß berücksichtigt hat und sich darüber hinaus bei der Schätzung der Haftungssumme von Erwägungen hat leiten lassen, die das Ergebnis nach Auffassung des Senats nicht nachvollziehbar begründen, so dass die Reduzierung der Quote nicht schlüssig ist (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2004 VII R 8/03, BFH/NV 2004, 1498). Hinreichende Anhaltspunkte, die die vom FG vorgenommene, von der des FA abweichende Schätzung rechtfertigen, sind den Feststellungen des FG nicht zu entnehmen.

13

a) Bei der Verwerfung des vom FA ermittelten Schätzungsergebnisses hat das FG nicht hinreichend berücksichtigt, dass das FA von der Klägerin keinerlei Angaben über Zahlungen, Verbindlichkeiten und Forderungen der GmbH erhalten hat. Die Verletzung der der Klägerin im Rahmen der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme obliegenden Mitwirkungspflicht zur Sachverhaltsaufklärung kann im Streitfall nicht dazu führen, dass sich die Auswirkungen dieser Pflichtverletzung lediglich in der Befugnis des FA zur Schätzung der Haftungssumme erschöpfen und dass bei der Verwerfung des Schätzungsergebnisses des FA und der Ausübung der eigenen Schätzungsbefugnis durch das FG der Umstand der Pflichtverletzung des Haftungsschuldners gänzlich außer Betracht bleibt. Vielmehr hat das FG das Maß der Verletzung der dem Haftungsschuldner nach § 90 Abs. 1 AO obliegenden Mitwirkungspflicht bei der Ausübung seiner Schätzungsbefugnis zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2004, 1498). Macht der Haftungsschuldner keine oder nur unvollständige Angaben, kann er sich auf Schätzungsfehler des FA nur in einem eingeschränkten Umfang berufen. Will er eine für ihn günstigere Haftungsquote erreichen, bleibt es ihm vorbehalten, einen entsprechenden Liquiditätsstatus der GmbH vorzulegen. Ein Schätzungsfehler kann dem FA, das keinerlei Angaben über die Gesamtverbindlichkeiten und die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, nicht vorgeworfen werden (Senatsbeschluss vom 31. März 2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322, Rz 21). Dass das FG dies im Streitfall hinreichend beachtet hat, vermag der erkennende Senat den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils nicht zu entnehmen.

14

Im Streitfall hätte von der Klägerin in Anbetracht ihrer früheren Stellung als alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin der GmbH zumindest die Beantwortung des vom FA übersandten Fragebogens zum Nachweis einer vollständigen und gewissenhaften Erfüllung ihrer Mitwirkungspflicht erwartet werden können. Auch ist für den Senat nicht ersichtlich, in welchem Umfang sich die Klägerin unter Ausschöpfung der ihr zugänglichen Erkenntnisquellen um eine Ermittlung dieser Daten bemüht und welche --evtl. ergebnislosen-- Anstrengungen sie hierzu unternommen hat. Jedenfalls ist der von der Klägerin in der Vorinstanz vorgebrachte Einwand widerlegt, zu den Forderungen und Verbindlichkeiten der GmbH im Haftungszeitraum könne sie keine Angaben machen, zumal sie völlig ruiniert und nicht in der Lage sei, das Jahr 2003 buchhalterisch aufarbeiten zu lassen. Denn die Klägerin hat --ausweislich ihrer eigenen Erklärung, die Teil des Insolvenzgutachtens ist-- ein Exemplar des Insolvenzgutachtens über das Vermögen der GmbH erhalten.

15

b) Die vom FG seiner Schätzung zu Grunde gelegten einzelnen Vorgänge und Werte sind im Übrigen nicht geeignet, die vom FA mangels Mitwirkung der Klägerin pauschal angesetzte Haftungsquote zu mindern. Zwar ist die Schätzung als Tatsachenwürdigung grundsätzlich dem FG vorbehalten und damit für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich bindend; jedoch entfällt diese Bindung dann, wenn die vom FG gezogenen Schlussfolgerungen mit den Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen unvereinbar oder in sich widersprüchlich sind (Senatsurteil in BFH/NV 2004, 1498; BFH-Urteil vom 7. März 1973 II R 34/66, BFHE 109, 472, BStBl II 1973, 707). Die Schätzungen des FG müssen in sich schlüssig, wirtschaftlich vernünftig und möglich sein. In Schätzungsfällen stehen den materiellen Rechtsfehlern Verstöße gegen die angewandte Schätzungsmethode, gegen Denkgesetze und gegen allgemeine Erfahrungssätze und anerkannte Schätzungsgrundsätze, insbesondere die Unmöglichkeit des Schätzungsergebnisses, gleich (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2004, 1498; BFH-Urteil vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226).

