Landesarbeitsgericht München Urteil, 29. Nov. 2016 - 42 Ca 11466/14

bei uns veröffentlicht am29.11.2016
vorgehend
Arbeitsgericht München, 42 Ca 11466/14, 12.02.2016

Gericht

Landesarbeitsgericht München

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 12. Feb. 2016 - 42 Ca 11466/14 in Ziff. 1, 2, 5 abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin %, die Beklagte %.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine Versetzung und eine hilfsweise ausgesprochene Änderungskündigung sowie um eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin.

Die Beklagte ist eine 100%ige Tochter der F. Wertmanagement A. (nachfolgend: F.). Die F. war im Jahr 2010 mit dem Ziel gegründet worden, von der H. -Gruppe übernommene Risikopositionen und nicht strategienotwendige Geschäftsbereiche abzuwickeln. Die einzig zu diesem Zweck gegründete Beklagte erbringt seit 1. Okt. 2013 die bei der Abwicklung dieses Portfolios erforderlichen Serviceleistungen. Die F. ist ihre einzige Kundin.

Die Klägerin, promovierte Physikerin mit einem Masterabschluss auch im Bereich R. & R., war bei der Beklagten seit 1. Juli 2013 gemäß Arbeitsvertrag vom 5./17. Okt. 2012 (Anlage K1, Bl. 15 d. A.) tätig. Nach Nr. 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrages wurde

„Frau P. … als Teamleiterin D. im Bereich F. Services eingestellt und mit allen einschlägigen Arbeiten nach näherer Anweisung von der Gesellschaft beschäftigt. Frau P. … (war) insbesondere auch verpflichtet, andere gleichwertige Tätigkeiten, die ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen, zu verrichten. Bei betrieblicher Notwendigkeit … (konnten) auch Versetzungen in andere Bereiche oder an einen anderen Ort in Deutschland angeordnet werden.“

Seit August 2014 wurde über den Einsatz der Klägerin auf einer anderen Position nachgedacht. In concreto sollte sie eine Funktion „Expert Projektkonzeption und -steuerung“ übernehmen. Hierzu äußerte sie in einer E-Mail vom 9. Sept. 2014 (Anlage B2, Bl. 43 d. A.) gegenüber dem Betriebsrat, die gleichzeitig (CC) an den Personalchef ging:

Zum Gesuch meines Arbeitgebers mich auf neu für mich geschaffene Stelle „Expert Projektkonzeption und -steuerung“ zu versetzen, widerspreche ich nicht und folge damit der Zusicherung, dass diese Stelle ernst gemeinte, absolut ausgefüllte, notwendige und auf lange Sicht ausgelegte Position, darstellt, die meine jetzige Position in allen Belangen gleichwertig ist.“

Mit Schreiben vom 10. Sept. 2014 (Anlage B1, Bl. 40 d. A.), das die Klägerin am 22. Sept,. 2014 erhielt, führte die Beklagte aus:

Hiermit weisen wir Ihnen mit Wirkung vom 11.09.2014 im Bereich R., G. & R. die Funktion als „Expert Projektkonzeption und -steuerung“ zu.“

Gleichzeitig erhielt die Klägerin am 22. Sept. 2014 ein weiteres Schreiben vom 10. Sept. 2014 (Anlage K2, Bl. 22 f. d. A.) u.a. des Inhalts:

„Sehr geehrte Frau P., mit Schreiben vom heutigen Tage haben wir Ihnen mit Wirkung ab dem 11.09.2014 die Tätigkeit als Expert Projektkonzeption und -steuerung zugewiesen.

Für den Fall, dass diese Versetzung unwirksam sein sollte, kündigen wir vorsorglich das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich und fristgerecht zum 31.12.2014 und bieten Ihnen zugleich mit Wirkung ab 01.01.2015 an, das Arbeitsverhältnis zu folgenden geänderten Bedingungen fortzusetzen:

Funktion: Expert Projektkonzeption und -steuerung In der Funktion als Expert Projektkonzeption und -steuerung gibt es keine disziplinarische Führungsverantwortung. Die wesentlichen Aufgaben als Expert Projektkonzeption und -steuerung umfassen insbesondere:

- Projektbezogene Erarbeitung von Fachkonzepten

- Mitarbeit an IT-Konzepten für Projekte der Abteilung R., G. & R.

- Bei Bedarf fachliche Mit-/Steuerung von Projekten der Abteilung R., G. & R.

- Konzeptionelle Unterstützung bei den Projekten der Abteilung R., G. & R.

- Schnittstelle zu anderen Abteilungen, insbesondere zur IT, bei der Umsetzung von Projekten der Abteilung R., G. & R.

- Kontinuierliches Reporting an die Abteilungsleitung Die übrigen Arbeitsbedingungen bleiben unverändert.

Der Betriebsrat stimmte, wie dieser mit E-Mail vom 9. Sept. 2014, 16.31 Uhr (Anlage B3, Bl. 113 d. A.) an die Personalabteilung mitteilte, sowohl der (geplanten) Versetzung der Klägerin als auch der vorsorglichen Änderungskündigung zu.

Die Klägerin übernahm ab 22. Sept. 2014 die ihr neu zugewiesene Position. Mit einer E-Mail vom 8. Okt. 2014 an Herrn K. (Anlage B5, Bl. 172 d. A.) führte die Klägerin u.a. aus, Ich bin seit fast einem Monat in der neuen Position „Expert Projektkonzeption und -steuerung“ und seit fast einem Monat nicht mehr für das Team D. G. verantwortlich. Ich bitte Sie, mir die Möglichkeit zu geben, mich auf die neuen Herausforderungen zu konzentrieren, damit ich die Erwartungen des Arbeitgebers erfüllen kann.

Mit Schreiben ihres ursprünglichen späteren Prozessvertreters vom 10. Okt. 2016 nahm sie das in der hilfsweise ausgesprochenen Änderungskündigung unterbreitete neue Angebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an.

Die der Klägerin auf der neuen Position zugewiesenen Arbeitsaufgaben und Projekte waren bis ca. Juli 2015 abgearbeitet. Mit Schreiben vom 29. Sept. 2015 kündigte die Beklagte nach Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 22. Sept. 2015 (Anlage B11, Bl. 232 ff. d. A.) und dessen Zustimmung vom 23. Sept. 2015 (Anlage B 12, Bl. 236 d. A.) das Arbeitsverhältnis zur Klägerin zum 31. Dez. 2015 (Anlage K14, Bl. 191 f. d. A.).

Die Klägerin wandte sich mit ihrer am 10. Okt. 2014 beim Arbeitsgericht München eingegangenen und der Beklagten am 20. Okt. 2014 zugestellten Klage vom 10. Okt. 2014 zunächst gegen die Änderungskündigung vom 10. Sept. 2014.

Mit Schriftsatz vom 17. März 2015 hat sie die Klage um die Feststellung der Unzulässigkeit der Versetzung vom 10. Sept. 2014 sowie - wie dann auch mit Schriftsatz vom 7. Apr. 2015 um Angriffe gegen - im Berufungsverfahren nicht mehr streitgegenständliche - Abmahnungen erweitert. Mit weiterem Schriftsatz, datiert auf 26. Aug. 2015, hat sie die Klage hinsichtlich eines Angriffs gegen die am 29. Sept. 2015 ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses erweitert. Mit Schriftsatz vom 20. Okt. 2015, der am 14. Okt. 2015 beim Arbeitsgericht eingegangen war, hat sie sich auf den unzutreffend datierten Schriftsatz vom 26. Aug. 2015 bezogen und den Schriftsatz erneut mit zutreffender Datierung beigefügt.

Die Klägerin hat erstinstanzlich - soweit hier noch von Interesse - vorgetragen, sie sei weder vor noch nach Übergabe der Schreiben vom 10. Sept. 2014 mit der Versetzung einverstanden gewesen. Vielmehr habe sie mit ihrer E-Mail vom 9. Sept. 2014 hinreichend deutlich, wie sie meint, zum Ausdruck gebracht, dass ihre Zustimmung an die Bestätigung der Gleichwertigkeit und Langfristigkeit der Stelle geknüpft sei. Daran habe es aber gefehlt. Vorsorglich fechte sie eine mögliche Zustimmungserklärung nach § 123 Abs. 1 BGB an. Weder sei die Versetzung durch den Arbeitsvertrag gedeckt noch die ausgesprochene Änderungskündigung sozial gerechtfertigt.

Die ordentliche Kündigung vom 29. Sept. 2015 sei ebenso sozial ungerechtfertigt. Ihre frühere Stelle sei nicht entfallen. Auch habe sich die Grundaussage, es bedürfe keines Teamleiters im Team D. G. als unrichtig herausgestellt. Die Führung erfolge durch verschiedene externe Mitarbeiter und durch Herrn Baumann bis 31. Aug. 2015; anschließend habe Herr K. die Teamleitung übernommen. Ferner bestreite sie, dass ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit entfallen sei. Die Beklagte habe neue Mitarbeiter eingestellt. Auch seien im Zeitpunkt der Kündigung drei Stellen ausgeschrieben gewesen, die man ihr hätte anbieten müssen. Ferner sei die Sozialauswahl fehlerhaft; der Arbeitnehmer B. sei erst im Oktober 2014 eingestellt worden und weniger schutzwürdig.

Sie hat erstinstanzlich beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 10.09.2014 unwirksam ist.

2. Es wird festgestellt, dass die Versetzung vom 10.09.2014 unzulässig ist.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die beiden an die Klägerin gerichteten Abmahnungen vom 08.10.2014 zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, die beiden an die Klägerin gerichteten Abmahnungen vom 17.02.2014 zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

5. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29.09.2015 nicht aufgelöst ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat in der E-Mail vom 9. Sept. 2014 eine Zustimmung der Klägerin zur Versetzung gesehen. Darüber hinaus sei diese zu Recht erfolgt, da die Klägerin in den ersten drei Monaten nach ihrer Einstellung ein inakzeptables Führungsverhalten an den Tag gelegt habe. Mehrere Klärungsgespräche und die Zur-Verfügung-Stellung eines Coaches hätten keine Besserung erbracht. Zudem sei die personelle Maßnahme mit keiner Herabsetzung in der Hierarchie verbunden.

Die Änderungskündigung sei jedenfalls aus personenbedingten Gründen wirksam, da sich die Klägerin persönlich ungeeignet erwiesen habe, die ihr übertragenen Aufgaben zu erfüllen.

Die Kündigung vom 29. Sept. 2015 sei wirksam. Die Klägerin habe dagegen schon keine rechtzeitige Klage erhoben. Zwar habe sie mit Schriftsatz vom „26. Aug. 2015“ die Klage erweitert, diese Klageerweiterung aber mit Schriftsatz vom 20. Okt. 2015 wieder zurückgenommen. Der dem Schriftsatz vom 20.10.2015 beigelegene Schriftsatz sei nicht mehr innerhalb der Klagefrist eingegangen. Darüber hinaus sei die Kündigung sozial gerechtfertigt, da die Beklagte ihre Mitarbeiterkapazitäten am Standort habe reduzieren müssen. Die von der Klägerin innegehabte Stelle sei zum 31. Dez. 2015 dauerhaft entfallen. Auch auf dem früheren Arbeitsplatz sei der Beschäftigungsbedarf entfallen, da sich gezeigt habe, dass es dort keiner Teamleitung bedürfe; ausreichend sei die disziplinarische Leistung durch Herrn K. Geeignete freie Arbeitsplätze gebe es im Unternehmen nicht. Für die von ihr angesprochenen ausgeschriebenen Stellen fehle ihr die dafür erforderliche Qualifikation. Herr B. sie mit der Klägerin nicht vergleichbar.

Das Arbeitsgericht München hat der Klage mit Endurteil vom 12. Feb. 2016 (Bl. 341 ff. d. A.) vollumfänglich stattgegeben. Wegen des (un-)streitigen Sachvortrags der Parteien im Einzelnen und der maßgeblichen rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts wird auf diese Entscheidung Bezug genommen.

Im Wesentlichen führt das Erstgericht - soweit hier von Interesse - aus, die Feststellung hinsichtlich der Versetzung sei begründet, da diese gegen den Arbeitsvertrag verstoße. Die Klägerin sei als Teamleiterin eingestellt, was Vorgesetztenfunktion beinhalte, weswegen die Zuweisung einer Stelle ohne diese Funktion per Direktionsrecht ausscheide. Auch hätten die Parteien keinen Änderungsvertrag geschlossen. Man habe der Klägerin am 22. Aug. 2014 keinen solchen angeboten, sondern ihr nur die Möglichkeit einer Bewerbung geboten. Jedenfalls fehle es an einer wirksamen Annahmeerklärung der Klägerin. Eine solche könne auch nicht der an den Betriebsrat gerichteten E-Mail vom 9. Sept. 2014 entnommen werden. Ebenso habe die Änderungskündigung den Arbeitsvertrag nicht geändert. Die Beklagte habe keinerlei überprüfbare Tatsachen mitgeteilt, welche das inakzeptable Führungsverhalten der Klägerin bestätigten. Die Beendigungskündigung vom 29. Sept,. 2015 sei ebenso sozialwidrig. Die Klägerin habe dagegen rechtzeitig Klage erhoben. Vorliegend könne nicht entnommen werden, dass die frühere Tätigkeit der Klägerin als Teamleiterin entfallen sei. Insbesondere habe die Beklagte nicht dargelegt, dass andere Arbeitnehmer ohne überobligatorische Belastung diese Aufgaben (teilweise) mit übernommen hätten.

Gegen diese ihr am 31. März 2016 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 13. Apr. 2016, der am selben Tag per Telefax beim Landesarbeitsgericht eingegangen war, Berufung eingelegt und diese nach der auf ihren Antrag hin erfolgten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 28. Juni 2016 (Beschluss vom 25. Mai 2016, Bl. 423 d. A.) mit Schriftsatz vom 13. Juni 2016, der am 15. Juni 2016 eingegangen war, begründet.

Sie trägt weiterhin vor, die Arbeitsleistung der Klägerin als Teamleiterin D. G. sei, wie ihr im 1. Halbjahr 2014 auch mitgeteilt, wegen unzureichender Priorisierung, mangelnder Effizienz und struktureller Defizite unzureichend gewesen. Auf Grund dieser massiven Probleme sei es ihr, wie sie meint, nicht mehr zuzumuten gewesen, die Klägerin weiter auf diesem Arbeitsplatz einzusetzen. Man habe daher einen auf die Fähigkeiten und Kenntnisse der Klägerin zugeschnittenen Arbeitsplatz geschaffen und ihr im beiderseitigen Einvernehmen übertragen. Sie sei wegen ihrer Erkrankung am 11. und 12. Sept. 2014 und nachfolgenden Urlaubs vom 15. bis 19. Sept. 2014 allerdings nicht bereits ab 11. Sept. 2014, sondern erst ab 22. Sept. 2014 dort eingesetzt worden. Rein vorsorglich habe man auch die Änderungskündigung ausgesprochen, mit dem Ziel, ihr diesen Arbeitsplatz zu übertragen. Erst nach mehr als 6 Monaten, am 17. März 2015, habe sie die Zuweisung dieses anderen Arbeitsplatzes gerichtlich angegriffen. Die Position Teamleiterin D. G. sei am 29. Sept. 2014 mit sofortiger Wirkung gestrichen worden.

Die Beendigungskündigung sei ausgesprochen worden, weil die Klägerin alle ihr übertragenen Projekte abgearbeitet gehabt hatte. Deshalb sei sie auch während der Kündigungsfrist unwiderruflich von der Arbeitspflicht freigestellt worden. Insoweit sei nach ihrer Ansicht die zunächst eingereichte Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 22. Nov. 2015 (recte wohl: 20. Okt. 2015) wieder zurückgenommen worden.

Die Kündigung beruhe auch darauf, dass ihre im April 2015 angedachte Privatisierung durch die F. abgebrochen worden sei. Damit hätte sie neue Kunden gewinnen können. Mit der Abstandnahme von einer Privatisierung würde der Umfang der zu erbringenden Service-Leistungen naturgemäß immer kleiner, was die Verringerung der Mitarbeiterkapazitäten mit sich bringe. Die Geschäftsführung habe am 16. Juli 2015 beschlossen die Mitarbeiterkapazität am Standort C-Stadt von 240,2 Vollzeitmitarbeiterkapazitäten auf 221,5 bis Ende 2015 und auf 202 bis Ende 2016 zu verringern. In diesem Rahmen sei auch beschlossen worden, die Stelle „Expert Projektplanung und -steuerung“ zum 1. Okt. 2015 dauerhaft entfallen zu lassen. Auf dieser Basis habe man auch einen Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen.

Von der Tätigkeit der Klägerin als Teamleiterin seien 15 Wochenarbeitsstunden entfallen. 25 Wochenarbeitsstunden habe man auf ihre neue Tätigkeit auf den Leiter R. G. & R., Herrn K., bzw. auf die Mitarbeiter des Teams D. G. übergeleitet. Dessen disziplinarische Leitung mit dem zeitlichen Umfang von einer Wochenstunde habe Herrn K. oblegen. Von den übergeleiteten Stunden seien 12 von Projekttätigkeiten geprägte Stunden auf die für die Klägerin neu geschaffene Position übergeleitet worden. Sämtliche Projektaufgaben und die Projektleitung sei teamübergreifend auf Abteilungsebene gebündelt und dafür eine abteilungsweite Projektkompetenzstelle geschaffen worden (hinsichtlich der von der Klägerin ausgeübten Projektaufgaben und deren zeitlicher Dauer wird auf S. 14 ff. des Schriftsatzes vom 13. Juni 2016, Bl. 424 ff, 437 f. Bezug genommen). Die Klägerin habe 24 Wochenarbeitsstunden auf übergeleitete Projekte „Expert Projektplanung und -steuerung“ und 16 Wochenarbeitsstunden für die Bearbeitung weiterer Projekte der Abteilung R. G. zu leisten gehabt.

Sie beantragt:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 12.02.2016, Az. 42 Ca 11466/14, abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen, soweit festgestellt wurde, dass die Versetzung unwirksam ist.

3. Die Klage wird abgewiesen, soweit festgestellt wurde, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 10.10.2014 unwirksam ist.

4. Die Klage wird abgewiesen, soweit festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29.09.2015 nicht aufgelöst ist.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bestreitet, dass Probleme im Team D. G. bestanden hatten. Zutreffend sei ihr zwar ein Coach zur Seite gestellt worden, allerdings allein zur Weiterentwicklung ihrer Führungskraft. Vielmehr sei Herr K. ihr gegenüber zunehmend feindseliger aufgetreten. Die Streichung der Position der Teamleiterin sei nicht darstellbar. Die Stelle sei vom Geschäftsleiter S. unter dem 13. März 2015 als freigegeben bestätigt worden. Seit 11. Sept. 2014 habe sie Herr B. kommissarisch geleitet. Nach 13. Aug. 2015 sei sie von Herrn K. kommissarisch übernommen worden. Auch aktuell bestehe eine Führung des Teams. Der angeblich entfallene Tätigkeitsumfang von 15 Wochenstunden sei immer noch vorhanden.

Der nunmehrige Vortrag der Zuweisung von Projekten des D. G.-Teams widerspreche der Stellenbeschreibung „Expert Projektplanung und -steuerung“ Danach sei sie für die gesamte Abteilung R. G. & R. zuständig gewesen. Diese Stelle sei auch laut A. … R. G. & R. nicht vorhanden.

Dass die Beklagte eine verbliebene Kapazität von 16 Stunden der Bearbeitung weiterer Projekte zuordne, sei nicht nachvollziehbar. Sie sei weder in andere Projekte involviert gewesen noch habe sie Überstunden aus ihrer Zeit als Teamleiterin abbauen dürfen. Auch habe man ihr eine Gehaltskürzung angedroht, falls sie nur 8 Stunden im Büro wäre.

Die Versetzung sei, wie sie meint, nicht wirksam. Eine einvernehmliche Vertragsänderung sei nicht darstellbar. Zur Änderungskündigung trage die Beklagte nichts Neues vor. Die betriebsbedingte Kündigung habe sie rechtzeitig angegriffen, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt habe. Dabei seien auch andere Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten unberücksichtigt geblieben; auch hinsichtlich der Sozialauswahl bestünden Bedenken, wie im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 15. Jan. 2016, Seite 13 (Bl. 249 ff., 262 d. A.) aufgezeigt.

Wegen des Sachvortrags der Parteien im Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 10. Okt. 2014 (Bl. 13 ff. d. A.), vom 17. März 2015 (Bl. 64 ff. d. A.), vom 7. Apr. 2015 (Bl. 79 ff. d. A.), vom 5. Juni 2015 (Bl. 139 ff. d. A.), vom 26. Aug. 2015 (Bl. 178 ff. d. A.), vom „26. Aug. 2015“ (Bl. 189 ff. d. A.), vom 20. Okt. 2015 (Bl. 195 ff. d. A.), vom 15. Jan. 2016 (Bl. 249 ff. d. A.), vom 26. Jan. 2016 (Bl. 288 d. A.), vom 16. Aug. 2016 (Bl. 482 ff. d. A.), vom 24. Aug. 2016 (Bl. 523 f. d. A.), vom 10. Okt. 2016 (Bl. 540 ff. d. A.) und vom 21. Nov. 2016 (Bl. 609 ff. d. A.), der Beklagten vom 5. Nov. 2014 (Bl. 38 ff. d. A.), vom 13. Feb. 2015 (Bl. 57 ff. d. A.), vom 9. Apr. 2015 (Bl. 101 ff. d. A.), vom 22. Apr. 2015 (Bl. 129 ff. d. A.), vom 10. Juli 2015 (Bl. 160 ff. d. A.), vom 13. Nov. 2015 (Bl. 222 ff. d. A.), vom 2. Feb. 2016 (Bl. 310 ff. d. A.), vom 13. Apr. 2016 (Bl. 391 ff. d. A.), vom 13. Juni 2016 (Bl. 424 ff. d. A.) und vom 14. Okt. 2016 (Bl. 547 ff. d. A.) sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 17. Apr. 2015 (Bl. 116 ff. d. A.), vom 12. Feb. 2016 (Bl. 337 ff. d. A.), vom 30. Aug. 2016 (Bl. 527 ff. d. A.) und vom 29. Nov. 2016 (Bl. 628 ff. d. A.) - jeweils nebst evtl. Anlagen - Bezug genommen.

Gründe

Die statthafte Berufung hat in der Sache Erfolg.

I.

Die Berufung ist zulässig Sie ist nach § 64 Abs. 1, 2c ArbGG statthaft sowie in rechter Form und Frist eingelegt und begründet worden (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 519 Abs. 2, § 520 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 66 Abs. 1 Sätze 1, 2, 5 ArbGG, § 222 ZPO).

II.

In der Sache hat die Berufung Erfolg.

Zwar geht das Arbeitsgericht zu Recht davon aus, dass die Versetzungsmaßnahme nicht im Wege des Direktionsrechts hatte durchgesetzt werden können. Allerdings war nach Ansicht der erkennenden Kammer eine Vertragsänderung eingetreten (§§ 145 ff. BGB), der die Klägerin zumindest konkludent zugestimmt hatte. Damit hatte sich der Inhalt des Arbeitsverhältnisses einvernehmlich auf die neue Position, welche die Klägerin ab 22. Sept. 2014 tatsächlich bekleidet hatte, geändert. Die Frage der Änderung des Arbeitsverhältnisses infolge der hilfsweise ausgesprochenen Änderungskündigung bedarf daneben keiner weiteren Betrachtung. Ebenso ist die unter dem Datum 29. Sept. 2015 ausgesprochene ordentliche betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Insbesondere kann sich die Klägerin nicht auf andere freie Arbeitsplätze oder eine unzutreffende Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG berufen. Hierzu hatte die Beklagte bereits erstinstanzlich Stellung genommen, ohne dass sich die Klägerin in der Berufungsinstanz mit dieser Argumenten auch nur andeutungsweise auseinandergesetzt hätte. Insbesondere hatte sie auch im Termin vom 29. Nov. 2016 keine Schriftsatzfrist beantragt, weil eine Auseinandersetzung mit diesen Argumenten ad hoc nicht möglich gewesen wäre.

1. Die Versetzung der Klägerin auf die Position „Expert Projektplanung und -steuerung“ hatte zwar nicht einseitig im Wege der Direktionsausübung erfolgen können. Insoweit ist auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zu verweisen (§ 69 Abs. 3 ArbGG). Allerdings hatte sich die Klägerin nach Ansicht der erkennenden Kammer mit der Vertragsänderung zumindest konkludent einverstanden erklärt.

a. Die Klage gegen die Versetzungsanordnung ist nicht bereits wegen des angebrachten Klageantrages unzulässig. Die Klägerin begehrt die Feststellung der Unzulässigkeit der Versetzung, die als solche jedoch kein Rechtsverhältnis (zum Rechtsverhältnis vgl. etwa BAG v. 30. 8. 2016 - 3 AZR 361/15, juris Rz. 11; BAG 20. 10. 2016 - 6 AZR 715/15, juris Rz. 25) darstellt, das einer Feststellung nach § 256 Abs. 1 ZPO zugänglich wäre (ohne weitere Problematisierung der vorgenommenen bloßen Elementenfeststellung z.B.: BAG v. 11. 4. 2006 - 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149; BAG v. 19. 1. 2011 - 10 AZR 738/09, NZA 2011, 631).

