Finanzgericht Münster Urteil, 06. Dez. 2013 - 14 K 2727/10 G
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist, ob eine Betriebsaufspaltung vorliegt.
3Der Kläger ist als Film- und Fernsehjournalist freiberuflich tätig.
4Am 13.07.1995 schloss er mit der B GmbH (im Folgenden kurz: B GmbH) einen Mietvertrag über die Anmietung der ehemaligen …halle der … einschließlich Wirtschafts-, Personal- und Nebenräumen in angrenzenden Gebäuden und Freiflächen in unmittelbarer Umgebung der Halle (§ 1 des Mietvertrags). Die als Vermieterin auftretende B GmbH war dabei als treuhänderischer Sanierungsträger der Stadt F für die … tätig; sie war lediglich Besitzerin, nicht aber Eigentümerin der vermieteten Gebäude und Flächen.
5In dem Mietvertrag heißt es auszugsweise wie folgt:
6„ Präambel ...
73. Für den Betrieb der Gastronomie- und Veranstaltungshalle (ehemalige …halle) gem. § 2 wird eine Betreibergesellschaft gegründet. Der Mieter ist berechtigt, den Mietvertrag mit allen Rechten und Pflichten an eine Betreibergesellschaft zu übertragen, an der er selbst mit mindestens 25 % beteiligt ist. Die Betreibergesellschaft wird in der Rechtsform einer GmbH geführt, das Haftungskapital beträgt DM 200.000,--.
8...
9§ 2 Betriebsverpflichtung
102.1 Der Mieter verpflichtet sich, das Mietobjekt das ganze Jahr über gemäß der „Projektskizze für ein Betreibermodell, Halle …“ zu bewirtschaften. ...
112.2 In der Halle wird eine gehobene Gastronomie mit Veranstaltungsbereich mit den nachfolgenden Inhalten betrieben: ...
12§ 5 Mietdauer und Kündigung
135.1 Das Mietverhältnis wird auf Dauer von 10 Jahren geschlossen. Es beginnt am 01.10.1996 und endet am 30.09.2006. Der Vermieter räumt dem Mieter das Recht ein, das Mietobjekt über den 30.09.2006 hinaus auf weitere 5 Jahre zu Bedingungen dieses Vertrages mieten zu können (Option). ...
145.3 Kündigt der Vermieter das Mietverhältnis nach Maßgabe von § 5.2 so ist der Mieter zum Ersatz jeden Schadens bis zur Höhe des Haftungskapitals der Betreibergesellschaft verpflichtet, der dem Vermieter aus der vorzeitigen Auflösung des Mietvertrages erwächst.“
15Die Miete betrug ausweislich des ursprünglichen Mietvertrags 15.000 DM/Monat. Dieser Betrag (15.000 DM / 7.669,37 €) wurde auch in den Streitjahren 2002 bis 2006 entrichtet.
16Die Gebäude und Flächen, die Gegenstand des o.g. Vertrages waren, vermietete der Kläger an die X GmbH weiter. Die Bedingungen entsprachen denen in dem vom Kläger selbst abgeschlossenen Mietvertrag, mit Ausnahme der Miete, die 20.000 DM/Monat betrug und in dieser Höhe (20.000 DM / 10.225,83 €) auch in den Streitjahren gezahlt wurde. Den Mietzuschlag von 5.000 DM hat der Kläger nach eigenen Angaben seit Beginn des Mietverhältnisses stets durchgehalten, d.h. bei einer Minderung der von ihm selbst geschuldeten Miete (so geschehen in 1996 bis 1998) wurde auch die von der X GmbH geschuldete Miete entsprechend gemindert.
17Die X GmbH hatte der Kläger mit Vertrag vom 24.01.1996 mit einem Stammkapital von 70.000 DM gegründet. Er war zunächst Alleingesellschafter. Mit Vertrag vom 29.08.1996 wurde das Stammkapital auf 210.000 DM erhöht, wovon 2/3 auf den Kläger und 1/3 auf Herrn E W entfielen. In 1997 verkaufte der Kläger einen Teil seiner Anteile an Frau K Q ; er ist seitdem nur noch mit 51,6 % an der GmbH beteiligt. Geschäftsführer war zunächst allein der Kläger. Nach der Kapitalerhöhung wurde Herr E W mit einem Jahresgehalt von anfänglich 60.000 DM zum weiteren Geschäftsführer bestellt. Der Kläger selbst erhielt für seine Geschäftsführertätigkeit kein festes Gehalt, sondern rechnete seine Tätigkeit im Rahmen eines Beratervertrags gesondert ab und erklärte die Einnahmen als solche aus freiberuflicher Tätigkeit.
18Die Einnahmen aus dem Untermietverhältnis erklärte der Kläger als solche aus Vermietung und Verpachtung i.S.d. § 21 EStG.
19Mit Bescheid vom 27.11.2006 ordnete der Beklagte eine Außenprüfung bei dem Kläger für die Jahre 2002 bis 2004 an betreffend Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer. Die Prüfung wurde mit Betriebsprüfungsbericht vom 01.12.2008 abgeschlossen. Der Prüfer behandelte die Einkünfte des Klägers aus der Beratertätigkeit für die X GmbH als solche aus Gewerbebetrieb; hinsichtlich dieser rechtlichen Würdigung besteht kein Streit zwischen den Beteiligten. Darüber hinaus kam der Prüfer zu der Auffassung, dass es sich auch bei den Einkünften aus dem Untermietverhältnis um solche aus Gewerbebetrieb handele, da die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vorliegen würden. Zugleich wurde eine umsatzsteuerliche Organschaft angenommen.
20Am 27.02.2009 wurden erstmalig Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2002 bis 2006 erlassen.
21Mit seinem hiergegen gerichteten Einspruch wandte sich der Kläger allein gegen die Qualifizierung der Einkünfte aus der Untervermietung als solche aus Gewerbebetrieb.
22Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 22.06.2010 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung führte der Beklagte aus, dass eine personelle Verflechtung unstreitig vorliege, da der Kläger als Einzelperson Vermieter des untervermieteten Grundstücks sei und an der Betriebs-GmbH zu über 50 % beteiligt sei. Auch sei eine sachliche Verflechtung gegeben, da das vermietete Grundstück eine wesentliche Betriebsgrundlage für die X GmbH darstelle. Diese sei ausschließlich deshalb gegründet worden, um in genau diesen Räumen eine Gastronomie nebst Veranstaltungsbereich zu betreiben. Dass der Kläger nicht Eigentümer, sondern nur Mieter des dem Betriebsunternehmen zur Nutzung überlassenen Grundstücks gewesen sei, sei unerheblich. Maßgebend sei allein, dass er aufgrund des Mietvertrags mit der B GmbH alleiniger Nutzungsberechtigter des Grundstücks gewesen sei und er vertraglich auch zur Untervermietung des Grundstücks berechtigt gewesen sei. Eine sachliche Verflechtung des Klägers als Einzelperson mit einer Betriebs-GmbH sei nach dem Entwicklungskonzept von Anfang an bei Abschluss des Mietvertrags vorgesehen und beabsichtigt gewesen. Ohne Gründung der Betreibergesellschaft wäre das Grundstück dem Kläger gar nicht als Mieter überlassen worden.
23Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
24Er stellt klar, dass das Vorliegen einer personellen Verflechtung nicht streitig sei. Auch sei der genutzte Grundbesitz „in Form der ehemaligen …halle“ zweifelsohne wesentliche Grundlage des gastronomischen Betriebs. Fraglich sei jedoch, ob die Weiterüberlassung des Grundstücks im Rahmen eines bloßen Untermietverhältnisses auch eine sachliche Verflechtung begründe.
25Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liege eine Betriebsaufspaltung vor, wenn einem Betriebsunternehmen wesentliche Grundlagen für seinen Betrieb von einem Besitzunternehmen überlassen würden und die hinter dem Betriebs- und dem Besitzunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen hätten. Zumindest in den grundlegenden Entscheidungen habe der BFH von Anlagegütern gesprochen. So heiße es etwa im Leitsatz der Entscheidung vom 24.08.1989 – IV R 135/86, eine sachliche Verflechtung sei durch die Überlassung von Anlagegütern an die Betriebsgesellschaft begründet, die für diese nach ihrer Funktion eine wesentliche Betriebsgrundlage bilde.
26Zu beachten sei auch, dass nach der Entscheidung des Großen Senats vom 08.11.1971 (GrS 2/71, BFHE 103, 44) die Vermietung von Grundbesitz in der Regel eine bloße Vermögensverwaltung darstelle. Sie könne zwar bei Vorliegen besonderer Umstände auch als eine gewerbliche Tätigkeit angesehen werden, jedoch seien an das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung strenge Anforderungen zu stellen.
27Nach seiner – des Klägers – Auffassung müsse die Rechts- und Gestaltungsmacht des Besitzunternehmens ein deutliches „Mehr“ gegenüber der Rechts- und Gestaltungsmacht des Betriebsunternehmens beinhalten. Denn immerhin solle die gewerbliche Betätigung des Betriebsunternehmens die im Grundsatz vermögensverwaltende Betätigung des Besitzunternehmens überlagern, weil ihr der dem Besitzunternehmen verbliebene Teil des Rechts vorenthalten werde. Anders könne dieses nicht als „abgespalten“ gelten. Dies setze zumindest im Regelfall eine entweder auf der einen oder der anderen Seite bilanzierungsfähige Position voraus.
28Seines – des Klägers – Erachtens sei für die Annahme einer Betriebsaufspaltung mithin erforderlich, dass die überlassenen Wirtschaftsgüter in tatsächlicher Hinsicht in dem unternehmerischen Verbund zumindest an einer Stelle „aktivierungsfähig“ seien. Er– der Kläger – habe jedoch zu keinem Zeitpunkt eine Position innegehabt, die ihn zur Bilanzierung des Grundstücks oder Teilen desselben berechtigt hätten. Mehr als einen befristeten Mietvertrag habe er niemals in den Händen gehabt. Der tatsächlich feststellbare unternehmerische Betätigungswille erschöpfe sich insoweit in der Erhebung eines Untermietzuschlags, welcher der Annahme bloßer Vermögensverwaltung geradezu typisch innewohne.
29Zwar werde in der Kommentierung ausgeführt, es sei gleichgültig, ob der Besitzunternehmer selbst Eigentümer der überlassenen Wirtschaftsgüter sei (z.B. Schmidt, EStG, § 15 Rn. 809). Allerdings würden die Kommentatoren hierbei ausschließlich auf Rechtsprechung zu Fällen echter Betriebsaufspaltung verweisen. Allen entschiedenen Einzelfällen sei, soweit ersichtlich, gemein, dass der spätere Besitzunternehmer zuvor Eigentümer oder Vorbehaltsnießbraucher gewesen sei oder in sonstiger Weise – etwa aufgrund erbrechtlicher Ansprüche – eine eigentümerähnliche Position in Bezug auf den überlassenen Gegenstand innegehabt habe.