16

Das FG rechtfertigt seine --von der des FA abweichende-- Schätzung der Tilgungsquote maßgeblich mit verfügbarem weiteren Zahlenmaterial des Insolvenzgutachtens, der Umsatzsteuervoranmeldungen und den vom FA vorgelegten Kontoauszügen, geht aber gleichwohl nicht von diesen Werten aus, sondern nimmt mangels konkreter Details zu den Verbindlichkeiten zu Beginn und zum Zuwachs der Verbindlichkeiten während des Haftungszeitraums eine Rückrechnung vor, indem es die Werte der aus den Unterlagen ersichtlichen offenen Forderungen gegenüber der GmbH teilweise ändert und ihnen --nur zu einem ganz geringen Teil nachweisbare-- Zahlungen der GmbH im Haftungszeitraum gegenüberstellt.

17

Angesichts der fehlenden Mitwirkung der Klägerin hätte es aber zur Rechtfertigung der selbst ermittelten Haftungsquote eines eindeutigen Zahlenmaterials als Berechnungsgrundlage bedurft. Allein die vom FG aus dem Insolvenzgutachten und den angemeldeten Umsatzsteuern abgeleiteten Verbindlichkeiten und Zahlungen bilden im Streitfall keine verlässliche Grundlage für eine realitätsnahe Schätzung der Haftungssumme.

18

aa) Dies zeigt sich schon daran, dass nach dem eigenen Vortrag der Klägerin weitere Zahlungen und damit Tilgungen der nichtsteuerlichen Verbindlichkeiten der GmbH nicht ausgeschlossen werden können. So hat die Klägerin im Verfahren vor dem FG vorgetragen, "erhebliche private Mittel" noch im Oktober 2003 aus einer Erbschaft für Zwecke der GmbH eingesetzt zu haben, so auch ohne dass das FG dieser Behauptung nachgegangen wäre.

19

bb) Überdies ist das FG --ohne nähere Begründung-- davon ausgegangen, dass die Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber der Bank X vollständig außerhalb des Haftungszeitraums begründet und ausgezahlt worden seien. Aufgrund der angespannten finanziellen Situation der GmbH im Jahr 2003 erscheint es aus Sicht des Senats nicht ausgeschlossen, dass zumindest Teile dieser Bankverbindlichkeiten während des Haftungszeitraums begründet und zur Tilgung nichtsteuerlicher Verbindlichkeiten eingesetzt worden sind.

20

cc) Schließlich ist nicht nachvollziehbar, warum das FG angenommen hat, dass für die beiden Monate November und Dezember 2003, für die keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben wurden, ein Zahlungszufluss in Höhe von einem Drittel des auf den Monat August 2003 entfallenden Bruttobetrags anzusetzen ist. So hat das FG den Betrag aus der Umsatzsteuervoranmeldung für August 2003 zu 100 % herangezogen, obwohl der Haftungszeitraum erst am 11. August 2003 begonnen hat. Die Begründung für diese Schätzung, insbesondere für den hierdurch unterstellten erheblichen Umsatzrückgang ab Oktober 2003, bleibt das FG schuldig. Zwar hat die Klägerin im Verfahren vor dem FG vorgetragen, die N-GmbH sei ihr einziger Auftraggeber, diesbezügliche Feststellungen hat das FG jedoch nicht getroffen.

21

Ebenso erschließt sich nicht der Grund für die Zuschätzung von weiteren 29.017 € brutto. Für den erkennenden Senat liegt es nahe, dass ein "glatter" Zwischenbetrag von 240.000 € erreicht werden sollte. Daher kann unter diesen Gesichtspunkten das Schätzungsergebnis nicht als schlüssig erachtet werden.

22

dd) Der erkennende Senat weist überdies darauf hin, dass der gesamte vom FA verrechnete Steuererstattungsanspruch in Höhe von 4.960 € (3.609,83 € und 1.350 €) --und nicht nur wie vom FG in Höhe von 1.350 € unzutreffender Weise angesetzt-- als Zahlung auf die Umsatzsteuerschulden anzusetzen wären (vgl. Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 69 AO Rz 46). Um diesen Betrag wurde die --während des Haftungszeitraums fällige-- Steuerschuld verringert. Da durch die Aufrechnung des --vom FG nicht angesetzten-- Betrags in Höhe von 3.609,83 € eine während des Haftungszeitraums fällige Steuerverbindlichkeit beglichen wurde, wären auch die Steuerverbindlichkeiten im Haftungszeitraum mit 38.140 € --und nicht wie vom FG errechnet mit 34.530 €-- anzusetzen.

23

3. Da in einem zweiten Rechtsgang nach den vom FG getroffenen Feststellungen keine weiteren Erkenntnisquellen zu den Zahlungen der GmbH im Haftungszeitraum und ihren Verbindlichkeiten in Betracht kommen, ist die Sache spruchreif (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 126 Rz 12, m.w.N.). Der Senat entscheidet nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO in der Sache selbst. Das Urteil des FG war aufzuheben und die Klage abzuweisen, da mangels Mitwirkung der Klägerin jedenfalls keine geringere Haftungsquote als vom FA geschätzt anzusetzen war.

24

4. Die Frage, ob die Klägerin auch wegen Verfälschens der Freistellungsbescheinigung und der sich daraus ergebenden Vereitelung der Aufrechnungsmöglichkeit des FA als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen werden kann, kann der Senat offen lassen.