Allerdings ist der Klageantrag einer Auslegung dahingehend zugänglich, dass die Klägerin die Feststellung, das Arbeitsverhältnis sei durch die Versetzungsanordnung vom 10. Sept. 2014 inhaltlich nicht verändert worden, begehrt. Damit ist der Inhalt eines Rechtsverhältnisses - § 256 Abs. 1 ZPO entsprechend - Gegenstand der begehrten Feststellung.

b. Vorliegend kann dahinstehen, ob der Klägerin diese Stelle bereits im August 2014 angeboten worden war oder, ob man ihr nur die Möglichkeit einer Bewerbung auf diese Stelle eingeräumt hatte. Jedenfalls mit der Versetzungsanordnung vom 10. Sept. 2014 und der Änderungskündigung vom gleichen Tag war ihr ein Angebot unterbreitet worden, welches sie zumindest konkludent angenommen hatte.

aa. Sie hatte bereits im Vorfeld der Versetzung zum Ausdruck gebracht, dass sie dieser nicht widersprechen wolle (E-Mail vom 9. Sept. 2014, Anlage B2, Bl. 43 d. A.). Zwar ist diese Nachricht unmittelbar an den Betriebsrat gerichtet, doch ist die Personalabteilung in Person von Herrn H. unter „CC“ angeführt. Wenngleich dem Arbeitsgericht darin zuzustimmen ist, dass diese E-Mail nicht als antezipierte Zustimmungserklärung nach § 147 Abs. 1 BGB anzusehen ist, da sie nicht an die Beklagte selbst gerichtet war, so hatte die Klägerin damit zumindest auch gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht, sie wolle der Versetzungsmaßnahme nicht entgegentreten.

Dem Inhalt der Nachricht ist, entgegen der Ansicht der Klägerin, wie sie etwa im Schriftsatz vom 5. Juni 23015 (Bl. 139 d. A.) ausführt, nicht „unmissverständlich“ dahingehend zu verstehen, sie sei mit der Übernahme dieser Position gerade nicht einverstanden gewesen. Vielmehr führt sie gerade aus, sie

„… folge damit der Zusicherung, dass diese Stelle ernst gemeinte, absolut ausgefüllte, notwendige und auf lange Sicht ausgelegte Position, darstellt, die meine jetzige Position in allen Belangen gleichwertig ist.“

Sie vertraut damit den - nicht konkret wiedergegebenen - Angaben der Beklagten. Dies ist nur so zu verstehen, dass sie letztlich mit der Übernahme der Position einverstanden sei, wenngleich dies der Beklagten gegenüber - wie ausgeführt - zu diesem Zeitpunkt allenfalls angedeutet, noch nicht aber erklärt gewesen war.

bb. Weiterhin hat die Klägerin nach Erhalt der Versetzungsanordnung widerspruchslos die Stelle übernommen. Zwar trägt sie im Schriftsatz vom 17. März 2015 (Bl. 64 d. A.) vor, sie habe der Beklagten gegenüber mehrfach bekundet, mit der Tätigkeitsänderung nicht einverstanden zu sein. Allerdings gibt sie weder an, wann diese Bekundungen erfolgt waren, evtl. bereits weit vor der Versetzungsverfügung oder erst mit dem Schreiben ihres damaligen Prozessbevollmächtigten vom 10. Okt. 2014 (?), welchen Inhalt ihr Protest in concreto gehabt haben sollte und ebenso nicht, wem gegenüber diese Erklärungen abgegeben worden sein sollen. Mithin kann vom keinem Protest im Zusammenhang mit der Übernahme der neuen Tätigkeit ausgegangen werden.

(1) Eine widerspruchslose Weiterarbeit zu den angebotenen veränderten Arbeitsbedingungen nach Ablauf der Kündigungsfrist oder der Frist zur Abgabe einer Vorbehaltserklärung nach § 2 Satz 2 KSchG ist regelmäßig als konkludentes Einverständnis mit der Vertragsänderung anzusehen (ErfK/Oetker, 16. Aufl., § 2 KSchG Rz. 29; HHULinck, KSchG, 15. Aufl., § 2 Rz. 97). Damit kommt unabhängig von einer Betriebsratsbeteiligung ein Änderungsvertrag zustande.

(2) Vorliegend hatte die Klägerin zwar bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist auf der angebotenen neuen Stelle gearbeitet. Daraus allein kann noch nicht auf eine konkludente Vertragsänderung geschlossen werden. Denn dabei ist zu sehen, dass ihr diese neue Tätigkeit primär nicht im Wege des Ausspruches einer Änderungskündigung, sondern im Wege der Direktionsausübung (§ 106 GewO) zugewiesen worden war. Zwar war sie nicht verpflichtet, einer vertragswidrigen Weisung Folge zu leisten, allerdings verlagert das Bundesarbeitsgericht das Risiko unbilliger Weisungen auf den Arbeitnehmer (BAG 22. 2. 2012 - 5 AZR 249/11, NZA 2012, 858, Rz. 24; zust. Schmitt-Rolfes, AuA 2013, 200). Angesichts der das Arbeitsverhältnis „prägenden Weisungsgebundenheit“ sei ein Arbeitnehmer gehalten, lediglich unbillige und damit nur unverbindliche (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB) Weisungen zunächst zu befolgen, ehe eine rechtskräftige Entscheidung darüber erreicht sei (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Wenngleich gegen diese Rechtsprechung erhebliche und durchgreifende Bedenken bestehen (vgl. nur ErfK'Preis, a.a.O., § 106 GewO Rz. 7a; Boemke, NZA 2013, 6; Fischer, FA 2014, 38; Hromadka, Festschrift für v. Hoyningen-Huene, S. 145, 150 ff.; Kühn, NZA 2015, 10; Preis, NZA 2015, 1; ferner LAG Köln v. 28. 8. 2014 - 6 Sa 423/14, DStR 2015, 486, Rz. 22), so war es der Klägerin aber nicht anzusinnen, sich gegen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu stellen und damit ihr Vergütungsansprüche bis zur Klärung der Wirksamkeit der Weisung zu riskieren.

Auch hatte die Klägerin im Rahmen der allerdings nur hilfsweise ausgesprochenen Änderungskündigung nach § 2 Satz 2 KSchG drei Wochen Zeit, einen Vorbehalt hinsichtlich der Übernahme der neuen Tätigkeit zu erklären.

(3) Allerdings ist das (konkludente) Einverständnis der Klägerin mit der Vertragsänderung deswegen anzunehmen, da sie nicht nur widerspruchslos auf der neuen Arbeitsstelle die Arbeit aufgenommen und mit der E-Mail vom 8. Okt. 2014 auch gegenüber ihrem Vorgesetzten K. zum Ausdruck gebracht hatte, sie wolle auf der neuen Stelle zur Zufriedenheit ihres Arbeitgebers die Leistung erbringen, wenn sie u.a. schreibt:

„… Ich bitte Sie, mir die Möglichkeit zu geben, mich auf die neuen Herausforderungen zu konzentrieren, damit ich die Erwartungen des Arbeitgebers erfüllen kann.“

Sie hatte die Herausforderungen der neuen Stelle angenommen und hatte sich diesen stellen wollen. Dies kann nach Ansicht der Kammer nicht anders verstanden werden, als dass sie ihre Zukunft auf dieser neuen Position sieht. Dies gilt insbesondere, wenn sie in den dieser Bemerkung vorangegangenen Ausführungen darauf hinweist, nicht mehr für das Team D. G. zuständig zu sein. Dies verstärkt den Eindruck, dass sie mit den auf dieser (früheren) Stelle ausgeübten Tätigkeiten abgeschlossen hatte.

Auch wenn man in der E-Mail vom 8. Okt. 2014 nicht die ausdrücklich erklärte Zustimmung zur Vertragsänderung sehen möchte, bringt die Klägerin damit aber hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass sie sich mit der angebotenen Stellenänderung - bereits vorher - konkludent einverstanden erklärt habe.

cc. Der Protest gegen die übernommene neue Stelle in der Vorbehaltserklärung ihres damaligen Prozessbevollmächtigten vom 10. Okt. 2014 kam damit, auch wenn dieses Schreiben der Beklagten bereits am Tag der Datierung des Schreiben zugegangen sein sollte, erst nach der vorstehend angeführten E-Mail vom 8. Okt. 2014, mithin erst nach bereits erfolgter Vertragsänderung an. Dadurch hatte - jedenfalls ohne die nicht vorgetragene und auch nicht ersichtliche Zustimmung der Beklagten - die erfolgte Vertragsänderung nicht mehr rückgängig gemacht oder modifiziert werden können.

c. Die Anfechtung der Zustimmungserklärung der Klägerin nach § 123 Abs. 1 BGB greift nicht durch. Ihrem Vortrag ist weder zu entnehmen, dass sie durch eine Drohung seitens der Beklagten oder durch eine arglistige Täuschung - falls ja, durch welche? - zur (konkludenten) Zustimmungserklärung bestimmt worden wäre. Insbesondere kann aus dem Umstand, dass es sich letztlich um keine dauerhafte Stelle für die Klägerin gehandelt hatte, keine Täuschung der Beklagten, jedenfalls keine arglistige Täuschung, ohne Weiteres entnommen werden, wenn sie damals noch die Privatisierung und damit auch den gewinn neuer Kunden, damit auch weiterer Projekte für die Stelle der Klägerin, im Auge gehabt hatte. Trotz des dahingehenden Aufklärungsbeschlusses im Termin vom 30. Aug. 2016 (Bl. 529 d. A.) hatte keine Partei hierzu weiter ausgeführt.

d. Angesichts der erfolgten Zustimmung des Betriebsrat zur Versetzung der Klägerin (§§ 99 Abs. 1, 95 Abs. 3 BetrVG), konnte die Maßnahme auch tatsächlich wirksam umgesetzt werden.

2. Da das Arbeitsverhältnis bereits durch einvernehmliche Vertragsänderung in seinem Inhalt verändert worden war, bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Auslegung des auch insoweit Bedenken unterliegenden Klageantrages (dazu oben II 1 a), der nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist und auch keiner Auseinandersetzung mit der sozialen Rechtsfertigung der ausgesprochenen Änderungskündigung (§ 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 KSchG).

3. Die ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung vom 29. Sept. 2015 ist sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Zwar hat die Klägerin die ausgesprochene Kündigung rechtzeitig gerichtlich angegriffen und die Klage nicht wieder zurückgenommen, um sie anschließend neu zu erheben. Allerdings ist ihr Arbeitsplatz entfallen; andere zumutbare Tätigkeiten waren - ersichtlich - nicht vorhanden. Eine Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) war nicht zu treffen.

a. Die ausgesprochene Kündigung war aus dringenden betrieblichen Gründen (§ 1 Abs. 2 KSchG) sozial gerechtfertigt. Denn die der Klägerin übertragenen Arbeitsaufgaben waren zu diesem Zeitpunkt erledigt; mit neuen Arbeitsaufgaben war nicht mehr zu rechnen. Es war daher die Prognose gerechtfertigt, am Standort der Beklagten in Unterschließheim bestanden entsprechende personelle Überkapazitäten, welche das Beschäftigungsbedürfnis für die Klägerin entfallen ließen. Entsprechend hatte die Beklagte beschlossen, den Arbeitsplatz der Klägerin zum 1. Okt. 2015 ersatzlos zu streichen. Eine offenbare Unsachlichkeit oder Willkür dieser Unternehmerentscheidung ist klägerseits weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Klägerin hat selbst im Termin vom 29. Nov. 2016 eingeräumt, dass die ihr übertragenen Arbeitsaufgaben bereits weit vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigungserklärung abgearbeitet gewesen waren.

b. Vorliegend ist nicht zu erkennen, dass es der Beklagten möglich gewesen wäre, die auszusprechende Kündigung durch Ergreifen zumutbarer milderer Maßnahmen zu vermeiden.

aa. Eine Kündigung ist nur dann nach § 1 Abs. 2 KSchG auf „dringende“ betriebliche Erfordernisse zu stützen, wenn der Arbeitgeber den bei Ausspruch der Kündigung absehbaren Wegfall des Beschäftigungsbedarfs und damit den notwendigen Ausspruch einer Beendigungskündigung nicht durch andere Maßnahmen technischer, organisatorischer oder wirtschaftlicher Art vermeiden kann. Die Voraussetzung der „Dringlichkeit“ der betrieblichen Erfordernisse stellt den gesetzlichen Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dar, aus dem sich ergibt, dass der Arbeitgeber vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer eine sowohl diesem als auch ihm selbst objektiv mögliche anderweitige Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz, ggf. zu geänderten Bedingungen, anbieten muss (BAG v. 29. 8. 2013 - 2 AZR 809/12, NZA 2014, 730, Rz. 22 m.w.N.). Dabei ist ein Arbeitgeber ggf. gehalten, eine freie und zumutbare Stelle durch Ausspruch einer Änderungskündigung anzubieten, sofern sich der Arbeitnehmer nicht bereits vorher mit deren Übernahme einverstanden erklärt (BAG seit 21. 4. 2005 - 2 AZR 132/04, NZA 2005, 1289, Rz. 30 ff. [juris])

bb. Derartige mildere Maßnahmen sind vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere hatte die Beklagte der Klägerin keine anderweitigen Tätigkeiten übertragen können, obschon drei freie Stellen ausgeschrieben waren. Denn diese waren, wie die Beklagte bereits im erstinstanzlichen Verfahren ausgeführt hatte, nicht für die Klägerin geeignet; deren Übertragung war mithin nicht zumutbar.

(1) Ihr frühere Stelle konnte und musste ihr nicht zumutbarer Weise übertragen werden. Diese war nach der Einlassung der Beklagten entfallen. Selbst wenn man dieser streitige Einlassung nicht folgen wollte, so nahm nach Darstellung der Klägerin eine andere Person ihre frühere Stelle ein, weswegen diese nicht frei war und ihr schon aus diesem Grunde nicht (wieder) hatte übertragen werden müssen.

(2) Zwar bezeichnet die Klägerin erstinstanzlich verschiedene freie Stellen, welche ihr hätten angeboten werden können oder müssen (Schriftsatz vom 15. Jan 2016, Seite 11 f., Bl. 249 ff., 260 f. d. A.). Hierzu hat die darlegungs- und beweispflichtige Beklagte (§ 1 Abs. 2, 4 KSchG) im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 2. Feb. 2016 (Seite 8 ff., Bl. 301 ff., 317 ff. d. A.) ausführlich Stellung genommen. Hierzu hatte die Klägerin im Verfahren vor dem Arbeitsgericht keine Stellung genommen. Auch im Rahmen des Berufungsverfahrens nimmt sie allein auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen Bezug, ohne auf die Darlegung der Beklagten einzugehen oder diese gar zu bestreiten. Insbesondere legt sie nicht dar, weswegen sie trotz der von der Beklagten an die einzelnen Stellen geknüpften Anforderungen dennoch in der Lage wäre, diese Stellen zu übernehmen.

Nach alledem ist nicht zu erkennen, dass eine anderweitige freie und zumutbare Stelle vorhanden gewesen war, die die Beklagte anstelle des Ausspruches einer Beendigungskündigung der Klägerin hätte übertragen müssen.

c. Ebenso wenig war eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG durchzuführen. Insoweit obliegt der Klägerin die Darlegungs- und Beweislast (vgl. APS/Kiel, a.a.O., § 1 KSchG Rz. 703 m.w.N.). Dieser hat die Klägerin nicht genügt.

Sie hatte sich zwar erstinstanzlich im Schriftsatz vom 15. Jan 2016 (Seite 13, Bl. 249 ff., 262 d. A.) darauf berufen, der Mitarbeiter B. sei sozial weniger schutzwürdig und wäre an ihrer Stelle zu kündigen gewesen. Auch dazu hat die Beklagte im Schriftsatz vom 2. Feb. 2016 /Seite 11 ff., Bl. 301 ff, 320 ff. d. A.) Stellung genommen und die aus ihrer Sicht fehlende Vergleichbarkeit der Klägerin mit dem Mitarbeiter B. begründet. Auch hierzu war keine Stellungnahme der Klägerin mehr erfolgt. Im Berufungsverfahren nimmt sie lediglich auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen Bezug. Dies stellt keine ausreichende Darlegung einer unzutreffenden Sozialauswahl dar.

d. Der Betriebsrat war ordnungsgemäß nach § 102 BetrVG zur Kündigung beteiligt worden und hatte ihr zugestimmt.

4. Damit war das erstinstanzliche Urteil in den Ziff. 1, 2, 5 abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens waren wie geschehen zu verteilen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

IV.

Umstände, welche die Zulassung der Revision (§ 72 Abs.- 2 ArbGG) bedingten, sind nicht gegeben.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht München Urteil, 29. Nov. 2016 - 42 Ca 11466/14

Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht München Urteil, 29. Nov. 2016 - 42 Ca 11466/14

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.
Landesarbeitsgericht München Urteil, 29. Nov. 2016 - 42 Ca 11466/14 zitiert 22 §§.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 315 Bestimmung der Leistung durch eine Partei


(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist. (2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. (3) Sol

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 99 Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen


(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen v

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 123 Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung


(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten. (2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 102 Mitbestimmung bei Kündigungen


(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. (2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kün

Zivilprozessordnung - ZPO | § 222 Fristberechnung


(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. (2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Gewerbeordnung - GewO | § 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers


Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder geset

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 2 Änderungskündigung


Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt a

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 147 Annahmefrist


(1) Der einem Anwesenden gemachte Antrag kann nur sofort angenommen werden. Dies gilt auch von einem mittels Fernsprechers oder einer sonstigen technischen Einrichtung von Person zu Person gemachten Antrag. (2) Der einem Abwesenden gemachte Antra

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 29. Aug. 2013 - 2 AZR 809/12

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Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 5. Juli 2012 - 15 Sa 759/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 22. Feb. 2012 - 5 AZR 249/11

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Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 15. April 2009 - 16 Sa 102/08 - aufgehoben, soweit es über die Versetzung der

Referenzen

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 11. Mai 2015 - 2 Sa 1188/14 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe einer Rentenanwartschaft.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten, die in Nordrhein-Westfalen öffentlich konzessionierte Spielbanken betreibt, beschäftigt. Er gehört zum spieltechnischen Personal. Für Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - bis zum 31. August 2005 bei der Beklagten eingetreten sind, gilt eine Gesamtbetriebsvereinbarung vom 8. Dezember 2004 (im Folgenden GBV 2004), die vergleichbare Vorgängerregelungen abgelöst hat. Die GBV 2004 ist von der Beklagten gekündigt worden und das durch sie errichtete Versorgungswerk deshalb für Neueintritte geschlossen. Die GBV 2004 enthält ua. folgende Regelungen:

        

㤠2

Leistungsarten

                 

Es werden nach näherer Bestimmung der Versorgungsordnung folgende Leistungen gewährt:

                 

a)    

Altersrente

                 

b)    

Dienstunfähigkeitsrente

                 

c)    

Witwenrente und Witwerrente

                 

d)    

Waisenrente

                 

e)    

Abfindungen

        

…       

        

§ 6

Pensionsfähige Betriebszugehörigkeit

                 

Die pensionsfähige Betriebszugehörigkeit entspricht der Zeit, in welcher der Arbeitnehmer beim Unternehmen tätig war.

        

§ 7

Höhe der Alters- und Dienstunfähigkeitsrente

                 

1.    

Der jährliche Basisanspruch auf Alters- und Dienstunfähigkeit beträgt 0,4 % für alle Mitarbeiter, der Summe der monatlichen pensionsfähigen Bezüge aus der gesamten Zeit der pensionsfähigen Betriebszugehörigkeit.

                 

2.    

Die nach Absatz 1 ermittelten Jahresrenten werden in zwölf gleichen Monatsraten nachschüssig ausgezahlt.

        

…       

                 
        

§ 12

Unverfallbarkeit

                 

1.    

Scheidet ein Arbeitnehmer ohne Eintritt des Versorgungsfalles aus und hat er die Voraussetzung für die Unverfallbarkeit nach § 1 b BetrAVG erfüllt, so behält er eine unverfallbare Anwartschaft, deren Höhe nach § 2 BetrAVG festgestellt wird.

                 

2.    

Bei einem Wechsel zu einem Casino mit gleicher Versorgungsordnung und gleicher zentraler Personalverwaltung kann auf Wunsch des Berechtigten und mit Zustimmung des aufnehmenden Casinos die im Zeitpunkt des Überganges erreichte Anwartschaft übertragen werden. In diesem Fall erfolgt gleichzeitig eine Übertragung des Barwertes der korrigierten Basisansprüche nach § 15 Abs. 2.

        

…       

                 
        

§ 15

Deckung der Versorgungsverpflichtungen

                 

1.    

Zur Deckung der Versorgungsverpflichtungen wird eine Rückstellung gebildet, der monatlich 5 % der Summe aller pensionsfähigen Bezüge zugeführt werden.

                 

2.    

Am Ende eines jeden Wirtschaftsjahres wird der Stand der Rückstellung verglichen mit der Summe der Barwerte der erreichten korrigierten Basisansprüche am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zuzüglich der Summe der Barwerte der aus dem abgelaufenen Wirtschaftsjahr resultierenden Basisansprüche. Weicht die Rückstellung von der vorgenannten Summe der Barwerte ab, so wird bei einer positiven Abweichung 10 % des die Barwertsumme übersteigenden Betrages einer Sicherheitsrücklage zugeführt, die maximal 10 % des Fondsvermögens betragen darf. Sodann werden alle Anwartschaften und laufenden Renten prozentual gleichmäßig so verändert, dass die Rückstellung (ggf. vermindert um die Sicherheitsrücklagen) und die Summe der Barwerte der korrigierten Basisansprüche am Berechnungsstichtag gleich sind. Die korrigierten Basisansprüche dürfen die nach § 7 der Versorgungsordnung errechneten Basisansprüche nicht unterschreiten.

                          

Wenn die Veränderung der korrigierten Basisansprüche durch außerordentliche Einflüsse in einem Zeitraum von drei Jahren sowohl unter der Entwicklung der Lebenshaltungskosten als auch unter der durchschnittlichen Entwicklung der Nettoeinkommen der aktiven Belegschaft liegt, kann auf Vorschlag des Versicherungsmathematikers die Sicherheitsrücklage ganz oder teilweise zur weiteren Erhöhung der korrigierten Basisansprüche verwendet werden.

                 

3.    

Der Abschlussprüfer erstellt das erforderliche versicherungsmathematische Gutachten, aus dem die korrigierten Basisansprüche am Berechnungsstichtag für jeden einzelnen Berechtigten zu entnehmen sind.

                          

Die jeweils erreichten korrigierten Basisansprüche werden den Berechtigten nach Abschluss der versicherungsmathematischen Berechnung mitgeteilt.

        

§ 16

Verwendung der Zinserträge

                 

Der Rückstellung zur Deckung der Versorgungsverpflichtungen wird auch der Zinssaldo aus dem angesammelten Vermögen zugeführt und die Versorgungsleistungen, Abfindungen nach § 8 Abs. 3, § 13 Abs. 1 und § 14, Übertragungszahlen nach § 12 Abs. 2 und § 13 Abs. 2, der Gesamtbeitrag zur gesetzlichen Insolvenzsicherung sowie die Kosten für das erforderliche versicherungsmathematische Gutachten entnommen.

        

…       

                 
        

§ 18

Insolvenzsicherung

                 

Die laufenden Leistungen und die unverfallbar gewordenen Anwartschaften werden bei dem Pensions-Sicherungs-Verein gegen Fälle der Insolvenz der Gesellschaft versichert.“

3

In Anwendung der GBV 2004 führt die Beklagte einen Betrag iHv. 5 % der Summe aller pensionsfähigen Bezüge der unter die Betriebsvereinbarung fallenden Arbeitnehmer dem in Luxemburg aufgelegten „F-Fonds“ zu. Die dafür erforderlichen Beträge entnimmt sie im Wesentlichen dem Tronc, in den die Besucher der Spielbank zugunsten der Mitarbeiter Einzahlungen vornehmen. Bei dem Fonds handelt sich nicht um einen Pensionsfonds iSv. §§ 236 ff. VAG. Die im Fonds angesammelten Vermögenswerte weist die Beklagte in ihrer Bilanz in einem eigenen Posten gesondert aus.