30In dem Urteil des BFH vom 12.10.1999 – X R 5/86 (BStBl II 1989, 152) heiße es ausdrücklich: „Zumindest bei der echten Betriebsaufspaltung begründet jede Verpachtung wesentlicher Betriebsgrundlagen eine sachliche Verflechtung gleichwieviel, ob der Verpächter Eigentümer oder lediglich Nutzungsberechtigter ist.“ Ähnlich heiße es im Urteil des BFH vom 18.08.2009 – X R 22/07 (BFH/NV 2010, 208). Auch dieser Entscheidung habe jedoch ein Fall einer echten Betriebsaufspaltung zu Grunde gelegen.
31Ob die Rechtsausführungen auf den hier vorliegenden Sachverhalt einer unechten Betriebsaufspaltung übertragbar seien, sei fraglich. Denn er – der Kläger – habe zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit gehabt, den Besitz über die Dauer eines verkehrsüblichen Mietverhältnisses hinaus nachhaltig an die Betriebsgesellschaft zu vermitteln. Vielmehr ende die Möglichkeit der mietweisen Nutzungsüberlassung zwingend dann, wenn auch das von ihm – dem Kläger – begründete Mietverhältnis ende. Auch habe er – der Kläger – keinerlei eigene Investitionen vorgenommen. Sein wirtschaftliches Engagement beschränke sich vielmehr auf die Herstellung eines stabilen Untermietverhältnisses, wobei die mietvertraglichen Bestimmungen des Hauptmietvertrags hinsichtlich Objekt, Laufzeiten und allen weiteren Rechten und Pflichten eins zu eins weitergereicht worden seien.
32Das bloße Zwischenmietverhältnis in vorliegender Prägung sei daher unter der Berücksichtigung der vom Großen Senat des BFH bestimmten strengen Anforderungen an eine Umqualifizierung nicht geeignet, einen unternehmerischen Betätigungswillen auf Seiten des Zwischenmieters zu begründen. Hierfür sei die Stellung des Zwischenmieters viel zu schwach.
33An einer Umqualifizierung in gewerbliche Einkünfte bestehe im Grundsatz auch kein begründetes fiskalisches Interesse. Denn es seien auf der Unternehmensebene keinerlei stille Reserven denkbar, deren Besteuerung es mit dem Konstrukt der Betriebsaufspaltung zu sichern gelten könne. Es habe zu keinem Zeitpunkt weder in seiner – des Klägers – Person noch auf Seiten der Betriebsgesellschaft noch im familiären Dunstkreis jemals eine Berechtigung an den stillen Reserven an dem vermieteten Grundstück bestanden. Keiner der bislang höchstrichterlich entschiedenen Fälle sei hiermit vergleichbar.
34Es sei auch kein Alternativszenario denkbar, bei dem entweder er – der Kläger – oder das Betriebsunternehmen einen wirtschaftlich stärkeren Nutzen als den aus bloßer Mieterstellung habe erlangen können. Vor diesem Hintergrund wirke das Konstrukt der Betriebsaufspaltung unnatürlich und überzogen. Es sei nicht ersichtlich, mit welcher Zielsetzung die zivilrechtlich zulässig gestaltete Rechtslage hier richterlich durchbrochen werde. Insoweit unterscheide sich der Fall deutlich von den durch komplizierte Erbkonstrukte geprägten Fallentscheidungen, in denen letztlich doch die jeweilige Substanz bzw. das Eigentum im familiären Nutzungsverbund als prinzipiell aktivierungsfähige Position irgendwie verblieben sei.
35Im Übrigen sei die Mietdifferenz schon Gegenstand von Prüfungen gewesen. Vom Finanzamt F sei anlässlich einer bei der X GmbH für die Jahre 1996 bis 1998 durchgeführten Außenprüfung vertreten worden, dass es sich bei der Mietdifferenz um eine verdeckte Gewinnausschüttung handele, jedoch sei es mit dieser Auffassung vor Gericht unterlegen (FG Düsseldorf – 6 K 3996/01 K,F). Das Finanzgericht habe die Angemessenheit des Untermietzuschlags festgestellt. Also finde auch keine Aufspaltung zum Zwecke des „Absaugens“ von ansonsten gewerbesteuerpflichtigen Erträgen statt. Damit entfalle der fiskalische Hintergrund jener Überlegungen, welcher die Rechtsprechung seinerzeit dazu veranlasst habe, eine von der gestalteten zivilrechtlichen Ausgangslage abweichende Entfaltung gewerblicher bzw. unternehmerischer Aktivität nur allein auf Grund des ausgelagerten Besitzes wesentlicher Betriebsgrundlagen zu konstatieren.
36Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass der ursprüngliche fiskalische Beweggrund der Betriebsprüfungsstelle für die hier getroffenen Prüfungsfeststellungen mittlerweile überholt sei. Mit Urteil vom 23.09.2009 (VII R 43/08, BStBl II 2010, 215) habe der BFH zwischenzeitlich entschieden, dass die Bezahlung einer Umsatzsteuerschuld des Organträgers durch die Organgesellschaft nicht gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar sei, weil das Finanzamt insoweit nicht Insolvenzgläubiger sei. Damit entfalle jedenfalls nach der seinerzeitigen Motivlage der Betriebsprüfung der wesentliche Grund für das Festhalten an einer Betriebsaufspaltung als Grundlage einer umsatzsteuerlichen Organschaft.
37Die Behauptung des Beklagten, die B GmbH habe ihm – dem Kläger – das Grundstück überhaupt nicht als Mieter überlassen wollen, treffe nicht zu. Nach den mietvertraglichen Bestimmungen habe der Mieter lediglich das Recht, nicht aber die Pflicht gehabt, den Mietvertrag auf eine etwaige Betreibergesellschaft zu übertragen. Er – der Kläger – habe die Dispositionsmöglichkeit gehabt, den konzeptionierten Gastronomiebetrieb selbst zu führen und damit eigengewerblich tätig zu werden, jedoch habe er diese Möglichkeit nicht wahrgenommen.
38Der Kläger beantragt,
39unter Änderung der Gewerbesteuermessbescheide 2002 bis 2006 vom 27.02.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.06.2010 die Gewerbesteuermessbeträge wie folgt herabzusetzen:
40für 2002 von … € auf … €
41für 2003 von … € auf … €
42für 2004 von … € auf … €
43für 2005 von … € auf … €
44für 2006 von … € auf … €
45hilfsweise,
46die Revision zuzulassen.
47Der Beklagte beantragt,
48die Klage abzuweisen.
49Er hält daran fest, dass auch die nur im Rahmen eines Untermietvertrags erfolgte Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen eine sachliche Verflechtung begründe. Das gelte im Streitfall insbesondere deshalb, weil bereits in der Präambel des Mietvertrags zwischen der B GmbH und dem Kläger unter Punkt 3 festgelegt worden sei, dass der Betrieb der Gastronomie durch eine noch zu gründende Betreiberfirma in der Rechtsform einer GmbH zu führen sei. Eine Führung der Gastronomie als Einzelfirma durch den Kläger hätte damit den Nutzungsbestimmungen des Mietvertrags widersprochen. Die Übertragung der Rechte und Pflichten auf der Basis des Mietvertrags sei folglich zwingend gewesen.
50Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten – auch soweit sie zum Verfahren 14 V 4353/10 G betreffend die Aussetzung der Vollziehung ergangen sind – sowie die vorgelegten Finanzamtsakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2013 verwiesen.
51Entscheidungsgründe:
521. Die Klage ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
53Die Gewerbesteuermessbescheide 2002 bis 2006 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vorliegen.
54Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb. Als Gewerbebetrieb ist gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) jede mit Gewinnabsicht unternommene selbständige nachhaltige Betätigung zu verstehen, die sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung einer selbständigen Tätigkeit anzusehen ist.
55Die bloße Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken ist grundsätzlich Vermögensverwaltung und kein Gewerbebetrieb. Etwas anderes gilt nach ständiger Rechtsprechung des BFH dann (sog. Betriebsaufspaltung, vgl. z.B. Beschluss vom 08.11.1971 – GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63), wenn die von einer Einzelperson, einer Gemeinschaft oder einer Personengesellschaft betriebene Vermietung oder Verpachtung (Besitzunternehmen) die Nutzungsüberlassung einer wesentlichen Betriebsgrundlage an eine gewerblich tätige Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft --Betriebsgesellschaft-- zum Gegenstand hat (sachliche Verflechtung) und eine Person oder mehrere Personen zusammen sowohl das Besitzunternehmen als auch die Betriebsgesellschaft in dem Sinne beherrschen, dass sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen (personelle Verflechtung). Liegen die Voraussetzungen einer personellen und sachlichen Verflechtung vor, ist die Vermietung oder Verpachtung keine Vermögensverwaltung mehr, sondern eine gewerbliche Vermietung oder Verpachtung. Das Besitzunternehmen ist dann ein Gewerbebetrieb.
56a) So verhält es sich auch im Streitfall. Der Kläger erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb, denn es liegen sowohl eine personelle auch eine sachliche Verflechtung vor.
57Eine personelle Verflechtung ist regelmäßig gegeben, wenn die Personen, die an beiden Unternehmen zusammen mehrheitlich beteiligt sind und damit das Betriebsunternehmen beherrschen, auch im Besitzunternehmen über die Mehrheit der Stimmen verfügen und im Besitzunternehmen kraft Gesetzes oder vertraglich wenigstens für Geschäfte des täglichen Lebens das Mehrheitsprinzip maßgeblich ist (vgl. BFH, Urteil vom 16.05.2013 – IV R 54/11, BFH/NV 2013, 1557). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, denn der Kläger war in den Streitjahren zu 51,6 % an der X GmbH beteiligt und zugleich alleiniger Vermieter des Grundstücks. Darüber, dass eine personelle Verflechtung vorliegt, besteht auch kein Streit.
58Eine sachliche Verflechtung setzt voraus, dass dem Betriebsunternehmen vom Besitzunternehmen materielle oder immaterielle Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlassen werden und diese beim Betriebsunternehmen zumindest eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellen. Zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören diejenigen Wirtschaftsgüter, die vom Betriebszweck gefordert werden und für die Betriebsführung besonderes Gewicht haben. Eine wirtschaftliche Bedeutung ist bei der Überlassung von Grundbesitz bereits dann anzunehmen, wenn der Betrieb auf das Betriebsgrundstück angewiesen ist, weil er ohne ein Grundstück dieser Art nicht fortgeführt werden könnte. Dabei ist unerheblich, ob das Grundstück auch von anderen Unternehmen genutzt werden könnte, ob ein vergleichbares Grundstück gemietet oder gekauft werden könnte oder ob die betriebliche Tätigkeit auch auf einem anderen Grundstück weitergeführt werden könnte (vgl. BFH, Urteil vom 10.11.2005 – IV R 7/05, BFHE 211, 312, BStBl II 2006, 176). Grundsätzlich begründet also jede betriebliche (Selbst)Nutzung eines Grundstücks durch das Betriebsunternehmen eine sachliche Verflechtung mit dem Besitzunternehmen, sofern das Grundstück wirtschaftlich nicht von untergeordneter Bedeutung ist.