(1) Der Unternehmer hat vorbehaltlich des § 18i Absatz 3, des § 18j Absatz 4 und des § 18k Absatz 4 bis zum zehnten Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln, in der er die Steuer für den Voranmeldungszeitraum (Vorauszahlung) selbst zu berechnen hat. Auf Antrag kann das Finanzamt zur Vermeidung von unbilligen Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten; in diesem Fall hat der Unternehmer eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben. § 16 Abs. 1 und 2 und § 17 sind entsprechend anzuwenden. Die Vorauszahlung ist am zehnten Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig und bis dahin vom Unternehmer zu entrichten.

(2) Voranmeldungszeitraum ist das Kalendervierteljahr. Beträgt die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr mehr als 7 500 Euro, ist der Kalendermonat Voranmeldungszeitraum. Beträgt die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 1 000 Euro, kann das Finanzamt den Unternehmer von der Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldungen und Entrichtung der Vorauszahlungen befreien. Nimmt der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf, ist im laufenden und folgenden Kalenderjahr Voranmeldungszeitraum der Kalendermonat. Daneben ist im laufenden und folgenden Kalenderjahr in folgenden Fällen Voranmeldungszeitraum der Kalendermonat:

1.
bei im Handelsregister eingetragenen, noch nicht gewerblich oder beruflich tätig gewesenen juristischen Personen oder Personengesellschaften, die objektiv belegbar die Absicht haben, eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig auszuüben (Vorratsgesellschaften), und zwar ab dem Zeitpunkt des Beginns der tatsächlichen Ausübung dieser Tätigkeit, und
2.
bei der Übernahme von juristischen Personen oder Personengesellschaften, die bereits gewerblich oder beruflich tätig gewesen sind und zum Zeitpunkt der Übernahme ruhen oder nur geringfügig gewerblich oder beruflich tätig sind (Firmenmantel), und zwar ab dem Zeitpunkt der Übernahme.
Für die Besteuerungszeiträume 2021 bis 2026 ist abweichend von Satz 4 in den Fällen, in denen der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des vorangegangenen Kalenderjahres ausgeübt hat, die tatsächliche Steuer in eine Jahressteuer umzurechnen und in den Fällen, in denen der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im laufenden Kalenderjahr aufnimmt, die voraussichtliche Steuer des laufenden Kalenderjahres maßgebend.

(2a) Der Unternehmer kann an Stelle des Kalendervierteljahres den Kalendermonat als Voranmeldungszeitraum wählen, wenn sich für das vorangegangene Kalenderjahr ein Überschuss zu seinen Gunsten von mehr als 7 500 Euro ergibt. In diesem Fall hat der Unternehmer bis zum 10. Februar des laufenden Kalenderjahres eine Voranmeldung für den ersten Kalendermonat abzugeben. Die Ausübung des Wahlrechts bindet den Unternehmer für dieses Kalenderjahr. Absatz 2 Satz 6 gilt entsprechend.

(3) Der Unternehmer hat vorbehaltlich des § 18i Absatz 3, des § 18j Absatz 4 und des § 18k Absatz 4 für das Kalenderjahr oder für den kürzeren Besteuerungszeitraum eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln, in der er die zu entrichtende Steuer oder den Überschuss, der sich zu seinen Gunsten ergibt, nach § 16 Absatz 1 bis 4 und § 17 selbst zu berechnen hat (Steueranmeldung). In den Fällen des § 16 Absatz 3 und 4 ist die Steueranmeldung binnen einem Monat nach Ablauf des kürzeren Besteuerungszeitraums zu übermitteln. Auf Antrag kann das Finanzamt zur Vermeidung von unbilligen Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten; in diesem Fall hat der Unternehmer eine Steueranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben und eigenhändig zu unterschreiben.

(4) Berechnet der Unternehmer die zu entrichtende Steuer oder den Überschuss in der Steueranmeldung für das Kalenderjahr abweichend von der Summe der Vorauszahlungen, so ist der Unterschiedsbetrag zugunsten des Finanzamts einen Monat nach dem Eingang der Steueranmeldung fällig und bis dahin vom Unternehmer zu entrichten. Setzt das Finanzamt die zu entrichtende Steuer oder den Überschuss abweichend von der Steueranmeldung für den Voranmeldungszeitraum oder für das Kalenderjahr oder auf Grund unterbliebener Abgabe der Steueranmeldung fest, so ist der Unterschiedsbetrag zugunsten des Finanzamts einen Monat nach der Bekanntgabe des Steuerbescheids fällig und bis dahin vom Unternehmer zu entrichten. Die Fälligkeit rückständiger Vorauszahlungen (Absatz 1) bleibt von den Sätzen 1 und 2 unberührt.

(4a) Voranmeldungen (Absätze 1 und 2) und eine Steuererklärung (Absätze 3 und 4) haben auch die Unternehmer und juristischen Personen abzugeben, die ausschließlich Steuer für Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 5, § 13b Absatz 5 oder § 25b Abs. 2 zu entrichten haben, sowie Fahrzeuglieferer (§ 2a). Voranmeldungen sind nur für die Voranmeldungszeiträume abzugeben, in denen die Steuer für diese Umsätze zu erklären ist. Die Anwendung des Absatzes 2a ist ausgeschlossen.

