Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 22. Okt. 2013 - 16 Sa 622/13
Tenor
1.Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 29.04.2013 - 3 Ca 15/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2.Die Revision wird zugelassen.
1
T A T B E S T A N D :
2Die Parteien streiten vor dem Hintergrund der Beendigung des Steinkohlenbergbaus über die Rechtswirksamkeit einer Versetzung des Klägers.
3Der 1975 geborene Kläger trat zum 01.09.1992 als Angestellter im Gesundheits- und Sozialdienst in die Dienste der Beklagten, einem Bergbauunternehmen. Der Kläger war und ist tätig im Bergwerk X. in L.-M. mit einer monatlichen Bruttovergütung, die nach Angaben des Klägers 3.820,30 € und nach Angaben der Beklagten 2.619,31 € beträgt. Bei der Beklagten und ihrer Tochtergesellschaft in J. waren Ende des Jahres 2011 über alle Standorte hinweg noch 17.962 Arbeitnehmer beschäftigt. Zum 01.01.2013 waren es 15.049 Arbeitnehmer.
4Im Arbeitsvertrag ist u. a. folgende Regelung enthalten:
5"Die Übertragung anderer Aufgaben, die der Vorbildung, Berufserfahrung und den Fähigkeiten entsprechen, bleibt vorbehalten.
6Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Arbeitnehmer auch in andere Betriebe der S. Aktiengesellschaft zu versetzen."
7Aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit und kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme finden auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge zischen der IG BCE und dem Gesamtverband Steinkohle e. V. Anwendung.
8Mit dem Steinkohlefinanzierungsgesetz vom 20.12.2007 beschloss der Gesetzgeber die Beendigung der subventionierten Förderung der Steinkohle in Deutschland zum Ende des Jahres 2018. Gemäß der Richtlinie zur Gewährung von Anpassungsgeld (im folgenden: APG) an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Steinkohlenbergbau des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 04.12.2008 erhalten Arbeitnehmer vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Anpassungsgeld, wenn sie, kurz gefasst, vor dem 01.01.2023 aus betriebsbedingten Gründen entlassen werden, ihr Arbeitsverhältnis bereits vor dem 01.01.2006 begründet war, sie bestimmte Tätigkeitszeiten zurückgelegt haben und in längstens fünf Jahren in Rente gehen können. Wegen der Einzelheiten wird auf die im Bundesanzeiger Nr. 196 vom 24.12.2008, S. 4697 ff., veröffentlichten Richtlinien Bezug genommen.
9Mit Wirkung zum 01.04.2012 schlossen die IG BCE und der Gesamtverband Steinkohle e. V. einen Tarifvertrag zur Gestaltung sozialverträglicher Personalmaßnahmen anlässlich der Beendigung des deutschen Steinkohlenbergbaus zum 31.12.2018 (im Folgenden: Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau).
10Der Tarifvertrag enthält u. a. folgende Regelungen:
11"1.2 Zielsetzung dieses Tarifvertrages
12Mit diesem Tarifvertrag üben die Tarifvertragsparteien ihr beschäftigungspolitisches Mandat aus. Sie schützen den im Rahmen der Stilllegung entstehenden bzw. bereits jetzt absehbaren Personalüberhang gegen an sich notwendige betriebsbedingte Beendigungskündigungen. Dafür ist aber von den Arbeitnehmern kollektive maximale Flexibilität erforderlich.
13Mit diesem Tarifvertrag sollen die Interessen aller Beteiligten in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Es soll eine geordnete Stilllegung des deutschen Steinkohlenbergbaus erfolgen, die den Interessen der Arbeitnehmer an einem höchstmöglichen Bestandsschutz ihrer Arbeitsverhältnisse Rechnung trägt. Soweit und sobald als möglich werden die Arbeitnehmer mit Anpassungsgeld ausscheiden. Die Arbeitnehmer, die die Voraussetzungen für den Bezug von Anpassungsgeld im gesetzlichen Zeitrahmen nicht erfüllen, werden in anderweitige konzerninterne oder externe Arbeitsverhältnisse vermittelt.
14[…]
153.4 Rechte der Arbeitnehmer
16Jeder in das M.E.C. [= "Mitarbeiter-Entwicklungs-Center"] versetzte Arbeitnehmer hat Anspruch auf seiner persönlichen und fachlichen Eignung entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen zur Erhöhung seiner Vermittlungschancen, soweit dies nach seinem Profil oder zur Erfüllung der Anforderungen eines konkreten Arbeitsplatzangebotes notwendig ist, und die Kosten dem Arbeitnehmer zumutbar sind. Die Kosten der Qualifizierungsmaßnahmen trägt der Arbeitgeber, wenn und soweit öffentliche Fördermittel nicht zur Verfügung stehen. Sie sind zumutbar, wenn die Kosten bezogen auf den Arbeitnehmer max. 10.000,00 € betragen.
17[…]
185.2 Versetzung in das M.E.C.
19Nicht APG-berechtigte Arbeitnehmer können ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages in das M.E.C. versetzt werden. Diese Versetzung ist zumutbar.
205.3 Mitwirkungspflichten der Arbeitnehmer im M.E.C.
215.3.1 Allgemeine Mitwirkungspflichten
22Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich ab dem Zeitpunkt der Versetzung in das M.E.C. für die Vermittlung und Qualifizierung zur Verfügung zu halten. Das bedeutet insbesondere, dass er seine Erreichbarkeit sicherzustellen hat. Er hat allen Anforderungen Folge zu leisten und alle erforderlichen Angaben zu machen und Unterlagen beizubringen, die für die Erstellung eines Profils und die weitere Vorbereitung und Unterstützung der Vermittlung und Qualifizierung erforderlich sind.
23Er ist verpflichtet, nach Aufforderung an Informationsveranstaltungen teilzunehmen. Jede Änderung in seinen persönlichen Umständen, die für die Vermittlung und Qualifizierung von Bedeutung sein könnten, sind dem zuständigen Berater unverzüglich mitzuteilen.
245.3.2 Vorübergehende Abordnung auf Arbeitsplätze im Unternehmen
25Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich ab dem Zeitpunkt der Versetzung in das M.E.C. vorübergehend auf zumutbare anderweitige Arbeitsplätze im Unternehmen abordnen zu lassen, soweit dadurch seine Chancen auf eine Qualifizierung und Vermittlung auf einen externen Arbeitsplatz nicht nachhaltig beeinträchtigt werden.
26Er hat die auf diesem Arbeitsplatz zu erledigenden Aufgaben nach bestem Wissen und Können im Rahmen des ihm Möglichen zu erfüllen. Während der Dauer der Abordnung bleibt der Betroffene Arbeitnehmer des M.E.C.
27Zumutbar ist jede Abordnung, die den Voraussetzungen der Anlage 3 entspricht.
285.3.3 Vermittlung auf externe Arbeitsplätze
29Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich ab dem Zeitpunkt der Versetzung in das M.E.C. auf zumutbare Arbeitsplätze eines Konzernunternehmens oder eines externen Arbeitgebers vermitteln zu lassen. Er ist verpflichtet, sich auf ihm nachgewiesene Arbeitsplatzangebote zu bewerben, an Vorstellungsgesprächen teilzunehmen, Praktika zu absolvieren oder bei einem potentiellen neuen Arbeitgeber zur Probe zu arbeiten.
30Dabei hat er alles zu unterlassen, was den Erfolg der Vermittlung gefährden könnte. Er ist verpflichtet, ein ihm unterbreitetes zumutbares Arbeitsplatzangebot eines Konzernunternehmens oder eines externen Arbeitgebers anzunehmen.
31Zumutbar ist ein Arbeitsplatz bei einem Konzernunternehmen oder einem externen Arbeitgeber, wenn die Voraussetzungen der Anlage 4 erfüllt sind.
325.3.4 Arbeitnehmerüberlassung
33Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich ab dem Zeitpunkt der Versetzung in das M.E.C. für die Überlassung zur Arbeitsleistung auf einen zumutbaren Arbeitsplatz bei einem Konzernunternehmen oder einem externen Arbeitgeber verleihen zu lassen. Im Rahmen der Überlassung zur Arbeitsleistung an Dritte hat er alle für jenes Arbeitsverhältnis geltenden gesetzlichen und vertraglichen sowie etwaig geltende tarifliche betriebliche Vorgaben zu beachten und die zu erledigenden Aufgaben nach bestem Wissen und Können im Rahmen des ihm Möglichen zu erfüllen.
34Zumutbar ist ein Arbeitsplatz bei einem Konzernunternehmen oder einem externen Arbeitgeber, wenn die Voraussetzungen der Anlage 2 erfüllt sind.
355.3.5 Qualifizierung
36Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, ab dem Zeitpunkt der Versetzung in das M.E.C. an notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen und alle im Rahmen der Aufnahme und Durchführung einer Qualifizierungsmaßnahme zu erledigenden Aufgaben nach bestem Wissen und Können im Rahmen des ihm Möglichen zu erfüllen. Er hat alles zu unterlassen, was den Erfolg der Qualifizierung gefährden oder zum Abbruch der Maßnahme führen könnte.
37[…]
385.7 Verletzung der Mitwirkungspflichten
39Lehnt der Arbeitnehmer zumutbare Arbeitsplätze ab (a), verweigert er oder verstößt er gegen seine Arbeitspflicht im Rahmen der Abordnung oder der Überlassung zur Arbeitsleistung (b) oder gegen seine Pflichten im Rahmen von Qualifizierungsmaßnahmen (c) oder verweigert oder verstößt er gegen seine Mitwirkungs- und/oder Unterlassungspflichten (d) gemäß Nr. 5.3, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, verletzt er seine ihm obliegenden vertraglichen Pflichten.
40(a) Lehnt der Arbeitnehmer erstmals einen ihm angebotenen zumutbaren Arbeitsplatz in einem Konzernunternehmen oder bei einem externen dritten Unternehmen ab, wird er unter Hinweis auf die drohende außerordentliche Kündigung im Wiederholungsfall für ein zweites zumutbares Angebot abgemahnt. Lehnt er einen ihm danach angebotenen weiteren zumutbaren Arbeitsplatz ab, verliert er alle Rechte und Ansprüche aus diesem Tarifvertrag, wie insbesondere auch den besonderen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen. Diese zweite Ablehnung stellt zudem einen wichtigen Grund dar, der den Arbeitgeber zur außerordentlichen und fristlosen Kündigung seines Arbeitsvertrages berechtigt.
41(b) Verweigert er oder verstößt der Arbeitnehmer in anderer Weise gegen seine Arbeitspflicht im Rahmen der Abordnung oder der Überlassung zur Arbeitsleistung an Dritte (konzernintern oder extern), wird er unter Hinweis auf die drohende Kündigung bei Fortsetzung oder Wiederholung gleichen oder ähnlichen Verhaltens abgemahnt. Jede folgende Pflichtverletzung berechtigt den Arbeitgeber zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Außerdem verliert der Arbeitnehmer alle Rechte und Ansprüche aus diesem Tarifvertrag, insbesondere auch den besonderen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen.
42(c) Verweigert der Arbeitnehmer trotz einer durch die Clearingstelle festgestellten Notwendigkeit erstmals die Aufnahme oder die Durchführung einer Qualifizierungsmaßnahme oder verstößt er in anderer Weise gegen die ihm im Rahmen der Qualifizierung obliegenden Mitwirkungs- und/oder Unterlassungspflichten, wird er unter Hinweis auf die drohende Kündigung im Wiederholungsfall abgemahnt. Jede folgende Pflichtverletzung berechtigt den Arbeitgeber zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Außerdem verliert der Arbeitnehmer alle Rechte und Ansprüche aus diesem Tarifvertrag, wie insbesondere auch den besonderen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen.
43(d) Verstößt der Arbeitnehmer gegen die ihm nach Nr. 5.3 obliegenden allgemeinen und besonderen Mitwirkungs- und/oder Unterlassungspflichten, wird er unter Hinweis auf die drohende Abmahnung bei Fortsetzung oder Wiederholung gleichen oder ähnlichen Verhaltens ermahnt. Setzt er trotz dieser Ermahnung sein Verhalten fort oder verstößt in gleicher oder ähnlicher Weise erneut gegen die ihm obliegenden Pflichten, wird er unter Hinweis auf die drohende Kündigung bei Fortsetzung oder Wiederholung gleichen oder ähnlichen Verhaltens abgemahnt. Jede folgende Pflichtverletzung berechtigt den Arbeitgeber zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Außerdem verliert der Arbeitnehmer alle Rechte und Ansprüche aus diesem Tarifvertrag, wie insbesondere auch den besonderen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen."
44Weiter sind im Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau unter Nr. 5.1 der Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen bis zum 30.06.2018, in Nr. 5.4 die Entgeltsicherung für die Zeit im M.E.C., in Nr. 5.5 die Lohn- und Unterhaltsbeihilfe für den Fall der Vermittlung auf externe Arbeitsverhältnisse und in Nr. 5.6 ein Rückkehrrecht für den Fall der Vermittlung geregelt.
45Unter dem 06.03.2012 wurde ein Gesamtinteressenausgleich zur sozialverträglichen Beendigung des deutschen Steinkohlenbergbaus geschlossen. Gegenstand war unter anderem die Errichtung des bereits im Tarifvertrag angesprochenen Mitarbeiter-Entwicklungs-Centrums (M.E.C.) und die Einzelheiten dieser organisatorischen Einheit nebst der konzeptionellen Ausgestaltung. Die Betriebspartner vereinbarten weiter, dass die nicht APG-berechtigten Arbeitnehmer spätestens zum 01.01.2013 in das M.E.C. versetzt werden. Die betroffenen Arbeitnehmer, bei denen es sich um alle 1.306 Arbeitnehmer handelt, die nicht APG-berechtigt sind, wurden in der Anlage 2 (Personalliste M.E.C.) namentlich aufgeführt. Der Kläger ist hier genannt.
46Mit Schreiben vom 12.11.2012 teilte die Beklagte dem Kläger unter dem Betreff "Versetzung" Folgendes mit:
47"Der Gesetzgeber hat mit der Änderung des Steinkohlefinanzierungsgesetzes am 15.07.2011 die bis dahin vorgesehene Revisionsklausel gestrichen. Damit ist die Beendigung des deutschen Steinkohlenbergbaus zum Ende des Jahres 2018 endgültig.
48Der damit verbundene Personalabbau soll sozial verträglich gestaltet werden. Sie werden daher mit Wirkung zum 01.01.2013 in das Mitarbeiter-Entwicklungs-Center (M.E.C.) versetzt. Das M.E.C. ist organisatorisch eingebunden in den Servicebereich Belegschaft - Betrieb C. und gehört zur Abteilung BB P2 - Personalsteuerung.
49Aufgabe des M.E.C. ist Ihre Qualifizierung und Vermittlung auf einen zumutbaren Arbeitsplatz in den konzerninternen oder externen Arbeitsmarkt.
50Ihre Rechte und Pflichten innerhalb des M.E.C. ergeben sich aus dem "Tarifvertrag zur Gestaltung sozialverträglicher Personalmaßnahmen anlässlich der Beendigung des deutschen Steinkohlenbergbaus zum 31.12.2018".
51Mit einem weiteren Schreiben vom 10.12.2012 teilt die Beklagte dem Kläger unter dem Betreff "Abordnung" Folgendes mit:
52"Mit Wirkung zum 02.01.2013 werden Sie vorübergehend zur Vermeidung von Personalengpässen zum Bergwerk X. auf Ihren bisherigen Arbeitsplatz abgeordnet, bleiben aber weiterhin Mitarbeiter des Mitarbeiter-Entwicklungs-Centers (M.E.C.) im Servicebereich Belegschaft.
53Ihre weitergehenden Rechte und Pflichten ergeben sich darüber hinaus aus dem "Tarifvertrag zur Gestaltung sozialverträglicher Personalmaßnahmen anlässlich der Beendigung des deutschen Steinkohlenbergbaus zum 31.12.2018".
54Das Bergwerk X. in L.-M. wurde zum 31.12.2012 geschlossen. Dort finden zur Zeit Abwicklungsarbeiten ab. Das Bergwerk B. W. wird Ende 2015 geschlossen. Das Bergwerk Q. I. wird Ende 2018 geschlossen.
55Mit seiner am 03.01.2013 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 08.01.2013 zugestellten Klage hat der Kläger sich gegen diese Versetzung gewandt. Mit bei Gericht am 13.03.2013, der Beklagten am 15.03.2013 zugestellter Klageerweiterung hat er hilfsweise die Feststellung geltend gemacht, dass Nr. 5.3 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau keine Änderung der Arbeitsbedingungen herbeigeführt hat und Nr. 5.7 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau nicht zur Anwendung kommen könne.
56Der Kläger hat behauptet, es sei unklar, welche Tätigkeiten ihn im M.E.C. erwarten würden. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte seine persönlichen Verhältnisse im Rahmen des ihr nach dem Tarifvertrag zustehenden Ermessens berücksichtigt habe.
57Zur Zeit habe die Beklagte noch keinen Grund für eine betriebsbedingte Kündigung, da der Steinkohlenbergbau noch bis 2018, teilweise auch bis 2022 weiter betrieben werde. Mangels Kündigungsgrundes sowie einer fehlenden ordnungsgemäßen, aber erforderlichen Sozialauswahl sei die Versetzung auch nicht lediglich eine mildere Maßnahme zu einer Kündigung.
58Des Weiteren sei die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrates zu bestreiten.
59Der Kläger hat die Ansicht vertreten, eine Rechtsänderung sei vorliegend zumindest dadurch eingetreten, dass die Versetzung in tatsächlicher Hinsicht bereits durchgeführt und von der Beklagten als wirksam betrachtet werde. Hieraus resultierend drohe die Gefahr, dass in einem nahen Zeitpunkt auch tatsächliche Änderungen eintreten werden. Dadurch, dass die Beklagte ihn versetzt habe, habe sie erklärt, dass sie mittelfristig von den Änderungsmöglichkeiten des Tarifvertrages Gebrauch machen werde. Eine etwaige Verletzung seiner Pflichten könnte dann mit den sich in Nr. 5.7 des Tarifvertrages aufgeführten Maßnahmen geahndet werden.
60Die Versetzung sei unwirksam. Die Versetzung verstoße gegen höherrangiges Recht. Es läge eine nicht gerechtfertigte Altersdiskriminierung vor, da die APG-Berechtigung, die ein maßgebliches Differenzierungsmerkmal sei, im Wesentlichen an das Alter des Arbeitnehmers anknüpfe.
61Ziel der Versetzung in das M.E.C. sei es gerade, die Rechtsfolgen wie z. B. das erweiterte Direktionsrecht herbeizuführen. Ansonsten wäre die Versetzung überflüssig. Sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht hätten sich die Arbeitsbedingungen grundlegend geändert. Die Beklagte habe bereits von ihrer Abordnungsbefugnis Gebrauch gemacht und ihn wieder in seinen ursprünglichen Betrieb, wo er nur vorübergehend weiter arbeiten solle, abgeordnet, weshalb die Versetzung als überflüssig erscheine.
62Der Kläger hat beantragt,
63festzustellen, dass die Versetzung der Beklagten vom 12.11.2012 in das Mitarbeiter-Entwicklungs-Center (M.E.C.), organisatorisch in den Servicebereich Belegschaft - Betrieb C. und gehört zur Abteilung BB P2 - Personalsteuerung, eingebunden, unwirksam ist,
64hilfsweise
65festzustellen, dass aufgrund der Ziffer 5.3 des Tarifvertrages zur Gestaltung sozialverträglicher Personalmaßnahmen anlässlich der Beendigung des deutschen Steinkohlenbergbaus zum 31.12.2018 (Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau) keine Änderung der Arbeitsbedingungen herbeigeführt werden kann und damit auch die Rechtsfolgen der Ziffer 5.7 nicht zur Anwendung kommen können.
66Die Beklagte hat beantragt,
67die Klage abzuweisen.
68Die Beklagte hat behauptet, sie habe mit der Versetzung des Klägers in das M.E.C. das ihr zustehende Direktionsrecht nicht überschritten. Weder die tatsächlichen noch die rechtlichen Arbeitsbedingungen hätten sich geändert.
69Die Zuordnung sei vorgenommen worden, um dem Kläger die Möglichkeit zu eröffnen, sich Chancen für eine berufliche Neuorientierung zu erschließen und von den ihm tariflich eingeräumten Recht auf Qualifizierung und Fortbildung Gebrauch zu machen. Dies setze voraus, dass sie die dazu berechtigten Arbeitnehmer in eine speziell organisatorisch und personell darauf ausgerichtete Einheit zusammenfasse und diese - soweit wegen der Ziele des M.E.C. erforderlich - bei geregelter Entgeltsicherung von der Erbringung der Arbeitsleistung freistelle, solange ihr Arbeitsplatz noch nicht weggefallen sei. Die frühzeitige organisatorische Zuordnung sei notwendig, um zur bestmöglichen Ausschöpfung der Möglichkeiten für die einzelnen Arbeitnehmer deren Profil, ihre Leistungsfähigkeit, aktuellen Ausbildungsstand sowie die Fähigkeiten und Ausbildungsmöglichkeiten zu erfassen und zu bewerten. Sie habe im besten Interesse aller insoweit berechtigten Arbeitnehmer gehandelt, um diese organisatorischen Voraussetzungen zum schnellstmöglichen Zeitpunkt zu schaffen. Dies entspreche nicht nur billigem Ermessen, sondern es handele sich um eine Entscheidung, die überwiegend im Interesse der betreffenden Arbeitnehmer und damit auch des Klägers liege.
70Die für die Versetzung zuständigen Betriebsräte des abgebenden bzw. des aufnehmenden Betriebs seien über die Versetzung in das M.E.C. anhand der maßgeblichen Personaldaten unterrichtet worden. Den Betriebsräten sei auch bekannt, welchem Zweck die Zuordnung der Arbeitnehmer in das M.E.C. diene. Daher sei auch die Zustimmung zur Versetzung in das M.E.C. erteilt worden.
71Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Klage fehle das erforderliche Feststellungsinteresse. Die zwischen den Parteien bestehenden vertraglichen Beziehungen stünden nicht im Streit. Weder der Arbeitsvertrag noch die tatsächlichen Arbeitsbedingungen seien durch die Personalmaßnahme verändert worden. Der Kläger übersehe, dass die Tarifverträge ohnehin auf sein Arbeitsverhältnis anzuwenden seien. Aus zu einem späteren Zeitpunkt unter Umständen erfolgenden Maßnahmen könne sich die Unwirksamkeit der in der Versetzung zum Ausdruck kommenden Zuordnung nicht ergeben. Wenn diese Maßnahmen ohnehin rechtsunwirksam seien, wie der Kläger meine, stünden sie einer wirksamen Zuordnung von vorneherein nicht entgegen.
72Der Kläger erleide bereits keinen Nachteil, so dass eine altersbedingte Benachteiligung nicht vorliege. Die APG-berechtigten Arbeitnehmer würden nicht in den Genuss der für die nicht APG-berechtigten Arbeitnehmer vorgesehenen Förderungen kommen. Die APG-Richtlinien knüpften zudem nicht allein an das Alter an. Jedenfalls wäre die Versetzung auch als positive Maßnahme zulässig.
73Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 29.04.2013 antragsgemäß festgestellt, dass die Versetzung unwirksam ist. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, das Feststellungsinteresse ergebe sich, auch wenn sich wegen der Abordnung auf den bisherigen Arbeitsplatz bislang die Art, der Ort oder der Umfang der bisherigen Tätigkeit nicht geändert habe, daraus, dass die Zuordnung zum M.E.C. im Übrigen die Rechte und Pflichten des Klägers aus seinem Arbeitsverhältnis berühre. Die Versetzung verändere die Stellung und den Platz des Klägers innerhalb der betrieblichen Organisation. Der Kläger müsse Klarheit darüber haben, ob eine vom M.E.C. ihm gegenüber zu einem späteren Zeitpunkt ausgesprochene weitere Maßnahme verbindlich sei, sowie darüber, welcher Betriebsrat für ihn zuständig sei.
74Die so verstandene Versetzung habe zu einer nachhaltigen und grundlegenden Veränderung im Kernbereich der arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten des Klägers geführt. Dabei könne nicht zwischen der Zuordnung zum M.E.C. und weiteren, nach erfolgter Zuordnung vorzunehmenden Direktionsmaßnahmen unterschieden werden. Die Zuordnung zum M.E.C. sei Voraussetzung dafür, dass die unter Nr. 5.3 des Tarifvertrages geregelten Mitwirkungspflichten der Arbeitnehmer im M.E.C. überhaupt zum Tragen kommen würden, so dass sich dadurch bereits die Arbeitsbedingungen geändert hätten. Die sich aus Nr. 5.3.1 ergebende allgemeine Mitwirkungspflicht, die Verpflichtung gemäß Nr. 5.3.2, sich auf Arbeitsplätze außerhalb des Unternehmens abordnen zu lassen und die Verpflichtung gemäß Nr. 5.3.3, sich auf externe Arbeitsplätze vermitteln zu lassen, würden erst ab dem Zeitpunkt der Versetzung in das M.E.C. gelten.
75Für diese einseitig vorgenommene Versetzungsanordnung fehle es an einer tragfähigen Rechtsgrundlage. Die Maßnahme sei nicht gedeckt durch die im Arbeitsvertrag vorgesehene Möglichkeit zur Übertragung anderer Aufgaben sowie die Berechtigung, den Kläger auch in andere Betriebe der Beklagten zu versetzen. Denn der Vorbehalt setze voraus, dass es sich um Aufgaben handele, die der Vorbildung, Berufserfahrung und den Fähigkeiten des Klägers entspreche. Hier gehe der Tarifvertrag über diese Regelung hinaus, da er unter anderem vorsehe, dass der Kläger verpflichtet sei, auch ein zumutbares Arbeitsplatzangebot eines externen Arbeitgebers anzunehmen oder die Überlassung zur Arbeitsleistung an Dritte vorsehe.
76Die Versetzung sei auch nicht nach Nr. 5.2 des Tarifvertrages Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau gerechtfertigt, da die Tarifvertragsparteien mit dieser Versetzungsbefugnis die ihnen zukommende tarifliche Regelungsmacht überschritten hätten. Durch tarifvertraglich begründete Leistungsbestimmungsrechte dürften zwingende Kündigungsschutzbestimmungen nicht umgangen oder ausgeschaltet werden. Auch wenn man einen größeren Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien sowie eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten sowie die betroffenen Interessen berücksichtige, seien diese Grenzen überschritten. Der Tarifvertrag verpflichte die Arbeitnehmer, sich gegebenenfalls auf zumutbare Arbeitsplätze eines Konzernunternehmens oder eines externen Arbeitgebers vermitteln zu lassen und räume der Beklagten das Recht ein, die Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung auf einen zumutbaren Arbeitsplatz in einem Konzernunternehmen oder bei einem externen Arbeitgeber zu verleihen. Aufgrund der Automatik, dass bei Ablehnung eines zumutbaren Arbeitsplatzes in einem Konzernunternehmen oder bei einem externen Arbeitgeber im Wiederholungsfall ein wichtiger Grund für eine Kündigung gesehen werde, stünde ein Verlust des Arbeitsplatzes beim Vertragsarbeitgeber in Aussicht. Damit müsse der Arbeitnehmer aktiv an der Beendigung seines eigenen Arbeitsverhältnisses mitwirken, so dass die Versetzung in das M.E.C. die unmittelbare Gefahr eines betriebsbedingten Verlustes des Arbeitsplatzes in dem bisherigen Arbeitsvertragsunternehmen berge.
77Auch wenn man den Zweck anerkenne, dass alle Arbeitsplätze in absehbarer Zeit betriebsbedingt wegfallen würden, könne wegen des kündigungsschutzrechtlichen Mindeststandards eine solche Versetzung nur im Einvernehmen mit dem betroffenen Arbeitnehmer oder im Rahmen einer Änderungskündigung ausgesprochen werden.
78Gegen das ihr am 24.05.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit bei Gericht am 04.06.2013 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24.08.2013 - mit bei Gericht am 22.08.2013 eingegangenem Schriftsatz begründet.
79Die Beklagte verfolgt mit der Berufung die Abweisung der Klage weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und behauptet, der Tarifvertrag trage vor allem dem Umstand Rechnung, dass aufgrund einer Entscheidung des Gesetzgebers ein Unternehmen mit mehreren 10.000 Arbeitnehmern bis zum Ende des Jahres 2018 zu schließen sei. Dies habe sozialverträglich gestaltet werden sollen, wobei auch zu berücksichtigen sei, dass der lokale Arbeitsmarkt nicht durch die gleichzeitige Aufnahme zahlreicher Arbeitssuchender überlastet werden solle. Weiter sei die trotz feststehender stufenweiser Stilllegung weiterhin fortlaufende Produktion sicherzustellen, um einen finanziellen Eigenanteil zu erzielen. Sie habe gerade nicht planen wollen, dass mit der Stilllegung des ersten Betriebes gemäß der Systematik des Kündigungsschutzrechtes dort alle tätigen Arbeitnehmer entlassen würden und mit der Stilllegung des zweiten Betriebes die dort tätigen Arbeitnehmer. Da der Schließungszeitpunkt nicht auf individuelle Ansprüche auf Anpassungsgeld habe abgestimmt werden können, wäre ein gleitender Übergang der Betroffenen in den Ruhestand nicht mehr sichergestellt gewesen. Die besonderen gesetzgeberischen Schutzmechanismen des Anpassungsgeldes hätten dann der Mehrzahl der Arbeitnehmer nicht mehr zugutekommen können. Mit verschiedenen Unternehmen seien Vereinbarungen geschlossen worden, um die Übernahme der Mitarbeiter zu ermöglichen. Die Durchführung dieser Vereinbarungen habe bereits begonnen.
80Die Beklagte beanstandet, die Argumentation des Arbeitsgerichts zur Zulässigkeit sei tautologisch. Eine Veränderung des Rechtsverhältnisses durch die Zuordnung könne nicht mit der Begründung angenommen werden, dass die Zuordnung bereits Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis berühre. Die tatsächlichen Umstände hätten sich durch die Zuordnung zum M.E.C. nicht verändert, ebenso wenig die rechtlichen Verhältnisse. Es bestehe auch keine gegenwärtige Gefahr einer negativen Veränderung. Jedem Vertragsverhältnis wohne eine "Unsicherheit" über eventuelle künftige Entwicklungen und Maßnahmen inne. Das Arbeitsverhältnis falle in den unveränderten Zuständigkeitsbereich des bisherigen und dortigen Betriebsrats, weshalb auch insoweit keine Unsicherheit bestehe.
81Es gehe lediglich nur und ausschließlich um die Zugehörigkeit zu einer organisatorischen Einheit. Dies sei ein bloßes tatsächliches Element eines Arbeitsvertrages. Die Errichtung des M.E.C. sei in Umsetzung einer wirksamen tarifvertraglichen und betriebsverfassungsrechtlichen Verpflichtung erfolgt, sie sei nicht willkürlich und verstoße auch nicht in anderer Weise gegen gesetzliche Vorschriften. Das M.E.C. habe nicht nur die Aufgabe, den Arbeitnehmern Qualifizierungschancen zu eröffnen und ihre Vermittlung auf neue Arbeitsplätze zu fördern, sondern darüber hinaus auch den Ausgleich des Personalbedarfs der Beklagten und ihrer Betriebe in der Phase der Stilllegung sicherzustellen. Bis an die Grenze der Willkür sei sie berechtigt, ihre betrieblichen Aktivitäten in organisatorischer Hinsicht so zu organisieren, wie sie es für richtig halte. Diese Zuordnung sei jenseits der Willkürkontrolle nicht justiziabel und bedürfe deshalb keiner weitergehenden Rechtsgrundlagen. Selbst wenn man dies anders sehen wolle, halte sie sich in jedem Fall im Rahmen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts gemäß § 106 GewO.
82Das Arbeitsgericht habe nicht geprüft, ob ihre Entscheidung, in Umsetzung ihrer tarifvertraglichen Pflichten sowie des Gesamtinteressenausgleichs den Kläger dem M.E.C. zuzuordnen, an sich rechtswirksam sei. Stattdessen seien in paradoxer Weise theoretisch denkbare, noch dazu von Mitwirkungshandlungen Dritter abhängige, eventuelle künftige weitergehende Maßnahmen geprüft worden. Nach Prüfung dieser fiktiven Überlegungen sei vorbeugend die Zuordnung zur organisatorischen Einheit M.E.C. für unwirksam erklärt worden. Die eigentlich erforderliche Begründung für diesen Rückschluss sei ersetzt worden durch die Annahme, dass man für die Prüfung der Zuordnung bereits zukünftig denkbare Entwicklungen in ihrem etwaigen Ergebnis berücksichtigen müsse.
83Die Argumentation des Arbeitsgerichts sei nicht nachvollziehbar, da Prüfungsebenen und Prüfungsgegenstand "ständig gewechselt" würden. Im Gegensatz zu einer Versetzung, die sich im Rahmen des Direktionsrechts halten müsse und deshalb keiner Rechtsgrundlage bedürfe, bedürfe eine organisatorische Maßnahme keiner besonderen gesetzlichen Rechtsgrundlage. Sie dürfe nicht gegen Gesetze verstoßen und unterliege allenfalls einer Missbrauchskontrolle. Demnach sei es falsch, die Maßnahme am vertraglichen Versetzungsvorbehalt zu messen. Das Arbeitsgericht habe nicht zutreffend benennen können, warum Nr. 5.2 des Tarifvertrages Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau gegen eine gesetzliche Vorschrift verstoße. Nur aus dem Umstand, dass Nr. 5.3 und Nr. 5.7 des Tarifvertrages Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau teilweise unwirksam sein könnten, könne nicht hergeleitet werden, dass die Zuordnung unwirksam sei. Der Hinweis, man könne zwischen Versetzung einerseits und späteren Maßnahmen andererseits nicht unterscheiden, gehe fehl. Wenn man aber diese Annahme teile, sei es so, dass all jene tarifvertraglichen Vorschriften, die zur Überzeugung des Arbeitsgerichts wegen Verstoßes gegen fundamentale Grundsätze des Kündigungsschutzgesetzes unwirksam seien, auch bei Zuordnung des Klägers zum M.E.C. nicht zu einer nachhaltigen grundlegenden Veränderung im Kernbereich der arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten führen könnten.
84Es handele sich nicht um eine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne, weshalb eine Mitteilung an die Betriebsräte gemäß § 99 BetrVG nicht erforderlich gewesen sei. Sie habe diese gleichwohl beteiligt. Sowohl die Betriebsräte des Betriebes, dem der Kläger angehöre als auch der für das M.E.C. zuständige Betriebsrat hätten der organisatorischen Zuordnung des Klägers zum M.E.C. ihre Zustimmung erteilt.
85Die Beklagte beantragt,
86das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel abzuändern und die Klage abzuweisen.
87Der Kläger beantragt,
88die Berufung zurückzuweisen.
89Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt im Wesentlichen den erstinstanzlichen Vortrag. Der Kläger behauptet hierzu, es sei nicht sozial, wenn er nur wegen seines Alters bereits vor Auslaufen des subventionierten Steinkohlenbergbaus das Unternehmen verlassen solle und andere Arbeitskollegen, die zum Teil eine kürzere Betriebszugehörigkeit hätten, bis zum Erreichen der APG-Voraussetzungen verbleiben könnten. Das M.E.C. sei für ihn ein Druckausübungsinstrument. Im Rahmen verschiedener Informationsveranstaltungen sei ihm erklärt worden, dass alle nicht APG-berechtigten Arbeitnehmer das Unternehmen schnellstmöglich verlassen sollten. Der Sanktionskatalog sei bereits eingehend erörtert worden. Aufgrund der guten Ausbildungen und der praktischen Erfahrungen drohe von Ausnahmen abgesehen generell keine Arbeitslosigkeit.
90Durch die Zuordnung zum M.E.C. trete bereits unmittelbar eine negative Veränderung ein. Die normale Beschäftigung im Bergbau verändere sich zu einer auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Beschäftigung mit vollkommen neuen Pflichten, die in der Qualifikationseinheit M.E.C. angewendet würden. Hierdurch würden die Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers berührt, so dass es sich bei dieser Maßnahme um eine im Wege der Feststellungsklage überprüfbare Veränderung eines Rechtsverhältnisses handele. Der Tarifvertrag sehe gerade keine rein innerorganisatorische Zuordnungsmaßnahme vor. Im Tarifvertrag selber gehe es darum, die Arbeitsbedingungen im Beendigungssinne zu flexibilisieren. Dies werde dadurch bestätigt, dass das Versetzungsschreiben den Mitarbeitern zugestellt worden sei. Dies wäre nicht erforderlich gewesen, wenn es sich lediglich um eine interne Organisationsmaßnahme gehandelt hätte.
91Durch die Versetzung werde der kündigungsschutzrechtliche Mindestschutz verletzt. Bereits durch die Versetzung selbst werde das Direktionsrecht des Arbeitgebers über den bisherigen Kreis hinaus erweitert: Der Arbeitgeber könne Arbeit zuweisen, die er bislang nicht habe zuweisen können. Er könne zur Teilnahme an Fortbildungen verpflichten, zu denen er zuvor nicht verpflichten konnte. Auch wenn diese Maßnahmen erst mit einer Ankündigung des Arbeitgebers wirksam würden, sei die Pflicht, einer solchen zukünftigen Aufforderung zu folgen, bereits ab dem Zeitpunkt der Versetzung entstanden. Der Beklagten werde durch die Versetzung ein weitgehender Änderungsvorbehalt eingeräumt, durch eine Vielzahl von verschiedenen einseitigen Erklärungen die Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis umzugestalten. Hierdurch werde das Direktionsrecht erweitert. Auch insoweit sei zu unterscheiden zwischen der konkreten Rechtsfolge bei Ausübung des Rechts, z. B. bei der Anordnung von Leiharbeit, und dem Begründen und Bestehen eines solchen Rechts. Die Verpflichtungen des Arbeitnehmers, sich zur Verfügung zu halten, die Erreichbarkeit sicherzustellen, Angaben zu machen und Unterlagen beizubringen, bestünden schon ab dem Zeitpunkt der Versetzung.
92Die Versetzung zum M.E.C. solle nicht die dauerhafte Sicherung des Arbeitsverhältnisses nach sich ziehen, sondern habe den Zweck, die Tätigkeit bei der Beklagten möglichst schnell zu lösen. Eine solche tarifliche Regelung, die den Arbeitnehmer zwinge, sein Arbeitsverhältnis zu beenden, sei unwirksam, da hier ein Eingriff in den durch Art. 12 GG geschützten Kernbereich des Arbeitsverhältnisses vorliege und rechtfertigende Gründe gemäß § 2 KSchG nicht vorlägen.
93Aus der Rechtswidrigkeit der zwingend mit der Versetzung verbundenen Folgen folge auch die Rechtswidrigkeit der Versetzung selbst. Damit sei von der Unwirksamkeit der Versetzung als ganzer auszugehen. Insoweit sei eine Parallele zu § 139 BGB zu ziehen.
94Würde man die Möglichkeit der Versetzung in das M.E.C. wie von der Beklagten vorgetragen geltungserhaltend reduzieren, würde sich die Frage stellen, ob die Tarifvertragsparteien, wenn ihnen bewusst gewesen wäre, dass zahlreiche der von ihnen begründeten Pflichten unwirksam seien, auch die Möglichkeit der Versetzung in das M.E.C. geschaffen hätten. Dann sei aber davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien das Versetzungsrecht in den Tarifvertrag jedenfalls nicht so wie geschehen aufgenommen hätten.
95Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen.
96E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
97I.
98Die Berufung ist zulässig.
99Sie ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziffer b ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).
100II.
101Die Berufung ist nicht begründet.
102Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Versetzung in das M.E.C durch das Schreiben vom 12.11.2012 unwirksam ist. Die Klage ist zulässig und begründet.
1031.
104Die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der mit dem Schreiben vom 12.11.2012 ausgesprochenen Maßnahme, die dort als "Versetzung" bezeichnet wird, ist zulässig.
105Der Feststellungsantrag weist das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse auf.
106Nach § 256 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Zwar können nach § 256 Abs. 1 ZPO nur Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Eine Feststellungsklage muss sich jedoch nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis als Ganzes erstrecken. Sie kann sich auch auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (st. Rspr., BAG v. 15.05.2012, 3 AZR 11/10, juris; BAG v. 10.02.2009, 3 AZR 653/07, Rn. 12, EzA BetrAVG § 1 Betriebsvereinbarung Nr. 6; BAG v. 13.03.2007, 9 AZR 417/06, juris; BAG v. 15.08.2006, 9 AZR 571/05, BAGE 119, 181).
107a)
108Um ein Rechtsverhältnis bzw. einen Teil eines Rechtsverhältnisses in dem vorgenannten Sinne handelt es sich, wenn über die Wirksamkeit einer vom Arbeitgeber unter Berufung auf sein Direktionsrecht getroffenen Maßnahme, z. B. eine Versetzung, gestritten wird. Gleiches gilt, wenn eine ausgesprochene "Versetzung" keine Versetzung im arbeitsrechtlichen Sinne von § 106 GewO oder §§ 95 Abs. 3, 99 BetrVG ist, aber die gegenseitigen Rechte und Pflichten ändert:
109Handelt es sich um eine Versetzung im arbeitsrechtlichen Sinne, also um eine Veränderung von Art, Ort und Zeit der Tätigkeit, ist anerkannt, dass die Wirksamkeit mit einer Feststellungsklage in die Überprüfung des Gerichts gestellt werden kann (st. Rspr., BAG v. 13.04.2010, 9 AZR 36/09, juris; BAG v. 01.06.2011, 7 AZR 117/10, NZA-RR 2011, 668).
110Die Zuordnung zu einer neuen Organisationseinheit berührt jedenfalls die Rechte und Pflichten des Beschäftigten aus seinem Arbeitsverhältnis; es handelt sich nicht um eine nur unwesentliche Änderung der Arbeitsumstände des Beschäftigten. Eine wesentliche Änderung liegt bereits vor, wenn eine Maßnahme dazu führt, dass der Arbeitnehmer nicht mehr der gleichen Interessenlage wie zuvor ausgesetzt ist, sondern unter Umständen die Teilnahme an Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen notwendig werden kann (BAG v. 13.03.2007, 9 AZR 417/06, juris; BAG v. 15.08.2006, 9 AZR 571/05, BAGE 119, 181; BAG v. 27.10.2005, 6 AZR 123/05, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 90).
111Damit liegt ein Feststellungsinteresse vor, da jedenfalls letztere Voraussetzung erfüllt ist. Nach Auffassung der Kammer liegt zudem bereits eine Versetzung im eigentlichen Sinne vor.
112aa)
113Gegenstand des Rechtsstreits ist die "Versetzung" des Klägers vom 12.11.2012, nicht die "Abordnung" vom 10.12.2012.
114Die Versetzung kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht isoliert als bloße Zuordnung zu einem Qualifizierungsbereich verstanden werden, die lediglich die organisatorische Einordnung des Klägers betrifft. Die einen Monat später ausgesprochene Abordnung hat hierbei außer Betracht zu bleiben.
115(1)
116Dies ergibt die Auslegung der Erklärung vom 12.11.2012.
117Willenserklärungen sind nach § 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (vgl. zur Anwendbarkeit des § 157 BGB auf einseitige Willenserklärungen: Palandt/Ellenberger BGB 71. Aufl. § 157 Rn. 1). Dabei ist nach § 133 BGB ausgehend vom objektiven Wortlaut der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (st. Rspr., vgl. BAG v. 22.05.2012, 9 AZR 453/10, juris; BAG v. 03.04.2007, 9 AZR 283/06, Rn. 48, BAGE 122, 33).
118Danach handelt es sich bei der Abordnung im Schreiben vom 10.12.2012 bereits um eine Maßnahme, die im Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau erst nach Zuordnung zum M.E.C. vorgesehen ist. In Nr. 5.3.2. Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau ist vorgesehen, dass eine Abordnung erfolgen kann. Allein aus der von der Beklagten verwendeten Terminologie ergibt sich damit, dass es im Schreiben vom 12.11.2012 nicht lediglich um eine organisatorische Zuordnung geht, sondern tatsächlich um eine Versetzung.
119Insbesondere ist im Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau nicht vorgesehen worden, dass die erstmalige Zuordnung zum M.E.C. zwangsläufig damit verbunden wird, dass gleichzeitig eine Abordnung auf die bisherige Position erfolgt. Hierzu finden sich im Tarifvertrag keine Anhaltspunkte.
120Von besonderer Bedeutung ist der Wortlaut beider Schreiben. Nach dem Wortlaut der Schreiben vom 12.11.2012 betreffend die Versetzung und vom 10.12.2012 betreffend die Abordnung kann nicht festgestellt werden, dass die von der Beklagten vorgesehene Zuordnung zum M.E.C. noch keine Wirkung entfaltet, da die Abordnung die Maßnahme aus der Versetzung rückgängig gemacht hätte. Die Überschrift des Schreibens vom 10.12.2012 lautet "Abordnung". Demgegenüber ist das Schreiben vom 12.11.2012 mit "Versetzung" überschrieben. Auch der Inhalt beider Schreiben ist unterschiedlich. Im Versetzungsschreiben wird explizit eine Zuordnung zum M.E.C. ausgesprochen. Es wird explizit darauf Bezug genommen, dass die Aufgabe in der Qualifizierung und Vermittlung auf einen zumutbaren Arbeitsplatz in den konzerninternen und externen Arbeitsmarkt besteht. Damit ist gleichzeitig gesagt, dass das Arbeitsverhältnis eine grundlegende Umgestaltung erfährt. Der Arbeitnehmer soll danach nicht mehr die Arbeitsleistung als solche schulden, sondern im Rahmen des M.E.C. sich vorbereiten auf die Vermittlung auf einen zumutbaren Arbeitsplatz in den konzerninternen oder externen Arbeitsmarkt und die hierzu erforderliche Qualifizierung.
121Diese Versetzung wird durch die Abordnung nicht rückgängig gemacht. Bereits vom Wortlaut her ist eine "Abordnung" im arbeitsrechtlichen Sprachgebrauch ein "Weniger" als eine "Versetzung". Der Abordnung ist für sich genommen immanent, dass sie nur vorübergehend ist (vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch, 20. Aufl., Stichwort "Abordnung"). Dies wird auch im Wortlaut des Schreibens vom 10.12.2012 explizit so dargestellt. Nach dem Text der Abordnung wird der Kläger lediglich vorübergehend zur Vermeidung von Personalengpässen zum Bergwerk X. abgeordnet. Damit steht aber fest, dass der Einsatz nur vorübergehend erfolgt. Damit findet für den Kläger keine Rückkehr zum bisherigen Rechtszustand statt. Denn nach dem bisherigen Rechtszustand war er dauerhaft im Bergwerk X. tätig. Er musste gegebenenfalls damit rechnen, dass bei Betriebsschließung und Wegfall des Arbeitsplatzes die betriebsbedingte Kündigung droht, dieses Risiko ist jedoch dem Arbeitsvertrag immanent und mag vom Kläger so hingenommen werden. Demgegenüber kann ein nur vorübergehender Einsatz jederzeit beendet werden. Diese Unterscheidung ist auch rechtlich von Bedeutung. Eine Maßnahme erschöpft sich nicht in einer bloßen organisatorischen Zuordnung des klägerischen Arbeitsverhältnisses, wenn sie sich auf die Rechtsstellung des Arbeitnehmers darüber hinaus unmittelbar und gegenwärtig andauernd auswirkt (vgl. BAG v. 27.10.2005, 6 AZR 123/05, BAGE 116, 160 - 168; LAG Brandenburg v. 03.05.2005, 2 Sa 702/04, juris). Diese Auswirkungen bestehen, da der Prüfungsmaßstab sich ändert, wenn ein Arbeitnehmer seinen bisherigen Arbeitsplatz nur im Wege der Abordnung wieder besetzt. Es ist anerkannt, dass bei einer nur vorübergehenden Abordnung im Rahmen des billigen Ermessens ein anderer Maßstab zu berücksichtigen ist als bei einer dauerhaften Versetzung. Bei einer vorübergehenden Abordnung bedarf es in der Regel keiner besonderen Begründung mehr, dass die vorübergehende Abordnung endet. In der Regel wird allein aus dem Umstand, dass es sich um eine vorübergehende Maßnahme handelt, folgen, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, den Normalzustand wiederherzustellen, um die vorübergehende Maßnahme zu beenden. Demgegenüber ist bei einer dauerhaften Versetzung zusätzlich im Rahmen des billigen Ermessens zu prüfen, inwieweit der Arbeitnehmer durch die Aufgabe der bisherigen Tätigkeit belastet wird (BAG v. 27.10.2005, 6 AZR 123/05, BAGE 116, 160 - 168).