59Unter Berücksichtigung der o.g. Grundsätze stellen die der X GmbH zur Nutzung überlassenen Räumlichkeiten bei dieser eine wesentliche Betriebsgrundlage dar. Denn die GmbH hat diese Räumlichkeiten benötigt, um dort ihre gewerbliche Tätigkeit – das Betreiben einer Gastronomie nebst Veranstaltungshalle – ausüben zu können. Auch darüber, dass eine wesentliche Betriebsgrundlage überlassen wird, besteht kein Streit.
60Der Streit beschränkt sich vielmehr auf die Frage, ob die Annahme einer sachlichen Verflechtung im Streitfall daran scheitert, dass der Kläger nicht der Eigentümer der überlassenen Räumlichkeiten war, sondern diese selbst angemietet hatte.
61Dies ist zu verneinen.
62Mit Urteil vom 12.10.1988 – X R 5/86 (BFHE 154, 566, BStBl II 1989, 152) hat der BFH bereits entschieden, dass zumindest bei der sog. echten Betriebsaufspaltung grundsätzlich jede Verpachtung wesentlicher Betriebsgrundlagen eine sachliche Verflechtung begründet, gleichviel, ob der Verpächter Eigentümer oder lediglich Nutzungsberechtigter ist. Rechtspositionen, die als Grundlage für ein werbendes Unternehmen ausreichen würden, würden grundsätzlich auch zur Betriebsführung in einem Pachtunternehmen genügen, sofern der Verpächter zur Nutzungsüberlassung befugt sei. Der BFH stützt sich in der vorgenannten Entscheidung auf das Urteil des BFH vom 11.08.1966 – IV 219/64 (BFHE 86, 621, BStBl III 1966, 601), in der ausgeführt wird, dass kein Grund ersichtlich sei, die Betriebsaufspaltung mit der Gewerbesteuerpflicht der Besitzgesellschaft auf die Fälle zu beschränken, in denen die Besitzgesellschaft auch Eigentümerin der verpachteten wesentlichen Betriebsgrundstücke sei. Ebenso wie ein Einzelunternehmer seinen Gewerbebetrieb in einem gepachteten Gebäudegrundstück ausüben könne, müsse es auch möglich sein, dass das im Rahmen einer Betriebsaufspaltung geführte wirtschaftlich einheitliche Unternehmen in von der Besitzgesellschaft gepachteten oder dieser aus sonstigen Gründen zur Weiterverpachtung überlassenen Betriebsgrundstücken geführt werde. Auch in späteren Entscheidungen hat der BFH daran festgehalten, dass der Umstand, dass das verpachtende Besitzunternehmen nicht Eigentümer der verpachteten Betriebsgrundlagen ist, einer sachlichen Verflechtung nicht entgegen steht (z.B. Beschluss vom 02.12.2005 – XI B 215/04, veröffentlicht bei juris; Urteil vom 18.08.2009 – X R 22/07, BFH/NV 2010, 208).
63Dass im Streitfall kein Fall einer echten Betriebsaufspaltung vorliegt, die dann gegeben ist, wenn das Besitz- und das Betriebsunternehmen durch die Aufspaltung eines einheitlichen Unternehmens entstanden sind, sondern ein Fall einer sog. unechten Betriebsaufspaltung, die angenommen wird, wenn das Betriebs- und das Besitzunternehmen als getrennte Unternehmen errichtet wurden, ist unerheblich. Echte und unechte Betriebsaufspaltungen wurden in der Rechtsprechung des BFH bislang grundsätzlich gleich behandelt (vgl. BFH, Urteil vom 17.04.2002 – X R 8/00, BFHE 199, 124, BStBl II 2002, 527 m.w.N.). Einen Grund, der es rechtfertigen könnte, hiervon für den Fall der Weitervermietung von selbst gemieteten Gegenständen abzuweichen, vermag der Senat nicht zu erkennen (vgl. im Ergebnis auch FG München, Urteil vom 13.12.2004 – 1 K 4526/03, juris).
64Der Senat sieht keine rechtsdogmatische Veranlassung dazu, das Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung auf die Fälle zu begrenzen, in denen der vermietete Gegenstand im Eigentum des Besitzunternehmens steht bzw. bei diesem als Gegenstand des Anlage- oder Umlaufvermögens bilanzierungsfähig ist.
65Soweit der Kläger darauf verweist, dass er zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit gehabt habe, den Besitz über die Dauer eines verkehrsüblichen Mietverhältnisses hinaus nachhaltig an die Betriebsgesellschaft zu vermitteln, ist ihm entgegen zu halten, dass dies kein Umstand ist, der nur bei unechten Betriebsaufspaltungen vorkommt. Vielmehr sind solche Gestaltungen auch bei echten Betriebsaufspaltungen denkbar, z.B. dann, wenn ein einheitliches Unternehmen selbst nur Mieter des Betriebsgrundstücks war und der Mietvertrag im Rahmen der Aufspaltung des Unternehmens von der Besitzgesellschaft übernommen wird, welche das Grundstück sodann an die Betriebsgesellschaft weiter vermietet. Für letztere Fälle hat der BFH das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung jedoch – wie dargestellt – bereits ausdrücklich bejaht.
66Nach den vorgenannten BFH-Entscheidungen (X R 5/86 u.a.) kommt es bei der Vermietung nicht im Eigentum der Besitzgesellschaft stehender Wirtschaftsgüter letztlich allein darauf an, ob diese zur Nutzungsüberlassung an die Betriebsgesellschaft befugt war. Das ist hier der Fall, denn der Kläger war ausweislich der ausdrücklichen Regelung in Nr. 3 der Präambel des mit der B GmbH geschlossenen Mietvertrags befugt, die Räumlichkeiten unter bestimmten – hier erfüllten – Bedingungen an eine Betreibergesellschaft weiter zu vermieten.
67Soweit der Kläger darüber hinaus vorträgt, es bestehe an einer Umqualifizierung der Vermietungseinkünfte in gewerbliche Einkünfte kein fiskalisches Interesse, weil auf der Unternehmensebene keinerlei stille Reserven denkbar seien, deren Besteuerung es zu sichern gelte, verkennt er, dass sich der Zweck des Rechtsinstitut „Betriebsaufspaltung“ nicht darauf beschränkt, die Besteuerung stiller Reserven zu sichern. Vielmehr trägt die zur Betriebsaufspaltung ergangene Rechtsprechung dem Umstand Rechnung, dass es das Steuerrecht weitgehend den beide Unternehmen beherrschenden natürlichen Personen überlässt, die Rechtsbeziehungen zwischen ihren Unternehmen und sich selbst nach ihrem Belieben zu gestalten und damit die sich aus der wirtschaftlichen Betätigung des Gesamtorganismus ergebenden Erträge bis zu einem gewissen Umfang zu verlagern (vgl. BFH, Urteil vom 16.01.1962 – I 57/61 S, BFHE 74, 275, BStBl III 1962, 104). Zum Beispiel besteht bei einer personellen Verflechtung die Möglichkeit, die Vertragsverhältnisse so zu gestalten, dass die Gewerbesteuerpflicht des Betriebsunternehmens durch die Verlagerung von Aufwendungen und/oder Erträgen gemindert wird. So verhält es sich auch hier, denn die vom Kläger gewählte Konstruktion – Weitervermietung des Grundstücks zu einem um 5.000 DM / 2.556,46 € pro Monat höheren Mietzins – führt zu einer Minderung der Gewerbesteuerschuld der X GmbH. Diese muss nämlich 5.000 DM / 2.556,46 € pro Monat mehr zahlen als dies bei einer unmittelbaren Anmietung der Räumlichkeiten von der B GmbH bzw. bei einer Anmietung vom Kläger zu dem von diesem geschuldeten Mietzins der Fall gewesen wäre, wodurch sich ihr Gewerbeertrag mindert. Gleichzeitig kommt der Kläger nach Abzug der eigenen Mietschuld in den Genuss von Einnahmen i.H.v. 5.000 DM / 2.556,46 € pro Monat, die er – wenn seine Rechtsauffassung richtig wäre – gerade nicht der Gewerbesteuer unterwerfen müsste. Ein fiskalisches Interesse ist im Streitfall daher durchaus gegeben.
68b) Der Umstand, dass die Mietdifferenz – wie der Kläger vorträgt – schon Gegenstand von Prüfungen gewesen ist, steht der Annahme einer Betriebsaufspaltung in den Streitjahren ebenfalls nicht entgegen. Es entspricht dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der Abschnittsbesteuerung, dass das Finanzamt in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen hat. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muss es zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgeben. Dies gilt auch dann, wenn die (fehlerhafte) Auffassung in einem Prüfungsbericht niedergelegt worden ist oder wenn die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hatte. Das Finanzamt ist an eine bei einer früheren Veranlagung zugrunde gelegten Rechtsauffassung auch dann nicht gebunden, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert hat (BFH, Urteil vom 30.03.2011 – XI R 30/09, BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613).
69Etwas anderes gilt im Streitfall auch nicht deshalb, weil sich das Finanzgericht Düsseldorf im Rahmen des dortigen Klageverfahrens 6 K 3996/01 K,F – so jedenfalls die Auskunft des Klägers – bereits mit der Mietdifferenz beschäftigt haben soll. Abgesehen davon, dass das vorgenannte Verfahren nicht die jetzigen Streitjahre betraf, wurde es auch nicht von dem Kläger, sondern von der X GmbH geführt. Eine Bindungswirkung i.S.d. § 110 FGO geht von dem Verfahren 6 K 3996/01 K,F für den Streitfall mithin nicht aus.
70Unerheblich ist zudem, ob eine umsatzsteuerliche Organschaft gegeben ist. Denn die Prüfung, ob eine Betriebsaufspaltung vorliegt, hängt nicht davon ab, ob gleichzeitig auch die Voraussetzungen für eine umsatzsteuerliche Organschaft erfüllt sind.
712. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wurde gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2FGO zwecks Fortbildung des Rechts zugelassen.
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(1)1Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind
- 1.
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen, insbesondere von Grundstücken, Gebäuden, Gebäudeteilen, Schiffen, die in ein Schiffsregister eingetragen sind, und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z. B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht); - 2.
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von Sachinbegriffen, insbesondere von beweglichem Betriebsvermögen; - 3.
Einkünfte aus zeitlich begrenzter Überlassung von Rechten, insbesondere von schriftstellerischen, künstlerischen und gewerblichen Urheberrechten, von gewerblichen Erfahrungen und von Gerechtigkeiten und Gefällen; - 4.
Einkünfte aus der Veräußerung von Miet- und Pachtzinsforderungen, auch dann, wenn die Einkünfte im Veräußerungspreis von Grundstücken enthalten sind und die Miet- oder Pachtzinsen sich auf einen Zeitraum beziehen, in dem der Veräußerer noch Besitzer war.
(2)1Beträgt das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken weniger als 50 Prozent der ortsüblichen Marktmiete, so ist die Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen.2Beträgt das Entgelt bei auf Dauer angelegter Wohnungsvermietung mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete, gilt die Wohnungsvermietung als entgeltlich.