(4b) Für Personen, die keine Unternehmer sind und Steuerbeträge nach § 6a Abs. 4 Satz 2 oder nach § 14c Abs. 2 schulden, gilt Absatz 4a entsprechend.

(4c) Ein nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer, der vor dem 1. Juli 2021 als Steuerschuldner Umsätze nach § 3a Absatz 5 im Gemeinschaftsgebiet erbringt, kann abweichend von den Absätzen 1 bis 4 für jeden Besteuerungszeitraum (§ 16 Absatz 1a Satz 1) eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung bis zum 20. Tag nach Ablauf jedes Besteuerungszeitraums dem Bundeszentralamt für Steuern übermitteln, in der er die Steuer für die vorgenannten Umsätze selbst zu berechnen hat (Steueranmeldung). Die Steuer ist am 20. Tag nach Ablauf des Besteuerungszeitraums fällig und bis dahin vom Unternehmer zu entrichten. Die Ausübung des Wahlrechts hat der Unternehmer auf dem amtlich vorgeschriebenen, elektronisch zu übermittelnden Dokument dem Bundeszentralamt für Steuern anzuzeigen, bevor er Umsätze nach § 3a Abs. 5 im Gemeinschaftsgebiet erbringt. Das Wahlrecht kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Besteuerungszeitraums an widerrufen werden. Der Widerruf ist vor Beginn des Besteuerungszeitraums, für den er gelten soll, gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern auf elektronischem Weg zu erklären. Kommt der Unternehmer seinen Verpflichtungen nach den Sätzen 1 bis 3 oder § 22 Abs. 1 wiederholt nicht oder nicht rechtzeitig nach, schließt ihn das Bundeszentralamt für Steuern von dem Besteuerungsverfahren nach Satz 1 aus. Der Ausschluss gilt ab dem Besteuerungszeitraum, der nach dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Ausschlusses gegenüber dem Unternehmer beginnt.

(4d) Für nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer, die vor dem 1. Juli 2021 im Inland im Besteuerungszeitraum (§ 16 Absatz 1 Satz 2) als Steuerschuldner Umsätze nach § 3a Absatz 5 erbringen und diese Umsätze in einem anderen Mitgliedstaat erklären sowie die darauf entfallende Steuer entrichten, gelten insoweit die Absätze 1 bis 4 nicht.

(4e) Ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer (§ 13b Absatz 7 Satz 2), der vor dem 1. Juli 2021 als Steuerschuldner Umsätze nach § 3a Absatz 5 im Inland erbringt, kann abweichend von den Absätzen 1 bis 4 für jeden Besteuerungszeitraum (§ 16 Absatz 1b Satz 1) eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung bis zum 20. Tag nach Ablauf jedes Besteuerungszeitraums übermitteln, in der er die Steuer für die vorgenannten Umsätze selbst zu berechnen hat; dies gilt nur, wenn der Unternehmer im Inland, auf der Insel Helgoland und in einem der in § 1 Absatz 3 bezeichneten Gebiete weder seinen Sitz, seine Geschäftsleitung noch eine Betriebsstätte hat. Die Steuererklärung ist der zuständigen Steuerbehörde des Mitgliedstaates der Europäischen Union zu übermitteln, in dem der Unternehmer ansässig ist; diese Steuererklärung ist ab dem Zeitpunkt eine Steueranmeldung im Sinne des § 150 Absatz 1 Satz 3 und des § 168 der Abgabenordnung, zu dem die in ihr enthaltenen Daten von der zuständigen Steuerbehörde des Mitgliedstaates der Europäischen Union, an die der Unternehmer die Steuererklärung übermittelt hat, dem Bundeszentralamt für Steuern übermittelt und dort in bearbeitbarer Weise aufgezeichnet wurden. Satz 2 gilt für die Berichtigung einer Steuererklärung entsprechend. Die Steuer ist am 20. Tag nach Ablauf des Besteuerungszeitraums fällig und bis dahin vom Unternehmer zu entrichten. Die Ausübung des Wahlrechts nach Satz 1 hat der Unternehmer in dem amtlich vorgeschriebenen, elektronisch zu übermittelnden Dokument der Steuerbehörde des Mitgliedstaates der Europäischen Union, in dem der Unternehmer ansässig ist, vor Beginn des Besteuerungszeitraums anzuzeigen, ab dessen Beginn er von dem Wahlrecht Gebrauch macht. Das Wahlrecht kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Besteuerungszeitraums an widerrufen werden. Der Widerruf ist vor Beginn des Besteuerungszeitraums, für den er gelten soll, gegenüber der Steuerbehörde des Mitgliedstaates der Europäischen Union, in dem der Unternehmer ansässig ist, auf elektronischem Weg zu erklären. Kommt der Unternehmer seinen Verpflichtungen nach den Sätzen 1 bis 5 oder § 22 Absatz 1 wiederholt nicht oder nicht rechtzeitig nach, schließt ihn die zuständige Steuerbehörde des Mitgliedstaates der Europäischen Union, in dem der Unternehmer ansässig ist, von dem Besteuerungsverfahren nach Satz 1 aus. Der Ausschluss gilt ab dem Besteuerungszeitraum, der nach dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Ausschlusses gegenüber dem Unternehmer beginnt. Die Steuererklärung nach Satz 1 gilt als fristgemäß übermittelt, wenn sie bis zum 20. Tag nach Ablauf des Besteuerungszeitraums (§ 16 Absatz 1b Satz 1) der zuständigen Steuerbehörde des Mitgliedstaates der Europäischen Union übermittelt worden ist, in dem der Unternehmer ansässig ist, und dort in bearbeitbarer Weise aufgezeichnet wurde. Die Entrichtung der Steuer erfolgt entsprechend Satz 4 fristgemäß, wenn die Zahlung bis zum 20. Tag nach Ablauf des Besteuerungszeitraums (§ 16 Absatz 1b Satz 1) bei der zuständigen Steuerbehörde des Mitgliedstaates der Europäischen Union, in dem der Unternehmer ansässig ist, eingegangen ist. § 240 der Abgabenordnung ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Säumnis frühestens mit Ablauf des 10. Tages nach Ablauf des auf den Besteuerungszeitraum (§ 16 Absatz 1b Satz 1) folgenden übernächsten Monats eintritt.