122Ein weiterer entscheidender Unterschied besteht darin, dass die Abordnung explizit erst zum 02.01.2013 erfolgte. Auch hiermit hat die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass sie die Abordnung nicht als Rückgängigmachung oder Nivellierung der Versetzung angesehen hat. Es kann nicht unterstellt werden, dass es sich bei dem Datum um einen Schreibfehler handelt. Die Versetzung ist zum 01.01.2013 ausgesprochen worden. Auch wenn man berücksichtigt, dass es sich bei dem 1. Januar um einen Feiertag (Neujahr) handelt, so ist im Rechtsleben anerkannt, dass es einen Unterschied macht, ob ein Rechtsverhältnis zum 01.01.2013 beginnt oder zum 02.01.2013. Hier liegt noch nicht einmal eine bloße Zäsur von einer so genannten juristischen Sekunde vor, sondern es ist eine Zäsur von einem ganzen Kalendertag. Der Kläger war demgemäß nach der Vorstellung der Beklagten vom 12.11.2012 jedenfalls am 01.01.2013 dem M.E.C. vollständig zugeordnet ohne Bezug zum bisherigen Arbeitsort im Bergwerk X.. Demgegenüber sollte die Abordnung erst am 02.01.2013 greifen. Hätte die Beklagte die Absicht gehabt, mit der Abordnung die Rechtswirkung der Versetzung zu vermeiden, so hätte die Abordnung zum 01.01.2013 ebenfalls erfolgen können. Genau dies hat die Beklagte aber nicht beabsichtigt. So lautet es auch im Wortlaut der Abordnung explizit, dass der Arbeitnehmer weiterhin Mitarbeiter des M.E.C bleibt. Damit hat die Beklagte deutlich gemacht, dass es bei den Rechtswirkungen der Versetzung bleiben sollte.
123(2)
124Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung konsequent nicht von Versetzung, sondern lediglich von einer Zuordnung spricht, trifft diese Bewertung nach Auffassung der Kammer nicht den unstreitigen Sachverhalt. Bei dem Schreiben vom 12.11.2012 handelt es sich gerade nicht um eine innenorganisatorische Maßnahme, sondern um eine bewusste Änderung der Art der geschuldeten Tätigkeit. Genau diese fällt bereits unter den arbeitsrechtlichen Versetzungsbegriff.
125Es erscheint für sich genommen bereits fraglich, ob die Tarifvertragsparteien, die die Möglichkeit hatten, die bisherige Rechtsprechung zur Kenntnis zu nehmen, wirklich davon ausgegangen sind, dass sie mit der Regelung in Nr. 5.2 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau eine Versetzung im arbeitsrechtlichen Sinne nicht wollten. Hätten die Tarifvertragsparteien lediglich gemeint, es würde sich um eine Zuordnung handeln, so ist fraglich, warum konsequent im Tarifvertrag von Versetzung gesprochen wird. Weiter ist fraglich, warum Arbeitgeber und Betriebsrat eigens ein Dokument unterzeichnet haben, in dem unter der Überschrift "Versetzung" für den "Abgebenden Betrieb" die Werksleitung, Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung unterzeichnet haben und für den "Aufnehmenden Betrieb" ebenfalls die Werksleitung, Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung unterschrieben haben. Diese Terminologie folgt wörtlich der Fachsprache zum Versetzungsverfahren nach §§ 95, 99 BetrVG. Für die Annahme, die Beteiligung sei lediglich im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit erfolgt, fehlen in diesem Dokument jegliche Anhaltspunkte. Handelte es sich lediglich um die Zuordnung zu einer bestimmten Arbeitnehmergruppe, ohne dass dies irgendwelche Bedeutung für die Tätigkeit hätte, wie die Beklagte wiederholt ausführt, läge offensichtlich keine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG vor. Auch wenn es den Betriebspartnern unbenommen ist, die Beteiligung in weiterem Umfang durchzuführen als gesetzlich vorgesehen, so hätte es in diesem Fall nahegelegen, dass dies auch zum Ausdruck kommt. Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat haben stattdessen in Nr. 3.4 des Gesamtinteressenausgleichs Folgendes formuliert:
126"Aus diesem Grund werden diese Arbeitnehmer spätestens zum 1. Januar 2013 in das M.E.C. versetzt. Betroffen sind die in der Anlage 2 (Personalliste M.E.C.) namentlich aufgeführten Arbeitnehmer. Die notwendigen Mitbestimmungsverfahren mit den zuständigen Betriebsräten werden unverzüglich eingeleitet."
127Es ist also nicht die Rede von einem freiwilligen Beteiligungsverfahren, sondern das Mitbestimmungsverfahren wird - nach Auffassung der Kammer zu Recht - ausdrücklich als "notwendig" bezeichnet.
128Die Frage, wie die Tarifvertragsparteien den Begriff "Versetzung" verstanden haben, kann aber dahinstehen, da die erforderliche Auslegung des Schreibens vom 12.11.2012 ergibt, dass die Beklagte entgegen den Ausführungen der Berufungsbegründung eine echte Versetzung beabsichtigt hat. Sie wollte gerade mit dem Schreiben vom 12.11.2012 den Umfang der gegenseitigen Rechte und Pflichten maßgeblich umgestalten. Der Kläger sollte gerade nicht mehr seine bisherige Tätigkeit ausüben, sondern stattdessen gar keine klassische Tätigkeit in einem Bergwerksunternehmen mehr wahrnehmen, sondern sich alleine im Rahmen des M.E.C. und den dort vorgegebenen Vorschriften qualifizieren und an seiner Vermittlung mitwirken. Dieses Auslegungsergebnis folgt aus den weiter zu berücksichtigen Umständen, die den Hintergrund der Maßnahme erläutern. Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat haben im Gesamtinteressenausgleich unter Nr. 3.4 auf Folgendes hingewiesen:
129"Die von den Tarifvertragsparteien und den Betriebspartnern begleitete sozialverträgliche Beendigung des deutschen Steinkohlenbergbaus ist im Rahmen der vorliegenden Finanzierungsregelung wirtschaftlich nur darstellbar, wenn unbefristet beschäftigte, nicht APG-berechtigte Arbeitnehmer schnellstmöglich über das M.E.C. in anderweitige konzerninterne oder externe Arbeitsverhältnisse vermittelt werden können."
130Deutlicher als mit den Worten "schnellstmöglich" und "anderweitige" kann man nicht beschreiben, dass es hier keinesfalls darum geht, eine organisatorische Einheit für sich genommen zu schaffen, um allein Qualifizierungsbedürfnisse zu erkennen und eine entsprechende Qualifizierung als positive Maßnahme anbieten zu können. Stattdessen ist die Qualifizierung nur Mittel zum eigentlich verfolgten Zweck, das Ausscheiden des Arbeitnehmers zu ermöglichen. Dieses Verständnis findet sich auch bereits im Tarifvertrag, in dem es unter Nr. 3.4 lautet:
131"Jeder in das M.E.C. versetzte Arbeitnehmer hat Anspruch auf … Qualifizierungsmaßnahmen zur Erhöhung seiner Vermittlungschancen."
132Die Finanzierung des ganzen Programms ist also nur dann möglich, wenn tatsächlich möglichst viele Arbeitnehmer ausscheiden. Damit ist es gerade keine theoretische Größe oder ein irgendwann in Zukunft auftauchendes Rechtsproblem, ob gegebenenfalls Arbeitnehmer vor der Situation stehen, dass eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses erforderlich wird, weil ihnen ein zumutbarer Arbeitsplatz bei einem externen Unternehmen angeboten wird, sondern es ist gerade erklärtes Ziel der Beklagten, diese Maßnahmen auch wirklich umzusetzen.
133Aus diesem Grund vermag die Kammer auch nicht der Begründung des Arbeitsgerichts Herne im Urteil vom 19.06.2013, 5 Ca 25/13 unter II 1. b) der Entscheidungsgründe zu folgen. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts Herne sei Ziel des Tarifvertrags ausweislich der Präambel nicht die alsbaldige Vermittlung von Mitarbeitern auf externe Arbeitsplätze, sondern deren Qualifizierung und Förderung für die Zeit nach Beendigung des deutschen Steinkohlenbergbaus. Diese Ansicht lässt jedoch unberücksichtigt, dass es in der Präambel des Tarifvertrags Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau am Ende lautet:
134"Die Arbeitnehmer, die die Voraussetzungen für den Bezug von Anpassungsgeld im gesetzlichen Zeitrahmen nicht erfüllen, werden in anderweitige konzerninterne oder externe Arbeitsverhältnisses vermittelt."
135Dieser Satz betont nach Auffassung der Kammer den Beendigungszweck, und nicht ein Qualifizierungsziel. Es handelt sich damit gerade nicht um eine vom Kläger "nicht untermauerte Unterstellung", sondern um den dokumentierten Willen der Tarifvertragsparteien.
136(3)
137Anders wäre der Fall zu beurteilen, dass lediglich eine Zuordnung zu einer Einheit erfolgt, bei der dem Arbeitgeber im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eröffnet wird, diesen weiter zu qualifizieren und weiter zu vermitteln, quasi in Form eines Angebots. Gegen eine solche Identifizierung wird sich der Arbeitnehmer nicht wehren können. Es ist dem Arbeitgeber unbenommen, seine Belegschaft fast beliebig neu zu organisieren und sie verschiedenen Organisationseinheiten zuzuordnen. Dies entspricht auch ständiger Praxis im Arbeitsleben. Solange hierdurch die Rechte und Pflichten nicht berührt werden, kann dieses nicht arbeitsrechtlich beanstandet werden. Wie ausgeführt, geht die Versetzung vorliegend aber darüber hinaus, da sie bereits auf ein Ausscheiden aus dem Unternehmen gerichtet ist.
138(4)
139Selbst wenn man nicht auf dieses Ziel des Ausscheidens aus dem Unternehmen abstellen würde, das mit der Versetzung vorbereitet würde, handelt es sich gleichwohl um eine Änderung der gegenseitigen Rechte und Pflichten.
140Denn nach Durchführung der Versetzung wird zumindest eine umfangreiche Verpflichtung des Arbeitnehmers begründet, an Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen und diese vorzubereiten, insbesondere an einem "Profiling" mitzuwirken. Wie ausgeführt, genügt diese Pflichtenänderung jedenfalls für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags.
141Selbst wenn man mit der Beklagten die Ansicht vertritt, bei der Versetzung aus dem Schreiben vom 12.11.2012 handele es sich gar nicht um eine Versetzung, sondern lediglich um eine organisatorische Zuordnungsentscheidung, ändert sich an der Beurteilung des Feststellungsinteresses nichts. Dies folgt daraus, dass der Arbeitnehmer jederzeit mit weiteren Weisungen des Arbeitgebers zur Durchführung der Qualifizierung und Versetzung rechnen muss. Dabei kann nicht dahinstehen, ob diese Weisungen wirksam sein werden. Gerade wenn eine Weisung nur der Überprüfung ihrer Billigkeit unterliegt, ist der Arbeitnehmer nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts an eine Weisung des Arbeitgebers, die nicht aus sonstigen Gründen unwirksam ist, vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung festgestellt wird (BAG v. 22.02.2012, 5 AZR 249/11, NZA 2012, 858). Angesichts dessen haben die Arbeitnehmer ein gesteigertes Interesse daran, genau zu wissen, welche Rechte und Pflichten in ihrem Arbeitsverhältnis existieren. Sollten sich im Rahmen des M.E.C. Weisungen ergeben, bei denen die Arbeitnehmer Bedenken daran haben, ob der Arbeitgeber das billige Ermessen gewahrt hat, wären sie aufgrund der genannten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zunächst verpflichtet, diesen Weisungen zu folgen. Diese rechtliche Unsicherheit rechtfertigt es, bereits jetzt ein Interesse anzuerkennen, dass der Umfang der gegenseitigen Rechte und Pflichten, soweit im Vorhinein feststellbar, geklärt wird.
142Die Beklagte hat die Existenz solcher Bedenken auch selbst veranlasst. Sie hat in ihrem "Versetzungs"-Schreiben vom 12.11.2012 explizit darauf hingewiesen, dass sich die Rechte und Pflichten innerhalb des M.E.C. nach dem Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau richten, und damit deutlich gemacht, dass bereits ab dem 01.01.2013 für den Arbeitnehmer eine neue Regelung gilt.
143bb)
144Ein Feststellungsinteresse besteht auch deshalb, weil fraglich ist, welcher Betriebsrat für den Kläger zuständig ist.
145Auf dem Schriftstück zur Versetzung haben der Betriebsrat des "abgebenden" und des "aufnehmenden" Betriebes unterzeichnet. Bereits deshalb ist offen, welcher Betriebsrat welche Aufgaben wahrnimmt.
146Die Kammer folgt nicht der Ansicht der Beklagten, dass die Frage, welcher Betriebsrat zuständig ist, eine Unsicherheit sein soll, die sich täglich in zahlreichen Arbeitsverhältnissen stellt. Nach der Erfahrung der Kammer ist in den allermeisten Fällen eindeutig, welcher Betriebsrat zuständig ist. Allenfalls punktuell wird die Zuständigkeit von Betriebsräten beanstandet.
147Dass für den Kläger ein anderer Betriebsrat zuständig sein kann, folgt auch daraus, dass in dem Versetzungsschreiben explizit genannt wird, dass das M.E.C. organisatorisch eingebunden ist in den Betrieb C.. Da auch für den bisherigen Betrieb des Klägers in L.-M. ein eigenständiger Betriebsrat gewählt war, ist ohne weiteres ersichtlich, dass hier fraglich ist, welche Zuständigkeiten die Betriebsräte haben. Zudem ist es anerkannt, dass sich die Zuständigkeit von Betriebsräten aufspalten kann. Dies ist insbesondere anerkannt für den Bereich der Leiharbeitnehmerüberlassung.
148Es ist daher nicht unstreitig, dass der Kläger unabhängig von seiner Zuordnung zum M.E.C. auf seinem bisherigen Arbeitsplatz verblieben ist und deshalb unverändert der Zuständigkeit des dortigen Betriebsrates unterfällt. Die tatsächlichen Arbeitsumstände des Klägers sind lediglich ab dem 02.01.2013 die gleichen wie bis zum 31.12.2012. Damit ist jedoch noch nicht geklärt, ob die ab 01.01.2013 geltenden Regelungen des M.E.C. das Rechtsverhältnis umgestaltet haben.
149cc)
150Der Beklagten ist zuzugeben, dass eine bloße Klärung, inwieweit der Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme bzw. aufgrund der beiderseitigen Verbandszugehörigkeit gilt, auf die Erstattung eines Rechtsgutachtens hinauslaufen würde. Der Kläger hat jedoch weitergehend konkret geltend gemacht, dass sein Arbeitsverhältnis durch die Versetzung vom 12.11.2012 umgestaltet wurde. Die Frage, inwieweit der Tarifvertrag wirksam ist, ist dabei lediglich Vorfrage.
151b)
152Der Kläger hat auch ein Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Rechtmäßigkeit seiner "Versetzung" zum M.E.C. Dies ergibt sich bereits daraus, dass ein Arbeitnehmer Klarheit darüber haben muss, ob eine gegebenenfalls von einer Qualifizierungseinheit ihm gegenüber - zu einem späteren Zeitpunkt- ausgesprochene Maßnahme überhaupt Wirkung entfalten kann (BAG v. 13.03.2007, 9 AZR 417/06, juris).
1532.
154Der Feststellungsantrag ist mit dem Hauptantrag begründet.
155Die mit Schreiben vom 12.11.2012 erklärte Versetzung des Klägers zum M.E.C. ist unwirksam. Die Versetzung verstößt gegen § 2 KSchG und ist weder durch den Arbeitsvertrag, den Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau noch § 106 GewO gerechtfertigt.
156a)
157Die Beklagte kann sich zur Rechtfertigung der Versetzung nicht auf die Regelung im Arbeitsvertrag berufen.
158aa)
159Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf einer Regelung im Arbeitsvertrag beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln und festzustellen, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (BAG v. 13.06.2012, 10 AZR 296/11, juris; BAG v. 19.01.2011, 10 AZR 738/09, juris; BAG v. 25.08.2010, 10 AZR 275/09, Rn. 17 bis 31, NZA 2010, 1355).
160Der Versetzungsvorbehalt im Arbeitsvertrag setzt voraus, dass die dem Arbeitnehmer zugewiesenen Tätigkeiten seinen Fähigkeiten entsprechen und im Rahmen des Zumutbaren bleiben. Geschuldet war die Tätigkeit als Angestellter im Gesundheits- und Sozialdienst.
161bb)
162Innerhalb dieses Rahmens bleibt die Versetzung in das M.E.C. nicht. Die Versetzung des Klägers in das M.E.C. führt zu einer nachhaltigen und grundlegenden Veränderung im Kernbereich der arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten, die nicht mehr von der allgemeinen Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag gedeckt ist.
163Für eine Versetzung im allgemeinen arbeitsrechtlichen Sinne ist kennzeichnend der dauerhafte Wechsel auf einen Arbeitsplatz in einer anderen Dienststelle desselben Arbeitgebers. Dem Versetzungsbegriff ist immanent, dass mit dem Wechsel auch eine Änderung des Tätigkeitsbereiches, d. h. der Art, des Ortes oder des Umfanges der Tätigkeit verbunden ist. Danach fehlt es an einer "Versetzung", wenn sich weder die Art, der Ort oder der Umfang der bisherigen Tätigkeit ändern, da mit dieser "Versetzung" nicht gleichzeitig eine andere Tätigkeit zugewiesen wird, sondern der Arbeitnehmer auf seinem bisherigen Arbeitsplatz verbleibt (BAG v. 13.03.2007, 9 AZR 417/06, juris; BAG v. 15.08.2006, 9 AZR 571/05, juris).
164Nach diesem Begriff liegt eine Versetzung bereits deshalb vor, weil sich die Art der geschuldeten Tätigkeit mit der Versetzung in das M.E.C ändert. Der Arbeitnehmer schuldet nicht mehr allein seine Tätigkeit als Arbeitnehmer, sondern die Mitwirkung an seiner Qualifizierung sowie seiner Vermittlung auf andere, auch externe Arbeitsplätze. Diese Verpflichtung führt soweit, dass die eigentliche Tätigkeit nicht mehr im Vordergrund steht, sondern nur als eine von mehreren Möglichkeiten Bedeutung hat.
165Entsprechendes gilt für den betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsbegriff gemäß §§ 95, 99 BetrVG. Die Neuübertragung von wesentlichen Teilfunktionen, die der Gesamttätigkeit ein anderes Gepräge geben, ist ebenfalls eine Versetzung (BAG v. 02.04.1996, 1 AZR 743/95, NZA 1997, 112; BAG v. 27.03.1980, 2 AZR 506/78, AP Nr. 26 zu § 611 BGB Direktionsrecht; Fitting, BetrVG, 26. Aufl., § 99 Rn. 128 ff.).
166Die Versetzung in das M.E.C. umfasst gerade nicht allein Aufgaben, die den bisherigen Fähigkeiten des Klägers entsprechen. Vielmehr ist neben der Sicherstellung der geordneten Abwicklung des Steinkohlenbergbaus Sinn und Zweck des M.E.C., den Arbeitnehmer weiter zu qualifizieren und Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden, in denen der Kläger eingesetzt werden kann, sei es innerhalb des Unternehmens der Beklagten selbst, sei es innerhalb von Konzernunternehmen oder sei es bei einem Dritten. Damit ändert sich die Art der Aufgaben des Klägers. Eine Arbeitspflicht als solches ist nicht mehr notwendigerweise geschuldet. Vielmehr geht es darum, dass der Kläger sich bereithält, um andere Tätigkeiten aufzunehmen.
167Dabei handelt es sich nicht allein um Tätigkeiten, die seinen Fähigkeiten entsprechen. Dies ist nur in einem Teil der Fälle denkbar. Die Tätigkeit im M.E.C. verlangt darüber hinausgehend, dass der Kläger seine Fähigkeiten sogar erweitert, indem er an Qualifizierungsmaßnahmen teilnimmt.
168Nach Nr. 5.3.1 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau ist der Arbeitnehmer verpflichtet, sich ab dem Zeitpunkt der Versetzung in das M.E.C. für die Vermittlung und Qualifizierung zur Verfügung zu halten. Das bedeutet insbesondere, dass er seine Erreichbarkeit sicherzustellen hat. Er hat allen Anforderungen Folge zu leisten und alle erforderlichen Angaben zu machen und Unterlagen beizubringen, die für die Erstellung eines Profils und die weitere Vorbereitung und Unterstützung der Vermittlung und Qualifizierung erforderlich sind. Er ist verpflichtet, nach Aufforderung an Informationsveranstaltungen teilzunehmen. Jede Änderung in seinen persönlichen Umständen, die für die Vermittlung und Qualifizierung von Bedeutung sein könnten, sind dem zuständigen Berater unverzüglich mitzuteilen. Nach Nr. 5.3.5 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau ist der Arbeitnehmer verpflichtet, ab dem Zeitpunkt der Versetzung in das M.E.C. an notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen und alle im Rahmen der Aufnahme und Durchführung einer Qualifizierungsmaßnahme zu erledigenden Aufgaben nach bestem Wissen und Können im Rahmen des ihm Möglichen zu erfüllen. Er hat alles zu unterlassen, was den Erfolg der Qualifizierung gefährden oder zum Abbruch der Maßnahme führen könnte.
169Nur einen Teil dieser Pflichten schuldet der Arbeitnehmer aufgrund seines Arbeitsvertrages ohnehin. Beispielsweise besteht die Nebenpflicht, während des Arbeitsverhältnisses seine Erreichbarkeit sicherzustellen. Hingegen ist man nach Beginn des Arbeitsverhältnisses nicht ohne weiteres verpflichtet, an der Erstellung eines Qualifizierungsprofils mitzuwirken.
170cc)
171Für die Frage der Versetzung kann auch nicht zwischen der Versetzung und der Anordnung von Qualifizierungs-, Abordnungs- und Vermittlungs- bzw. Verleihmaßnahmen unterschieden werden, die aufgrund des erweiterten Pflichtenkreises ggf. erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Vielmehr besteht eine unmittelbare Verbindung zwischen Versetzung und Erweiterung der Pflichten.
172(1)
173Der Tarifvertrag regelt ausdrücklich, dass mit der Versetzung bereits die Pflicht besteht, an den Qualifizierungsmaßnahmen mitzuwirken. Eine solche Pflicht ist dem Arbeitsverhältnis im Regelfall nicht immanent. Hieran zeigt sich, dass bereits die Versetzung als solche das Rechtsverhältnis umgestaltet und nicht erst die Vornahme der in Nr. 5.3 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau beschriebenen Einzelmaßnahmen. Vergleichbar ist die Situation mit einem Arbeitnehmer, dem vertraglich eine Beschäftigung an einem bestimmten Arbeitsort, z. B. in Düsseldorf, zugesichert ist. Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in eine Abteilung versetzt, in der der Arbeitsort nicht feststeht, sondern zukünftig ein beliebiger Ort innerhalb der Bundesrepublik Deutschland sein kann (z. B. Versetzung eines IT-Technikers aus dem reinen Innendienst in die sog. "on-site"-Betreuung bei den Kundenunternehmen), und dem Arbeitnehmer gleichzeitig mitteilt, dass zunächst sein Einsatz weiterhin in Düsseldorf erfolgt, aber bereits absehbar ist, dass sich dies jederzeit ändern kann, steht außer Frage, dass diese Maßnahme auch unter dem Gesichtspunkt des geänderten Arbeitsorts überprüft werden kann, auch wenn sich für den Kläger der Arbeitsort tatsächlich nicht geändert hat. Als weiteres Beispiel lässt sich anführen, dass eine Versetzung in einen anderen Betrieb, in dem keine Arbeitsplätze vorhanden sind, die dem Qualifikationsniveau des Arbeitnehmers entsprechen, nicht aufgeteilt werden kann in die Versetzung in den Betrieb und einen davon zu unterscheidenden Akt der Zuweisung einer anderen Tätigkeit. Vielmehr kann die Versetzung in diesem Fall nur rechtmäßig sein, wenn der Arbeitgeber z. B. gleichzeitig erklärt, er schaffe dort einen neuen Arbeitsplatz. Auch die Anweisung an einen z. B. in L.-M. tätigen Arbeitnehmer, am nächsten Tag z. B. in C. von 06:00 Uhr bis 22 00 Uhr bei einem auswärtigen Kunden zu arbeiten, ist insgesamt unwirksam. Die Weisung wird nicht dadurch verbindlich, dass die Arbeitszeitbestimmung unwirksam ist (vgl. § 3 ArbZG). Erscheint der Arbeitnehmer in C. nicht, könnte hierauf keine Sanktion gestützt werden.
174Damit wird deutlich, dass Prüfungsgegenstand gerade das rechtliche "Dürfen" des Arbeitgebers bzw. das rechtliche "Müssen" des Arbeitnehmers im Rahmen der neuen Tätigkeit ist. Beides kann sich, je nach Ausgestaltung, durch eine Versetzung oder auch durch eine bloße Zuordnung zu einem bestimmten Bereich ändern. So ist entschieden worden, dass die Erweiterung des Direktionsrechts des Arbeitgebers, wonach er unternehmensexterne Leiharbeit zuweisen darf, in den Grundbestand der Rechte eines Arbeitnehmers eingreift, ohne dass es auf die tatsächliche Zuweisung von Leiharbeit ankäme, und deshalb auch die Versetzung in die Einheit, in der das erweiterte Direktionsrecht gilt, unwirksam ist (LAG Düsseldorf v. 21.12.2006, 13 Sa 863/05, juris; LAG Köln v. 03.05.2006, 7 (5) Sa 1584/05, juris; LAG Brandenburg v. 30.06.2005, 9 Sa 79/05, juris - alle drei Verfahren betrafen den Vermittlungs- und Beschäftigungsbetrieb W. der Deutschen U. AG und haben sich vor dem Bundesarbeitsgericht in sonstiger Weise erledigt).
175Entsprechendes gilt auch hier für die Pflichten in Nr. 5.3.3 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau zur Vermittlung auf externe Arbeitsplätze und in Nr. 5.3.4 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau zur Arbeitnehmerüberlassung. In beiden Abschnitten wird geregelt, dass der Arbeitnehmer bereits mit dem Eintritt in das M.E.C. verpflichtet ist, sich auf zumutbare Arbeitsplätze eines Konzernunternehmens oder eines externen Arbeitgebers vermitteln oder verleihen zu lassen und verpflichtet ist, sich auf ihm nachgewiesene Arbeitsplatzangebote zu bewerben, an Vorstellungsgesprächen teilzunehmen, Praktika zu absolvieren oder bei einem potentiellen neuen Arbeitgeber zur Probe zu arbeiten. Dabei hat er alles zu unterlassen, was den Erfolg der Vermittlung gefährden könnte. Er ist verpflichtet, ein ihm unterbreitetes zumutbares Arbeitsplatzangebot eines Konzernunternehmens oder eines externen Arbeitgebers anzunehmen.
176Diese Verpflichtung wird dadurch besonders betont, dass in Nr. 5.7 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau Sanktionen vorgesehen sind, falls der Arbeitnehmer nicht an der Vermittlung bzw. Verleihung mitwirkt. Hierbei handelt es sich nicht um eine in der Luft hängende Annahme des Arbeitsgerichts, sondern lediglich um die Anwendung des Tarifwortlauts. Der Tarifvertrag ist eine Einheit. Der Wortlaut ist eindeutig. Dies ergibt sich im Ansatz schon aus der Nummerierung der einzelnen Vorschriften. Nr. 5.2, 5.3 und 5.7 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau gehören zu einem einheitlichen Abschnitt, der insgesamt überschrieben ist mit "Regelungen für nicht APG-berechtigte Arbeitnehmer". In Nr. 5.2 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau ist einleitend vorgesehen, dass die nachfolgenden Vorschriften dann gelten, wenn Arbeitnehmer in den Bereich des M.E.C. versetzt sind. Dies ist "quasi" die Gegenleistung für den zuvor in Nr. 5.1 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau gewährten Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen bis zum 30.06.2018. Die Bedeutung der Versetzung wird sodann in Nr. 5.3 bis Nr. 5.9 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau geregelt. Dem Tarifvertrag kann nicht entnommen werden, dass die Versetzung in das M.E.C. unabhängig davon erfolgen soll, ob die weitergehendenden Regelungen in Nr. 5.3 und 5.7 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau Anwendung finden. Eine Versetzung macht nur dann Sinn, wenn auch die weiteren Vorschriften, mit denen das M.E.C. ausgestaltet wird, auch gelten. Dass die Tarifvertragsparteien hieran gedacht haben, ergibt sich aus der ausdrücklichen Erwähnung der Zumutbarkeit der Versetzung im Tarifvertrag. Wäre die Zulässigkeit einer Versetzung unproblematisch, ist nicht erklärbar, warum die Tarifvertragsparteien eigens noch die Zumutbarkeit geregelt haben. Ersichtlich ist hier versucht worden, die bisherige Terminologie obergerichtlicher Entscheidungen aufzunehmen und etwaige Zweifel an der Zumutbarkeit an einer Versetzung in das M.E.C. durch die explizite Erwähnung auszuräumen.
177(2)
178Die Beklagte verkennt, dass der Betrachtung keine theoretisch denkbaren, noch dazu von Mitwirkungshandlungen Dritter abhängige Maßnahmen zu Grunde liegen. Die Rechtmäßigkeit der Versetzung ist vielmehr daran zu prüfen, welchen rechtlichen Regelungen das Arbeitsverhältnis fortan unterworfen ist. Bereits zum Zeitpunkt der Versetzung ist zu überprüfen, ob die Umgestaltung der gegenseitigen Rechte und Pflichten, auf die die Beklagte explizit auch in dem Versetzungsschreiben sowie nochmals in dem Abordnungsschreiben hingewiesen hat, rechtmäßig sind. Eine wesentliche und dauerhafte Modifikation zieht bereits die Unwirksamkeit der Versetzung nach sich, wenn diese nicht nach anderen Vorschriften gerechtfertigt ist (LAG Düsseldorf v. 21.12.2006, 13 Sa 863/05, juris; LAG Köln v. 03.05.2006, 7 (5) Sa 1584/05, juris; LAG Brandenburg v. 30.06.2005, 9 Sa 79/05, juris). Es kann gerade nicht wie ausgeführt eine Zäsur erfolgen zwischen der Versetzung als solcher und etwaigen weiteren Maßnahmen.
179Neben diesen rechtlichen Gründen ist zudem nicht zu verkennen, dass bereits die Zuordnung zu einer Einheit, die auch ausweislich der Präambel ausdrücklich den Zweck verfolgt, neben der Qualifizierung der Arbeitnehmer ein möglichst frühzeitiges Ausscheiden der zugeordneten Mitarbeiter zu ermöglichen, bereits tatsächlich eine gravierende Änderung des Arbeitsverhältnisses bedeutet. Selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht der Argumentation der Beklagten folgen würde, dass die weiteren Maßnahmen gesondert zu überprüfen wären, besteht allein aufgrund der Regelungstechnik des Tarifvertrages ein hoher faktischer Druck. In Nr. 5.7 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau wird ein detailliertes abgestuftes Sanktionsprogramm aufgestellt für den Fall, dass der Mitarbeiter nicht an Qualifizierungsmaßnahmen teilnimmt, bzw. sich nicht in konzernangehörige oder externe Unternehmen vermitteln lässt bzw. dort nicht als Leiharbeitnehmer tätig wird. Nach der ersten Ablehnung droht eine Abmahnung, im Folgenden droht der Verlust des Kündigungsschutzes sowie auch der Ausspruch einer fristlosen oder fristgerechten Kündigung. Angesichts des Umstandes, dass arbeitsgerichtlicher Rechtsschutz nicht mit sofortiger Wirkung erreicht werden kann, bedeutet bereits diese Situation für den Arbeitnehmer eine große Unsicherheit. So sind Fälle denkbar, dass dem Arbeitnehmer z. B. innerhalb kurzer Zeit zwei verschiedene Vermittlungsvorschläge unterbreitet werden. Der Arbeitnehmer muss sich deshalb schon beim ersten Vorschlag genau überlegen, wie er hierauf reagieren wird. Es erscheint ausgeschlossen, dass er sofortigen Rechtsschutz erreichen kann. So ist es anerkannt, dass in der Regel ein Verfügungsgrund fehlt, wenn die mit dem Rechtsschutzverfahren begehrte Rechtsfolge lediglich auf eine Feststellung hinausläuft (LAG Rheinland-Pfalz v. 14.11.2012, 8 TaBVGa 1/12, juris; LAG Düsseldorf v. 06.09.1995, 12 TaBV 69/95, juris). In diesem Fall wird der Arbeitnehmer gerade auf das Hauptsacheverfahren verwiesen, da er, sofern er von der Rechtswidrigkeit der Maßnahme überzeugt ist, ihr keine Folge zu leisten braucht. Demnach befindet sich der Arbeitnehmer nicht erst dann in der Drucksituation, wenn konkrete Maßnahmen angeordnet werden. In dieser Drucksituation befindet er sich, sobald er in das M.E.C. versetzt wurde. Liegt hingegen eine solche Versetzung nicht vor, ist nach den Regelungen des Tarifvertrags klar, dass dessen besondere Vorschriften auf das Arbeitsverhältnis nicht anzuwenden sind, da es dann gerade an der in Nr. 5.2 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau vorgesehenen Versetzung in das M.E.C. fehlt. Selbst wenn sich also aufgrund einer nachfolgenden Abordnung die tägliche Arbeitsleistung nicht entscheidend ändert, so hat sich jedoch die faktische Position des Arbeitnehmers bereits gravierend umgestaltet. Er muss jederzeit damit rechnen, dass er einer entsprechenden Aufforderung, einen Arbeitsplatz bei einem anderen Unternehmen anzunehmen, Folge leisten muss bzw. bei wiederholter Ablehnung mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses rechnen muss.
180(3)
181Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg einwenden, bei einer etwaigen Unwirksamkeit der in Nr. 5.3 und Nr. 5.7 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau vorgesehenen Maßnahmen erleide der Arbeitnehmer keinen Rechtsnachteil, so dass er die organisatorische Zuordnung zu akzeptieren habe.
182Nach Auffassung der Kammer ist es seitens eines Arbeitnehmers nicht hinzunehmen, dass ein Arbeitgeber eine Versetzung ausspricht und angesichts der Argumente, die der Arbeitnehmer vorträgt, warum diese Versetzung nicht rechtmäßig ist, sich lediglich darauf beruft, für den Fall, dass der Arbeitnehmer Recht habe, liege kein Problem vor, da eine Belastung im Ergebnis nicht bestehe. Dabei bleibt gerade offen, ob die Pflichten bestehen oder nicht. Es bliebe auch unklar, warum der Arbeitgeber überhaupt eine Versetzung ausgesprochen hat, wenn für diese die vorgesehenen weiteren Folgen nicht eingreifen sollen. In dieser Ungewissheit darf der Arbeitnehmer nicht gelassen werden. Auch der den Tarifvertragsparteien eingeräumte Gestaltungsspielraum rechtfertigt es nicht, dass die Tarifvertragsparteien Regelungen in ihren Tarifvertrag aufnehmen, bei denen sie davon ausgehen, dass sie ohnehin rechtswidrig sind. Es kann einem Arbeitnehmer gerade nicht zugemutet werden, zu prüfen, ob andere Regelungen eines Tarifvertrages nichtig sind und welche Folgen dies für den Tarifvertrag insgesamt hat. Vielmehr wird es in der Lebenswirklichkeit so sein, dass sich ein Arbeitnehmer, der endgültig dem M.E.C. zugeordnet ist bzw. dorthin versetzt ist, je nachdem, welcher Terminologie man folgt, rein faktisch gesehen Vermittlungsbemühungen akzeptieren wird und so möglicherweise auch gegen seine rechtliche Überzeugung daran mitwirken wird, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeizuführen. Auch vor einer solchen Zwangslage schützt indes bereits das Kündigungsschutzgesetz mit seinen Bestimmungen darüber, dass die Änderung des Arbeitsverhältnisses entweder nur im Einvernehmen möglich ist oder aber aufgrund einer Änderungskündigung. So erscheint es ohne weiteres denkbar, dass auch schon aufgrund der jetzigen Situation in L.-M. der Ausspruch einer Änderungskündigung mit dem gleichen Ziel, nämlich den Kläger dem M.E.C. zuzuordnen, durchaus rechtmäßig sein kann, da im Gegensatz zu einer Beendigung die Zuordnung ein milderes Mittel wäre. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer aber die Möglichkeit, die Einhaltung von § 2 KSchG gerichtlich prüfen zu lassen.
183(4)
184Die Versetzung ist schließlich auch arbeitsvertraglich nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Arbeitgeber nach dem Arbeitsvertrag berechtigt ist, den Arbeitnehmer auch in andere Betriebe der S. AG zu versetzen. Hierauf allein kann die Versetzung in das M.E.C. nicht gestützt werden. Denn diese Klausel erweitert nur die örtliche Einsetzbarkeit, ist aber im Zusammenhang mit der Regelung zur Übertragung anderer Tätigkeiten zu sehen. Danach ist ein Einsatz in einem anderen Betrieb nur dann möglich, wenn auch die weiteren Voraussetzungen für eine zumutbare Beschäftigung erfüllt sind. Wie ausgeführt, fehlt es gerade hieran.
185b)
186Die Versetzung ist auch nicht durch Nr. 5.2 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau gerechtfertigt. Dieser Abschnitt sieht vor, dass nicht APG- berechtigte Arbeitnehmer in das M.E.C. versetzt werden können. In Ausfüllung dieser Vorschrift hat die Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat eine Namensliste vereinbart, die alle nicht APG-berechtigten Arbeitnehmer aufführt, darunter den Kläger, und diesen in der Folge versetzt.
187Nr. 5.2 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau ist jedoch nichtig, so dass die Beklagte die Versetzung nicht auf diese Vorschrift stützen kann. Die Tarifvertragsparteien haben mit dieser Vorschrift die ihnen zukommende tarifliche Regelungsmacht überschritten.
188Verstößt eine Tarifnorm gegen höherrangiges Recht oder überschreiten die Tarifvertragsparteien die Grenze der tariflichen Rechtsetzungsbefugnis, ist die Norm nichtig (BAG v. 04.05.2010, 9 AZR 181/09, juris).
189Der Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau verstößt gegen § 2 KSchG. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer nach § 2 KSchG dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist. § 2 KSchG schützt damit den Vertragsinhalt (BAG v. 11.10.2006, 5 AZR 721/05, juris; BAG v. 07.08.2002, 10 AZR 282/01, AP BGB § 315 Nr. 81, zu B II 3 der Gründe; BAG v. 15.08.2000, 1 AZR 458/99, zu A II 1 der Gründe; KR/Rost, 10. Aufl., KSchG § 2 Rn. 7; APS/Künzl, 4. Aufl., KSchG § 2 Rn. 3; HWK/Molkenbur, 5. Aufl., KSchG § 2 Rn. 1). Eine Umgehung zwingender Kündigungsschutzvorschriften liegt vor, wenn wesentliche Elemente des Arbeitsvertrages einer einseitigen Änderung unterliegen sollen, durch die das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung grundlegend gestört würde (BAG v. 15.08.2000, 1 AZR 458/99, juris; BAG v. 28.05.1997, 5 AZR 125/96, BAGE 86, 61, zu A I 2 a der Gründe). Der Kernbestand des Arbeitsverhältnisses darf nicht angetastet werden (KR/Rost, 10. Aufl., KSchG § 2 Rn. 48).
190Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die sich schon durch die Ausübung des Weisungsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO durchsetzen lassen, halten sich hingegen im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine "Änderung der Arbeitsbedingungen" im Sinne von § 2 KSchG (BAG v. 19.07.2012, 2 AZR 25/11, juris; BAG v. 26.01.2012, 2 AZR 102/11, juris, Rn. 14). Das Direktionsrecht ist wesentlicher Inhalt eines jeden Arbeitsverhältnisses. Es ermöglicht dem Arbeitgeber, die in einem Arbeitsverhältnis regelmäßig nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht nach Zeit, Ort und Art zu bestimmen (BAG v. 07.12.2000, 6 AZR 444/99, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 61). Dieses Recht kann durch Tarifvertrag zugunsten des Arbeitgebers erweitert werden. Solche Regelungen beruhen auf der grundrechtlichen Gewährleistung des Art. 9 Abs. 3 GG, die es den Koalitionen als Träger dieses Grundrechts erlaubt, die Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder zu regeln (BAG v. 12.12.2006, 9 AZR 747/06, juris). Die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien ist allerdings nicht unbeschränkt. Sie findet ihre Grenze in entgegenstehendem Gesetzesrecht, das seinerseits mit Art. 9 Abs. 3 GG in Einklang stehen muss (st. Rspr., vgl. BAG v. 23.09.2004, 6 AZR 442/03, BAGE 112, 64 - 71; BAG v. 10.07.2003, 6 AZR 372/02, juris; BAG v. 31.07.2002, 7 AZR 140/01, BAGE 102, 65 mwN; BAG v. 26.11.1986, 4 AZR 653/85, juris).
191Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem in Nr. 5.2 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau geregelten Versetzungsrecht um keine zulässige Ausgestaltung der Befugnisse des Arbeitgebers. Vielmehr liegt eine wesentliche Störung des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung vor, da ein wesentliches Element des Arbeitsvertrages, nämlich die Arbeitsleistung als solche, einer einseitigen und prinzipiellen Änderung unterliegt.
192Im Einzelnen gilt Folgendes:
193aa)
194Der gemäß Art. 9 Abs. 3 GG durch die Tarifautonomie den Tarifvertragsparteien verliehene Schutz gegen staatliche Beschränkungen ist dort am stärksten, wo eine Materie, wie etwa bei den Löhnen und den anderen materiellen Arbeitsbedingungen, aus Sachgründen am besten von den Tarifvertragsparteien geregelt wird (BVerfG v. 27.04.1999, 1 BvR 2203/93, BVerfGE 100, 271, zu B II 1 c aa der Gründe; BVerfG v. 24.04.1996, 1 BvR 712/86, BVerfGE 94, 268, zu C II 1 der Gründe). In Fragen des Bestandsschutzes und der Beendigung von Arbeitsverhältnissen ist dies weniger der Fall. Zwar gibt es auch in diesem Bereich häufig tarifvertragliche Regelungen. Dennoch ist hier bereits aus ebenfalls verfassungsrechtlichen Gründen ein nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien stehender Mindestschutz der Arbeitnehmer unverzichtbar (vgl. BAG v. 18.10.1994, 1 AZR 503/93, AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 11). Das folgt aus der dem Staat obliegenden Schutzpflichtfunktion der Grundrechte, die staatliche Grundrechtsadressaten dazu verpflichten, einzelne Grundrechtsträger vor einer unverhältnismäßigen Beschränkung ihrer Grundrechte durch privatautonome Regelungen zu bewahren (BAG v. 11.03.1998, 7 AZR 700/96, BAGE 88, 162, zu III 2 b der Gründe mwN). Hinsichtlich des Bestands von Arbeitsverhältnissen ergibt sich die Schutzpflicht der staatlichen Grundrechtsadressaten und damit auch der Gerichte aus Art. 12 Abs. 1 GG. Für den Bereich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen auf Grund einseitiger Gestaltungserklärung des Arbeitgebers hat der Gesetzgeber dieser Schutzpflicht durch die zwingenden Kündigungsschutzvorschriften Rechnung getragen (BVerfG v. 24.04.1991, 1 BvR 1341/90, BVerfGE 84, 133, zu C III 1 der Gründe; BVerfG v. 27.01.1998, 1 BvL 15/87, BVerfGE 97, 169, zu B I 1 der Gründe mwN; BAG v. 31.07.2002, 7 AZR 140/01, BAGE 102, 65).
195Der vorgenannte zwingende Mindestkündigungsschutz erfasst nach Maßgabe von § 2 KSchG auch den Schutz vor einseitig vom Arbeitgeber verfügten inhaltlichen Änderungen. Verboten sind Regelungen, die mit dem durch das Kündigungsschutzgesetz gewährleisteten Schutz nicht mehr vereinbar sind (BAG v. 27.02.2002, 9 AZR 562/00, BAGE 100, 339; BAG v. 11.03.1998, 7 AZR 700/96 BAGE 88, 162; BAG 25.02.1998, 7 AZR 641/96, BAGE 88, 118). Eine tarifvertragliche Gestaltung des Direktionsrechts muss mit den Wertungen des § 2 KSchG in Einklang stehen (KR-Rost, 9. Aufl., § 2 KSchG Rn. 54 c ff; APS/Künzl, 4. Aufl., § 2 KSchG Rn. 99). Eine dauerhafte und erhebliche Umgestaltung der arbeitsvertraglichen Pflichten ist mit zwingendem Gesetzesrecht nach § 2 KSchG unvereinbar (LAG Düsseldorf v. 21.12.2006, 13 Sa 863/05, juris; LAG Köln v. 03.05.2006, 7 (5) Sa 1584/05, juris; LAG Brandenburg v. 30.06.2005, 9 Sa 79/05, juris; LAG Brandenburg v. 30.06.2005, 9 Sa 79/05, juris).
196bb)
197Der Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau verpflichtet in Nr. 5.3.3 die Arbeitnehmer dazu, sich ab dem Zeitpunkt der Versetzung in das M.E.C. auf zumutbare Arbeitsplätze eines Konzernunternehmens oder eines externen Arbeitgebers versetzen zu lassen und räumt der Beklagten in Nr. 5.3.4 das Recht ein, die Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung auf einen zumutbaren Arbeitsplatz in einem Konzernunternehmen oder bei einem externen Arbeitgeber zu verleihen. Wie nicht zuletzt § 613 Abs. 6 BGB zeigt, soll in einem bestehenden Arbeitsverhältnis eine Auswechslung des Arbeitgebers nicht gegen den Willen des betroffenen Arbeitnehmers erfolgen können. Bei dem Einsatz eines Arbeitnehmers als Leiharbeitnehmer wird zwar nicht die Arbeitgeberstellung als solche auf einen fremden Arbeitgeber übertragen, wohl aber die Befugnis, im Arbeitsalltag das arbeitgeberseitige Direktionsrecht auszuüben. Die Ausübung des Direktionsrechts stellt jedoch eine der wesentlichsten Ausprägungen der Arbeitgeberstellung dar. Für den Arbeitnehmer, dessen arbeitsvertraglich geregelten Rechte und Pflichten darauf gerichtet sind, seine Tätigkeiten für das Unternehmen des Vertragsarbeitgebers zu verrichten, stellt die Erweiterung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts dahingehend, dass fortan auch die Zuweisung von unternehmensexterner Leiharbeit möglich sein soll, einen Eingriff in den Grundbestand seiner Rechte dar (LAG Düsseldorf v. 21.12.2006, 13 Sa 863/05, juris; LAG Köln v. 03.05.2006, 7 (5) Sa 1584/05, juris; LAG Brandenburg v. 30.06.2005, 9 Sa 79/05, juris). Dies gilt erst Recht, soweit nach dem Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau sogar die Vermittlung auf ein Arbeitsverhältnis mit einem externen Arbeitgeber geschuldet ist.