(3) Einkünfte der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Art sind Einkünften aus anderen Einkunftsarten zuzurechnen, soweit sie zu diesen gehören.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,
- 1.
wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist, - 2.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder - 3.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.
(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.
(1)1Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird.2Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen.3Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrieb, soweit für ihn im Inland oder auf einem in einem inländischen Schiffsregister eingetragenen Kauffahrteischiff eine Betriebsstätte unterhalten wird.
(2)1Als Gewerbebetrieb gilt stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften (insbesondere Europäische Gesellschaften, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung), Genossenschaften einschließlich Europäischer Genossenschaften sowie der Versicherungs- und Pensionsfondsvereine auf Gegenseitigkeit.2Ist eine Kapitalgesellschaft Organgesellschaft im Sinne der § 14 oder § 17 des Körperschaftsteuergesetzes, so gilt sie als Betriebsstätte des Organträgers.
(3) Als Gewerbebetrieb gilt auch die Tätigkeit der sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts und der nichtrechtsfähigen Vereine, soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (ausgenommen Land- und Forstwirtschaft) unterhalten.
(4) Vorübergehende Unterbrechungen im Betrieb eines Gewerbes, die durch die Art des Betriebs veranlasst sind, heben die Steuerpflicht für die Zeit bis zur Wiederaufnahme des Betriebs nicht auf.
(5)1Geht ein Gewerbebetrieb im Ganzen auf einen anderen Unternehmer über, so gilt der Gewerbebetrieb als durch den bisherigen Unternehmer eingestellt.2Der Gewerbebetrieb gilt als durch den anderen Unternehmer neu gegründet, wenn er nicht mit einem bereits bestehenden Gewerbebetrieb vereinigt wird.
(6) Inländische Betriebsstätten von Unternehmen, deren Geschäftsleitung sich in einem ausländischen Staat befindet, mit dem kein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht, unterliegen nicht der Gewerbesteuer, wenn und soweit
- 1.
die Einkünfte aus diesen Betriebsstätten im Rahmen der beschränkten Einkommensteuerpflicht steuerfrei sind und - 2.
der ausländische Staat Unternehmen, deren Geschäftsleitung sich im Inland befindet, eine entsprechende Befreiung von den der Gewerbesteuer ähnlichen oder ihr entsprechenden Steuern gewährt, oder in dem ausländischen Staat keine der Gewerbesteuer ähnlichen oder ihr entsprechenden Steuern bestehen.
(7) Zum Inland im Sinne dieses Gesetzes gehört auch der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Anteil
- 1.
an der ausschließlichen Wirtschaftszone, soweit dort - a)
die lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen der Gewässer über dem Meeresboden, des Meeresbodens und seines Untergrunds erforscht, ausgebeutet, erhalten oder bewirtschaftet werden, - b)
andere Tätigkeiten zur wirtschaftlichen Erforschung oder Ausbeutung der ausschließlichen Wirtschaftszone ausgeübt werden, wie beispielsweise die Energieerzeugung aus Wasser, Strömung und Wind oder - c)
künstliche Inseln errichtet oder genutzt werden und Anlagen und Bauwerke für die in den Buchstaben a und b genannten Zwecke errichtet oder genutzt werden, und
- 2.
am Festlandsockel, soweit dort - a)
dessen natürliche Ressourcen erforscht oder ausgebeutet werden; natürliche Ressourcen in diesem Sinne sind die mineralischen und sonstigen nicht lebenden Ressourcen des Meeresbodens und seines Untergrunds sowie die zu den sesshaften Arten gehörenden Lebewesen, die im nutzbaren Stadium entweder unbeweglich auf oder unter dem Meeresboden verbleiben oder sich nur in ständigem körperlichen Kontakt mit dem Meeresboden oder seinem Untergrund fortbewegen können; oder - b)
künstliche Inseln errichtet oder genutzt werden und Anlagen und Bauwerke für die in Buchstabe a genannten Zwecke errichtet oder genutzt werden, und
- 3.
der nicht zur Bundesrepublik Deutschland gehörende Teil eines grenzüberschreitenden Gewerbegebiets, das nach den Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung als solches bestimmt ist.
(8) Für die Anwendung dieses Gesetzes sind eine optierende Gesellschaft im Sinne des § 1a des Körperschaftsteuergesetzes als Kapitalgesellschaft und ihre Gesellschafter wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zu behandeln.
Tatbestand
- 1
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I. Gesellschafter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) --der "X Vermögensverwaltung haftungsbeschränkte Gesellschaft bürgerlichen Rechts"-- waren im Streitjahr (1999) die Eheleute A und B sowie deren Kinder C und D. Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 20. Dezember 1994 von A und B gegründet. Nach § 3 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags waren A zu 52 % und B zu 48 % beteiligt. Mit Schenkungsvereinbarung vom 15. April 1995 übertrugen A und B je 12 % ihrer Beteiligung auf C und D. Danach waren im Streitjahr A zu 28 % und B, C und D zu jeweils 24 % an der Klägerin beteiligt.
- 2
-
Der Gesellschaftsvertrag enthält u.a. folgende Bestimmungen:
- 3
-
"§ 2
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...
(1) Gegenstand der Gesellschaft ist der Erwerb und die Verwaltung von Vermögen im In- und Ausland, insbesondere von Grundbesitz und damit in Zusammenhang stehendem Kapitalvermögen.
(2) Die Gesellschaft darf keinen Gewerbebetrieb im Sinne des deutschen Steuerrechts betreiben. Alle etwaigen gemeinschaftlichen gewerblichen Aktivitäten der Gesellschafter im Zusammenhang mit dieser Gesellschaft oder ohne einen solchen werden im Rahmen einer gesonderten Gesellschaft bürgerlichen Rechts durchgeführt, für die die §§ 705 ff. BGB unmittelbar Anwendung finden, sofern kein separater Gesellschaftsvertrag geschlossen ist.
- 4
-
§ 3
-
...
(4) Als Gesellschaftereinlage legt (A) das ihm gehörende Grundstück (G) in die Gesellschaft ein. ...
- 5
-
§ 4
-
...
(1) Die Gesellschaft wird bis zum 31. Dezember 2020 fest geschlossen. Sie kann zu diesem Zeitpunkt erstmals mit einer Frist von 24 Monaten gekündigt werden. ...
(2) Dem Gründungsgesellschafter (A) steht ein höchstpersönliches außerordentliches Kündigungsrecht mit sechsmonatiger Kündigungsfrist zum Ende eines jeden Geschäftsjahres zu.
...
- 6
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§ 5
-
...
(2) Zu ersten Geschäftsführern sind die Gründungsgesellschafter bestellt, wobei die aktive Geschäftsführung bei (B) liegt. Sie sind alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Eine Abberufung dieser Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluß ist ausgeschlossen. ...
- 7
-
§ 6
-
...
(1) Gesellschafterbeschlüsse sind in allen Angelegenheiten der Gesellschaft zulässig. Die Beschlussfassung erfolgt mit einfacher Mehrheit. Abgestimmt wird nach den in § 3 Abs. (1) genannten Quoten.
...
(7) Gesellschafterbeschlüsse gegen die Stimme des Gründungsgesellschafters (A) sind ausgeschlossen.
...
- 8
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§ 10
-
...
(2) Kündigt ein Gesellschafter, so scheidet er aus der Gesellschaft aus. Die Gesellschaft wird von den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt. ...
(3) Im Falle der Kündigung durch (A) scheiden alle übrigen Gesellschafter aus der Gesellschaft aus. Die Kündigung kann auf das Ausscheiden einzelner Gesellschafter beschränkt werden.
-
...
- 9
-
§ 12
-
...
(1) Für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters --aus welchem Grunde auch immer-- wird jeglicher Abfindungsanspruch ausgeschlossen.
..."
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Aufgrund Auflassung vom 13. März 1995 wurden A und B "in BGB-Gesellschaft mit der Bezeichnung 'X Vermögensverwaltung haftungsbeschränkte Gesellschaft bürgerlichen Rechts'" als Miteigentümer des Grundstücks G ins Grundbuch eingetragen. Aufgrund notariellen Berichtigungsantrags vom 12. August 1998 wurden neben A und B auch die neu eingetretenen Gesellschafter C und D "in BGB-Gesellschaft ..." als Miteigentümer eingetragen.
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Mit notariellen Urkunden vom 4. September 1995 übertrug A die in seinem Eigentum stehenden Grundstücke H und K sowie Wohnungs- bzw. Teileigentum am Grundstück L an die "X Vermögensverwaltung haftungsbeschränkte Gesellschaft bürgerlichen Rechts". In den notariellen Urkunden heißt es ferner, dass die Erschienenen (A und B) sich darüber einig seien, dass das Eigentum an den vorgenannten Wohnungen auf A und B "in Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit der Bezeichnung: 'X Vermögensverwaltung haftungsbeschränkte Gesellschaft bürgerlichen Rechts'" mit Wirkung zum 31. Dezember 1995 übergehe. Nachdem zunächst A und B "in BGB-Gesellschaft mit der Bezeichnung 'X Vermögensverwaltung haftungsbeschränkte Gesellschaft bürgerlichen Rechts'" in die Grundbücher eingetragen worden waren, wurden auch hier aufgrund von notariellen Berichtigungsanträgen vom 12. August 1998 die neu als Gesellschafter eingetretenen C und D als weitere Gesamthandseigentümer eingetragen.
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Bereits aufgrund eines Mietvertrags mit dem vorherigen Eigentümer aus dem Jahr 1989 war ein Teil des Grundstücks G an die (GmbH) vermietet. Dort betrieb die GmbH in dafür hergerichteten Räumlichkeiten --wie auch in den Folgejahren-- eine Spielhalle. Der Mietvertrag wurde fortgeführt, nachdem A das Grundstück G im Jahr 1990 erworben hatte. An der GmbH waren in den Jahren ab 1995 --darunter auch das Streitjahr-- A mit einem Anteil von 75,2 % und C mit einem Anteil von 24,8 % beteiligt.
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Für die Jahre 1995 bis 1999 wurden für die Klägerin Feststellungserklärungen abgegeben, nach denen Gesellschafter der Klägerin A, B, C und D waren. Dabei wurden für das Jahr 1995 Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus den Grundstücken E und G angegeben. Für die Folgejahre wurden neben Einkünften aus Kapitalvermögen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus den Grundstücken E, G, H, K und L erklärt. Zum Grundstück E hat das Finanzgericht (FG) keine weiteren Feststellungen getroffen.
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Wie bereits in den Vorjahren ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) auch für das Streitjahr zunächst erklärungsgemäß von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bzw. aus Kapitalvermögen aus. In seinem unter den Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO--) gestellten Feststellungsbescheid 1999 vom 22. November 2001 stellte das FA erklärungsgemäß Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 261.962 DM und Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 2.868 DM fest.