4

Die Beklagte teilte dem Kläger mit, zum Stichtag 31. Dezember 2009 belaufe sich sein Basisanspruch auf 1.838,00 Euro und sein korrigierter Basisanspruch auf 3.530,00 Euro. Den Stand zum 31. Dezember 2012 wies sie für den Basisanspruch mit 1.900,00 Euro und den korrigierten Basisanspruch mit 3.162,00 Euro aus.

5

Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, sein korrigierter Basisanspruch könne sich nicht rückläufig entwickeln, sodass weiterhin mindestens der Stand vom 31. Dezember 2009 maßgeblich sei. Dies ergebe sich aus der GBV 2004. Zudem habe die Beklagte die korrigierten Basisansprüche über den Pensions-Sicherungs-Verein gesichert und ihm auch vorbehaltlos mitgeteilt. Er habe eine geschützte Rechtsposition erworben, die eine Verringerung seiner korrigierten Basisansprüche ausschließe. Die Beklagte belasse auch den mit gesetzlich unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmern ihren zum Zeitpunkt des Ausscheidens erworbenen korrigierten Basisanspruch.

6

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass sein korrigierter Basisanspruch aus der Betriebsrentenzusage der Beklagten aufgrund der Versorgungsordnung vom 8. Dezember 2004 künftig nicht unterhalb von 3.530,00 Euro pro Jahr liegt.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Klage sei bereits unzulässig. Im Übrigen könne der Kläger nicht verlangen, dass sich der korrigierte Basisanspruch nicht verringere.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision hat keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

10

I. Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.

11

Mit der Klage will der Kläger klären lassen, welchen korrigierten Basisanspruch die Beklagte verpflichtet ist, im Versorgungsfall bei der Berechnung der Betriebsrente zugrunde zu legen. Damit richtet sich die Klage auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses. Der Kläger hat auch ein Interesse daran, dass dieses Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Die Beklagte bestreitet die Rechtsposition des Klägers.

12

II. Die Klage ist unbegründet.

13

1. Der Kläger kann sein Verlangen weder auf die GBV 2004 stützen noch auf die Absicherung des korrigierten Basisanspruchs im Rahmen der Insolvenzsicherung oder auf die Mitteilung aus dem Jahre 2009.

14

a) Die Auslegung der GBV 2004 ergibt, dass die korrigierten Basisansprüche im Vergleich zu den Vorjahren nicht nur steigen, sondern auch sinken können (zu den Auslegungsgrundsätzen für Betriebsvereinbarungen BAG 8. Dezember 2015 - 3 AZR 267/14 - Rn. 22).

15

aa) Ausgangspunkt für die Berechnung der Alters- und Dienstunfähigkeitsrente ist zunächst § 7 Abs. 1 GBV 2004, der den jährlichen Basisanspruch regelt. § 15 Abs. 2 Unterabs. 1 GBV 2004 sieht ein Verfahren zur Ermittlung eines korrigierten Basisanspruchs vor. Dieses beruht auf einer Fortschreibung der nach demselben Verfahren im Vorjahr gefundenen Werte.

16

Maßgeblich für die Ermittlung ist der „Stand der Rückstellung“ (§ 15 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 GBV 2004), der - wie sich aus § 16 GBV 2004 ergibt - dem angesammelten Vermögen, also dem Vermögen im „F-Fonds“, entspricht. Dieses wiederum bestimmt sich durch die Zuführungen von 5 % der Summe aller pensionsfähigen Bezüge nach § 15 Abs. 1 GBV 2004, den Zinssaldo des angesammelten Vermögens - also den Ertrag des „F-Fonds“ - und die für die Erfüllung der Verpflichtungen aus der GBV 2004 entnommenen Beträge sowie bestimmte Verwaltungskosten(zu den letzten Punkten siehe § 16 GBV 2004).

17

Nach § 15 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 GBV 2004 ist weiter am Ende jeden Wirtschaftsjahres der Stand der Rückstellung zu vergleichen mit der Summe der Barwerte der erreichten korrigierten Basisansprüche am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zuzüglich der Summe der Barwerte der aus dem abgelaufenen Wirtschaftsjahr resultierenden Basisansprüche. Ergibt der Vergleich eine positive Abweichung, werden davon 10 % einer Sicherheitsrücklage zugeführt (§ 15 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 GBV 2004). Sodann werden alle Anwartschaften und laufenden Renten prozentual gleichmäßig so verändert, dass die Summe ihrer Barwerte am Berechnungsstichtag der Summe des im Fonds angesammelten Vermögens entspricht (§ 15 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 3 GBV 2004). Dadurch wird der korrigierte Basisanspruch festgelegt. Eine Grenze findet diese Veränderung darin, dass der jährliche Basisanspruch nach § 7 GBV 2004 nicht unterschritten werden darf(§ 15 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 4 GBV 2004).

18

bb) Schon der Wortlaut der Regelung in § 15 Abs. 2 GBV 2004 spricht dafür, dass sich - bis zur Untergrenze nach § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 4 GBV 2004 - der korrigierte Basisanspruch auch verringern kann. Der Begriff „verändert“, wie er in § 15 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 3 GBV 2004 verwendet wird, deckt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch (vgl. Duden Deutsches Universalwörterbuch 5. Aufl. Stichwort „verändern“: ua. sich ändern, anders werden) sowohl ein Ansteigen als auch ein Absinken. Für ein derartiges Verständnis spricht zudem, dass in § 15 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 GBV 2004 eine Regelung über die Zuführung zur Sicherheitsrücklage nur für den Fall getroffen wurde, dass eine „positive Abweichung“ vorliegt. Das zeigt, dass die Regelung in § 15 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 GBV 2004 auch den Fall einer „negativen“ Abweichung und damit eine Verringerung des korrigierten Basisanspruchs erfasst.

19

cc) Für dieses Ergebnis spricht auch die Systematik der GBV 2004.

20

(1) Die GBV 2004 unterscheidet zwischen dem garantierten jährlichen Basisanspruch nach § 15 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 4 iVm. § 7 GBV 2004 einerseits und dem „veränderten“ korrigierten Basisanspruch nach § 15 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 bis 3 GBV 2004 andererseits. Dies zeigt, dass die GBV 2004 eine Garantie nur hinsichtlich des „jährlichen Basisanspruchs“ enthält. Dies ist unabhängig davon, ob - wie der Kläger geltend macht - die Mindestgarantie auch in Fällen eingreifen kann, in denen sich der „Stand der Rückstellung“ - also das angesammelte Vermögen - erhöht.

21

(2) Die Pflicht zur Mitteilung der jeweils erreichten korrigierten Basisansprüche nach § 15 Abs. 3 Unterabs. 2 GBV 2004 spricht ebenfalls für dieses Ergebnis. Die Mitteilung der aktuellen Werte ist gerade dann sinnvoll, wenn diese sinken. Dies kann dem Arbeitnehmer Anlass geben, anderweitig Vorsorge zu treffen.

22

(3) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Vorschrift über die Verwendung der Sicherheitsrücklage in § 15 Abs. 2 Unterabs. 2 GBV 2004. Diese Bestimmung regelt eine besondere Fallgestaltung. Es geht darum, dass die korrigierten Basisansprüche sowohl hinter den Lebenshaltungskosten als auch hinter der durchschnittlichen Entwicklung der Nettoeinkommen der aktiven Belegschaft zurückbleiben. Dann kann die Sicherheitsrücklage ganz oder teilweise zur weiteren Erhöhung der korrigierten Basisansprüche eingesetzt werden. Die in der Regelung verwendete Formulierung „weitere Erhöhung“ betrifft ausschließlich diese Situation. Damit stellt sich allenfalls die Frage, ob die Regelung - etwa im Wege der erweiternden Auslegung - auch Anwendung finden kann, wenn sich der korrigierte Basisanspruch der Arbeitnehmer verringert.

23

(4) Ebenso wenig folgt aus § 12 Abs. 2 GBV 2004 etwas zugunsten des Klägers. Nach dieser Bestimmung kann der korrigierte Basisanspruch bei einem Wechsel in ein anderes Casino mit gleicher Versorgungsordnung übertragen werden. Diese Vorschrift sieht lediglich vor, dass der zu einem bestimmten Zeitpunkt erreichte korrigierte Basisanspruch übertragen wird. Eine Aussage dazu, ob dieser sich auch verringern kann, trifft die Regelung nicht.

24

dd) Die vorliegende Auslegung entspricht letztlich dem Zweck der Regelungen in § 15 GBV 2004. Der Mechanismus für die jährliche Veränderung des korrigierten Basisanspruchs knüpft an den Wert des im Fonds angesammelten Vermögens an. Er dient daher dazu, Arbeitnehmer und Betriebsrentner an der Wertentwicklung des Fonds teilhaben zu lassen.

25

ee) Auch der Grundsatz, wonach die Betriebsparteien - ebenso wie die Tarifparteien (dazu BAG 9. Dezember 1997 - 1 AZR 319/97 - zu III 2 der Gründe, BAGE 87, 234) - im Zweifel Regelungen treffen wollen, die nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen, gebietet keine andere Auslegung. Entgegen der Ansicht des Klägers ist das hier gefundene Ergebnis weder für die mit gesetzlich unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmer noch für Betriebsrentner erkennbar gesetzwidrig. Für die Arbeitnehmer, die mit gesetzlich unverfallbarer Anwartschaft vorzeitig ausgeschieden sind, folgt dies schon daraus, dass § 12 Abs. 1 GBV 2004 auf das Betriebsrentengesetz verweist und damit der gesetzliche Mindestschutz gewahrt ist. Für die Betriebsrentner sind die Ausgangsrente und die nach § 16 BetrAVG zu gewährenden Betriebsrentenerhöhungen gesetzlich geschützt. Ansonsten ist eine Verringerung der Betriebsrente, soweit dies in der Versorgungsordnung vorgesehen ist, nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. BAG 26. Oktober 2010 - 3 AZR 711/08 - BAGE 136, 85).

26

b) Aus der Mitteilung des korrigierten Basisanspruchs mit dem Stand vom 31. Dezember 2009 kann der Kläger nichts herleiten. Mit der Mitteilung ist die Beklagte nur ihrer Verpflichtung nach § 15 Abs. 3 Unterabs. 2 GBV 2004 nachgekommen. Daher kann aus ihr nicht mehr folgen als aus den Bestimmungen der GBV 2004.

27

c) Der Kläger kann sein Klagebegehren ebenfalls nicht erfolgreich darauf stützen, dass die Beklagte die korrigierten Basisansprüche beim Pensions-Sicherungs-Verein abgesichert hat. Mit der Absicherung von Betriebsrentenanwartschaften über den Pensions-Sicherungs-Verein will der Arbeitgeber seine bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen erfüllen. Daraus kann nicht geschlossen werden, er wolle gleichzeitig gegenüber dem Arbeitnehmer mehr zusagen, als sich aus der Versorgungsordnung ergibt.

28

2. Der Kläger kann auch nicht aufgrund Gesetzes oder allgemeiner Rechtsgrundsätze verlangen, dass der korrigierte Basisanspruch mit dem im Jahre 2009 erreichten und ihm von der Beklagten mitgeteilten Wert aufrechterhalten wird.

29

a) Allerdings genügt die Regelung in § 15 GBV 2004 den gesetzlichen Anforderungen nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG nicht vollständig.

30

aa) Entgegen der Annahme der Beklagten enthält § 15 GBV 2004 keine reine Beitragszusage, sondern eine beitragsorientierte Leistungszusage iSd. § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG.

31

(1) Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG liegt betriebliche Altersversorgung auch vor, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln (beitragsorientierte Leistungszusage). Die beitragsorientierte Leistungszusage unterscheidet sich dabei von einer reinen Beitragszusage; eine solche ist rechtlich zulässig, unterfällt aber nicht dem Betriebsrentengesetz (vgl. BAG 15. März 2016 - 3 AZR 827/14 - Rn. 28 mwN). § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG setzt in Zusammenschau mit § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG voraus, dass einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass eines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt werden. Es muss also eine künftige Versorgungsleistung zugesagt sein, die ein im Betriebsrentengesetz angesprochenes biometrisches Risiko zumindest teilweise abdeckt (vgl. BAG 14. Februar 2012 - 3 AZR 260/10 - Rn. 18 mwN). Demgegenüber liegt eine reine Beitragszusage vor, wenn keine künftigen Versorgungsleistungen, sondern nur zusätzliche Zahlungen während des aktiven Arbeitslebens versprochen werden. Sie werden - vergleichbar vermögenswirksamen Leistungen - an den Arbeitnehmer oder Dritte ausgezahlt, wodurch der Arbeitnehmer Vermögen bildet oder Versorgungsanwartschaften erwirbt. Der Arbeitnehmer trägt dabei das volle Anlage- und Insolvenzrisiko (vgl. BAG 15. März 2016 - 3 AZR 827/14 - Rn. 28 mwN).

32

(2) Danach enthält § 15 GBV 2004 eine beitragsorientierte Leistungszusage und nicht lediglich eine Beitragszusage. Die Beklagte ist nicht lediglich verpflichtet, Beiträge in die vorgesehene „Rückstellung“ einzuzahlen, also dem Fonds zuzuführen. Vielmehr ist den Arbeitnehmern auf der Grundlage der eingezahlten Beiträge bei Eintritt des Versorgungsfalls eine Leistung zu gewähren. Mit den nach der Versorgungsordnung zu erbringenden Leistungen werden - wie die Aufzählung in § 2 GBV 2004 zeigt - die in § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG angesprochenen Risiken abgedeckt. Da die Höhe der späteren Leistungen auch durch die Summe der Zuführungen in die „Rückstellung“ bestimmt wird, handelt es sich bei § 15 GBV 2004 um eine beitragsorientierte Leistungszusage iSd. § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG.

33

bb) § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG verlangt, dass zum Zeitpunkt der Umwandlung unmittelbar feststeht, welche Anwartschaft auf künftige Leistungen der Arbeitnehmer durch die Umwandlung der Beiträge erwirbt.

34

(1) Die Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG enthält nicht lediglich eine Definition für den Begriff der beitragsorientierten Leistungszusage, sondern stellt - trotz ihres missverständlichen Wortlauts - auch inhaltliche Anforderungen an diese auf(vgl. ebenso für § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG BAG 15. September 2009 - 3 AZR 17/09 - Rn. 26 ff., BAGE 132, 100). Dies zeigen die Gesetzesmaterialien. Durch das „Rentenreformgesetz 1999“ (BGBl. I 1997 S. 2998, Art. 8 Nr. 1 Buchst. c) wurde erstmals mit § 1 Abs. 6 BetrAVG in der Fassung vom 16. Dezember 1997 (im Folgenden § 1 Abs. 6 BetrAVG aF) eine mit dem heutigen § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG wortgleiche Regelung in das Betriebsrentengesetz eingefügt. Ausweislich der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung sollte mit dem „neuen Abs. 6 die sog. ‚beitragsorientierte Leistungszusage‘ ausdrücklich einer gesetzlichen Regelung zugeführt“ werden (BT-Drs. 13/8671 S. 120). Damit wollte der Gesetzgeber auch inhaltliche Anforderungen an die beitragsorientierte Leistungszusage aufstellen.

35

(2) Dahingestellt bleiben kann, welche Anforderungen im Einzelnen an die Umwandlung zu stellen sind. Jedenfalls verlangt § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG, dass, wenn der Arbeitgeber die Gewährung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zusagt, die sich aus einer Umwandlung von Beiträgen in eine Anwartschaft ergeben, zum Zeitpunkt der Umwandlung unmittelbar feststehen muss, welche Anwartschaft auf künftige Leistungen die Arbeitnehmer durch die Beitragsumwandlung erwerben.

36

In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung betreffend die Einführung der Regelung zur beitragsorientierten Leistungszusage in § 1 Abs. 6 BetrAVG aF heißt es dazu(BT-Drs. 13/8671 S. 120):

        

„Bei diesen Zusagen handelt es sich um Leistungszusagen, bei denen ausdrücklich ein direkter Zusammenhang zwischen dem Finanzierungsbeitrag und der Höhe der daraus resultierenden Leistung besteht. Bei wirtschaftlicher Betrachtung wird hier verstärkt auf den Aufwand abgestellt, der für die zugesagte Leistung erforderlich ist …“

37

Dies zeigt, dass nach dem ausdrücklichen Willen des historischen Gesetzgebers ein direkter Zusammenhang zwischen dem Finanzierungsbeitrag und der Höhe der daraus resultierenden Leistung gegeben sein muss. Das Unmittelbarkeitserfordernis ist nur gewahrt, wenn die Regelungen der Versorgungsordnung sicherstellen, dass bereits bei der Umwandlung der Beiträge in eine Anwartschaft feststeht, welche Höhe die aus Beiträgen resultierende Leistung im Versorgungsfall mindestens hat (aA Höfer/Höfer BetrAVG Stand April 2016 Bd. I § 1 Rn. 27; ErfK/Steinmeyer 16. Aufl. § 1 BetrAVG Rn. 15; Kisters-Kölkes/Berenz/Huber BetrAVG 7. Aufl. § 1 Rn. 445 f.). Dies entspricht auch dem Versorgungscharakter betrieblicher Altersversorgung. Dem Arbeitnehmer muss es möglich sein, für den Versorgungsfall zu planen, etwa indem er anderweitig Vorsorge trifft. Daher ist es mit § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG nicht zu vereinbaren, wenn das Anlagerisiko vollständig auf die Arbeitnehmer übertragen wird.

38

(3) Daran gemessen genügt § 15 GBV 2004 den Vorgaben von § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG nicht vollständig. Die Regelung stellt nicht sicher, dass die von der Beklagten nach § 15 Abs. 1 GBV 2004 aufzubringenden und auf die einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Beiträge unmittelbar in eine feststehende Betriebsrentenanwartschaft umgewandelt werden. Zwar gewährt § 15 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 4 GBV 2004 den Arbeitnehmern einen Mindestanspruch. Dieser berechnet sich indes gerade nicht auf der Grundlage der nach § 15 Abs. 1 GBV 2004 an den „F-Fonds“ einzuzahlenden Beiträge, sondern ist abhängig von den jeweiligen pensionsfähigen Bezügen. Damit ist nicht gewährleistet, dass die von der Beklagten nach § 15 Abs. 1 GBV 2004 gezahlten Beiträge auch in entsprechende Anwartschaften umgewandelt werden.

39

(4) Im vorliegenden Fall folgt aus den Wertungen in § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 2 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrAVG und § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG nichts anderes. Zwar zeigen diese Regelungen, dass die Höhe der Versorgung auch von Überschüssen abhängig sein kann (vgl. auch BAG 18. November 2008 - 3 AZR 970/06 - Rn. 31). Die genannten Vorschriften lassen eine Abhängigkeit der Versorgung von Erträgen oder Überschüssen aber nur in den Durchführungswegen Pensionskasse, Direktversicherung und Pensionsfonds zu. Hierbei handelt es sich ausschließlich um diejenigen Durchführungswege, die der Versicherungsaufsicht unterstehen (nunmehr: §§ 138 ff., §§ 232 ff., §§ 236 ff., §§ 294 ff. VAG in der ab 1. Januar 2016 geltenden Neufassung, BGBl. I 2015 S. 434, zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Juli 2016, BGBl. I S. 1824). Einen Schluss auf eine allgemeine Zulässigkeit ertragsabhängiger Direktzusagen erlauben die Bestimmungen daher nicht. Soweit nach der Rechtsprechung des Senats auch außerhalb dieser Durchführungswege eine Direktzusage für zulässig angesehen wird, deren Leistungen vollständig durch eine Rückdeckungsversicherung finanziert werden und die eine Beteiligung der Arbeitnehmer an den erzielten Überschüssen vorsieht (vgl. dazu BAG 29. Juli 1986 - 3 AZR 15/85 - BAGE 52, 287), ergibt sich hieraus nichts anderes. Zwar liegt in diesen Fällen kein versicherungsförmiger Durchführungsweg vor; jedoch unterliegt die die Überschüsse erwirtschaftende Versicherungsgesellschaft ebenfalls der Versicherungsaufsicht. Der „F-Fonds“ erfüllt diese Voraussetzung nicht.

40

cc) Der Kläger kann sein Klageziel jedoch nicht mit Erfolg darauf stützen, dass die gesetzlichen Mindestanforderungen nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG durch die GBV 2004 nicht gänzlich erfüllt werden.

41

Der Kläger verlangt, dass sich die Beklagte an dem ihm mitgeteilten korrigierten Basisanspruch aus dem Jahre 2009 festhalten lässt. Der seiner Klage zugrunde liegende Lebenssachverhalt zeichnet sich dadurch aus, dass ihm einmal mitgeteilte und nach den Vorgaben des § 15 GBV 2004 ermittelte Überschüsse verbleiben sollen. Demgegenüber führt der Verstoß der GBV 2004 gegen die Vorgaben des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG zu einer Verpflichtung der Beklagten zur unmittelbaren Umwandlung eingezahlter Beiträge in feststehende Anwartschaften. Dies stellt einen anderen Streitgegenstand dar, da es nicht um die Festschreibung von zu einem bestimmten Stichtag erzielten und mitgeteilten Überschüssen geht.

42

b) Sonstige rechtliche Vorgaben greifen nicht zugunsten des Klägers ein.

43

aa) Der Kläger kann eine Festschreibung seiner korrigierten Basisansprüche entsprechend dem Stand vom 31. Dezember 2009 nicht nach den Regeln über die Entgeltumwandlung in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG verlangen. Obwohl die Beiträge für das im „F-Fonds“ angesammelte Vermögen dem Tronc entnommen sind, handelt es sich nicht um umgewandeltes Entgelt. Zwar sind die Tronceinnahmen nach § 15 Abs. 2 Spielbankgesetz NRW(GVBl. 2012 S. 524, 530) zugunsten der Mitarbeiter zu verwenden und zu verwalten. Das macht sie aber nicht zu eigenen Einnahmen der Arbeitnehmer (vgl. BAG 14. August 2002 - 7 ABR 29/01 - zu B II 1 a aa der Gründe, BAGE 102, 182; 11. März 1998 - 5 AZR 69/97 - zu B II 2 c der Gründe).

44

bb) Ebenso wenig folgt für den Kläger Weitergehendes aus § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG. Diese Bestimmung betrifft lediglich die Einstandspflicht des Arbeitgebers für zugesagte Leistungen, die in einem mittelbaren Durchführungsweg erbracht werden. Die GBV 2004 enthält jedoch eine Direktzusage der Beklagten.

45

cc) Der Kläger kann sich auch nicht auf einen Wertungswiderspruch im Vergleich zu vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmern mit gesetzlich unverfallbarer Anwartschaft stützen. Zwar sehen § 2 Abs. 5 BetrAVG und § 2 Abs. 5a BetrAVG bei einem vorzeitigen Ausscheiden eine Festschreibung der erworbenen Anwartschaft vor. Hieraus folgt aber nicht, dass im Arbeitsverhältnis verbleibende Arbeitnehmer ebenso behandelt werden müssen. Die unterschiedliche Behandlung beruht auf gesetzlicher Entscheidung. Zudem werden den ausgeschiedenen Arbeitnehmern durch den Festschreibeeffekt auch positive Entwicklungsmöglichkeiten genommen, da sie ihre Anwartschaft aufgrund des Ausscheidens nicht mehr erhöhen können. Deshalb entstünden dem Kläger auch keine Rechte, falls die Beklagte - wie der Kläger behauptet - für die mit gesetzlich unverfallbaren Ansprüchen ausgeschiedenen Arbeitnehmer den korrigierten Basisanspruch festschreibt.

46

dd) Auch die Auswirkungen der Schließung des durch die GBV 2004 errichteten Versorgungswerks für Neueintritte zum 31. August 2005 führen zu keinem anderen Ergebnis. Jedes Versorgungswerk kann geschlossen werden. Die Frage, ob die Beklagte ihr Versorgungswerk rechtmäßig geschlossen hat, ist für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich, da sich hieraus kein Anspruch des Klägers auf Festschreibung seines zum 31. Dezember 2009 errechneten und ihm mitgeteilten korrigierten Basisanspruchs ableiten ließe.

47

ee) Aus den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit (vgl. nur BAG 10. März 2015 - 3 AZR 56/14 - Rn. 35 mwN) kann der Kläger ebenfalls nichts für sein Klagebegehren ableiten. Diese Grundsätze gelten nur bei der verschlechternden Ablösung von Versorgungsregelungen. Eine solche ist vorliegend nicht gegeben.

48

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Zwanziger    

        

    Spinner    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    Blömeke    

        

    Schüßler    

                 

Tenor

1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 18. Mai 2015 - 11 Sa 1762/14 - wird zurückgewiesen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch darüber, ob das beklagte Land 20 Unterrichtsstunden zusätzlich zu vergüten hat. Die Klägerin erteilte diesen Unterricht im Schuljahr 2012/2013 von August 2012 bis Januar 2013 über ihr Deputat von 18 wöchentlichen Pflichtstunden hinaus.