198Ziel der Zuweisung eines Arbeitnehmers zum M.E.C. ist die Vermittlung des betroffenen Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz als bisher und, soweit diesem Ziel dienend, die Weiterqualifizierung des Arbeitnehmers. Dieses Vermittlungsziel, dem die gesamte Gestaltung des Einsatzes eines Arbeitnehmers im M.E.C. untergeordnet ist, beschränkt sich jedoch gerade nicht auf Arbeitsplätze im Unternehmen des Vertragsarbeitgebers, sondern bezieht sich gleichrangig auch auf externe Arbeitsplätze außerhalb des Konzerns (s. Nr. 5.3.3 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau). Die gesetzlichen Regelungen des Kündigungsschutzes sind teilweise betriebsbezogen, teilweise unternehmensbezogen, jedoch nicht konzernbezogen ausgestaltet. Kündigungsschutzrechtlich handelt es sich damit bei der Vermittlung auf Arbeitsplätze eines anderen Konzernunternehmens in Wirklichkeit über eine externe Vermittlung. Die erfolgreiche Vermittlung auf einen Arbeitsplatz bei einem externen Arbeitgeber hat zugleich den Verlust des Arbeitsplatzes beim Vertragsarbeitgeber zur Folge. Gemäß Nr. 5.3.3 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau ist der Arbeitnehmer verpflichtet, sich auf zumutbare Arbeitsplätze eines Konzernunternehmens oder eines externen Arbeitgebers vermitteln zu lassen. Lehnt der Arbeitnehmer nach den Regeln des Tarifvertrages Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau ein als zumutbar geltendes Angebot oder auch nur eine entsprechende Qualifizierungsmaßnahme ab, so hat dies nach Nr. 5.7 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau abgestufte Sanktionen zur Folge, die mit dem Verlust der Ansprüche aus dem Tarifvertrag beginnen und schließlich dazu führen können, dass ein wichtiger Grund vorliegt, der den Arbeitgeber zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Arbeitsvertrages berechtigt (Nr. 5.7 (a) Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau). Gemäß Nr. 5.7 (b) Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau werden Arbeitnehmer, die gegen ihre Arbeitspflicht im Rahmen der Abordnung oder der Überlassung zur Arbeitsleistung an Dritte (konzernintern oder extern) verstoßen, unter Hinweis auf die drohende Kündigung bei Fortsetzung oder Wiederholung gleichen oder ähnlichen Verhaltens abgemahnt. Jede folgende Pflichtverletzung berechtigt den Arbeitgeber zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Außerdem verliert der Arbeitnehmer alle Rechte und alle Ansprüche aus dem Tarifvertrag, insbesondere den Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen.
199Wenn der in das M.E.C. versetzte Arbeitnehmer tarifvertraglich verpflichtet sein soll, Vermittlungsangebote an ein fremdes, wenn auch konzernangehöriges Unternehmen und sogar Vermittlungsangebote an ein konzernfremdes Unternehmen anzunehmen, überdies an Maßnahmen teilnehmen muss, die ihn erst für die Vermittlung auf solche Arbeitsplätze außerhalb des Unternehmens seines Vertragsarbeitgebers qualifizieren (s. Nr. 5.3.5 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau), so ist mit der Versetzung eines Arbeitnehmers der Beklagten in das M.E.C. zugleich dessen Verpflichtung konstituiert, aktiv an der Beendigung seines eigenen Arbeitsverhältnisses mitzuwirken. Für den Arbeitnehmer im M.E.C. ist eine eigentliche Arbeit nicht vorgesehen. Es besteht lediglich die Möglichkeit, eine Abordnung vorzunehmen. Diese gehört zum Teil des Maßnahmenpakets, da nach dem Vortrag der Beklagten der Zweck des Tarifvertrags auch darin besteht, die Abwicklung des Steinkohlenbergbaus vor dem Hintergrund unterschiedlicher Schließungstermine der Zechen zu koordinieren. Gegen eine Erweiterung der Abordnungsbefugnis für sich genommen durch Tarifvertrag bestünden keine Bedenken. Wie ausgeführt, ist die Abordnung aber nur eine von mehreren Möglichkeiten, die der Tarifvertrag vorsieht. Auch systematisch lässt sich nicht erkennen, dass eine Abordnung vorrangig wäre. Die Abordnung auf Arbeitsplätze im Unternehmen ist in Nr. 5.3.2 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau gleichrangig geregelt auf derselben Gliederungsebene wie die Pflicht zur Vermittlung auf externe Arbeitsplätze in Nr. 5.3.3, die Arbeitnehmerüberlassung in Nr. 5.3.4 und die Qualifizierung in Nr. 5.3.5 des Tarifvertrags Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau.
200Die Kammer kann deshalb der Berufungsbegründung bei ihrer tragenden Argumentation, es habe sich ja noch nichts verändert, nicht folgen. Zur Überprüfung steht allein die durch das Schreiben vom 12.11.2012 durchgeführte Maßnahme. Bei Erhalt der "Versetzung" vom 12.11.2012 war für den Arbeitnehmer klar, dass mit Beginn des 01.01.2013 seine Arbeitsleistung als solche nicht mehr gefragt war, und ihn stattdessen eine der vier Alternativen Abordnung, Austritt nach Vermittlung, Tätigkeit als Leiharbeitnehmer oder Qualifizierung erwartet. Für den 01.01.2013 war dieser Zustand auch bereits eingetreten, wie oben unter II. 1. a) aa) (1) ausgeführt. Erst ab dem 02.01.2013 wurde die Abordnung wirksam. Diese ist jedoch nicht gleichwertig zur vorhergehenden Tätigkeit, da jederzeit die Beendigung droht. Die Rechte des Arbeitnehmers sind eingeschränkt, da bei Beendigung der Abordnung regelmäßig nicht von Bedeutung ist, dass der Arbeitnehmer bislang berechtigterweise annehmen und sich darauf einrichten durfte, die bisherige Stelle auch weiterhin auszufüllen. Eine Versetzung in das M.E.C. berührt somit den inhaltlichen Kernbereich des Arbeitsverhältnisses. Dies wird auch nicht vom Kläger in Abrede gestellt. Soweit der Kläger erstinstanzlich ausgeführt hat, konkrete spürbare Änderungen bezüglich seiner Tätigkeit seien noch nicht eingetreten, bezieht sich dies nur auf die Tätigkeit als solche. Im gleichen Satz erwähnt der Kläger, dass die Versetzung "in abstrakter Hinsicht" bereits vorgenommen wurde. Zudem hat der Kläger später ausgeführt, bereits durch die Versetzung erkläre der Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer nunmehr den Pflichten des Tarifvertrages Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau unterliege. Damit ist nicht unstreitig gestellt, die Zuordnung habe noch nichts verändert. Zudem waren Änderungen der Tätigkeit allein deshalb nicht zu spüren, weil es neben der Versetzung die Abordnung auf den alten Arbeitsplatz zurück gegeben hat. Neben der Abordnung liegt aber, wie ausgeführt, eine gravierende Änderung vor, da eine Beschäftigung mit seiner bisherigen oder zumindest seinen Fähigkeiten entsprechenden Tätigkeit im M.E.C. nicht notwendig vorgesehen ist. Die Abordnung unterliegt zudem nach Nr. 5.3.2 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau dem Vorbehalt, dass dadurch die Chancen auf eine Qualifizierung und Vermittlung auf einen externen Arbeitsplatz nicht nachhaltig beeinträchtigt werden. Die Tätigkeit im M.E.C. kann sich auch allein auf Qualifizierung, Leiharbeit und Vermittlung beschränken.
201Selbst wenn man mit der Beklagten die Versetzung als innenorganisatorische Maßnahme begreifen würde, wäre sie wegen der zwangsläufigen Folgen gleichfalls überprüfbar. Die Zuordnung des Beschäftigten zu einer bestimmten Arbeitnehmergruppe, die "Versetzung” von der bisherigen Tätigkeit zur neu geschaffenen Organisationseinheit und die daraus etwaige weitere resultierende Versetzung zu einer neuen Tätigkeit sind regelmäßig als einheitlicher Gesamtvorgang zu werten (BAG v. 13.03.2007, 9 AZR 362/06, juris; BVerwG v. 02.08.2005, 6 P 11.04, ZBR 2006, 49).
202cc)
203Das so verstandene Versetzungsrecht überschreitet den gesetzlichen Rahmen. Ein Arbeitnehmer kann durch Tarifvertrag nicht verpflichtet werden, aktiv die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zu betreiben, Vorbereitungshandlungen hierzu zu ergreifen und den Gegenstand der Tätigkeit dauerhaft in ein Leiharbeitsverhältnis umzugestalten.
204(1)
205Nr. 5.2 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau verstößt schon deswegen gegen § 2 KSchG, weil eine eigentliche Beschäftigung des Arbeitnehmers mit seiner bisherigen Tätigkeit oder einer anderen, vergleichbaren und zumutbaren Tätigkeit nicht notwendigerweise vorgesehen ist.
206Wie ausgeführt, hat die Abordnung auf den bisherigen Arbeitsplatz außer Betracht zu bleiben. Die Abordnung ist bereits eine Anwendung der Regelungen des Tarifvertrags Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau, die jederzeit enden kann und zudem erst einen Tag nach Wirksamwerden der Versetzung begann. Im Übrigen fehlen Regelungen in Abschnitt 5 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau, die eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers vorsehen.
207Auch die Beschäftigung als solche gehört zu den Hauptpflichten im Arbeitsverhältnis (BAG v. 10.11.1955, 2 AZR 591/54; AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 2; BAG (GS) v. 27.02.1985, GS 1/84, AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14; ErfK/Preis, 13. Aufl., BGB § 611 Rn. 563; HWK/Thüsing, 5. Aufl., BGB § 611 Rn. 169). Erstreckt sich der Inhaltsschutz des § 2 KSchG auch auf die ausgeübte Tätigkeit im Sinne ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten "Wertigkeit" (so: BAG v. 24.04.1996, 4 AZR 976/94, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 49), muss dies erst recht für die ausgeübte Tätigkeit "an sich" gelten (LAG Brandenburg v. 30.06.2005, 9 Sa 79/05, juris).
208Die Grenze der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien liegt dort, wo die tarifliche Regelung nicht mehr als Konkretisierung der den Kündigungsschutzbestimmungen zugrunde liegenden Wertung angesehen werden kann. Grundsätzlich kommt den Tarifvertragsparteien in diesem Zusammenhang ein größerer Gestaltungsspielraum zu als den Arbeitsvertragsparteien (KR/Rost, 10. Aufl., § 2 KSchG, Rn. 54 c). Ihnen gebührt eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen, mittels derer sie in die Lage versetzt werden, die jeweiligen kündigungsschutzrechtlichen Wertvorstellungen zu konkretisieren und einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Arbeitnehmers an einem unveränderten Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses und dem Interesse des Arbeitgebers an einer flexiblen Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu finden (BAG v. 23.09.2004, 6 AZR 442/03, juris).
209An einem angemessenen Interessenausgleich fehlt es danach beispielsweise, wenn tarifliche Regelungen dem Arbeitgeber ohne jede Vorgabe Einschränkungen bis hin zur Suspendierung des Arbeitsverhältnisses gestatten (BAG v. 27.01.1994, 6 AZR 541/93, BAGE 75, 327). In den kündigungsschutzrechtlich gesicherten Kernbereich des Arbeitsverhältnisses darf aufgrund einer tariflichen Regelung nicht eingegriffen werden (BAG v. 16.12.2004, 6 AZR 658/03, ZTR 2005, 424).
210Dagegen ist eine tarifliche Leistungsbestimmungsregelung mit kündigungsschutzrechtlichen Wertvorstellungen grundsätzlich vereinbar, wenn sie nach Anlass und Umfang gerichtlich kontrollierbare Voraussetzungen definiert, die den Arbeitgeber zu einseitigen Eingriffen in das Arbeitsverhältnis berechtigen (BAG v. 16.12.2004, 6 AZR 658/03, ZTR 2005, 424). In diesem Sinne sind tarifliche Regelungen für zulässig erachtet worden, die den Arbeitgeber in einem tariflich vorgegebenen Rahmen zur Kürzung der Arbeitszeit (BAG v. 26.06.1985, 4 AZR 585/83, BAGE 49, 125) oder zur Übertragung einer anderen, niedriger zu vergütenden Tätigkeit (BAG v. 22.05.1985, 4 AZR 88/84, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bundesbahn Nr. 6) berechtigen. Dies ist aber nur zulässig, wenn die Maßnahme einen vorübergehenden Charakter hat. Das Bundesarbeitsgericht hat insoweit eine Zeitspanne von neun Monaten als noch mit § 2 KSchG vereinbar gebilligt (BAG v. 16.12.2004, 6 AZR 658/03, juris, zu II. 2. b. bb. (2) der Gründe).
211Die nach dem Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau vorgesehene unbefristete Zuordnung zum M.E.C. umfasst einen beschäftigungslosen Zustand. Dies gilt, wenn die Arbeitsleistung gar nicht in Anspruch genommen wird, was nach dem Wortlaut durchaus möglich ist. Der Tarifvertrag sieht auch nicht zwingend vor, dass der Arbeitnehmer, sofern gerade keine Qualifizierungsmaßnahme, Abordnung, Verleihung oder Vermittlung erfolgt, tatsächlich beschäftigt wird.
212Nr. 5.2 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau sieht - für sich genommen - die bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Jahr 2018 andauernde Zuordnung zum M.E.C vor. Damit handelt es sich um eine dauerhafte Maßnahme, die - allein nach den Regelungen des Tarifvertrags - nichts mehr mit der eigentlichen Arbeitspflicht zu tun hat. Demgegenüber verlangt das Bundesarbeitsgericht explizit, dass sichergestellt sein muss, dass der Inhalt des bestehenden Arbeitsvertrages auf Dauer unverändert bleibt (BAG v. 16.12.2004, 6 AZR 658/03, juris).
213Bereits deshalb wird die Zulässigkeit einer tarifvertraglichen Gestaltung überschritten. Dauerhaft, im Extremfall bis zum Auslaufen des Kündigungsschutzes am 30.06.2018, ist ein beschäftigungsloser Zustand möglich. Ein Anspruch auf eine Abordnung und damit eine vertragsgemäße Beschäftigung besteht gerade nicht.
214(2)
215Selbst wenn man die soeben unter (1) angesprochenen Aspekte mangels konkreter Anhaltspunkte, dass tatsächlich bereits Arbeitnehmer dauerhaft beschäftigungslos sind, für vernachlässigbar hält, ist die Grenze tariflichen Gestaltungsrechts gleichwohl überschritten.
216(a)
217Eine wesentliche und dauerhafte Modifikation liegt unabhängig von einer Beschäftigung bereits dann vor, wenn dem Arbeitnehmer die Verpflichtung auferlegt wird, sich nur noch Qualifizierungsmaßnahmen zu unterziehen (LAG Brandenburg v. 30.06.2005, 9 Sa 79/05, juris) oder als Leiharbeitnehmer tätig zu werden (LAG Köln v. 03.05.2006, 7 (5) Sa 1584/05, juris).
218Wie ausgeführt, besteht eine solche Verpflichtung aufgrund der Nr. 5.3.4 (Arbeitnehmerüberlassung) und Nr. 5.3.5 (Qualifizierung) Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau.
219(b)
220Die Grenze tariflichen Gestaltungsrechts wird zudem dadurch überschritten, dass die gesamten Regelungen des M.E.C in Nr. 5.3 und Nr. 5.7 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau den Zweck verfolgen, dass schnellstmögliche Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis zu erreichen (s. o.). Hierbei handelt es sich um eine derart weitgehende Überschreitung des den Tarifvertragsparteien gewährten Spielraums, dass dieser Aspekt für sich allein, erst Recht aber auch neben den soeben genannten Gründen, sowie auch bei einer Gesamtschau aller Regelungen des M.E.C., dazu führt, dass die Versetzungsmöglichkeit in das M.E.C. nichtig ist.
221Eine wesentliche Änderung, die unzulässig ist, liegt auch vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer per Direktionsrecht verpflichten kann, an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitzuwirken (LAG Düsseldorf v. 21.12.2006, 13 Sa 863/05, juris; LAG Brandenburg v. 30.06.2005, 9 Sa 79/05, juris).
222Wie ausgeführt, besteht eine solche Verpflichtung aufgrund der Nr. 5.3.3 (Vermittlung auf externe Arbeitsplätze) Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau, die zudem weitgehenden Sanktionen in Nr. 5.7 desselben Tarifvertrages unterworfen ist.
223Für die Beurteilung der Maßnahme kommt es damit nicht entscheidend darauf an, ob durch die Versetzung bereits die (Beendigungs-)kündigungsschutzrechtliche Stellung des Arbeitnehmers berührt ist, wie das Arbeitsgericht angenommen hat und was seitens der Beklagten, jedenfalls unter dem Gesichtspunkt einer unmittelbar drohenden Gefahr, in Abrede gestellt wird. Zu berücksichtigen ist, dass der Arbeitgeber im Gegenzug auf eine betriebsbedingte Kündigung bis zum 30.06.2018 verzichtet. Diesem Verzicht kommt aber keine ausschlaggebende Bedeutung zu, da der Verzicht gemäß Nr. 5.7 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau in dem Moment endet, in dem der Arbeitnehmer sich wiederholt weigert, "freiwillig" eine nachgewiesene Beschäftigungsmöglichkeit bei einem externen Arbeitgeber anzutreten. Damit ist der Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen nachhaltig entwertet, es gibt gerade keine Garantie, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 30.06.2018 nicht aus Gründen beendet wird, die aus der betrieblichen Sphäre stammen. Auch die flankierenden Maßnahmen, insbesondere die Entgeltsicherung in Nr. 5.5 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau und das begrenzte Rückkehrrecht in Nr. 5.6 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau können die Auswirkungen nur mildern. Sie führen jedoch zu keinem qualitativ ausschlaggebenden Unterschied, da auch diese Maßnahmen nichts daran ändern, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbst herbeizuführen.
224Dem kann aus kündigungsschutzrechtlicher Sicht nicht entgegengehalten werden, dass für eine Versetzung in das M.E.C. nur Arbeitnehmer in Betracht kommen, deren bisheriger Arbeitsplatz betriebsbedingt wegfallen wird, und dass andererseits diese Arbeitnehmer nur erst dann ihren Arbeitsplatz verlieren, wenn ihnen ein nach den Kriterien des Tarifvertrags Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau zumutbarer Arbeitsplatz angeboten werden kann. Das Kündigungsschutzgesetz schützt nicht nur vor der Beendigung oder Änderung des Arbeitsvertrages an sich, sondern auch davor, dass die Beendigung oder Änderung zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem sie noch nicht erforderlich ist. Die betriebsbedingte Kündigung erfordert gerade, dass der Arbeitnehmer ab dem Auslaufen der einzuhaltenden Kündigungsfrist entbehrlich ist (BAG v. 11.03.1998, 2 AZR 414/97, juris; BAG v. 19.06.1991, 2 AZR 127/91, juris; HWK/Quecke, 5. Aufl., KSchG § 1 Rn. 289). Ein tarifvertraglicher Eingriff in den Beschäftigungsinhaltsschutz durch eine Suspendierungsklausel ist dann mit den kündigungsschutzrechtlichen Wertungen vereinbar, wenn er von Voraussetzungen abhängt, welche der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten (Änderungs-)Kündigung im Sinne von §§ 1, 2 KSchG zumindest "nahe kommen" (BAG v. 27.02.2002, 9 AZR 562/00, AP TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk Nr. 36, zu B. II. 4. c. der Gründe; LAG Brandenburg v. 30.06.2005, 9 Sa 79/05, juris). Auch bei einem Beschäftigungssicherungskonzept sind die Tarifvertragsparteien an den gesetzlich festgelegten Kündigungsschutzmindeststandard gebunden. In dessen Rahmen ist es vorstellbar, dass einer nach dem Einstellungsdatum abgegrenzten Gruppe von Beschäftigten zeitlich befristet Verschlechterungen der tariflichen Arbeitsbedingungen zugemutet werden. Entscheidend für die Wirksamkeit einer so weitgehenden Regelung ist aber, dass nach Einschätzung der Tarifvertragsparteien sonst betriebsbedingte Kündigungen drohen, die zahlenmäßig der betroffenen Gruppe entsprechen und im Rahmen der sozialen Auswahl vorrangig diese treffen würden (BAG v. 25.06.2003, 4 AZR 405/02, AP TVG § 1 Beschäftigungssicherung Nr. 1). Soweit in der Vergangenheit abweichend von der hier vertretenen Ansicht vertreten wurde, dass die Zuordnung zu einer Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit für sich genommen rechtmäßig ist, wurde dies ebenfalls auf das zentrale Argument gestützt, dass der Arbeitsplatz des Klägers ohnehin weggefallen ist (LAG Brandenburg v. 03.05.2005, 2 Sa 702/04, juris).
225Die Beklagte hat nichts dazu vorgetragen, dass die Auswahl der in das M.E.C. versetzten Arbeitnehmer einer Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG standhalten würde, ggf. jedenfalls - wegen der Namensliste - nicht grob fehlerhaft wäre, wenn der beschränkte Prüfungsmaßstab bei einer Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG für die ausgesprochenen Versetzungen überhaupt anzuwenden wäre. Demnach kann auch nicht festgestellt werden, dass ohne den Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau eine Änderungskündigung gemäß § 2 KSchG oder sogar eine Beendigungskündigung gemäß § 1 KSchG zum gleichen oder vergleichbaren Zeitpunkt hätte ausgesprochen werden können. Nur dann könnte die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein "Qualifzierungs-/ Vermittlungs-/Verleihverhältnis" als milderes Mittel sozial gerechtfertigt sein und damit auch innerhalb der Bandbreite des tarifvertraglichen Regelungsspielraums liegen. Hierzu fehlt detaillierter Vortrag. Auf den Umstand, dass der Beschäftigungsbedarf im Bergwerk X. mit dessen Schließung entfallen ist oder entfallen wird, kommt es nicht maßgebend an, da unstreitig dort zumindest vorübergehend eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht. Dies ergibt sich bereits aus der Abordnung des Klägers. Sollte diese Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nur für ca. ein Jahr bestehen, wie die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung angesprochen hat, käme allenfalls zu diesem Zeitpunkt eine betriebsbedingte Änderungskündigung und ggf. als mildere Maßnahme eine Versetzung in Betracht, bei der aber auch etwaige Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen und ggf. die Grundsätze der Sozialauswahl zu beachten wären. Zu einem vorherigen Termin kommt aber eine betriebsbedingte Kündigung nicht in Betracht, so dass jedenfalls die Versetzung bereits zum 01.01.2013 nicht unter diesem Blickwinkel gerechtfertigt sein kann.
226Die Kammer übersieht ebenso wie das Arbeitsgericht Wesel und das Arbeitsgericht Gelsenkirchen, auf dessen Urteil vom 09.04.2013, 3 Ca 1870/12, das Arbeitsgericht Bezug genommen hat, nicht, dass der Tarifvertrag den im Rahmen der Stilllegung entstehenden bzw. bereits jetzt absehbaren Personalüberhang gegen an sich notwendige betriebsbedingte Beendigungskündigungen schützen und eine geordnete Stilllegung des deutschen Steinkohlenbergbaus ermöglichen soll, die den Interessen der Arbeitnehmer an einem höchstmöglichen Bestandsschutz ihrer Arbeitsverhältnisse Rechnung trägt (vgl. Nr. 1.2 des Tarifvertrages). Es mag für viele Arbeitnehmer, die von einem betriebsbedingten Arbeitsplatzverlust betroffen sind, einen erheblichen Vorteil darstellen, wenn sich ihr Arbeitgeber und die Gewerkschaft darauf einigen, dass der Übergang möglichst gleitend gestaltet wird und dem Arbeitnehmer neben einer weitgehenden Entgeltsicherung sogar Qualifizierungsmaßnahmen über einen längeren Zeitraum zur Verfügung gestellt werden.
227Die Beklagte führt selber aus, sie habe mit dem Tarifvertrag die einfache Logik des deutschen Kündigungsschutzrechts vermeiden wollen, dass mit Stilllegung des ersten Betriebs alle dort tätigen Arbeitnehmer entlassen werden, mit Stilllegung des zweiten Betriebs alle dort tätigen usw. und der berühmte "letzte Mann" "das Licht ausmacht". Dieses Interesse der Beklagten wird seitens des Gerichts anerkannt. Der von der Beklagten gewählte Weg erscheint als eine sinnvolle und ausgewogene Maßnahme. Wie die Tarifvertragsparteien aber selbst in die Präambel des Tarifvertrages geschrieben haben, verlangt diese Maßnahme eine maximale kollektive Solidarität zwischen den Arbeitnehmern.
228Wie ausgeführt, ist jedoch diese Solidarität nicht erzwingbar und demgemäß die zwangsweise Durchführung dieser Maßnahmen nicht möglich. Schätzt ein Arbeitnehmer seine eigene Stellung am Arbeitsmarkt als günstig ein, so mag für ihn die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung allgemeiner kündigungsschutzrechtlicher Vorschriften am besten sein. Es ist aber nicht auszuschließen, dass im Einzelfall ein Mitarbeiter von einer Versetzung in das M.E.C. betroffen ist, der aufgrund seiner persönlichen und sozialen Stellung noch wesentlich länger an seinem Arbeitsplatz hätte arbeiten können, und der z. B. von einem APG-Berechtigten bis zur Beendigung der Arbeitsaufgabe ersetzt wird. Ein solcher Mitarbeiter muss die zwangsweise und einseitige Versetzung in das M.E.C. nicht hinnehmen. Auch wenn die arbeitsrechtliche Maßnahme der Versetzung von einer anerkennenswerten Motivation begleitet ist, so greift diese tief in den inhaltlichen Kernbestand des Arbeitsvertragsverhältnisses ein.
229(3)
230Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Abordnung vom 10.12.2012 so zu verstehen wäre, dass die an sich mit der Versetzung in das M.E.C. nach Nr. 5.3 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau geltenden Rechte und Pflichten nicht gelten sollten. Genau dies hat die Beklagte aber selbst nicht erklärt. Vielmehr hat sie im Abordnungsschreiben ausdrücklich das Gegenteil formuliert und den Kläger darauf hingewiesen, dass er weiterhin Mitarbeiter des M.E.C. bleibt. Deutlicher kann man nicht ausdrücken, dass keinesfalls eine Rückgängigmachung der Versetzung geplant war. Dieser zentrale Aspekt findet nach Auffassung der Kammer in der Argumentation der Berufungsbegründung zu wenig Beachtung. Dort fußt die Begründung auf der Annahme, es sei lediglich eine Zuordnungsmaßnahme zu beurteilen, da es aufgrund des Abordnungsschreibens noch zu keinen nachteiligen Auswirkungen gekommen ist. Genau diesem Argument kann wie ausgeführt nicht gefolgt werden. Bei den Schreiben vom 12.11.2012 und 10.12.2012 handelt es sich um getrennte Maßnahmen, die auch getrennt zu beurteilen sind. In Frage steht vorliegend allein die Versetzung gemäß Schreiben vom 12.11.2012. Allein hierauf bezieht sich der Feststellungsantrag, wenn auch nicht zu verkennen ist, dass bei fehlender wirksamer Versetzung in das M.E.C auch eine Abordnung aus diesem heraus keine Wirkung haben dürfte.
231Weder Nr. 5.2 des Tarifvertrags Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau noch dem Schreiben vom 12.11.2012 kann zudem entnommen werden, dass die Beklagte eine Maßnahme beabsichtigte, die die bisherige Tätigkeit unberührt ließ. Wäre dieses Ziel verfolgt worden, ist nicht erklärlich, warum es überhaupt einer Abordnung vom 10.12.2012 an den alten Arbeitsplatz bedurft hätte. Hätte sich der Arbeitnehmer noch gar nicht von seinem Arbeitsplatz entfernt, und wäre nur zusätzlich organisatorisch einem fiktiven Betrieb zugeordnet worden, hätte es hinsichtlich der bisherigen Tätigkeit keiner Abordnung bedurft. Zudem wäre nicht erklärlich, warum in der Betriebsratsbeteiligung zur Versetzung ohne nähere Erläuterung von "abgebenden" Betrieb gesprochen wurde. Bereits deshalb steht fest, dass eine Änderung der Art der Tätigkeit, nämlich zumindest die zusätzliche Verpflichtung, an der eigenen Vermittlung auf externe Arbeitsplätze mitzuwirken, vorlag. Der Umstand, welche Bedeutung es hat, wenn tatsächlich Arbeitnehmer zum 31.01.2012 von der Sozialversicherung abgemeldet wurden und erst zum 02.01.2013 neu angemeldet wurden, war deshalb nicht mehr in entscheidungserheblicher Weise relevant. Sofern hierfür keine nachvollziehbare Erklärung bestehen sollte, spräche auch dieser Punkt dafür, dass die Beklagte entgegen dem Vortrag in der Berufungsbegründung eine tatsächliche Veränderung und nicht nur eine innerorganisatorische Zuordnung gewollt hat.
232Der Vermittlungszweck ist auch entscheidend. Selbst wenn man davon ausgeht, dass mit dem M.E.C. weiter der Zweck eines optimalen Arbeitnehmereinsatzes während der Abwicklung sowie eine Qualifizierung als solches gewollt war, ist nicht zu verkennen, dass allein der Vermittlungs- und Verleihzweck den Aufwand rechtfertigen könnten, das M.E.C. als eigene Einheit, denen die Arbeitnehmer zuzuordnen sind, zu installieren. Die Abwicklung des Bergbaus als solche und etwaige notwendige Verschiebungen hätten sich bereits aufgrund der arbeitsvertraglichen Versetzungsklauseln realisieren lassen können. Konkrete Regelungen, die diesen Zweck unterstützen, finden sich kaum. Die Regelung zur Abordnung ist wie ausgeführt unter den Vorbehalt gestellt worden, dass Qualifizierungsmaßnahmen vorgehen. Letztere für sich genommen hätte der Arbeitgeber auch ohne Errichtung eines Centers, ohne Interessenausgleich mit Namensliste und ohne Beteiligung der Betriebsräte entsprechend der Vorschrift des § 99 BetrVG anbieten können. Aus allem wird deutlich, dass die Bildung einer eigenen Einheit, der die Arbeitnehmer - ausschließlich - angehören, gerade aufgrund der dort bestehenden im Verhältnis zum Normalarbeitsverhältnis deutlich erweiterten Pflichten als sinnvoll erscheint.
233dd)
234Aus diesen Gründen kann bereits dem Prüfungsansatz des Arbeitsgerichts I. nicht gefolgt werden. Das Arbeitsgericht I. hat seiner Entscheidung im Urteil vom 19.06.2013, 5 Ca 25/13, unter II 1. c) zugrunde gelegt, dass zwischen den Parteien "unstreitig sei, dass die Versetzung selbst noch zu keiner Änderung der Arbeitsumstände und Arbeitsbedingungen führt, sondern lediglich die organisatorische Einordnung des Arbeitnehmers in den Verwaltungsapparat der Beklagten betrifft." Im vorliegenden Rechtsstreit ist diese Frage nicht unstreitig, sondern streitig und wie ausgeführt im Sinne des Klägers zu entscheiden.
235Die Kammer vermag insoweit keinen Zirkelschluss zu erkennen. Dieser soll darin bestehen, dass eine Regelung, die infolge unterstellter Nichtigkeit keinerlei Rechtsfolgen entfaltet, nicht gleichzeitig den Charakter einer anderen Tarifnorm prägen kann. Diese Schlussfolgerung unterscheidet nicht hinreichend zwischen den Auswirkungen unwirksamer Tarifnormen. Die Aussage macht nur dann Sinn, wenn in jedem Fall der übrige Tarifvertrag wirksam bliebe, wenn nur eine einzelne Bestimmung nichtig ist. Das ist aber gerade nicht der Fall. Der vom Arbeitsgericht I. herangezogene § 139 BGB ist gerade bei der Beurteilung von Tarifverträgen nicht anwendbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bleibt die Nichtigkeit einzelner Tarifnormen nur regelmäßig auf die zu beanstandenden Regelungen beschränkt. § 139 BGB ist danach nicht auf Tarifverträge anzuwenden. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Tarifvertrag ohne die unwirksame Bestimmung noch eine sinnvolle in sich geschlossene Regelung enthält. Ausnahmsweise kann die Nichtigkeit einzelner Tarifvorschriften auch die Nichtigkeit des gesamten Tarifvertrags bedeuten (vgl. z. B. BAG v. 04.05.2010, 9 AZR 181/09, juris; BAG v. 12.12.2007, 4 AZR 996/06, Rn. 21 mwN, BAGE 125, 169).
236Die Verknüpfung zwischen der Versetzung in Nr. 5.2 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau und den Maßnahmen nach Nr. 5.3 Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau ist nicht "willkürlich", sondern ergibt sich aus dem Tarifvertrag. Bestünde Einigkeit, dass die Vermittlung oder Verleihung in externe Arbeitsverhältnisse nichtig ist, stellt sich die Frage, warum eine Versetzung überhaupt erfolgen soll. Wie ausgeführt, ist die weiter vorgesehene Qualifizierung kein Selbstzweck, sondern dient der Vorbereitung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wie sich aus der Präambel ergibt, die das Wort "Qualifizierung" noch nicht einmal erwähnt.
237Ohne die Bestimmungen zur Vermittlung oder Verleihung in externe Arbeitsplätze wäre der Tarifvertrag wie ausgeführt in Bezug auf das M.E.C. weitgehend sinnlos. Das in dem Gesamtinteressenausgleich wiedergegebene Ziel, schnellstmöglich das Ausscheiden der nicht APG-berechtigten Arbeitnehmer herbeizuführen, könnte nicht erreicht werden. Ein Bedürfnis, in naher Zukunft ausscheidende Arbeitnehmer noch umfangreich weiter zu qualifizieren, ist für die Beklagte nicht erkennbar. Die Abwicklung des laufenden Betriebs könnte die Beklagte schon dadurch sicherstellen, dass die Arbeitnehmer entsprechend dem im Arbeitsvertrag vereinbarten Versetzungsvorbehalt auch in anderen Betrieben eingesetzt werden dürfen.
238c)
239Die Versetzung ist auch nicht nach § 106 Satz 1 GewO gerechtfertigt. Wie ausgeführt, besteht danach ein Versetzungsrecht nur, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Gesetz festgelegt sind. Weder der Arbeitsvertrag, der Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlenbergbau noch § 2 KSchG erlauben jedoch die Versetzung in eine Abordnungs-, Qualifizierungs-, Verleihungs- und Vermittlungseinheit, zu deren Zielen jedenfalls auch das Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis gehört, ohne dass gleichzeitig hierfür betriebsbedingte Gründe vorliegen.
240d)
241Die Versetzung ist auch nicht als rein innenorganisatorische Maßnahme, die keiner besonderen rechtlichen Grundlage bedürfte, gerechtfertigt.
242Eine bloße Zuordnungsentscheidung wäre gerichtlich nicht isoliert anfechtbar (BAG v. 13.03.2007, 9 AZR 362/06, juris; BAG v. 27.10.2005, 6 AZR 123/05, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 90).
243Wie ausgeführt, liegt eine rein innenorganisatorische Maßnahme nicht vor. Vielmehr hat sich die Art der Tätigkeit geändert. Damit verbleibt es bei den allgemeinen Regelungen. Danach folgt hier aus dem Gesetz, nämlich § 2 KSchG, dass die Versetzung nicht zulässig ist. Hiervon konnten die Parteien weder im Arbeitsvertrag noch wie ausgeführt im Tarifvertrag abweichen.
2443.
245Der Hilfsantrag ist nicht zur Entscheidung angefallen, da der Hauptantrag begründet ist.
246III.
247Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
248IV.
249Die Revision ist zuzulassen.
250Gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG ist die Revision zuzulassen, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat.
251Die Entscheidung hängt maßgeblich von der klärungsfähigen Rechtsfrage ab, ob eine Versetzung in einen Vermittlungs- und Qualifizierungsbetrieb mit dem Ziel der schnellstmöglichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch von der in Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Befugnis der Tarifvertragsparteien gedeckt ist oder gegen § 2 KSchG verstößt. Diese Frage ist klärungsbedürftig, da sie bislang vom Bundesarbeitsgericht offen gelassen worden ist (vgl. BAG v. 12.12.2006, 9 AZR 747/06, juris; BAG v. 19.11.2002, 3 AZR 591/01, juris). Die Bedeutung der Rechtsfrage ist von allgemeiner und damit grundsätzlicher Bedeutung, da sie tatsächliche Auswirkungen für einen größeren Teil der Allgemeinheit hat. Von der Regelung waren zunächst 1.306 Beschäftigte betroffen, von denen ein erheblicher Teil weiterhin bei der Beklagten tätig ist.
252R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
253Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
254R E V I S I O N
255eingelegt werden.
256Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
257Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
258Bundesarbeitsgericht
259Hugo-Preuß-Platz 1
26099084 Erfurt
261Fax: 0361-2636 2000
262eingelegt werden.
263Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
264Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
2651.Rechtsanwälte,
2662.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
2673.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
268In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
269Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
270Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
271* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
272Hagen Löcherer Franken
Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 22. Okt. 2013 - 16 Sa 622/13
Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 22. Okt. 2013 - 16 Sa 622/13
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Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 22. Okt. 2013 - 16 Sa 622/13 zitiert oder wird zitiert von 67 Urteil(en).
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 79 Abs. 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn
- 1.
die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde, - 2.
die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde, - 3.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch die Nichtberücksichtigung eines gleich geeigneten befristet Beschäftigten, - 4.
der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist, - 5.
eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder - 6.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.
(3) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.
(4) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.
Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
Tenor
-
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 4. November 2009 - 2 Sa 44/09 - aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten darüber, nach welchen Versorgungsbestimmungen sich die Anwartschaften der Klägerin auf betriebliche Altersversorgung richten.
- 2
-
Die am 14. Februar 1957 geborene Klägerin wurde zum 1. September 1972 bei der A-T GmbH als technische Zeichnerin eingestellt. Infolge mehrerer Betriebsübergänge bestand das Arbeitsverhältnis zuletzt mit der Beklagten und wurde zum 31. März 2009 beendet.
-
Zunächst hatten auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin die Bestimmungen für die Ruhegeldeinrichtung der A-T GmbH, ab 1. Juni 1981 durch die Betriebsvereinbarung „Versorgungsbestimmungen der A-T AG“ abgelöst, Anwendung gefunden. Mit Wirkung zum 1. Januar 1984 trat an deren Stelle aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Übernahme durch die A GmbH die Gesamtbetriebsvereinbarung „Versorgungsbestimmungen der A GmbH“ vom 30. Dezember 1983 (im Folgenden: GBV A 1983). Diese enthält auszugsweise folgende Regelungen:
-
„§ 2
Versorgungsleistungen
(1)
Versorgungsleistungen sind Ruhegelder, Witwengelder und Waisengelder.
…
§ 5
Ruhegeld
(1)
Ruhegeld wird gewährt, wenn der Mitarbeiter nach Erfüllung der Wartezeit aus den Diensten von A ausscheidet und entweder das 65. Lebensjahr vollendet hat oder Sozialversicherungsrente in Anspruch nimmt.
(2)
Ruhegeld kann ferner gewährt werden, wenn die Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit durch ein betriebsärztliches Gutachten festgestellt worden ist.
(3)
Ruhegeld kann auch dann gewährt werden, wenn ein Mitarbeiter nach Vollendung des 55. Lebensjahres und nachdem er sein 25jähriges Dienstjubiläum begangen hat, aus Gründen entlassen wird, die nicht in seiner Person liegen.
…
§ 7
Höhe des Ruhegeldes
(1)
Die Höhe des Ruhegeldes bestimmt sich nach den Dienstjahren und der Pensionsgruppe (PG), der der Mitarbeiter in den letzten drei Kalenderjahren vor dem Eintritt in den Ruhestand oder vor dem Ausscheiden aus den Diensten von A überwiegend angehört hat. Für Mitarbeiter, die drei Pensionsgruppen in den letzten drei Kalenderjahren angehört haben, gilt die mittlere Pensionsgruppe.
(2)
Die Pensionsgruppe bestimmt sich nach dem ruhegeldberechtigten Einkommen des Mitarbeiters (§ 9).
(3)
Die den Pensionsgruppen zugrunde liegenden Einkommensbänder ergeben sich aus der Anlage 1.
(4)
Die Geschäftsführung wird jährlich im Einvernehmen mit dem Gesamtbetriebsrat die Einkommensbänder fortschreiben. Dabei soll die Tarifentwicklung im Bundesgebiet und die generelle AT-Einkommensentwicklung berücksichtigt werden.
(5)
Das Ruhegeld setzt sich aus einem Grundbetrag (GB) für die ersten 10 Dienstjahre und Steigerungsbeträgen (StB) für die folgenden Dienstjahre zusammen. Die Höhe der Grund- und Steigerungsbeträge ergibt sich ebenfalls aus Anlage 1.
(6)
Die Steigerungsbeträge werden für maximal 30 Dienstjahre gewährt.
…
§ 10
Höchstbetrag der Gesamtversorgung
(1)
Ruhegeld und Sozialversicherungsrente (Gesamtversorgung) dürfen 90 % des höchsten Nettoeinkommens in einem der drei letzten Kalenderjahre vor Eintritt in den Ruhestand nicht überschreiten. Den Sozialversicherungsrenten gleichgestellt sind Versorgungsleistungen anderer Unternehmen und Versorgungsbezüge des öffentlichen Dienstes. Gleichgestellt sind weiterhin Leistungen aus befreienden Lebensversicherungen. Näheres ergibt sich aus Anlage 2.
…“
-
Anlässlich der Verschmelzung der A GmbH und der T GmbH zur B T GmbH vereinbarten die Betriebsparteien unter dem 14. August 1995 die Gesamtbetriebsvereinbarung „Betriebliche Altersversorgung der Mitarbeiter der A GmbH nach Verschmelzung zur B T GmbH“ (im Folgenden: GBV Übergang 1995). Diese enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:
-
„I.
Grundsatz
1.
Mit Wirkung vom 16. August 1995 - Stichtag - gilt für die Mitarbeiter der A GmbH die in der für die B T GmbH gültigen Gesamtbetriebsvereinbarung der T GmbH vom 16.1.1992 für Neueintritte getroffene Regelung - Neuregelung -.
Die Neuregelung ist
•
für Tarifmitarbeiter als Anlage 1 und
•
für außertarifliche Mitarbeiter, die nicht leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG sind, als Anlage 2 (A und B) und 3 (A und B) beigefügt.
2.
Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis ab dem Stichtag beginnt, erhalten im Versorgungsfall Leistungen ausschließlich nach der Neuregelung.
3.
Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis zur A GmbH vor dem Stichtag begonnen hat, die jedoch die Wartezeit nach § 3 Abs. 1 der Versorgungsbestimmungen der A GmbH (10 Jahre) vor dem Stichtag noch nicht erfüllt haben, erhalten im Versorgungsfall Leistungen ausschließlich nach der Neuregelung. Abweichend hiervon erhalten diejenigen Mitarbeiter, bei denen der Versorgungsfall vor Erreichen des 35. Lebensjahres oder innerhalb der nächsten 5 Jahre ab Stichtag eintritt, eine Invaliden bzw. Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe und auf der Grundlage der Versorgungsbestimmungen der A GmbH.
II.
Übergangsregelung
für Mitarbeiter, deren Arbeitsvertrag mit der A GmbH vor dem Stichtag begonnen hat und die nicht unter Ziff. I 3 fallen.
1.
Leistungen nach Maßgabe der Versorgungsbestimmungen der A GmbH erhalten im Versorgungsfall diejenigen Mitarbeiter, bei denen der Versorgungsfall innerhalb der nächsten fünf Jahre ab Stichtag eintritt.
2.
Für die übrigen Mitarbeiter gelten folgende Regelungen zur Feststellung der Höhe der Betriebsrente bei Eintritt des Versorgungsfalles:
2.1
Die Betriebsrente setzt sich zusammen aus:
2.1.1
einer Besitzstandsrente für die Zeit ab Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Stichtag und
2.1.2
einer Zuwachsrente für die Zeit ab dem Stichtag bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bei Eintritt eines vorzeitigen Versorgungsfalles zu dem dann maßgebenden früheren Zeitpunkt.
2.2
Besitzstandsrente
Die Besitzstandsrente wird wie folgt festgestellt:
2.2.1
Nach Maßgabe der bisher geltenden Versorgungsbestimmungen der A GmbH wird die Rente auf das 65. Lebensjahr ermittelt. Als Besitzstandsrente wird zeitanteilig der Teil des so ermittelten Betrages gewährt, der dem Verhältnis der Dienstzeit, die ab dem Eintritt bei A bis zum Stichtag zurückgelegt wurde, zu der möglichen Dienstzeit vom Eintritt bei A bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres entspricht. Bei der Anwendung der Begrenzungsvorschrift des § 10 der bisher geltenden Versorgungsbestimmungen wird die zu berücksichtigende Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem bei der Ermittlung der Pensionsrückstellungen verwendeten Verfahren gem. BMF-Schreiben vom 10.12.1990 (IVB1 - S. 2176 - 61/90) berechnet.
…
2.2.3
Bis zum Eintritt des Versorgungsfalles erhöht sich der gemäß vorstehender Ziff. 2.2.1 errechnete Ausgangsbetrag jeweils zum gleichen Zeitpunkt und im gleichen Verhältnis, wie sich die Rentenanwartschaften der Mitarbeiter nach Ziff. I 2 erhöhen.
2.3
Zuwachsrente
Die Zuwachsrente wird wie folgt errechnet:
2.3.1
Bei Inanspruchnahme der Altersrente oder der vorgezogenen Altersrente wird zunächst der Rentenbetrag nach den Bestimmungen der Neuregelung für die Zeit vom Eintritt bei A bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres ermittelt. Als Zuwachsrente wird zeitanteilig der Teil des so ermittelten Rentenbetrags gewährt, der dem Verhältnis der Dienstzeit, die ab dem Stichtag bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres zurückgelegt werden könnte, zu der möglichen Dienstzeit vom Eintritt bei A bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres entspricht.
…
3.
Zusammensetzung des Rentenbetrages
Im Versorgungsfall setzt sich der Rentenbetrag zusammen
3.1
bei einer Altersrente oder vorgezogenen Altersrente, aus der Besitzstandsrente gemäß Ziff. 2.2 und der Zuwachsrente gemäß Ziff. 2.3.1;
…
III.
Sonstiges
1.
…
2.
Mitarbeiter, die vom Stichtag an mit unverfallbarer Versorgungsanwartschaft gemäß § 1 BetrAVG oder aufgrund eines Versorgungsfalles ausscheiden, erhalten im Versorgungsfall mindestens die Rente, die sie erhalten hätten, wenn sie am Stichtag mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschieden wären.
3.
Diese Regelung gilt für alle ab dem Stichtag eintretenden Versorgungsfälle.
…“
-
Die bei der T GmbH geltende Gesamtbetriebsvereinbarung „Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung T GmbH für Tarifmitarbeiter“ (im Folgenden: GBV T 1992) vom 16. Januar 1992 enthält folgende Bestimmungen:
-
„…
§ 3
Leistungsvoraussetzungen, Wartezeit
1.
Versorgungsleistungen werden gewährt, wenn der Anwärter im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles
1.1
in einem Arbeitsverhältnis zum Unternehmen steht,
1.2
eine nach § 4 rentenfähige Dienstzeit von 5 Jahren (Wartezeit) abgeleistet hat,
…
§ 4
Rentenfähige Dienstzeit
1.
Rentenfähige Dienstzeit ist die Zeit, während der der Anwärter unmittelbar vor dem Versorgungsfall in einem Arbeitsverhältnis zum Unternehmen stand.
…
3.
Als rentenfähig zählen nur Dienstzeiten nach dem vollendeten 30. und bis zum vollendeten 65. Lebensjahr.
…
§ 9
Höhe der Alters- und Invalidenrente
1.
Die monatlichen Alters- und Invalidenrenten setzen sich zusammen aus
1.1
einem Grundbetrag, der für die Erfüllung der Wartezeit gewährt wird, und
1.2
einem Steigerungsbetrag für jedes rentenfähige Dienstjahr nach Erfüllung der Wartezeit (maximal 30 Steigerungsbeträge). Ein angefangenes Dienstjahr zählt als volles Jahr, wenn 6 volle Monate abgeleistet sind.
2.
Die Höhe des Grundbetrages und der Steigerungsbeträge bemißt sich nach der Eingruppierung des Anwärters in eine der Rentengruppen des Versorgungsplans (Anhang 1). Eingruppierungsmaßstab sind die den einzelnen Rentengruppen zugeordneten Einkommensbandbreiten auf Monatsbasis (Anhang 2). Diese werden vom Unternehmen in Anlehnung an die Tarifentwicklung im Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden jährlich neu festgesetzt. Die Zuordnung des Anwärters zu den sich aus den Einkommensbandbreiten ergebenden Rentengruppen richtet sich nach seinem rentenfähigen Arbeitseinkommen auf Monatsbasis im Jahresdurchschnitt (Ziff. 3).