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Anlässlich einer Außenprüfung für die Jahre 1999 bis 2002 gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass zwischen der Klägerin und der GmbH eine Betriebsaufspaltung bestehe. Eine personelle Verflechtung sei gegeben, weil A einerseits beherrschender Gesellschafter der GmbH sei und zum anderen aufgrund der besonderen Regelungen des Gesellschaftsvertrags --insbesondere der Einräumung eines Vetorechts in § 6 des Gesellschaftsvertrags sowie des außerordentlichen Kündigungsrechts in § 4 des Gesellschaftsvertrags-- in der Lage sei, die Klägerin durch Gesellschafterbeschlüsse so zu lenken, wie er es für richtig halte. Darüber hinaus nehme die aus A und C bestehende Personengruppe sowohl bei der Klägerin mit einer Beteiligung von 52 % als auch bei der GmbH mit einer Beteiligung von 100 % eine beherrschende Stellung ein. Die Betriebsaufspaltung habe zur Folge, dass sämtliche Einkünfte der Klägerin als solche aus Gewerbebetrieb zu behandeln seien. Die gewerblichen Einkünfte aus der Vermietung der Spielhalle infizierten die übrigen Einkünfte.
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Das FA schloss sich dieser Auffassung an und stellte mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Feststellungsbescheid 1999 vom 4. Mai 2006 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 218.141 DM fest. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.
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Das FG wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 41 veröffentlichen Gründen ab.
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
- 19
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Sie macht im Wesentlichen geltend, neben der Klägerin existiere eine weitere "X Vermögensverwaltung haftungsbeschränkte Gesellschaft bürgerlichen Rechts" (GbR 2). Die Grundstücke E und G seien vor der Schenkungsvereinbarung vom 15. April 1995 in die zu jener Zeit noch aus den Gesellschaftern A und B bestehende Klägerin eingebracht worden. Weitere fünf Immobilien (betreffend die Grundstücke H, K und L) seien mit Verträgen vom 4. September 1995 auf die GbR 2 übertragen worden. Es greife der "Automatismus" des § 2 Abs. 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin, nach dem alle gewerblichen Aktivitäten der Gesellschafter im Rahmen einer gesonderten GbR durchgeführt würden; konkreter Maßnahmen zur Begründung dieser Schwestergesellschaft bedürfe es nicht. Die zivilrechtliche Trennung der Gesellschaften erlaube keinen Durchgriff auf die Schwestergesellschaft, auch wenn das Vorliegen zweier Gesellschaften mit derselben Bezeichnung nach außen hin nicht zu erkennen gewesen wäre.
- 20
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Soweit gleichwohl die Existenz nur einer Gesellschaft (der Klägerin) angenommen werde, liege keine personelle Verflechtung zwischen Klägerin und GmbH vor, denn die aktive Geschäftsführung bei der Klägerin obliege nach § 5 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin allein der B, die weder an der GmbH beteiligt noch in deren Geschäftsführung eingebunden sei. Nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. November 2005 X R 56/04 (BFHE 212, 100, BStBl II 2006, 415) werde die Klägerin von B beherrscht. B führe die Geschäfte des täglichen Lebens eigenständig, sei von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) befreit und brauche für Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgingen, nicht die Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Entsprechend sei A nicht in der Lage, bei der Klägerin seinen Willen durchzusetzen. Das Vetorecht des A ändere daran nichts, denn gegen die Mehrheit der anderen Gesellschafter könne er seinen Willen nicht durchsetzen.
- 21
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Die Spielhalle (Grundstück G) mache nur ungefähr 5 % der Gesamtvermietung aus. Die Einnahmen aus der Vermietung der Spielhalle lägen im Jahr 1999 bei 6,31 % des Gesamtumsatzes, wobei nur die Hälfte der Gesellschafter der Klägerin auch Gesellschafter der GmbH seien, so dass dieser Prozentsatz zu halbieren sei. Es sei unverhältnismäßig, bei einem derart geringfügigen Anteil von der Gewerblichkeit der Klägerin auszugehen. Auch die Rechtsprechung stufe einen äußerst geringen Anteil als unschädlich ein; in der Literatur werde eine abfärbende Wirkung erst beim Überschreiten der absoluten Geringfügigkeitsgrenze in Höhe des gewerbesteuerlichen Freibetrags vertreten.
- 22
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das vorinstanzliche Urteil und die Einspruchsentscheidung vom 15. Februar 2008 aufzuheben und den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1999 vom 4. Mai 2006 mit der Maßgabe zu ändern, dass keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt werden.
- 23
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Zur Begründung bezieht sich das FA auf die Rechtsausführungen in der angefochtenen Entscheidung und trägt ergänzend vor, die Gründungsgesellschafter der Klägerin hätten nicht allein durch "faktisches Handeln" eine zweite GbR gründen können; entsprechende Willenserklärungen seien nicht abgegeben worden. Die Grundstücksübertragungen seien auf die bestehende GbR --die Klägerin-- erfolgt. Aus dem Umstand, dass die personelle Zusammensetzung der Klägerin bei Abschluss der Verträge eine andere gewesen sei als in den Verträgen angegeben, lasse sich für die Ansicht der Klägerin nichts herleiten.
- 25
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Soweit die Klägerin unter Berufung auf das BFH-Urteil in BFHE 212, 100, BStBl II 2006, 415 eine personelle Verflechtung mit der Begründung bestreite, die Geschäfte des täglichen Lebens der Klägerin als Besitzunternehmen würden von B beherrscht und nicht von den die Betriebsgesellschaft (GmbH) beherrschenden Personen, sei jene Entscheidung nicht einschlägig. Die dort aufgestellten Grundsätze beträfen die Beherrschung der Betriebsgesellschaft und kämen auch nur bei einer im Streitfall nicht vorliegenden Konstellation zur Anwendung.
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Die Beteiligten haben mitgeteilt, dass sie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden sind.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung und zur Abänderung des geänderten Gewinnfeststellungsbescheids 1999 vom 4. Mai 2006 mit der Maßgabe, dass keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt werden.
- 28
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1. Der erkennende Senat hat vorliegend nur darüber zu entscheiden, ob die für die Klägerin festzustellenden Einkünfte zu Recht sämtlich als solche aus Gewerbebetrieb qualifiziert worden sind.
- 29
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a) Ein Gewinnfeststellungsbescheid kann eine Vielzahl selbständiger und damit auch selbständig anfechtbarer Feststellungen enthalten, die eigenständig in Bestandskraft erwachsen und deshalb für die in dem nämlichen Bescheid getroffenen und rechtlich nachgelagerten Feststellungen Bindungswirkung entfalten können (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 19. Juli 2011 IV R 42/10, BFHE 234, 226, BStBl II 2011, 878, m.w.N.). Eine solche selbständige Regelung (Feststellung) stellt insbesondere (auch) die Qualifikation der Einkünfte dar (ebenfalls ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 13. Dezember 2012 IV R 51/09, BFHE 240, 55, BStBl II 2013, 203, m.w.N.).
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b) Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin dagegen, dass das FA und ihm folgend auch das FG im Streitfall von einer Betriebsaufspaltung zwischen ihr --der Klägerin-- und der GmbH ausgegangen sind und infolgedessen nicht nur die Einkünfte aus der Vermietung eines Teils des Grundstücks G (Spielhalle) an die GmbH, sondern auch alle übrigen Einkünfte der Klägerin gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als gewerblich qualifiziert haben. Soweit sich die Klägerin auch auf die Existenz einer weiteren "namensidentischen" GbR berufen hat, lässt sich weder ihrem vor dem FG noch ihrem im Revisionsverfahren gestellten Antrag das die Höhe der erzielten Einkünfte betreffende Klagebegehren entnehmen, einen Teil der streitbefangenen Einkünfte nicht ihr --der Klägerin--, sondern jener GbR zuzurechnen. Nach dem vor dem FG gestellten Aufhebungsantrag genügte der Klägerin die Wiederherstellung des Ausgangsbescheids. Deshalb geht der erkennende Senat davon aus, dass nur die Einkünftequalifikation als selbständige Feststellung im Streit ist.
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2. Das FG hat zu Unrecht die Voraussetzungen einer personellen Verflechtung zwischen der Klägerin als Besitzgesellschaft und der GmbH als Betriebsgesellschaft und damit einer Betriebsaufspaltung zwischen beiden Gesellschaften bejaht. Deshalb kommt nicht in Betracht, die Einnahmen aus der teilweisen Vermietung des Grundstücks G an die GmbH als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren.
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a) Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn einem Betriebsunternehmen wesentliche Grundlagen für seinen Betrieb von einem Besitzunternehmen überlassen werden und die hinter dem Betriebs- und dem Besitzunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben; dieser ist anzunehmen, wenn die Person, die das Besitzunternehmen beherrscht, auch in der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchsetzen kann (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63, ständige Rechtsprechung). Ob die damit umschriebenen Voraussetzungen einer sachlichen und personellen Verflechtung vorliegen, ist nach den Verhältnissen des einzelnen Falles zu entscheiden (z.B. BFH-Urteil vom 18. August 2009 X R 22/07, BFH/NV 2010, 208). Ist aufgrund besonderer sachlicher und personeller Gegebenheiten eine so enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Besitzgesellschaft und dem Betriebsunternehmen zu bejahen, dass die Besitzgesellschaft durch die Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit über das Betriebsunternehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt, so ist die Besitzgesellschaft nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zur Betriebsaufspaltung gewerblich tätig (z.B. BFH-Urteil vom 8. September 2011 IV R 44/07, BFHE 235, 231, BStBl II 2012, 136, Rz 18, m.w.N.).
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b) Im Streitfall kann offenbleiben, ob --auch wenn die Klägerin diese nicht in Abrede stellt-- zwischen der Klägerin und der GmbH eine sachliche Verflechtung bestanden hat. Eine Betriebsaufspaltung kommt im Streitfall bereits deshalb nicht in Betracht, weil unter den hier vorliegenden Umständen eine personelle Verflechtung zwischen der Klägerin und der GmbH ausscheidet.
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(aa) Eine personelle Verflechtung liegt vor, wenn eine Person oder Personengruppe beide Unternehmen in der Weise beherrscht, dass sie in der Lage ist, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 1. Juli 2003 VIII R 24/01, BFHE 202, 535, BStBl II 2003, 757, m.w.N., und in BFHE 212, 100, BStBl II 2006, 415). Für die personelle Verflechtung ist nämlich entscheidend, dass die Geschicke des Besitzunternehmens in den wesentlichen Fragen durch die Person oder Personen bestimmt werden, die auch hinter dem Betriebsunternehmen stehen (BFH-Urteil in BFHE 235, 231, BStBl II 2012, 136, Rz 25).
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(bb) Das FG ist davon ausgegangen, dass A und C als Personengruppe in der Lage waren, sowohl in der GmbH als Betriebsgesellschaft --dort als alleinige Gesellschafter-- als auch bei der Klägerin als Besitzgesellschaft --hier aufgrund einer Mehrheitsbeteiligung von insgesamt 52 %-- ihren Willen durchzusetzen. Zwar wird diese Auffassung --bei isolierter Betrachtungsweise-- durch einzelne Regelungen des Gesellschaftsvertrags der Klägerin gestützt. Das FG hat jedoch rechtsfehlerhaft den gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen zur Geschäftsführung bei der Klägerin keine entscheidende Bedeutung beigemessen. In einer Gesamtschau lassen sich die gesellschaftsvertraglichen Regelungen nur dahin würdigen, dass A und C nicht in der Lage waren, in der GbR (Klägerin) ihren Willen durchzusetzen.