2

Die Klägerin ist als angestellte Lehrkraft beim beklagten Land beschäftigt. Sie ist seit August 2009 am G-Berufskolleg eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der TV-L jedenfalls kraft vertraglicher Vereinbarung anzuwenden. Die Klägerin ist in Entgeltgruppe 12 Stufe 4 TV-L eingruppiert. Personalaktenführende Stelle ist die Bezirksregierung Arnsberg. Seit dem Schuljahr 2011/2012 leistet die Klägerin Teilzeitarbeit.

3

§ 44 TV-L enthält Sonderregelungen für Beschäftigte als Lehrkräfte. Die Sonderregelungen gelten nach § 44 Nr. 1 Satz 1 TV-L für Beschäftigte als Lehrkräfte an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen. Für sie finden §§ 6 bis 10 TV-L keine Anwendung(§ 44 Nr. 2 Satz 1 TV-L). Stattdessen gelten die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten in der jeweils geltenden Fassung (§ 44 Nr. 2 Satz 2 TV-L).

4

Nach § 93 Abs. 2 Nr. 2 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in den Fassungen vom 15. Februar 2005 und 13. November 2012 (SchulG) bestimmt das Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (MSW) durch Rechtsverordnung nach den pädagogischen und verwaltungsmäßigen Bedürfnissen der einzelnen Schulformen, Schulstufen und Klassen die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden der Lehrerinnen und Lehrer. Eine Vollzeitbeschäftigung umfasst nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 der Verordnung zur Ausführung des § 93 Abs. 2 Schulgesetz in Berufskollegs in der Regel 25,5 Pflichtunterrichtsstunden(VO zu § 93 Abs. 2 SchulG vom 18. März 2005 [GV. NRW. S. 218] idF vom 10. Juli 2011 [GV. NRW. S. 371]).

5

Mit Blick auf prognostizierte Unterrichtsausfälle wurden die Lehrkräfte des G-Berufskollegs seit dem Schuljahr 2007/2008 zu zusätzlichen Unterrichtsstunden in Höhe von 50 % der voraussichtlich ausfallenden Pflichtstunden herangezogen. Das galt nicht, wenn die Lehrkraft Praktikanten betreute oder in die Prüfung der Abschlussklassen eingebunden war. Die angenommenen Unterrichtsausfälle waren vor allem auf Berufspraktika oder das vorzeitige Ausscheiden von Abschlussklassen im zweiten Schulhalbjahr zurückzuführen. Die zusätzlich erteilten Unterrichtsstunden wurden mit später ausfallenden Pflichtstunden verrechnet.

6

§ 2 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG lautet auszugsweise:

        

„(1)   

Die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden der Lehrerinnen und Lehrer beträgt in der Regel:

                 

…       

                 

4. Gymnasium

25,5   

                 

5. Gesamtschule

25,5   

                 

6. Berufskolleg

25,5   

                 

7. Förderschule

27,5   

                 

8. Schule für Kranke

27,5   

                 

…       

                 

Die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden wird für Lehrerinnen und Lehrer an den in den Nummern 4 bis 8 genannten Schulformen innerhalb eines Zeitraumes von zwei Schuljahren jeweils für die Dauer eines Schuljahres auf die volle Stundenzahl aufgerundet und für die Dauer des folgenden Schuljahres auf die volle Stundenzahl abgerundet.

        

…       

        
        

(4)     

Die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden einer Lehrerin oder eines Lehrers kann vorübergehend aus schulorganisatorischen Gründen um bis zu sechs Stunden über- oder unterschritten werden. Eine Überschreitung um mehr als zwei Stunden soll in der Regel nicht ohne Zustimmung der betroffenen Lehrkraft erfolgen, wenn sie über zwei Wochen hinaus andauert. Die zusätzlich oder weniger erteilten Unterrichtsstunden sind innerhalb des Schuljahres auszugleichen, ausnahmsweise im folgenden Schuljahr.“

7

In den Verwaltungsvorschriften zur Verordnung zur Ausführung des § 93 Abs. 2 Schulgesetz(AVO-Richtlinien 2011/2012 - AVO-RL, Runderlass des früheren Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder vom 1. Juni 2005 [ABl. NRW. S. 194, bereinigt S. 260]) ist unter Nr. 2.4 (zu § 2 Abs. 4) geregelt:

        

„2.4.1

Die Vorschrift dient der weiteren Flexibilisierung bei der Erteilung des Unterrichts im Schuljahresverlauf. Dabei handelt es sich nicht um Mehrarbeit. Die arbeits- und dienstrechtlich geschuldete Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden bleibt unberührt. Soll das Unterrichtsdeputat die arbeits- und dienstrechtlich geschuldete Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden vorübergehend unter- oder überschreiten, soll möglichst das Einvernehmen mit der betroffenen Lehrerin oder dem Lehrer gesucht werden. Für den Fall, dass der Ausgleich nicht innerhalb des Schuljahres erfolgen kann, ist sicherzustellen, dass der Ausgleich spätestens im darauffolgenden Schuljahr erfolgt. Ein weiteres Hinausschieben ist unzulässig.

                 

…“    

8

Der Runderlass Mehrarbeit und nebenamtlicher Unterricht im Schuldienst des damaligen Kultusministeriums vom 11. Juni 1979 bestimmt in Auszügen (Runderlass Mehrarbeit [GABl. NW. S. 296], bereinigt um die eingearbeiteten Runderlasse vom 2. August 1979 [GABl. NW. S. 437] sowie 26. Oktober 1981 [GABl. NW. S. 406] und angepasst an die späteren Gesetzes- und Tarifvertragsfassungen):

        

„I.     

Mehrarbeit im Schuldienst

        

1.    

Rechtsgrundlagen

                 

Die Mehrarbeit im Schuldienst ist geregelt in den Vorschriften

                 

-       

des § 61 Landesbeamtengesetz (LBG),

                 

-       

des § 48 Abs. 1 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG),

                 

-       

der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte (MVergV),

                 

-       

der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte (MVergV VwV)

                 

in der jeweils geltenden Fassung.

                 

Diese Vorschriften finden auch auf Lehrer im Tarifbeschäftigungsverhältnis Anwendung (Nr. 2 zu § 44 TV-L).

        

2.    

Verpflichtung zur Leistung von Mehrarbeit

        

2.1     

Nach § 61 LBG ist der Lehrer verpflichtet, über seine individuelle Pflichtstundenzahl hinaus Mehrarbeit zu leisten, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse es erfordern.

                 

Die Verpflichtung des Lehrers zur Übernahme von Mehrarbeit erstreckt sich auf regelmäßige und gelegentliche Mehrarbeit im Schuldienst.

                 

Geleistete Mehrarbeit ist grundsätzlich durch Freizeitausgleich abzugelten. Da dieser im Schuldienst in der Regel aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich ist, wird Mehrarbeit im Schuldienst anstelle eines Freizeitausgleichs vergütet (Ausnahmen: Verrechnung mit ausgefallenen Pflichtstunden - s. Nr. 4.2, Blockunterricht an Berufskollegs - s. Nr. 4.6).

        

…       

        
        

4.    

Nachweis geleisteter Mehrarbeit

        

…       

        
        

4.2     

Nach Nr. 2.2.3 VwV zu § 3 MVergV ist ein Arbeitsausfall, der innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit eintritt und auf den der Beamte einen Rechtsanspruch hat (z. B. bei Erholungsurlaub, Erkrankung), auf die Ist-Stundenzahl in gleicher Weise anzurechnen, als wenn der Beamte arbeiten würde.

                 

Hat der Beamte keinen Rechtsanspruch auf den Arbeitsausfall (z. B. bei Dienstbefreiung für private Besorgungen, Arbeitsausfall wegen Störung des Dienstbetriebes), so ist wie bei der Gewährung von Freizeitausgleich zu verfahren. Letzteres bedeutet, dass die ausgefallenen Pflichtstunden eines Lehrers auf die Ist-Stundenzahl nicht angerechnet werden dürfen, sondern mit geleisteter Mehrarbeit zu verrechnen sind. Verrechnungszeitraum ist der Kalendermonat.

        

…       

        
        

4.6     

Bei der Erteilung von Blockunterricht an Berufsschulen ist Mehrarbeit während einer Blockphase durch Minderarbeit in anderen Blockphasen während eines Schuljahres auszugleichen.

                 

In diesen Fällen kann Mehrarbeit nur dann vergütet werden, wenn sich am Ende des Schuljahres bei der Ist- und Sollgegenüberstellung unter Verwendung des Nachweises über geleistete Mehrarbeit im Schuldienst (Anlage 1) ergibt, dass der Lehrer in diesem Schuljahr Unterricht über seine individuell festgesetzte Pflichtstundenzahl hinaus erteilt hat.

                 

Die Abrechnung hat nach Ablauf des Schuljahres zu erfolgen.“

9

Nach Fußnote 2 zum dritten und vierten Spiegelstrich der Nr. I.1 Abs. 1 Runderlass Mehrarbeit werden die MVergV und die Verwaltungsvorschriften im Land Nordrhein-Westfalen in den am 31. August 2006 geltenden Fassungen angewendet.

10

Der durch die Neufassung vom 4. November 2009 (BGBl. I S. 3701) eingefügte § 4a der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamtinnen und Beamte des Bundes (BMVergV) lautet:

        

„(1)   

Teilzeitbeschäftigte erhalten bis zur Erreichung der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten je Stunde Mehrarbeit eine Vergütung in Höhe des auf eine Stunde entfallenden Anteils der Besoldung entsprechender Vollzeitbeschäftigter.

        

(2)     

Zur Ermittlung der auf eine Stunde entfallenden anteiligen Besoldung sind die monatlichen Bezüge entsprechender Vollzeitbeschäftigter durch das 4,348-Fache ihrer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zu teilen. Bezüge, die nicht der anteiligen Kürzung nach § 6 Absatz 1 des Bundesbesoldungsgesetzes unterliegen, bleiben unberücksichtigt.

        

(3)     

Mehrarbeit, die über die Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten hinausgeht, wird nach § 4 Absatz 1 und 3 vergütet.“

11

Die vorangegangenen Fassungen der BMVergV hatten noch keine besondere Regelung für Teilzeitkräfte enthalten. In § 4 Abs. 3 Satz 1 BMVergV idF vom 10. September 2003 (BGBl. I S. 1798) waren bei Mehrarbeit im Schuldienst für Inhaber von Lehrämtern des gehobenen und des höheren Dienstes vier verschiedene Sätze der Mehrarbeitsvergütung mit einem Mindestbetrag von 15,03 Euro und einem Höchstbetrag von 25,83 Euro je Unterrichtsstunde vorgesehen.

12

Der Runderlass Allgemeine Dienstordnung für Lehrerinnen und Lehrer, Schulleiterinnen und Schulleiter an öffentlichen Schulen des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 18. Juni 2012 sieht in § 13 vor(ADO, ABl. NRW. S. 384):

        

        

„Arbeitszeit, Vertretungsunterricht, Mehrarbeit

        

(1)     

Für Lehrerinnen und Lehrer gilt grundsätzlich die wöchentliche Arbeitszeit des übrigen öffentlichen Dienstes. Sie erteilen die gesetzlich festgelegte und im Einzelnen bestimmte Anzahl der wöchentlichen Pflichtstunden (VO zu § 93 Absatz 2 SchulG - BASS 11 - 11 Nr. 1).

        

(2)     

Die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden einer Lehrerin oder eines Lehrers kann vorübergehend aus schulorganisatorischen Gründen um bis zu sechs Stunden über- oder unterschritten werden. Eine Überschreitung um mehr als zwei Stunden soll in der Regel nicht ohne Zustimmung der betroffenen Person erfolgen, wenn sie über zwei Wochen hinaus andauert. Die zusätzlich oder weniger erteilten Unterrichtsstunden sind innerhalb des Schuljahres auszugleichen, ausnahmsweise im folgenden Schuljahr (§ 2 Absatz 4 VO zu § 93 Absatz 2 SchulG).

        

(3)     

Lehrerinnen und Lehrer können, soweit sie während der allgemeinen Unterrichtszeit der Schule (die Zeit, in der die ganz überwiegende Zahl der Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden) nicht im Unterricht eingesetzt sind, durch die Schulleiterin oder den Schulleiter bei Bedarf im Rahmen des Zumutbaren mit anderen schulischen Aufgaben betraut werden. Sie können im Einzelfall zur Anwesenheit in der Schule verpflichtet werden, wenn Aufgaben in der Schule, insbesondere kurzfristig wahrzunehmender Vertretungsunterricht, dies erfordern.

        

(4)     

Wenn der stundenplanmäßige Unterricht wegen Abwesenheit der zu Unterrichtenden nicht erteilt werden kann (z. B. Abgangsklassen, Schulfahrten, Exkursionen, Berufspraktika) oder durch Abschlussprüfungen (z. B. Abiturprüfung) vorzeitig endet, sollen die nicht erteilten Unterrichtsstunden insbesondere für Vertretungszwecke verwendet werden. Besondere dienstliche Belastungen sind im Einzelfall zu berücksichtigen.

        

(5)     

Wenn zwingende dienstliche Verhältnisse (z. B. Fachlehrermangel) es erfordern, können Lehrerinnen und Lehrer verpflichtet werden, über ihre Pflichtstunden hinaus Unterricht als Mehrarbeit zu erteilen. Dabei sind die allgemeinen Regelungen über die Mehrarbeit und die von der Lehrerkonferenz aufgestellten Grundsätze (§ 68 Absatz 3 Nummer 1 SchulG) zu beachten. Besondere dienstliche Belastungen und persönliche Verhältnisse der Betroffenen sollen berücksichtigt werden.“

13

Die Klägerin wurde in den Schuljahren 2011/2012 und 2012/2013 nach den Stundenplänen zu wöchentlich 19 Unterrichtsstunden eingeteilt. Deshalb und aufgrund von Vertretungsstunden leistete sie in der Zeit von August 2012 bis Januar 2013 insgesamt 20 Unterrichtsstunden mehr, als es den vereinbarten 18 Unterrichtsstunden wöchentlich entsprochen hätte. Es handelte sich um zusätzliche Stunden von einer Stunde im August 2012, vier Stunden im September 2012, vier Stunden im Oktober 2012, sechs Stunden im November 2012, drei Stunden im Dezember 2012 und zwei Stunden im Januar 2013. Im September 2012 erteilte die Klägerin eine Vertretungsstunde, im Oktober 2012 zwei Vertretungsstunden, im November 2012 zwei Vertretungsstunden und im Januar 2013 eine Vertretungsstunde. Die Vertretungsstunde im September 2012 wurde als Mehrarbeit vergütet. Am 7. Januar 2013 fielen zwei Unterrichtsstunden in der Klasse FR1B aus. Im weiteren Verlauf des Schuljahres 2012/2013 kam es ab der sechsten Kalenderwoche 2013 zu Stundenausfällen in mehreren von der Klägerin zu unterrichtenden Klassen aufgrund von Praktika der Klassen BFK2 und BGK sowie von Prüfungsphasen der Klassen FR3 und BFK1. Die Unterschreitung des Pflichtstundendeputats der Klägerin betrug bei einer Gesamtbetrachtung des Schuljahres 2012/2013 zwölf Stunden.

14

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2012 legte die Klägerin „Einspruch“ dagegen ein, dass die im Schuljahr vermutlich anfallenden Ausfallstunden faktorisiert und die sich daraus ergebenden zusätzlichen Wochenunterrichtsstunden der Pflichtstundenzahl im Stundenplan hinzugefügt worden seien. Das führe dazu, dass sie statt ihrer vertraglich vereinbarten Pflichtstundenzahl von 18 Unterrichtsstunden 19 Unterrichtsstunden pro Woche (vor-)leisten müsse. Mit Schreiben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vom 22. Januar 2013 und Rechtsanwaltsschreiben vom 16. Mai 2013 wandte sich die Klägerin erneut gegen diese Vorgehensweise und verlangte die Vergütung der zusätzlich erteilten Unterrichtsstunden.

15

Mit Wirkung vom 4. März 2013 wurde der Stundenplan in der Weise geändert, dass die Klägerin nur noch zu 18 Unterrichtsstunden in der Woche herangezogen wurde.

16

Im Jahr 2014 strengte der Personalrat für Lehrerinnen und Lehrer an Berufskollegs bei der Bezirksregierung Arnsberg ein personalvertretungsrechtliches Beschlussverfahren über das umstrittene Stundenverrechnungsmodell an (VG Arnsberg - 20 K 163/14.PVL -). In dem Verfahren kam es Ende Januar 2015 auf Vorschlag des Verwaltungsgerichts zu einem Vergleich. Mit ihm sicherte die Bezirksregierung zu, dass die Tischvorlage der Leiterin des G-Berufskollegs für die Lehrerkonferenz am 7. Februar 2008 zur Regelung des Umgangs mit den Ausfallstunden mit sofortiger Wirkung zurückgenommen werde. Eine entsprechende Verwaltungspraxis der Schulleiterin werde mit sofortiger Wirkung eingestellt.

17

Das MSW äußerte mit Schreiben vom 6. November 2012 gegenüber der Bezirksregierung Arnsberg die Auffassung, ausfallende Unterrichtsstunden dürften auf der Grundlage von § 2 Abs. 4 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG nicht im Schuljahresverlauf vorgezogen oder nachgeholt werden. Eine solche Praxis widerspreche auch der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen und des Landesarbeitsgerichts Hamm.

18

Die Klägerin will festgestellt wissen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die zusätzlichen 20 Unterrichtsstunden zu vergüten. Die voraussichtlich ausfallenden Unterrichtsstunden aufgrund der Abwesenheit von Schülern während der Praktika und bei vorzeitigem Ausscheiden der Abschlussklassen seien bereits berücksichtigt worden, als die regelmäßigen Pflichtstundenzahlen festgelegt worden seien. Die Handhabung im G-Berufskolleg sei nicht von dem Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 4 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG gedeckt. Es handle sich nicht um eine vorübergehende Anhebung der Unterrichtsstunden aus schulorganisatorischen Gründen, sondern um stetige geplante und deswegen vergütungspflichtige Mehrarbeit. Die Erhöhung der Pflichtstundenzahl sei als Maßnahme zur Hebung der Arbeitsleistung mitbestimmungspflichtig.

19

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, an sie für die im Juni 2012 abgeleisteten 4 + 2 = 6 Unterrichtsstunden, die im Juli 2012 abgeleisteten 1 + 2 = 3 Unterrichtsstunden, die im August 2012 abgeleistete eine Unterrichtsstunde, die im September 2012 abgeleisteten 4 + 1 = 5 Unterrichtsstunden, die im Oktober 2012 abgeleisteten 3 + 2 = 5 Unterrichtsstunden, die im November 2012 abgeleisteten 4 + 2 = 6 Unterrichtsstunden, die im Dezember 2012 abgeleisteten drei Unterrichtsstunden und die im Januar 2013 abgeleisteten 4 + 1 = 5 Unterrichtsstunden anteiliges Entgelt aus der Entgeltgruppe 12 zu zahlen.

20

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat gemeint, der Unterrichtsausfall infolge von Schulpraktika oder wegen des vorzeitigen Ausscheidens von Abschlussklassen sei nicht berücksichtigt worden, als die wöchentliche Pflichtstundenzahl in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG festgelegt worden sei. Die Regelung gehe auch für die anderen Schulformen des Gymnasiums, der Sekundarschule und der Gesamtschule von 25,5 Wochenpflichtstunden aus. Der Unterrichtsausfall unterscheide sich je nach Lehrkraft deutlich. Im G-Berufskolleg variierten die Ausfälle durch Praktika und Prüfungen zwischen zehn und bis zu 300 Unterrichtsstunden im Schuljahr. Die Verrechnung von Ausfallstunden mit vor- oder nachgearbeiteten Stunden sei von dem Flexibilisierungsinstrument des § 2 Abs. 4 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG gedeckt. Das Tatbestandsmerkmal „vorübergehend“ meine einen Zeitraum unterhalb eines Schuljahres. Die Voraussetzung werde beschränkt durch die erforderlichen schulorganisatorischen Gründe, die zB in Praktika oder Prüfungszeiten bestehen könnten. Eine nur regelmäßige und stetige Überschreitung der Pflichtstundenzahl genüge unter diesen Voraussetzungen nicht, um den Tatbestand auszuschließen. Sonst verliere § 2 Abs. 4 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG bis auf „Ad-hoc-Vertretungen“ jeglichen Regelungsgehalt. „Ad-hoc-Vertretungen“ würden jedoch bereits von § 13 Abs. 4 ADO erfasst. Der Personalrat sei weder nach § 72 Abs. 3 Nr. 4 LPVG noch nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG oder § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 21 LPVG zu beteiligen gewesen.

21

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, an die Klägerin anteiliges Entgelt der Entgeltgruppe 12 Stufe 4 TV-L zu zahlen für eine im August 2012 geleistete Unterrichtsstunde, für vier im September 2012 geleistete Unterrichtsstunden, für vier im Oktober 2012 geleistete Unterrichtsstunden, für sechs im November 2012 geleistete Unterrichtsstunden, für drei im Dezember 2012 geleistete Unterrichtsstunden und für zwei im Januar 2013 geleistete Unterrichtsstunden. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung, die nur das beklagte Land geführt hat, zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land weiter das Ziel, dass die Klage vollständig abgewiesen wird.

Entscheidungsgründe

22

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der noch rechtshängigen Klage zu Recht stattgegeben.

23

A. Die Feststellungsklage ist zulässig.

24

I. Sie ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die 20 über die wöchentliche Pflichtstundenzahl hinausgehenden Unterrichtsstunden in der Zeit von August 2012 bis Januar 2013 sind nach den vorgelegten Stundenplänen zeitlich genau bestimmt. Im Übrigen handelt es sich bei den festzustellenden Ansprüchen auf Entgelt um abschließende Gesamtforderungen für die in diesem Zeitraum erbrachten zusätzlichen Unterrichtsleistungen (vgl. BAG 3. Juli 2014 - 6 AZR 451/12 - Rn. 10; 27. März 2014 - 6 AZR 204/12 - Rn. 12, BAGE 147, 373).

25

II. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Die Feststellungsklage kann sich im Rahmen eines Rechtsverhältnisses auf einzelne Ansprüche beschränken (vgl. BAG 13. Januar 2016 - 10 AZR 672/14 - Rn. 15; 25. März 2015 - 5 AZR 874/12 - Rn. 13). Der erforderliche Gegenwartsbezug wird dadurch hergestellt, dass die Klägerin gegenwärtige rechtliche Vorteile in Form weiteren Entgelts aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum erlangen will (vgl. BAG 16. April 2015 - 6 AZR 352/14 - Rn. 22). Der angestrebte feststellende Ausspruch ist trotz seiner nicht vollstreckbaren Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über die Vergütung für die im ersten Halbjahr des Schuljahres 2012/2013 über die Pflichtstunden hinaus erbrachten zusätzlichen Unterrichtsstunden beizulegen. Dadurch werden diese Ansprüche zwischen den Parteien abschließend geklärt. Das rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses (vgl. BAG 18. Februar 2016 - 6 AZR 700/14 - Rn. 53; 25. Juni 2015 - 6 AZR 380/14 - Rn. 17). Über die Vergütungshöhe besteht zwischen den Parteien kein Streit (vgl. BAG 25. März 2015 - 5 AZR 874/12 - Rn. 15).

26

B. Die Klage ist im noch rechtshängigen Umfang begründet. Die Klägerin hat auf der Grundlage von Nr. I.2.1 Abs. 3 Satz 2 Runderlass Mehrarbeit Anspruch auf anteilige Vergütung der Entgeltgruppe 12 Stufe 4 TV-L für die 20 zusätzlich erbrachten Unterrichtsstunden.

27

I. Der TV-L ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien jedenfalls kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anzuwenden.

28

1. In § 44 Nr. 1 Satz 1 iVm. Nr. 2 Satz 1 TV-L ist geregelt, dass §§ 6 bis 10 TV-L ua. für Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen nicht gelten. Die Klägerin unterfällt dem Begriff der Lehrkraft iSd. der Protokollerklärung zu § 44 Nr. 1 TV-L(vgl. BAG 12. Mai 2016 - 6 AZR 259/15 - Rn. 17). Nach § 44 Nr. 2 Satz 2 TV-L gelten für angestellte Lehrkräfte die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten in der jeweils geltenden Fassung.