…“
-
Der in § 9 Nr. 2 GBV T 1992 in Bezug genommene Anhang 1 hat folgenden Wortlaut:
-
„ Anhang 1 (zur Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung der T GmbH für Tarifmitarbeiter)
Versorgungsplan
Monatliche Grund- und Steigerungsbeträge
Stand 1. Januar 1996
Rentengruppe
Grundbetrag 1)
Steigerungsbetrag 2)
DM
DM
01
100,09
5,15
02
100,09
5,15
03
100,09
5,15
04
114,60
5,39
05
127,75
5,92
06
135,64
6,84
07
150,16
7,52
08
167,24
8,30
09
214,68
10,94
10
280,52
13,84
11
350,31
17,50
12
435,92
21,58
13
529,42
26,60
1)
Für die Erfüllung der Wartezeit (§ 3 Ziff. 1.2)
2)
Je rentenfähiges Dienstjahr (§ 4 Ziff. 1 bis 3) nach Erfüllung der Wartezeit (max. 30 Steigerungsbeträge)
In den Jahren 1997 bis 1998 werden die jeweiligen Anwartschaften mit Wirkung vom 1. Januar eines jeden Jahres an um jeweils 1,8% erhöht.“
-
Am 18. November 1998 schlossen die B T GmbH und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat die „Betriebsvereinbarung zwischen Geschäftsleitung und Gesamtbetriebsrat der B T GmbH“ (im Folgenden: GBV Kapitalkontenplan 1998). Diese enthält ua. folgende Regelungen:
-
„1.2
Versorgungskonto, Versorgungsbaustein
1.2.1
Das Unternehmen richtet persönliche Versorgungskonten ein, für Beiträge nach Abschnitt 2 ein Basiskonto, für Beiträge nach Abschnitt 3 ein Aufbaukonto.
1.2.2
Jeder Beitrag wird in einen Versorgungsbaustein umgerechnet. Der Versorgungsbaustein ergibt sich durch Multiplikation des Beitrags mit dem Altersfaktor gemäß der folgenden Tabelle:
…
1.3
Versorgungsguthaben, Versorgungsfall, Versorgungsträger
1.3.1
Das Versorgungsguthaben ist der bei Erwerb des Anspruchs nach 1.3.2 bis 1.3.5 (Versorgungsfall) erreichte Stand des Versorgungskontos.
1.3.2
Der Mitarbeiter erwirbt im Erlebensfall auf Antrag Anspruch auf das Versorgungsguthaben,
-
als Altersleistung, wenn das Arbeitsverhältnis mit oder nach Vollendung des 60. Lebensjahres endet und sich kein Arbeitsverhältnis zu einem anderen Unternehmen der B-Gruppe anschließt oder
…
1.4
Einmalkapital, Raten, Rente
Das Unternehmen kann das Versorgungsguthaben als Einmalkapital oder in Raten auszahlen oder das Versorgungsguthaben ganz oder teilweise verrenten. Das Nähere bestimmt eine gesonderte Betriebsvereinbarung (‚Auszahlungsgrundsätze Kapitalkontenplan’) in der im Versorgungsfall gültigen Fassung.
…
2.2
Beitragshöhe
2.2.1
Der jährliche Beitrag beträgt
-
1,5 % der beitragsrelevanten Bezüge (2.2.2) zuzüglich
-
9,0 % des Teils der beitragsrelevanten Bezüge, der die im Zeitpunkt der Bereitstellung des Beitrags geltende Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung übersteigt.
2.2.2
Beitragsrelevant ist der für die Lohnsteuerbescheinigung maßgebende Bruttoarbeitslohn, den der Mitarbeiter im Kalenderjahr der Bereitstellung des Beitrags vom Unternehmen bezogen hat, jedoch ohne Bezügeteile, die den Charakter von Aufwendungsersatz haben …
2.3
Beitragszeit
Die Beitragszeit beginnt am 1. Januar 1999 und endet am 31. Dezember 2006 (Dotierungsrahmen). Das Unternehmen kann gemäß seiner Dotierungsfreiheit in der betrieblichen Altersversorgung jederzeit durch schriftliche Erklärung festlegen, ob und wie die Beitragszeit verlängert und damit der Dotierungsrahmen erhöht wird. Aus einmaligen oder wiederholten Verlängerungen entsteht kein Anspruch auf eine zukünftige Verlängerung.“
-
Ebenfalls am 18. November 1998 schlossen die Betriebsparteien eine Gesamtbetriebsvereinbarung zum Übergang auf den Kapitalkontenplan RBI zum 1. Januar 1999 (im Folgenden: GBV Übergang KKP 1998) ab. Dort ist ua. Folgendes bestimmt:
-
„Unternehmen und Gesamtbetriebsrat vereinbaren hiermit in Ablösung sämtlicher bisheriger Versorgungsregelungen für nach dem 31.12.1998 eintretende Versorgungsfälle von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (nachfolgend: ‚Mitarbeiter’), deren Arbeitsverhältnis vor dem 01.01.1999 begonnen hat, Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der Betriebsvereinbarung vom 18.11.1998 (Kapitalkontenplan RBI) mit folgenden Übergangsbestimmungen:
Übergangsbestimmungen
1
Initialgutschrift
Dem Basiskonto eines Mitarbeiters, dessen Arbeitsverhältnis vor dem 01.01.1999 begonnen hat, wird am 31.12.1998 eine Initialgutschrift gutgeschrieben. Die Initialgutschrift wird nach den Verhältnissen am 31.12.1998 (Stichtag) ermittelt.
2
Höhe der Initialgutschrift
2.1
Die Initialgutschrift beträgt das 150fache der monatlichen Invalidenrente, auf die der Mitarbeiter am Stichtag nach der bis dahin für ihn gültigen Versorgungsregelung (Altregelung) hätte Anspruch erwerben können.
…
3
Garantierente, Garantiekapital
3.1
Sollte bei einer Verrentung der Altersleistung nicht mindestens die Altersrente erreicht werden, auf die der Mitarbeiter nach den Verhältnissen am Stichtag Anwartschaft aus der Altregelung hatte (Garantierente), so wird auf Antrag die Garantierente gewährt. Ziff. 3.4 Auszahlungsgrundsätze Kapitalkontenplan findet auf die Garantierente keine Anwendung.“
- 10
-
Nach einem zwischenzeitlichen Betriebsübergang von der B T GmbH auf die M GmbH ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin aufgrund eines weiteren Betriebsübergangs am 23. Januar 2006 auf die Beklagte über. Das Basiskonto nach der GBV Kapitalkontenplan 1998 wurde bis zum 31. Dezember 2006 mit jährlichen Beiträgen dotiert. Eine Verlängerung der Beitragszeit durch die Beklagte erfolgte nicht.
- 11
-
Nachdem die Klägerin in erster Instanz zunächst noch die Fortführung der Dotierung des Basiskontos nach der GBV Kapitalkontenplan 1998 durchzusetzen versucht hatte, hat sie - nach mehrfachen Klageänderungen - zuletzt in der Berufungsinstanz die Feststellung begehrt, dass sich ihre betriebliche Altersversorgung auch über den 31. Dezember 1998 hinaus nach der GBV T 1992 iVm. der GBV Übergang 1995 richtet.
- 12
-
Sie hat die Auffassung vertreten, dass die in den Betriebsvereinbarungen vom 16. Januar 1992 und vom 14. August 1995 enthaltenen Versorgungsbestimmungen durch die Betriebsvereinbarungen vom 18. November 1998 nicht wirksam abgelöst worden seien. Die Befristungsregelung in der GBV Kapitalkontenplan 1998 sei unwirksam. Es habe ein Vertrauensschutz dahingehend bestanden, dass zeitlich unbegrenzt Beträge in das Versorgungssystem durch den Arbeitgeber geleistet würden. Die Altregelungen hätten zudem auf die Gehaltsentwicklung der Arbeitnehmer abgestellt und somit eine Dynamik festgelegt. Demgegenüber liege der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 18. November 1998 ein Bausteinsystem in Form einer Kapitalabsicherung zugrunde. Dies führe zu einem Eingriff in die erdiente Dynamik.
-
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
-
festzustellen, dass sich die betriebliche Altersversorgung der Klägerin im Betrieb der Beklagten auch über den 31. Dezember 1998 hinaus nach den Versorgungsbestimmungen der Anlage 1 zur Betriebsvereinbarung vom 16. Januar 1992 (Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung der T GmbH für Tarifmitarbeiter) iVm. der Übergangsregelung vom 14. August 1995 zwischen der A GmbH und dem Gesamtbetriebsrat richtet.
- 14
-
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass sich die Umstellung der betrieblichen Altersversorgung für die Klägerin nicht nachteilig ausgewirkt habe. Die Klägerin habe bereits nicht dargelegt, dass sich die Zusage aus der GBV Kapitalkontenplan 1998 als ungünstiger erweise. Nach der GBV T 1992 und der GBV Übergang 1995 könne die Klägerin derzeit einen monatlichen Rentenbetrag iHv. 269,13 Euro beanspruchen. Dieser Rentenbetrag liege unter der ermittelten Garantierente iHv. 282,36 Euro gemäß Nr. 3.1 GBV Übergang KKP 1998. Bei einer Verrentung des Kapitals aus dem Kapitalvorsorgeplan auf Basis der Richttafeln 2005 von K. Heubeck und eines Rechnungszinses von 6 % ergebe sich sogar ein monatlicher Rentenbetrag von 286,22 Euro (Rente ab Alter 60).
- 15
-
Zudem führten die Betriebsvereinbarungen vom 18. November 1998 lediglich zu einem Eingriff in künftige, noch nicht erdiente, dienstzeitabhängige Zuwächse. Hierfür reichten sachlich-proportionale Gründe aus. Solche Gründe lägen vor. Die damalige Arbeitgeberin - die B T GmbH - habe seinerzeit 70 unterschiedliche Versorgungspläne im B-Konzern in einem System der betrieblichen Altersversorgung konzernweit übersichtlicher gestalten und vereinfachen wollen.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin begehrt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
- 17
-
Die Revision der Beklagten ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die zulässige Klage begründet ist, wenn die GBV T 1992 iVm. der GBV Übergang 1995 durch die GBV Kapitalkontenplan 1998 iVm. der GBV Übergang KKP 1998 nicht wirksam abgelöst wurde. Auf Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht entschieden werden, ob dies der Fall ist. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 ZPO) und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung (§ 563 ZPO).
- 18
-
A. Die Klage ist zulässig.
- 19
-
I. Der Feststellungsantrag ist auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 ZPO gerichtet. Zwar können nach § 256 Abs. 1 ZPO nur Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht hingegen bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Eine Feststellungsklage muss sich allerdings nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich vielmehr, wie vorliegend, auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen sowie auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (BAG 10. Februar 2009 - 3 AZR 653/07 - Rn. 12, EzA BetrAVG § 1 Betriebsvereinbarung Nr. 6).
- 20
-
II. Der Feststellungsantrag weist auch das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse auf. Die Beklagte bestreitet, dass sich die Versorgungsleistungen der Klägerin bei Eintritt des Versorgungsfalles nach wie vor nach der GBV T 1992 iVm. der GBV Übergang 1995 berechnen. Dass der Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, ist unerheblich (vgl. BAG 21. April 2009 - 3 AZR 640/07 - Rn. 19, BAGE 130, 202; 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 - zu A III 2 der Gründe, BAGE 79, 236). Der Vorrang der Leistungsklage greift vorliegend schon deshalb nicht ein, weil die streitige Forderung noch nicht fällig ist.
- 21
-
B. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sich ihre Betriebsrentenanwartschaften weiter nach den Versorgungsbestimmungen der Anlage 1 zur GBV T 1992 iVm. der GBV Übergang 1995 richten. Ihre Klage wäre deshalb begründet, wenn diese Regelungen durch die nachfolgenden Betriebsvereinbarungen GBV Kapitalkontenplan 1998 und GBV Übergang KKP 1998 nicht wirksam abgelöst wurden. Dies kann der Senat aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht entscheiden. Es steht weder fest, ob die Voraussetzungen einer Ablösung im Hinblick auf die Höhe der Anwartschaft vorliegen, noch welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben, dass an die Stelle eines Rentenanspruchs eine Kapitalleistung getreten ist. Der Rechtsstreit war deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO).
- 22
-
I. Der Senat kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts schon nicht abschließend entscheiden, ob die Regelungen der GBV T 1992 iVm. der GBV Übergang 1995 durch die GBV Kapitalkontenplan 1998 iVm. der GBV Übergang KKP 1998 im Hinblick auf die Höhe der Versorgungsanwartschaften der Klägerin wirksam abgelöst wurden. Es lässt sich danach weder ermitteln, welche Anwartschaften der Klägerin nach den Regelungen der GBV T 1992 iVm. der GBV Übergang 1995 zustehen, noch welche Anwartschaften sie nach der GBV Kapitalkontenplan 1998 iVm. der GBV Übergang KKP 1998 erworben hat. Damit kann auch nicht beurteilt werden, ob die Neuregelung GBV Kapitalkontenplan 1998 iVm. der GBV Übergang KKP 1998 zu einem Eingriff führt und ob ein etwaiger Eingriff in Anwendung des dreistufigen Prüfungsschemas gerechtfertigt wäre.
- 23
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Zunächst müssen die Anwartschaften nach der Altregelung der GBV T 1992 iVm. der GBV Übergang 1995 und nach der Neuregelung der GBV Kapitalkontenplan 1998 iVm. der GBV Übergang KKP 1998 festgestellt und miteinander verglichen werden. Dazu ist die nach der GBV Kapitalkontenplan 1998 vorrangig vorgesehene Kapitalleistung nach versicherungsmathematischen Grundsätzen in eine laufende Rentenleistung umzurechnen. Ergibt der Vergleich, dass die Anwartschaft nach der Neuregelung - ggf. einschließlich der in Nr. 3.1 GBV Übergang KKP 1998 vorgesehenen Garantierente - höher ist als die Anwartschaft nach der GBV T 1992 iVm. der GBV Übergang 1995, so ist die Neuregelung insoweit bereits deshalb nicht zu beanstanden, weil sie nicht in Anwartschaften der Klägerin nach der Altregelung eingreift. Fällt die Anwartschaft nach der Neuregelung hingegen geringer aus als nach der Altregelung, so ist zu prüfen, ob der damit verbundene Eingriff in die Anwartschaften der Klägerin in Anwendung des dreistufigen Prüfungsschemas gerechtfertigt ist.
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1. Regeln mehrere zeitlich aufeinanderfolgende Betriebsvereinbarungen denselben Gegenstand, gilt das Ablösungsprinzip. Danach löst eine neue Betriebsvereinbarung eine ältere grundsätzlich auch dann ab, wenn die Neuregelung für den Arbeitnehmer ungünstiger ist (st. Rspr., vgl. ua. BAG 29. Oktober 2002 - 1 AZR 573/01 - zu I 2 a der Gründe mwN, BAGE 103, 187). Das Ablösungsprinzip ermöglicht allerdings nicht jede Änderung. Soweit in bestehende Besitzstände eingegriffen wird, sind die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu beachten (BAG 10. Februar 2009 - 3 AZR 653/07 - Rn. 18, EzA BetrAVG § 1 Betriebsvereinbarung Nr. 6). Deshalb unterliegen Betriebsvereinbarungen, die Versorgungsansprüche aus einer früheren Betriebsvereinbarung einschränken, einer entsprechenden Rechtskontrolle (vgl. BAG 29. Oktober 2002 - 1 AZR 573/01 - aaO; 18. September 2001 - 3 AZR 728/00 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 99, 75).
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Die bei Einschnitten in Versorgungsrechte zu beachtenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit hat das Bundesarbeitsgericht durch ein dreistufiges Prüfungsschema präzisiert (ständige Rechtsprechung seit 17. April 1985 - 3 AZR 72/83 - zu B II 3 c der Gründe, BAGE 49, 57). Den abgestuften Besitzständen der Arbeitnehmer sind entsprechend abgestufte, unterschiedlich gewichtete Eingriffsgründe des Arbeitgebers gegenüberzustellen (BAG 9. Dezember 2008 - 3 AZR 384/07 - AP BetrAVG § 9 Nr. 22 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 47). Der unter der Geltung der bisherigen Ordnung und in dem Vertrauen auf deren Inhalt bereits erdiente und entsprechend § 2 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 BetrAVG ermittelte Teilbetrag kann hiernach nur in seltenen Ausnahmefällen entzogen werden. Das setzt zwingende Gründe voraus. Zuwächse, die sich - wie etwa bei endgehaltsbezogenen Zusagen - dienstzeitunabhängig aus variablen Berechnungsfaktoren ergeben (erdiente Dynamik), können nur aus triftigen Gründen geschmälert werden. Für Eingriffe in dienstzeitabhängige, also noch nicht erdiente Zuwachsraten genügen sachlich-proportionale Gründe.
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Ob eine spätere Betriebsvereinbarung in Besitzstände eingereift und deshalb eine Überprüfung anhand des dreistufigen Prüfungsschemas erforderlich ist, kann nur im jeweiligen Einzelfall und auf das Einzelfallergebnis bezogen festgestellt werden (vgl. BAG 21. April 2009 - 3 AZR 674/07 - Rn. 36, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 53). Dazu ist es erforderlich, dass die Versorgungsrechte bzw. Anwartschaften nach den beiden unterschiedlichen Versorgungsordnungen berechnet und gegenübergestellt werden. Deshalb kann etwa bei endgehaltsbezogenen Versorgungszusagen regelmäßig erst beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis festgestellt werden, ob mit der ablösenden Neuregelung in bestehende Besitzstände eingegriffen wird. In diesen Fällen kann regelmäßig erst zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis beurteilt werden, welche Versorgungsordnung sich als günstiger erweist (vgl. für einen Eingriff in die erdiente Dynamik BAG 11. Dezember 2001 - 3 AZR 128/01 - BAGE 100, 105).
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2. Die Klägerin ist zum 31. März 2009 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden. Die aus der vor dem 1. Januar 2001 erteilten Versorgungszusage stammenden Anwartschaften der Klägerin waren zu diesem Zeitpunkt gemäß § 1b Abs. 1 iVm. § 30f Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BetrAVG unverfallbar. Die im Februar 1957 geborene Klägerin ist am 1. September 1972 bei einer der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten in das Arbeitsverhältnis eingetreten und mit Ablauf des 31. März 2009 ausgeschieden. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie das 35. Lebensjahr vollendet und das Arbeitsverhältnis hatte bereits mehr als zehn Jahre bestanden.
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Der Vergleich hat deshalb vorliegend zwischen den beiden Versorgungsordnungen nach § 2 Abs. 1 und Abs. 5 BetrAVG bezogen auf die im Zeitpunkt des Ausscheidens erworbenen gesetzlich unverfallbaren Anwartschaften zu erfolgen. Dabei sind die Anwartschaften bezogen auf den Eintritt des Versorgungsfalles bei Erreichen der festen Altersgrenze nach der abgelösten und der ablösenden Versorgungsregelung zu vergleichen. Demgegenüber kommt es für die von der Klägerin begehrte Feststellung nicht darauf an, wie sich ein Vergleich bei der tatsächlichen Inanspruchnahme der Altersrente zu einem früheren Zeitpunkt, also vorgezogen, darstellt. Es kann dahingestellt bleiben, ob in diesem Fall eine neue Prüfung der Voraussetzungen für eine wirksame Ablösung erforderlich ist, weil allein das einer ergebnisbezogenen Betrachtung entspräche; dies ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
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3. Diesen Maßstäben wird die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung für seine Entscheidung nicht gerecht. Es hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass die GBV T 1992 iVm. der GBV Übergang 1995 durch die GBV Kapitalkontenplan 1998 iVm. der GBV Übergang KKP 1998 nicht wirksam abgelöst wurde, weil die Dotierung des Kapitalkontenplans RBI bis zum 31. Dezember 2006 befristet war. Das Landesarbeitsgericht hat nicht überprüft, ob die Klägerin durch die - wenn auch befristet erfolgten - Einzahlungen in den Kapitalkontenplan eine höhere Anwartschaft erworben hat als bei Fortgeltung der GBV Übergang 1995. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit nicht erkannt, dass es sich bei der GBV Kapitalkontenplan 1998 um eine beitragsorientierte Leistungszusage handelt und somit im Vergleich zur GBV Übergang 1995 um ein anderes Regelungssystem, so dass der erforderliche Vergleich nicht isoliert bezogen auf einzelne Regelungsbestandteile vorgenommen werden kann. Selbst bei einer befristeten Dotierung einer beitragsorientierten Leistungszusage kann die sich daraus ergebende Rentenanwartschaft eines Arbeitnehmers höher sein als die Rentenanwartschaft bei einer dauerhaften Einzahlung, sofern die befristete Dotierung entsprechend hoch ausfällt. Ein Eingriff auf einer der drei Stufen kann nicht damit bejaht werden, dass in einzelne Berechnungsfaktoren verschlechternd eingegriffen wird, wenn zugleich die Möglichkeit besteht, nach anderen Berechnungsfaktoren möglicherweise höhere Zuwächse zu erwerben. Ob dies hier der Fall ist, kann der Senat auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht beurteilen. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung.
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4. Das Landesarbeitsgericht wird nunmehr festzustellen haben, wie sich die maßgeblichen Anwartschaften berechnen und ob die sich aus der ablösenden Betriebsvereinbarung - GBV Kapitalkontenplan 1998 iVm. GBV Übergang KKP 1998 - für die Klägerin ergebende Anwartschaft überhaupt niedriger ist als die nach der abgelösten Betriebsvereinbarung GBV T 1992 iVm. der GBV Übergang 1995. Ist dies der Fall, so ist zu klären, auf welcher Stufe der Eingriff angesiedelt ist und wie schwerwiegend deshalb die Gründe für den Eingriff sein müssen. Anschließend ist zu klären, ob derartige Gründe vorliegen. Dabei gilt Folgendes:
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a) Zunächst wird das Landesarbeitsgericht die zum Zeitpunkt des Ausscheidens der Klägerin nach § 2 Abs. 1 und Abs. 5 BetrAVG zustehende Versorgungsanwartschaft auf der Grundlage der Altregelung aus der GBV T 1992 iVm. der GBV Übergang 1995 zu berechnen haben.
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aa) Die Klägerin unterfällt II. 2 GBV Übergang 1995. Bei der Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft der Klägerin nach II. 3 GBV Übergang 1995 zum Zeitpunkt des vorzeitigen Ausscheidens der Klägerin zum 31. März 2009 sind zunächst die Besitzstandsrente nach II. 2.2 GBV Übergang 1995 und die Zuwachsrente nach II. 2.3.1 GBV Übergang 1995 zu ermitteln.
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(1) In einem ersten Schritt ist deshalb die Besitzstandsrente nach II. 2.2 GBV Übergang 1995 festzustellen. Ausgangspunkt hierfür ist die Besitzstandsberechnung der Rechtsvorgängerin der Beklagten zum Stichtag 15. August 1995 vom 11. Dezember 1995.
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(a) Gemäß II. 2.2.1 GBV Übergang 1995 ist dabei nach der bisher geltenden GBV A 1983 die Rente auf das 65. Lebensjahr zu berechnen. Ausweislich der vorerwähnten Besitzstandsberechnung vom 11. Dezember 1995 zum Stichtag 15. August 1995 ergibt sich ein jährlicher Rentenbetrag von 8.157,60 DM.
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Diese Besitzstandsberechnung wurde von den Parteien im Rechtsstreit bislang übereinstimmend zugrunde gelegt. Da in dieser Berechnung die Anpassungen für 1996 iHv. 1,8 % und für 1997 iHv. 1,8 % eingerechnet sind, wird auch nur das in die Berechnung eingestellt, was bereits am 15. August 1995, dem Tag vor dem Ablösestichtag, durch die Betriebsvereinbarung vorhersehbar angelegt war (Rechtsgedanke aus § 2 Abs. 5 BetrAVG, Festschreibeeffekt).
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(b) Anschließend ist gemäß II. 2.2.1 GBV Übergang 1995 zeitanteilig der Teil des Betrages zu errechnen, der dem Verhältnis der Dienstzeit, die ab dem Eintritt bei der A (1. September 1972) bis zum Stichtag (16. August 1995) zurückgelegt wurde, zu der möglichen Dienstzeit bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres (14. Februar 2022) entspricht.
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(aa) Bei der Besitzstandsrente nach II. 2.2 GBV Übergang 1995 handelt es sich um eine Rechengröße, die die Betriebsparteien 1995 zur Feststellung und Dynamisierung eines zum Ablösezeitpunkt - Stichtag 16. August 1995 - erworbenen Besitzstandes festgeschrieben haben. Deshalb ist bei der Ermittlung dieser Rechengröße insoweit auch das dort zugrunde gelegte Rentenalter 65 maßgeblich. Die zwischenzeitlich zum 1. Januar 2008 durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554) erfolgte schrittweise Anhebung des gesetzlichen Rentenalters nach §§ 35, 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI bleibt bei dieser Berechnung unbeachtet.
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(bb) Ausgehend von der Besitzstandsberechnung vom 11. Dezember 1995 sind für die Zeit vom Eintritt bei A am 1. September 1972 bis zum Stichtag am 16. August 1995 aufgerundet 276 Monate zugrunde zu legen und für die Zeit vom Eintritt bei A am 1. September 1972 bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres am 14. Februar 2022 abgerundet 593 Monate.
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(c) Zur Feststellung des monatlichen Betrages der Besitzstandsrente nach II. 2.2.1 GBV Übergang 1995 ist der zunächst ermittelte jährliche Rentenbetrag iHv. 8.157,60 DM mit 276 zu multiplizieren und anschließend durch 593 zu dividieren, woraus sich ein Jahresbetrag iHv. 3.796,79 DM und damit ein monatlicher Betrag von 316,40 DM ergibt.
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(d) Anschließend wird sich das Landesarbeitsgericht mit der Frage zu befassen haben, welche Auswirkungen die Regelung II. 2.2.3 GBV Übergang 1995 auf den nach II. 2.2.1 GBV Übergang 1995 errechneten Ausgangsbetrag für die Besitzstandsrente hat. Da sich der Ausgangsbetrag nach II. 2.2.1 GBV Übergang 1995 nach II. 2.2.3 GBV Übergang 1995 bis zum Eintritt des Versorgungsfalles jeweils zum gleichen Zeitpunkt und im gleichen Verhältnis erhöht, wie sich die Rentenanwartschaften der Mitarbeiter nach I. 2 GBV Übergang 1995, dh. die ab dem Stichtag neu eingetretenen Mitarbeiter, erhöhen, kann sich hieraus eine Steigerung der Besitzstandsrente ergeben.
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(aa) Hierbei wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass die Klägerin in der Berufungsbegründung vom 6. August 2009 unter B. II. 3 selbst vortragen hat, dass solche Erhöhungen nach Übergang zum sog. Kapitalkontenplan Ende 1998 unterblieben sind. II. 2.2.3 GBV Übergang 1995 gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine Dynamisierung um 1,8 % jährlich bis zum Renteneintritt vorzunehmen wäre. Die Klägerin hat hierzu lediglich vorgetragen, dass sie selbst diese Dynamik aus den zurückliegenden Jahren fortschreiben würde. Dies ist jedoch kein tragfähiges Argument, wenn sie selbst einräumt, dass die Fortschreibung des Anhangs 1 zur GBV T 1992 wegen des Übergangs auf den sog. Kapitalkontenplan unterblieben sei. Daran ändert nichts, dass die Beklagte sich im Rahmen der Berufungsbeantwortung vom 14. September 2009 unter IV. „um die Angelegenheit nicht noch weiter zu komplizieren“ auf die Berechnung der Klägerin eingelassen hat. Zuvor hatte sie ausdrücklich vorgetragen, dass die Fortschreibung nicht erfolgt sei.
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(bb) In Betracht zu ziehen wäre jedoch, die für das Jahr 1998 im Anhang 1 zur GBV T 1992 bezeichnete Steigerung um weitere 1,8 % noch zu berücksichtigen und diese einzurechnen. Im Anhang 1 zur GBV T 1992 ist unterhalb der Fußnoten vermerkt, dass in den Jahren 1997 bis 1998 die jeweiligen Anwartschaften mit Wirkung vom 1. Januar eines jeden Jahres um jeweils 1,8 % erhöht werden. Da die Besitzstandsberechnung vom 11. Dezember 1995 eine Anpassung der Anwartschaften für 1996 und 1997 um jeweils 1,8 % bereits berücksichtigt, bleibt zu klären, ob die Anpassung für das Jahr 1998 um 1,8 % noch einzurechnen ist, weil diese Erhöhung tatsächlich stattgefunden hat oder hätte stattfinden müssen. Sollte das Landesarbeitsgericht - nachdem es den Parteien Gelegenheit gegeben hat, zu diesem Gesichtspunkt Stellung zu nehmen - annehmen, dass für das Jahr 1998 eine Anpassung der Anwartschaft um 1,8 % vorzunehmen ist, so ergäbe sich ein monatlicher Betrag für die Besitzstandsrente iHv. 322,10 DM.
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(2) In einem nächsten Schritt ist sodann die Zuwachsrente nach II. 2.3 GBV Übergang 1995 als fiktive Vollrente bezogen auf eine Dienstzeit bis zum Eintritt des Versorgungsfalles zu berechnen.
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(a) Ausgehend von den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die Klägerin in die Rentengruppe 8 eingereiht. Der Anhang 1 zur GBV T 1992 sieht für das Jahr 1996 einen Grundbetrag von 167,24 DM und einen Steigerungsbetrag von 8,30 DM vor. Im Anhang 1 ist insoweit bereits eine Steigerung um jeweils 1,8 % für die Jahre 1997 und 1998 festgeschrieben. Der Grundbetrag erhöhte sich dementsprechend zum 1. Januar 1997 auf 170,25 DM und der Steigerungsbetrag auf 8,45 DM. Zum 1. Januar 1998 erhöhte sich der Grundbetrag schließlich auf 173,31 DM und der Steigerungsbetrag auf 8,60 DM. Für die Berechnung der Zuwachsrente ist von den ab Januar 1998 gültigen Werten iHv. 173,31 DM und 8,60 DM auszugehen.
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(b) Nach § 9 Nr. 1 GBV T 1992 setzt sich die Altersrente und damit die Zuwachsrente nach II. 2.3 GBV Übergang 1995 aus einem Grundbetrag und einem Steigerungsbetrag für jedes rentenfähige Dienstjahr nach Erfüllung der Wartezeit (maximal jedoch 30 Steigerungsbeträge) zusammen. Daraus ergibt sich bei 30 Steigerungsbeträgen multipliziert mit 8,60 DM ein Betrag iHv. 258,00 DM. Hinzuzurechnen ist der Grundbetrag iHv. 173,31 DM, so dass sich insgesamt 431,31 DM ergeben.
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(c) Dieser Betrag iHv. 431,31 DM ist gemäß II. 2.3.1 GBV Übergang 1995 ins Verhältnis der Dienstzeit, die ab dem Stichtag (16. August 1995) bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres zurückgelegt werden könnte, zu der möglichen Dienstzeit vom Eintritt bei A bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres zu setzen. Anstelle der ausdrücklich genannten Grenze des 65. Lebensjahres tritt jedoch die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung und damit im Falle der im Februar 1957 geborenen Klägerin ein Lebensalter von 65 Lebensjahren und elf Monaten.
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(aa) Bei der Versorgungsordnung GBV Übergang 1995 ist die nach §§ 35, 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ansteigende Altersgrenze bei Feststellung der für die Berechnung der fiktiven Vollrente maßgeblichen Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Zwar bezieht sich die Versorgungsordnung nach der GBV Übergang 1995 ausdrücklich auf das 65. Lebensjahr. Bei der Berechnung der Zuwachsrente nach der GBV Übergang 1995 ist die stufenweise Anhebung der Regelaltersgrenze durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz einzubeziehen mit der Folge, dass die in der Versorgungsordnung genannte Altersgrenze 65 schrittweise ansteigt. Das ergibt die Auslegung dieser für die Rentenentwicklung ab dem maßgeblichen Stichtag zugrunde zu legenden Vorschriften.
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Durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz wurde nicht nur eine stufenweise Anhebung der Regelaltersgrenze vorgenommen, sondern auch § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG dahingehend geändert, dass die Formulierung „Vollendung des 65. Lebensjahrs“ durch den Begriff der „Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung“ ersetzt wurde (vgl. Art. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz). § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BetrAVG eröffnet nach wie vor die Möglichkeit, an die Stelle der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung einen früheren Zeitpunkt treten zu lassen, wenn dieser in der Versorgungsregelung als feste Altersgrenze vorgesehen ist. Ob es bei Versorgungsordnungen wie der GBV Übergang 1995, die vor dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz geschaffen wurden und nicht abstrakt auf das Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern ausdrücklich auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abstellen, zu einem schrittweisen Anheben der Altersgrenze bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres kommt oder ob die Vollendung des 65. Lebensjahres einen früheren Zeitpunkt iSd. § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BetrAVG darstellt, ist umstritten.
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Teilweise wird - unter Verweis auf den bei ausdrücklicher Nennung der Vollendung des 65. Lebensjahres eindeutigen Wortlaut der Versorgungsordnung - die Auffassung vertreten, dass die Anhebung der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung in der betrieblichen Altersversorgung nicht automatisch dazu führe, dass sich beim Quotierungsverfahren die mögliche Betriebszugehörigkeitsdauer verlängere (Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Huber BetrAVG 4. Aufl. § 2 Rn. 32; DFL/Kisters-Kölkes 4. Aufl. § 2 BetrAVG Rn. 21; ErfK/Steinmeyer 12. Aufl. § 2 BetrAVG Rn. 5). Nach der Gegenauffassung soll davon auszugehen sein, dass die Auslegung der Versorgungszusage idR zu einem „Mitwandern“ der Altersgrenze führt; die Benennung der Vollendung des 65. Lebensjahres stelle eine dynamische Verweisung auf die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung dar (Höfer BetrAVG Stand Juni 2011 Rn. 3119.5 ff.; Höfer/Witt/Kuchem BB 2007, 1445, 1450; Cisch/Kruip BB 2007, 1162, 1168; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 85 Rn. 155; wohl auch HWK/Schipp 4. Aufl. Vorb. BetrAVG Rn. 106a).
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Der letzteren Auffassung ist der Vorzug zu geben. Für sie spricht zunächst, dass die Regelaltersgrenze bereits seit 1916 durchgehend bei der Vollendung des 65. Lebensjahres lag. Bei der Abfassung von Versorgungsordnungen gab es daher keine Veranlassung zu abweichenden Formulierungen, wenn an die in der Sozialversicherung geltende Altersgrenze von 65 Jahren angeknüpft wurde (vgl. Schaub/Vogelsang § 85 Rn. 155; HWK/Schipp Vorb. BetrAVG Rn. 106a). Bei der Frage, ob die Versorgungsordnung einen früheren Zeitpunkt als die Regelaltersgrenze vorsieht, ist zudem auf den Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage abzustellen. Auf der Basis der vor Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes gültigen Rechtslage enthielten derartige Versorgungsordnungen aber gerade keinen früheren Zeitpunkt als die Regelaltersgrenze. Gerade bei Gesamtversorgungssystemen, wie der GBV A 1983 (vgl. deren § 10), wird man im Wege der Auslegung regelmäßig nicht zu dem Ergebnis kommen, dass der Arbeitgeber die Betriebsrente bereits zu einem Zeitpunkt zahlen will, in dem eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung noch nicht beansprucht und damit auch nicht angerechnet werden kann (vgl. Baumeister/Merten DB 2007, 1306; HWK/Schipp Vorb. BetrAVG Rn. 106a). Das entspricht auch dem im Rahmen der Änderung des § 2 Abs. 1 BetrAVG zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Willen, wonach die Anhebung der gesetzlichen Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung auch in den Systemen der betrieblichen Altersversorgung nachvollzogen werden soll(vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 16/3794 S. 31).
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Zuletzt spricht auch der Umstand, dass die vom Arbeitgeber zu erbringende betriebliche Altersversorgung als Gegenleistung für die gesamte Betriebszugehörigkeit zwischen dem Beginn des Arbeitsverhältnisses und dem Erreichen der festen Altersgrenze aufgefasst wird (vgl. BAG 19. Juli 2011 - 3 AZR 434/09 - Rn. 42 ff. EzA BetrAVG § 7 Nr. 76), für eine solche Auslegung. Der Altersgrenze der Vollendung des 65. Lebensjahres liegt der Gedanke zugrunde, dass zu diesem Zeitpunkt der Arbeitnehmer regelmäßig seine ungekürzte Altersrente aus der gesetzlichen Sozialversicherung bezieht und das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt enden wird. Es liegt darin folglich eine Anlehnung an die im gesetzlichen Rentenversicherungsrecht bestehende Altersgrenze.
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(bb) Nach § 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI liegt die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung für die am 14. Februar 1957 geborene Klägerin bei 65 Jahren und elf Monaten. Diese Grenze würde sie am 14. Januar 2023 erreichen. Ausgehend vom Beginn der Betriebszugehörigkeit der Klägerin am 1. September 1972 ergibt sich eine maximale Dauer der Betriebszugehörigkeit von 604 vollen Monaten. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat bei der sog. Besitzstandsberechnung zum Stichtag 15. August 1995 vom 11. Dezember 1995 auf den letzten vollen Beschäftigungsmonat abgerundet. Ob diese Abrundung im Falle der Klägerin nach § 5 Nr. 3 GBV T 1992 geboten ist, weil die Klägerin die maßgebliche Grenze in der ersten Hälfte des Kalendermonats überschreitet, kann dahinstehen. Die Beklagte ist jedenfalls nicht verpflichtet, die aus dem Rechtsgedanken des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI abzuleitende Möglichkeit, bis zum Ablauf des Monats zu rechnen, in dem die Altersgrenze überschritten wird und eine Rente aus der gesetzlichen Sozialversicherung ab dem Beginn des Folgemonats bezogen werden kann, zu berücksichtigen(vgl. Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto BetrAVG 5. Aufl. § 2 Rn. 83a).
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Es ergeben sich folglich für die Berechnung der Zuwachsrente noch mögliche 330 volle Monate; der Zeitraum vom Eintritt der Klägerin bei der A am 1. September 1972 bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze umfasst eine Betriebszugehörigkeit von 604 Monaten. Der für die Zuwachsrente ermittelte Betrag iHv. 431,31 DM ist deshalb mit 330 zu multiplizieren und anschließend durch 604 zu teilen. Daraus ergibt sich die monatliche Zuwachsrente nach II. 2.3.1 GBV Übergang 1995 iHv. 235,65 DM.
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(3) Nach II. 3.1 GBV Übergang 1995 setzt sich die Altersrente aus der Besitzstandsrente nach II. 2.2 GBV Übergang 1995 und der Zuwachsrente nach II. 2.3.1 GBV Übergang 1995 zusammen. Rechnet man deshalb die Besitzstandsrente iHv. 322,10 DM [bzw. 316,40 DM] und die Zuwachsrente iHv. 235,65 DM zusammen, ergibt sich eine Altersrente von 557,75 DM [bzw. 552,05 DM].
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(4) Nunmehr ist die Anwartschaft nach § 2 Abs. 1 BetrAVG bezogen auf das vorzeitige Ausscheiden der Klägerin am 31. März 2009 zu ermitteln. Dabei ist ebenfalls die nach §§ 35, 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ansteigende Regelaltersgrenze zu berücksichtigen.
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Da die Klägerin mit Ablauf des 31. März 2009 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden ist, ist die errechnete Altersrente iHv. 557,75 DM [bzw. 552,05 DM] nach § 2 Abs. 1 BetrAVG zu quoteln. Dabei ist von einer tatsächlichen Betriebszugehörigkeit der Klägerin vom 1. September 1972 bis zum 31. März 2009 und damit von 439 Monaten auszugehen. Die mögliche Betriebszugehörigkeit der Klägerin bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung am 14. Januar 2023 ergibt (abgerundet) 604 Monate. Daraus errechnet sich eine Rentenanwartschaft iHv. 405,38 DM (entspricht 207,27 Euro) [bzw. 401,24 DM (entspricht 205,15 Euro)] nach der GBV Übergang 1995.
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bb) Anschließend wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob die in III. 2 GBV Übergang 1995 bestimmte Mindestrente höher ist als die nach II. 3.1 GBV Übergang 1995 ermittelte Rente. Die Regelung in III. 2 GBV Übergang 1995 geht erkennbar auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Mindestrente bei ablösenden Versorgungsordnungen zurück (vgl. 21. März 2000 - 3 AZR 93/99 - AP BetrAVG § 6 Nr. 25 = EzA BetrAVG § 6 Nr. 21; 22. September 1987 - 3 AZR 662/85 - BAGE 56, 138, 143 f.).
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b) Im Anschluss hieran wird das Landesarbeitsgericht die zum Zeitpunkt des Ausscheidens der Klägerin bestehende gesetzlich unverfallbare Rentenanwartschaft auf der Grundlage der GBV Kapitalkontenplan 1998 und die Rentenanwartschaft für die Garantierente nach Nr. 3.1 GBV Übergang KKP 1998 zu ermitteln und sodann festzustellen haben, ob die verrentete Kapitalleistung hinter der Garantierente zurückbleibt. Es wird auf dieser Grundlage die gesetzlich unverfallbare Anwartschaft der Klägerin bei deren Ausscheiden zu ermitteln haben. Da es an Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hierzu fehlt, kann der Senat die Berechnung nicht vornehmen.
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aa) Zunächst ist die Höhe der fiktiven verrenteten Vollleistung der Klägerin nach der GBV Kapitalkontenplan 1998 festzustellen. Dabei kann das Landesarbeitsgericht von den von der Beklagten erstmals mit der Berufungserwiderung vom 14. September 2009 vorgelegten Zahlen - insbesondere von dem Stand des Basiskontos iHv. 47.869,00 Euro, sofern dies zwischen den Parteien unstreitig bleiben sollte - ausgehen. Es wird bei einer unterstellten Verrentung des Kapitals nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu berücksichtigen haben, dass nach Nr. 1.3.2 GBV Kapitalkontenplan 1998 ein Anspruch auf Altersleistung bei Ausscheiden mit Vollendung des 60. Lebensjahres oder später besteht. Die Versorgungsordnung sieht daher keine feste Altersgrenze vor. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG ist daher für die Berechnung der fiktiven verrenteten Vollleistung auf die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung abzustellen. Der Kapitalbetrag wird somit nach versicherungsmathematischen Grundsätzen in eine Rente ab 65 Jahren und elf Monaten umzurechnen sein.
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bb) Anschließend wird das Landesarbeitsgericht auch die Garantierente der Klägerin nach Nr. 3.1 GBV Übergang KKP 1998 zu ermitteln haben. Die Garantierente orientiert sich zum Zweck der Besitzstandswahrung an der Altregelung und damit an der GBV Übergang 1995, wie sie bei Abschluss der GBV Übergang KKP 1998 im November 1998 zu verstehen war. Zu diesem Zeitpunkt war sowohl hinsichtlich der Besitzstands- als auch der Zuwachsrente noch auf eine feste Altersgrenze von 65 Jahren abzustellen. Die spätere Anhebung der Regelaltersgrenze nach dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz findet insoweit keine Berücksichtigung. Die Beklagte hat die Garantierente mit einem Betrag von 282,36 Euro beziffert. Diesen Betrag hat die Klägerin allerdings nicht unstreitig gestellt. Den Parteien ist folglich Gelegenheit zu geben, zur Berechnung der Garantierente weiteren Vortrag zu halten.
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cc) Maßgeblich ist der höhere Wert; bei gleicher Höhe kommt die Kapitalleistung zum Zuge (Nr. 3.1 GBV Übergang KKP 1998).
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dd) Anschließend ist nach § 2 BetrAVG festzustellen, wie hoch die auf den Zeitpunkt des Ausscheidens der Klägerin am 31. März 2009 zu berechnende Anwartschaft ist. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Kapitalleistung oder die Garantierente maßgeblich ist.
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(1) Die Kapitalleistung nach der GBV Kapitalkontenplan 1998 wäre zeitratierlich nach § 2 Abs. 1 BetrAVG zu kürzen. Auszugehen ist von einer möglichen Betriebszugehörigkeit bis zum Alter von 65 Jahren und elf Monaten als der für die Klägerin geltenden Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung.
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(2) Die Garantierente wäre dagegen nicht zu kürzen. Sie soll zum Ablösezeitpunkt - Stichtag 31. Dezember 1998 - den erworbenen Besitzstand schützen. Nach der Rechtsprechung des Senats bleiben derartige Anwartschaften auch im Falle des späteren vorzeitigen Ausscheidens erhalten (grundlegend 22. September 1987 - 3 AZR 662/85 - BAGE 56, 138, 143 f.; ebenso 21. März 2000 - 3 AZR 93/99 - zu II 2 a der Gründe, AP BetrAVG § 6 Nr. 25 = EzA BetrAVG § 6 Nr. 21 für den vergleichbaren Fall der Insolvenz). An dieser Rechtsprechung ist jedenfalls für den Fall festzuhalten, dass die Besitzstandsgarantie - wie hier - nach den Kriterien des § 2 Abs. 1 BetrAVG berechnet wird und zum Zeitpunkt der Ablösung die Anwartschaft bereits gesetzlich unverfallbar war. Der besonders starke Schutz des nach den Kriterien des § 2 Abs. 1 BetrAVG zu errechnenden erdienten Besitzstandes rechtfertigt sich dann auch aus dem Gedanken, dass dem Arbeitnehmer bei der Ablösung zumindest das verbleiben soll, was ihm auch nach dieser Regelung beim Ausscheiden oder im Insolvenzfall nach § 7 Abs. 2 BetrAVG erhalten bliebe(vgl. BAG 24. Januar 2006 - 3 AZR 483/04 - Rn. 49, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 50 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 46). Es wäre ein Wertungswiderspruch, wollte man diesen besonderen Schutz entfallen lassen, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich - wie hier die Klägerin - später vorzeitig ausscheidet. Die aus einer vor dem 1. Januar 2001 erteilten Zusage stammende Versorgungsanwartschaft der Klägerin war auch am 31. Dezember 1998, dem nach der GBV Übergang KKP 1998 maßgeblichen Stichtag, bereits gesetzlich unverfallbar, da die Klägerin auch zu diesem Zeitpunkt bereits das 35. Lebensjahr vollendet und die Zusage mindestens zehn Jahre bestanden hatte (§ 1b Abs. 1 iVm. § 30f Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BetrAVG).
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c) Die sich zum Zeitpunkt des Ausscheidens der Klägerin zum 31. März 2009 ergebenden Anwartschaften nach der GBV Übergang 1995 und der GBV Kapitalkontenplan 1998 einschließlich der Anwartschaft hinsichtlich der Garantierente nach Nr. 3.1 GBV Übergang KKP 1998 sind anschließend gegenüberzustellen. Ergibt sich dabei, dass die Anwartschaften nach der GBV Kapitalkontenplan 1998 oder der Garantierente nach Nr. 3.1 GBV Übergang KKP 1998 (Anwartschaft neu) nicht geringer sind als die Anwartschaft nach der GBV Übergang 1995 (Anwartschaft alt), liegt schon kein Eingriff in Besitzstände vor, denn die Neuregelung wäre für die Klägerin nicht ungünstiger. Ergibt sich hingegen, dass die Anwartschaft nach der GBV Kapitalkontenplan 1998 einschließlich der Anwartschaft hinsichtlich der Garantierente nach Nr. 3.1 GBV Übergang KKP 1998 geringer ist als die Anwartschaft nach der GBV Übergang 1995, liegt hingegen ein Eingriff vor, dessen Rechtmäßigkeit anhand des dreistufigen Prüfungsschemas des Bundesarbeitsgerichts zu prüfen ist. Für diese Prüfung gilt:
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aa) Ein Eingriff auf der ersten Stufe scheidet aus, weil Nr. 3.1 GBV Übergang KKP 1998 eine Garantierente dergestalt vorsieht, dass zumindest die Altersrente erreicht wird, auf die der Arbeitnehmer am Ablösungsstichtag Anwartschaft aus der Altregelung hatte. Ein Eingriff in den bereits erdienten Teilbetrag ist damit ausgeschlossen.
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bb) Das Landesarbeitsgericht wird aber zu prüfen haben, ob möglicherweise ein Eingriff auf der zweiten Stufe, also ein Eingriff in eine erdiente Dynamik vorliegt.
