Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 08. Okt. 2018 - 3 L 358/17

bei uns veröffentlicht am08.10.2018

Gründe

I.

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Die Klägerin begehrt die Feststellung der Berechtigung, ein von ihr produziertes Nahrungsergänzungsmittel vertreiben zu dürfen.

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Die Klägerin produziert und vertreibt das Produkt „Gelenk-Tabletten Plus“, ein Nahrungsergänzungsmittel zur Ergänzung der Ernährung mit Vitaminen, Mineralstoffen, Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat. Es wird in Tablettenform abgegeben und der Verzehr einer Tablette täglich empfohlen. Die Tabletten sind in einer mit einem Etikett versehenen und wie nachfolgend abgebildeten Dose abgepackt:

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Auf der Schauseite des abziehbaren Etiketts wird unmittelbar neben dem Produktnamen mit der Angabe „mit Zink und Mangan zum Erhalt normaler Knochen“ beworben. Direkt unter Produktnamen befindet sich die Angabe „Kupfer für das Bindegewebe“ sowie „Vitamine, Glucosamin & Chondroitin“.

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Am 17. September 2015 entnahm der Fachdienst Veterinärwesen und Verbraucherschutz des Landkreises Wittenberg eine Planprobe des Nahrungsergänzungsmittels „Gelenk-Tabletten Plus“ bei einer Apotheke in der D-Stadt. Die daraufhin durch das Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt durchgeführte Untersuchung gelangte in einem Gutachten vom 23. Februar 2016 zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Handelsnamen „Gelenk-Tabletten Plus“ um eine nicht zugelassene gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 handele. Die für Zink, Mangan und Kupfer zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben (Health Claims), die einen Beitrag zum Erhalt normaler Knochen bzw. normalen Bindegewebes beinhalteten, seien zur Untersetzung der unspezifischen Angabe „Gelenk“ nicht geeignet. Es müsse zwischen der Wirkung eines Nährstoffes auf Knochen und der auf Gelenke deutlich unterschieden werden. Dies ergebe sich bereits aus den verschiedenartigen Funktionen beider Körperbaubestandteile. Außerdem sei bereits ein Antrag auf Zulassung einer gesundheitsbezogenen Angabe speziell zum Beitrag von Zink zum Erhalt normaler Gelenke abgelehnt worden. Für Mangan sei bislang keine Zulassung einer gesundheitsbezogenen Angabe zur Wirkung auf die Gelenke beantragt worden. Eine spezielle Wirkung von Kupfer auf die Gelenke sei nicht bekannt.

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Mit Schreiben vom 12. April 2016 informierte der Beklagte die Klägerin über die durchgeführte Untersuchung und teilte mit, dass die Bezeichnung des Produktes „Gelenk-Tabletten Plus“ als nicht zugelassene gesundheitsbezogene Angabe beurteilt und die Probe vom Landesamt für Verbraucherschutz beanstandet worden sei. Weiterhin wurde die Klägerin darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Beanstandung sowie das Gutachten an die Staatsanwaltschaft Magdeburg weitergeleitet worden seien. Die Staatsanwaltschaft stellte das gegen die Geschäftsführerin der Klägerin eingeleitete Ermittlungsverfahren wenig später gemäß § 170 Abs. 2 StPO wegen fehlender Nachweisbarkeit vorsätzlichen Handelns ein. Das Verfahren wurde wegen in Betracht kommender Ordnungswidrigkeiten an die zuständige Bußgeldstelle abgegeben.

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Die Klägerin hat am 4. Mai 2016 Feststellungsklage erhoben. Das erforderliche Feststellungsinteresse folge neben drohenden Straf- und Bußgeldverfahren daraus, dass sie im Falle einer Änderung des Produktnamens einen unzumutbaren Wettbewerbsnachteil gegenüber den Unternehmen erleide, die vergleichbare Produkte vertreiben würden. Sie befürchte Umsatzeinbußen in Höhe von bis zu 200.000,00 € und den Verlust von Arbeitsplätzen.