29

2. Solche Blankettverweisungen auf beamtenrechtliche Bestimmungen in einer Tarifnorm sind wirksam (vgl. für die st. Rspr. BAG 16. Oktober 2012 - 9 AZR 183/11 - Rn. 16, BAGE 143, 194; 8. Mai 2008 - 6 AZR 359/07 - Rn. 14). Die Verweisung in § 44 Nr. 2 Satz 2 TV-L ist umfassend und bezieht nicht nur Gesetze und Verordnungen, sondern auch Verwaltungsvorschriften und Erlasse mit ein(vgl. BAG 8. Mai 2008 - 6 AZR 359/07 - Rn. 13; 5. Dezember 2005 - 6 AZR 227/05 - Rn. 17, BAGE 116, 346). Lehrkräfte, die nach fachlicher Qualifikation und Tätigkeit gleichwertig sind, sollen eine annähernd gleiche Vergütung für die erbrachte Arbeitszeit ohne Rücksicht darauf erhalten, ob sie Beamte oder Angestellte sind. Das ist sachgerecht, weil angestellte und beamtete Lehrer oft nebeneinander an derselben Schule und unter gleichen Arbeitsbedingungen tätig sind. Angestellte Lehrer sollen durch die tarifvertragliche Verweisung ungeachtet weiterer Differenzierungsgründe nicht schlechter-, aber auch nicht bessergestellt werden als beamtete Lehrer (vgl. BAG 11. Juli 2012 - 10 AZR 203/11 - Rn. 16; 8. Mai 2008 - 6 AZR 359/07 - Rn. 12).

30

II. Die Ansprüche auf anteiliges Entgelt aus Nr. I.2.1 Abs. 3 Satz 2 Runderlass Mehrarbeit scheitern nicht an § 2 Abs. 4 Satz 1 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG. Eine durch Stundenpläne vorgegebene stetige Überschreitung der wöchentlichen Unterrichtsstundenzahl im Vorgriff auf einen gegen Schuljahresende zu erwartenden Unterrichtsausfall stellt keine vorübergehende Überschreitung der wöchentlichen Pflichtstundenzahl iSv. § 2 Abs. 4 Satz 1 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG dar. Die 20 Unterrichtsstunden, für die die Klägerin Entgeltansprüche in der Zeit von August 2012 bis Januar 2013 festgestellt wissen will, sind deshalb nicht durch ausgefallene Stunden im zweiten Halbjahr des Schuljahres 2012/2013 ausgeglichen.

31

1. Nach § 2 Abs. 4 Satz 1 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG kann die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden einer Lehrerin oder eines Lehrers vorübergehend aus schulorganisatorischen Gründen um bis zu sechs Stunden über- oder unterschritten werden.

32

2. Der Umfang der Lehrerarbeitszeit war und ist mit §§ 2 bis 5 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG durch Rechtsverordnung aufgrund der nötigen landesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 93 Abs. 2 SchulG schon vor Ablauf der Übergangsfrist am Ende des Schuljahres 2013/2014 rechtskonform geregelt worden (vgl. BAG 8. November 2006 - 5 AZR 5/06 - Rn. 18, BAGE 120, 97; BVerwG 16. Juli 2015 - 2 C 41.13 - Rn. 16, BVerwGE 152, 308; 30. August 2012 - 2 C 23.10 - Rn. 11 f. mwN, BVerwGE 144, 93). Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 Satz 1 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG sind jedoch nicht erfüllt. Die Vorinstanzen haben zu Recht angenommen, es handle sich hier nicht um eine vorübergehende Überschreitung der wöchentlichen Pflichtstundenzahl.

33

a) Der Wortlaut der Verordnungsnorm lässt nicht eindeutig erkennen, ob auch eine geplante Überschreitung der wöchentlichen Pflichtstundenzahl eine vorübergehende Überschreitung iSv. § 2 Abs. 4 Satz 1 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG sein kann.

34

aa) Das Wort „vorübergehend“ ist kein Begriff, der in der Rechts- oder Fachsprache einheitlich gebraucht wird. Der Begriff findet sich in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen, zB im Rahmen der vollen Mitbestimmung des Betriebsrats bei der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG(vgl. nur BAG 8. Dezember 2015 - 1 ABR 2/14 - Rn. 17, BAGE 153, 318), bei der vorübergehenden Überlassung von Leiharbeitnehmern in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG(vgl. BAG 4. November 2015 - 7 ABR 42/13 - Rn. 36, BAGE 153, 171; 30. September 2014 - 1 ABR 79/12 - Rn. 17 ff.) oder im Zulagenrecht mit dem Tatbestandsmerkmal der nicht nur vorübergehend ausgeübten - dh. auszuübenden - Tätigkeit iSv. § 14 Abs. 1 TVöD-AT(vgl. BAG 27. Januar 2016 - 4 AZR 468/14 - Rn. 19) oder der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 14 TV-L(vgl. BAG 19. November 2015 - 6 AZR 581/14 - Rn. 46). Auch im Verwaltungsrecht wird das Wort „vorübergehend“ in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet, etwa im Zulagenrecht des § 46 Abs. 1 BBesG. Dem Beamten werden danach höherwertige Aufgaben vorübergehend vertretungsweise übertragen, wenn er die ihm übertragenen, einem höheren Statusamt zugeordneten Aufgaben erfüllen soll, bis sie einem Beamten mit funktionsgerechtem höheren Statusamt übertragen werden (vgl. BVerwG 10. Dezember 2015 - 2 C 28.13 - Rn. 12; 25. September 2014 - 2 C 16.13 - Rn. 10, BVerwGE 150, 216). Die Dienstleistung eines vorübergehend dienstunfähigen Beamten im Rahmen einer Wiedereingliederungsmaßnahme ist kein aktiver Dienst iSv. § 12 Satz 1 PostLEntgV(vgl. BVerwG 11. Juni 2015 - 2 B 64.14, 2 PKH 2 PKH 2.14 - Rn. 9). In aller Regel wird der Begriff „vorübergehend“ von der Rechtsprechung in den unterschiedlichen Zusammenhängen nicht definiert.

35

bb) Entscheidend für die Auslegung des Begriffs der vorübergehenden Überschreitung der wöchentlichen Pflichtstunden einer Lehrkraft aus schulorganisatorischen Gründen nach § 2 Abs. 4 Satz 1 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG ist daher die allgemeinsprachliche Bedeutung des Worts „vorübergehend“(vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 539/11 - Rn. 22).

36

(1) „Vorübergehend“ meint „nur eine gewisse Zeit“, „nicht lange dauernd“, „für kurze Zeit“, „auf Zeit“, „augenblicklich“, „flüchtig“, „kurz“, „kurzfristig“, „temporär“, „zeitweilig“, „zeitweise“ (Duden Das Bedeutungswörterbuch 4. Aufl. Stichwort: „vorübergehend“), „begrenzt“, „behelfsmäßig“, „bis auf Weiteres“, „episodenhaft“, „erst einmal“, „fürs Erste“, „kurzzeitig“, „momentan“, „nicht von Dauer“, „provisorisch“, „vorerst“, „vorläufig“, „zeitlich gebunden“ (Duden Das Synonymwörterbuch 5. Aufl. Stichwort: „vorübergehend“), „nur zeitweilig“, „nur eine gewisse Zeit dauernd“ (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Stichwort: „vorübergehend“), „nur kurze Zeit dauernd“, „kurzlebig“ (Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. Stichwort: „vorübergehend“).

37

(2) An den Synonymen zeigt sich, dass der Begriff „vorübergehend“ von zwei Komponenten geprägt ist. Zum einen ist eine geringe Zeitspanne gemeint, wie zB an den Begriffen „kurz“, „für kurze Zeit“, „nur zeitweilig“ oder „nur kurze Zeit dauernd“ deutlich wird. Zum anderen wird mit „vorübergehend“ der ungeplante Charakter des Geschehens ausgedrückt, wie es sich etwa aus den Synonymen „provisorisch“, „behelfsmäßig“, „fürs Erste“, „vorläufig“ ergibt. Der Begriff „vorübergehend“ umfasst in den unterschiedlichen Zusammenhängen zum Teil nur den einen oder den anderen Bedeutungsgehalt.

38

b) Ungeachtet des nicht eindeutigen Wortlauts sprechen Zusammenhang und Zweck des § 2 Abs. 4 Satz 1 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG für eine nicht nur vorübergehende Überschreitung der wöchentlichen Pflichtstundenzahl bei stetiger Planung mit einer zusätzlichen wöchentlichen Unterrichtsstunde. Die stetige Planung mit einer über die Teilzeitquote von 18 wöchentlichen Unterrichtsstunden hinausgehenden 19. Pflichtstunde umfasste im Fall der Klägerin nach den Stundenplänen von Beginn des Schuljahres 2012/2013 an zumindest das erste Schulhalbjahr (vgl. zu der Stundenplanung BVerwG 16. Juli 2015 - 2 C 16.14 - Rn. 19, BVerwGE 152, 301; 30. August 2012 - 2 C 23.10 - Rn. 8 ff., BVerwGE 144, 93). Die über die Pflichtunterrichtsstunden hinausgehende Leistung war bei Schuljahresbeginn zudem erkennbar auf das ganze Schuljahr angelegt. Das wird daran deutlich, dass die Klägerin die 19. Unterrichtsstunde erst ab 4. März 2013 nicht länger halten sollte. Dazu wurde nicht auf einen ohnehin bestehenden anderen Stundenplan zurückgegriffen. Der Stundenplan wurde vielmehr geändert.

39

aa) Auf den nicht von Schuljahresbeginn an planbaren Charakter der vorübergehenden Pflichtstundenüberschreitung deutet schon § 2 Abs. 4 Satz 1 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG selbst hin.

40

(1) Dem steht nicht entgegen, dass die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden nach der Vorschrift aus schulorganisatorischen Gründen überschritten werden darf. Der Begriff der Schulorganisation setzt nicht zwingend eine längerfristige Planung voraus, sondern erfasst auch spontan erforderlich werdende Eingriffe in den ursprünglichen Stundenplan, die der besseren Organisation der Schule in akuten Fällen dienen.

41

(2) Dass § 2 Abs. 4 Satz 1 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG von Schuljahresbeginn an planbare Pflichtstundenausfälle nicht erfasst, ergibt sich im Ansatz auch aus der Verwaltungsvorschrift der Nr. 2.4.1 Abs. 1 Satz 1 AVO-RL (zu § 2 Abs. 4 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG). Danach dient § 2 Abs. 4 Satz 1 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG der weiteren Flexibilisierung „bei der Erteilung“ des Unterrichts „im Schuljahresverlauf“. Die nötige Flexibilisierung darf mit anderen Worten noch nicht abzusehen gewesen sein, als der ursprüngliche Stundenplan erstellt wurde.

42

bb) Der nötige ungeplante Charakter der Überschreitung der Pflichtstundenzahl wird nicht durch die Sätze 2 und 3 des § 2 Abs. 4 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG gehindert.

43

(1) § 2 Abs. 4 Satz 2 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG besagt zwar, dass eine Überschreitung von mehr als zwei (Pflicht-)Stunden in der Regel nicht ohne Zustimmung der betroffenen Lehrkraft erfolgen soll, wenn sie über zwei Wochen hinaus andauert. Dem lässt sich aber nur eine Aussage für die Frage der zeitlichen Dauer einer Überschreitung der wöchentlichen Pflichtstundenzahl entnehmen. Eine „vorübergehende“ Überschreitung kann demnach einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen umfassen. Dem auf längere Frist ungeplanten Charakter der Überschreitung steht die Regelung nicht entgegen. Von ihr werden auch ungeplante Ereignisse mit Auswirkungen von über zwei Wochen erfasst.

44

(2) Für § 2 Abs. 4 Satz 3 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG gilt nichts anderes. Die Bestimmung regelt den Ausgleichszeitraum der vorübergehend angewiesenen Überschreitung der Pflichtstundenzahl. Die zusätzlich (oder weniger) erteilten Unterrichtsstunden sind innerhalb eines Schuljahres auszugleichen, ausnahmsweise im folgenden Schuljahr. Die Rechtsfolge des Ausgleichs setzt voraus, dass die Pflichtstunden rechtmäßig, weil vorübergehend aus schulorganisatorischen Gründen über- oder unterschritten worden sind. Aus dem zum Schutz der Lehrkraft zeitlich begrenzten Ausgleichszeitraum lässt sich kein Rückschluss auf das Tatbestandsmerkmal der vorübergehenden Über- oder Unterschreitung der Pflichtstundenzahl aus schulorganisatorischen Gründen ziehen.

45

cc) Der Zweck des Flexibilisierungsinstruments in § 2 Abs. 4 Satz 1 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG, auf im Schuljahresverlauf ungeplant eintretende Ereignisse zu reagieren, ergibt sich in erster Linie aus dem weiteren Zusammenhang der Norm. § 13 ADO, § 2 Abs. 1 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG und Nr. I.4.6 Abs. 1 Runderlass Mehrarbeit sprechen entscheidend dafür, dass der Regelung des § 2 Abs. 4 Satz 1 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG keine Pflichtstundenüberschreitungen unterfallen, die zu Schuljahresbeginn für ein Schulhalbjahr oder einen noch längeren Zeitraum in den Stundenplänen vorgegeben werden.

46

(1) § 13 ADO enthält ein aufeinander aufbauendes, in sich geschlossenes System, mit dem die Flexibilisierung der Lehrerarbeitszeit innerhalb des von §§ 2 bis 5 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG vorgegebenen Umfangs der Pflichtstundenzahl geregelt wird.

47

(a) § 13 Abs. 1 Satz 1 ADO sieht vor, dass für Lehrerinnen und Lehrer grundsätzlich die wöchentliche Arbeitszeit des übrigen öffentlichen Dienstes gilt. Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 ADO erteilen die Lehrkräfte die gesetzlich festgelegte und im Einzelnen bestimmte Anzahl der wöchentlichen Pflichtstunden iSd. §§ 2 bis 5 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG.

48

(aa) § 13 Abs. 1 ADO bettet die Pflichtstundenregelung in den Orientierungsrahmen der Arbeitszeitregelung des übrigen öffentlichen Dienstes ein, löst sie also nicht davon(vgl. für die st. Rspr. BVerwG 16. Juli 2015 - 2 C 16.14 - Rn. 11, BVerwGE 152, 301; 30. August 2012 - 2 C 23.10 - Rn. 14, BVerwGE 144, 93). Die Festsetzung von Unterrichtsstunden als Pflichtstunden ist erforderlich, um den Besonderheiten des Lehrerberufs gerecht zu werden. Die Arbeitszeit von Lehrern setzt sich aus Unterrichtsstunden, Arbeitszeit außerhalb des Unterrichts in der Schule und zu Hause sowie 13 Wochen unterrichtsfreier Zeit zusammen. Die Festlegung der Pflichtstunden erklärt sich daraus, dass die Lehrerarbeitszeit nur hinsichtlich dieses Teils der Arbeitszeit exakt messbar ist. Im Übrigen kann die Arbeitszeit von Lehrkräften wegen der erforderlichen Unterrichtsvorbereitung, der Korrekturen, Elternbesprechungen, Konferenzen, der Pausenaufsicht usw. nicht im Einzelnen in überprüfbarer Form bestimmt, sondern nur grob pauschalierend geschätzt werden (vgl. BVerwG 16. Juli 2015 - 2 C 16.14 - Rn. 10, aaO; 30. August 2012 - 2 C 23.10 - Rn. 13, aaO).

49

(bb) Für die teilzeitbeschäftigte Klägerin bedeutet das, dass die Gesamtheit der Unterrichtsstunden, der unterrichts- und schulbezogenen Tätigkeiten sowie der Funktionstätigkeiten die entsprechend der Teilzeitquote reduzierte Gesamtarbeitszeit von 41 Stunden wöchentlich im Jahresdurchschnitt nach § 60 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW nicht überschreiten darf(vgl. BVerwG 16. Juli 2015 - 2 C 16.14 - Rn. 9, BVerwGE 152, 301).

50

(b) Die übrigen Absätze des § 13 ADO tragen dem Umstand Rechnung, dass nur die Pflichtunterrichtsstunden genau bestimmt sind. Die Absätze 2 bis 5 des § 13 ADO flexibilisieren dieses „Grundgerüst“.

51

(aa) § 13 Abs. 2 Satz 1 ADO ist wortgleich mit § 2 Abs. 4 Satz 1 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG. § 13 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 ADO sowie § 2 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG sind inhaltsgleich.

52

(bb) Werden Lehrkräfte während der allgemeinen Unterrichtszeit der Schule als der Zeit, in der die ganz überwiegende Schülerzahl unterrichtet wird, nicht im Unterricht eingesetzt, können sie bei Bedarf und im Rahmen des Zumutbaren nach § 13 Abs. 3 Satz 1 ADO durch den Schulleiter mit anderen schulischen Aufgaben betraut werden. Nicht zu haltender Unterricht in der allgemeinen Unterrichtszeit wird in diesem Fall durch andere schulische Aufgaben ersetzt.

53

(cc) Im Einzelfall können Lehrkräfte nach § 13 Abs. 3 Satz 2 ADO zur Anwesenheit in der Schule verpflichtet werden, wenn Aufgaben in der Schule, insbesondere kurzfristig wahrzunehmender Vertretungsunterricht, dies erfordern. Die Regelung des § 13 Abs. 3 Satz 2 ADO hat als „klassischen Fall“ die kurzfristige sog. Ad-hoc-Vertretung anderer Lehrkräfte im Blick, wenn die vertretenden Lehrkräfte selbst keinen Unterricht zu erteilen haben und auch nicht aufgrund anderer schulischer Aufgaben zur Anwesenheit in der Schule verpflichtet sind.

54

(dd) § 13 Abs. 4 Satz 1 ADO meint dagegen nicht ausschließlich Ad-hoc-Vertretungen. Anders als § 13 Abs. 3 Satz 2 ADO nennt er nicht allein kurzfristig wahrzunehmenden Vertretungsunterricht. Kann der stundenplanmäßige Unterricht wegen der Abwesenheit der zu Unterrichtenden zB bei Abgangsklassen, Schulfahrten, Exkursionen, Berufspraktika oder durch Abschlussprüfungen nicht erteilt werden, sollen die nicht gehaltenen Unterrichtsstunden insbesondere für Vertretungszwecke verwendet werden. Nicht nur der unterschiedliche Wortlaut der unmittelbar aufeinanderfolgenden Absätze 3 und 4 des § 13 ADO, der zwischen kurzfristig wahrzunehmenden und anderen Vertretungen differenziert, verdeutlicht, dass § 13 Abs. 4 Satz 1 ADO auch längerfristig planbare Vertretungen einbezieht. Hinzu kommt, dass § 13 Abs. 4 Satz 1 ADO regelmäßig und damit planbar ausfallende Unterrichtszeiten aufgrund von Abgangsklassen, Berufspraktika und Abschlussprüfungen - zB wegen der Abiturprüfung - ausdrücklich nennt.

55

(ee) § 13 Abs. 5 Satz 1 ADO erlaubt es, Lehrkräfte dazu zu verpflichten, über ihre Pflichtstunden hinaus Unterricht als Mehrarbeit zu erteilen, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse, etwa Fachlehrermangel, das erfordern.

56

(2) § 2 Abs. 1 Satz 2 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG zeigt, dass das System der Lehrerarbeitszeit im beklagten Land Instrumente kennt, um das Pflichtstundendeputat aus Praktikabilitätsgründen pauschal für ganze Schuljahre anzuheben oder zu senken. Die Verordnungsnorm bestimmt, dass die wöchentliche Pflichtstundenzahl in Schulformen, die halbe Pflichtstundenzahlen von 25,5 oder 27,5 Stunden kennen, innerhalb eines Zeitraums von zwei Schuljahren jeweils für die Dauer eines Schuljahres auf die volle Stundenzahl aufgerundet und für die Dauer des folgenden Schuljahres abgerundet wird.

57

(3) Entsprechendes gilt für Nr. I.4.6 Abs. 1 Runderlass Mehrarbeit. Danach ist Mehrarbeit während einer Blockphase bei der Erteilung von Blockunterricht an Berufsschulen durch Minderarbeit in anderen Blockphasen während eines Schuljahres auszugleichen.

58

3. Die Voraussetzung der nur vorübergehenden Überschreitung der wöchentlichen Pflichtstundenzahl nach § 2 Abs. 4 Satz 1 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG ist nicht erfüllt. Deshalb scheidet ein Ausgleich iSv. § 2 Abs. 4 Satz 3 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG durch Verrechnung der im ersten Schulhalbjahr zusätzlich geleisteten mit den im zweiten Schulhalbjahr ausgefallenen Pflichtstunden aus(zum Wesen des Freizeitausgleichs BAG 20. Januar 2016 - 6 AZR 742/14 - Rn. 32). Die im Fall der Klägerin geübte Praxis der geplanten Überschreitung der Pflichtstundenzahl von Beginn des Schuljahres 2012/2013 an verkehrt die Ausnahme der vorübergehenden Überschreitung in den Regelfall. Sie ist nicht von § 2 Abs. 4 Satz 1 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG gedeckt. Aus diesem Grund kann offenbleiben, ob es sich bei ihr um eine mitbestimmungswidrig angeordnete Hebung der Arbeitszeit iSv. § 72 Abs. 3 Nr. 4 LPVG idF vom 5. Juli 2011 handelt, ob ein anderer Mitbestimmungstatbestand erfüllt ist und welche Rechtsfolge der Verstoß gegen ein Mitbestimmungsrecht hätte (vgl. zu diesen Fragen BVerwG 30. August 2012 - 2 C 23.10 - Rn. 17 ff., BVerwGE 144, 93; 10. Januar 2006 - 6 P 10.04 - Rn. 7; 28. Dezember 1998 - 6 P 1.97 - zu 2, 3 und 4 der Gründe, BVerwGE 108, 233; 17. Mai 1995 - 6 P 47.93 - zu II 2 a und b der Gründe; 10. März 1992 - 6 P 13.91 - zu II der Gründe).

59

III. Die Klägerin hat nach Nr. I.2.1 Abs. 3 Satz 2 Runderlass Mehrarbeit Anspruch auf anteilige Vergütung der Entgeltgruppe 12 Stufe 4 TV-L.

60

1. Mehrarbeit ist nach § 61 Abs. 1 LBG NRW idF vom 1. Oktober 2013 Dienst des Beamten über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus. Dem Beamten ist für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit innerhalb eines Jahres entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren, wenn er durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht wird. Ist die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich, können Beamte in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern an ihrer Stelle für einen Zeitraum von längstens 480 Stunden im Jahr eine Mehrarbeitsvergütung erhalten (§ 61 Abs. 2 LBG NRW idF vom 1. Oktober 2013). Nr. I.2.1 Abs. 1 Runderlass Mehrarbeit „übersetzt“ diese Regelungen in das Recht der Lehrerarbeitszeit. Die Bestimmung sieht vor, dass der Lehrer nach § 61 LBG NRW verpflichtet ist, über seine individuelle Pflichtstundenzahl hinaus Mehrarbeit zu leisten, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse es erfordern. Nach Nr. I.2.1 Abs. 2 Runderlass Mehrarbeit erstreckt sich die Verpflichtung des Lehrers zur Übernahme von Mehrarbeit auf regelmäßige und gelegentliche Mehrarbeit im Schuldienst. Nr. I.2.1 Abs. 3 Satz 1 Runderlass Mehrarbeit bestimmt, dass geleistete Mehrarbeit grundsätzlich durch Freizeitausgleich abzugelten ist. Nr. I.2.1 Abs. 3 Satz 2 Runderlass Mehrarbeit schränkt diesen Grundsatz jedoch ein. Danach wird Mehrarbeit im Schuldienst anstelle eines Freizeitausgleichs mit Ausnahme der Fälle der Nr. I.4.2 und I.4.6 Runderlass Mehrarbeit vergütet, weil Freizeitausgleich im Schuldienst in der Regel aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich ist.

61

2. Die Mehrarbeit der wöchentlichen zusätzlichen Unterrichtsstunde wurde vom beklagten Land durch die Stundenpläne (ausdrücklich) angeordnet iSv. § 61 Abs. 1 LBG NRW idF vom 1. Oktober 2013. Die geleistete Mehrarbeit ist dem beklagten Land als Arbeitgeber zuzurechnen.

62

a) Dem steht nicht entgegen, dass die Anordnung und die Genehmigung von Mehrarbeit bei Beamten nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Ermessensentscheidungen sind, die der Dienstherr unter Abwägung der im konkreten Zeitpunkt maßgebenden Umstände zu treffen hat. Der Dienstherr hat dabei zu prüfen, ob Mehrarbeit nach den dienstlichen Notwendigkeiten überhaupt erforderlich ist und welchem Beamten sie übertragen werden soll. Eine derartige Entscheidung wird auch nicht dadurch getroffen, dass ein Dienstplan aufgestellt und praktiziert wird (vgl. BVerwG 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 -).