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(1) Dabei wird das Landesarbeitsgericht zunächst zu beachten haben, dass sich ein solcher Eingriff entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus den sog. Einkommensbandbreiten nach § 9 Nr. 2 GBV T 1992 iVm. dem Anhang 2 ergeben kann. Dort ist lediglich geregelt, dass die Einkommensbandbreiten nach Anhang 2 jährlich in Anlehnung an die Tarifentwicklung im Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden neu festgesetzt werden. Durch diese Regelung wird eine Dynamik gerade verhindert. Durch den Gleichlauf der Gehaltsentwicklung und der Entwicklung der Einkommensbandbreiten wird sichergestellt, dass der Arbeitnehmer stets im gleichen Einkommensband verbleibt und somit auch der gleichen Rentengruppe iSd. Anhangs 1 zugeordnet bleibt, auch wenn sich das Gehalt des Arbeitnehmers aufgrund der Tarifentwicklung erhöht. Eine Verpflichtung auch zur jährlichen Anpassung der Rentengruppen enthält § 9 Nr. 2 GBV T 1992 nicht. Diese muss vielmehr durch die Betriebsparteien vereinbart werden. Fehlt es aber an einem Automatismus, liegt gerade keine Dynamik vor, auf die der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage hätte vertrauen können.
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(2) Ein Eingriff in eine erdiente Dynamik könnte aber dann vorliegen, wenn die Klägerin zwischen 1999 und ihrem vorzeitigen Ausscheiden zum 31. März 2009 befördert worden wäre. Dadurch könnte sie aus der Rentengruppe 8 nach dem in Bezug genommenen Anhang 1 zur GBV T 1992 herausgewachsen sein (vgl. BAG 10. September 2002 - 3 AZR 635/01 - Rn. 70, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 37 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 34). Das Landesarbeitsgericht wird deshalb zu prüfen haben, ob die Klägerin in der fraglichen Zeit noch befördert wurde und dadurch aus der Rentengruppe 8 herausgehoben wurde. Anhaltspunkte dafür bestehen nach dem bisherigen Vorbringen der Parteien allerdings nicht.
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cc) Sollte eine Beförderung nicht erfolgt sein, verbliebe es bei einem Eingriff auf der dritten Stufe, also einem Eingriff in „dienstzeitabhängige Zuwächse“. Das Landesarbeitsgericht wird dann zu prüfen haben, ob das von der Beklagten angezogene Vereinheitlichungsinteresse einen Eingriff auf dieser Stufe rechtfertigen könnte (vgl. BAG 18. März 2003 - 3 AZR 101/02 - Rn. 67, BAGE 105, 212).
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II. Sollte die Ablösung der GBV Übergang 1995 durch die GBV Kapitalkontenplan 1998 danach im Hinblick auf die Höhe der nach der Ablösung verbleibenden Anwartschaft rechtlich nicht zu beanstanden sein, wird sich das Landesarbeitsgericht mit den Rechtsfolgen zu befassen haben, die sich daraus ergeben, dass die Anwartschaft nach der GBV Kapitalkontenplan 1998 vorrangig in einer Kapitalleistung besteht. Dabei wird es zu beachten haben, dass die Umstellung von einer Rentenanwartschaft auf eine Anwartschaft auf eine Kapitalleistung mit solchen Nachteilen für den Arbeitnehmer verbunden ist, dass die Umstellung für sich einer eigenständigen Rechtfertigung bedarf, um wirksam zu sein. Die Umstellung muss den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen.
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1. Die Umstellung auf eine Kapitalleistung wäre nur dann ohne Weiteres zulässig, wenn die Betriebsvereinbarung „Auszahlungsgrundsätze Kapitalkontenplan“, die in Nr. 3.1 GBV Übergang KKP 1998 erwähnt ist und zu deren Inhalt bislang keine Feststellungen getroffen sind, dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Auszahlung als Rente, ggf. in Form eines nicht von weiteren inhaltlichen Voraussetzungen abhängigen Wahlrechts des Arbeitnehmers, gibt. Ebenso wäre es unbedenklich, wenn die bei Ausscheiden der Klägerin mit Ablauf des 31. März 2009 bestehende Anwartschaft auf die Garantierente nach Nr. 3.1 GBV Übergang KKP 1998 und damit keine auf eine Kapitalleistung gerichtete Anwartschaft nach der GBV Kapitalkontenplan 1998 gegeben wäre, die die zu diesem Zeitpunkt maßgebliche Altanwartschaft nach der GBV Übergang 1995 der Höhe nach nicht unterschreiten würde. In diesen Fällen läge gerade keine Kapitalisierung einer Rentenanwartschaft vor. Dies wird das Landesarbeitsgericht aufzuklären haben.
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2. Ist keine Anwartschaft auf Garantierente nach Nr. 3.1 GBV Übergang KKP 1998 gegeben und sehen die Regelungen über die Auszahlung der Anwartschaft nach der GBV Kapitalkontenplan 1998 zwingend oder nach Wahl des Arbeitgebers eine Kapitalzahlung vor bzw. machen sie die Entscheidung des Arbeitnehmers für eine Rente von weiteren inhaltlichen Voraussetzungen abhängig, so bedarf es für die Umstellung der Rentenanwartschaft auf eine Kapitalleistung einer eigenständigen Rechtfertigung. Anderenfalls wäre die Umstellung unwirksam und es verbliebe bei der Rentenanwartschaft nach der GBV Übergang 1995.
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a) Die Ersetzung einer Rentenanwartschaft durch eine Anwartschaft auf eine Kapitalleistung in einer - eine andere Betriebsvereinbarung ablösenden - Betriebsvereinbarung bedarf nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit einer eigenständigen Rechtfertigung. Laufende Rentenleistungen haben für den Arbeitnehmer eine besondere Wertigkeit. Er kann darauf vertrauen, als Gegenleistung für seine Dienste und seine Betriebstreue im Alter laufende Rentenzahlungen zu erhalten. Deshalb hat ein Arbeitgeber, der eine Zusage laufender Rentenleistungen vollständig durch die Zusage einer Kapitalleistung ersetzen will, diese Umstellung besonders zu rechtfertigen. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb zu prüfen haben, ob eine solche Rechtfertigung vorliegend gegeben ist.
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aa) Das Bundesarbeitsgericht hat die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit durch ein dreistufiges Prüfungsschema konkretisiert (st. Rspr. seit 17. April 1985 - 3 AZR 72/83 - BAGE 49, 57). Dieses Prüfungsraster ist für Eingriffe in die Höhe der Versorgungsanwartschaften entwickelt worden. Es lässt sich auf andere Eingriffe in Versorgungsrechte wie beispielsweise die Änderungen von Anpassungsregelungen bei laufenden Betriebsrenten oder auf die Schaffung von Ausschlusstatbeständen für eine Hinterbliebenenversorgung (vgl. BAG 21. November 2000 - 3 AZR 91/00 - AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 21 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 26 mwN) oder auf Eingriffe in laufende Leistungen und Anpassungsregelungen (vgl. BAG 28. Juni 2011 - 3 AZR 282/09 - Rn. 38 ff., EzA BetrAVG § 16 Nr. 59) nicht ohne Weiteres übertragen. Ebenso wenig kann es für die Umstellung von einem Versprechen laufender Rentenleistungen auf ein Versprechen einer Kapitalleistung angewandt werden. Eine solche Umstellung für sich genommen stellt keinen Eingriff in die Höhe der Versorgungsanwartschaften dar. Die Umstellung ist deshalb an den dem Drei-Stufen-Modell zugrunde liegenden allgemeinen Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu messen.
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bb) Die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit erfordern eine Abwägung der wechselseitigen Interessen. Dabei müssen die vom Arbeitgeber zur Rechtfertigung der Umstellung angeführten Gründe umso gewichtiger sein je schwerwiegender für den Arbeitnehmer die Nachteile der Umstellung sind.
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(1) Bereits die hinter dem Abfindungsverbot des § 3 BetrAVG stehende gesetzgeberische Wertung deutet auf die Notwendigkeit einer besonderen Rechtfertigung für die Umstellung einer Rentenzusage in eine Zusage einer Kapitalleistung hin. Eine einmalige Kapitalleistung hat nicht dieselbe Wertigkeit wie laufende Rentenleistungen. Das betriebsrentenrechtliche Abfindungsverbot will sicherstellen, dass dem Versorgungsberechtigten die zugesagte Betriebsrente im Versorgungsfall auch tatsächlich in Form von laufenden Rentenleistungen zur Verfügung steht. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen „angesichts der unbestritten zunehmenden Bedeutung von Betriebsrenten für die Alterssicherung der Beschäftigten“ Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung bis zum Rentenbeginn und laufende Betriebsrenten bis zum Lebensende erhalten bleiben. Eine vorzeitige Verwertung widerspricht daher dem Versorgungszweck (BT-Drucks. 15/2150 S. 52). Der Gesetzgeber will den Versorgungsempfänger an einer Kapitalisierung seines Anspruchs hindern. Er soll davon abgehalten werden, die ausgezahlte Geldsumme für die Vermögensbildung oder den Konsum statt für die vorgesehene Versorgung zu verwenden (vgl. BAG 17. Oktober 2000 - 3 AZR 7/00 - BAGE 96, 54; BGH 21. Mai 2003 - VIII ZR 57/02 - DB 2003, 1568). Das Gesetz bewertet das Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers und Versorgungsempfängers hinsichtlich seiner unverfallbaren Anwartschaft und laufender Leistungen damit höher als das Interesse des Arbeitgebers, sich durch eine Abfindung aus seinen Ruhegeldverpflichtungen für ausscheidende Arbeitnehmer zu lösen und damit nicht nur den Verwaltungsaufwand und entsprechende Kosten, sondern auch die Anpassungsprüfungspflicht zu vermeiden (vgl. Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto § 3 Rn. 2 und Rn. 3).
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(2) Zudem ist der Wechsel von der Zusage einer Rentenleistung zu einem Kapitalversprechen mit nicht unerheblichen Veränderungen bzw. Nachteilen für die betroffenen Arbeitnehmer verbunden.
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(a) Im Grundsatz sind zwar laufende Rentenzahlungen und einmalige Kapitalleistungen nach dem Betriebsrentengesetz gleichwertige Formen der betrieblichen Altersversorgung (vgl. BAG 21. März 2000 - 3 AZR 127/99 - AP BetrAVG § 3 Nr. 9 = EzA BetrAVG § 3 Nr. 6). Gleichwohl macht es einen Unterschied, ob der Arbeitgeber von vornherein eine Altersversorgung in Form einer laufenden Rentenzahlung oder einer einmaligen Kapitalleistung zusagt. Hat er eine laufende Rentenzahlung zugesagt, so hat er damit zum Ausdruck gebracht, dass er das Langlebigkeitsrisiko mit allen für den Arbeitnehmer und ihn damit verbundenen Vor- und Nachteilen tragen will. Hierauf konnte sich der Arbeitnehmer verlassen. Durch den Wechsel von der Zusage laufender Rentenleistungen hin zu einer Zusage einer Kapitalleistung wird das Langlebigkeitsrisiko einseitig auf den betroffenen Arbeitnehmer verlagert. Außerdem lösen nur laufende Rentenleistungen eine Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 BetrAVG aus, wodurch regelmäßig der Wert der Rente über die gesamte Rentenbezugsdauer erhalten bleibt.
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(b) Zudem birgt der Wechsel von laufenden Rentenleistungen hin zur Kapitalleistung stets die Gefahr in sich, dass es aufgrund der Progressionswirkung zu einer höheren Steuerlast des Arbeitnehmers kommt. Dies gilt auch bei Leistung des Kapitalbetrages in Teilbeträgen, die dem Versorgungsberechtigten in mehreren Jahren zufließen.
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(c) Auch im Hinblick auf eine mögliche Zwangsvollstreckung führt der Übergang von laufenden Rentenleistungen zu einer Kapitalleistung zu Veränderungen. Während laufende Rentenleistungen dem Pfändungsschutz des § 850c ZPO unterliegen, unterfallen Kapitalleistungen dem Pfändungsschutz nach § 850i ZPO, wozu zur Bewirkung des Pfändungsschutzes ein Antrag, dh. ein Tätigwerden des Schuldners nötig ist.
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(d) Die Umstellung von einer laufenden Leistung in eine Kapitalleistung bedarf auch dann einer Rechtfertigung, wenn das vom Arbeitgeber gezahlte Kapital bei einer statistischen Durchschnittsbetrachtung ausreichen würde, um durch Eigenvorsorge Einbußen bei der Altersversorgung zu vermeiden. Ob der Arbeitnehmer im Einzelfall tatsächlich in der Lage ist, den Wechsel durch Schaffung einer privaten Altersrente zu kompensieren, hängt auch von den persönlichen Verhältnissen des Arbeitnehmers ab, wie etwa bestehenden Schulden oder einem anderen Ausgabendruck (vgl. hierzu BAG 20. November 2001 - 3 AZR 28/01 - AP BetrAVG § 3 Nr. 12 = EzA BetrAVG § 3 Nr. 8).
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(3) Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung sind das Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Versprechens einer Rentenleistung und das Interesse des Arbeitgebers an der Umstellung von einer Renten- auf eine Kapitalleistung angemessen zu berücksichtigen. Nicht zu beanstanden ist der Wechsel allerdings nur dann, wenn das die Umstellung begründende Interesse des Arbeitgebers das Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt der Rentenleistung erheblich überwiegt. Die Umstellung von laufenden Rentenleistungen auf eine Kapitalleistung ist nicht nur mit geringfügigen Veränderungen bzw. Nachteilen für die betroffenen Arbeitnehmer verbunden. Deshalb reicht es nicht aus, dass sich die Entscheidung des Arbeitgebers lediglich als nicht willkürlich erweist, weil Sachgründe eine Umwandlung des Rentenversprechens in ein Versprechen einer Kapitalleistung nur nahelegen.
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Danach können sich im Rahmen der Abwägung wirtschaftliche Gründe zugunsten des Arbeitgebers auswirken, beispielsweise dann, wenn der Arbeitgeber jedenfalls auf Dauer nicht mehr in der Lage ist, die Kosten des bisherigen Versorgungswerks einschließlich der daran anknüpfenden Anpassungsprüfungen aufzubringen. Berücksichtigungsfähig ist auch der Umstand, dass der Wechsel Vorteile im Hinblick auf die Bilanzierung und die Finanzierung der Versorgungsverpflichtungen mit sich bringt. Aber auch andere Umstände, wie etwa Leistungsverbesserungen durch eine Anhebung des Dotierungsrahmens, können die Abwägung zugunsten des Arbeitgebers beeinflussen. Hat der Arbeitgeber in der Neuregelung beispielsweise eine Kapitalleistung zugesagt, die den nach den Rechnungsgrundlagen und anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik ermittelten Barwert der nach der Altregelung geschuldeten Rentenleistung übersteigt, so kann dies unter Umständen die Nachteile, die der Arbeitnehmer infolge der Umstellung erleidet, aufwiegen.
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b) Im Hinblick auf die fehlenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu den genannten Punkten sieht der Senat von weiteren Hinweisen ab.
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C. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.
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Zwanziger
Schlewing
Spinner
Schmidt
Wischnath
(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber oder über einen der in § 1b Abs. 2 bis 4 genannten Versorgungsträger erfolgen. Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.
(2) Betriebliche Altersversorgung liegt auch vor, wenn
- 1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln (beitragsorientierte Leistungszusage), - 2.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zu zahlen und für Leistungen zur Altersversorgung das planmäßig zuzurechnende Versorgungskapital auf der Grundlage der gezahlten Beiträge (Beiträge und die daraus erzielten Erträge), mindestens die Summe der zugesagten Beiträge, soweit sie nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht wurden, hierfür zur Verfügung zu stellen (Beitragszusage mit Mindestleistung), - 2a.
der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet wird, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung nach § 22 zu zahlen; die Pflichten des Arbeitgebers nach Absatz 1 Satz 3, § 1a Absatz 4 Satz 2, den §§ 1b bis 6 und 16 sowie die Insolvenzsicherungspflicht nach dem Vierten Abschnitt bestehen nicht (reine Beitragszusage), - 3.
künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden (Entgeltumwandlung) oder - 4.
der Arbeitnehmer Beiträge aus seinem Arbeitsentgelt zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung leistet und die Zusage des Arbeitgebers auch die Leistungen aus diesen Beiträgen umfasst; die Regelungen für Entgeltumwandlung sind hierbei entsprechend anzuwenden, soweit die zugesagten Leistungen aus diesen Beiträgen im Wege der Kapitaldeckung finanziert werden.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet auf Antrag des Arbeitgebers die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(2) In Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat die Aufstellung von Richtlinien über die bei Maßnahmen des Absatzes 1 Satz 1 zu beachtenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen und sozialen Gesichtspunkte verlangen. Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(2a) Die Absätze 1 und 2 finden auch dann Anwendung, wenn bei der Aufstellung der Richtlinien nach diesen Absätzen Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt.
(3) Versetzung im Sinne dieses Gesetzes ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Werden Arbeitnehmer nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt, so gilt die Bestimmung des jeweiligen Arbeitsplatzes nicht als Versetzung.
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. Dezember 2008 - 11 Sa 817/08 - wird zurückgewiesen, soweit das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 15. April 2008 - 5 Ca 3435/07 - hinsichtlich der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen hat.
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Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des gesamten Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung sowie darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer fristlosen und hilfsweise fristgemäßen verhaltensbedingten Kündigung der Beklagten beendet worden ist.
- 2
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Die Beklagte ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Sie unterhält mehrere Niederlassungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Darüber hinaus ist sie ein Unternehmen des international tätigen Konzerns P. Andere Konzernunternehmen sind außerhalb Deutschlands in verschiedenen Staaten tätig.
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Die 1965 geborene Klägerin ist seit dem 1. Juli 2000 als Steuerberaterin/Managerin in der Niederlassung Bielefeld der Beklagten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 23. Mai 2000 heißt es ua. wie folgt:
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„§ 1 Beginn und Inhalt des Arbeitsverhältnisses
1.
Sie werden ab 1. Juli 2000 als Manager für den Bereich TLS in unserer Niederlassung Bielefeld eingestellt.
2.
P behält sich das Recht vor, Sie im Bedarfsfall auch an einem anderen Arbeitsort und/oder bei einer anderen Gesellschaft des Konzerns P entsprechend Ihrer Vorbildung und Ihren Fähigkeiten für gleichwertige Tätigkeiten einzusetzen. Hierbei werden Ihre persönlichen Belange angemessen berücksichtigt.
...“
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Im Oktober 2007 fanden Gespräche zwischen den Parteien über einen zukünftigen Einsatz der Klägerin in München statt. Am 19. Oktober 2007 unterrichtete die Beklagte den in ihrer Niederlassung Bielefeld bestehenden Betriebsrat „gem. § 99 BetrVG“ über die beabsichtigte Versetzung der Klägerin zur Niederlassung München. Sie bat um Stellungnahme. Dem Betriebsrat wurde weiter mitgeteilt, die Klägerin solle ab dem 1. Dezember 2007 als „Managerin im Bereich Tax Human Resources Services“ zur Niederlassung München versetzt werden. Am 25. Oktober 2007 teilte der Betriebsrat der Niederlassung Bielefeld der Beklagten mit, er werde keine Stellungnahme abgeben. Mit identischem Formblatt und identischer Information unterrichtete die Beklagte unter dem 26. Oktober 2007 den Betriebsrat ihrer Niederlassung München. Dieser erklärte mit Datum vom 31. Oktober 2007, er werde keine Stellungnahme abgeben. Mit Schreiben vom 1. November 2007 versetzte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung zum 1. Dezember 2007 zur Niederlassung München als „Manager in dem Bereich Tax Human Resources Services“. Unter dem 29. November 2007 kündigte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Beklagten an, die Klägerin werde die Stelle in München nicht antreten. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 30. November 2007 darauf hin, dass sie in diesem Fall arbeitsrechtliche Schritte einleiten werde. Sie werte das Verhalten der Klägerin als Arbeitsverweigerung. Am 3. Dezember 2007 bot die Klägerin ihre Arbeitskraft in der Niederlassung Bielefeld tatsächlich an. Sie wurde aufgefordert, die Niederlassung zu verlassen und ihre Gebäudezutrittskarte herauszugeben. Die Arbeit in München nahm die Klägerin nicht auf. Mit Datum vom 4. Dezember 2007 hörte die Beklagte den Betriebsrat der Niederlassung Bielefeld zu einer beabsichtigten außerordentlichen sowie hilfsweisen ordentlichen Kündigung der Klägerin wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung an. Der Betriebsrat gab keine Stellungnahme ab.
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Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. März 2008 wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung.
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Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin zuletzt gegen die Versetzung sowie die Kündigungen.
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Sie hat die Auffassung vertreten, die Versetzung und die Kündigungen seien unwirksam. Die Beklagte könne sich nicht auf eine fehlende Auslastung in Bielefeld berufen. Die Niederlassung Bielefeld sei seit Jahren nicht voll ausgelastet. Zudem sei die Klägerin eine der dienstältesten Mitarbeiterinnen dieser Niederlassung. Die Beklagte habe auch zum 1. September 2007 neue Mitarbeiter eingestellt. So sei die Mitarbeiterin W mit einer vergleichbaren Arbeitstätigkeit in der Niederlassung Bielefeld noch im September 2007 eingestellt worden. Weiterhin sei im Jahr 2007 in der Steuerabteilung Bielefeld eine neue Managerstelle geschaffen worden. Dort sei seit dem 1. Juni 2000 Herr S tätig. Er übe dieselbe Tätigkeit aus wie die anderen Steuerberater der Steuerabteilung Bielefeld. Die Beklagte habe zudem über offene Stellen verfügt, die deutlich näher am Wohnort der Klägerin gelegen seien als der Versetzungsort München.
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Da die Versetzung nicht wirksam sei, habe sie keine beharrliche Arbeitsverweigerung begangen. Zudem sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt
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festzustellen, dass ihre Versetzung vom 1. Dezember 2007 als Managerin in den Bereich Tax Human Resources Services nach München unwirksam ist;
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 11. Dezember 2007 nicht aufgelöst worden ist.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Versetzung sei wirksam. Für die Klägerin sei in Bielefeld kein Beschäftigungsbedarf mehr gegeben. Soweit sie neue Mitarbeiter eingestellt habe, seien diese mit der Klägerin nicht vergleichbar. Wegen eines Großkunden sei es erforderlich gewesen, die Stelle in München kurzfristig zu besetzen. Soweit offene Stellen ausgewiesen seien, erfülle die Klägerin die Voraussetzungen teilweise nicht.
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Die Kündigungen seien deshalb wirksam, weil die Klägerin eine beharrliche Arbeitsverweigerung begangen habe. Der Bielefelder Betriebsrat sei auch ordnungsgemäß beteiligt worden. Er habe mit Datum vom 10. Dezember 2007, 18:35 Uhr, per E-Mail mitgeteilt, dass er keine Stellungnahme abgebe.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
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Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist nur hinsichtlich der Versetzung begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht(§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte der Klage nicht stattgegeben werden. Wegen fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat nicht abschließend darüber entscheiden, ob die Versetzung unwirksam ist. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
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A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag benachteilige die Klägerin unangemessen. Sie sei gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent, da sie der Beklagten das Recht einräume, die Klägerin ohne weitere Einschränkungen eines zulässigen Entfernungsradius’ und ohne Ankündigungsfrist zu allen Betrieben des Bundesgebiets und darüber hinaus zu den international tätigen Konzernunternehmen zu versetzen. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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I. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts genügt die Versetzungsklausel in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags den Erfordernissen einer Kontrolle am Maßstab der §§ 307 ff. BGB. Die Beklagte ist grundsätzlich berechtigt, den Ort der Arbeitsleistung der Klägerin innerhalb des Bundesgebiets nach billigem Ermessen näher zu bestimmen. Die Klausel ist auch nicht intransparent.
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1. Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel unterliegt nicht der Angemessenheitskontrolle des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie ist nur auf Unklarheit(§ 305c Abs. 2 BGB)und Transparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) zu untersuchen.
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2. Im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien vom 23. Mai 2000 stellte die Beklagte Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB auf. Sie bot der Klägerin nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen in dieser Form an. Die Parteien handelten die Vertragsbedingungen nicht nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB aus.
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Die Regelungen zur Gestaltung der Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes finden kraft geänderter Bereichsausnahme in § 310 Abs. 4 BGB auch auf das Arbeitsrecht Anwendung. Für sie gilt die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 5 EGBGB. Nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB ist auf Schuldverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind, das bis zu diesem Zeitpunkt geltende Recht weiter anzuwenden. Das gilt nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB auch für „Dauerschuldverhältnisse” mit der Maßgabe, dass ab dem 1. Januar 2003 das neue Recht Anwendung findet. Seitdem sind die neu gefassten §§ 305 bis 310 BGB anzuwenden. Vertrauensschutz hat der Gesetzgeber damit nur bis zum 31. Dezember 2002 eingeräumt(Senat 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 34, AP BGB § 307 Nr. 26).
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3. Es kann dahinstehen, ob die der Beklagten eingeräumte Befugnis, die Klägerin auch bei einer anderen Gesellschaft des Konzerns einzusetzen, der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB standhielte. Die davon abtrennbare Befugnis, die Klägerin zu einem anderen Arbeitsort im Bundesgebiet zu versetzen, ist jedenfalls nicht unwirksam.
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a) Eine Unwirksamkeit der Konzernversetzungsklausel würde nicht zur Gesamtunwirksamkeit der Versetzungsklausel in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags führen. Die Beklagte beruft sich im vorliegenden Fall nicht auf eine „Versetzungsbefugnis“ zu einer anderen Konzerngesellschaft, sondern nur auf die zu ihrer eigenen Niederlassung in München.
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aa) § 306 Abs. 1 BGB enthält eine kodifizierte Abweichung von der Auslegungsregel des § 139 BGB und bestimmt, dass bei Teilnichtigkeit grundsätzlich der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten bleibt. Die Anwendung dieses Grundsatzes entspricht der Interessenlage beider Arbeitsvertragsparteien(ErfK/Preis 10. Aufl. § 611 BGB Rn. 342 mwN) . Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle nach § 306 Abs. 2 BGB das Gesetz. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. blue-pencil-tests durch Streichung des unwirksamen Teils mit einem „blauen Stift” zu ermitteln (BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11, AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44; 12. März 2008 - 10 AZR 152/07 - Rn. 28, AP BGB § 305 Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 33 ) . Ist die verbleibende Restregelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Maßgeblich ist also, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Gegenstand der Inhaltskontrolle sind dann für sich jeweils verschiedene, nur formal verbundene Vertragsbedingungen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36).
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bb) Die Befugnis zur Versetzung zu anderen Konzerngesellschaften und die Befugnis zur Versetzung an einen anderen Arbeitsort sind inhaltlich abtrennbar. Dies kommt sprachlich darin zum Ausdruck, dass § 1 Nr. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags zwischen beiden Befugnissen(„und/oder“) unterscheidet. Die Konzernversetzungsklausel kann problemlos vollständig gestrichen werden. Trotzdem bleibt die übrige Versetzungsklausel äußerlich und inhaltlich unverändert und behält ihre Selbständigkeit und ihren spezifischen Zweck. Eine etwaige Unwirksamkeit der Konzernversetzungsklausel berührt deshalb nicht die verbleibende Regelung.
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b) Die in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags geregelte Befugnis der Beklagten, die Klägerin auch an einen anderen Arbeitsort zu versetzen, unterliegt nicht der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie stellt keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung iSd. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dar und unterliegt deshalb nicht der Kontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, §§ 308 und 309 BGB.
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aa) Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel entspricht materiell der Regelung in § 106 Satz 1 GewO. Danach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.
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bb) Nichts anderes bestimmt die Klausel in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags. Danach steht das Direktionsrecht der Beklagten nur unter dem Vorbehalt auch der Beachtung der persönlichen Belange der Klägerin zu. Die Zuweisung darf zudem nur für gleichwertige Tätigkeiten erfolgen. Somit kann sich die Beklagte, wie es auch § 106 Satz 1 GewO verlangt, bei der Ausübung ihres Direktionsrechts aufgrund der arbeitsvertraglichen Zuweisungsklausel nicht allein von ihren Interessen leiten lassen. Sie hat einen angemessenen Ausgleich der beiderseitigen Interessen vorzunehmen. Die Klausel entspricht damit der Regelung in § 106 GewO.
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cc) Die Befugnis der Beklagten, die Klägerin an einen anderen Ort des Unternehmens gemäß § 106 GewO versetzen zu dürfen, wird nicht dadurch eingeschränkt, dass sie nach § 1 Nr. 1 des Arbeitsvertrags in der Niederlassung Bielefeld eingestellt wurde. Die Festlegung eines bestimmten Orts in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert die Beschränkung auf einen bestimmten Ort(vgl. Preis/Genenger NZA 2008, 969, 970). Es wird klargestellt, dass weiter § 106 Satz 1 GewO und damit die Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte gilt.
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c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Klausel nicht intransparent. Das Berufungsgericht meint zu Unrecht, die Klausel sei intransparent, weil weder der zulässige Entfernungsradius noch eine Ankündigungsfrist für die Versetzung bestimmt sei. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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aa) Die Versetzungsklausel unterliegt als kontrollfreie Hauptabrede(§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB)sowohl der Unklarheitenregelung des § 305 Abs. 2 BGB als auch der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie ist jedoch weder unklar noch intransparent.
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bb) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen insoweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Auch einseitige Bestimmungsvorbehalte können nur hingenommen werden, soweit sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind und den Anlass, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht, sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben(Senat 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 40, BAGE 118, 22) .
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cc) Nach diesen Grundsätzen war es nicht zwingend notwendig, Ankündigungsfristen oder den zulässigen Entfernungsradius in die Vertragsklauseln aufzunehmen. § 106 GewO sowie entsprechende Versetzungsklauseln tragen dem im Arbeitsrecht bestehenden spezifischen Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis Rechnung. Der Arbeitsvertrag bedarf als Dauerschuldverhältnis einer ständigen, bei Vertragsschluss gedanklich nicht vorwegnehmbaren Anpassung. Die Einflussfaktoren sind im Arbeitsrecht so zahlreich und vielgestaltig, dass gesicherte Prognosen kaum möglich sind(Senat 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 35, BAGE 118, 22; zustimmend Hunold NZA 2007, 19). Eine Konkretisierungsverpflichtung würde nicht dem Bedürfnis des Arbeitgebers gerecht, auf im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vorhersehbare Veränderungen reagieren zu können. Zudem wird ein Zwang zur Konkretisierung entweder zu Leerformeln wie „sachlicher Grund“ oder zu einer ausufernden Aufzählung aller in einer möglicherweise fernen Zukunft einmal in Betracht kommenden Sachverhalte führen. Das trägt nicht notwendigerweise zur Erhöhung der Transparenz bei. Demgegenüber ist aus der hier verwandten Klausel für jeden Arbeitnehmer zweifelsfrei erkennbar, dass eine Versetzung an alle Arbeitsorte des Unternehmens in Betracht kommt. Das entspricht dem weitgehenden Bestimmungsrecht, das das Gesetz dem Arbeitgeber einräumt. Nach § 106 Satz 1 GewO kann er Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Die Regelung in § 106 Satz 1 GewO trägt damit der Gegebenheit Rechnung, dass Arbeitsverträge nur eine rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht festlegen können.
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dd) Wie im Schrifttum vorgeschlagen(vgl. Hunold NZA 2007, 19, 22), kann eine Klausel, in der sich der Arbeitgeber die Änderung des Arbeitsorts vorbehält, dem Arbeitnehmer durch Vorgaben hinsichtlich der Regionen, des Entfernungsradius’ und der Mindestkündigungsfristen Klarheit verschaffen, innerhalb welcher Grenzen und Fristen der Arbeitgeber von seiner örtlichen Versetzungsbefugnis Gebrauch machen will. Derartige Festlegungen sind wünschenswert, jedoch nicht zwingend zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderlich. Der Arbeitnehmer wird durch die vom Gericht nach § 106 GewO, § 315 BGB durchzuführende Ausübungskontrolle vor unbilliger Überforderung geschützt. Das betrifft sowohl die Frage der zulässigen Entfernung als auch die Berücksichtigung von Ankündigungsfristen. Hinzu kommen noch die nach der Betriebsverfassung zugunsten des Arbeitnehmers eingreifenden Bestimmungen, die den Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts beschränken. Dazu gehören insbesondere das Mitbestimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG mit dem Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats aus § 99 Abs. 2 Nr. 2 und 4 BetrVG sowie das Recht des Betriebsrats aus § 95 Abs. 2 BetrVG, die Aufstellung von Richtlinien für Versetzungen auch im Hinblick auf einzuhaltende soziale Gesichtspunkte zu verlangen. Der Umstand, dass der Gesetzgeber den Betriebspartnern einen derartigen weiten Regelungs- und Beurteilungsspielraum eingeräumt hat, spricht dafür, dass § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB keine zwingenden Vorgaben für eine Versetzungsklausel enthalten muss. Unter Berücksichtigung der in § 106 GewO und §§ 95, 99 BetrVG geregelten Besonderheiten ist die hier zu beurteilende weite örtliche unternehmensinterne Versetzungsklausel nicht als unangemessene Benachteiligung anzusehen.
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II. Das Landesarbeitsgericht hat aus seiner Sicht konsequent keine Ausübungskontrolle vorgenommen. Für die Prüfung, ob die Versetzung der Klägerin von Bielefeld nach München billigem Ermessen entspricht(§ 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB), bedarf es weiterer Feststellungen.
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1. Der Ort, an dem die Klägerin ihre Arbeitsleistungen erbringen muss, hat sich nicht auf die Niederlassung Bielefeld konkretisiert. Das Weisungsrecht der Beklagten ist deshalb nicht auf Bielefeld als Arbeitsort beschränkt.
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a) Arbeitspflichten können sich nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Dazu genügt jedoch nicht schon der bloße Zeitablauf. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Arbeitnehmer erkennen kann und vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll(Senat 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 50, AP BGB § 307 Nr. 26).
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b) Zwar ist die Klägerin bereits langjährig in der Niederlassung Bielefeld beschäftigt worden. Es fehlt jedoch an besonderen Umständen, denen sie hätte entnehmen können, dass sie künftig nicht an einem anderen Arbeitsort eingesetzt würde. Dass ein Arbeitnehmer sich im Lauf der Zeit bezüglich der Gestaltung seines persönlichen Umfelds an der ausgeübten Tätigkeit und insbesondere am Ort seiner Arbeitsleistung ausrichtet, ist nur eine Folge der langjährigen Tätigkeit und begründet, ohne dass weitere Umstände hinzutreten, keine Konkretisierung auf einen bestimmten Arbeitsort.
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2. Der Senat kann nicht abschließend darüber entscheiden, ob die Versetzung von Bielefeld nach München billigem Ermessen entspricht.
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a) Nach § 106 Satz 1 GewO hat der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben. Auch wenn die Versetzung des Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag zulässig ist, muss die Ausübung des Direktionsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO billigem Ermessen entsprechen. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.
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aa) Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist dann geboten, wenn die maßgeblichen Tatsachen feststehen und nur eine bestimmte Entscheidung dem Maßstab der Billigkeit entspricht(vgl. Senat 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 29 mwN, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31).
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bb) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Das gebietet eine Berücksichtigung und Bewertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Hierzu gehören im Arbeitsrecht die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen(Senat 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - Rn. 22, EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 18; BAG 28. November 1989 - 3 AZR 118/88 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 63, 267).
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b) Hier sind die für die Kontrolle der Ermessensausübung wesentlichen Tatsachen zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte hat sich insbesondere darauf berufen, der Arbeitsplatz der Klägerin in Bielefeld sei ersatzlos weggefallen. Sie werde in der Niederlassung München wegen eines Großkunden dringend benötigt. Die Klägerin hat sich darauf gestützt, sie sei die dienstälteste Mitarbeiterin in der Niederlassung Bielefeld, es gebe Beschäftigungsmöglichkeiten in Niederlassungen, die näher an ihrem Wohnort lägen, und sie erfülle nicht das Stellenprofil der übertragenen Tätigkeit in der Niederlassung München. Das Landesarbeitsgericht wird diese Umstände aufzuklären haben.
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B. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 erklärte außerordentliche und die hilfsweise ordentliche Kündigung unwirksam sind. Dies folgt entweder aus § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats in München oder aus dem Fehlen der die Kündigungen rechtfertigenden Gründe gemäß § 1 Abs. 2 KSchG und § 626 Abs. 1 BGB. Sollte die Versetzung unwirksam sein, musste die Klägerin nicht in München arbeiten. Sollte die Versetzung wirksam sein, hätte die Beklagte den Betriebsrat der Niederlassung München zu den Kündigungen anhören müssen.
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I. Welcher Betriebsrat nach § 102 BetrVG zu beteiligen ist, richtet sich nach der Wirksamkeit der Versetzung.
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1. Beteiligt der Arbeitgeber einen nicht zuständigen Betriebsrat an einer beabsichtigten Kündigung, so fehlt es an einer ordnungsgemäßen Anhörung iSv. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat desjenigen Betriebs anhören, zu dessen Belegschaft der zu kündigende Arbeitnehmer gehört(BAG 12. Mai 2005 - 2 AZR 149/04 - zu B I 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 145 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 13).
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2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Betriebsrat der Niederlassung München sei als zuständiger Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigungen vom 11. Dezember 2007 anzuhören gewesen. Aufgrund der ausgesprochenen Versetzung sei die Klägerin der Niederlassung München betrieblich zugeordnet worden. Unabhängig von der Wirksamkeit der Versetzung sei der Betriebsrat der Niederlassung München damit zuständig für eine nach der Zuordnung auszusprechende Kündigung geworden. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gelten als Betriebsangehörige im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis zum Inhaber des Betriebs stehen und innerhalb der Betriebsorganisation des Arbeitgebers abhängige Arbeitsleistungen erbringen(BAG 22. März 2000 - 7 ABR 34/98 - zu B II 2 a aa der Gründe mwN, BAGE 94, 144). Es kann dahinstehen, ob hierzu die Eingliederung in die Arbeitsorganisation genügt (so Schneider/Homburg in Däubler/Kittner/Klebe/Wedde BetrVG 12. Aufl. § 7 Rn. 5). Fehlt, wie hier, eine solche tatsächliche Eingliederung, kommt es auf die Zuordnung an.
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b) Die Klägerin war weder in die Niederlassung Bielefeld noch in die Niederlassung München tatsächlich eingegliedert. Die Beklagte hat der Klägerin in Bielefeld keine Arbeit zugewiesen. Die Klägerin hat die Erfüllung der ihr in München zugewiesenen Arbeitsaufgaben dauerhaft verweigert. Bei einer solchen fehlenden tatsächlichen Eingliederung in einen Betrieb verliert der Arbeitnehmer nicht seine Betriebszugehörigkeit. Diese ist nicht von einer steten Eingliederung in einen Betrieb abhängig. So wird sie nicht durch Abwesenheitszeiten wie Erholungsurlaub, Arbeitsunfähigkeit oder Elternzeit unterbrochen(Kreutz/Raab in GK-BetrVG 9. Aufl. § 7 Rn. 22). Entscheidend ist allein, ob noch eine spätere Wiederaufnahme der Arbeit vorgesehen ist (vgl. BAG 16. April 2003 - 7 ABR 53/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 106, 64). Das ist bei der Klägerin der Fall. Die Parteien haben zum Zeitpunkt der Anhörung des Betriebsrats in München gemäß § 102 BetrVG nicht darüber gestritten, ob die Klägerin tatsächlich arbeiten soll, sondern nur darüber, in welchem Betrieb. Für die Beantwortung dieser Frage ist maßgeblich, in welcher Niederlassung eine Arbeitspflicht der Klägerin bestand und damit, ob die Versetzung nach München wirksam war. Deshalb hängt die Zuordnung der Klägerin zu einer bestimmten Niederlassung und damit die Zuständigkeit eines Betriebsrats zur Anhörung nach § 102 BetrVG entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts von der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Versetzung ab.
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II. Demnach könnte der Betriebsrat in der Niederlassung Bielefeld nur zuständig gewesen sein, wenn die Klägerin der Niederlassung München nicht wirksam zugeordnet worden wäre. In diesem Fall stellte die Weigerung der Klägerin, die Arbeit in München aufzunehmen, keine Vertragspflichtverletzung dar. Sollte die Klägerin demgegenüber der Niederlassung München wirksam zugeordnet gewesen sein, so fehlte es an der ordnungsgemäßen Anhörung des für das Verfahren nach § 102 BetrVG zuständigen Betriebsrats der Niederlassung München.
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Düwell
Gallner
Krasshöfer
Jungermann
Pfelzer
Tenor
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Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. August 2009 - 22 Sa 79/09 - wird zurückgewiesen.
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Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die mit Schreiben des beklagten Landes vom 25. Juni 2008 angeordnete „Versetzung“ des Klägers zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool).
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Der 1946 geborene Kläger, ein diplomierter Volkswirt, ist seit Oktober 1981 bei dem beklagten Land als Angestellter der Vergütungsgruppe IIa/Ib BAT beschäftigt. Mit Schreiben vom 28. Juni 1996 teilte das beklagte Land dem Kläger mit, er werde dem Personalüberhang zugeordnet. Seine Stelle in der früheren Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport war zuvor aufgrund einer Senatsneubildung mit einem kw-Vermerk versehen worden. Nach verschiedenen Abordnungen wurde der Kläger am 1. Dezember 2004 zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool) „versetzt“. Mit rechtskräftigem Urteil vom 29. April 2008 (- 59 Ca 4667/08 -) gab das Arbeitsgericht Berlin der gegen diese personelle Maßnahme gerichteten Klage mit der Begründung statt, der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Daraufhin leitete das beklagte Land ein neues Versetzungsverfahren ein. Am 10. Juni 2008 erhielt der Personalrat den Entwurf eines Versetzungsschreibens mit folgendem Inhalt:
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„Bei der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung gibt es absehbar leider kein der Eingruppierung und Qualifizierung von Herrn T entsprechendes, dauerhaft finanziertes Aufgabengebiet, das ihm für die Weiterbeschäftigung angeboten werden könnte. Darüber hinaus liegen keine schwerwiegenden Gründe oder eine außergewöhnliche Härte vor, die das bestehende arbeitsrechtliche Bedürfnis zur Versetzung zurückdrängen könnten.“
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Am 18. Juni 2008 fand dazu eine Erörterung mit dem Personalrat statt. Das dem Entwurf entsprechende Versetzungsschreiben vom 25. Juni 2008 ging den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 26. Juni 2008 zu.
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Mit der am 30. Juli 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wehrt sich der Kläger gegen diese Versetzung. Er hat die fehlerhafte Beteiligung des Personalrats gerügt und den Standpunkt eingenommen, bei Aushändigung der Versetzungsentscheidung habe das beklagte Land die vierwöchige Frist nach § 99c Abs. 2 Satz 3 iVm. § 84 PersVG Berlin beachten müssen. Das beklagte Land habe seine im Jahr 1996 getroffene Zuordnungsentscheidung zum Personalüberhang im Anschluss an das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin im Jahr 2008 nur wiederholt. Die Versetzung vor Fristablauf sei unwirksam.
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Der Kläger hat außerdem die Auffassung vertreten, die Personalauswahl für die Zuordnung zum Personalüberhang sei fehlerhaft durchgeführt worden. Sie sei nicht dadurch entbehrlich, dass er der einzige Diplom-Volkswirt in der Senatsverwaltung sei. Im Rahmen der Vergleichbarkeit sei darauf abzustellen, dass zum Zeitpunkt der Versetzung keine seiner Vergütungsgruppe entsprechende Stelle vorhanden gewesen sei.
-
Der Kläger hat beantragt
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festzustellen, dass seine Versetzung zum Zentralen Personalüberhangmanagement - Stellenpool - aufgrund des Schreibens des beklagten Landes vom 25. Juni 2008 rechtsunwirksam ist.
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Das beklagte Land hält die „Versetzung“ für wirksam und hat seinen Abweisungsantrag mit der Auffassung begründet, der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Seine Stellungnahmefrist sei mit Einleitung des Mitwirkungsverfahrens am 10. Juni 2008 in Lauf gesetzt worden und am 25. Juni 2008 beendet gewesen. Wegen der erneuten Zuordnung des Klägers zum Personalüberhang habe sie lediglich zwei Wochen betragen. Nach dem Urteil des Arbeitsgerichts Berlin sei im Jahr 2008 erneut über die Zuordnung zum Personalüberhang und die „Versetzung“ zum Personalüberhangmanagement (Stellenpool) zu entscheiden gewesen.
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Einer Personalauswahl habe es nicht bedurft. In der betreffenden Abteilung der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung sei zum Zeitpunkt der erneuten Versetzungsentscheidung außer dem Kläger kein nach Vergütungsgruppe IIa/Ib BAT eingruppierter Volkswirt tätig gewesen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Unwirksamkeit der „Versetzung“ festgestellt. Mit der zugelassenen Revision strebt das beklagte Land weiter die Abweisung der Klage an.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die „Versetzung“ des Klägers zum Personalüberhangmanagement (Stellenpool) ist unwirksam.
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A. Die Klage ist zulässig. Die Voraussetzungen der § 253 Abs. 2 Nr. 2 und § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt.
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I. Der Feststellungsantrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
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1. Das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit des Klageantrags iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gilt auch für die Feststellungsklage. Es soll gewährleisten, dass das Urteil zu einer Befriedung des zur Entscheidung stehenden Streits der Parteien führt. Ein Feststellungsantrag muss deshalb den genauen Inhalt des Feststellungsbegehrens enthalten, der in Rechtskraft erwachsen soll (vgl. BAG 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - Rn. 11, AP ZPO § 253 Nr. 50 = EzA ZPO 2002 § 253 Nr. 3).
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2. Der Feststellungsantrag entspricht diesen Anforderungen. Der Kläger wendet sich gegen seine „Versetzung“ zum Zentralen Personalüberhang. Der Berliner Landesgesetzgeber bezeichnet eine Maßnahme im Gesetz zur Einrichtung eines Zentralen Personalüberhangmanagements - Stellenpoolgesetz (StPG) -, die sich an die Zuordnung einer Dienstkraft zum Personalüberhang anschließt, als Versetzung. Durch die Bezugnahme auf das Schreiben des beklagten Landes vom 25. Juni 2008 ist die Maßnahme zeitlich konkretisiert. Der genaue Streitgegenstand steht damit fest.
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II. Für den Antrag besteht das besondere Feststellungsinteresse.
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1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald feststellen zu lassen. Nach § 256 Abs. 1 ZPO können nur Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht aber Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Eine Feststellungsklage muss sich jedoch nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis als Ganzes erstrecken. Sie kann sich auf einzelne Bedingungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (BAG 13. März 2007 - 9 AZR 417/06 - Rn. 24 mwN, NZA-RR 2007, 549).
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2. Für die Feststellung, dass die mit Schreiben vom 25. Juni 2008 verfügte „Versetzung“ des Klägers zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool) unwirksam ist, besteht ein Feststellungsinteresse. Dabei handelt es sich zwar nicht um eine Versetzung im arbeitsrechtlichen Sinn, die durch einen dauerhaften Wechsel auf einen Arbeitsplatz in einer anderen Dienststelle desselben Arbeitgebers gekennzeichnet ist. Mit einer Versetzung ist die Änderung des Tätigkeitsbereichs, also der Art, des Orts oder des Umfangs der Tätigkeit verbunden. Diese Merkmale erfüllt die „Versetzung“ zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool) nicht. Gleichwohl besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für die gegen diese „Versetzung“ erhobene Feststellungsklage. Das Zentrale Personalüberhangmanagement (Stellenpool) ist eine der Senatsverwaltung für Finanzen nachgeordnete Behörde (§ 1 Abs. 1 StPG) und eigenständige Dienststelle iSd. § 5 PersVG Berlin(§ 7 Nr. 2 Buchst. a StPG iVm. Nr. 9 der Anlage zum PersVG Berlin idF vom 9. Dezember 2003, GVBl. S. 590). Die Zuordnung zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool) berührt die Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers aus seinem Arbeitsverhältnis. Es handelt sich nicht nur um eine unwesentliche Änderung der Arbeitsumstände, die keine Auswirkungen auf die vertraglichen Rechtsbeziehungen hat. Die „Versetzung“ bewirkt für die Betroffenen eine Umorientierung. Sie geht zudem mit einer Veränderung der Zuständigkeit des Personalrats einher, die nicht nur organisatorische Auswirkungen hat, weil die personelle Zusammensetzung eines anderen Personalrats zu anderen Entscheidungen führen kann (vgl. grundlegend BAG 15. August 2006 - 9 AZR 571/05 - Rn. 25 ff. mwN, BAGE 119, 181).