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(1) Eine Betriebsaufspaltung liegt wegen fehlender personeller Verflechtung nicht vor, wenn an der Betriebsgesellschaft nicht alle Gesellschafter der Besitz-Personengesellschaft beteiligt sind und die Beschlüsse der Besitz-Personengesellschaft einstimmig gefasst werden müssen (BFH-Urteil in BFHE 202, 535, BStBl II 2003, 757, m.w.N.). Umgekehrt ist --wie das FG unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 10. April 1997 IV R 73/94 (BFHE 183, 127, BStBl II 1997, 569) zutreffend ausgeführt hat-- eine personelle Verflechtung gegeben, wenn die Personen, die an beiden Unternehmen zusammen mehrheitlich beteiligt sind und damit die Betriebs-GmbH beherrschen, auch im Besitzunternehmen über die Mehrheit der Stimmen verfügen und im Besitzunternehmen kraft Gesetzes oder vertraglich wenigstens für Geschäfte des täglichen Lebens das Mehrheitsprinzip maßgeblich ist. Dies entspricht der auf dem Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63 gründenden sog. Personengruppentheorie (z.B. BFH-Urteil vom 28. Januar 1993 IV R 39/92, BFH/NV 1993, 528; BFH-Beschluss vom 7. Januar 2008 IV B 24/07, BFH/NV 2008, 784). Liegen die genannten Voraussetzungen vor, ist regelmäßig keine weiter gehende Einzelfallwürdigung erforderlich. Ausgehend hiervon deuten im Streitfall die Regelungen des § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags auf das Vorliegen einer personellen Verflechtung hin, soweit danach Gesellschafterbeschlüsse in allen Angelegenheiten der Gesellschaft zulässig sind und die Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit zu erfolgen hat. Käme es im Streitfall allein auf das in § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags statuierte Mehrheitsprinzip an, könnten A und C, die gemeinsam im Besitzunternehmen (Klägerin) über eine einfache Mehrheit verfügten, auch dort ihren Willen durchsetzen. Diese Sichtweise misst jedoch den im Streitfall vorliegenden Regelungen zur Geschäftsführung nur ungenügende Bedeutung bei. Das alleinige Abstellen auf die Stimmenmehrheit nach den Grundsätzen der Personengruppentheorie berücksichtigt nämlich nicht ausreichend die Situation, dass zugleich Geschäftsführungsbefugnisse im Besitz- und/oder Betriebsunternehmen nicht oder nicht ausschließlich den Mehrheitsgesellschaftern zustehen; in diesem Fall ist (ausnahmsweise) im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, ob die Regelungen zur Geschäftsführung der Annahme einer Beherrschungsidentität entgegenstehen.
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(2) Nach § 5 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin sind A und B zu deren Geschäftsführern berufen, wobei die "aktive" Geschäftsführung bei der B liegt. A und B sind alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Eine Abberufung dieser Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss ist ausgeschlossen. Danach war im Streitfall die gemeinschaftliche Geschäftsführung der Gesellschafter (§ 709 Abs. 1 BGB) abbedungen, was nach § 710 BGB bedeutet, dass die übrigen Gesellschafter (C und D) von der Geschäftsführung ausgeschlossen waren. Insoweit mussten sie zwar bei gesellschaftsfremden Angelegenheiten mitwirken, konnten aber keinen Einfluss auf die Verwaltungsgeschäfte der Klägerin nehmen, zu denen bei einer GbR --anders als bei Personenhandelsgesellschaften-- nicht nur solche Geschäfte gehören, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt, sondern alle rechtlichen und tatsächlichen Maßnahmen, auch ungewöhnlicher Art (BFH-Urteil in BFHE 202, 535, BStBl II 2003, 757, m.w.N.). Damit ist hinsichtlich maßgeblicher Geschäfte der Klägerin ein Zusammenwirken von A und C ausgeschlossen. Es kommt hinzu, dass die B ungeachtet ihrer "aktiven" Geschäftsführerstellung alleinvertretungsberechtigt war und insoweit ohne Mitwirkung des A handeln konnte. Dabei konnte die B auch nicht mittelbar durch ein Zusammenwirken von A und C berührt werden, nachdem ihre Abberufung als Geschäftsführerin durch Gesellschafterbeschluss ausgeschlossen war.
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(3) Soweit nach § 6 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrags Gesellschafterbeschlüsse gegen die Stimme des A ausgeschlossen sind, steht dies der vorgenannten Würdigung nicht entgegen. Zum einen stehen Gesellschafterbeschlüsse der alleinigen Geschäftsführung durch B nicht entgegen, wobei auch insoweit zu berücksichtigen ist, dass ein von eventuellen Gesellschafterbeschlüssen abweichendes Handeln der B nicht durch einen auf deren Abberufung gerichteten Gesellschafterbeschluss sanktioniert werden könnte. Zum anderen ist nicht allein schon aufgrund einer gemeinsamen Mehrheitsbeteiligung von A und C das "Vetorecht" des A zugleich auch der C zuzurechnen. Auch müssen sich die Interessen von A und C nicht in jedem Fall decken, so dass auch insoweit das "Vetorecht" des A nicht zwingend Wirkungen auch zugunsten der C entfaltet. Insoweit wäre auch im Rahmen der sog. Personengruppentheorie zu berücksichtigen, dass deren Folgerungen nicht eintreten, wenn die ihr innewohnende Vermutung gleichgerichteter Interessen (z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 784) nicht greift.
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(4) Anders als es das FG gesehen hat, lässt sich auch aus dem in § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags dem A eingeräumten außerordentlichen Kündigungsrecht nicht herleiten, dass A und C bei der Klägerin ihren Willen durchsetzen konnten. Wie bei dem A zustehenden Vetorecht gilt zunächst auch insoweit, dass sich aus dem Kündigungsrecht des A nicht zwingend ein stets gleichgerichtetes Interesse der C herleiten lässt. Dies gilt erst recht, soweit in § 10 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags die Kündigung des A regelmäßig das Ausscheiden aller übrigen Gesellschafter aus der Gesellschaft zur Folge hat. Des Weiteren lässt sich aber aus der ungesicherten Annahme eines mit dem Kündigungsrecht des A verbundenen "Drohpotenzials" für Verwaltungsgeschäfte der Klägerin nicht zwingend herleiten, dass dem Willen des A oder einem von A und C gemeinsam gebildeten Willen im Rahmen der Geschäftsführung durch B in jedem Fall entsprochen wurde. Im Übrigen hätte der Senat Zweifel, ob allein der Umstand, dass ein Gesellschafter das Ende der Gesellschaft erzwingen könnte, es rechtfertigt, laufende Geschäfte dieser Gesellschaft dem gewerblichen Bereich zuzuordnen. Denn maßgeblich für die Beurteilung des Vorliegens einer personellen Verflechtung ist der Einfluss auf die Verwaltungsgeschäfte unter Annahme der Fortführung der Gesellschaft.
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(5) Trotz gewichtiger Einflussmöglichkeiten des A bei der Klägerin sind diese bei einer Gesamtwürdigung aller Regelungen des Gesellschaftsvertrags dahin zu relativieren, dass wegen der gleichzeitigen maßgeblichen Einflussmöglichkeiten der B die Durchsetzung eines gemeinsamen Willens von A und C (auch) bei der Klägerin nicht unterstellt werden kann. Die anderslautende Würdigung des FG erweist sich als rechtsfehlerhaft, soweit sie auf einer unzureichenden Berücksichtigung der rechtlichen Stellung und Befugnisse der B als Geschäftsführerin der Klägerin beruht.
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3. Scheidet im Streitfall eine personelle Verflechtung und damit die Annahme einer Betriebsaufspaltung aus, hat die Klägerin auch im Rahmen der Vermietung eines Teils des Grundstücks G an die GmbH keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Schon deshalb kann auch hinsichtlich der übrigen Einkünfte der Klägerin keine Abfärbewirkung i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG eintreten. Insoweit braucht der Senat keine Stellung zu der von der Klägerin aufgeworfenen Frage zu nehmen, ob wegen relativer und/oder absoluter Geringfügigkeit der infolge einer Betriebsaufspaltung als gewerblich zu qualifizierenden Einkünfte keine Abfärbewirkung hinsichtlich der übrigen Einkünfte der Klägerin eintritt.
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4. Unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung war deshalb der angefochtene Änderungsbescheid mit der Maßgabe zu ändern, dass keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorliegen. Diese Feststellung entfaltet hinsichtlich der in dem nämlichen Bescheid getroffenen und rechtlich nachgelagerten Feststellungen Bindungswirkung (BFH-Urteil in BFHE 234, 226, BStBl II 2011, 878). Auf dieser Grundlage wird das FA Folgeänderungen hinsichtlich der rechtlich nachgelagerten, in dem angegriffenen Änderungsbescheid getroffenen Feststellungen vorzunehmen haben.
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob eine Umsatzsteuerfestsetzung gegen Treu und Glauben verstößt.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Diplom-Psychologin und betreibt eine psychotherapeutische Praxis. Daneben erstellt sie für Familiengerichte psychologische Gutachten zur Frage des Sorge- und Umgangsrechts, in denen auch die Frage nach der Erziehungsfähigkeit eines Elternteils oder beider Elternteile zu beurteilen sein kann, sowie aussagepsychologische Gutachten in Strafverfahren für die Staatsanwaltschaft oder auch für Familiengerichte, die die Feststellung der Aussagetüchtigkeit eines meist kindlichen Zeugen sowie die Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit einer Aussage zum Gegenstand haben.
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Auf telefonische Anfragen der Klägerin und nach Vorlage zweier von ihr erstellter Gutachten erteilte ihr ein Mitarbeiter des Veranlagungsbezirks des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt --FA--) unter dem 2. Januar 1997 folgende schriftliche Auskunft:
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"Sehr geehrte Frau ...,
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die Voraussetzung der Steuerfreiheit für Gerichtsgutachten ist die Annahme einer 'ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit'. Voraussetzung ist hierfür u.a. bei nichtärztlichen Psychotherapeuten das Vorliegen einer Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 HeilpraktG und diese damit der staatlichen Überprüfung unterliegen. Die erforderliche Erlaubnis wurde von Ihnen bereits vorgelegt. Die Erstellung von Gutachten für Gerichte stellt bei Ärzten und Heilpraktikern eine 'heilberufliche Tätigkeit' im Sinne des Absch. 88 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 Umsatzsteuerrichtlinien dar. Die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz ist nach Aktenlage also gegeben.
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Eine verbindliche Auskunft kann ich Ihnen leider nicht erteilen, da die Voraussetzungen nach § 204 der Abgabenordnung nicht erfüllt sind."
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Die Klägerin stellte nachfolgend die Rechnungen über ihre Gutachtertätigkeit ohne Ausweis von Umsatzsteuer aus und gab keine Umsatzsteuererklärungen ab.