63

aa) Die Verwaltungsgerichtsbarkeit behilft sich in solchen Fällen vorgegebener Dienstpläne mit einem an bestimmte Voraussetzungen gebundenen beamtenrechtlichen Anspruch aus Treu und Glauben iVm. den Regeln über einen Ausgleich von Mehrarbeit, der auf den Ausgleich sog. Zuvielarbeit gerichtet ist (vgl. BVerwG 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Rn. 11, 24; 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - Rn. 26 ff., BVerwGE 143, 381; 26. Juli 2012 - 2 C 70.11 - Rn. 20 ff.; 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 -; für Lehranwärter und Lehrkräfte: OVG Berlin-Brandenburg 28. Oktober 2015 - OVG 4 B 14.12 - zu 2 der Gründe; VG Düsseldorf 13. März 2015 - 2 K 7605/13 -). Der Billigkeitsanspruch setzt voraus, dass der Beamte rechtswidrig zu viel gearbeitet hat. Er kommt nur für rechtswidrige Zuvielarbeit, also nicht für angeordnete oder genehmigte - recht-mäßige - Mehrarbeit in Betracht. Die geleistete Zuvielarbeit ist erst ab dem Monat ausgleichsfähig, der auf die erstmalige Geltendmachung des Anspruchs durch den Beamten folgt (vgl. BVerwG 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Rn. 25; 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - Rn. 26, BVerwGE 143, 381; 26. Juli 2012 - 2 C 70.11 - Rn. 20 f.). Der zuvor erlittene Verlust an Freizeit ist nach nationalem Zivilrecht kein Schaden (vgl. BVerwG 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Rn. 20; 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - Rn. 25, aaO).

64

bb) Neben den nationalrechtlichen Billigkeitsanspruch tritt ein an andere Erfordernisse geknüpfter unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch, der kein Verschulden des Mitgliedstaats voraussetzt. Auch der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch lässt das Erfordernis zu, dass der Anspruch im Vormonat geltend zu machen ist. Eine solche Rügeobliegenheit verstößt weder gegen den unionsrechtlichen Äquivalenzgrundsatz noch gegen den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz (vgl. BVerwG 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Rn. 25, 27 ff. mit Bezug auf EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 bis C-506/12, C-540/12 und C-541/12 - [Specht] Rn. 110 ff.; ebenso bereits 29. September 2011 - 2 C 32.10 - Rn. 20, BVerwGE 140, 351; aA noch BVerwG 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - Rn. 25, BVerwGE 143, 381 unter Hinweis auf EuGH 25. November 2010 - C-429/09 - [Fuß] Rn. 78, 84, 86 f. und 90, Slg. 2010, I-12167). Ein solcher Anspruch könnte sich gegen das beklagte Land als Untergliederung der Bundesrepublik Deutschland richten. Der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch verlangt aber eine Überschreitung der von Art. 6 Buchst. b der sog. Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG vorgegebenen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden grundsätzlich im Siebentageszeitraum (vgl. EuGH 25. November 2010 - C-429/09 - [Fuß] Rn. 63, aaO; BVerwG 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Rn. 12; 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - Rn. 25, aaO). Wegen der Teilzeitbeschäftigung der Klägerin wird auch unter Berücksichtigung der 19. wöchentlichen Unterrichtsstunde schon die landesrechtliche Vollarbeitszeit von 41 Wochen-stunden im Jahresdurchschnitt nicht erreicht. Ihr liegen bei Lehrkräften an Berufskollegs 25,5 Pflichtwochenstunden zugrunde. Die unionsrechtliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden im Siebentageszeitraum ist erst recht nicht überschritten.

65

b) Die Grundsätze der beamtenrechtlichen Mehr- und Zuvielarbeit sind auf Arbeitsverhältnisse nicht übertragbar.

66

aa) Ein Arbeitnehmer leistet Über- oder Mehrarbeit, wenn diese vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder zumindest zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig ist (vgl. BAG 23. September 2015 - 5 AZR 767/13 - Rn. 44, BAGE 152, 315; 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 14; zu der im Arbeitszeitgesetz nicht gebrauchten Unterscheidung von Über- und Mehrarbeit: BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 17; 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 15, BAGE 139, 44, jeweils mwN). Ausdrücklich angeordnet wird Über- oder Mehrarbeit, wenn der Arbeitgeber sie explizit verlangt (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 16). Konkludent ordnet der Arbeitgeber Über- oder Mehrarbeit an, wenn er dem Arbeitnehmer Arbeit in einem Umfang zuweist, der unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers nur durch Leistung von Über- oder Mehrarbeit außerhalb der Normalarbeitszeit zu bewältigen ist (vgl. BAG 23. September 2015 - 5 AZR 767/13 - Rn. 46, BAGE 152, 315; 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 17). Mit der Billigung von Über- oder Mehrarbeit ersetzt der Arbeitgeber durch eine Genehmigung nachträglich die fehlende vorherige Anordnung schon geleisteter Über- oder Mehrarbeit (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 19). Der Arbeitgeber duldet Über- oder Mehrarbeit, wenn er sie hinnimmt und keine Vorkehrungen dafür trifft, sie künftig zu unterbinden. Er schreitet nicht dagegen ein, dass die Über- oder Mehrarbeit geleistet wird, sondern nimmt sie weiterhin entgegen (vgl. BAG 23. September 2015 - 5 AZR 767/13 - Rn. 48, aaO; 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 21).

67

bb) Nach diesen Grundsätzen verlangte das beklagte Land mit den Stundenplänen die über die Teilzeitquote von 18 wöchentlichen Pflichtunterrichtsstunden hinausgehende jeweilige 19. Unterrichtsstunde. Es ordnete damit ausdrücklich Überarbeit an, die die vertraglich geschuldete regelmäßige Arbeitszeit überstieg. In der Begrifflichkeit der von § 44 Nr. 2 Satz 2 TV-L in Bezug genommenen beamtenrechtlichen Bestimmungen handelte es sich um Mehrarbeit. Abweichend von § 61 Abs. 1 LBG NRW idF vom 1. Oktober 2013 sind fünf (Zeit-)Stunden im Monat wegen der dargestellten arbeitsrechtlichen Besonderheiten auch nicht ausgleichsfrei. Der Arbeitgeber kann die Leistung den Umständen nach nur gegen Vergütung erwarten (vgl. BAG 23. September 2015 - 5 AZR 626/13 - Rn. 21). Der Senat kann offenlassen, ob das für beamtete und angestellte Lehrer gleichermaßen gilt. Jedenfalls enthält Nr. I.2.1 Runderlass Mehrarbeit den Abzug von fünf Stunden - ggf. wegen der Besonderheiten der Lehrerarbeitszeit - selbst nicht.

68

c) Die für das Beamten- und das Arbeitsrecht entwickelten unterschiedlichen Regeln im Mehrarbeitsrecht sind hinzunehmen, obwohl § 44 Nr. 2 Satz 2 TV-L auf das Beamtenrecht verweist. Das Bundesverwaltungsgericht sieht in einer Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit von Beamten durch Dienstplan zwar keine Anordnung rechtmäßiger Mehrarbeit, sondern nimmt allenfalls rechtswidrige Zuvielarbeit an (vgl. BVerwG 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Rn. 11, 24; 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - mwN). Das steht der Beurteilung, dass durch schulischen Stundenplan Über- oder Mehrarbeit im arbeitsrechtlichen Sinn angeordnet werden kann, aber nicht entgegen. Zwischen den Rechtsverhältnissen beamteter und angestellter Lehrkräfte bestehen trotz der durch die Verweisung auf das Beamtenrecht angestrebten weitgehenden Gleichstellung der beiden Beschäftigtengruppen deutliche Unterschiede. Das Bundesverfassungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht betonen die Besonderheiten des Beamtenverhältnisses, das durch Alimentation, Treue- und Fürsorgepflichten charakterisiert wird (vgl. BVerfG 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09, 2 BvL 18/09, 2 BvL 3/12, 2 BvL 4/12, 2 BvL 2 BvL 5/12, 2 BvL 2 BvL 6/12, 2 BvL 2 BvL 1/14 - Rn. 114 ff., BVerfGE 139, 64; BVerwG 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Rn. 13 ff. mwN; 13. November 2008 - 2 C 16.07 - Rn. 18 ff.). Das Bundesarbeitsgericht und die Verwaltungsgerichtsbarkeit heben die Unterschiede der beiden Rechtsverhältnisse gleichermaßen hervor. Das Bundesarbeitsgericht nimmt etwa an, Breitbandregelungen zum Ausgleich besonderer Belastungen verletzten hinsichtlich angestellter Lehrkräfte den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn sie nicht landeseinheitlich eingeführt würden (vgl. 8. November 2006 - 5 AZR 5/06 - Rn. 20 ff., BAGE 120, 97). Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen geht demgegenüber davon aus, der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sei wegen der Strukturunterschiede von Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst auf Beamte nicht anzuwenden (vgl. 17. Februar 2014 - 6 A 1353/12 -).

69

3. Die Rechtsfolge geleisteter Mehrarbeit ist nach Nr. I.2.1 Abs. 3 Satz 1 Runderlass Mehrarbeit grundsätzlich auf Freizeitausgleich gerichtet. Nr. I.2.1 Abs. 3 Satz 2 Runderlass Mehrarbeit geht jedoch anstelle des Freizeitausgleichs auf die Rechtsfolge zu leistender Mehrarbeitsvergütung über, weil Freizeitausgleich im Schuldienst in der Regel aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich ist.

70

a) Der Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe für den nicht möglichen Freizeitausgleich braucht nicht bestimmt zu werden und im konkreten Fall nicht gegeben zu sein. Die Bestimmung der Nr. I.2.1 Abs. 3 Satz 2 Runderlass Mehrarbeit typisiert die schulischen Sachverhalte. Sie unterstellt zwingende dienstliche Gründe regelungstechnisch, um die Rechtsfolge des Freizeitausgleichs gegen die der Mehrarbeitsvergütung auszutauschen.

71

b) Die beiden Ausnahmetatbestände der Nr. I.2.1 Abs. 3 Satz 2 Runderlass Mehrarbeit sind nicht erfüllt, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat.

72

aa) Die Klägerin hatte zwar keinen Anspruch auf die im zweiten Halbjahr des Schuljahres 2012/2013 iSv. Nr. I.4.2 Abs. 2 Satz 1 Runderlass Mehrarbeit ausgefallenen Pflichtstunden.

73

(1) Die Verrechnung mit geleisteter Mehrarbeit nach Nr. I.4.2 Abs. 2 Satz 2 Runderlass Mehrarbeit scheitert aber daran, dass Verrechnungszeitraum nach Nr. I.4.2 Abs. 2 Satz 3 Runderlass Mehrarbeit der Kalendermonat ist. Die Ausfallzeiten, die das beklagte Land zum Ausgleich heranziehen möchte, sind nicht in den Monaten der Mehrarbeit von August 2012 bis Januar 2013 angefallen, sondern in den Folgemonaten des zweiten Schulhalbjahres. Die im Januar 2013 ausgefallenen Unterrichtsstunden hat bereits das Arbeitsgericht zu Recht von der Forderung der Klägerin abgesetzt. Außerhalb des Kalendermonats, in dem die Mehrarbeit geleistet wurde, sieht der Runderlass Mehrarbeit eine Verrechnung oder Saldierung nicht vor (vgl. LAG Hamm 13. Oktober 2011 - 11 Sa 556/11  - zu 3 b aa der Gründe). Daran wird deutlich, dass ein Ausgleich der durch Mehrarbeit entstandenen Belastungen in Form von Freizeit nur im zeitlichen Zusammenhang mit der Mehrarbeit sinnvoll ist (zu dem deutlich längeren Ausgleichszeitraum von einem Jahr nach § 61 Abs. 1 LBG NRW LAG Hamm 2. Februar 2012 - 17 Sa 1001/11 - zu A IV 2 e aa der Gründe).

74

(2) Nr. I.4.2 Abs. 2 Satz 3 Runderlass Mehrarbeit steht auch dem aus § 242 BGB abzuleitenden, von Amts wegen zu berücksichtigenden sog. Dolo-agit-Einwand entgegen. Danach verstößt gegen Treu und Glauben, wer eine Leistung verlangt, die er sofort zurückgewähren muss („dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“, vgl.: BAG 15. Februar 2012 - 7 AZR 774/10 - Rn. 38; 10. November 2011 - 6 AZR 357/10 - Rn. 25, BAGE 139, 376; BGH 21. April 2016 - I ZR 276/14 - Rn. 12). Die Begrenzung der Verrechnung auf den Kalendermonat durch Nr. I.4.2 Abs. 2 Satz 3 Runderlass Mehrarbeit schließt den Dolo-agit-Einwand aus.

75

bb) Auch der zweite Ausnahmetatbestand der Nr. I.2.1 Abs. 3 Satz 2 Runderlass Mehrarbeit ist nicht gegeben. Die von der Klägerin geleistete Mehrarbeit im ersten Halbjahr des Schuljahres 2012/2013 bestand nach den unangegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ebenso wenig aus Blockunterricht iSv. Nr. I.4.6 Abs. 1 Runderlass Mehrarbeit wie die Minderarbeit im zweiten Halbjahr dieses Schuljahres.

76

c) Der Klägerin steht deshalb für die im ersten Halbjahr des Schuljahres 2012/2013 geleistete Mehrarbeit nach Nr. I.1 Abs. 1 dritter Spiegelstrich, Nr. I.2.1 Abs. 3 Satz 2 Runderlass Mehrarbeit, § 4a Abs. 1 BMVergV idF vom 4. November 2009 anteiliges Entgelt der Entgeltgruppe 12 Stufe 4 TV-L zu.

77

aa) Die MVergV des dritten Spiegelstrichs der Nr. I.1 Abs. 1 Runderlass Mehrarbeit meint die BMVergV. Die frühere Fassung des Runderlasses Mehrarbeit vom 11. Juni 1979 (GABl. NW. S. 296), bereinigt um die Runderlasse vom 2. August 1979 (GABl. NW. S. 437) und 26. Oktober 1981 (GABl. NW. S. 406), bezog sich in Nr. I.1.2 ausdrücklich auf die (B)MVergV.

78

bb) § 4a Abs. 1 BMVergV idF vom 4. November 2009 bestimmt, dass sich der Anspruch Teilzeitbeschäftigter für Mehrarbeit, die die regelmäßige Arbeitszeit Vollzeitbeschäftigter nicht überschreitet, nicht auf die besondere Mehrarbeitsvergütung des § 4 Abs. 1 und Abs. 3 BMVergV richtet. Teilzeitbeschäftigte haben vielmehr je Stunde Mehrarbeit Vergütung in Höhe des auf eine Stunde entfallenden Anteils der Besoldung - dh. bei Arbeitnehmern des Entgelts - Vollzeitbeschäftigter zu erhalten. Dem steht nicht entgegen, dass nach Fußnote 2 zum dritten und vierten Spiegelstrich der Nr. I.1 Abs. 1 Runderlass Mehrarbeit die (B)MVergV und die Verwaltungsvorschriften im Land Nordrhein-Westfalen in den am 31. August 2006 geltenden Fassungen angewendet werden. Zu diesem Zeitpunkt war der Anspruch auf anteilige Besoldung aus § 4a noch nicht in die BMVergV eingefügt. Die Mehrarbeit der teilzeitbeschäftigten Klägerin überschritt aber auch unter Berücksichtigung der zusätzlich geleisteten insgesamt 20 Unterrichtsstunden in der Zeit von August 2012 bis Januar 2013 bei wöchentlich erteilten 19 Unterrichtsstunden nicht die reguläre Arbeitszeit einer vollzeitbeschäftigten Lehrkraft von 41 Wochenstunden im Jahresdurchschnitt oder von 25,5 wöchentlichen Pflichtstunden. In einem solchen Fall entspricht allein der auf anteilige Besoldung oder anteiliges Entgelt gerichtete Anspruch Teilzeitbeschäftigter den Anforderungen der unmittelbar geltenden Entgeltgleichheit des Art. 157 AEUV, wie sie die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgeformt hat. Die deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit hat diese Rechtsprechung nachvollzogen. Nur auf diese Weise wird eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten bei Überschreitung der individuellen Arbeitszeit Teilzeitbeschäftigter bis zur Grenze der regelmäßigen Arbeitszeit Vollzeitbeschäftigter vermieden (vgl. EuGH 6. Dezember 2007 - C-300/06 - [Voß] Rn. 31 ff., 37, Slg. 2007, I-10573; BVerwG 13. März 2008 - 2 C 128.07 - Rn. 11 ff.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen 29. September 2008 - 6 A 2261/05 - zu II der Gründe). Dass § 4a im Jahr 2009 in die BMVergV eingefügt wurde, geht auf diese Rechtsprechung zurück. Die besondere Mehrarbeitsvergütung des § 4 Abs. 3 BMVergV unterschreitet demgegenüber den Anspruch auf anteilige Besoldung und anteiliges Entgelt.

79

IV. Die Verfallfrist des § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L wurde durch den sog. Einspruch vom 18. Dezember 2012 und das gewerkschaftliche Schreiben vom 22. Januar 2013 gewahrt. Die Art der Ansprüche und die Tatsache der Mehrarbeit, auf die sie gestützt wurden, waren zu erkennen. Eine Bezifferung war daher nicht erforderlich (vgl. BAG 18. Februar 2016 - 6 AZR 628/14 - Rn. 16; 19. August 2015 - 5 AZR 1000/13 - Rn. 24 , BAGE 152, 221). Für denselben Sachverhalt reichte die frühere Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällig werdende Leistungen aus (§ 37 Abs. 1 Satz 2 TV-L).

80

C. Das beklagte Land hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Wollensak    

        

    Döpfert    

                 

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 15. April 2009 - 16 Sa 102/08 - aufgehoben, soweit es über die Versetzung der Klägerin und über die Kosten der Berufung entschieden hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Versetzung der Klägerin in einen anderen Außendienstbezirk.

2

Die Beklagte stellt Arzneimittel her und vertreibt diese. Die verheiratete und zwei Kindern unterhaltspflichtige Klägerin ist seit dem 1. April 2000 für die Beklagte als Pharmaberaterin im Verordnungs-Außendienst - Ansprechpartner: Ärzte (VO-Außendienst) tätig. Ihr Bruttomonatseinkommen betrug zuletzt 3.059,45 Euro.

3

Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 9. März 2000 regelt ua. wie folgt:

        

        

§ 1 …

        

3.    

Das Arbeitsgebiet umfasst

                          

AB 926

        

4.    

Für das Arbeitsverhältnis gelten die jeweils gültige Fassung der Personalrichtlinien, Betriebsvereinbarungen, Arbeitsordnung, Organisations-, Verwaltungs- und Dienstanweisung sowie des Aktionsplans.

        

...     

        
        

6.    

Ein Wechsel des Domizils ist nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der Firma möglich.

        

…       

        
                 

§ 16 Dienstversetzung

        

1.    

Die Firma behält sich Gebietsänderungen oder Zuweisung eines anderen Gebietes vor, wenn sich dies aus der weiteren Entwicklung des Außendienstes ergibt.

        

2.    

Die Firma ist berechtigt, bei Arbeitsunterbrechungen jeder Art (Urlaub/Krankheit) in dem vom Mitarbeiter besetzten Gebiet weitere Mitarbeiter einzusetzen.“

4

Das Arbeitsgebiet AB 926 liegt im Osten von Sachsen und wird nunmehr als Gebiet Nr. 423 bezeichnet. Die Klägerin wohnt dort. An die Geburt ihres ersten Kindes im April 2005 schloss sich eine einjährige Elternzeit an. Nach Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit und nach mehreren Abmahnungen im Februar 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis im April 2007 fristlos. Diese Kündigung ist rechtsunwirksam (ArbG Dresden 9. Oktober 2007 - 4 Ca 1714/07 -).

5

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2007 wies die Beklagte der Klägerin zum 1. Januar 2008 das zwischen Göttingen und Magdeburg gelegene Gebiet Nr. 314 zu und sprach vorsorglich eine entsprechende außerordentliche Änderungskündigung aus. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin erneut schwanger. Die Änderungskündigung ist nach der Entscheidung der Vorinstanz rechtsunwirksam; die Beklagte hat insoweit keine Revision eingelegt.

6

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Versetzung sei rechtsunwirksam. Der Versetzungsvorbehalt in § 16 des Arbeitsvertrags sei als überraschende Klausel nicht Vertragsbestandteil geworden. Die Versetzung widerspreche auch billigem Ermessen. Die Mitarbeiterin, der die Beklagte ihr bisheriges Gebiet zugewiesen habe, sei sozial weniger schutzwürdig.

7

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

festzustellen, dass die von der Beklagten mit Wirkung ab 1. Januar 2008 vorgenommene Versetzung der Klägerin als Pharmaberaterin VO-Außendienst vom Gebiet 423 in das Gebiet 314 unwirksam ist.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Versetzung sei auf Grund der Zusammenlegung der Außendienste für Apotheken und Ärzte erforderlich gewesen. Die Gebietsinhaber müssten nunmehr im Schwerpunkt Apotheken besuchen. Die im bisherigen Gebiet der Klägerin im Apothekenaußendienst tätige Mitarbeiterin verfüge über besondere Erfahrungen und sehr gute langjährige Kontakte, so dass sie dieser Mitarbeiterin das Gebiet Nr. 423 übertragen und die Klägerin in das nächste freie Gebiet versetzt habe.

9

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Berufung nicht insgesamt zurückgewiesen werden. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die Revision führt daher zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), soweit über die Versetzung entschieden worden ist.

11

I. Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien ist die Beklagte entgegen der Auffassung der Vorinstanzen berechtigt, der Klägerin nach Maßgabe von § 106 Satz 1 GewO ein anderes Gebiet zuzuweisen.

12

1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 bis 31, NZA 2010, 1355). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat.

13

a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 36, NZA 2010, 877) . Ungewöhnliche, insbesondere überraschende Klauseln iSv. § 305c Abs. 1 BGB(zB „versteckte“ Versetzungsvorbehalte) werden nicht Vertragsbestandteil und bleiben deshalb im Rahmen der Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen unberücksichtigt.

14

Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gem. § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 20, NZA 2010, 1355; st. Rspr. BGH 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08 - Rn. 41, BGHZ 186, 180).

15

b) Bei der Auslegung der vertraglichen Bestimmungen kann in Betracht kommen, dass eine wie ein Versetzungsvorbehalt erscheinende Klausel tatsächlich lediglich den Umfang der geschuldeten Leistung bestimmen soll, insbesondere wenn alternative Tätigkeitsinhalte oder Tätigkeitsorte konkret benannt sind (Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 18, NZA 2010, 1355). Ferner ist zu beachten, dass die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung verhindert (BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; Preis/Genenger NZA 2008, 969, 970). Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll.

16

c) Ergibt die Auslegung, dass der Vertrag eine nähere Festlegung hinsichtlich Art und/oder Ort der Tätigkeit enthält, so unterliegt diese keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Vielmehr handelt es sich um die Bestimmung des Inhalts der Hauptpflicht (Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 21, NZA 2010, 1355; BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 564/06 - Rn. 30, BAGE 123, 98). Dabei ist es unerheblich, wie eng oder weit die Leistungsbestimmung gefasst ist. Vorzunehmen ist lediglich eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

17

Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Je allgemeiner die vom Arbeitnehmer zu leistenden Dienste oder der Ort der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag festgelegt sind, desto weiter geht die Befugnis des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer unterschiedliche Aufgaben oder einen anderen Ort im Wege des Direktionsrechts zuzuweisen (vgl. zB BAG 2. März 2006 - 2 AZR 23/05 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 67). Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Bei einer engen Bestimmung der Tätigkeit oder Festlegung des Orts der Leistungspflicht wird das Direktionsrecht hingegen eingeschränkt; der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer nur die betreffenden Aufgaben zuweisen. Eine Veränderung des Tätigkeitsbereichs oder des Orts der Arbeitsleistung kann er nur einvernehmlich oder durch eine Änderungskündigung herbeiführen (Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 22, NZA 2010, 1355).

18

d) Fehlt es an einer Festlegung und weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gem. § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 31, NZA 2010, 1355; BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80).

19

2. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die Parteien einen Formularvertrag geschlossen, auf den die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB zur Anwendung kommen. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (Senat 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259). Das Landesarbeitsgericht hat ohne hinreichende Auslegung des Arbeitsvertrags angenommen, das Außendienstgebiet sei in § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrags vertraglich festgelegt. Dies hält einer Überprüfung nicht stand. Da insoweit alle wesentlichen Umstände festgestellt sind und weiterer Vortrag nicht zu erwarten ist, kann der Senat die Auslegung selbst vornehmen.