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B. Die Feststellungsklage ist begründet. Die mit Schreiben vom 25. Juni 2008 vorgenommene „Versetzung“ des Klägers zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool) ist unwirksam. Zwar erweist sich die Hauptbegründung der angefochtenen Entscheidung nicht als tragfähig. Der Eintritt der Zustimmungsfiktion nach § 84 Abs. 2 Satz 1 PersVG Berlin kann nicht mit der Begründung verneint werden, die Dienststelle habe die „Versetzung“ zum Zentralen Personalüberhangmanagement(Stellenpool) am 25. Juni 2008 vor Ablauf der am 10. Juni 2008 beginnenden Stellungnahmefrist angeordnet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts beträgt die maßgebliche Frist des Personalrats zur Stellungnahme nach § 84 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 PersVG Berlin zwei und nicht mehr vier Wochen wie nach der vor dem 1. Januar 2004 geltenden Regelung in § 99c Abs. 2 Satz 3 PersVG Berlin. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht aber in seiner Hilfsbegründung davon ausgegangen, dass die zweiwöchige Stellungnahmefrist wegen unzureichender Unterrichtung des Personalrats nicht in Lauf gesetzt worden ist. Eine ohne ordnungsgemäße Personalratsanhörung angeordnete „Versetzung“ zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool) ist unwirksam. Außerdem hat das beklagte Land eine ordnungsgemäße Personalauswahl nach der Verwaltungsvorschrift über die Zuordnung von Beschäftigten zum Personalüberhang idF vom 28. Juni 2005 (VV-Auswahl) nicht ausreichend dargelegt.
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I. Das Landesarbeitsgericht hat unzutreffend angenommen, die Beteiligung des Personalrats sei nicht ordnungsgemäß erfolgt und damit unwirksam, weil die Dienststelle vor der Durchführung der „Versetzung“ des Klägers zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool) die vierwöchige Stellungnahmefrist des § 99c Abs. 2 Satz 3 PersVG Berlin nicht eingehalten habe und das Beteiligungsverfahren bei Durchführung der „Versetzung“ noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Die Stellungnahmefrist berechnet sich nach § 84 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 PersVG Berlin.
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1. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 PersVG Berlin gilt eine von dem beklagten Land beabsichtigte Maßnahme als gebilligt, wenn sich die Personalvertretung dazu nicht innerhalb von zwei Wochen äußert. § 99c Abs. 2 Satz 3 PersVG Berlin sieht abweichend davon eine vierwöchige Stellungnahmefrist vor, wenn die der „Versetzung“ zum Zentralen Personalüberhangmanagement(Stellenpool) vorgelagerte Zuordnung zum Personalüberhang vor Inkrafttreten des Stellenpoolgesetzes am 1. Januar 2004 erfolgt ist.
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Der Lauf der Frist zur Stellungnahme für den Personalrat beginnt mit dem Zugang der ordnungsgemäßen Mitteilung der beabsichtigten Maßnahme bei der Personalvertretung. Auf den Tag der Erörterung zwischen Dienststelle und Personalvertretung kommt es nicht an. Zu der insoweit vergleichbaren Norm des § 72 Abs. 2 Satz 1 BPersVG hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, Wortlaut, grammatikalischer Zusammenhang sowie Sinn und Zweck der Frist sprächen für einen mit dem Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Unterrichtung verknüpften Fristbeginn. Diese Vorschrift bestimme lediglich, die Erörterung habe „vor der Durchführung“ der beabsichtigten Maßnahme stattzufinden. Sie müsse nicht in jedem Fall vor Ablauf der Frist des § 72 Abs. 2 Satz 1 BPersVG abgeschlossen sein (vgl. BVerwG 27. Januar 1995 - 6 P 22.92 - zu II 2 und II 2 a der Gründe mwN, BVerwGE 97, 349; vgl. auch Germelmann/Binkert/Germelmann PersVG Berlin 3. Aufl. § 84 Rn. 26 ff.; Daniels Personalvertretungsgesetz Berlin § 84 Rn. 3).
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Eine „Versetzung“ vor Ablauf der Stellungnahme des Personalrats ist unwirksam. Das PersVG Berlin regelt zwar die Rechtsfolgen einer Verletzung des § 84 PersVG Berlin nicht ausdrücklich. Daraus darf aber nicht der Schluss gezogen werden, ein Verstoß gegen die das Mitwirkungsverfahren regelnden gesetzlichen Vorschriften habe keine unmittelbaren rechtlichen Auswirkungen auf die mitwirkungspflichtige personelle Maßnahme. Das Mitwirkungsrecht der Personalvertretung will dem Personalrat durch ein gesetzlich geregeltes Beteiligungsverfahren die Möglichkeit eröffnen zu überprüfen, ob der Arbeitgeber bei der mitwirkungspflichtigen personellen Einzelmaßnahme zugunsten des betroffenen Mitarbeiters die gesetzlichen, tariflichen oder innerdienstlichen Regelungen beachtet und ggf. eine dem Einzelfall gerecht werdende Interessenabwägung vorgenommen hat. Das Mitwirkungsrecht des Personalrats entfaltet damit Drittwirkung zugunsten des von der mitwirkungspflichtigen Maßnahme betroffenen Mitarbeiters, der sich deshalb auf die Verletzung des Mitwirkungsverfahrens berufen kann, ohne dass der Personalrat seinerseits eine solche ausdrücklich geltend macht (vgl. BAG 15. August 2006 - 9 AZR 571/05 - Rn. 47 ff. mwN, BAGE 119, 181).
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2. Das beklagte Land hat danach die „Versetzung“ des Klägers zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool) nicht vor Ablauf der Stellungnahmefrist angeordnet. Die Anhörung des Personalrats ist nicht aus diesem Grund unwirksam. Eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Personalrats unterstellt, wäre die Frist am 10. Juni 2008 in Lauf gesetzt worden. Die „Versetzung“ zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool) am 25. Juni 2008 hätte die zu diesem Zeitpunkt anzuwendende zweiwöchige Stellungnahmefrist des § 84 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 PersVG Berlin gewahrt.
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Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gilt die vierwöchige Stellungnahmefrist nicht deshalb, weil der Kläger erstmals bereits im Jahr 1996 dem Personalüberhang zugeordnet worden ist. Die einer „Versetzung“ zugrunde liegende Zuordnungsentscheidung ist eine innerbehördliche organisatorische Entscheidung, die weder das Arbeitsverhältnis als solches noch hieraus folgende Ansprüche oder Rechte des Arbeitnehmers betrifft und daher nicht isoliert angreifbar ist. Es ist dem beklagten Land unbenommen, die Zuordnung einseitig rückgängig zu machen und ggf. zu einem späteren Zeitpunkt unter Beachtung des Mitwirkungsrechts der Personalvertretung nach § 99c Abs. 2 Satz 1 PersVG Berlin erneut vorzunehmen(vgl. BAG 27. Oktober 2005 - 6 AZR 123/05 - Rn. 12 f. und 17, BAGE 116, 160). Das beklagte Land hat im Anschluss an das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. April 2008 (- 59 Ca 4667/08 -) nach Inkrafttreten des Stellenpoolgesetzes eine neue Zuordnungsentscheidung getroffen. Es hat den Kläger mit Schreiben vom 25. Juni 2008 erneut dem Personalüberhang zugeordnet und zugleich zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool) „versetzt“. Auf beide Maßnahmen bezieht sich die Anhörung des Personalrats.
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II. Das Berufungsurteil erweist sich aber auf der Grundlage seiner beiden Hilfsbegründungen als richtig. Das beklagte Land hat die „Versetzung“ des Klägers zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool) ohne die ordnungsgemäße Unterrichtung der Personalvertretung nach § 99c Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 iVm. § 84 Abs. 1, § 73 Abs. 1 Satz 1 PersVG Berlin angeordnet. Die Stellungnahmefrist des Personalrats ist deshalb nicht in Lauf gesetzt worden. Die gleichwohl durchgeführte „Versetzung“ ist unwirksam. Außerdem hat das beklagte Land keinen ausreichenden Sachvortrag zu den Gründen der „Versetzung“ gehalten.
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1. Die „Versetzung“ des Klägers zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool) ist unwirksam, weil der Personalrat nicht ausreichend über die Gründe informiert wurde, die das beklagte Land veranlasst haben, den Kläger dem Personalüberhang zuzuordnen.
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a) § 99c Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 PersVG Berlin sieht die Mitwirkung des Personalrats der bisherigen Dienststelle bei der Zuordnung der Dienstkraft zum Personalüberhang und der daran anschließenden „Versetzung“ zum Zentralen Personalüberhangmanagement(Stellenpool) vor.
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aa) Diese Mitwirkung kann wirksam nur nach einer umfassenden Unterrichtung des Personalrats über die beabsichtigte „Versetzung“ erfolgen. Nach § 84 Abs. 1 PersVG Berlin ist die beabsichtigte Maßnahme vor ihrer Durchführung mit dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und eingehend mit der Personalvertretung zu erörtern, wenn diese an der Entscheidung mitwirkt(BAG 15. August 2006 - 9 AZR 571/05 - Rn. 31, BAGE 119, 181). Er kann seine Rechte innerhalb der Frist nur sachgemäß ausüben, wenn er sich über die Umstände der „Versetzung“ ein genaues Bild machen kann (vgl. ähnlich zu den Anforderungen der Unterrichtung vor einer beabsichtigten Kündigung BVerwG 27. Januar 1995 - 6 P 22.92 - zu II 2 b der Gründe mwN, BVerwGE 97, 349). Eine Erörterung der beabsichtigten Maßnahme ist nur möglich, wenn der Personalrat nach § 73 Abs. 1 Satz 1 PersVG Berlin vorher über sämtliche entscheidungserhebliche Gesichtspunkte, die ihm nicht bereits bekannt sind, vollständig informiert worden ist. Auf diese Unwirksamkeitsgründe braucht sich der Kläger nicht im Einzelnen zu berufen. Es genügt, wenn er rügt, dass die Personalratsanhörung nicht ordnungsgemäß ist. Damit obliegt dem beklagten Land die Darlegung der ordnungsgemäßen Beteiligung der Personalvertretung iSd. § 99c Abs. 2 iVm. § 84 Abs. 1 PersVG Berlin an der „Versetzung” eines Arbeitnehmers zum Zentralen Personalüberhangmanagement(Stellenpool). Nur wenn sich aus der Darlegung des beklagten Landes schlüssig die Tatsachen für eine gesetzesgemäße Durchführung des Mitwirkungsverfahrens nach § 99c Abs. 2 iVm. § 84 Abs. 1 PersVG Berlin ergeben, obliegt es dem Arbeitnehmer, konkret darzulegen, worin er Fehler dieser Personalratsbeteiligung sieht(vgl. BAG 15. August 2006 - 9 AZR 656/05 - Rn. 49 mwN, ZTR 2007, 214). Es reicht nicht aus, Angaben erst nach einer Stellungnahme der Personalvertretung mitzuteilen oder in einer anschließend stattfindenden Erörterung nachzuholen. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass die Maßnahme nach § 84 Abs. 2 Satz 1 PersVG Berlin als gebilligt gelten könnte und die Einwendungen des Personalrats unbeachtlich wären (vgl. BVerwG 27. Januar 1995 - 6 P 22.92 - zu II 2 b der Gründe, aaO; 7. April 2010 - 6 P 6.09 - Rn. 20 mwN, BVerwGE 136, 271).
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bb) Im Falle einer „Versetzung“ zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool) gehört zu einer vollständigen und umfassenden Unterrichtung mindestens, dass die Dienststelle die Person des zu versetzenden Arbeitnehmers bezeichnet, den beabsichtigten Zeitpunkt angibt und die hierfür maßgeblichen Gründe einschließlich des für sie maßgebenden Sachverhalts mitteilt. Der Personalrat muss darüber informiert werden, welche Aufgaben weggefallen oder auf andere Dienstkräfte übertragen worden sind, so dass eine Beschäftigung der Überhangkraft nicht mehr möglich ist. Er muss außerdem die Wirksamkeit der Zuordnung des Klägers zum Personalüberhang im Juni 2008 nachvollziehen können. Auch wenn die Entscheidung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer dem Personalüberhang zuzuordnen, keine unmittelbaren Rechtswirkungen für das Arbeitsverhältnis entfaltet, ist sie Teilelement eines Gesamtvorgangs nach dem StPG, der mit der Zuordnung der Dienstkraft zum Personalüberhang beginnt. Durfte der Arbeitnehmer nicht dem Personalüberhang zugeordnet werden, ist die anschließende „Versetzung” zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool) unwirksam. Dorthin dürfen nach § 1 Abs. 2 Satz 3 StPG nur Dienstkräfte nach § 1 Abs. 2 Satz 1 StPG versetzt werden, die dem Personalüberhang zuvor wirksam zugeordnet worden sind(vgl. zur Vorgängerregelung der VV-Auswahl, der Gesamt-Vereinbarung zur Verwaltungsreform und Beschäftigungssicherung, BAG 13. März 2007 - 9 AZR 362/06 - Rn. 26 mwN, EzTöD 100 TVöD-AT § 4 Abs. 1 Versetzung Nr. 2).
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cc) Die Zuordnung zum Personalüberhang richtet sich nach der VV-Auswahl. Diese Verwaltungsvorschrift sieht vor, dass die Zuordnung von Beschäftigten zum Personalüberhang nach § 1 Satz 1 VV-Auswahl innerhalb einer Abteilung, eines Leistungs- und Verantwortungszentrums/einer Serviceeinheit in einer Behörde zwischen vergleichbaren Beschäftigten vorgenommen wird. Bei der persönlichen Auswahl sind nach § 2 Abs. 1 VV-Auswahl alle Beschäftigten(Arbeiter, Angestellte und Beamte) vergleichbarer Aufgabengebiete einzubeziehen. Nach § 2 Abs. 3 VV-Auswahl setzt Vergleichbarkeit die Zuordnung zu derselben Lohn-/Vergütungsgruppe für eine dem Arbeitsvertrag entsprechende Tätigkeit voraus; bei Beamten kommt es auf die Zuordnung zu derselben Besoldungsgruppe innerhalb derselben oder einer gleichwertigen Laufbahn (§ 17 Abs. 2 LfbG) an. Beamte und Arbeitnehmer gehören nach § 2 Abs. 3 Satz 3 VV-Auswahl einer Vergleichsgruppe an, wenn sie aufgrund der Bewertung ihrer Arbeitsgebiete untereinander austauschbar sind. § 2 Abs. 4 VV-Auswahl verlangt außerdem, dass die Beschäftigten nach ihren Ausbildungen und Erfahrungen für die Tätigkeit annähernd gleich geeignet sind bzw. der gleichen Fachrichtung angehören. Von annähernd gleicher Eignung geht die Vorschrift auch dann aus, wenn die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen im Rahmen einer zumutbaren Weiterbildung oder Fortbildung oder im Rahmen einer sechsmonatigen Einarbeitungszeit erworben werden können. Wird eine Auswahlgruppe wegen fehlender Voraussetzungen nicht gebildet, so befindet sich der Beschäftigte nach § 2 Abs. 5 VV-Auswahl im Personalüberhang, der das künftig wegfallende Aufgabengebiet innehat. Die VV-Auswahl regelt bestimmte Ausnahmen (in § 3 von der Bildung einer Auswahlgruppe, in § 4 von der Einbeziehung in eine Auswahlgruppe, in § 5 von der Zuordnung zum Personalüberhang). § 6 VV-Auswahl bestimmt für die vergleichbaren Beschäftigten Auswahlkriterien(Lebensalter, Beschäftigungszeiten, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) und gewichtet diese nach einem Punkteschema.
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dd) Bei der VV-Auswahl handelt es sich um eine generell-abstrakte Anordnung einer Behörde an die nachgeordneten Behörden, die eine richtige, zweckmäßige und einheitliche Ausübung der Verwaltung bei der Zuordnung von Dienstkräften zum Personalüberhang gewährleisten soll. Außenwirkung erlangt sie über die Verwaltungspraxis und den Gleichheitssatz. Verwaltungsvorschriften begründen durch ständige Anwendung eine gleichmäßige Verwaltungspraxis, durch die sich die Verwaltung selbst bindet (vgl. BVerwG 28. Mai 2008 - 1 WB 19.07 - Rn. 23 mwN, Buchholz 449 SG § 3 Nr. 44). An diese Vorschrift ist das beklagte Land bei seiner Auswahlentscheidung gebunden. Es hat daher den Personalrat vollständig darüber zu informieren, auf welchen nach der VV-Auswahl anzustellenden Auswahlüberlegungen die getroffene Entscheidung beruht.
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b) Diese Anforderungen erfüllt der am 10. Juni 2008 übermittelte Entwurf des Versetzungsschreibens nicht. Der Kläger hat die ordnungsgemäße Personalratsbeteiligung bereits erstinstanzlich gerügt. Damit oblag dem beklagten Land die Darlegung der ordnungsgemäßen Beteiligung der Personalvertretung iSd. § 99c Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 PersVG Berlin sowohl an der Zuordnung des Klägers zum Personalüberhang als auch an dessen „Versetzung“ zum Zentralen Personalüberhangmanagement(Stellenpool). Das Arbeitsgericht hat in der Güteverhandlung vom 4. September 2008 einen entsprechenden Hinweis erteilt.
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aa) Das beklagte Land hat seinen Vortrag auf die Vorlage des beabsichtigten Versetzungsschreibens beschränkt. Daraus ergibt sich im Wesentlichen nur, es bestehe für den Kläger bei der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung „absehbar ... kein der Eingruppierung und Qualifizierung“ des Klägers „entsprechendes, dauerhaft finanziertes Aufgabengebiet, das ihm für die Weiterbeschäftigung angeboten werden könnte“. Diese Begründung lässt keine Beurteilung zu, ob das beklagte Land die Vorgaben der VV-Auswahl bei der Zuordnung zum Personalüberhang im Jahr 2008 beachtet hat. Weder kann der Personalrat feststellen, dass sich das beklagte Land bei seiner erneuten Zuordnungsentscheidung mit der aktuellen Beschäftigungssituation in der für den Kläger relevanten Abteilung auseinandergesetzt hat, noch ist erkennbar, welche Erwägungen es zur sozialen Auswahl nach Maßgabe der VV-Auswahl angestellt hat. Nach dem Entwurf des Versetzungsschreibens ist für den Personalrat nicht zu erkennen, ob sich die Überlegungen des beklagten Landes zur „Weiterbeschäftigung“ auf freie Arbeitsplätze beschränken oder ob sie sich auf Arbeitsplätze erstrecken, die mit vergleichbaren Beamten oder mit Angestellten der Vergütungsgruppe IIa/Ib BAT besetzt sind, denen der Kläger nach Maßgabe des § 2 Abs. 4 VV-Auswahl vergleichbar sein könnte. Das beklagte Land hat nicht mitgeteilt, dass in dem nach § 1 VV-Auswahl relevanten Auswahlbereich keine freie oder mit einem anderen Angestellten besetzte Stelle vorhanden war, auf der der Kläger hätte beschäftigt werden können, nachdem er sich die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen im Rahmen einer zumutbaren Weiter- bzw. Fortbildung oder einer sechsmonatigen Einarbeitungszeit hätte aneignen können. Selbst die im Prozess vertretene Auffassung des beklagten Landes, eine soziale Auswahl habe nicht durchgeführt werden müssen, weil der Kläger der einzige Diplom-Volkswirt in der Vergütungsgruppe IIa/Ib BAT sei, ist dem Schreiben nicht zu entnehmen. Diese Auffassung wäre dem Personalrat im Rahmen der Unterrichtung zumindest so zu erläutern gewesen, dass er sich damit konkret hätte befassen und etwa einwenden können, der Kläger sei nicht als Volkswirt, sondern als Verwaltungsangestellter angestellt und beschäftigt worden. Erst aufgrund konkreter Informationen hätte er sich damit auseinandersetzen können, welche vorhandenen, mit anderen Arbeitnehmern besetzten Tätigkeiten für den Kläger entgegen der Einschätzung des beklagten Landes in Betracht zu ziehen gewesen wären. Aufgrund eines entsprechenden Informationsstands hätte er ergänzende Angaben zu den aus seiner Sicht in Betracht kommenden Angestellten und deren Sozialdaten verlangen und ggf. auf dieser Grundlage mit dem beklagten Land die beabsichtigte „Versetzung“ erörtern können.
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bb) Es ist auch weder festgestellt noch von dem beklagten Land behauptet worden, dass und ggf. auf welcher Informationsgrundlage der Personalrat von den Gründen der Zuordnung zum Personalüberhang Kenntnis gehabt hätte. Umstände, die aufgrund des zwischen den Parteien geführten Vorprozesses bekannt waren, betrafen nicht die streitbefangene Zuordnung zum Personalüberhang und die „Versetzung“ zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool), sondern einen in der Vergangenheit liegenden, überholten Gegenstand. Der Vortrag des beklagten Landes, die Informationen seien in der mündlichen Erörterung am 18. Juni 2008 erteilt worden, indem zwei Vertreter des Dienststellenleiters zu allen mit der „Versetzung“ des Klägers verbundenen Fragen Rede und Antwort gestanden hätten, ist nicht erheblich. Eine nachträgliche Information heilt die offensichtlich unzureichende Unterrichtung nicht rückwirkend. Bei einer im Zeitpunkt der Anhörung ausreichenden Unterrichtung wäre die zweiwöchige Frist zur Stellungnahme vor der mit Schreiben vom 25. Juni 2008 angeordneten „Versetzung“ nicht gewahrt.
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2. Es kommt somit nicht darauf an, dass sich das Berufungsurteil mit der weiteren Begründung der Vorinstanz als richtig erweist, das beklagte Land habe nicht ausreichend dargelegt, dass der Kläger dem Personalüberhang nach den Kriterien der VV-Auswahl zugeordnet worden sei. Durfte der Arbeitnehmer nicht dem Personalüberhang zugeordnet werden, führt dies zur Unwirksamkeit der anschließenden „Versetzung” zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool).
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a) Das folgt aus § 1 Abs. 2 Satz 3 StPG. Danach dürfen nur Personalüberhangkräfte zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool) versetzt werden. Dies sind nach § 1 Abs. 2 Satz 1 StPG Dienstkräfte, die dem Personalüberhang(wirksam) zugeordnet worden sind (zur Vorgängerregelung der VV-Auswahl, der Gesamt-Vereinbarung zur Verwaltungsreform und Beschäftigungssicherung, BAG 13. März 2007 - 9 AZR 362/06 - Rn. 26 mwN, EzTöD 100 TVöD-AT § 4 Abs. 1 Versetzung Nr. 2). Die Rechtswirksamkeit der Zuordnung des Klägers zum Personalüberhang richtet sich nach der VV-Auswahl.
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b) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht entschieden, das beklagte Land habe nicht dargelegt, dass es eine Personalentscheidung nach Maßgabe der VV-Auswahl getroffen habe. Es hat zunächst die Auffassung vertreten, eine Personalauswahl sei aufgrund der im Jahr 1996 erfolgten Zuordnung des Klägers zum Personalüberhang nicht erforderlich gewesen, da der Kläger der einzige nach IIa/Ib BAT bewertete Beschäftigte im Referat L gewesen sei und die Gesamt-Vereinbarung zur Verwaltungsreform und Beschäftigungssicherung damals noch nicht gegolten habe. Da es auf diese inzwischen überholte Zuordnung aber - wie das beklagte Land selbst zutreffend argumentiert - aufgrund der im Zuge der „Versetzung“ des Klägers zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool) am 25. Juni 2008 getroffenen Entscheidung nicht ankommt, hat das beklagte Land im Berufungsverfahren den Standpunkt eingenommen, es habe auch im Jahr 2008 keiner Personalauswahl bedurft, weil der Kläger der einzige Diplom-Volkswirt in der Vergütungsgruppe IIa/Ib BAT in seiner Abteilung gewesen sei. Hierbei hat es verkannt, dass der Kläger nicht als diplomierter Volkswirt tätig gewesen ist. Es ist auch nicht feststellbar, ob und ggf. in welcher Weise sich das beklagte Land bei seiner erneuten Zuordnungsentscheidung im Juni 2008 mit der zu diesem Zeitpunkt aktuellen Beschäftigungssituation in der für den Kläger relevanten Abteilung auseinandergesetzt hat. Der Vortrag, die übrigen Verwaltungsangestellten der Vergütungsgruppe IIa/Ib BAT verfügten über völlig andere Ausbildungsgänge sowie Einsatzgebiete und seien in Bereichen tätig, in denen der Kläger nicht habe eingesetzt werden können, reicht dafür nicht aus. Danach lässt sich weder beurteilen, ob der Kläger nach § 2 Abs. 3 Satz 2 VV-Auswahl mit beamteten Mitarbeitern verglichen werden kann, noch ob nach einer zumutbaren Weiter- bzw. Fortbildung oder einer sechsmonatigen Einarbeitungszeit nach § 2 Abs. 4 Satz 2 VV-Auswahl von einer annähernd gleichen Eignung für bestehende Tätigkeiten ausgegangen werden kann.
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C. Das beklagte Land hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
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Gallner
Schmidt
Kiel
Günther Metzinger
Strippelmann
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Tenor
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1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Juni 2010 - 17 Sa 2099/09 - wird zurückgewiesen.
-
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten noch darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis über den 31. März 2009 hinaus bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres der Klägerin fortbesteht.
-
Die am 29. März 1949 geborene Klägerin ist Bankkauffrau. Sie war ab Dezember 1983 bei der Staatsbank der Deutschen Demokratischen Republik beschäftigt. Zum 1. Juli 1990 trat die Beklagte in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ein. Im Oktober 2003 vereinbarten die Parteien die Änderung der Arbeitsbedingungen ab April 2004. In dem Vertrag, der als Daten der Unterzeichnung den 8. bzw. 21. Oktober 2003 ausweist, heißt es ua.:
-
„I.
01.04.04 bis zum 31.03.09
Zwischen der Bank und Frau W wird für die Zeit vom 01.04.04 bis zum 31.03.09 eine Altersteilzeit vereinbart.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
1.
Arbeitszeit
Die Arbeitszeit von Frau W beträgt ab 01.04.04 50 % der tariflichen Arbeitszeit. Frau W wird während der Altersteilzeit ein sabbatical nehmen und von der Arbeitsleistung freigestellt.
2.
Vergütung
Frau W wird während der Altersteilzeit 50 % ihres letzten Grundgehalts vor Beginn des sabbaticals, abzüglich des auf Basis von 70 % berechneten wirtschaftlichen Arbeitnehmeranteils am BVV, das sind monatlich
EURO 1.426,52 brutto,
sowie monatliche vermögenswirksame Leistungen in Höhe von EURO 20,00 brutto aus ... entnehmen.
Frau W hat während der Altersteilzeit keinen Anspruch auf Zahlung von Boni.
3.
Aufstockung der Bruttovergütung
Der von Frau W aus ... monatlich zu entnehmende Betrag wird von der Bank um 15 % der Vollzeitbruttovergütung aufgestockt.
...
8.
Urlaub
Urlaubsansprüche, die während des sabbaticals entstehen, sind durch die Freistellung abgegolten.
...
10.
Hinweise und Mitteilungspflichten des Mitarbeiters
...
Frau W hat zur weiteren Information über die gesetzlichen Regelungen für die Altersteilzeit das Merkblatt Nr. 14a der Bundesanstalt für Arbeit erhalten.
II.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses / Erlöschen der Ansprüche
Das Arbeitsverhältnis endet spätestens zum 31.03.09, ohne dass es einer Kündigung bedarf.
Die Ansprüche aus dieser Vereinbarung - mit Ausnahme der Regelungen für die Pensionierung - erlöschen mit der Pensionierung, spätestens jedoch am 31.03.09. Sollte aufgrund zwischenzeitlicher Gesetzesänderungen eine Inanspruchnahme der gesetzlichen Rente zum 01.04.09 nicht mehr möglich sein, verlängert sich die Laufzeit dieser Vereinbarung bis zu dem dann geltenden frühestmöglichen Verrentungszeitpunkt.
...
III.
Sonstige Arbeitsbedingungen
Im Übrigen gelten die Regelungen des Nachtrags vom 17.02.2003 zum Sozialplan vom 15.12.2000, des Anstellungsschreibens vom 01.04.90 sowie die zwischenzeitlichen Änderungen und Ergänzungen unverändert weiter.“
-
Während ihrer Freistellung ab April 2004 bat die Klägerin die Beklagte um die Aussetzung des „sabbaticals“ und bewarb sich bei der Beklagten wiederholt ohne Erfolg um eine erneute Anstellung. Mit anwaltlichem Schreiben vom 15. Juni 2007 verlangte sie von der Beklagten Schadensersatz iHv. 4.279,56 Euro brutto wegen Altersdiskriminierung. In dem Schreiben heißt es auszugsweise:
-
„Unsere Mandantin ist mit Ihnen durch einen Altersteilzeitvertrag bis zum 31.03.2009 verbunden.
Wie Sie wissen hat unsere Mandantin die Möglichkeit des Weges in die Altersteilzeit nicht aus eigener Initiative ergriffen.
…
Auch aus finanziellen Gründen war unsere Mandantin sehr bemüht, ihren Status zu verändern.
Zu diesem Zweck unternahm unsere Mandantin bei Ihnen mehrere Bewerbungsversuche. Stets wurde der Wunsch angezeigt nach einer Veränderung von Dauer und Lage der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit.
Nach § 7 Abs. 2 TzBfG sind Sie verpflichtet, über entsprechende Arbeitsplätze zu informieren, die im Betrieb oder Unternehmen besetzt werden sollen.
Dem sind Sie bis heute nicht nachgekommen.
Unsere Mandantin richtete am 23.01.2007 an Sie eine konkrete Initiativbewerbung. Es wurde um Aussetzung des sabbaticals gebeten.
Mit Schreiben vom 26.02.2007 lehnten Sie ab und teilten mit, dass bestehende oder zukünftige Vakanzen Sie primär mit Ihren auslernenden Auszubildenden besetzen können.
Unsere Mandantin ergriff am 18.04.2007 erneut die Initiative unter Bezugnahme auf Ihre Bewerbung vom 23.01.2007. Unsere Mandantin bewarb sich für eine nicht konkretisierte Tätigkeit in Ihrem Unternehmen am Platz Berlin/im Raum Berlin. Es wurde noch einmal gebeten, den geschlossenen Altersteilzeitvertrag auszusetzen.“
- 4
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Mit ihrer am 16. April 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrte die Klägerin ua. die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der im Vertrag vom 8./21. Oktober 2003 vereinbarten Befristung zum 31. März 2009 geendet hat und nicht aufgrund einer Aufhebungsvereinbarung vom 8./21. Oktober 2003 aufgelöst worden ist. Gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2009 die Vereinbarung vom 8./21. Oktober 2003 unter allen rechtlichen Gesichtspunkten angefochten.
-
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
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1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch den Vertrag vom 8./21. Oktober 2003 nicht aufgelöst ist, sondern über den 31. März 2009 hinaus fortbesteht,
2.
die Beklagte zu verurteilen, ihr ein auf Leistung und Führung bezogenes Zwischenzeugnis zu erteilen,
3.
die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Bankkauffrau weiterzubeschäftigen.
- 6
-
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, § 41 Satz 2 SGB VI stehe der in der Altersteilzeitvereinbarung vom 8./21. Oktober 2003 vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2009 nicht entgegen. Die Klägerin habe die im Altersteilzeitarbeitsvertrag getroffenen Abreden mit dem Schreiben vom 15. Juni 2007 bestätigt. Selbst wenn keine wirksame Bestätigung im Sinne von § 41 Satz 2 SGB VI vorliegen sollte, wäre die Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls nach § 8 Abs. 3 AltTZG aF zulässig. Der Vertrag vom 8./21. Oktober 2003 habe den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG genügt. Der Klägerin habe im Anschluss an das Altersteilzeitarbeitsverhältnis Rente nach Altersteilzeitarbeit zugestanden. Aber auch dann, wenn kein Anspruch der Klägerin auf Rente nach Altersteilzeitarbeit bestanden haben sollte, würde § 41 Satz 2 SGB VI jedenfalls durch die gebotene entsprechende Anwendung des § 8 Abs. 3 AltTZG aF auf andere Rentenarten verdrängt.
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Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch den Vertrag vom 8./21. Oktober 2003 nicht aufgelöst ist, sondern über den 31. März 2009 hinaus fortbesteht. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Beklagte verfolgt mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision ihr Ziel der vollständigen Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
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I. Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt allein die Frage, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß Ziff. II Abs. 1 des Vertrags vom 8./21. Oktober 2003 mit Ablauf des 31. März 2009 beendet worden ist. Diese Frage hat das Landesarbeitsgericht zu Recht verneint. Es ist davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis zu den im Vertrag vom 8./21. Oktober 2003 wirksam vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres der Klägerin fortbesteht, insbesondere der Vertrag von der Klägerin nicht wegen Irrtums (§ 119 Abs. 1 BGB) oder widerrechtlicher Drohung der Beklagten (§ 123 Abs. 1 BGB) wirksam angefochten wurde. Aus diesem Grund hat das Landesarbeitsgericht das Bestehen eines Beschäftigungsanspruchs verneint. Soweit die Klägerin durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts beschwert ist, ist es in Rechtskraft erwachsen, weil die Klägerin - trotz Zulassung der Revision für beide Parteien - kein Rechtsmittel eingelegt hat. Deshalb kann die Klägerin mit ihrem Vorbringen im Schriftsatz vom 21. Februar 2012, mit dem sie Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich des nicht in der Revision angefallenen Streitgegenstands rügt und das am 8. Mai 2012 Gegenstand der Beratung des Senats war, nicht durchdringen.
- 9
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1. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit Ablauf des 31. März 2009 sein Ende gefunden hat, ist frei von Rechtsfehlern.
- 10
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a) Nach § 41 Satz 2 SGB VI gilt eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der Arbeitnehmer vor Erreichen der Regelaltersgrenze(§ 41 Satz 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung: Vollendung des 65. Lebensjahres) eine Rente wegen Alters beantragen kann, dem Arbeitnehmer gegenüber als auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen, es sei denn, dass die Vereinbarung innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen oder von dem Arbeitnehmer bestätigt worden ist.
- 11
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b) Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2009 wurde von der Beklagten und der am 29. März 1949 geborenen Klägerin im Oktober 2003 und damit nicht innerhalb der Dreijahresfrist vereinbart. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat die Klägerin die Vereinbarung vom 8./21. Oktober 2003 bezüglich der vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2009 mit dem anwaltlichen Schreiben vom 15. Juni 2007 auch nicht innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt im Sinne von § 41 Satz 2 Alt. 2 SGB VI bestätigt.
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aa) Die Bestätigung nach § 41 Satz 2 Alt. 2 SGB VI ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Arbeitnehmers (ErfK/Rolfs 12. Aufl. § 41 SGB VI Rn. 21; Freudenberg in jurisPK-SGB VI § 41 Rn. 33). Sie kann ebenso wie eine Bestätigung nach § 141 BGB(vgl. dazu MüKoBGB/Busche 6. Aufl. § 141 Rn. 13 mwN) auch schlüssig erfolgen.
- 13
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bb) Das Schreiben der Klägerin vom 15. Juni 2007 beinhaltet atypische Erklärungen. Diese beziehen sich vor allem auf die geltend gemachte Altersdiskriminierung und den beanspruchten Schadensersatz. Die Auslegung solcher individueller Willenserklärungen ist vom Revisionsgericht - im Gegensatz zu typischen Erklärungen - nur daraufhin zu überprüfen, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 32 mwN, BAGE 134, 269). Die Auslegung des Schreibens vom 15. Juni 2007 durch das Landesarbeitsgericht hält dieser eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle stand.
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cc) Willenserklärungen sind nach § 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern(vgl. zur Anwendbarkeit des § 157 auf einseitige Willenserklärungen: Palandt/Ellenberger BGB 71. Aufl. § 157 Rn. 1). Dabei ist nach § 133 BGB ausgehend vom objektiven Wortlaut der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (st. Rspr., vgl. BAG 3. April 2007 - 9 AZR 283/06 - Rn. 48, BAGE 122, 33).
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dd) Dem wird die Auslegung des Landesarbeitsgerichts gerecht. Seine Annahme, die Klägerin habe mit der Formulierung, dass sie mit der Beklagten durch einen Altersteilzeitarbeitsvertrag bis zum 31. März 2009 verbunden sei, die im Vertrag vom 8./21. Oktober 2003 vorgesehene Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht bestätigt, sondern nur die von ihr für richtig gehaltene Rechtslage wiedergeben, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach eine Bestätigung voraussetzt, dass die bestätigende Vertragspartei den Grund der Nichtigkeit kennt oder zumindest Zweifel an der Rechtsbeständigkeit der Vereinbarung hat (vgl. zur Bestätigung im Sinne von § 141 Abs. 1 BGB: BAG 19. Januar 2010 - 3 AZR 191/08 - Rn. 37, BAGE 133, 90). Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht auch zur Stützung des Auslegungsergebnisses den weiteren Inhalt des Schreibens herangezogen und dabei auf die Bitte der Klägerin abgestellt, den geschlossenen Altersteilzeitarbeitsvertrag auszusetzen. Aus dieser Bitte hat das Landesarbeitsgericht mit Recht kein Einverständnis der Klägerin mit der vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. März 2009 abgeleitet, sondern rechtsfehlerfrei angenommen, daraus werde deutlich, dass die Klägerin die getroffene Vereinbarung nicht gegen sich habe gelten lassen wollen.
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2. Ohne Erfolg rügt die Beklagte, § 41 Satz 2 SGB VI sei auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht anwendbar, sondern werde durch die speziellere Regelung des § 8 Abs. 3 AltTZG in der bis zum 30. April 2007 gültigen Fassung (§ 8 Abs. 3 AltTZG aF) verdrängt. Nach dieser Vorschrift ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Altersteilzeitarbeit, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, in dem der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Rente nach Altersteilzeitarbeit hat, zulässig. Die Vereinbarung der Parteien vom 8./21. Oktober 2003 genügt diesen Anforderungen nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten findet § 8 Abs. 3 AltTZG aF weder unmittelbar noch analog Anwendung.
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a) Die Klägerin hatte zum vorgesehenen Beendigungszeitpunkt keinen Anspruch auf Rente nach Altersteilzeitarbeit. Die Parteien vereinbarten am 8./21. Oktober 2003 nicht nur in Ziff. I Nr. 1 Satz 1 des Vertrags die Reduzierung der Arbeitszeit der Klägerin auf 50 vH der tariflichen Arbeitszeit ab dem 1. April 2004, sondern in Ziff. I Nr. 1 Satz 2 des Vertrags auch, dass die Klägerin während der Altersteilzeit ein „sabbatical“ nimmt und von der Arbeitsleistung völlig freigestellt wird. Aufgrund dieser völligen Freistellung von der Arbeitsleistung erfüllt die Vereinbarung vom 8./21. Oktober 2003 nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG bzw. des § 237 SGB VI(vgl. BAG 10. Februar 2004 - 9 AZR 401/02 - zu A III 2 b bb der Gründe, BAGE 109, 294). § 237 SGB VI regelt den bevorzugten Zugang zur Altersrente nach Altersteilzeitarbeit. Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b dieser Vorschrift verlangt, dass die Arbeitszeit aufgrund von Altersteilzeitarbeit im Sinne von § 2 und § 3 Abs. 1 Nr. 1 AltTZG für mindestens 24 Kalendermonate vermindert wurde. Dieser Zugang zur Rente kann nur durch eine Gestaltung der Altersteilzeitarbeit erworben werden, die § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG entspricht. Das setzt voraus, dass die Arbeitszeit „auf die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit vermindert“ wurde. Nach dem Wortlaut der Bestimmung reicht es deshalb nicht aus, dass weniger als die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit geleistet wurde. Derartige Regelungen sind nur für den Sonderfall einer ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit während der Altersteilzeitarbeit vorgesehen (§ 2 Abs. 2 und Abs. 3 AltTZG). Abweichungen von den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen sind nicht zulässig; die Verringerung der Arbeitszeit auf die Hälfte ist zwingend vorgeschrieben (BAG 10. Februar 2004 - 9 AZR 401/02 - zu A III 2 b bb der Gründe mwN, aaO; Rolfs Anm. AP BGB § 119 Nr. 15; Oberthür NZA 2005, 377, 379; Hänlein jurisPR-SozR 20/2004 Anm. 2).
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b) Allerdings ist nach der seit dem 1. Mai 2007 geltenden Fassung des § 8 Abs. 3 AltTZG nur noch auf den Anspruch auf eine Rente wegen Alters und nicht mehr auf den Anspruch auf eine Rente nach Altersteilzeitarbeit abzustellen. Dies hilft der Beklagten jedoch nicht weiter. Für die Frage, ob die Vereinbarung der Parteien vom 8./21. Oktober 2003 die Voraussetzungen eines Altersteilzeitarbeitsvertrags erfüllt oder nicht, ist nicht die ab dem 1. Mai 2007 geltende Rechtslage maßgebend (vgl. zur Befristungskontrolle einer Altersteilzeitvereinbarung: BAG 16. November 2005 - 7 AZR 86/05 - Rn. 22, AP ATG § 8 Nr. 2 = EzA ATG § 8 Nr. 1). Das folgt schon daraus, dass das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20. April 2007 (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz, BGBl. I S. 554), durch dessen Art. 14 die Regelung in § 8 Abs. 3 AltTZG aF geändert wurde, zum Übergangsrecht in Art. 27 Abs. 7 regelt, dass die Änderung des § 8 Abs. 3 AltTZG am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft tritt. Eine Rückwirkung wurde damit nicht angeordnet. Im Übrigen bestimmt § 15g AltTZG, dass die Vorschriften in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung mit Ausnahme des § 15 weiterhin anzuwenden sind, wenn mit der Altersteilzeitarbeit vor dem 1. Juli 2004 begonnen wurde.
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c) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist § 8 Abs. 3 AltTZG aF im Entscheidungsfall nicht analog anzuwenden. Einer analogen Anwendung des § 8 Abs. 3 AltTZG aF steht entgegen, dass die Parteien die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in einem Altersteilzeitarbeitsvertrag vereinbart haben und es damit an einem gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand iSd. § 1 Abs. 1 AltTZG fehlt. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat auch bisher eine analoge Anwendung des § 8 Abs. 3 AltTZG aF nur in solchen Fällen angenommen, in denen ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis iSd. AltTZG begründet worden war (BAG 16. November 2005 - 7 AZR 86/05 - Rn. 28, AP ATG § 8 Nr. 2 = EzA ATG § 8 Nr. 1; 27. April 2004 - 9 AZR 18/03 - zu A II 6 b der Gründe, BAGE 110, 208).
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Durch die Änderung des AltTZG sollte der gleitende Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand durch Altersteilzeitarbeit erleichtert werden (vgl. BT-Drucks. 13/4877 S. 24). Arbeitsrechtliche Vereinbarungen, die die Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt vorsehen, in dem der Arbeitnehmer eine Rente nach Altersteilzeitarbeit beanspruchen kann, sollten ausdrücklich für zulässig erklärt werden. Dazu war es erforderlich, mit der arbeitsrechtlichen Bestimmung des § 8 Abs. 3 AltTZG aF eine Sonderregelung im Verhältnis zu § 41 SGB VI zu treffen(vgl. BT-Drucks. 13/4877 S. 29). Ansonsten wäre eine auf den Zeitpunkt der Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters vor der Vollendung des 65. Lebensjahres bezogene Befristung nur erlaubt gewesen, wenn die Vereinbarung innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen oder von dem Arbeitnehmer bestätigt worden war (BAG 27. April 2004 - 9 AZR 18/03 - zu A II 6 b der Gründe, BAGE 110, 208). Es handelt sich insofern um eine Spezialvorschrift für Altersteilzeitarbeitsverträge. Fände die Vorschrift auch außerhalb des Anwendungsbereichs des AltTZG schon immer dann Anwendung, wenn der Arbeitnehmer im Anschluss an das Arbeitsverhältnis Anspruch auf Rente hat, würde das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen § 8 Abs. 3 AltTZG aF und § 41 Satz 2 SGB VI in unzulässiger Weise in sein Gegenteil verkehrt.
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II. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
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Brühler
Krasshöfer
Klose
Merte
W. Schmid
(1) Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet auf Antrag des Arbeitgebers die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(2) In Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat die Aufstellung von Richtlinien über die bei Maßnahmen des Absatzes 1 Satz 1 zu beachtenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen und sozialen Gesichtspunkte verlangen. Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(2a) Die Absätze 1 und 2 finden auch dann Anwendung, wenn bei der Aufstellung der Richtlinien nach diesen Absätzen Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt.
(3) Versetzung im Sinne dieses Gesetzes ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Werden Arbeitnehmer nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt, so gilt die Bestimmung des jeweiligen Arbeitsplatzes nicht als Versetzung.
(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 79 Abs. 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn
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die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde, - 2.
die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde, - 3.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch die Nichtberücksichtigung eines gleich geeigneten befristet Beschäftigten, - 4.
der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist, - 5.
eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder - 6.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.
(3) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.
(4) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.
(1) Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet auf Antrag des Arbeitgebers die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(2) In Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat die Aufstellung von Richtlinien über die bei Maßnahmen des Absatzes 1 Satz 1 zu beachtenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen und sozialen Gesichtspunkte verlangen. Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(2a) Die Absätze 1 und 2 finden auch dann Anwendung, wenn bei der Aufstellung der Richtlinien nach diesen Absätzen Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt.
(3) Versetzung im Sinne dieses Gesetzes ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Werden Arbeitnehmer nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt, so gilt die Bestimmung des jeweiligen Arbeitsplatzes nicht als Versetzung.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Tenor
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1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. August 2010 - 16 Sa 532/10, 16 Sa 637/10, 16 Sa 1405/10 - aufgehoben.
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2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über Annahmeverzugsvergütung nach unwirksamer Arbeitgeberkündigung sowie Schadensersatz nach § 717 Abs. 2 ZPO.
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Der 1959 geborene Kläger, Diplom-Kaufmann mit Lehrbefähigung für die Unterrichtsfächer Sport und Wirtschaftslehre, ist seit Oktober 1998 beim beklagten Land als Lehrer beschäftigt. Er unterrichtete zuletzt an der A-Oberschule im Bezirk C (im Folgenden: OSZ Sozialwesen). Zum 1. August 2006 setzte ihn das beklagte Land an das Oberstufenzentrum Bürowirtschaft und Verwaltung im Bezirk St (OSZ St) um, das der Kläger erstmals am 22. oder 24. August 2006 aufsuchte. Dabei wurde er vom dortigen Schulleiter in die Räumlichkeiten und den Aufgabenbereich eingewiesen. Am 23. August 2006 und vom 25. August bis zum 29. September 2006 meldete sich der Kläger arbeitsunfähig krank.
-
Am 25. August 2006 schrieb der Kläger an die zuständige Senatsverwaltung:
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„Sehr geehrte Damen und Herren,
leider habe ich bis heute auf mein Schreiben vom 31. Juli 2006 an das Referat II D keine Antwort(en) erhalten.
Aber dies passt wiederum ins Bild. Diese Umsetzung ist ein Akt von Willkür.
…
Ich betrachte das OSZ-Sozialwesen weiterhin als meine aktuelle Dienststelle.
(Unter Vorbehalt bin ich am OSZ Bürowirtschaft und Verwaltung in St erschienen.)
Da ich anscheinend weiter der Willkür von Vorgesetzten ausgeliefert sein soll, widerspreche ich der Umsetzung ans OSZ St ausdrücklich.
Sollte die Umsetzung nicht bis 1. September rückgängig gemacht werden, müssen Sie damit rechnen, dass ich mich selbst vor der Willkür von Vorgesetzten schützen werde, indem ich am OSZ St keinen Unterricht mehr erteile und/oder den Vorgang gerichtlich überprüfen lassen werde.