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Die Feststellungsklage sei auch begründet. Der Produktname „Gelenk-Tabletten Plus“ sei als Handelsmarke, Markenname oder Phantasiebezeichnung des Produktes bereits gemäß Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zulässig, weil er in der Kennzeichnung, Aufmachung bzw. Werbung für ein Lebensmittel verwendet würde und als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe aufgefasst werden könne. Mit den Angaben „Zink und Mangan zum Erhalt normaler Knochen“ sowie „Kupfer für das Bindegewebe“ seien zudem nährwert- bzw. gesundheitsbezogene Angaben beigefügt, die der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 entsprächen.

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Dabei sei die Produktbezeichnung für sich besehen keine gesundheitsbezogene Angabe. Denn es fehle hinsichtlich des Begriffes „Gelenk“ jeder Hinweis auf einen Nährstoff oder eine andere Substanz und dessen Bedeutung für Wachstum, Entwicklung oder Körperfunktionen im Sinne des Art. 13 Abs. 1 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Es könne sich allenfalls um eine nichtspezifische gesundheitsbezogene Angabe nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 handeln, da ein nicht näher spezifizierter gesundheitlicher Vorteil für die Gelenke suggeriert werde, der erst durch die beigefügten gesundheitsbezogenen Angaben präzisiert werde.

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Die Verwendung derartiger Angaben setze voraus, dass ihnen eine zugelassene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt sei. Dies sei der Fall. Dem Produktnamen seien die zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben „Mit Zink und Mangan zum Erhalt normaler Knochen“ und „Kupfer für das Bindegewebe“ beigefügt. Der Gesetzgeber fordere dabei nicht, dass zwischen der zugelassenen und der unspezifischen Angabe ein inhaltlicher Bezug bestehen müsse. Doch selbst wenn unterstellt würde, dass ein solcher Bezug gegeben sein müsse, erfülle ihr Produkt diese Vorgabe.

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Die Beifügung der gesundheitsbezogenen Angabe „Mit Zink und Mangan zum Erhalt normaler Knochen“ sei auch nicht irreführend im Sinne des Art. 3 Abs. 2 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Denn auch für den durchschnittlich informierten, verständigen Durchschnittsverbraucher werde unmissverständlich deutlich gemacht, dass das Nahrungsergänzungsmittel zum Erhalt der Knochen des Menschen beitragen könne. Nur in diesem Zusammenhang sei die unspezifische Angabe „Gelenk“ zu verstehen.

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Auf die Unterscheidung zwischen den Wirkungen auf die Gelenke und auf die Knochen komme es im Übrigen nicht an. Denn mit dem Etikett des Produktes werde gerade keine unmittelbare Wirkung auf die Gelenke suggeriert, sondern ausdrücklich nur eine Wirkung auf die Knochen. Darüber hinaus könne nicht ernsthaft behauptet werden, dass kein Zusammenhang zwischen Knochen und Gelenken bestehe. Ein Funktionieren des Gelenks im Körper eines Menschen sei ohne Knochen nicht denkbar. Vielmehr könne ein Gelenk nur dann funktionieren, wenn Gelenkknochen vorhanden und beweglich seien. Dies sei auch dem Verbraucher bekannt und entsprechend werde er den Produktnamen dahingehend interpretieren, dass der Erhalt der Knochen für das Funktionieren eines Gelenkes unabdingbar sei.

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Auch die Angabe „Kupfer für das Bindegewebe“ sei aus Sicht des durchschnittlich informierten, verständigen Durchschnittsverbrauchers nicht irreführend. Denn das Bindegewebe sei eine Strukturkomponente verschiedenster Gewebe im Körper. Insbesondere bestehe die Gelenkkapsel aus Bindegewebe, die das Gelenk umgebe und somit Teil eines Gelenks sei. Auch der Gelenkknorpel, der die Gelenkflächen überziehe, bestehe aus Bindegewebe und verbinde unter anderem die Gelenkknochen. Kupfer trage zum Erhalt von Bindegewebe bei, und zwar auch in Gelenkknochen, Gelenkknorpel und der Gelenkkapsel. Dieses Gewebe sei für ein Gelenk unabdingbar. Es bestehe somit ein Zusammenhang bzw. ein Bezug zwischen dem Bindegewebe und den Gelenken.