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Bei der Einkommensteuerveranlagung für 2002 vermerkte der Sachbearbeiter des FA auf der Einnahmen-Überschussrechnung der Klägerin vom 10. März 2003 bei den erklärten Einnahmen aus schriftlichen Gutachten "USt-Pflicht?", nahm bei den erklärten Ausgaben (Kfz-Kosten 95 %, Bewirtungskosten 80 %, Telefon und Geschenke) Anmerkungen vor und brachte den Vermerk "Bp melden!" an.
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Im April 2003 meldete der veranlagende Teilbezirk des FA den Steuerfall der zuständigen Betriebsprüfungsstelle zur Durchführung einer Außenprüfung und erhielt im Mai 2003 die Antwort, eine Prüfung (für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004) sei für das Kalenderjahr 2006 vorgemerkt.
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Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 9. März 2006 fand bei der Klägerin im Frühjahr/Sommer 2006 eine Außenprüfung statt, die sich auf die Veranlagungszeiträume für 2002 bis 2004 bezog und auch die Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzsteuer umfasste.
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Die Betriebsprüferin kam hinsichtlich der Gutachtertätigkeit der Klägerin zu der Auffassung, dass diese umsatzsteuerpflichtig sei. Nach eigenen Angaben der Klägerin bestehe die Kernaussage ihrer Gutachten u.a. in der Stellungnahme über die Erziehungsfähigkeit eines Elternteils oder die Aussagetüchtigkeit eines zu beurteilenden Kindes. Die ggf. ausgesprochenen therapeutischen Empfehlungen seien nicht Hauptzweck des ihr vom Gericht erteilten Auftrags. Da ein therapeutisches Ziel, also die medizinische Betreuung bei ihrer Tätigkeit als Gerichtssachverständige nicht im Vordergrund stehe, liege eine umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit vor (Hinweis auf die Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 13. Februar 2001 IV D I -S 7170- 4/01, BStBl I 2001, 157, und vom 8. November 2001 IV D I -S 7170- 201/01, BStBl I 2001, 826).
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Das FA folgte der Auffassung der Betriebsprüferin und erließ am 1. Februar 2007 erstmalige Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2004. Den hiergegen eingelegten Einspruch, mit dem die Klägerin im Wesentlichen einen Verstoß gegen Treu und Glauben geltend machte, wies das FA für das Jahr 2004 (Streitjahr) mit Einspruchsentscheidung vom 29. November 2007 als unbegründet zurück, nachdem es die Einspruchsverfahren hinsichtlich der Jahre 2002 und 2003 antragsgemäß zum Ruhen gebracht hatte.
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Das Finanzgericht (FG) hob den Umsatzsteuerbescheid für 2004 und die Einspruchsentscheidung auf. Es führte zur Begründung aus:
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Das FA habe zwar die gutachtliche Tätigkeit der Klägerin zutreffend als umsatzsteuerpflichtig angesehen, weil dabei ein therapeutisches Ziel jedenfalls nicht im Vordergrund gestanden habe (Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 14. September 2000 Rs. C-384/98 --D--, Slg. 2000, I-6795, BFH/NV Beilage 2001, 31, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2000, 918; BMF-Schreiben in BStBl I 2001, 157). Das FA sei aber dennoch an der angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert.
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Die Klägerin könne sich zwar nicht allein aufgrund der Auskunft vom 2. Januar 1997 auf Vertrauensschutz berufen. Ebenso könne sie sich nicht allein wegen der Nichtbesteuerung ihrer Umsätze in den Jahren 1997 bis 2001 entsprechend dieser Auskunft auf Vertrauensschutz berufen. Auch allein aus dem Unterlassen eines Hinweises durch den Veranlagungsbezirk im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2002 an die Klägerin, dass nunmehr die Umsatzsteuerpflicht ihrer Gutachtertätigkeit in Frage stehe, sei kein Vertrauensschutz für die Klägerin gegeben. Schließlich ergebe sich auch kein Vertrauensschutz für die Klägerin allein aus dem Umstand, dass die Veranlagungen für 2002 bis 2004 ebenfalls ohne Aufforderung durch das FA, Umsatzsteuererklärungen einzureichen, durchgeführt wurden. Vertrauensschutz könne die Klägerin aber aus dem Zusammenwirken dieser Umstände beanspruchen.
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Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2009, 630 veröffentlicht.
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Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht das FA im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des FG seien die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Vertrauenstatbestand --auch im Zusammenwirken aller Umstände-- im Streitfall nicht gegeben.
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Das FA beantragt,
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die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Sie führt zur Begründung im Einzelnen aus, bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aller hier entscheidungserheblichen Umstände sei der Tatbestand von Treu und Glauben erfüllt und stehe der streitigen Umsatzsteuer-Nachforderung für 2004 entgegen, wie das FG zutreffend dargelegt habe.
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Hierzu macht sie u.a. geltend, sie, die Klägerin, treffe kein Mitverschulden, das die Schutzwürdigkeit ihres Vertrauens beeinträchtige. Sie habe eine Meinungsänderung des FA frühestens seit Erhalt der Prüfungsanordnung vom 9. März 2006 erahnen können. Zudem sei es um reine Rechtsfragen gegangen, deren Klärung allein Sache des FA gewesen sei. Ihre Mitwirkungspflichten und die ihrer Bevollmächtigten hätten sich auf die hier von Anfang an völlig unproblematische Sachaufklärung beschränkt.
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Im Übrigen sei bei der Gewichtung der beiderseitigen Pflichten zu berücksichtigen, dass hier ein Umsatzsteuer-Rechtsverhältnis zu beurteilen sei, bei dem sie mit Rücksicht auf ihre Indienstnahme im öffentlichen Interesse in besonderem Maße schutzwürdig (gewesen) sei.
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Auf ein Billigkeitsverfahren --das vorliegend abredegemäß ruhe-- könne sie nicht verwiesen werden.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat den Grundsatz von Treu und Glauben, auf den es seine Entscheidung gestützt hat, nicht rechtsfehlerfrei angewendet.
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1. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Erstellung der psychologischen Gutachten der Klägerin nicht nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei ist, da ein therapeutisches Ziel bei diesen Gutachten jedenfalls nicht im Vordergrund steht.
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a) Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind "die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker" steuerfrei.
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§ 4 Nr. 14 Satz 1 UStG ist richtlinienkonform restriktiv dahin auszulegen, dass nur Tätigkeiten zur Diagnose, Behandlung und --soweit möglich-- Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen steuerfrei sind (vgl. z.B. EuGH-Urteil --D-- in Slg. 2000, I-6795, BFH/NV Beilage 2001, 31, HFR 2000, 918; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Dezember 2000 V R 54/98, BFHE 194, 275, unter II.3.a aa; BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 27/03, BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862, unter II.2.; vom 30. Januar 2008 XI R 53/06, BFHE 221, 399, BStBl II 2008, 647, unter II.2.a).
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b) Diese Voraussetzung ist bei Gutachten der vorliegenden Art nicht gegeben (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Juli 2007 V B 98/06, BFHE 217, 94, BStBl II 2008, 35, unter II.2.; BFH-Urteil vom 8. Oktober 2008 V R 32/07, BFHE 222, 184, BStBl II 2009, 429). Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
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2. Zutreffend ist das FG ferner davon ausgegangen, dass ein FA nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert sein kann, einen nach dem Gesetz entstandenen Steueranspruch geltend zu machen. Dies kann der Steuerpflichtige (bereits) gegenüber einer Steuerfestsetzung geltend machen; eines gesonderten Billigkeitsverfahrens bedarf es dazu entgegen der Auffassung des FA (ebenso Reuß, EFG 2009, 633, 635) nicht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274, unter 2.).
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a) Der auch für das Besteuerungsverfahren geltende allgemeine Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben gebietet, dass im konkreten Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinem früheren Verhalten, auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er in irreparabler Weise disponiert hat, nicht in Widerspruch setzt (vgl. BFH-Urteile vom 9. August 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990; vom 8. Februar 1996 V R 54/94, BFH/NV 1996, 733).
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Er verdrängt jedoch gesetztes Recht --wie im Streitfall die Umsatzsteuerpflicht der Tätigkeit der Klägerin-- nur in besonders liegenden Fällen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in so hohem Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen (vgl. BFH-Urteile vom 25. Oktober 1977 VII R 5/74, BFHE 124, 105, 107, BStBl II 1978, 274; vom 5. Februar 1980 VII R 101/77, BFHE 130, 90, 95; in BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990, unter II.1.; vom 29. November 2000 X R 25/97, BFH/NV 2001, 1013, unter II.2.a).
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b) Dies kommt nur dann in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden ist oder wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, unter 1.; BFH-Beschluss vom 26. November 2001 V B 88/00, BFH/NV 2002, 551, unter II.1.b; BFH-Urteile vom 29. April 2008 VIII R 75/05, BFHE 221, 136, BStBl II 2008, 817, unter II.2.e; vom 14. Januar 2010 IV R 86/06, BFH/NV 2010, 1096, unter II.5.).
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3. Der Klägerin ist keine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden. Das wäre nur dann der Fall, wenn sie eine verbindliche Zusage beantragt und das FA eine solche ohne Einschränkung oder Vorbehalte erteilt hätte (vgl. BFH-Urteile vom 17. September 1992 IV R 39/90, BFHE 169, 290, BStBl II 1993, 218; vom 14. September 1994 I R 125/93, BFH/NV 1995, 369, unter 1.b; vom 16. November 2005 X R 3/04, BFHE 211, 30, BStBl II 2006, 155, unter II.2.i). Jedenfalls letztere Voraussetzung liegt hier nicht vor.
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Das FA hat in dem Schreiben vom 2. Januar 1997 keine verbindliche Auskunft erteilt. Das ergibt sich eindeutig aus dem Zusatz, dass eine verbindliche Auskunft leider nicht erteilt werden könne. Der Auffassung der Klägerin, dabei handele es sich lediglich um eine floskelhafte Einschränkung, so dass die Auskunft --jedenfalls im Zusammenwirken mit anderen Umständen-- als verbindlich angesehen werden könne, vermag der Senat nicht zu folgen. Vielmehr kann das Schreiben vom 2. Januar 1997 nach seinem objektiven Erklärungswert (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) aus Empfängersicht eindeutig nur als unverbindliche Auskunft verstanden werden.
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Für dieses Verständnis ist ohne Belang, ob die Voraussetzungen zur Erteilung einer verbindlichen Zusage nach Maßgabe des BMF-Schreibens vom 24. Juni 1987 (BStBl I 1987, 474) vorlagen oder leicht hätten geschaffen werden können oder ob --wie das FG meint-- das FA zu einer dahingehenden Beratung gemäß § 89 der Abgabenordnung verpflichtet war.
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Unerheblich für die Würdigung des Schreibens vom 2. Januar 1997 als unverbindliche Auskunft sind ferner --entgegen der Auffassung der Klägerin-- die Begleitumstände (alleinige Initiative der Klägerin, erkennbare Dringlichkeit einer verlässlichen Äußerung, fortwährendes Angewiesensein der Klägerin auf die Richtigkeit der erteilten Auskunft für eine zutreffende Rechnungserteilung).