(4f) Soweit Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund und Länder durch ihr Handeln eine Erklärungspflicht begründen, obliegen der jeweiligen Organisationseinheit für die Umsatzbesteuerung alle steuerlichen Rechte und Pflichten. In den in § 30 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b der Abgabenordnung genannten Verfahren tritt die Organisationseinheit insoweit an die Stelle der Gebietskörperschaft. § 2 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt. Die Organisationseinheiten können jeweils für ihren Geschäftsbereich durch Organisationsentscheidungen weitere untergeordnete Organisationseinheiten mit Wirkung für die Zukunft bilden. Einer Organisationseinheit übergeordnete Organisationseinheiten können durch Organisationsentscheidungen mit Wirkung für die Zukunft die in Satz 1 genannten Rechte und Pflichten der untergeordneten Organisationseinheit wahrnehmen oder mehrere Organisationseinheiten zu einer Organisationseinheit zusammenschließen. Die in § 1a Absatz 3 Nummer 2, § 2b Absatz 2 Nummer 1, § 3a Absatz 5 Satz 3, § 3c Absatz 4 Satz 1, § 18 Absatz 2 Satz 2, § 18a Absatz 1 Satz 2, § 19 Absatz 1, § 20 Satz 1 Nummer 1 und § 24 Absatz 1 Satz 1 genannten Betragsgrenzen gelten für Organisationseinheiten stets als überschritten. Wahlrechte, deren Rechtsfolgen das gesamte Unternehmen der Gebietskörperschaft erfassen, können nur einheitlich ausgeübt werden. Die Gebietskörperschaft kann gegenüber dem für sie zuständigen Finanzamt mit Wirkung für die Zukunft erklären, dass die Sätze 1 bis 5 nicht zur Anwendung kommen sollen; ein Widerruf ist nur mit Wirkung für die Zukunft möglich.

(4g) Die oberste Landesfinanzbehörde oder die von ihr beauftragte Landesfinanzbehörde kann anordnen, dass eine andere als die nach § 21 Absatz 1 der Abgabenordnung örtlich zuständige Finanzbehörde die Besteuerung einer Organisationseinheit des jeweiligen Landes übernimmt. Die oberste Landesfinanzbehörde oder die von ihr beauftragte Landesfinanzbehörde kann mit der obersten Finanzbehörde eines anderen Landes oder einer von dieser beauftragten Landesfinanzbehörde vereinbaren, dass eine andere als die nach § 21 Absatz 1 der Abgabenordnung zuständige Finanzbehörde die Besteuerung einer Organisationseinheit des Landes der zuständigen Finanzbehörde übernimmt. Die Senatsverwaltung für Finanzen von Berlin oder eine von ihr beauftragte Landesfinanzbehörde kann mit der obersten Finanzbehörde eines anderen Landes oder mit einer von dieser beauftragten Landesfinanzbehörde vereinbaren, dass eine andere als die nach § 21 Absatz 1 der Abgabenordnung zuständige Finanzbehörde die Besteuerung für eine Organisationseinheit der Gebietskörperschaft Bund übernimmt.