Hochachtungsvoll
…“
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Nach den Herbstferien (2. bis 14. Oktober 2006) erschien der Kläger nicht im OSZ St. Ab dem 26. Oktober 2006 meldete er sich wiederum arbeitsunfähig krank.
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Am 31. Oktober 2006 reichte der Kläger beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Beschäftigung als Lehrer am OSZ Sozialwesen ein, den er in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2006 zurücknahm. Am 17. November 2006 erhob der Kläger Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der „Versetzung“ an das OSZ St, der das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 18. April 2007 - 96 Ca 20973/06 - stattgab. In der Berufungsverhandlung am 2. November 2007 nahm der Kläger nach dem gerichtlichen Hinweis, eine Entscheidung sei kein Präjudiz für einen Kündigungsschutzprozess, auf Vorschlag des Berufungsgerichts (- 13 Sa 1257/07 -) die Klage zurück. Zwischenzeitlich hatte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 6. Februar 2007 wegen Arbeitsverweigerung zum 30. Juni 2007 gekündigt. Die dagegen erhobene, mit einem allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag verbundene Kündigungsschutzklage wies das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 12. März 2008 - 60 Ca 3331/07 - ab, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gab ihr mit Urteil vom 26. November 2008 - 23 Sa 1175/08 - statt. Am 11. Dezember 2009 nahm der Kläger seine Tätigkeit wieder auf.
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Nach Ausspruch der ordentlichen Kündigung und nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Umsetzung teilte das beklagte Land dem Kläger mit Schreiben vom 9. August 2007 mit:
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„Sehr geehrter Herr R,
aufgrund der Entscheidung des Arbeitsgerichts werden Sie mit Wirkung vom 1. August 2007 vom OSZ Bürowirtschaft und Verwaltung im Bezirk St (Schul-Nr. 2) mit voller Stundenzahl, zurzeit 26 Wochenstunden, an die A-Oberschule im Bezirk C (Schul-Nr. 5) umgesetzt.
Bis zur Rechtskraft des Urteils ist dieser Bescheid vorläufig. Ein endgültiger Bescheid wird dann zu gegebener Zeit erlassen.“
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Mit der vorliegenden, am 19. Juni 2009 eingereichten Klage hat der Kläger Annahmeverzugsvergütung für die Zeit vom 2. Juli 2007 bis zum 10. Dezember 2008 unter Abzug bezogenen Arbeitslosengelds und erhaltener Leistungen nach dem SGB II geltend gemacht und die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe sich aufgrund der unwirksamen Kündigung im streitbefangenen Zeitraum im Annahmeverzug befunden, ohne dass es eines Arbeitsangebots bedurft hätte. Mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage habe er zum Ausdruck gebracht, an dem Arbeitsverhältnis festhalten zu wollen und leistungswillig zu sein. Er hat behauptet, ab dem 2. Juli 2007 wieder arbeitsfähig gewesen zu sein.
-
Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
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1.
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 73.931,64 Euro brutto abzüglich 16.894,54 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Differenzbetrag ab dem 2. Juli 2009 zu zahlen;
2.
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung bis zum 1. Juli 2009 zu zahlen.
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Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, nicht in Annahmeverzug geraten zu sein, weil der Kläger bereits vor Ausspruch der Kündigung nicht willens gewesen sei, die ihm wirksam zugewiesene Tätigkeit am OSZ St zu verrichten.
-
In der Berufungsinstanz hat das beklagte Land widerklagend Schadensersatz wegen der Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils geltend gemacht und beantragt,
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den Kläger zu verurteilen, an das beklagte Land 53.106,26 Euro zuzüglich weiterer 2.719,04 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Kläger hat die Abweisung der Widerklage beantragt.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Ausnahme von Annahmeverzugsvergütung für den Monat Juli 2007 stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung des beklagten Landes die Klage insgesamt abgewiesen sowie der Widerklage stattgegeben. Mit der vom Senat für den Kläger zugelassenen Revision verfolgt dieser seine zuletzt gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Klage nicht abgewiesen und der Widerklage nicht stattgegeben werden. Ob und ggf. für welchen Zeitraum der Kläger Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB hat, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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I. Dem Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung steht ein fehlendes Angebot des Klägers nicht entgegen. Nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung bedarf es zur Begründung des Annahmeverzugs eines Angebots des Arbeitnehmers nicht (st. Rspr., zuletzt BAG 17. November 2011 - 5 AZR 564/10 - Rn. 13, NZA 2012, 260; 27. August 2008 - 5 AZR 16/08 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 615 Nr. 124 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 26). Das beklagte Land hat den Kläger auch nicht - insbesondere nicht mit dem Schreiben vom 9. August 2007 - zur Wiederaufnahme der Arbeit unter unmissverständlicher Klarstellung, es habe zu Unrecht gekündigt, aufgefordert (vgl. dazu BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu I der Gründe, BAGE 108, 27; 7. November 2002 - 2 AZR 650/00 - zu B I 1 b der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 98 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 1; ErfK/Preis 12. Aufl. § 615 BGB Rn. 67; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 60 - jeweils mwN).
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II. Das beklagte Land hätte sich aber nicht im Annahmeverzug befunden, wenn der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht leistungsfähig oder leistungswillig war, § 297 BGB.
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1. Nach dieser Vorschrift kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken. Neben der (tatsächlichen oder rechtlichen) Leistungsfähigkeit umfasst § 297 BGB auch die nicht ausdrücklich genannte Leistungswilligkeit. Dies folgt daraus, dass ein leistungsunwilliger Arbeitnehmer sich selbst außer Stande setzt, die Arbeitsleistung zu bewirken. Die objektive Leistungsfähigkeit und der subjektive Leistungswille sind von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzungen, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen müssen (BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 15 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 34).
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2. Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande oder subjektiv nicht bereit war. Dies ergibt sich aus der Fassung des § 297 BGB(BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 17 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 34; vgl. auch ErfK/Preis 12. Aufl. § 615 BGB Rn. 109; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 54 f.). Wendet der Arbeitgeber die fehlende Leistungsfähigkeit oder den fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers im Annahmeverzugszeitraum ein, reicht es zunächst aus, dass er Indizien vorträgt, aus denen hierauf geschlossen werden kann. Sodann ist es Sache des Arbeitnehmers, die Indizwirkung zu erschüttern. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei während des Verzugszeitraums leistungsunfähig bzw. leistungsunwillig gewesen, als zugestanden. Andernfalls ist der Arbeitgeber für die die fehlende Leistungsfähigkeit bzw. den fehlenden Leistungswillen begründenden Tatsachen beweispflichtig.
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3. Nach diesen Grundsätzen gilt vorliegend Folgendes:
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a) Das beklagte Land hat behauptet, der Kläger sei auch über den Ablauf der Kündigungsfrist am 30. Juni 2007 hinaus weiter arbeitsunfähig und damit leistungsunfähig gewesen. Die Koinzidenz zwischen dem Ablauf der Kündigungsfrist und dem behaupteten Ende der Arbeitsunfähigkeit nach einer mehrmonatigen Erkrankung, deren Beginn in engem zeitlichen Zusammenhang mit der vom Kläger als „Akt der Willkür“ empfundenen Umsetzung stand, reicht zur Begründung der Indizwirkung aus (vgl. allg. zur Indizwirkung von Krankheitszeiten BAG 5. November 2003 - 5 AZR 562/02 - zu I 2 a der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 106 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 2). Weitergehender Vortrag war dem beklagten Land nicht möglich, weil ihm keine Erkenntnisse zur Erkrankung des Klägers vorliegen. Es ist Sache des Klägers, die Indizwirkung im weiteren Berufungsverfahren zu erschüttern. Lässt er sich zu seiner Erkrankung und deren Ausheilung gerade zum Ablauf der Kündigungsfrist - ggf. unter Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht - nicht substantiiert ein, gilt die Behauptung des beklagten Landes, der Kläger sei während des Verzugszeitraums leistungsunfähig gewesen, als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO.
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b) Ob der Kläger im Annahmeverzugszeitraum leistungswillig war, hängt davon ab, an welcher Schule er seine Tätigkeit - die Kündigung hinweggedacht - zu erbringen hatte. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Leistungswille des Klägers müsse sich auf eine Tätigkeit am OSZ St beziehen, wird durch die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht hinreichend getragen.
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aa) Nach § 297 BGB muss der Arbeitnehmer außer Stande sein, „die Leistung zu bewirken“. Für den Annahmeverzug ist damit ein auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit gerichteter Leistungswille erforderlich (vgl. BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 115, 216). Ist die geschuldete Arbeitsleistung nur rahmenmäßig umschrieben (hier: „Lehrer“), obliegt es nach § 106 Satz 1 GewO dem Arbeitgeber, den Inhalt der zu leistenden Arbeit näher zu bestimmen(vgl. nur BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 14, BAGE 134, 296; ErfK/Preis 12. Aufl. § 106 GewO Rn. 2, 11; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 25a). Die durch die wirksame Ausübung des Direktionsrechts näher bestimmte Tätigkeit ist die iSv. § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung. Auf sie muss sich der Leistungswille des Arbeitnehmers richten.
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bb) Ob das beklagte Land mit der Umsetzung des Klägers an das OSZ St zum 1. August 2006 ihr Direktionsrecht wirksam ausgeübt hat, kann der Senat aufgrund fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.
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(1) Aus dem Rechtsstreit über die Umsetzung kann dafür nichts hergeleitet werden. Wegen der Klagerücknahme im dortigen Verfahren ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen und das zu Gunsten des Klägers ergangene erstinstanzliche Urteil wirkungslos, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Das Landesarbeitsgericht ist zwar nach eigener Prüfung von der Wirksamkeit der Umsetzung an das OSZ St ausgegangen, seine bisherigen Feststellungen tragen diese Annahme jedoch nicht und lassen den Sachvortrag des Klägers dazu außer Betracht. Der unterstützende Hinweis auf das Berufungsurteil im Kündigungsschutzprozess ist schon deshalb unbehelflich, weil die 23. Kammer des Berufungsgerichts lediglich erkannt hat, die Kündigung wäre auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Kläger „vom Vortrag des beklagten Landes ausgehend“ wirksam umgesetzt worden sei. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb im erneuten Berufungsverfahren der vom Kläger aufgeworfenen Frage nach der Unwirksamkeit der Umsetzung wegen fehlender bzw. fehlerhafter Beteiligung des Personalrats nachzugehen haben. Erweist sich danach die Umsetzung als unwirksam, musste sich der Leistungswille des Klägers (nur) auf die zuvor zugewiesene Tätigkeit am OSZ Sozialwesen richten. Für das Fehlen eines derartigen Leistungswillens hat das beklagte Land keine Indiztatsachen vorgetragen.
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(2) Entgegen der Auffassung des Klägers ist es allerdings für die Frage des (fehlenden) Leistungswillens unerheblich, ob die Zuweisung der Tätigkeit am OSZ St billigem Ermessen entsprach. Die unbillige Leistungsbestimmung ist nicht nichtig, sondern nur unverbindlich, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB. Entsteht Streit über die Verbindlichkeit, entscheidet nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB das Gericht. Deshalb darf sich der Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Direktionsrechts - sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam ist - nicht hinwegsetzen, sondern muss entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit (vgl. dazu BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 106/09 - Rn. 18 mwN, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 120 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 17) ist der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Direktionsrechts erfolgte Konkretisierung ua. des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil (etwa aufgrund einer Klage auf Beschäftigung mit der früheren Tätigkeit) die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststeht (vgl. zur Gestaltungswirkung des Urteils nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB und der vorläufigen Bindung an die Leistungsbestimmung BAG 16. Dezember 1965 - 5 AZR 304/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 54; 28. Juli 2011 - 3 AZR 859/09 - Rn. 32, AP BetrAVG § 16 Nr. 74 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 60; BGH 4. April 2006 - X ZR 122/05 - Rn. 22, BGHZ 167, 139; MünchKommBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 Rn. 45, 47 ff.; Erman/Hager 13. Aufl. § 315 BGB Rn. 22; Palandt/Grüneberg 71. Aufl. § 315 BGB Rn. 16 f. - jeweils mwN; vgl. zur Verbindlichkeit einer Weisung und der möglichen Verpflichtung des Arbeitgebers, einzelne Weisungen wegen eines Gewissenskonflikts des Arbeitnehmers durch Neuausübung des Direktionsrechts zu verändern, BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 25, EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 28).
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cc) Stellt das Landesarbeitsgericht im weiteren Berufungsverfahren die Bindung des Klägers an die Zuweisung der Tätigkeit am OSZ St fest, musste sich sein Leistungswille darauf richten. Ein solcher Wille des Klägers ist nach den bisherigen Feststellungen nicht erkennbar.
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(1) Der Kläger hatte mit seinem Schreiben vom 25. August 2006 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er am OSZ St keinen Unterricht erteilen werde, und diese Absicht auch in die Tat umgesetzt. Er ist der Arbeit am OSZ St nach Ende seiner Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 17. bis zum 25. Oktober 2006 unentschuldigt ferngeblieben, bevor er sich erneut krankmeldete. Dieses Verhalten begründet ein ausreichendes Indiz für den fehlenden Leistungswillen.
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(2) Die Erhebung der Kündigungsschutzklage und auch der allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag entkräften die Indizwirkung nicht. Der Leistungswille ist eine innere Tatsache. Der vor Ausspruch der Kündigung leistungsunwillige, die Arbeit verweigernde Arbeitnehmer muss deshalb einen wieder gefassten Leistungswillen nach außen gegenüber dem Arbeitgeber kundtun. Dazu reicht ein „Lippenbekenntnis“ nicht aus (vgl. BAG 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - zu II 2 b bb der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 108 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 6). Vielmehr ist es regelmäßig erforderlich, den neu gewonnenen Leistungswillen im Rahmen des Zumutbaren durch ein tatsächliches Arbeitsangebot zu dokumentieren.
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(3) Die Indizwirkung ist auch nicht durch das Schreiben des beklagten Landes vom 9. August 2007 dadurch entfallen, dass sich der Leistungswille des Klägers wieder auf eine Tätigkeit am OSZ Sozialwesen hätte richten dürfen. Die vorläufige (Rück-)Umsetzung an das OSZ Sozialwesen war lediglich der zwischenzeitlich ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Umsetzung geschuldet, der das beklagte Land vorläufig nachkommen wollte. Eine Neuausübung des Direktionsrechts mit der Folge, dass die vom Kläger bei Hinwegdenken der Kündigung zu bewirkende Arbeitsleistung neu bestimmt worden wäre und er wieder am OSZ Sozialwesen unterrichten sollte, war damit nicht verbunden. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers findet seine Grundlage und Rechtfertigung im bestehenden Arbeitsvertrag, seine Ausübung setzt einen solchen voraus. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich, steht ihm mit Ablauf der Kündigungsfrist ein Weisungsrecht nicht mehr zu. Er kann lediglich dem Arbeitnehmer eine Prozessbeschäftigung anbieten, aus deren Rechtsgrundlage ein auf die Prozessbeschäftigung bezogenes Direktionsrecht erwächst. Dass das beklagte Land mit dem Schreiben vom 9. August 2007 dem Kläger eine Prozessbeschäftigung nicht angeboten hat, steht zwischen den Parteien außer Streit.
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III. Sofern der Kläger Annahmeverzugsvergütung beanspruchen kann, stehen ihm auch für die Zeit bis zum 1. Juli 2009 Verzugszinsen entgegen dem bisherigen Antrag jeweils nur abzüglich der monatlich erhaltenen Sozialleistungen zu (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10).
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IV. Die Entscheidung über die Widerklage ist abhängig vom Erfolg der Klage.
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Müller-Glöge
Laux
Biebl
Reinders
Ilgenfritz-Donné
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 16. Februar 2011 - 17 Sa 622/10 - aufgehoben.
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2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und einer hilfsweise ausgesprochenen Änderungskündigung.
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Die 1966 geborene Klägerin ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sie trat im Jahre 1990 als Purserette (Kabinenchefin) in die Dienste der S Fluggesellschaft mbH (im Folgenden: S GmbH). Die S GmbH war eine Tochtergesellschaft der Beklagten, die ein Bedarfsflugunternehmen mit über 2000 Arbeitnehmern an mehreren Standorten in Deutschland betreibt und ihren Hauptsitz in der Nähe von Frankfurt am Main hat. Im Arbeitsvertrag der Klägerin vom 26. September 1990 heißt es ua.:
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„Einsatzort ist grundsätzlich Frankfurt/Main.
S kann Frau ... auch vorübergehend oder auf Dauer auf einem anderen Flugzeugmuster, an einem anderen Ort sowie befristet bei einem anderen Unternehmen einsetzen.“
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Nach Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte teilte diese der Klägerin im Oktober 1995 mit, sie freue sich, ihr mit Wirkung zum 1. November 1995 „eine Stationierung in Hannover“, zunächst befristet bis zum 30. April 1996, anbieten zu können. Danach war die Klägerin - mit rund 40 weiteren Piloten, Pursern und Flugbegleitern - bis zum Ausspruch der Versetzung durchgehend in Hannover stationiert, wo die Beklagte auch Passagierflugzeuge vorhielt und von wo aus sie Flüge durchführte.
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Aus organisatorischen Gründen beginnt und endet der Einsatz der Crews bei der Beklagten nicht durchweg an ihrem Stationierungsort. In den Fällen, in denen der Einsatz von anderen Flughäfen aus erfolgt und auch dort endet, hat die Beklagte nach den anwendbaren tarifvertraglichen Regelungen die erforderlichen Transporte zu gewährleisten und die Transportzeiten als Arbeitszeit zu bezahlen (Dead-Head-Kosten).
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Nachdem die Beklagte ihr Flugprogramm ab Hannover seit Mai 2008 zumindest erheblich reduziert hatte, schloss sie am 7. Juli 2009 mit der nach § 117 Abs. 2 BetrVG eingerichteten Personalvertretung eine „Vereinbarung über die Beendigung der Stationierung von Cockpit-Kabinenpersonal in Hannover“. Die Präambel lautet:
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„C beabsichtigt, am Ende des Kalenderjahres 2009 den Stationierungsort Hannover für das fliegende Personal aufzugeben. Hierdurch fallen an diesem Stationierungsort insgesamt 43 Arbeitsplätze für das fliegende Personal (5 Flugkapitäne, 1 Copilot, 10 Purser, 27 Flugbegleiter) mit einem Vollzeitäquivalent von 33,9 Stellen weg. Dies ist im Hinblick auf die dauerhafte Streichung von regelmäßigen An- und Abflügen ex Hannover unumgänglich.“
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Um den von der Stationsschließung betroffenen Mitarbeitern weiterhin den Einsatz ab Hannover zu ermöglichen, hatte sich die Beklagte mit Schreiben vom 12. März 2009 an die bei ihr in Hannover stationierten Flugbegleiter und Purser gewandt und ihnen angeboten, als Flugbegleiter - nicht jedoch als Purser - mit Stationierungsort Hannover für die Tochtergesellschaft B GmbH zu fliegen. Einzelheiten regelte ein von der Beklagten mit der Personalvertretung abgeschlossener „Teilinteressenausgleich Kabine über die Beendigung der Stationierung von Cockpit- und Kabinenpersonal am Flughafen Hannover“ vom 13. März 2009. Die Klägerin teilte der Beklagten Mitte März 2009 mit, dass sie an einer Wechselmöglichkeit zur B GmbH sehr interessiert sei, jedoch nicht als Flugbegleiterin, sondern nur als Purserette.
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Nach Beteiligung der Personalvertretung, die sich nicht äußerte, versetzte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 17. September 2009 mit Wirkung zum 1. Januar 2010 unter Beibehaltung ihrer bisherigen Funktion als Purserette von Hannover nach Frankfurt am Main. Hilfsweise kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum nächstmöglichen Termin unter gleichzeitigem Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 1. April 2010 mit der Maßgabe, dass Stationierungsort nunmehr Frankfurt am Main sein solle. Dieses Angebot nahm die Klägerin unter Vorbehalt an.
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Die Klägerin hat die Versetzung für unwirksam gehalten. Als Arbeitsort sei vertraglich Hannover vereinbart. Das Weisungsrecht der Beklagten umfasse nicht die Befugnis, den Arbeitsort einseitig zu ändern. Die Vertragsklausel, auf die sich die Beklagte stütze, sei unwirksam. Sie verstoße gegen § 307 BGB. Die Änderungskündigung sei sozial ungerechtfertigt. Auch bei vollständiger Schließung des Stationierungsorts Hannover könne die Klägerin von dort aus eingesetzt werden, gegebenenfalls bei der Tochtergesellschaft B GmbH.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
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1.
die Beklagte zu verurteilen, sie über den 1. Januar 2010 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Purserette am Standort Hannover weiterzubeschäftigen,
2.
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Änderungskündigung vom 17. September 2009 sozial ungerechtfertigt und rechtsunwirksam ist.
- 10
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Als „Arbeitsort“ sei für die Klägerin vertraglich nicht Hannover festgelegt. Die 1995 erfolgte Zuordnung der Klägerin zum Flughafen Hannover habe das Direktionsrecht der Beklagten nicht eingeschränkt. Die Beklagte hat behauptet, sie habe die Flüge von und nach Hannover seit Mitte 2008 aufgrund erheblicher Buchungsrückgänge nahezu vollständig gestrichen. Während die in Hannover stationierten Mitarbeiter bis Anfang 2008 weit überwiegend auch von Hannover aus eingesetzt worden seien, ohne dass es eines sog. Dead-Head bedurft hätte, seien im Jahr 2009 nahezu sämtliche Einsätze nach vorheriger Dead-Head-Anreise erfolgt. Ab Mai 2008 habe es durchschnittlich nur noch zwei Legs (Flüge) von bzw. nach Hannover gegeben. Im Jahre 2009 hätten die in Hannover stationierten Mitarbeiter zu 90 % ihrer Einsätze an andere Flughäfen gebracht werden müssen. Hierdurch seien monatliche Mehrkosten in Höhe von 96.950,00 Euro wegen zusätzlicher Dead-Head-Transporte, Übernachtungskosten und Bezahlung zusätzlicher Einsatztage entstanden. Die Ende des Jahres 2008 getroffene unternehmerische Entscheidung, die Station Hannover zu schließen, werde seit Januar 2010 auch umgesetzt. Seitdem würden keine Arbeitnehmer mehr von Hannover aus eingesetzt.
-
Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Klage keinen Erfolg haben. Ob die von der Beklagten ausgesprochene Versetzung wirksam ist, steht noch nicht fest (unter A). Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, der Klägerin einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen (unter A I). Ob die Beklagte von ihrem Weisungsrecht einen dem Gesetz entsprechenden, billiges Ermessen wahrenden Gebrauch gemacht hat, konnte der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht entscheiden (unter A II). Die Revision führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sollte es noch auf die Wirksamkeit der Änderungskündigung ankommen, kann die Klage auch insoweit mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung keinen Erfolg haben (unter B).
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A. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht nicht die Unwirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen Versetzung annehmen. Ob die Versetzung von Hannover nach Frankfurt am Main unwirksam ist, steht noch nicht fest.
- 14
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I. Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, der Klägerin nach Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen.
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1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen: BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 bis 31, AP GewO § 106 Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 49). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 12, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7).
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a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (zB BAG 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 36, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 121 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 18).
- 17
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b) Bei der Auslegung der vertraglichen Bestimmungen ist zu beachten, dass die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung verhindert (BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27, AP BGB § 307 Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; Preis/Genenger NZA 2008, 969, 970). Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll.
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c) Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB.
- 19
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2. Die Auslegung des Arbeitsvertrags der Klägerin ergibt, dass ihr Einsatzort nicht vertraglich festgelegt ist.
- 20
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a) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die Parteien einen Formularvertrag geschlossen, auf den die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 305 ff. BGB zur Anwendung kommen. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259).
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b) Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 26. September 1990 enthält keine Festlegung des Arbeitsorts. Es heißt dort, der Einsatzort sei „grundsätzlich“ Frankfurt am Main, der Arbeitgeber könne die Klägerin „auch vorübergehend oder auf Dauer … an einem anderen Ort … einsetzen“. Damit ist hinreichend klargestellt, dass die Bestimmung des Einsatzorts im Vertrag lediglich die erstmalige Ausübung des Weisungsrechts in Bezug auf den Arbeitsort darstellt. Daran konnte für die Beteiligten kein Zweifel bestehen.
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c) Auch durch die Mitteilung der Beklagten vom 13. Oktober 1995 ist keine vertragliche Festlegung des Arbeitsorts erfolgt. Nach dem Schreiben wurde der Stationierungsort auf Wunsch der Klägerin von Frankfurt am Main nach Hannover verlegt. Diese im Schreiben selbst als „Versetzung“ bezeichnete Maßnahme hielt sich im Rahmen der durch den Arbeitsvertrag beschriebenen Grenzen des Weisungsrechts. Die Vertragsbedingungen sollten - abgesehen von der Versetzung - ausdrücklich unverändert bleiben.
- 23
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d) Der Arbeitsvertrag hat sich im Hinblick auf den Arbeitsort nicht dadurch auf Hannover konkretisiert, dass die Klägerin bis zur Versetzung nach Frankfurt am Main rund 14 Jahre dort tätig gewesen ist. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht - insbesondere auch nicht stillschweigend - getroffen.
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aa) Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Arbeitspflichten sich, ohne dass darüber ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 19 mwN, EzA GewO § 106 Nr. 9). Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft aber regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - aaO).
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bb) Derartige besondere Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen. Dass die Beklagte im Jahre 1995 auf den Wunsch der Klägerin nach Versetzung eingegangen ist und sie in Hannover stationiert hat, konnte für sich genommen keinen Vertrauenstatbestand begründen und keine Konkretisierung der Arbeitspflicht auf diesen Arbeitsort bewirken, da der Arbeitsvertrag - abgesehen von der durch Versetzung erfolgten Stationierung in Hannover - unverändert weiter galt.
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e) Der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe sich durch die Versetzungsklausel ein über § 106 GewO hinausgehendes Versetzungsrecht vorbehalten, kann der Senat nicht zustimmen. Legt der Arbeitsvertrag, wie im Streitfall, den Ort der Arbeitsleistung nicht fest, so unterliegt ein zusätzlich im Arbeitsvertrag enthaltener Versetzungsvorbehalt keiner gesonderten Inhaltskontrolle. Die Grenzen des Weisungsrechts ergeben sich in diesem Fall unmittelbar aus § 106 GewO. Die Vorschrift beinhaltet die Entscheidung des Gesetzgebers über die Frage, welchen Anforderungen die Ausübung des Weisungsrechts in den Fällen gerecht werden muss, in denen der Arbeitsvertrag das Weisungsrecht nicht weiter ausdehnt, als es im Gesetz vorausgesetzt ist. Da § 106 GewO gerade auch die Bestimmung des Arbeitsorts der Weisungsmacht des Arbeitgebers zuordnet, kann eine nicht darüber hinausgehende vertragliche Zuweisung des Bestimmungsrechts nicht mit den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung über das Weisungsrecht in Widerstreit treten. Die vom Landesarbeitsgericht missbilligte Vertragsklausel räumt nach ihrem Wortlaut, insbesondere hinsichtlich des Arbeitsorts, dem Arbeitgeber keine über § 106 GewO hinausgehenden Rechte ein. Mit ihr ist nicht gesagt, dass die Beklagte etwa ohne Ausübung billigen Ermessens den Ort der Arbeitsleistung einseitig verändern könnte.
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II. Ob die Beklagte von ihrem Weisungsrecht einen § 106 GewO, § 315 BGB entsprechenden, billiges Ermessen wahrenden Gebrauch gemacht hat, konnte der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht entscheiden.
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1. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat(vgl. BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48). Das Landesarbeitsgericht hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, die Entscheidung der Beklagten nicht in diesem Sinne überprüft. Das wird es nachzuholen haben und dabei die nachfolgenden Maßgaben beachten müssen.
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2. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit.
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a) In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40, AP BGB § 307 Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - Rn. 22, EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 18; so bereits auch: 28. November 1989 - 3 AZR 118/88 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 63, 267). Eine soziale Auswahl wie im Falle des § 1 Abs. 3 KSchG findet nicht statt. Soweit es auf die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen Arbeitsorts ankommt, kann aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB bei einer Versetzung abgeleitet werden(vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 22, 25, EzA GewO § 106 Nr. 9).
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b) Zugunsten der Beklagten wird im Streitfall deren vom Landesarbeitsgericht festgestellte unternehmerische Entscheidung zur Schließung des Standorts Hannover mit einem erheblichen Gewicht in die Abwägung einzubeziehen sein. Die Beklagte hat hierfür wirtschaftliche Erwägungen von beträchtlicher Tragweite, so zB andernfalls eintretende finanzielle Mehrbelastungen in Höhe von nahezu 100.000,00 Euro monatlich geltend gemacht, die ihrer Maßnahme auch angesichts der für die Klägerin damit verbundenen Nachteile ein ausreichendes Maß an Plausibilität verleihen und sie deshalb nicht als missbräuchlich oder willkürlich erscheinen lassen, wie auch das Landesarbeitsgericht erkannt hat.
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c) Das Landesarbeitsgericht wird sein Augenmerk ferner darauf richten müssen, dass die Beklagte mit der Personalvertretung maßgebliche Abmilderungen der für die Arbeitnehmer entstehenden Mehraufwendungen an Freizeit und Fahrtkosten vereinbart hat. Andererseits ist festzustellen, welche konkreten Auswirkungen die Versetzung für die Klägerin hat, insbesondere in welchem Umfang Fahrten nach und von Frankfurt am Main anfallen. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte verlagere in unbilliger Weise das Risiko, für die Transportkosten zum Einsatzort aufkommen zu müssen, auf die Arbeitnehmer, dürfte dagegen schwerlich zutreffen. Offenbar ist die tariflich vorgesehene Übernahme der Dead-Head-Kosten durch die Beklagte vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Besatzungen im Regelfall die Arbeit am jeweils festgelegten Dienstort aufnehmen und die Bezahlung der Dead-Head-Kosten die Ausnahme bildet. Ob der Beklagten eine Beschäftigung der Klägerin an einem anderen, für die Klägerin günstigeren Einsatzort möglich war und ob persönliche Verhältnisse auf Seiten der Klägerin von Gewicht vorhanden sind, die die Entscheidung der Beklagten als unbillig erscheinen lassen, ist bisher nicht ersichtlich.
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d) Die vom Landesarbeitsgericht im Zusammenhang mit der Überprüfung der Änderungskündigung ins Feld geführte Möglichkeit, der Klägerin vorübergehend die befristete Beschäftigung als Purserette bei der Tochtergesellschaft B GmbH zuzuweisen, kann nicht als die Klägerin weniger belastende Maßnahme in Betracht kommen. Solange - wie im Streitfall - eine unbefristete vertragsgemäße Weiterbeschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber möglich ist, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine befristete Beschäftigung bei einem anderen Unternehmen zuzuweisen.
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B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die nur hilfsweise ausgesprochene Änderungskündigung war ebenfalls aufzuheben. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass die Versetzung unwirksam ist, wird es erneut über die Wirksamkeit der Änderungskündigung zu entscheiden haben und dabei die nachfolgenden Erwägungen zugrunde legen müssen.
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I. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist nur wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG ist dabei zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist(st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 29. September 2011 - 2 AZR 451/10 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 151 = EzA KSchG § 2 Nr. 82; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 24, BAGE 132, 78). Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bestehende vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 451/10 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - aaO).
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II. Danach dürfte die Änderungskündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen gerechtfertigt sein.
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1. Nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin entfallen ist. Die Beklagte hat, ohne dass Anzeichen für Missbräuchlichkeit oder Willkür erkennbar wären, beschlossen, den Standort Hannover, an dem die Klägerin bisher beschäftigt war, zu schließen.
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2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts durfte sich die Beklagte bei ihrem Änderungsangebot darauf beschränken, der Klägerin nur solche Vertragsänderungen anzutragen, die aufgrund des Wegfalls der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit erforderlich waren. Die vom Landesarbeitsgericht als weniger einschneidend angesehene befristete Beschäftigung bei ihrer Tochtergesellschaft musste die Beklagte der Klägerin nicht anbieten. Jedenfalls solange eine unbefristete Weiterbeschäftigung möglich ist, muss der Arbeitgeber nicht die befristete Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber anbieten. Dies gilt schon deshalb, weil dieses Angebot Vertragsänderungen umfassen würde, die über den durch den Wegfall der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit veranlassten Umfang an Vertragsänderungen hinausgingen. Die Beklagte ist ihrer Verpflichtung nachgekommen, bei Bestehen mehrerer Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten diejenige anzubieten, die für den Arbeitnehmer als die günstigste erscheint (vgl. BAG 22. September 2005 - 2 AZR 519/04 - Rn. 29, BAGE 116, 7).
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Mikosch
W. Reinfelder
Schmitz-Scholemann
Schürmann
R. Bicknase
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 15. April 2009 - 16 Sa 102/08 - aufgehoben, soweit es über die Versetzung der Klägerin und über die Kosten der Berufung entschieden hat.
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2. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten noch über die Versetzung der Klägerin in einen anderen Außendienstbezirk.
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Die Beklagte stellt Arzneimittel her und vertreibt diese. Die verheiratete und zwei Kindern unterhaltspflichtige Klägerin ist seit dem 1. April 2000 für die Beklagte als Pharmaberaterin im Verordnungs-Außendienst - Ansprechpartner: Ärzte (VO-Außendienst) tätig. Ihr Bruttomonatseinkommen betrug zuletzt 3.059,45 Euro.
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Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 9. März 2000 regelt ua. wie folgt:
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„§ 1 …
3.
Das Arbeitsgebiet umfasst
AB 926
4.
Für das Arbeitsverhältnis gelten die jeweils gültige Fassung der Personalrichtlinien, Betriebsvereinbarungen, Arbeitsordnung, Organisations-, Verwaltungs- und Dienstanweisung sowie des Aktionsplans.
...
6.
Ein Wechsel des Domizils ist nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der Firma möglich.
…
§ 16 Dienstversetzung
1.
Die Firma behält sich Gebietsänderungen oder Zuweisung eines anderen Gebietes vor, wenn sich dies aus der weiteren Entwicklung des Außendienstes ergibt.
2.
Die Firma ist berechtigt, bei Arbeitsunterbrechungen jeder Art (Urlaub/Krankheit) in dem vom Mitarbeiter besetzten Gebiet weitere Mitarbeiter einzusetzen.“
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Das Arbeitsgebiet AB 926 liegt im Osten von Sachsen und wird nunmehr als Gebiet Nr. 423 bezeichnet. Die Klägerin wohnt dort. An die Geburt ihres ersten Kindes im April 2005 schloss sich eine einjährige Elternzeit an. Nach Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit und nach mehreren Abmahnungen im Februar 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis im April 2007 fristlos. Diese Kündigung ist rechtsunwirksam (ArbG Dresden 9. Oktober 2007 - 4 Ca 1714/07 -).
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Mit Schreiben vom 12. Dezember 2007 wies die Beklagte der Klägerin zum 1. Januar 2008 das zwischen Göttingen und Magdeburg gelegene Gebiet Nr. 314 zu und sprach vorsorglich eine entsprechende außerordentliche Änderungskündigung aus. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin erneut schwanger. Die Änderungskündigung ist nach der Entscheidung der Vorinstanz rechtsunwirksam; die Beklagte hat insoweit keine Revision eingelegt.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Versetzung sei rechtsunwirksam. Der Versetzungsvorbehalt in § 16 des Arbeitsvertrags sei als überraschende Klausel nicht Vertragsbestandteil geworden. Die Versetzung widerspreche auch billigem Ermessen. Die Mitarbeiterin, der die Beklagte ihr bisheriges Gebiet zugewiesen habe, sei sozial weniger schutzwürdig.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
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festzustellen, dass die von der Beklagten mit Wirkung ab 1. Januar 2008 vorgenommene Versetzung der Klägerin als Pharmaberaterin VO-Außendienst vom Gebiet 423 in das Gebiet 314 unwirksam ist.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Versetzung sei auf Grund der Zusammenlegung der Außendienste für Apotheken und Ärzte erforderlich gewesen. Die Gebietsinhaber müssten nunmehr im Schwerpunkt Apotheken besuchen. Die im bisherigen Gebiet der Klägerin im Apothekenaußendienst tätige Mitarbeiterin verfüge über besondere Erfahrungen und sehr gute langjährige Kontakte, so dass sie dieser Mitarbeiterin das Gebiet Nr. 423 übertragen und die Klägerin in das nächste freie Gebiet versetzt habe.
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Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Berufung nicht insgesamt zurückgewiesen werden. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die Revision führt daher zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), soweit über die Versetzung entschieden worden ist.
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I. Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien ist die Beklagte entgegen der Auffassung der Vorinstanzen berechtigt, der Klägerin nach Maßgabe von § 106 Satz 1 GewO ein anderes Gebiet zuzuweisen.
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1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 bis 31, NZA 2010, 1355). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat.
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a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 36, NZA 2010, 877) . Ungewöhnliche, insbesondere überraschende Klauseln iSv. § 305c Abs. 1 BGB(zB „versteckte“ Versetzungsvorbehalte) werden nicht Vertragsbestandteil und bleiben deshalb im Rahmen der Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen unberücksichtigt.
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Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gem. § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 20, NZA 2010, 1355; st. Rspr. BGH 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08 - Rn. 41, BGHZ 186, 180).
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b) Bei der Auslegung der vertraglichen Bestimmungen kann in Betracht kommen, dass eine wie ein Versetzungsvorbehalt erscheinende Klausel tatsächlich lediglich den Umfang der geschuldeten Leistung bestimmen soll, insbesondere wenn alternative Tätigkeitsinhalte oder Tätigkeitsorte konkret benannt sind (Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 18, NZA 2010, 1355). Ferner ist zu beachten, dass die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung verhindert (BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; Preis/Genenger NZA 2008, 969, 970). Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll.
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c) Ergibt die Auslegung, dass der Vertrag eine nähere Festlegung hinsichtlich Art und/oder Ort der Tätigkeit enthält, so unterliegt diese keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Vielmehr handelt es sich um die Bestimmung des Inhalts der Hauptpflicht (Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 21, NZA 2010, 1355; BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 564/06 - Rn. 30, BAGE 123, 98). Dabei ist es unerheblich, wie eng oder weit die Leistungsbestimmung gefasst ist. Vorzunehmen ist lediglich eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
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Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Je allgemeiner die vom Arbeitnehmer zu leistenden Dienste oder der Ort der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag festgelegt sind, desto weiter geht die Befugnis des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer unterschiedliche Aufgaben oder einen anderen Ort im Wege des Direktionsrechts zuzuweisen (vgl. zB BAG 2. März 2006 - 2 AZR 23/05 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 67). Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Bei einer engen Bestimmung der Tätigkeit oder Festlegung des Orts der Leistungspflicht wird das Direktionsrecht hingegen eingeschränkt; der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer nur die betreffenden Aufgaben zuweisen. Eine Veränderung des Tätigkeitsbereichs oder des Orts der Arbeitsleistung kann er nur einvernehmlich oder durch eine Änderungskündigung herbeiführen (Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 22, NZA 2010, 1355).
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d) Fehlt es an einer Festlegung und weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gem. § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 31, NZA 2010, 1355; BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80).
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2. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die Parteien einen Formularvertrag geschlossen, auf den die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB zur Anwendung kommen. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (Senat 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259). Das Landesarbeitsgericht hat ohne hinreichende Auslegung des Arbeitsvertrags angenommen, das Außendienstgebiet sei in § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrags vertraglich festgelegt. Dies hält einer Überprüfung nicht stand. Da insoweit alle wesentlichen Umstände festgestellt sind und weiterer Vortrag nicht zu erwarten ist, kann der Senat die Auslegung selbst vornehmen.
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a) Der Wortlaut von § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrags, wonach das Arbeitsgebiet einen bestimmten Außendienstbezirk umfasst, kann für eine vertragliche Festlegung sprechen. Auch die Vereinbarung der Domizilklausel in § 1 Nr. 6 kann im Verständnis einer Branche, die ihren Vertrieb über einen Außendienst organisiert, ein Indiz für eine gewollte vertragliche Festlegung des Arbeitsorts sein. Die Parteien haben aber in § 16 Nr. 1 des Arbeitsvertrags vereinbart, dass die Firma sich die Zuweisung eines anderen Gebiets vorbehält. Damit haben die Parteien klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis in einen anderen Außendienstbezirk bestehen soll.
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b) Die Klausel ist Vertragsbestandteil geworden. Sie ist nicht überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB.
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aa) Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat überraschenden Charakter im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser den Umständen nach mit ihr vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Überraschenden Klauseln muss ein „Überrumpelungs- und Übertölpelungseffekt“ innewohnen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Die berechtigten Erwartungen des Vertragspartners bestimmen sich nach den konkreten Umständen bei Vertragsschluss ebenso wie nach der Gestaltung des Arbeitsvertrags, insbesondere dessen äußerem Erscheinungsbild. So kann der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel oder ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen (BAG 16. April 2008 - 7 AZR 132/07 - Rn. 16, BAGE 126, 295; 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - Rn. 24, BAGE 115, 372). Im Einzelfall kann der Verwender gehalten sein, auf die Klausel besonders hinzuweisen oder sie drucktechnisch hervorzuheben (BAG 16. April 2008 - 7 AZR 132/07 - aaO).
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bb) Der Arbeitsvertrag enthält in § 1 Regelungen zur Arbeitspflicht und regelt an seinem Ende in § 16 die Möglichkeit einer Versetzung. Da die Vereinbarung von Änderungsmodalitäten am Ende eines Vertrags nicht unüblich ist, kann ein gewissenhafter Arbeitnehmer durch einen Versetzungsvorbehalt an dieser Stelle nicht überrascht werden. Die Überschrift „Dienstversetzung“ entspricht insoweit zwar nicht gängiger Begrifflichkeit, lässt aber keinen Zweifel aufkommen, dass nachfolgend ein Versetzungsvorbehalt geregelt wird. Drucktechnisch ist der Arbeitsvertrag übersichtlich aufgebaut. Der Versetzungsvorbehalt in § 16 ist deshalb nicht überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB.
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c) Nach § 16 Nr. 1 des Arbeitsvertrags hat sich die Beklagte die Zuweisung eines anderen Gebiets vorbehalten; die Zuweisung einer inhaltlich anderen Tätigkeit ist ausgeschlossen. Nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn einer Klausel, welche die Zuweisung eines anderen Gebiets gestattet, ergibt sich, dass eine änderungsfeste Festlegung des Arbeitsorts im Arbeitsvertrag gerade nicht erfolgen soll; im Hinblick auf das vereinbarte Festgehalt ist darüber hinaus ausgeschlossen, dass die vereinbarte Vergütung durch die Zuweisung eines anderen Gebiets verändert werden kann. Im Lichte dieses Versetzungsvorbehalts ergibt die Auslegung der vertraglichen Regelungen deshalb, dass in § 1 Nr. 3 eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung tatsächlich nicht vereinbart ist. Der Versetzungsvorbehalt verhindert die Beschränkung auf einen bestimmten Ort (vgl. BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47).
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II. Ob die Versetzung der Klägerin der gebotenen Ausübungskontrolle am Maßstab von § 106 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB standhält, kann der Senat nicht entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat - von seinem Standpunkt aus konsequent - eine solche Kontrolle nicht vorgenommen. Es hat auch die wechselseitigen Interessen nicht gegeneinander abgewogen. Zur Vornahme der Ausübungskontrolle wird das Landesarbeitsgericht zunächst die erforderlichen Feststellungen treffen müssen. Es bedarf der Aufklärung, ob und ggf. welches konkrete unternehmerische Konzept die Versetzung der Klägerin bedingt haben soll. Ferner ist zu klären, ob das benachbarte Gebiet Nr. 422, wie von der Klägerin behauptet, mit einem Leiharbeitnehmer besetzt war und welche Gründe dagegen sprachen, ihr dieses Gebiet zu übertragen. Bei der Abwägung der wechselseitigen Interessen wird das Landesarbeitsgericht schließlich zu erwägen haben, ob die Versetzung in ein weiter entferntes Gebiet dem besonderen Zustand der schwangeren Klägerin und ihren berechtigten persönlichen Belangen angemessen Rechnung getragen hat (vgl. BAG 21. April 1999 - 5 AZR 174/98 - zu A II 2 der Gründe, AP MuSchG 1968 § 4 Nr. 5 = EzA MuSchG nF § 11 Nr. 18) oder ob die Versetzung nicht tatsächlich unzumutbar war.
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Mikosch
Eylert
Mestwerdt
Thiel
Petri
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Januar 2009 - 3 Sa 483/08 - aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen und über die Kosten entschieden hat.
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2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und die Verpflichtung zur Erstattung von Aufwendungen.
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Der Kläger ist seit 1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, bundesweit tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, beschäftigt. Er ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und hat den Status eines Partners. Sein Jahresgehalt betrug ohne Sonderleistungen zuletzt 176.000,00 Euro brutto. Der Kläger war seit dem 1. Juli 1990 in der Niederlassung Leipzig tätig. Am 1./14. Juli 1994 wurde ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen, der unter anderem folgende Regelungen enthält:
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„§ 1
Mit Wirkung vom 1. Oktober 1993 ist Herr H zum Bereichsleiter (Partner Stufe III) der Zweigniederlassung Leipzig ernannt worden. Die C behält sich vor, Herrn H - sofern Geschäftsnotwendigkeiten dies erfordern - anderweitig einzusetzen und zu versetzen.
….
§ 7
Im Verhältnis zur C gilt als Wohnsitz von Herrn H Leipzig. Die jeweils geltende Reisekostenordnung der C findet Anwendung.“
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Bei Dienstreisen erstattet die Beklagte ihren Mitarbeitern Aufwendungen nach den Bestimmungen der Gesamtbetriebsvereinbarung Reisekosten (Reisekostenordnung) vom 29. Juni 2004, die auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung findet. Der Begriff Dienstreise wird dort wie folgt definiert:
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„Eine Dienstreise ist ein Ortswechsel einschließlich der Hin- und Rückfahrt aus Anlass einer vorübergehenden Auswärtstätigkeit. Eine Auswärtstätigkeit liegt vor, wenn der Mitarbeiter außerhalb seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Arbeitsstätte beruflich tätig wird. Eine Auswärtstätigkeit ist vorübergehend, wenn der Mitarbeiter voraussichtlich an die regelmäßige Arbeitsstätte zurückkehren und dort seine berufliche Tätigkeit fortsetzen wird.“
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Der Kläger war zuletzt als „Bereichsleiter Tax“ der Niederlassung Leipzig tätig. Zwischen den Parteien kam es zum Streit über die Fähigkeiten des Klägers zur Führung der ihm unterstellten Mitarbeiter und zur Betreuung der Kunden. Angebote der Beklagten zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags lehnte der Kläger in den Monaten Februar und März 2007 ab. Mit Schreiben vom 2. Mai 2007 sprach die Beklagte eine Versetzung des Klägers „mit Wirkung zum 21. Mai 2007 zur Niederlassung Frankfurt in den Bereich Tax & Legal PS Mitte“ aus. Dort soll der Kläger als „verantwortlicher Sales-Partner“ eingesetzt werden und überwiegend Vertriebstätigkeiten ausüben. Zudem soll er den Bereich „Education/Social Security“ aufbauen und seine bereits zuvor im Bereich Controlling PS (Public Service) übernommenen Aufgaben sollen bundesweit ausgeweitet werden. Die neue Tätigkeit umfasst keine Personalverantwortung. Im Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 22. Oktober 2007 war der Kläger mit Ausnahme einer urlaubsbedingten Unterbrechung in Frankfurt am Main tätig. Seitdem wird er aufgrund entsprechender arbeitsgerichtlicher Entscheidungen wieder in der Niederlassung Leipzig eingesetzt.
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Der Kläger hat geltend gemacht, er sei aufgrund der vertraglich vereinbarten Tätigkeit als Bereichsleiter der Niederlassung Leipzig zu beschäftigen. Die Zuweisung einer anderweitigen Tätigkeit und/oder eines anderen Tätigkeitsorts sei unzulässig. Der Versetzungsvorbehalt sei gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Darüber hinaus sei die Tätigkeit eines „verantwortlichen Sales-Partners“ hierarchisch nicht mit der Tätigkeit eines „Bereichsleiters“ gleichzusetzen. Unabhängig hiervon entspreche die Versetzung wegen der weiten Entfernung vom bisherigen Arbeitsort nicht billigem Ermessen.