20

a) Der Wortlaut von § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrags, wonach das Arbeitsgebiet einen bestimmten Außendienstbezirk umfasst, kann für eine vertragliche Festlegung sprechen. Auch die Vereinbarung der Domizilklausel in § 1 Nr. 6 kann im Verständnis einer Branche, die ihren Vertrieb über einen Außendienst organisiert, ein Indiz für eine gewollte vertragliche Festlegung des Arbeitsorts sein. Die Parteien haben aber in § 16 Nr. 1 des Arbeitsvertrags vereinbart, dass die Firma sich die Zuweisung eines anderen Gebiets vorbehält. Damit haben die Parteien klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis in einen anderen Außendienstbezirk bestehen soll.

21

b) Die Klausel ist Vertragsbestandteil geworden. Sie ist nicht überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB.

22

aa) Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat überraschenden Charakter im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser den Umständen nach mit ihr vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Überraschenden Klauseln muss ein „Überrumpelungs- und Übertölpelungseffekt“ innewohnen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Die berechtigten Erwartungen des Vertragspartners bestimmen sich nach den konkreten Umständen bei Vertragsschluss ebenso wie nach der Gestaltung des Arbeitsvertrags, insbesondere dessen äußerem Erscheinungsbild. So kann der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel oder ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen (BAG 16. April 2008 - 7 AZR 132/07 - Rn. 16, BAGE 126, 295; 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - Rn. 24, BAGE 115, 372). Im Einzelfall kann der Verwender gehalten sein, auf die Klausel besonders hinzuweisen oder sie drucktechnisch hervorzuheben (BAG 16. April 2008 - 7 AZR 132/07 - aaO).

23

bb) Der Arbeitsvertrag enthält in § 1 Regelungen zur Arbeitspflicht und regelt an seinem Ende in § 16 die Möglichkeit einer Versetzung. Da die Vereinbarung von Änderungsmodalitäten am Ende eines Vertrags nicht unüblich ist, kann ein gewissenhafter Arbeitnehmer durch einen Versetzungsvorbehalt an dieser Stelle nicht überrascht werden. Die Überschrift „Dienstversetzung“ entspricht insoweit zwar nicht gängiger Begrifflichkeit, lässt aber keinen Zweifel aufkommen, dass nachfolgend ein Versetzungsvorbehalt geregelt wird. Drucktechnisch ist der Arbeitsvertrag übersichtlich aufgebaut. Der Versetzungsvorbehalt in § 16 ist deshalb nicht überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB.

24

c) Nach § 16 Nr. 1 des Arbeitsvertrags hat sich die Beklagte die Zuweisung eines anderen Gebiets vorbehalten; die Zuweisung einer inhaltlich anderen Tätigkeit ist ausgeschlossen. Nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn einer Klausel, welche die Zuweisung eines anderen Gebiets gestattet, ergibt sich, dass eine änderungsfeste Festlegung des Arbeitsorts im Arbeitsvertrag gerade nicht erfolgen soll; im Hinblick auf das vereinbarte Festgehalt ist darüber hinaus ausgeschlossen, dass die vereinbarte Vergütung durch die Zuweisung eines anderen Gebiets verändert werden kann. Im Lichte dieses Versetzungsvorbehalts ergibt die Auslegung der vertraglichen Regelungen deshalb, dass in § 1 Nr. 3 eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung tatsächlich nicht vereinbart ist. Der Versetzungsvorbehalt verhindert die Beschränkung auf einen bestimmten Ort (vgl. BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47).

25

II. Ob die Versetzung der Klägerin der gebotenen Ausübungskontrolle am Maßstab von § 106 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB standhält, kann der Senat nicht entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat - von seinem Standpunkt aus konsequent - eine solche Kontrolle nicht vorgenommen. Es hat auch die wechselseitigen Interessen nicht gegeneinander abgewogen. Zur Vornahme der Ausübungskontrolle wird das Landesarbeitsgericht zunächst die erforderlichen Feststellungen treffen müssen. Es bedarf der Aufklärung, ob und ggf. welches konkrete unternehmerische Konzept die Versetzung der Klägerin bedingt haben soll. Ferner ist zu klären, ob das benachbarte Gebiet Nr. 422, wie von der Klägerin behauptet, mit einem Leiharbeitnehmer besetzt war und welche Gründe dagegen sprachen, ihr dieses Gebiet zu übertragen. Bei der Abwägung der wechselseitigen Interessen wird das Landesarbeitsgericht schließlich zu erwägen haben, ob die Versetzung in ein weiter entferntes Gebiet dem besonderen Zustand der schwangeren Klägerin und ihren berechtigten persönlichen Belangen angemessen Rechnung getragen hat (vgl. BAG 21. April 1999 - 5 AZR 174/98 - zu A II 2 der Gründe, AP MuSchG 1968 § 4 Nr. 5 = EzA MuSchG nF § 11 Nr. 18) oder ob die Versetzung nicht tatsächlich unzumutbar war.

        

    Mikosch    

        

    Eylert    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Thiel    

        

    Petri    

                 

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Der einem Anwesenden gemachte Antrag kann nur sofort angenommen werden. Dies gilt auch von einem mittels Fernsprechers oder einer sonstigen technischen Einrichtung von Person zu Person gemachten Antrag.

(2) Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf.

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. August 2010 - 16 Sa 532/10, 16 Sa 637/10, 16 Sa 1405/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Annahmeverzugsvergütung nach unwirksamer Arbeitgeberkündigung sowie Schadensersatz nach § 717 Abs. 2 ZPO.

2

Der 1959 geborene Kläger, Diplom-Kaufmann mit Lehrbefähigung für die Unterrichtsfächer Sport und Wirtschaftslehre, ist seit Oktober 1998 beim beklagten Land als Lehrer beschäftigt. Er unterrichtete zuletzt an der A-Oberschule im Bezirk C (im Folgenden: OSZ Sozialwesen). Zum 1. August 2006 setzte ihn das beklagte Land an das Oberstufenzentrum Bürowirtschaft und Verwaltung im Bezirk St (OSZ St) um, das der Kläger erstmals am 22. oder 24. August 2006 aufsuchte. Dabei wurde er vom dortigen Schulleiter in die Räumlichkeiten und den Aufgabenbereich eingewiesen. Am 23. August 2006 und vom 25. August bis zum 29. September 2006 meldete sich der Kläger arbeitsunfähig krank.

3

Am 25. August 2006 schrieb der Kläger an die zuständige Senatsverwaltung:

        

„Sehr geehrte Damen und Herren,

        

leider habe ich bis heute auf mein Schreiben vom 31. Juli 2006 an das Referat II D keine Antwort(en) erhalten.

        

Aber dies passt wiederum ins Bild. Diese Umsetzung ist ein Akt von Willkür.

        

…       

        

Ich betrachte das OSZ-Sozialwesen weiterhin als meine aktuelle Dienststelle.

        

(Unter Vorbehalt bin ich am OSZ Bürowirtschaft und Verwaltung in St erschienen.)

        

Da ich anscheinend weiter der Willkür von Vorgesetzten ausgeliefert sein soll, widerspreche ich der Umsetzung ans OSZ St ausdrücklich.

        

Sollte die Umsetzung nicht bis 1. September rückgängig gemacht werden, müssen Sie damit rechnen, dass ich mich selbst vor der Willkür von Vorgesetzten schützen werde, indem ich am OSZ St keinen Unterricht mehr erteile und/oder den Vorgang gerichtlich überprüfen lassen werde.

        

Hochachtungsvoll

        

…“    

4

Nach den Herbstferien (2. bis 14. Oktober 2006) erschien der Kläger nicht im OSZ St. Ab dem 26. Oktober 2006 meldete er sich wiederum arbeitsunfähig krank.

5

Am 31. Oktober 2006 reichte der Kläger beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Beschäftigung als Lehrer am OSZ Sozialwesen ein, den er in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2006 zurücknahm. Am 17. November 2006 erhob der Kläger Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der „Versetzung“ an das OSZ St, der das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 18. April 2007 - 96 Ca 20973/06 - stattgab. In der Berufungsverhandlung am 2. November 2007 nahm der Kläger nach dem gerichtlichen Hinweis, eine Entscheidung sei kein Präjudiz für einen Kündigungsschutzprozess, auf Vorschlag des Berufungsgerichts (- 13 Sa 1257/07 -) die Klage zurück. Zwischenzeitlich hatte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 6. Februar 2007 wegen Arbeitsverweigerung zum 30. Juni 2007 gekündigt. Die dagegen erhobene, mit einem allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag verbundene Kündigungsschutzklage wies das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 12. März 2008 - 60 Ca 3331/07 - ab, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gab ihr mit Urteil vom 26. November 2008 - 23 Sa 1175/08 - statt. Am 11. Dezember 2009 nahm der Kläger seine Tätigkeit wieder auf.

6

Nach Ausspruch der ordentlichen Kündigung und nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Umsetzung teilte das beklagte Land dem Kläger mit Schreiben vom 9. August 2007 mit:

        

„Sehr geehrter Herr R,

        

aufgrund der Entscheidung des Arbeitsgerichts werden Sie mit Wirkung vom 1. August 2007 vom OSZ Bürowirtschaft und Verwaltung im Bezirk St (Schul-Nr. 2) mit voller Stundenzahl, zurzeit 26 Wochenstunden, an die A-Oberschule im Bezirk C (Schul-Nr. 5) umgesetzt.

        

Bis zur Rechtskraft des Urteils ist dieser Bescheid vorläufig. Ein endgültiger Bescheid wird dann zu gegebener Zeit erlassen.“

7

Mit der vorliegenden, am 19. Juni 2009 eingereichten Klage hat der Kläger Annahmeverzugsvergütung für die Zeit vom 2. Juli 2007 bis zum 10. Dezember 2008 unter Abzug bezogenen Arbeitslosengelds und erhaltener Leistungen nach dem SGB II geltend gemacht und die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe sich aufgrund der unwirksamen Kündigung im streitbefangenen Zeitraum im Annahmeverzug befunden, ohne dass es eines Arbeitsangebots bedurft hätte. Mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage habe er zum Ausdruck gebracht, an dem Arbeitsverhältnis festhalten zu wollen und leistungswillig zu sein. Er hat behauptet, ab dem 2. Juli 2007 wieder arbeitsfähig gewesen zu sein.

8

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

1.    

das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 73.931,64 Euro brutto abzüglich 16.894,54 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Differenzbetrag ab dem 2. Juli 2009 zu zahlen;

        

2.    

das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung bis zum 1. Juli 2009 zu zahlen.

9

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, nicht in Annahmeverzug geraten zu sein, weil der Kläger bereits vor Ausspruch der Kündigung nicht willens gewesen sei, die ihm wirksam zugewiesene Tätigkeit am OSZ St zu verrichten.

10

In der Berufungsinstanz hat das beklagte Land widerklagend Schadensersatz wegen der Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils geltend gemacht und beantragt,

        

den Kläger zu verurteilen, an das beklagte Land 53.106,26 Euro zuzüglich weiterer 2.719,04 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Der Kläger hat die Abweisung der Widerklage beantragt.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Ausnahme von Annahmeverzugsvergütung für den Monat Juli 2007 stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung des beklagten Landes die Klage insgesamt abgewiesen sowie der Widerklage stattgegeben. Mit der vom Senat für den Kläger zugelassenen Revision verfolgt dieser seine zuletzt gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Klage nicht abgewiesen und der Widerklage nicht stattgegeben werden. Ob und ggf. für welchen Zeitraum der Kläger Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB hat, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

14

I. Dem Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung steht ein fehlendes Angebot des Klägers nicht entgegen. Nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung bedarf es zur Begründung des Annahmeverzugs eines Angebots des Arbeitnehmers nicht (st. Rspr., zuletzt BAG 17. November 2011 - 5 AZR 564/10 - Rn. 13, NZA 2012, 260; 27. August 2008 - 5 AZR 16/08 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 615 Nr. 124 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 26). Das beklagte Land hat den Kläger auch nicht - insbesondere nicht mit dem Schreiben vom 9. August 2007 - zur Wiederaufnahme der Arbeit unter unmissverständlicher Klarstellung, es habe zu Unrecht gekündigt, aufgefordert (vgl. dazu BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu I der Gründe, BAGE 108, 27; 7. November 2002 - 2 AZR 650/00 - zu B I 1 b der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 98 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 1; ErfK/Preis 12. Aufl. § 615 BGB Rn. 67; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 60 - jeweils mwN).

15

II. Das beklagte Land hätte sich aber nicht im Annahmeverzug befunden, wenn der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht leistungsfähig oder leistungswillig war, § 297 BGB.

16

1. Nach dieser Vorschrift kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken. Neben der (tatsächlichen oder rechtlichen) Leistungsfähigkeit umfasst § 297 BGB auch die nicht ausdrücklich genannte Leistungswilligkeit. Dies folgt daraus, dass ein leistungsunwilliger Arbeitnehmer sich selbst außer Stande setzt, die Arbeitsleistung zu bewirken. Die objektive Leistungsfähigkeit und der subjektive Leistungswille sind von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzungen, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen müssen (BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 15 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 34).

17

2. Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande oder subjektiv nicht bereit war. Dies ergibt sich aus der Fassung des § 297 BGB(BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 17 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 34; vgl. auch ErfK/Preis 12. Aufl. § 615 BGB Rn. 109; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 54 f.). Wendet der Arbeitgeber die fehlende Leistungsfähigkeit oder den fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers im Annahmeverzugszeitraum ein, reicht es zunächst aus, dass er Indizien vorträgt, aus denen hierauf geschlossen werden kann. Sodann ist es Sache des Arbeitnehmers, die Indizwirkung zu erschüttern. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei während des Verzugszeitraums leistungsunfähig bzw. leistungsunwillig gewesen, als zugestanden. Andernfalls ist der Arbeitgeber für die die fehlende Leistungsfähigkeit bzw. den fehlenden Leistungswillen begründenden Tatsachen beweispflichtig.

18

3. Nach diesen Grundsätzen gilt vorliegend Folgendes:

19

a) Das beklagte Land hat behauptet, der Kläger sei auch über den Ablauf der Kündigungsfrist am 30. Juni 2007 hinaus weiter arbeitsunfähig und damit leistungsunfähig gewesen. Die Koinzidenz zwischen dem Ablauf der Kündigungsfrist und dem behaupteten Ende der Arbeitsunfähigkeit nach einer mehrmonatigen Erkrankung, deren Beginn in engem zeitlichen Zusammenhang mit der vom Kläger als „Akt der Willkür“ empfundenen Umsetzung stand, reicht zur Begründung der Indizwirkung aus (vgl. allg. zur Indizwirkung von Krankheitszeiten BAG 5. November 2003 - 5 AZR 562/02 - zu I 2 a der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 106 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 2). Weitergehender Vortrag war dem beklagten Land nicht möglich, weil ihm keine Erkenntnisse zur Erkrankung des Klägers vorliegen. Es ist Sache des Klägers, die Indizwirkung im weiteren Berufungsverfahren zu erschüttern. Lässt er sich zu seiner Erkrankung und deren Ausheilung gerade zum Ablauf der Kündigungsfrist - ggf. unter Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht - nicht substantiiert ein, gilt die Behauptung des beklagten Landes, der Kläger sei während des Verzugszeitraums leistungsunfähig gewesen, als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO.

20

b) Ob der Kläger im Annahmeverzugszeitraum leistungswillig war, hängt davon ab, an welcher Schule er seine Tätigkeit - die Kündigung hinweggedacht - zu erbringen hatte. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Leistungswille des Klägers müsse sich auf eine Tätigkeit am OSZ St beziehen, wird durch die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht hinreichend getragen.

21

aa) Nach § 297 BGB muss der Arbeitnehmer außer Stande sein, „die Leistung zu bewirken“. Für den Annahmeverzug ist damit ein auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit gerichteter Leistungswille erforderlich (vgl. BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 115, 216). Ist die geschuldete Arbeitsleistung nur rahmenmäßig umschrieben (hier: „Lehrer“), obliegt es nach § 106 Satz 1 GewO dem Arbeitgeber, den Inhalt der zu leistenden Arbeit näher zu bestimmen(vgl. nur BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 14, BAGE 134, 296; ErfK/Preis 12. Aufl. § 106 GewO Rn. 2, 11; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 25a). Die durch die wirksame Ausübung des Direktionsrechts näher bestimmte Tätigkeit ist die iSv. § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung. Auf sie muss sich der Leistungswille des Arbeitnehmers richten.

22

bb) Ob das beklagte Land mit der Umsetzung des Klägers an das OSZ St zum 1. August 2006 ihr Direktionsrecht wirksam ausgeübt hat, kann der Senat aufgrund fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.

23

(1) Aus dem Rechtsstreit über die Umsetzung kann dafür nichts hergeleitet werden. Wegen der Klagerücknahme im dortigen Verfahren ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen und das zu Gunsten des Klägers ergangene erstinstanzliche Urteil wirkungslos, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Das Landesarbeitsgericht ist zwar nach eigener Prüfung von der Wirksamkeit der Umsetzung an das OSZ St ausgegangen, seine bisherigen Feststellungen tragen diese Annahme jedoch nicht und lassen den Sachvortrag des Klägers dazu außer Betracht. Der unterstützende Hinweis auf das Berufungsurteil im Kündigungsschutzprozess ist schon deshalb unbehelflich, weil die 23. Kammer des Berufungsgerichts lediglich erkannt hat, die Kündigung wäre auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Kläger „vom Vortrag des beklagten Landes ausgehend“ wirksam umgesetzt worden sei. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb im erneuten Berufungsverfahren der vom Kläger aufgeworfenen Frage nach der Unwirksamkeit der Umsetzung wegen fehlender bzw. fehlerhafter Beteiligung des Personalrats nachzugehen haben. Erweist sich danach die Umsetzung als unwirksam, musste sich der Leistungswille des Klägers (nur) auf die zuvor zugewiesene Tätigkeit am OSZ Sozialwesen richten. Für das Fehlen eines derartigen Leistungswillens hat das beklagte Land keine Indiztatsachen vorgetragen.

24

(2) Entgegen der Auffassung des Klägers ist es allerdings für die Frage des (fehlenden) Leistungswillens unerheblich, ob die Zuweisung der Tätigkeit am OSZ St billigem Ermessen entsprach. Die unbillige Leistungsbestimmung ist nicht nichtig, sondern nur unverbindlich, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB. Entsteht Streit über die Verbindlichkeit, entscheidet nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB das Gericht. Deshalb darf sich der Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Direktionsrechts - sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam ist - nicht hinwegsetzen, sondern muss entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit (vgl. dazu BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 106/09 - Rn. 18 mwN, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 120 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 17) ist der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Direktionsrechts erfolgte Konkretisierung ua. des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil (etwa aufgrund einer Klage auf Beschäftigung mit der früheren Tätigkeit) die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststeht (vgl. zur Gestaltungswirkung des Urteils nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB und der vorläufigen Bindung an die Leistungsbestimmung BAG 16. Dezember 1965 - 5 AZR 304/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 54; 28. Juli 2011 - 3 AZR 859/09 - Rn. 32, AP BetrAVG § 16 Nr. 74 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 60; BGH 4. April 2006 - X ZR 122/05 - Rn. 22, BGHZ 167, 139; MünchKommBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 Rn. 45, 47 ff.; Erman/Hager 13. Aufl. § 315 BGB Rn. 22; Palandt/Grüneberg 71. Aufl. § 315 BGB Rn. 16 f. - jeweils mwN; vgl. zur Verbindlichkeit einer Weisung und der möglichen Verpflichtung des Arbeitgebers, einzelne Weisungen wegen eines Gewissenskonflikts des Arbeitnehmers durch Neuausübung des Direktionsrechts zu verändern, BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 25, EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 28).

25

cc) Stellt das Landesarbeitsgericht im weiteren Berufungsverfahren die Bindung des Klägers an die Zuweisung der Tätigkeit am OSZ St fest, musste sich sein Leistungswille darauf richten. Ein solcher Wille des Klägers ist nach den bisherigen Feststellungen nicht erkennbar.

26

(1) Der Kläger hatte mit seinem Schreiben vom 25. August 2006 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er am OSZ St keinen Unterricht erteilen werde, und diese Absicht auch in die Tat umgesetzt. Er ist der Arbeit am OSZ St nach Ende seiner Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 17. bis zum 25. Oktober 2006 unentschuldigt ferngeblieben, bevor er sich erneut krankmeldete. Dieses Verhalten begründet ein ausreichendes Indiz für den fehlenden Leistungswillen.

27

(2) Die Erhebung der Kündigungsschutzklage und auch der allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag entkräften die Indizwirkung nicht. Der Leistungswille ist eine innere Tatsache. Der vor Ausspruch der Kündigung leistungsunwillige, die Arbeit verweigernde Arbeitnehmer muss deshalb einen wieder gefassten Leistungswillen nach außen gegenüber dem Arbeitgeber kundtun. Dazu reicht ein „Lippenbekenntnis“ nicht aus (vgl. BAG 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - zu II 2 b bb der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 108 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 6). Vielmehr ist es regelmäßig erforderlich, den neu gewonnenen Leistungswillen im Rahmen des Zumutbaren durch ein tatsächliches Arbeitsangebot zu dokumentieren.

28

(3) Die Indizwirkung ist auch nicht durch das Schreiben des beklagten Landes vom 9. August 2007 dadurch entfallen, dass sich der Leistungswille des Klägers wieder auf eine Tätigkeit am OSZ Sozialwesen hätte richten dürfen. Die vorläufige (Rück-)Umsetzung an das OSZ Sozialwesen war lediglich der zwischenzeitlich ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Umsetzung geschuldet, der das beklagte Land vorläufig nachkommen wollte. Eine Neuausübung des Direktionsrechts mit der Folge, dass die vom Kläger bei Hinwegdenken der Kündigung zu bewirkende Arbeitsleistung neu bestimmt worden wäre und er wieder am OSZ Sozialwesen unterrichten sollte, war damit nicht verbunden. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers findet seine Grundlage und Rechtfertigung im bestehenden Arbeitsvertrag, seine Ausübung setzt einen solchen voraus. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich, steht ihm mit Ablauf der Kündigungsfrist ein Weisungsrecht nicht mehr zu. Er kann lediglich dem Arbeitnehmer eine Prozessbeschäftigung anbieten, aus deren Rechtsgrundlage ein auf die Prozessbeschäftigung bezogenes Direktionsrecht erwächst. Dass das beklagte Land mit dem Schreiben vom 9. August 2007 dem Kläger eine Prozessbeschäftigung nicht angeboten hat, steht zwischen den Parteien außer Streit.

29

III. Sofern der Kläger Annahmeverzugsvergütung beanspruchen kann, stehen ihm auch für die Zeit bis zum 1. Juli 2009 Verzugszinsen entgegen dem bisherigen Antrag jeweils nur abzüglich der monatlich erhaltenen Sozialleistungen zu (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10).

30

IV. Die Entscheidung über die Widerklage ist abhängig vom Erfolg der Klage.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Reinders    

        

    Ilgenfritz-Donné    

                 

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 12.03.2014 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 2 Ca 1789/13 – teilweise abgeändert:

  • 1. Es wird weiter festgestellt, dass die mit Schreiben vom 06.11.2013 erfolgte Versetzung des Klägers in die Kiesaufbereitungsanlage L in B unwirksam ist.

  • 2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 19.12.2013, noch durch die Kündigung vom 20.12.2013, noch durch die Kündigung vom 06.01.2014 beendet worden ist.

  • 3. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 25 % und der Beklagten zu 75 % auferlegt.

  • 4. Die Revision wird nicht zugelassen.


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Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 79 Abs. 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn

1.
die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde,
2.
die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde,
3.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch die Nichtberücksichtigung eines gleich geeigneten befristet Beschäftigten,
4.
der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist,
5.
eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder
6.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.

(3) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.

(4) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 5. Juli 2012 - 15 Sa 759/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Textilindustrie. Sie hat in J/Tschechische Republik eine unselbständige Betriebsstätte, in der sie Verbandstoffe herstellt. Die Endfertigung der Stoffe einschließlich Verpackung und Versand erfolgte an ihrem Sitz in W/Nordrhein-Westfalen. Die 1965 geborene Klägerin war seit Januar 1984 bei der Beklagten am Standort W als Textilarbeiterin beschäftigt. Zuletzt war sie als Vorarbeiterin gegen ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.474,57 Euro tätig.

3

Im Juni 2011 beschloss die Beklagte, die Produktion in W zum 31. Januar 2012 vollständig einzustellen und funktionstüchtige Maschinen nach J zu verbringen. Die Abteilungen Großversand, Warenannahme, Lager und Qualitätssicherung sollten zum 30. Juni 2012 geschlossen werden. Der kaufmännische Bereich - bestehend aus Finanzbuchhaltung, Lohnabrechnung, Ein- und Verkauf - sollte in W verbleiben.