(5) In den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5) ist abweichend von den Absätzen 1 bis 4 wie folgt zu verfahren:

1.
Der Beförderer hat für jede einzelne Fahrt eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck in zwei Stücken bei der zuständigen Zolldienststelle abzugeben.
2.
Die zuständige Zolldienststelle setzt für das zuständige Finanzamt die Steuer auf beiden Stücken der Steuererklärung fest und gibt ein Stück dem Beförderer zurück, der die Steuer gleichzeitig zu entrichten hat. Der Beförderer hat dieses Stück mit der Steuerquittung während der Fahrt mit sich zu führen.
3.
Der Beförderer hat bei der zuständigen Zolldienststelle, bei der er die Grenze zum Drittlandsgebiet überschreitet, eine weitere Steuererklärung in zwei Stücken abzugeben, wenn sich die Zahl der Personenkilometer (§ 10 Abs. 6 Satz 2), von der bei der Steuerfestsetzung nach Nummer 2 ausgegangen worden ist, geändert hat. Die Zolldienststelle setzt die Steuer neu fest. Gleichzeitig ist ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Finanzamts zu entrichten oder ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Beförderers zu erstatten. Die Sätze 2 und 3 sind nicht anzuwenden, wenn der Unterschiedsbetrag weniger als 2,50 Euro beträgt. Die Zolldienststelle kann in diesen Fällen auf eine schriftliche Steuererklärung verzichten.

(5a) In den Fällen der Fahrzeugeinzelbesteuerung (§ 16 Absatz 5a) hat der Erwerber, abweichend von den Absätzen 1 bis 4, spätestens bis zum 10. Tag nach Ablauf des Tages, an dem die Steuer entstanden ist, eine Steuererklärung, in der er die zu entrichtende Steuer selbst zu berechnen hat, nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln oder nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben (Steueranmeldung). Bei Verwendung des Vordrucks muss dieser vom Erwerber eigenhändig unterschrieben sein. Gibt der Erwerber die Steueranmeldung nicht ab oder hat er die Steuer nicht richtig berechnet, so kann die Finanzbehörde die Steuer festsetzen. Die Steuer ist am zehnten Tag nach Ablauf des Tages fällig, an dem sie entstanden ist, und ist bis dahin vom Erwerber zu entrichten.

(5b) In den Fällen des § 16 Abs. 5b ist das Besteuerungsverfahren nach den Absätzen 3 und 4 durchzuführen. Die bei der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5) entrichtete Steuer ist auf die nach Absatz 3 Satz 1 zu entrichtende Steuer anzurechnen.

(6) Zur Vermeidung von Härten kann das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Fristen für die Voranmeldungen und Vorauszahlungen um einen Monat verlängern und das Verfahren näher bestimmen. Dabei kann angeordnet werden, dass der Unternehmer eine Sondervorauszahlung auf die Steuer für das Kalenderjahr zu entrichten hat.

(7) Zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens kann das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, dass und unter welchen Voraussetzungen auf die Erhebung der Steuer für Lieferungen von Gold, Silber und Platin sowie sonstige Leistungen im Geschäft mit diesen Edelmetallen zwischen Unternehmern, die an einer Wertpapierbörse im Inland mit dem Recht zur Teilnahme am Handel zugelassen sind, verzichtet werden kann. Das gilt nicht für Münzen und Medaillen aus diesen Edelmetallen.

(8) (weggefallen)

(9) Zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens kann das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Vergütung der Vorsteuerbeträge (§ 15) an im Ausland ansässige Unternehmer, abweichend von § 16 und von den Absätzen 1 bis 4, in einem besonderen Verfahren regeln. Dabei kann auch angeordnet werden,

1.
dass die Vergütung nur erfolgt, wenn sie eine bestimmte Mindesthöhe erreicht,
2.
innerhalb welcher Frist der Vergütungsantrag zu stellen ist,
3.
in welchen Fällen der Unternehmer den Antrag eigenhändig zu unterschreiben hat,
4.
wie und in welchem Umfang Vorsteuerbeträge durch Vorlage von Rechnungen und Einfuhrbelegen nachzuweisen sind,
5.
dass der Bescheid über die Vergütung der Vorsteuerbeträge elektronisch erteilt wird,
6.
wie und in welchem Umfang der zu vergütende Betrag zu verzinsen ist.
Von der Vergütung ausgeschlossen sind in Rechnung gestellte Steuerbeträge für Ausfuhrlieferungen, bei denen die Gegenstände vom Abnehmer oder von einem von ihm beauftragten Dritten befördert oder versendet wurden, die nach § 4 Nummer 1 Buchstabe a in Verbindung mit § 6 steuerfrei sind, oder für innergemeinschaftliche Lieferungen, die nach § 4 Nummer 1 Buchstabe b in Verbindung mit § 6a steuerfrei sind oder in Bezug auf § 6a Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 steuerfrei sein können. Sind die durch die Rechtsverordnung nach den Sätzen 1 und 2 geregelten Voraussetzungen des besonderen Verfahrens erfüllt und schuldet der im Ausland ansässige Unternehmer ausschließlich Steuer nach § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder § 13a Absatz 1 Nummer 4, kann die Vergütung der Vorsteuerbeträge nur in dem besonderen Verfahren durchgeführt werden. Einem Unternehmer, der im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist und Umsätze ausführt, die zum Teil den Vorsteuerabzug ausschließen, wird die Vorsteuer höchstens in der Höhe vergütet, in der er in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, bei Anwendung eines Pro-rata-Satzes zum Vorsteuerabzug berechtigt wäre. Einem Unternehmer, der nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist, wird die Vorsteuer nur vergütet, wenn in dem Land, in dem der Unternehmer seinen Sitz hat, keine Umsatzsteuer oder ähnliche Steuer erhoben oder im Fall der Erhebung im Inland ansässigen Unternehmern vergütet wird. Von der Vergütung ausgeschlossen sind bei Unternehmern, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind, die Vorsteuerbeträge, die auf den Bezug von Kraftstoffen entfallen. Die Sätze 6 und 7 gelten nicht für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind, soweit sie im Besteuerungszeitraum (§ 16 Absatz 1 Satz 2) vor dem 1. Juli 2021 als Steuerschuldner Umsätze nach § 3a Absatz 5 im Gemeinschaftsgebiet erbracht und für diese Umsätze von § 18 Absatz 4c Gebrauch gemacht haben oder diese Umsätze in einem anderen Mitgliedstaat erklärt sowie die darauf entfallende Steuer entrichtet haben; Voraussetzung ist, dass die Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit Umsätzen nach § 3a Absatz 5 stehen. Die Sätze 6 und 7 gelten auch nicht für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind, soweit sie im Besteuerungszeitraum (§ 16 Absatz 1 Satz 2) nach dem 30. Juni 2021 als Steuerschuldner Lieferungen nach § 3 Absatz 3a Satz 1 innerhalb eines Mitgliedstaates, Fernverkäufe nach § 3 Absatz 3a Satz 2, innergemeinschaftliche Fernverkäufe nach § 3c Absatz 1 Satz 2 und 3, Fernverkäufe nach § 3c Absatz 2 oder 3 oder sonstige Leistungen an Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 im Gemeinschaftsgebiet erbracht und für diese Umsätze von den §§ 18i, 18j oder 18k Gebrauch gemacht haben; Voraussetzung ist, dass die Vorsteuerbeträge mit Lieferungen nach § 3 Absatz 3a Satz 1 innerhalb eines Mitgliedstaates, Fernverkäufen nach § 3 Absatz 3a Satz 2, innergemeinschaftlichen Fernverkäufen nach § 3c Absatz 1 Satz 2 und 3, Fernverkäufen nach § 3c Absatz 2 oder 3 oder sonstigen Leistungen an Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 im Zusammenhang stehen.