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4. Das FA hat durch sein Verhalten nicht außerhalb einer verbindlichen Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen, und zwar --entgegen der Auffassung des FG-- auch nicht im Zusammenwirken der verschiedenen vom FG dafür genannten Umstände.
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a) Ein Vertrauenstatbestand besteht in einem bestimmten Verhalten des einen Teils, aufgrund dessen der andere bei objektiver Beurteilung annehmen konnte, jener werde an seiner Position oder seinem Verhalten konsequent und auf Dauer festhalten (vgl. BFH-Urteile vom 26. April 1995 XI R 81/93, BFHE 178, 4, BStBl II 1995, 754, unter II.5.a; vom 15. Dezember 1999 XI R 11/99, BFH/NV 2000, 708, unter II.1.).
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b) Die Klägerin konnte nicht davon ausgehen, das FA werde an seiner im Schreiben vom 2. Januar 1997 vertretenen Rechtsauffassung auf Dauer festhalten. Denn die Auskunft, dass nach Aktenlage die Umsatzsteuerfreiheit für die Gutachtertätigkeit gemäß § 4 Nr. 14 UStG und Abschn. 88 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) gegeben sei, stand wegen der Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung offensichtlich unter dem Vorbehalt, dass sich die Rechtslage nicht änderte - was hier aber der Fall war.
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aa) Es entspricht dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der Abschnittsbesteuerung, dass das FA in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen hat. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muss es zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgeben; dies grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte. Dies gilt auch dann, wenn die --fehlerhafte-- Auffassung im Prüfungsbericht niedergelegt worden ist oder wenn die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hatte. Das FA ist an eine bei einer früheren Veranlagung zugrunde gelegten Rechtsauffassung auch dann nicht gebunden, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert hat (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Juli 2006 IV B 9/05, BFH/NV 2006, 2028, m.w.N.).
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bb) Hinsichtlich der Umsatzsteuerfreiheit ärztlicher Gutachten nach § 4 Nr. 14 UStG ist nach dem 2. Januar 1997 eine Rechtsänderung eingetreten.
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(1) Wie in dem Schreiben des FA vom 2. Januar 1997 zutreffend ausgeführt wurde, stellte nach damaliger Rechtsauffassung und Besteuerungspraxis die Erstellung von Gutachten für Gerichte bei Ärzten und Heilpraktikern eine "heilberufliche Tätigkeit" i.S. des Abschn. 88 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 der seinerzeit geltenden UStR 1996 dar.
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Nach Abschn. 88 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 UStR fiel unter die Tätigkeit als Arzt i.S. des § 4 Nr. 14 UStG "die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens - auch lediglich auf der Grundlage der Akten - über den Gesundheitszustand eines Menschen oder über den Kausalzusammenhang zwischen einem rechtserheblichen Tatbestand und einer Gesundheitsstörung oder zwischen einer früheren Erkrankung und dem jetzigen körperlichen oder seelischen Zustand sowie über die Tatsache oder Ursache des Todes".
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(2) Im Jahr 2000 hat aber der EuGH --wie bereits dargelegt-- in seinem Urteil --D-- in Slg. 2000, I-6795, BFH/NV Beilage 2001, 31, HFR 2000, 918 entschieden, der Begriff der "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern könne nicht so ausgelegt werden, dass er medizinische Eingriffe umfasse, die zu einem anderen Zweck als dem der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen durchgeführt würden (Rz 18); gemäß dem Grundsatz, dass sämtliche Bestimmungen zur Einführung einer Umsatzsteuerbefreiung eng auszulegen seien, müssten die Leistungen, die keinem solchen therapeutischen Ziel dienen, vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung ausgeschlossen werden (Rz 19).
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(3) Daraufhin hat das BMF mit Schreiben in BStBl I 2001, 157 unter Hinweis auf dieses EuGH-Urteil u.a. ausgeführt, abweichend von Abschn. 88 Abs. 3 Nrn. 1, 2 und 4 UStR sei die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens nur dann nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei, wenn ein therapeutisches Ziel im Vordergrund stehe. In der nachfolgenden beispielhaften Aufzählung der nicht (mehr) unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG fallenden Gutachten sind sämtliche Gutachten genannt, die von der Finanzverwaltung in Abschn. 88 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 UStR 1996 (bislang) als steuerfrei angesehen wurden.
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Mit weiterem Schreiben in BStBl I 2001, 826 hat das BMF u.a. ergänzt, dass auch Gutachten über den Kausalzusammenhang zwischen einem rechtserheblichen Tatbestand und einer Gesundheitsstörung abweichend von Abschn. 88 Abs. 3 Nr. 1 UStR grundsätzlich nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG fallen.
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Die Auffassung der Klägerin, bei der Verwaltung habe sich die veränderte Rechtsanschauung erst mit der Neufassung der UStR für 2005 "erkennbar und eindeutig durchgesetzt", ist vor diesem Hintergrund nicht haltbar.
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cc) Würde diese Rechtsänderung nicht auf die Umsatzbesteuerung der Klägerin angewendet, verstieße dies nicht nur gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit, sondern auch gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, weil die Bevorzugung eines Steuerpflichtigen entgegen den gesetzlichen Vorschriften für alle anderen Steuerpflichtigen, die dem Gesetz entsprechend behandelt werden, eine Benachteiligung bedeutet (vgl. BFH-Urteil vom 16. Juli 1964 V 92/61 S, BFHE 80, 446, BStBl III 1964, 634).
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c) Entgegen der Auffassung des FG hat das FA die Klägerin nicht dadurch in ihrem Vertrauen auf die Auskunft vom 2. Januar 1997 und die entsprechenden Veranlagungen bestärkt und zu entsprechenden weiteren Dispositionen veranlasst, dass der Veranlagungsbeamte des FA die Klägerin auf die in Frage stehende Umsatzsteuerpflicht ihrer gutachtlichen Tätigkeit nicht hingewiesen hat.
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Denn da die Klägerin von den (internen) Bedenken des Veranlagungsbeamten hinsichtlich der Umsatzsteuerfreiheit ihrer Tätigkeit keine Kenntnis erhielt --worauf sie in anderem Zusammenhang selbst hinweist--, konnte durch das Unterlassen eines Hinweises auf diese Bedenken ihr Vertrauen nicht gestärkt werden.
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Im Übrigen überspannt das FG insoweit nach Auffassung des Senats den Grundsatz von Treu und Glauben. Eine derartige Hinweis- und Beratungspflicht eines FA vor Änderung seiner langjährigen Rechtsauffassung ist der Rechtsprechung des BFH nicht zu entnehmen. Vielmehr hat der BFH auch dann, wenn eine --fehlerhafte-- Auffassung in einem Prüfungsbericht niedergelegt worden war (BFH-Urteil in BFHE 80, 446, BStBl III 1964, 634) oder wenn die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hatte (BFH-Urteil vom 22. Juni 1971 VIII 23/65, BFHE 103, 77, BStBl II 1971, 749), einen Hinweis des FA auf die von ihm später als falsch erkannte Rechtsauffassung nicht gefordert.
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Zudem war die Umsatzsteuerpflicht der Tätigkeit der Klägerin für den Veranlagungsbeamten im Jahr 2003 nicht offensichtlich. Sie konnte vielmehr erst nach Vorlage von (exemplarischen) Gutachten oder nach näheren Angaben der Klägerin zum Gegenstand und Ziel der Gutachten --die sie im Rahmen der Außenprüfung 2006 gemacht hat-- beurteilt werden.
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5. Schließlich ist entgegen der Auffassung der Klägerin bei der Gewichtung der beiderseitigen Pflichten unerheblich, dass hier ein Umsatzsteuer-Rechtsverhältnis zu beurteilen ist, bei dem die Klägerin ihrer Meinung nach mit Rücksicht auf ihre Indienstnahme im öffentlichen Interesse in besonderem Maße schutzwürdig (gewesen) sei.
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Denn auf diesen Umstand kommt es bei der hier maßgeblichen Frage, ob die Klägerin bei objektiver Beurteilung annehmen konnte, das FA werde an seiner in seinem Schreiben vom 2. Januar 1997 vertretenen Position oder an seinem späteren Verhalten der Nichtbesteuerung konsequent und auf Dauer festhalten, nicht an.
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Dementsprechend hat der BFH auch bisher in ähnlichen Fällen bei der Prüfung, ob eine Billigkeitsmaßnahme aus Gründen des Vertrauensschutzes in Betracht kommt, unberücksichtigt gelassen, dass es um ein Umsatzsteuer-Rechtsverhältnis ging (vgl. zur Umsatzsteuerpflicht von Schönheitsoperationen: BFH-Beschluss vom 26. September 2007 V B 8/06, BFHE 219, 245, BStBl II 2008, 405; BFH-Urteil vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, juris, unter II.4.).
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6. Da mithin das FA im Streitfall keinen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, braucht der Senat der --vom FG unerörtert gelassenen-- Frage nicht weiter nachzugehen, ob die Klägerin bereits 2001 (nach der Entscheidung des EuGH --D-- in Slg. 2000, I-6795, BFH/NV Beilage 2001, 31, HFR 2000, 918, und den BMF-Schreiben in BStBl I 2001, 157 und 826) von der Problematik der Umsatzsteuerfreiheit ärztlicher Gutachten Kenntnis erlangt hat oder zumindest hätte erlangen können.
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Hierzu hat das FA im Revisionsverfahren unwidersprochen vorgetragen, dass die Klägerin zumindest seit dem Jahr 1993 steuerlich beraten gewesen sei und dass das Thema der Umsatzbesteuerung im Jahr 2001 in Gutachterkreisen lebhaft diskutiert worden sei (vgl. dazu auch Reuß, EFG 2009, 633, 635). Das FA hat ferner in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in Anwesenheit der Klägerin unwidersprochen darauf hingewiesen, die Klägerin habe in ihrem Schreiben an die Betriebsprüferin vom 19. Juni 2006 u.a. ausgeführt, dass ihr und ihrem Steuerberater die Inhalte der BMF-Schreiben bekannt gewesen seien - was nach Aktenlage zutrifft.
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Nach der Rechtsprechung des BFH kann aber ein schutzwürdiges nachhaltiges Vertrauen in den Fortbestand einer früheren --nach neuerer Rechtsprechung nicht mehr haltbaren-- Rechtsauffassung nur dann und solange gegeben sein, bis der Steuerpflichtige mit einer Änderung rechnen musste oder ihm zumindest Zweifel hätten kommen müssen (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 219, 245, BStBl II 2008, 405, unter II.2.b und c; siehe auch BFH-Urteil vom 17. September 2008 IX R 79/99, BFH/NV 2009, 144, unter II.4.).
(1) Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,
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die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, - 2.
in den Fällen des § 48 Abs. 1 Nr. 1 die nicht klageberechtigten Gesellschafter oder Gemeinschafter und - 3.
im Fall des § 60a die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.
(2) Die Vorschriften der Abgabenordnung und anderer Steuergesetze über die Rücknahme, Widerruf, Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten sowie über die Nachforderung von Steuern bleiben unberührt, soweit sich aus Absatz 1 Satz 1 nichts anderes ergibt.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.