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Die vorübergehende Tätigkeit in Frankfurt am Main sei als Dienstreise zu behandeln. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 17. August 2007 und vom 3. September 2007 bis zum 22. Oktober 2007 ergebe sich ein Aufwendungsersatzanspruch nach der Reisekostenordnung in Höhe von insgesamt 7.803,35 Euro.
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Der Kläger hat zuletzt beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Bereichsleiter Tax der Niederlassung Leipzig am Standort Leipzig zu beschäftigen,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.803,35 Euro zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, dass eine Beschränkung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung auf die Tätigkeit eines Bereichsleiters der Niederlassung Leipzig nicht stattgefunden habe. Der Versetzungsvorbehalt sei wirksam, da die Interessen des Klägers in ausreichendem Maße dadurch gewahrt würden, dass die Versetzung nur im Falle einer „Geschäftsnotwendigkeit“ erfolgen dürfe. In seinem bisherigen Einsatzfeld als zuständiger Partner „PS Ost“ sei der Kläger nicht länger einsetzbar. Die wichtigen Mandanten würden den Kläger, der überwiegend Controlling-Tätigkeiten ausgeübt habe, nicht als Ansprechpartner akzeptieren. Früher habe die Betreuung dieser Mandanten durch einen weiteren in Leipzig beschäftigten Partner stattgefunden, der zum 30. Juni 2007 pensioniert worden sei. Der Umgang des Klägers mit den Mitarbeitern sei ebenfalls nicht akzeptabel, diese würden sich zunehmend verärgert zeigen. Der Kläger stehe als fachlicher Ansprechpartner nicht zur Verfügung. Sein mangelnder Arbeitseinsatz sei für alle erkennbar. Die dem Kläger zugewiesenen neuen Aufgaben seien mit seinen bisherigen Aufgaben vergleichbar; die Position befinde sich auf gleicher hierarchischer Ebene. Die Betreuung der Mandate der Region Mitte sei nur von Frankfurt am Main aus möglich, da die Mandanten eine regionale Präsenz des Partners erwarteten.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist zulässig und begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Berufung nicht zurückgewiesen werden. Der Senat kann in der Sache mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die Revision führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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I. Die auf vertragsgemäße Beschäftigung gerichtete Leistungsklage ist zulässig.
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1. Bei einem Streit über die Berechtigung einer Versetzung bestehen für den Arbeitnehmer zwei Möglichkeiten. Er kann die Berechtigung der Versetzung im Rahmen einer Feststellungsklage klären lassen (st. Rspr., zuletzt zB BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 -). Darüber hinaus hat er die Möglichkeit, den Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung im Rahmen einer Klage auf künftige Leistung gem. § 259 ZPO durchzusetzen(vgl. BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - zu I der Gründe, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 51 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 19). Bei der Prüfung des Beschäftigungsanspruchs ist die Wirksamkeit der Versetzung als Vorfrage zu beurteilen. Voraussetzung für eine derartige Klage ist die Besorgnis, dass der Schuldner sich andernfalls der rechtzeitigen Leistung entziehen werde.
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2. Der Antrag des Klägers ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. In Verbindung mit der Klagebegründung ist erkennbar, welche konkrete Beschäftigung er anstrebt. Die Voraussetzungen des § 259 ZPO liegen vor, obwohl der Kläger zurzeit auf seinem bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt wird. Die derzeitige Beschäftigung erfolgt ausschließlich aufgrund der vorläufig vollstreckbaren Entscheidungen der Vorinstanzen.
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II. Ob die Klage begründet ist, kann der Senat nicht abschließend beurteilen.
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1. Erweist sich eine vom Arbeitgeber vorgenommene Versetzung als unwirksam, so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung in seiner bisherigen Tätigkeit am bisherigen Ort (vgl. BAG 17. Februar 1998 - 9 AZR 130/97 - zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 618 Nr. 27 = EzA BGB § 615 Nr. 89; 26. Januar 1988 - 1 AZR 531/86 - zu II 5 der Gründe, BAGE 57, 242; 14. Juli 1965 - 4 AZR 347/63 - BAGE 17, 241). Bei einer Versetzung handelt es sich um eine einheitliche Maßnahme, die nicht in den Entzug der bisherigen Tätigkeit und die Zuweisung einer neuen Tätigkeit aufgespalten werden kann (vgl. BAG 30. September 1993 - 2 AZR 283/93 - zu B I 3 e ff der Gründe, BAGE 74, 291). Dies gilt auch dann, wenn Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag nicht abschließend festgelegt sind, sondern dem Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO) unterliegen. Solange dieser nicht rechtswirksam von seinem Weisungsrecht erneut Gebrauch gemacht oder eine wirksame Freistellung von der Arbeit ausgesprochen hat, bleibt es bei der bisher zugewiesenen Arbeitsaufgabe am bisherigen Ort und der Arbeitnehmer hat einen dementsprechenden Beschäftigungsanspruch. Die gegenteilige Auffassung (LAG Hamm 8. März 2005 - 19 Sa 2128/04 - zu II 3 der Gründe, NZA-RR 2005, 462 unter Berufung auf LAG Nürnberg 10. September 2002 - 6 (4) Sa 66/01 - LAGE BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 29) übersieht, dass eine ausgeübte Weisung nicht durch eine unwirksame Versetzung beseitigt werden kann. Sie lässt sich auch nicht auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Januar 2001 (- 5 AZR 411/99 -) stützen, da dort der Entzug bestimmter Tätigkeiten noch im Rahmen des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts erfolgte. Im Übrigen beschränkt sie unangemessen die Möglichkeit einer effektiven Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs für den Zeitraum bis zu einer neuen Ausübung des Weisungsrechts durch den Arbeitgeber.
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Wird der Arbeitgeber nach einer Versetzung zur tatsächlichen Beschäftigung zu den vorherigen Bedingungen verurteilt, ist damit die Vorfrage der Wirksamkeit der Versetzung beantwortet. Eine Entscheidung darüber, ob und ggf. in welchem Umfang der Arbeitgeber zukünftig von seinem Weisungsrecht rechtswirksam Gebrauch machen kann, ist hingegen nicht getroffen. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger seinen Beschäftigungsanspruch unter anderem damit begründet hat, er sei „auf Dauer“ als Bereichsleiter Tax der Niederlassung Leipzig am Standort Leipzig zu beschäftigen und die Zuweisung einer anderen Tätigkeit an einem anderen Arbeitsort komme nicht in Betracht, da sie nicht von dem arbeitsvertraglichen Direktionsrecht der Beklagten umfasst sei. Dabei handelt es sich um bloße Elemente der Klagebegründung, die im Falle des Obsiegens mit dem Leistungsantrag nicht gem. § 322 ZPO in materielle Rechtskraft erwachsen. Will ein Arbeitnehmer eine weitergehende Entscheidung zum Umfang des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts erreichen, so muss er bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 256 ZPO von der Möglichkeit eines gesonderten Feststellungsantrags Gebrauch machen.
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2. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB beruht, ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
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a) In einem ersten Schritt ist durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei ist insbesondere festzustellen, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat. In Betracht kommt, dass eine wie ein Versetzungsvorbehalt erscheinende Klausel tatsächlich lediglich den Umfang der vertraglich geschuldeten Leistung bestimmen soll, insbesondere wenn alternative Tätigkeiten oder Tätigkeitsorte konkret benannt sind. Ungewöhnliche, insbesondere überraschende Klauseln iSv. § 305c Abs. 1 BGB(zB „versteckte“ Versetzungsvorbehalte) werden allerdings nicht Vertragsbestandteil.
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Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 36, NZA 2010, 877; 21. Oktober 2009 - 4 AZR 880/07 - Rn. 18).
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Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gem. § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZR 388/05 - Rn. 30, AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 67 = EzA BetrAVG § 1 Zusatzversorgung Nr. 18; st. Rspr. BGH, vgl. zB zuletzt 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08 - Rn. 41, MDR 2010, 1096; 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09 - Rn. 16, NJW 2010, 2877).
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b) Ergibt die Auslegung, dass der Vertrag eine nähere Festlegung hinsichtlich Art und/oder Ort der Tätigkeit enthält, so unterliegt diese keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Vielmehr handelt es sich um die Bestimmung des Inhalts der Hauptpflicht (vgl. BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 564/06 - Rn. 30, BAGE 123, 98; Kleinebrink ArbRB 2007, 57, 58). Dabei ist unerheblich, wie eng oder weit die Leistungsbestimmung gefasst ist. § 308 Nr. 4 BGB ist ebenfalls nicht anwendbar, da diese Vorschrift nur einseitige Bestimmungsrechte hinsichtlich der Leistung des Verwenders erfasst(BAG 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 31, BAGE 118, 22). Vorzunehmen ist lediglich eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
- 22
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Soweit es an einer Festlegung des Inhalts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag fehlt, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Je allgemeiner die vom Arbeitnehmer zu leistenden Dienste im Arbeitsvertrag festgelegt sind, desto weiter geht die Befugnis des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer unterschiedliche Aufgaben im Wege des Direktionsrechts zuzuweisen (vgl. zB BAG 2. März 2006 - 2 AZR 23/05 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 67). Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es insoweit nicht an. Bei einer engen Bestimmung der Tätigkeit wird das Direktionsrecht hingegen eingeschränkt. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer nur die betreffenden Aufgaben zuweisen. Eine Veränderung des Tätigkeitsbereichs kann er nur einvernehmlich oder durch eine Änderungskündigung herbeiführen.
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c) Enthält der Arbeitsvertrag neben einer Festlegung von Art und/oder Ort der Tätigkeit einen sog. Versetzungsvorbehalt, so ist zu differenzieren:
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aa) Ergibt die Vertragsauslegung, dass der Versetzungsvorbehalt materiell (nur) dem Inhalt der gesetzlichen Regelung des § 106 GewO entspricht oder zugunsten des Arbeitnehmers davon abweicht, unterliegt diese Klausel keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern allein einer Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB(BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 24 ff.). Der Arbeitgeber, der sich lediglich die Konkretisierung des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsinhalts, nicht aber eine Änderung des Vertragsinhalts vorbehält, weicht nicht zulasten des Arbeitnehmers von Rechtsvorschriften ab (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB).
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Die Vertragsklausel muss dabei die Beschränkung auf den materiellen Gehalt des § 106 GewO unter Berücksichtigung der oben dargestellten Auslegungsgrundsätze aus sich heraus erkennen lassen. Insbesondere muss sich aus dem Inhalt der Klausel oder aus dem Zusammenhang der Regelung deutlich ergeben, dass sich der Arbeitgeber nicht die Zuweisung geringerwertiger Tätigkeiten - ggf. noch unter Verringerung der Vergütung - vorbehält. Dagegen erfordert auch die Verpflichtung zur transparenten Vertragsgestaltung gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht, dass die Klausel Hinweise auf den Anlass der Ausübung des Weisungsrechts enthält(vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 44 ff., AP BGB § 307 Nr. 26).
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bb) Ergibt die Vertragsauslegung, dass sich der Arbeitgeber mit dem Versetzungsvorbehalt über § 106 GewO hinaus ein Recht zur Vertragsänderung vorbehält, so unterliegt die Regelung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
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(1) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 angemessen zu berücksichtigen(BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 39 f., AP BGB § 307 Nr. 26; 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 33 f., BAGE 118, 22).
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Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn sich der Arbeitgeber vorbehält, ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung einseitig die vertraglich vereinbarte Tätigkeit unter Einbeziehung geringerwertiger Tätigkeiten zulasten des Arbeitnehmers ändern zu können (BAG 9. Mai 2006 - 9 AZR 424/05 - Rn. 20 ff., BAGE 118, 184; HWK/Gotthardt 4. Aufl. Anh. §§ 305 - 310 BGB Rn. 26; HWK/Lembke § 106 GewO Rn. 57; Hunold NZA 2007, 19, 21; Küttner/Reinecke Personalbuch 2010 Versetzung Rn. 5; Preis/Genenger NZA 2008, 969, 975; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 32 Rn. 80).
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(2) Handelt es sich um eine teilbare Klausel, ist die Inhaltskontrolle jeweils für die verschiedenen, nur formal verbundenen Bestimmungen vorzunehmen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36). Maßgeblich ist, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. Blue-pencil-Tests durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (vgl. Senat 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11, AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44).
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(3) Führt die Angemessenheitskontrolle zur Unwirksamkeit eines Versetzungsvorbehalts, so richtet sich der Inhalt des Vertrags gem. § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. Eine geltungserhaltende Reduktion auf das angemessene Maß findet nicht statt (vgl. BAG 13. April 2010 - 9 AZR 113/09 - Rn. 42, NZA-RR 2010, 457; Senat 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - Rn. 33, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 9). Maßgeblich ist in diesem Fall § 106 GewO. Diese Vorschrift überlässt dem Arbeitgeber das Weisungsrecht aber nur insoweit, als nicht durch den Arbeitsvertrag der Leistungsinhalt festgelegt ist. Ergibt die Auslegung des Vertrags, dass ein bestimmter Leistungsinhalt vereinbart wurde, so ist der Arbeitgeber an diesen gebunden, wenn ein zusätzlich vereinbarter Versetzungsvorbehalt der Angemessenheitskontrolle nicht standhält.
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d) Übt der Arbeitgeber im Einzelfall das Weisungsrecht aus, so unterliegt dies der Kontrolle gem. § 106 GewO. Die Ausübung eines wirksam vereinbarten Versetzungsvorbehalts unterliegt der Kontrolle gem. § 315 BGB. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80).
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3. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft keine hinreichende Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags vorgenommen. Damit steht nicht fest, ob die Tätigkeit als Bereichsleiter in der Niederlassung Leipzig aufgrund dieser vertraglichen Regelung als abschließende Festlegung des Inhalts der Arbeitspflicht anzusehen ist.
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a) Bei den streitgegenständlichen Regelungen des Arbeitsvertrags dürfte es sich - auch wenn das Landesarbeitsgericht hierzu keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen hat - um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handeln. Ggf. findet auch § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB Anwendung. Für die Annahme Allgemeiner Geschäftsbedingungen spricht bereits das äußere Erscheinungsbild (vgl. Senat 6. Mai 2009 - 10 AZR 390/08 - Rn. 20, AP BGB § 307 Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 8). Davon gehen offenbar auch die Parteien übereinstimmend aus.
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b) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (Senat 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259).
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Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass die Parteien sowohl den Ort wie den Inhalt der Arbeitsleistung festgelegt haben. Dem Kläger sei die Funktion eines Bereichsleiters der Zweigniederlassung Leipzig übertragen worden, womit notwendigerweise die Vereinbarung des Arbeitsorts Leipzig verbunden gewesen sei.
- 36
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Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Begründung lässt nicht erkennen, dass das Landesarbeitsgericht § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags überhaupt ausgelegt hat. Es fehlt schon an einer Auseinandersetzung mit dem Wortlaut der arbeitsvertraglichen Regelung. Dieser ist, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat, keineswegs eindeutig. § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags nimmt lediglich auf eine bereits zuvor, nämlich zum 1. Oktober 1993, erfolgte Ernennung des Klägers zum Bereichsleiter der Niederlassung Leipzig Bezug. Ernannt bedeutet, dass jemand für ein Amt bzw. einen Posten bestimmt worden ist. Danach könnte hierunter auch die einseitige Zuweisung einer Position zu verstehen sein. Allerdings wird durch eine Ernennung auch die Position in der Hierarchieebene des jeweiligen Unternehmens (Status) zum Ausdruck gebracht. Für ein derartiges Verständnis könnte sprechen, dass die Vertragsparteien die Ernennung zum Anlass für den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags genommen haben. Zu prüfen wäre in diesem Zusammenhang, welche Bedeutung dem Klammerzusatz „Partner Stufe III“, dem Versetzungsvorbehalt in § 1 Satz 2 und der Regelung in § 7 des Arbeitsvertrags zukommt. Völlig außer Acht gelassen hat das Landesarbeitsgericht die Frage, wie der Vertragstext aus Sicht der an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise (hier: Partner einer bundesweit tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) typischerweise zu verstehen ist. Ebenso wenig sind Feststellungen zu möglichen Regelungszwecken und erkennbaren Interessenlagen beider Parteien getroffen worden.
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Der Senat sieht sich deshalb gehindert, selbst eine abschließende Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags vorzunehmen. Diese wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben. Ergibt sich danach, dass durch § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags keine nähere Festlegung des Tätigkeitsinhalts in inhaltlicher und/oder örtlicher Hinsicht erfolgt ist, kommt es auf die Wirksamkeit des Versetzungsvorbehalts(§ 1 Satz 2 Arbeitsvertrag) nicht an. Die streitgegenständliche Maßnahme wäre dann allerdings noch daraufhin zu überprüfen, ob sie billigem Ermessen entspricht. Ergibt die Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags hingegen, dass die bisher ausgeübte Tätigkeit und/oder der Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind, kommt es auf die Wirksamkeit des in § 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags vereinbarten Versetzungsvorbehalts an. Führt die Prüfung nach den oben genannten Grundsätzen zur Annahme der Unwirksamkeit des Versetzungsvorbehalts, bleibt es bei den vertraglichen Festlegungen.
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III. Ob und ggf. in welchem Umfang ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen des Klägers nach den Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung Reisekosten besteht, hängt im Wesentlichen von der Wirksamkeit der Versetzung ab und kann daher vom Senat ebenfalls nicht abschließend beurteilt werden.
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Allerdings wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass sich auch im Fall der Wirksamkeit der Versetzung ein Anspruch für die ersten sechs Wochen der Versetzung aus dem Schreiben vom 2. Mai 2007 ergeben kann. Da es sich wegen des Einzelfallcharakters um eine nichttypische Erklärung handelt, bleibt deren Auslegung aber zunächst dem Landesarbeitsgericht vorbehalten. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen gem. § 291 BGB erst ab Rechtshängigkeit zu verzinsen ist. Der Zinsanspruch bestünde dabei jeweils ab dem auf die Zustellung folgenden Kalendertag. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung lässt sich die Zeit für die Leistung nicht nach dem Kalender bestimmen (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Gegen eine derartige Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung spricht bereits der Umstand, dass der Anspruch auf die Erstattung von Aufwendungen für eine Dienstreise regelmäßig eine Reisekostenabrechnung des Arbeitnehmers voraussetzt. Eine vor Rechtshängigkeit erfolgte Mahnung iSv. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB ist vom Kläger nicht dargelegt worden.
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Mikosch
W. Reinfelder
Mestwerdt
Alex
Frese
(1) Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet auf Antrag des Arbeitgebers die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(2) In Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat die Aufstellung von Richtlinien über die bei Maßnahmen des Absatzes 1 Satz 1 zu beachtenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen und sozialen Gesichtspunkte verlangen. Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(2a) Die Absätze 1 und 2 finden auch dann Anwendung, wenn bei der Aufstellung der Richtlinien nach diesen Absätzen Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt.
(3) Versetzung im Sinne dieses Gesetzes ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Werden Arbeitnehmer nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt, so gilt die Bestimmung des jeweiligen Arbeitsplatzes nicht als Versetzung.
(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 79 Abs. 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn
- 1.
die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde, - 2.
die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde, - 3.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch die Nichtberücksichtigung eines gleich geeigneten befristet Beschäftigten, - 4.
der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist, - 5.
eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder - 6.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.
(3) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.
(4) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.
Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 24.5.2012 - 2 BVGa 2/12 - wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses als unzulässig abgewiesen wird.
Gründe
I.
- 1
Die Beteiligten streiten im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren darüber, ob der Antragsteller berechtigt ist, auf Kosten des Arbeitgebers an einer Konferenz teilzunehmen.
- 2
Der Antragsteller ist seit 2004 Hauptvertrauensmann der Schwerbehinderten der US Air Force in Deutschland. Die US-Streitkräfte veranstalten jährlich ein Treffen unter dem Namen "Tri Service Safety Conference". Dabei handelt es sich um eine teilstreitkräfteübergreifende, europaweite Konfernez der US Air Force, der US Armee und der US Marine, bei der Fragen der Arbeitssicherheit u. ä. behandelt werden.
- 3
Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt,
- 4
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung zu verurteilen, dem Antragsteller unter Kostenübernahme die Teilnahme am Tri Service Safety Symposium vom 18.06. bis zum 22.06.2012 in Sonthofen zu genehmigen.
- 5
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
- 6
den Antrag zurückzuweisen.
- 7
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 24.05.2012 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgewiesen. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seite 3 dieses Beschlusses (= Bl. 55 d. A.) verwiesen.
- 8
Gegen den ihm am 31.05.2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 27.06.2012 Beschwerde eingelegt und diese am 30.07.2012 begründet.
- 9
Der Antragsteller hat in seiner Beschwerdebegründungsschrift die Hauptsache im Hinblick auf den bezüglich der Konferenz vom 18.06. bis 22.06.2012 zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablauf für erledigt erklärt, gleichwohl jedoch geltend gemacht, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei sein Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung nicht zurückzuweisen gewesen. Der erstinstanzliche Beschluss stelle sich vielmehr als rechtswidrig dar. Er - der Antragsteller - benötige eine entsprechende Feststellung, um seinen Anspruch auf Teilnahme an den betreffenden jährlich stattfindenden Konferenzen durchzusetzen.
- 10
Der Antragsteller beantragt,
- 11
festzustellen, dass der erstinstanzliche Beschluss des Arbeitsgerichts vom 24.05.2012 rechtswidrig ist und der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
- 12
Die Antragsgegnerin beantragt,
- 13
die Beschwerde zurückzuweisen.
- 14
Die Antragsgegnerin hat sich in ihrer Beschwerdeerwiderungsschrift der Erledigungserklärung des Antragstellers angeschlossen und macht im Übrigen geltend, bezüglich des nunmehr vom Antragsteller gestellten Antrages seien die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht gegeben. Insoweit fehle es sowohl an einem Verfügungsgrund als auch an einem Verfügungsanspruch.
- 15
Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.
- 16
Das Beschwerdegericht hat mit Beschluss vom 14.11.2012 das Verfahren insoweit gem. § 83 a Abs. 2 ArbGG eingestellt, als der Antragsteller beantragt hatte, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung zu verurteilen, ihm unter Kostenübernahme die Teilnahme am Tri Service Safety Symposium vom 18.06. bis zum 22.06.2012 in Sonthofen zu genehmigen.
II.
1.
- 17
Die statthafte Beschwerde ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
2.
- 18
Nachdem das einstweilige Verfügungsverfahren bezüglich des erstinstanzlich gestellten Antrages gemäß § 83 a Abs. 2 ArbGG eingestellt wurde, war nunmehr nur noch über den im Laufe des Beschwerdeverfahrens gestellten Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses zu befinden. Dieser Antrag erweist sich indessen als unzulässig.
- 19
Bezüglich der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses fehlt es bereits an einer rechtlichen Grundlage, die eine solche gerichtliche Entscheidung ermöglichen könnte. Der Feststellungsantrag ist hinsichtlich seiner Formulierung an § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO (sog. Fortsetzungsfeststellungsklage) angelehnt, wonach - bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen - die Rechtswidrigkeit eines bereits erledigten Verwaltungsaktes gerichtlich festgestellt werden kann. Diese Vorschrift, die überdies ausschließlich Verwaltungsakte betrifft, ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nicht - auch nicht entsprechend - anwendbar. Die vom Antragsteller begehrte Feststellung ist gesetzlich nicht vorgesehen.
- 20
Der Antrag erweist sich auch dann als unzulässig, wenn man ihn dahingehend auslegt, dass die Feststellung begehrt wird, die Antragsgegnerin sei verpflichtet gewesen, ihm die Teilnahme am Tri Service Saftey Symposium vom 18.06. bis zum 22.06.2012 in Sonthofen unter Kostenübernahme zu genehmigen. Insoweit fehlt es nämlich infolge des zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablaufs und der dadurch eingetretenen Erledigung an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO für einen Feststellungsantrag erforderlichen Feststellungsinteresse.
- 21
Der Antragsteller kann zur Begründung eines Feststellungsinteresses auch nicht mit Erfolg geltend machen, er benötige eine solche Feststellung zur Durchsetzung seines Anspruchs, zukünftig an den betreffenden Konferenzen teilzunehmen. Einem solchen, auf alle zukünftig stattfindenden Tri Service Safety Konferenzen bezogenen Teilnahmeanspruch steht bereits die Rechtskraft des Beschlusses des Beschwerdeberichts vom 18.05.2011 (8 TaBV 3/11) entgegen. Mit diesem, erstinstanzlich zu den Akten gereichten Beschluss (Bl. 13 - 20 d. A.) ist der Antrag des Klägers auf Feststellung, dass er berechtigt ist, an der jährlich stattfindenden Tri Service Safety Konferenz teilzunehmen, abgewiesen worden mit der Begründung, dass ein solcher Teilnahmeanspruch zwar im Einzelfall, jedoch nicht - wie beantragt - bezüglich sämtlicher zukünftig stattfindenden Konferenzen der betreffenden Art bestehe. Der in Rechtskraft erwachsene Beschluss steht dem vom Antragsteller geltend gemachten Feststellungsinteresse entgegen.
- 22
Darüber hinaus ist ein Antrag auf Erlass einer feststellenden einstweiligen Verfügung, abgesehen von Ausnahmefällen, ohnehin unzulässig. Eine nur vorläufig feststellende einstweilige Verfügung kann nämlich keine verbindliche Klärung des strittigen Rechtsverhältnisses herbeiführen, weil dies aus rechtsstattlichen Gründen allein dem Hauptverfahren vorbehalten bleiben muss und die Entscheidung im Eilverfahren gerade keine Bindungswirkung für das Hauptverfahren entfaltet (LAG Rheinland-Pfalz v. 18.11.1996 - 9 Sa 725/96 - LAGE § 935 ZPO Nr. 10).
- 23
Dem Antrag, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, steht entgegen, dass im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren für eine Kostenentscheidung kein Raum ist. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Gerichtskosten als auch der außergerichtlichen Kosten (BAG v. 20.04.1999 - 1 ABR 13/98 - AP Nr. 43 zu § 81 ArbGG 1979).
3.
- 24
Die Beschwerde des Antragstellers war daher zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses als unzulässig abgewiesen wird.
- 25
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§§ 92 Abs. 1 Satz 3, 85 Abs. 2 ArbGG).
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.
Tenor
-
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Januar 2009 - 26 Sa 1729/08 - wird zurückgewiesen.
-
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten darüber, ob Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit auf die tariflichen Aufstockungsbeträge für das Altersteilzeitentgelt anzurechnen sind.
- 2
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Die Parteien führen ihr Arbeitsverhältnis seit Januar 2007 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell. Die Arbeitsphase endete am 30. Juni 2009. Die Freistellungsphase soll am 31. Dezember 2011 enden. Die Parteien sind originär und durch vertragliche Bezugnahme an die Tarifverträge der Deutschen Post AG gebunden.
-
Der Tarifvertrag Nr. 37d über die Altersteilzeit bei der Deutschen Post AG lautete in der bis 31. Dezember 2006 geltenden Fassung vom 2. April 1998 (TV ATZ aF) auszugsweise:
-
„§ 5 Altersteilzeitentgelt, Aufstockung
(1)
Während der Altersteilzeit wird das jeweilige monatliche Netto-Teilzeitarbeitsentgelt auf 89 v. H. des um die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge geminderten jeweiligen monatlichen Bruttoentgelts unter Zugrundelegung der vor Beginn der Altersteilzeit arbeitsvertraglich vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit i. S. des Altersteilzeitgesetzes (Bemessungsgrundlage) aufgestockt (Aufstockungsbetrag).
(2)
Grundlage für die Bemessungsgrundlage ist
-
das Monatsgrundentgelt in sinngemäßer Anwendung des § 2 Abs. 1 ETV-DP AG aus der Entgeltgruppe, in die der Arbeitnehmer eingruppiert ist
-
das Urlaubsgeld gem. § 7 ETV-DP AG
-
das 13. Monatsgehalt gem. § 8 ETV-DP AG
-
die vermögenswirksamen Leistungen
-
für Arbeitnehmer, die unter § 30 Abs. 1 ETV-DP AG fallen, die Besitzstandszulage Lohn gem. Anhang 1 Teil A ETV-DP AG
-
für Arbeitnehmer, die unter § 30 Abs. 2 ETV-DP AG fallen, die Besitzstandszulage Vergütung gem. Anhang 2 Teil A ETV-DP AG
Ergibt sich für den Arbeitnehmer im Rahmen der arbeitsvertraglich vereinbarten Teilzeitbeschäftigung während der Altersteilzeitarbeit ein Zahlbetrag eines variablen Entgelts gem. Anhang 1 Teil A Abs. 12 bzw. Anhang 2 Teil A Abs. 11 ETV-DP AG, wird dieser Zahlbetrag neben dem Altersteilzeitentgelt und dem Aufstockungsbetrag gezahlt.
(3)
Steuer- und sozialversicherungsfreie Entgeltbestandteile sowie Zuschläge für Überzeitarbeit werden nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen.
Die unregelmäßigen Entgeltbestandteile werden entsprechend dem tatsächlichen Aufkommen gezahlt.“
- 4
-
Der Senat entschied mit Urteil vom 21. November 2006 (- 9 AZR 623/05 - Rn. 16 ff.), dass Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit unregelmäßige Entgeltbestandteile iSv. § 5 Abs. 3 Unterabs. 2 TV ATZ aF seien. Sie seien deshalb zusätzlich zum Altersteilzeitentgelt iSv. § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ aF zu gewähren. Die Beklagte hatte die Zuschläge damals in den monatlichen Entgeltabrechnungen als gesonderte Vergütungsbestandteile ausgewiesen. Sie hatte das effektive Nettoentgelt jedoch nicht erhöht, sondern den Aufstockungsbetrag gekürzt. In der Entscheidung vom 21. November 2006 wies der Senat ua. darauf hin, dass eine Auslegung des TV ATZ aF iSd. der Beklagten zu einem Verstoß der tariflichen Regelungen gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG führe. Es sei nicht anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien eine derartige sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung gewollt hätten (- 9 AZR 623/05 - Rn. 19).
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Die Beklagte und die Gewerkschaft ver.di schlossen am 27. Dezember 2006 den Tarifvertrag Nr. 132, durch den der TV ATZ geändert wurde. Sie vereinbarten dort, dass § 5 Abs. 3 des TV ATZ aF mit Wirkung vom 1. Januar 2007 neu gefasst werde. § 5 Abs. 3 lautet in der geänderten Fassung des Tarifvertrags Nr. 132(TV ATZ):
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„Die Besitzstandszulage Zulagen/Zuschläge sowie die Zulagen und Zuschläge für tatsächlich erbrachte zulagen- und zuschlagsberechtigte Arbeiten werden nach den tarifvertraglichen Regelungen des ETV-DP AG im Rahmen der Teilzeitbeschäftigung gezahlt und auf den Aufstockungsbetrag angerechnet.“
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§ 38 Abs. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der Deutschen Post AG vom 18. Juni 2003 (MTV-DP AG) bestimmt, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis beiderseits verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.
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Der Kläger leistete von Januar bis Mai 2007 Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Die Beklagte wies hierfür in den Abrechnungen Zuschläge von insgesamt 470,66 Euro brutto aus und leistete die Zuschläge. Sie rechnete die Zuschläge auf die nach § 5 Abs. 1 TV ATZ zu zahlenden Aufstockungsbeträge an.
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Der Kläger machte mit Schreiben vom 26. Juni 2007 Ansprüche auf Auszahlung der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge für Januar bis Mai 2007 gegenüber der Beklagten geltend. Die Beklagte wies unter dem 29. Juni 2007 darauf hin, dass die Auszahlung der Zuschläge in den einzelnen Bezügemitteilungen nachzuvollziehen sei.
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Der Kläger meint, § 5 Abs. 3 TV ATZ sei nichtig, weil er gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Der TV ATZ enthalte auch ohne die Anrechnungsregelung eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung. Er bleibe in seinen übrigen Bestandteilen wirksam.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 470,66 Euro brutto nebst Zinsen aus dem Nettobetrag in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, die Anrechnung sei schon deshalb nicht gleichheitswidrig, weil keine Arbeitnehmergruppen unterschiedlich behandelt würden. Die Anrechnungsregelung treffe jeden Altersteilzeitarbeitnehmer, wenn er zuschlagspflichtige Leistungen erbringe. Die Anrechnung sei jedenfalls eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Entfernterer Leistungszweck des Aufstockungsbetrags sei es, ältere Arbeitnehmer zum Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen zu bewegen. Näherer Leistungszweck sei es, den bisherigen Lebensstandard des Altersteilzeitarbeitnehmers in etwa abzusichern. Entscheidend sei allein, ob der nähere Zweck die Ungleichbehandlung rechtfertige. Mit Blick auf die Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien und nach gebotener Abwägung der Grundrechtspositionen aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 3 GG sei es nicht zu beanstanden, zur Sicherung des Lebensstandards einen einheitlich errechneten Betrag für jeden Arbeitnehmer zugrunde zu legen. Selbst bei einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz müsse den Tarifvertragsparteien aufgegeben werden, innerhalb angemessener Frist eine Neuregelung zu treffen.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von 470,66 Euro nebst Zinsen. Der Anspruch ergibt sich aus § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ. Für die Anrechnung der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge auf die monatlich geleisteten Aufstockungsbeträge besteht keine Rechtsgrundlage. Die Anrechnungsbestimmung in § 5 Abs. 3 TV ATZ ist nichtig, weil sie Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
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A. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ Anspruch auf Zahlung restlicher Aufstockungsbeträge in Höhe von insgesamt 470,66 Euro für Januar bis Mai 2007.
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I. Die Beklagte war nach § 5 Abs. 1 TV ATZ verpflichtet, das jeweilige monatliche Netto-Teilzeitarbeitsentgelt des Klägers für Januar bis Mai 2007 auf 89 % des um die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge geminderten jeweiligen monatlichen Bruttoentgelts(Bemessungsgrundlage) aufzustocken. Die Grundlage der Bemessung ist in § 5 Abs. 2 TV ATZ geregelt. Der Kläger leistete in den Monaten Januar bis Mai 2007 nach den unangegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) zuschlagspflichtige Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit im Gesamtwert von 470,66 Euro. Die Beklagte zahlte die Zuschläge für diese Monate an den Kläger. Sie rechnete den Wert der Zuschläge jedoch zu Unrecht auf die monatlichen Aufstockungsbeträge an. Da diese rechtswidrige Berechnung den Anspruch auf Altersteilzeitentgelt nicht mindert, steht dem Kläger noch restliche Altersteilzeitvergütung von 470,66 Euro zu.
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II. Die Beklagte war nicht berechtigt, auf die Aufstockungsbeträge aus § 5 Abs. 1 TV ATZ die Zuschläge für Januar bis Mai 2007 von insgesamt 470,66 Euro anzurechnen. Dieses Vorgehen entspricht § 5 Abs. 3 TV ATZ. Die tarifliche Anrechnungsbestimmung verstößt aber gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie ist nach § 134 Alt. 1 BGB nichtig.
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1. Nach § 5 Abs. 3 TV ATZ in der zum 1. Januar 2007 geänderten Fassung haben Arbeitnehmer in der Arbeitsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses Anspruch auf Zahlung der Zuschläge nach § 15 des Entgelttarifvertrags für Arbeitnehmer der Deutschen Post AG(ETV-DP AG).
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a) Die Zuschläge werden nach § 5 Abs. 2 TV ATZ nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen. Danach ist die Höhe des Aufstockungsbetrags unabhängig von den jeweiligen Ansprüchen des Arbeitnehmers auf Zahlung von Zuschlägen zu ermitteln. § 5 Abs. 3 TV ATZ bestimmt in der Folge jedoch, dass die nach dem ETV-DP AG gezahlten Zuschläge auf den Aufstockungsbetrag angerechnet werden. Damit haben die Tarifvertragsparteien ihren Willen zum Ausdruck gebracht, dass die Zuschläge nicht neben den nach § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ zu zahlenden Aufstockungsbeträgen zu leisten sind. Ein Teil der Aufstockungsbeträge wird durch die gezahlten Zuschläge ersetzt. Ansprüche auf Aufstockungsleistungen aus § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ werden im Ergebnis in Höhe der Zuschläge gekürzt.
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b) Angesichts der eindeutigen Formulierung in § 5 Abs. 3 TV ATZ und der Tarifgeschichte des vorangegangenen Senatsurteils vom 21. November 2006 (- 9 AZR 623/05 - Rn. 13 ff.) kommt eine andere Auslegung der Anrechnungsbestimmung nicht in Betracht. Die verfassungskonforme Auslegung einer Tarifnorm ist nur möglich, soweit der im Wortsinn zum Ausdruck kommende Wille der Tarifvertragsparteien sie zulässt. Sie scheidet aus, wenn sie dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien widerspräche (vgl. zur verfassungskonformen Gesetzesauslegung BVerfG 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 - zu D I der Gründe, BVerfGE 93, 37; zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung durch teleologische Reduktion Senat 17. November 2009 - 9 AZR 844/08 - Rn. 29, EzA BUrlG § 13 Nr. 59).
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2. Die von § 5 Abs. 3 TV ATZ vorgesehene Anrechnung der Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit auf die Aufstockungsbeträge verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Tarifbestimmung ist nichtig.
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a) Der Senat braucht nicht darüber zu entscheiden, ob Tarifvertragsparteien als Normgeber unmittelbar an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden sind oder sie dessen Grundsätze nur mittelbar beachten müssen(für eine lediglich mittelbare Grundrechtsbindung durch die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte zB BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 26; offengelassen von der st. Senatsrspr., vgl. nur 4. Mai 2010 - 9 AZR 184/09 - Rn. 43 mwN). Für den Prüfungsmaßstab ist die dogmatische Herleitung bedeutungslos (vgl. Senat 4. Mai 2010 - 9 AZR 184/09 - aaO mwN).
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b) Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG setzt voraus, dass die Tarifvertragsparteien bei der tariflichen Normgebung tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten außer Acht lassen, die so wesentlich sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtung hätten berücksichtigt werden müssen(st. Rspr., vgl. nur BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZR 895/07 - Rn. 25, EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 34; Senat 16. August 2005 - 9 AZR 378/04 - zu B II 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 8 = EzA GG Art. 3 Nr. 103). Der Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. zu der Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz BVerfG 9. Dezember 2008 - 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2 BvL 2/08 - [Pendlerpauschale] Rn. 56, BVerfGE 122, 210; 23. Mai 2006 - 1 BvR 1484/99 - Rn. 23, BVerfGE 115, 381).
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aa) Die gerichtliche Kontrolle wird durch die von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie begrenzt. Den Tarifvertragsparteien kommt eine Einschätzungsprärogative zu, soweit der tatsächliche Regelungsbedarf und insbesondere die betroffenen Interessen und die Rechtsfolgen zu beurteilen sind. Sie haben bei der inhaltlichen Gestaltung der Regelung einen Beurteilungsspielraum (vgl. Senat 16. August 2005 - 9 AZR 378/04 - zu B II 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 8 = EzA GG Art. 3 Nr. 103). Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Lösung für den zu regelnden Sachverhalt gefunden haben. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Tarifvertragsparteien ihren Gestaltungsspielraum überschritten haben (vgl. für die st. Rspr. Senat 4. Mai 2010 - 9 AZR 184/09 - Rn. 44; BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 26, jeweils mwN). Es genügt regelmäßig, wenn ein sachlich vertretbarer Grund für die getroffene Regelung besteht (vgl. Senat 16. August 2005 - 9 AZR 378/04 - aaO mwN).
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bb) Die aus dem Gleichheitssatz folgenden Grenzen sind überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl. nur BVerfG 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - zu C IV 1 der Gründe, BVerfGE 71, 39; BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZR 895/07 - Rn. 25 mwN, EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 34). Entsprechendes gilt, wenn Gruppen von Normadressaten gleichbehandelt werden, obwohl zwischen ihnen erhebliche Unterschiede bestehen.
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c) Gemessen daran ist § 5 Abs. 3 TV ATZ gleichheitswidrig. Durch die Anrechnungsbestimmung in § 5 Abs. 3 TV ATZ wird eine Gruppe von Normadressaten ohne sachlichen Grund mit einer nicht vergleichbaren anderen Gruppe gleichbehandelt. Arbeitnehmer im Altersteilzeitarbeitsverhältnis, die während der Arbeitsphase Anspruch auf Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit nach dem ETV-DP AG haben, werden durch die Anrechnung der Zuschlagszahlungen auf die Aufstockungsbeträge mit der Gruppe von Altersteilzeitarbeitnehmern gleichbehandelt, die keine zuschlagspflichtigen Tätigkeiten versehen (vgl. Senat 21. November 2006 - 9 AZR 623/05 - Rn. 19). Zwischen den beiden Gruppen bestehen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, die es nicht rechtfertigen, dass beiden Gruppen in der Summe dieselbe Altersteilzeitvergütung zusteht. Die Anrechnung der geleisteten Zuschläge auf die Aufstockungsbeträge nach § 5 Abs. 3 TV ATZ verringert sach- und gleichheitswidrig das mit bestimmten Erschwernissen erarbeitete Entgelt der zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer.
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aa) Altersteilzeitarbeitnehmer in der Arbeitsphase, die zuschlagspflichtige Tätigkeiten ausüben, erhalten im Ergebnis denselben auf 89 % des Nettoentgelts aufgestockten Betrag wie nicht zuschlagsberechtigte Altersteilzeitarbeitnehmer in der Arbeitsphase (§ 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ). Die beiden Arbeitnehmergruppen werden durch § 5 Abs. 3 TV ATZ hinsichtlich der Aufstockung auf 89 % des um die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge geminderten jeweiligen monatlichen Bruttoentgelts(§ 5 Abs. 1 TV ATZ) ohne sachliche Rechtfertigung gleichbehandelt. Die Zuschläge werden bei der Berechnung des Entgelts zunächst berücksichtigt, dann aber auf die Aufstockungsbeträge angerechnet. Die besondere Erschwernis der Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit wird damit im Zahlbetrag des Altersteilzeitentgelts nicht abgebildet.
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bb) Entgegen der Auffassung der Revision scheidet eine Gruppenbildung nicht deshalb aus, weil Arbeitnehmer in einem Monat zu der Gruppe der Zuschlagsberechtigten und in einem anderen Monat zu der Gruppe der nicht Zuschlagsberechtigten gehören können. Wer Normadressat ist, richtet sich nach den in der Regelung festgelegten Kriterien. Die Aufstockungsleistungen sind monatlich zu zahlende Beträge. Entscheidend ist, ob bestimmte Arbeitnehmer nach der tariflichen Vorschrift innerhalb des monatlichen Abrechnungszeitraums gleichheitswidrig behandelt werden.
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cc) Für die Anrechnung der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge auf die Aufstockungsbeträge besteht kein sachlicher Grund. Die Anrechnungsbestimmung in § 5 Abs. 3 TV ATZ ist willkürlich(vgl. zu § 5 Abs. 3 TV ATZ aF Senat 21. November 2006 - 9 AZR 623/05 - Rn. 19). Der Umstand, dass die Gruppe der betroffenen Altersteilzeitarbeitnehmer anders als die Gruppe der nicht zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer Ansprüche auf Zuschläge gegen die Beklagte hat, ist kein Grund, das Altersteilzeitentgelt dieser Gruppe auf dasselbe Niveau wie das der Gruppe der nicht zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer zu senken.
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(1) Eine Gleichbehandlung der beiden Gruppen, deren Verhältnis von dem wesentlichen Unterschied der erschwerten Arbeit der einen Gruppe gekennzeichnet ist, ist nur gerechtfertigt, wenn sich der Grund aus dem Leistungszweck ergibt. Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich frei darin, den Zweck der tariflichen Leistung in Ausübung ihrer von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten autonomen Regelungsmacht zu bestimmen. Der Leistungszweck ist der ausdrücklichen Zweckbestimmung der Leistung zu entnehmen oder durch Auslegung der Tarifnorm zu ermitteln. Auf den Leistungszweck kann mithilfe der Anspruchsvoraussetzungen, der Ausschluss- oder Kürzungstatbestände geschlossen werden (vgl. nur BAG 5. August 2009 - 10 AZR 634/08 - Rn. 32 mwN, AP TzBfG § 4 Nr. 21; 15. Juli 2004 - 6 AZR 25/03 - zu II 6 a der Gründe).
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(2) Der sich aus der Auslegung von § 5 TV ATZ ergebende Zweck der Sicherung des ungefähren Lebensstandards der Altersteilzeitarbeitnehmer führt nicht dazu, dass es sachlich gerechtfertigt ist, das Altersteilzeitentgelt der zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer in Höhe der Altersteilzeitvergütung der nicht zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer zu „kappen“.
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(a) Auf die tariflichen Aufstockungsleistungen werden Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge angerechnet. Mit den Zuschlägen werden jedoch andere Zwecke verfolgt als mit den Aufstockungsbeträgen, die durch die Anrechnung gekürzt werden. Die von § 15 ETV-DP AG begründeten Ansprüche auf Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit werden gezahlt, weil der Arbeitnehmer die Arbeit unter erschwerten Umständen leisten muss. Zuschlagsberechtigte Arbeitnehmer erhalten eine zusätzliche Vergütung als Ausgleich für die sozialen und gesundheitlichen Erschwernisse aufgrund von Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Die in § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ geregelten Aufstockungsbeträge gleichen im Unterschied dazu Verdienstverluste aus, die ein Arbeitnehmer erleidet, weil er seine Arbeitszeit durch Altersteilzeit reduziert. Mit den Aufstockungsbeträgen soll der Übergang in den gleitenden Ruhestand attraktiv gemacht und zugleich in etwa der bisherige Lebensstandard gesichert werden. Die Aufstockungsbeträge orientieren sich aus diesem Grund nicht allein an dem Verdienst, den der Altersteilzeitarbeitnehmer ohne Verringerung der Arbeitszeit hätte beanspruchen können (vgl. zum Zweck von Aufstockungsleistungen Senat 11. April 2006 - 9 AZR 369/05 - Rn. 52 mwN, BAGE 118, 1).
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(b) Der Bedarf eines Altersteilzeitarbeitnehmers, den Verdienst trotz der verringerten Arbeitszeit in etwa aufrechtzuerhalten, verringert sich nicht deswegen, weil ihm ein finanzieller Ausgleich für die unter erschwerten Bedingungen erbrachte Arbeitsleistung zusteht. Die Zuschläge für die Arbeit unter erschwerten Bedingungen sollen allein die damit verbundenen Nachteile ausgleichen und nicht die Verdienstverluste aufgrund der Arbeitszeitverringerung kompensieren. Zuschlagsberechtigte Altersteilzeitarbeitnehmer erzielen insgesamt eine höhere Vergütung als Arbeitnehmer, die keine zuschlagspflichtigen Tätigkeiten ausüben. Zuschlagsberechtigte Arbeitnehmer richten ihren Lebensstandard an dem höheren Verdienst aus. Dieser Umstand ist für die Tarifvertragsparteien typisiert betrachtet erkennbar und in der zuschlagsberechtigten Arbeitnehmergruppe nicht auf besondere Fälle beschränkt (vgl. zu der zulässigen typisierenden und generalisierenden Gruppenbildung durch die Tarifvertragsparteien BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 28).
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d) Die Beklagte geht zu Recht davon aus, dass die in § 5 Abs. 3 TV ATZ geregelte Anrechnung der Zuschläge auf die Aufstockungsbeträge nicht durch eine Budgetvorgabe für die Finanzierung von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen gerechtfertigt werden kann. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien nur einen bestimmten finanziellen Rahmen für Aufstockungsbeträge zur Verfügung stellen wollen, dürfen sie diese Mittel nicht unter Berufung auf ihren Gestaltungsspielraum willkürlich verteilen. Sie müssen die Schutzpflichten beachten, die sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben. Die Tarifvertragsparteien dürfen ihre Verhandlungspositionen nicht erweitern, indem sie Art. 3 Abs. 1 GG verletzen(vgl. BAG 15. Juli 2004 - 6 AZR 25/03 - zu II 6 c bb der Gründe).
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3. Der Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG führt nach § 134 Alt. 1 BGB zur Nichtigkeit der tariflichen Anrechnungsnorm für Nacht-, Sonn- und Feiertagszusc