(10) Zur Sicherung des Steueranspruchs in den Fällen des innergemeinschaftlichen Erwerbs neuer motorbetriebener Landfahrzeuge und neuer Luftfahrzeuge (§ 1b Abs. 2 und 3) gilt folgendes:

1.
Die für die Zulassung oder die Registrierung von Fahrzeugen zuständigen Behörden sind verpflichtet, den für die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs neuer Fahrzeuge zuständigen Finanzbehörden ohne Ersuchen Folgendes mitzuteilen:
a)
bei neuen motorbetriebenen Landfahrzeugen die erstmalige Ausgabe von Zulassungsbescheinigungen Teil II oder die erstmalige Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens bei zulassungsfreien Fahrzeugen. Gleichzeitig sind die in Nummer 2 Buchstabe a bezeichneten Daten und das zugeteilte amtliche Kennzeichen oder, wenn dieses noch nicht zugeteilt worden ist, die Nummer der Zulassungsbescheinigung Teil II zu übermitteln,
b)
bei neuen Luftfahrzeugen die erstmalige Registrierung dieser Luftfahrzeuge. Gleichzeitig sind die in Nummer 3 Buchstabe a bezeichneten Daten und das zugeteilte amtliche Kennzeichen zu übermitteln. Als Registrierung im Sinne dieser Vorschrift gilt nicht die Eintragung eines Luftfahrzeugs in das Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen.
2.
In den Fällen des innergemeinschaftlichen Erwerbs neuer motorbetriebener Landfahrzeuge (§ 1b Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und Absatz 3 Nummer 1) gilt Folgendes:
a)
Bei der erstmaligen Ausgabe einer Zulassungsbescheinigung Teil II im Inland oder bei der erstmaligen Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens für zulassungsfreie Fahrzeuge im Inland hat der Antragsteller die folgenden Angaben zur Übermittlung an die Finanzbehörden zu machen:
aa)
den Namen und die Anschrift des Antragstellers sowie das für ihn zuständige Finanzamt (§ 21 der Abgabenordnung),
bb)
den Namen und die Anschrift des Lieferers,
cc)
den Tag der Lieferung,
dd)
den Tag der ersten Inbetriebnahme,
ee)
den Kilometerstand am Tag der Lieferung,
ff)
die Fahrzeugart, den Fahrzeughersteller, den Fahrzeugtyp und die Fahrzeug-Identifizierungsnummer,
gg)
den Verwendungszweck.
Der Antragsteller ist zu den Angaben nach den Doppelbuchstaben aa und bb auch dann verpflichtet, wenn er nicht zu den in § 1a Absatz 1 Nummer 2 und § 1b Absatz 1 genannten Personen gehört oder wenn Zweifel daran bestehen, dass die Eigenschaften als neues Fahrzeug im Sinne des § 1b Absatz 3 Nummer 1 vorliegen. Die Zulassungsbehörde darf die Zulassungsbescheinigung Teil II oder bei zulassungsfreien Fahrzeugen, die nach § 4 Absatz 2 und 3 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung ein amtliches Kennzeichen führen, die Zulassungsbescheinigung Teil I erst aushändigen, wenn der Antragsteller die vorstehenden Angaben gemacht hat.
b)
Ist die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb nicht entrichtet worden, hat die Zulassungsbehörde auf Antrag des Finanzamts die Zulassungsbescheinigung Teil I für ungültig zu erklären und das amtliche Kennzeichen zu entstempeln. Die Zulassungsbehörde trifft die hierzu erforderlichen Anordnungen durch schriftlichen Verwaltungsakt (Abmeldungsbescheid). Das Finanzamt kann die Abmeldung von Amts wegen auch selbst durchführen, wenn die Zulassungsbehörde das Verfahren noch nicht eingeleitet hat. Satz 2 gilt entsprechend. Das Finanzamt teilt die durchgeführte Abmeldung unverzüglich der Zulassungsbehörde mit und händigt dem Fahrzeughalter die vorgeschriebene Bescheinigung über die Abmeldung aus. Die Durchführung der Abmeldung von Amts wegen richtet sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz. Für Streitigkeiten über Abmeldungen von Amts wegen ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.