4

Am 27. Juni 2011 zeigte die Beklagte der zuständigen Agentur für Arbeit die beabsichtigte Entlassung von 15 Arbeitnehmern an. Mit Schreiben vom 28. Juni 2011, das der Klägerin am selben Tag zuging, kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31. Januar 2012. Daneben kündigte sie - bis auf zwei Ausnahmen - die Arbeitsverhältnisse der übrigen in W eingesetzten gewerblichen Arbeitnehmer. Die beiden nicht gekündigten Produktionsmitarbeiter beschäftigte sie bis zum 30. Juni 2012 weiter.

5

Die Klägerin hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat geltend gemacht, die Kündigung sei nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und deshalb sozial ungerechtfertigt. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten hätten durchaus - jedenfalls in J - bestanden. Die soziale Auswahl sei fehlerhaft. Spätestens nach einer Einarbeitungszeit von sechs Wochen sei sie in der Lage gewesen, die im gewerblichen Bereich noch anfallenden Arbeiten zu erledigen. Zudem fehle es an einer wirksamen Massenentlassungsanzeige.

6

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28. Juni 2011 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, sie zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsvertrags als Vorarbeiterin bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens weiterzubeschäftigen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wirksam. Sie sei durch die Entscheidung zur Stilllegung der Produktion am Standort W bedingt. Die organisatorische Maßnahme habe sich im Kündigungszeitpunkt bereits greifbar abgezeichnet und sei termingerecht umgesetzt worden. Damit seien die bisherigen Beschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin weggefallen. Eine Verpflichtung, diese in der Betriebsstätte J weiterzubeschäftigen, habe nicht bestanden. Abgesehen von der Unzumutbarkeit eines entsprechenden Änderungsangebots ergebe sich aus dem Kündigungsschutzgesetz keine Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer auf einem anderen - freien - Arbeitsplatz in einem ausländischen Betrieb oder Betriebsteil weiterzubeschäftigen. Die soziale Auswahl sei nicht zu beanstanden. Die Massenentlassungsanzeige sei ordnungsgemäß erfolgt.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren unverändert weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung vom 28. Juni 2011 mit Ablauf des 31. Januar 2012 aufgelöst worden.

10

I. Die Kündigung ist nicht nach § 17 Abs. 2, Abs. 3 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam. Das Landesarbeitsgericht hat - unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts - angenommen, die Beklagte habe vor Zugang der Kündigung eine wirksame Massenentlassungsanzeige erstattet. Diese Würdigung, die von der Revision nicht angegriffen wird, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Ihrem unstreitigen Vorbringen zufolge hat die Beklagte am 27. Juni 2011 gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit unter Verwendung des dafür vorgesehenen Formblatts schriftlich die Entlassung von 15 Arbeitnehmern angezeigt. Die Anzeige enthält die nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG erforderlichen Pflichtangaben. Der Beifügung einer Stellungnahme iSv. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG bedurfte es nicht. Ein Betriebsrat war bei der Beklagten nicht gebildet.

11

II. Die Kündigung ist nicht gemäß § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam. Sie ist iSv. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG sozial gerechtfertigt.

12

1. Die Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt.

13

a) Dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung bedingen, können sich daraus ergeben, dass der Arbeitgeber sich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer im Betrieb dauerhaft entfallen lässt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 33; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21). Ohne Einschränkung nachzuprüfen ist hingegen, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - aaO).

14

b) Wird die Kündigung auf eine zu erwartende künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, braucht diese bei Kündigungsausspruch noch nicht tatsächlich eingetreten zu sein. Es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet (vgl. BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 19; 9. September 2010 - 2 AZR 493/09 - Rn. 22). Das ist der Fall, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die auf objektive Tatsachen gestützte, vernünftige betriebswirtschaftliche Prognose gerechtfertigt ist, mit Ablauf der Kündigungsfrist werde mit einiger Sicherheit ein die Entlassung erforderlich machender betrieblicher Grund vorliegen (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - aaO; 23. Februar 2010 - 2 AZR 268/08 - Rn. 18, BAGE 133, 240). Allerdings muss eine der entsprechenden Prognose zugrunde liegende eigene unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers bereits im Kündigungszeitpunkt endgültig getroffen worden sein. Andernfalls kann eine zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeiten führende Entscheidung nicht sicher prognostiziert werden (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - aaO).

15

c) Daran gemessen lagen im Kündigungszeitpunkt Gründe iSd. § 1 Abs. 2 KSchG vor.

16

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe im Juni 2011 den Entschluss gefasst, ihre Produktionstätigkeit am Standort W Ende Januar 2012 auf Dauer einzustellen und die „Endfertigung“ ihrer Verbandstoffe künftig in ihrer tschechischen Betriebsstätte durchführen zu lassen. Ihre Entscheidung habe sie den Planungen entsprechend auch umgesetzt. Diese Feststellungen greift die Revision nicht an.

17

bb) Im Kündigungszeitpunkt war danach die Prognose gerechtfertigt, im Umfang entsprechender personeller Überkapazitäten werde das Beschäftigungsbedürfnis für Mitarbeiter im Produktionsbereich am Standort W mit Ablauf der jeweiligen Kündigungsfrist entfallen (zur Produktionsverlagerung ins Ausland: vgl. BAG 18. September 19972 AZR 657/96 - Rn. 12 ff.; zur Schließung von Dienststellen/Standorten bei gleichzeitiger Konzentration von Aufgaben an einem anderen Standort: siehe BAG 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - Rn. 17; 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 31). Zum wesentlichen Inhalt der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit gehört die Freiheit zur Gestaltung der betrieblichen Organisation. Sie umfasst auch die Festlegung, an welchem Standort welche arbeitstechnischen Ziele verfolgt werden. Es ist nicht Sache der Arbeitsgerichte, dem Arbeitgeber insoweit eine „bessere“ oder „richtigere“ Betriebs- oder Unternehmensstruktur vorzuschreiben (vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 21; 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31).

18

cc) Für eine getroffene und - wie im Streitfall - durchgeführte Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht. Es oblag deshalb der Klägerin, die Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die Entscheidung der Beklagten offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 26 mwN). Dies ist ihr nicht gelungen. Die Klägerin hat gemeint, die Beklagte habe vor der Produktionsverlagerung mit den in W beschäftigten Arbeitnehmern über eine Absenkung der Vergütung verhandeln müssen. Das ist kein beachtlicher Einwand. Das Unterlassen entsprechender Bemühungen führt nicht dazu, dass die Entscheidung der Beklagten rechtsmissbräuchlich wäre, zumal es ihr nicht nur um eine Einsparung von Lohnkosten ging, sondern auch um eine Reduzierung von Transportkosten.

19

dd) Der Umstand, dass die Beklagte ihre unternehmerische Tätigkeit im Bereich der „Endfertigung“ nicht vollständig aufgegeben hat, steht der sozialen Rechtfertigung der Kündigung nicht entgegen.

20

(1) Die Verlagerung der mit der „Endfertigung“ zusammenhängenden Tätigkeiten nach J ändert - unbeschadet der Frage, wie der Begriff des „Betriebes“ in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu verstehen ist - nichts daran, dass der bisherige Arbeitsplatz der Klägerin als solcher ersatzlos weggefallen ist. Für diese Bewertung spricht die erhebliche räumliche Entfernung zwischen den fraglichen Standorten, die - ausgehend von der in den Vorinstanzen mitgeteilten Anschrift der tschechischen Betriebsstätte der Beklagten - mehr als 800 Kilometer beträgt. Hinzu kommt, dass nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten die alte Betriebsgemeinschaft im betreffenden Arbeitsbereich tatsächlich aufgelöst worden ist (zur Betriebsverlagerung als Betriebsstilllegung: vgl. BAG 12. Februar 1987 - 2 AZR 247/86 - zu II 1 a der Gründe). Die Einstellung der Produktion in Deutschland bewirkte überdies, dass der Beklagten nach dem 31. Januar 2012 eine Weiterbeschäftigung der Klägerin auf der bisherigen Vertragsgrundlage nicht mehr möglich war. Zwar haben die Parteien im Arbeitsvertrag einen bestimmten Arbeitsort nicht ausdrücklich vereinbart. Daraus folgt aber nicht, dass die Beklagte der Klägerin einseitig eine Tätigkeit in ihrer tschechischen Betriebsstätte hätte zuweisen können. Ist der Arbeitsort nicht näher bestimmt, kann der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer auf der Grundlage seines Direktionsrechts (§ 106 GewO)allenfalls innerhalb der Grenzen des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland versetzen (zum Meinungsstand: vgl. ErfK/Preis 13. Aufl. § 106 GewO Rn. 16). Soweit die Klägerin nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet sein sollte, „auch eine andere Tätigkeit in der Firma auszuüben“, kann daraus - unabhängig davon, ob es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen oder um atypische Erklärungen handelt - nicht abgeleitet werden, die Beklagte habe sich eine länderübergreifende Versetzung der Klägerin vorbehalten wollen. Für ein solches Verständnis fehlt es an Anhaltspunkten, zumal im Arbeitsvertrag als „Firma“ die Beklagte unter ihrer Anschrift in W bezeichnet ist. Die Parteien verstehen ihre Vereinbarungen selbst nicht anders.

21

(2) Die Kündigung ist nicht unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs der Änderungskündigung unwirksam. Insoweit kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass zumindest ein Teil der im Bereich der „Endfertigung“ erledigten Tätigkeiten in der tschechischen Betriebsstätte der Beklagten weiterhin anfällt und dort ein entsprechender zusätzlicher Arbeitskräftebedarf entstanden ist. Bei den fraglichen Stellen handelt es sich nicht um „freie“ Arbeitsplätze iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b, Satz 3 KSchG.

22

(a) Eine Kündigung ist nur dann iSd. § 1 Abs. 2 KSchG durch „dringende“ betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, dem bei Ausspruch der Kündigung absehbaren Wegfall des Beschäftigungsbedarfs durch andere Maßnahmen - sei es technischer, organisatorischer oder wirtschaftlicher Art - als durch eine Beendigungskündigung zu entsprechen. Das Merkmal der „Dringlichkeit” der betrieblichen Erfordernisse ist Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (ultima-ratio-Prinzip), aus dem sich ergibt, dass der Arbeitgeber vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer eine sowohl diesem als auch ihm selbst objektiv mögliche anderweitige Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz, ggf. zu geänderten Bedingungen, anbieten muss (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 29; 23. November 2004 - 2 AZR 38/04 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 112, 361). Diese in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b, Satz 3 KSchG konkretisierte Kündigungsschranke gilt unabhängig davon, ob in dem Betrieb ein Betriebsrat besteht und ob dieser der Kündigung widersprochen hat (BAG 2. Februar 2006 - 2 AZR 38/05 - Rn. 20 mwN).

23

(b) Erfüllt der Arbeitnehmer das Anforderungsprofil der fraglichen Stelle, bedarf es grundsätzlich keiner weiter gehenden Prüfung, ob dem Arbeitnehmer die Tätigkeit zumutbar ist. Das gilt auch dann, wenn deren Zuweisung eine Vertragsänderung erforderlich macht. Eine ggf. erforderliche Änderungskündigung darf nur in „Extremfällen“ unterbleiben, zB bei einer völlig unterwertigen Beschäftigung. Der Arbeitnehmer soll grundsätzlich selbst entscheiden können, ob er eine Weiterbeschäftigung unter veränderten, möglicherweise sogar erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen für zumutbar erachtet oder nicht (BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 656/08 - Rn. 57, BAGE 133, 226; 5. Juni 2008 - 2 AZR 107/07 - Rn. 15).

24

(c) Für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Dabei gilt eine abgestufte Darlegungslast. Bestreitet der Arbeitnehmer lediglich den Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes, genügt der Vortrag des Arbeitgebers, wegen der betrieblichen Notwendigkeiten sei eine Weiterbeschäftigung zu den gleichen Bedingungen nicht möglich. Will der Arbeitnehmer vorbringen, es sei eine Beschäftigung an anderer Stelle möglich, obliegt es ihm darzulegen, wie er sich diese Beschäftigung vorstellt. Erst daraufhin muss der Arbeitgeber eingehend erläutern, aus welchen Gründen eine Umsetzung nicht in Betracht kam (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 30; 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 21).

25

(d) Danach hat sich die Klägerin nicht auf eine geeignete anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit berufen, soweit sie die Auffassung vertreten hat, die Arbeitsplätze in W hätten bei Entwicklung eines Sanierungskonzepts erhalten werden können. Der Arbeitgeber ist in den Grenzen der Willkür frei in seiner Entscheidung, an welchem Standort er seine unternehmerische Tätigkeit entfaltet. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten können deshalb nur im Rahmen der von ihm vorgegebenen Arbeitsorganisation Berücksichtigung finden (vgl. BAG 27. September 2001 - 2 AZR 246/00 - zu I 1 c cc der Gründe).

26

(e) Die Beklagte musste der Klägerin zur Vermeidung einer Beendigungskündigung nicht eine Weiterbeschäftigung in J anbieten.

27

Der Berücksichtigung der fraglichen Stellen steht zwar nicht deren Anforderungsprofil entgegen, wie die Beklagte gemeint hat. Diese hat sich hierfür lediglich auf sprachliche Barrieren berufen. Ihr pauschaler Vortrag lässt nicht erkennen, welche Anforderungen der Arbeitsplatz an die Sprachkenntnisse der Klägerin objektiv stellt und weshalb mögliche Hindernisse nicht innerhalb einer zumutbaren Einarbeitungszeit hätten überwunden werden können.

28

Die Beklagte brauchte der Klägerin ein entsprechendes Änderungsangebot aber deshalb nicht zu unterbreiten, weil sich die Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b, Satz 3 KSchG, den Arbeitnehmer an einem anderen - freien - Arbeitsplatz im selben oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens zu beschäftigen, grundsätzlich nicht auf Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb oder Betriebsteil des Unternehmens erstreckt. Ob dies auch dann gilt, wenn der Arbeitgeber ganze Betriebe oder doch Betriebsteile ins Ausland verlagert, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Es fehlt an Anhaltspunkten dafür, dass es sich bei dem Bereich „Endfertigung“ um einen organisatorisch abgegrenzten Betriebsteil handelte.

29

(aa) Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit der hier aufgeworfenen Rechtsfrage noch nicht näher befasst. Sie war entweder deshalb, weil sich der Arbeitnehmer nicht auf eine Weiterbeschäftigung im Ausland berufen hatte (vgl. BAG 18. September 1997 - 2 AZR 657/96 -), oder aus anderen Gründen (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 89) nicht entscheidungserheblich.

30

(bb) Das Landesarbeitsgericht geht davon aus, etwaige Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Ausland seien im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG nicht zu berücksichtigen. Als „Betrieb“ iSv. § 1 KSchG seien nur die in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen organisatorischen Einheiten bzw. Teile eines Unternehmens anzusehen (im Ergebnis ebenso LAG Berlin-Brandenburg 5. Mai 2011 - 5 Sa 219/11 - und - 5 Sa 220/11 -; LAG Hamburg 11. Mai 2011 - 5 Sa 1/11 -; Bader/Bram/Bram § 1 KSchG Rn. 305; Hoffmann-Remy/Zaumseil DB 2012, 1624; Horcher FA 2010, 43, 44; aA LAG Hamburg 22. März 2011 - 1 Sa 2/11 -; SES/Schwarze § 1 Rn. 315; Gravenhorst jurisPR-ArbR 41/2012 Anm. 4; Deinert JbArbR Bd. 50 S. 77, 96; mit Einschränkungen auch HWK/Quecke 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 277; Wisskirchen DB 2007, 340, 345 f.).

31

(cc) Dies ist jedenfalls für die hier vorliegende Konstellation zutreffend.

32

(aaa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts findet der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes - sofern eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes kein anderes Ergebnis gebietet - nur auf in Deutschland gelegene Betriebe Anwendung (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 883/07 - Rn. 13; 17. Januar 2008 - 2 AZR 902/06 - Rn. 18, BAGE 125, 274). Das ergibt die am Wortlaut, an der Systematik und der Entstehungsgeschichte sowie an Sinn und Zweck des § 23 KSchG orientierte Auslegung(im Einzelnen BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 902/06 - Rn. 23 ff., aaO). Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Verständnis des kündigungsschutzrechtlichen Betriebsbegriffs von Verfassungs wegen nicht beanstandet (vgl. BVerfG 12. März 2009 - 1 BvR 1250/08 -).

33

(bbb) Die sich daraus ergebenden Beschränkungen des durch das Kündigungsschutzgesetz gewährleisteten Bestandsschutzes sind auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 KSchG zu berücksichtigen. Die Regelung knüpft, soweit sie die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf das Unternehmen ausdehnt, an die Beschäftigung in „Betrieben“ an. Der „Unternehmensbezug“ der Weiterbeschäftigungspflicht besteht nur mittelbar, dh. vermittelt über den Betriebsbegriff. Der Begriff des „Betriebes“ in § 1 KSchG ist grundsätzlich nicht anders zu verstehen als in § 23 KSchG(st. Rspr., vgl. BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 902/06 - Rn. 16, BAGE 125, 274; 3. Juni 2004 - 2 AZR 386/03 - Rn. 28).

34

(ccc) Für die Beschränkung der Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers auf organisatorische Einheiten, die in Deutschland gelegen sind, spricht insbesondere der - bereits für die Auslegung des Betriebsbegriffs in § 23 Abs. 1 KSchG maßgebende - Gesichtspunkt, dass die Frage nach der Sozialwidrigkeit der Kündigung nahezu immer eine Einbeziehung der betrieblichen Gegebenheiten erfordert. Das betrifft - neben der gesetzlich vorgeschriebenen Sozialauswahl - in besonderem Maße die in Rede stehende Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer ggf. eine anderweitige Beschäftigung im selben oder in einem anderen Betrieb seines Unternehmens anzubieten. Schon die Beurteilung, ob freie Beschäftigungskapazitäten in einem ausländischen Betrieb zur Verfügung stehen, kann in der Regel nicht losgelöst von den Rechtsverhältnissen der dort tätigen Arbeitnehmer beurteilt werden. Auch kann es sein, dass mehrere zur Entlassung anstehende Arbeitnehmer betriebsübergreifend um eine geringere Zahl freier Arbeitsplätze konkurrieren. Bei der Prüfung, welcher Arbeitnehmer in einer solchen Situation bei der Stellenbesetzung Vorrang genießt, ist vorausgesetzt, dass gegenüber allen betroffenen Beschäftigten und dem Arbeitgeber dasselbe - deutsche - Arbeitsrecht und Kündigungsschutzrecht angewendet und durchgesetzt werden kann. Diese Voraussetzung sicherzustellen ist das Anliegen der Anknüpfung an den Begriff des „Betriebes“ in § 23 Abs. 1 KSchG(vgl. BAG 26. März 2009 - 2 AZR 883/07 - Rn. 16). Im Rahmen von § 1 KSchG gilt nichts anderes. Die Norm legt fest, unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist. Anders als in einem kohärenten System kann der vom Gesetzgeber mit den Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes angestrebte Ausgleich gegenläufiger Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers, ggf. aber auch der Arbeitnehmer untereinander, nicht gelingen.

35

Überdies könnte sonst die Freiheit des Arbeitgebers bei der Auswahl ggf. neu einzustellender Arbeitnehmer eingeschränkt sein, ohne dass dies dem im ausländischen Betrieb geltenden Recht entsprechen müsste. Auch könnte die Verpflichtung des Arbeitgebers, freie Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb in die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b, Satz 3 KSchG einzubeziehen, zulasten der Beschäftigungschancen Dritter gehen, obwohl diese uU nicht die Möglichkeit hatten, einen deutschen Arbeitnehmern vergleichbaren Bestandsschutz zu erwerben (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 5. Mai 2011 - 5 Sa 219/11 - zu I 2.1.2 der Gründe). Dafür, dass der deutsche Gesetzgeber solch weitreichende Auswirkungen des Kündigungsschutzes beabsichtigt hat, fehlt es an Anhaltspunkten.

36

(ddd) Die Beschränkung der Verpflichtungen aus § 1 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 KSchG auf in Deutschland gelegene „Betriebe“ führt nicht zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung der jeweiligen Belegschaft. Es stellt einen maßgebenden Unterschied dar, ob ein Betrieb im Inland oder Ausland angesiedelt ist. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Feststellung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung an die Voraussetzung zu knüpfen, dass die fragliche betriebliche Organisation in der Bundesrepublik Deutschland liegt, ist nicht willkürlich (vgl. BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 902/06 - Rn. 32, BAGE 125, 274).

37

(eee) Im Streitfall kann dahinstehen, ob „freie“ Arbeitsplätze im Ausland dann zu berücksichtigen sind, wenn die Arbeitsverhältnisse der im ausländischen Betrieb tätigen Arbeitnehmer - etwa aufgrund einer Rechtswahl - deutschem (Kündigungs-)Recht unterliegen (die Berücksichtigung solcher Vertragsverhältnisse jedenfalls bei der Feststellung der Betriebsgröße iSd. § 23 Abs. 1 KSchG erwägend: BAG 26. März 2009 - 2 AZR 883/07 - Rn. 20). Ebenso kann offen bleiben, ob sich ein Arbeitnehmer dann auf eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Ausland berufen kann, wenn im Arbeitsvertrag eine Versetzungsklausel vereinbart ist, die dem Arbeitgeber die Zuweisung einer entsprechenden Tätigkeit ermöglicht (befürwortend Horcher FA 2010, 43, 47). So liegt der Streitfall nicht. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält keine entsprechende Abrede. Dem Vorbringen der Parteien sind auch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass auf die Arbeitsverhältnisse der in J tätigen Arbeitnehmer deutsches Recht zur Anwendung gelangte. Darauf, ob das individuelle Arbeitsverhältnis der Parteien im Falle seiner Fortführung im Ausland weiterhin deutschem Recht unterläge oder ob ein Statutenwechsel einträte, kommt es nicht an (zur Problematik vgl. BAG 25. April 2013 - 6 AZR 49/12 - Rn. 166; Deinert JbArbR Bd. 50 S. 77, 83; Junker NZA-Beil. 2012, 8, 9, 14; Pauls Betriebsverlagerung ins Ausland und Wegzugsfreiheit des Unternehmers S. 27 ff.). Ein möglicher Wechsel des Vertragsstatuts könnte zwar im Rahmen der Prüfung, ob ein Änderungsangebot ausnahmsweise entbehrlich ist, Bedeutung gewinnen. Er ist aber für sich genommen kein geeigneter Maßstab für die Beurteilung, ob das Kündigungsschutzgesetz dem Arbeitgeber ggf. die Verpflichtung auferlegt, dem Arbeitnehmer im Wege der Änderungskündigung ein Angebot zur Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz in einem im Ausland gelegenen Betrieb zu unterbreiten (vgl. Hoffmann-Remy/Zaumseil DB 2012, 1624, 1625).

38

(fff) Das Ergebnis widerspricht nicht der Rechtsprechung des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts, nach der von einem - den Tatbestand der Betriebs(teil)stilllegung ausschließenden - Betriebs(teil)übergang iSv. § 613a BGB auch bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt auszugehen sein kann(BAG 26. Mai 2011 - 8 AZR 37/10 - Rn. 36, 45). Im entschiedenen Fall ging es um die - identitätswahrende - Verlagerung eines organisatorisch abgegrenzten Betriebsteils ins (grenznahe und überdies deutschsprachige) Ausland bei gleichzeitigem Wechsel des Betriebsinhabers. Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt hier nicht vor. Weder den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch dem beiderseitigen Parteivorbringen ist zu entnehmen, dass es sich bei dem Aufgabenbereich der „Endfertigung“ um einen organisatorisch abgegrenzten Betriebsteil gehandelt hätte, der identitätswahrend als Ganzer nach J verlagert worden wäre.

39

(ggg) Die verfassungskonforme Auslegung des Betriebsbegriffs mag - je nach den Umständen des Falls - ein anderes Ergebnis gebieten, wenn ein Arbeitgeber unweit einer Ländergrenze im In- und Ausland mehrere einheitlich gelenkte Betriebsstätten unterhält und Aufgaben im „kleinem Grenzverkehr“ von der einen in die andere Einheit verlagert (dazu Boigs jurisPR-ArbR 8/2012 Anm. 1). Auch so liegt der Streitfall nicht.

40

2. Die Kündigung ist nicht gemäß § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt. Das Landesarbeitsgericht hat - unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts - angenommen, die Klägerin sei mit Arbeitnehmern, die über den 31. Januar 2012 hinaus in W weiterbeschäftigt worden seien, nicht vergleichbar. Die Würdigung, die von der Revision nicht angegriffen wird, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Auf eine Sozialauswahl mit Arbeitnehmern, die in der Betriebsstätte J beschäftigt sind, hat sich die Klägerin in den Vorinstanzen nicht berufen. Im Übrigen wären in die Sozialauswahl wegen ihrer Betriebsbezogenheit jedenfalls solche Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, die im Kündigungszeitpunkt im Ausland beschäftigt waren und deren Arbeitsverhältnis nicht deutschem Recht unterlag.

41

III. Der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen.

42

IV. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Wolf    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.