3.
In den Fällen des innergemeinschaftlichen Erwerbs neuer Luftfahrzeuge (§ 1b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 3) gilt Folgendes:
a)
Bei der erstmaligen Registrierung in der Luftfahrzeugrolle hat der Antragsteller die folgenden Angaben zur Übermittlung an die Finanzbehörden zu machen:
aa)
den Namen und die Anschrift des Antragstellers sowie das für ihn zuständige Finanzamt (§ 21 der Abgabenordnung),
bb)
den Namen und die Anschrift des Lieferers,
cc)
den Tag der Lieferung,
dd)
das Entgelt (Kaufpreis),
ee)
den Tag der ersten Inbetriebnahme,
ff)
die Starthöchstmasse,
gg)
die Zahl der bisherigen Betriebsstunden am Tag der Lieferung,
hh)
den Flugzeughersteller und den Flugzeugtyp,
ii)
den Verwendungszweck.
Der Antragsteller ist zu den Angaben nach Satz 1 Doppelbuchstabe aa und bb auch dann verpflichtet, wenn er nicht zu den in § 1a Abs. 1 Nr. 2 und § 1b Abs. 1 genannten Personen gehört oder wenn Zweifel daran bestehen, ob die Eigenschaften als neues Fahrzeug im Sinne des § 1b Abs. 3 Nr. 3 vorliegen. Das Luftfahrt-Bundesamt darf die Eintragung in der Luftfahrzeugrolle erst vornehmen, wenn der Antragsteller die vorstehenden Angaben gemacht hat.
b) Ist die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb nicht entrichtet worden, so hat das Luftfahrt-Bundesamt auf Antrag des Finanzamts die Betriebserlaubnis zu widerrufen. Es trifft die hierzu erforderlichen Anordnungen durch schriftlichen Verwaltungsakt (Abmeldungsbescheid). Die Durchführung der Abmeldung von Amts wegen richtet sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz. Für Streitigkeiten über Abmeldungen von Amts wegen ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

(11) Die für die Steueraufsicht zuständigen Zolldienststellen wirken an der umsatzsteuerlichen Erfassung von Personenbeförderungen mit nicht im Inland zugelassenen Kraftomnibussen mit. Sie sind berechtigt, im Rahmen von zeitlich und örtlich begrenzten Kontrollen die nach ihrer äußeren Erscheinung nicht im Inland zugelassenen Kraftomnibusse anzuhalten und die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse festzustellen, die für die Umsatzsteuer maßgebend sind, und die festgestellten Daten den zuständigen Finanzbehörden zu übermitteln.

(12) Im Ausland ansässige Unternehmer (§ 13b Absatz 7), die grenzüberschreitende Personenbeförderungen mit nicht im Inland zugelassenen Kraftomnibussen durchführen, haben dies vor der erstmaligen Ausführung derartiger auf das Inland entfallender Umsätze (§ 3b Abs. 1 Satz 2) bei dem für die Umsatzbesteuerung zuständigen Finanzamt anzuzeigen, soweit diese Umsätze nicht der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5) unterliegen. Das Finanzamt erteilt hierüber eine Bescheinigung. Die Bescheinigung ist während jeder Fahrt mitzuführen und auf Verlangen den für die Steueraufsicht zuständigen Zolldienststellen vorzulegen. Bei Nichtvorlage der Bescheinigung können diese Zolldienststellen eine Sicherheitsleistung nach den abgabenrechtlichen Vorschriften in Höhe der für die einzelne Beförderungsleistung voraussichtlich zu entrichtenden Steuer verlangen. Die entrichtete Sicherheitsleistung ist auf die nach Absatz 3 Satz 1 zu entrichtende Steuer anzurechnen.

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

Wenn nichts anderes bestimmt ist, darf ein Haftungsschuldner auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Diese Einschränkung gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat oder gesetzlich verpflichtet war, Steuern einzubehalten und abzuführen oder zu Lasten eines anderen zu entrichten.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.