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Die Klägerin hat beantragt,

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festzustellen, dass der Produktname „Gelenk-Tabletten Plus“ für das entsprechend vertriebene Nahrungsergänzungsmittel der Klägerin rechtlich zulässig ist.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat im Wesentlichen auf das Gutachten des Landesamtes für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt sowie eine unter dem 22. September 2016 erschienene Stellungnahme des Arbeitskreises Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (ALS) zu Gelenkpräparaten als Nahrungsergänzungsmittel mit zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben in Bezug zu Bindegewebe, Knorpel oder Knochen verwiesen.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage unter Zulassung der Berufung als unbegründet abgewiesen.

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Die Klage sei zulässig. Zwar sei vorbeugender Rechtsschutz gegen erwartete oder befürchtete Anordnungen der Verwaltung grundsätzlich unzulässig. Anderes gelte allerdings dann, wenn der Betroffene nicht in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen die befürchtete Beeinträchtigung verwiesen werden könne. Dies sei vorliegend der Fall. Der Beklagte habe ausgeführt, dass der Erlass einer Untersagungsverfügung - der die Möglichkeit einer Anfechtungsklage eröffnen würde - nicht beabsichtigt sei. Damit käme für die Klägerin nur die Beschreitung des ordentlichen Rechtsweges gegen einen (drohenden) Bußgeldbescheid in Betracht. Dies sei der Klägerin indes nicht zuzumuten. Der Betroffene habe vielmehr ein schutzwürdiges Interesse daran, den Verwaltungsrechtsweg als „fachspezifischere“ Rechtsschutzform einzuschlagen, insbesondere wenn ihm - wie hier - ein Ordnungswidrigkeitenverfahren drohe. Aus den gleichen Gründen sei auch das erforderliche Feststellungsinteresse gegeben.

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Die Klage sei aber unbegründet. Bei der beanstandeten Produktbezeichnung „Gelenk-Tabletten Plus“ i. V. m. der bildlichen Darstellung eines menschlichen, sich in Bewegung befindlichen Oberkörpers, dessen Skelett zu erkennen sei, handele es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Ein Durchschnittsverbraucher werde den Produktnamen in Verbindung mit der bildlichen Darstellung dahingehend verstehen, dass das von der Klägerin angebotene Nahrungsergänzungsmittel Bestandteile enthalte, die sich mittel- oder unmittelbar positiv auf die Gelenke (konkret: den Zustand der Gelenke mit Blick auf deren Beweglichkeit) auswirkten.

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Die Verwendung dieser gesundheitsbezogenen Angabe sei unzulässig, weil sie nicht in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 der der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aufgenommen worden sei. Dies sei nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aber erforderlich.

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Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Diese Norm sei nicht einschlägig, weil es sich vorliegend nicht um allgemeine, unspezifische Angaben im Sinne dieser Vorschrift handele. Denn das Produkt nehme nicht nur auf das durch die Einnahme des Mittels zu unterstützende bzw. zu steigernde gesundheitliche Wohlbefinden Bezug, sondern auf die konkret zu fördernde Körperfunktion, nämlich die Gelenke. Selbst wenn die Angabe „Gelenk-Tabletten Plus“ als allgemeine, unspezifische Angabe i. S. v. Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 anzusehen sei, sei ihre Verwendung unzulässig. Denn derartige Angaben seien danach nur zulässig, wenn ihnen eine zugelassene spezifische gesundheitsbezogene Angabe beigefügt werde. Daran fehle es bei dem hier streitgegenständlichen Produkt.

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Zwar handele es sich bei den gesundheitsbezogenen Angaben „Mit Zink & Mangan zum Erhalt normaler Knochen“ und „Kupfer für das Bindegewebe“ um gesundheitsbezogene Angaben, die nach dem Anhang der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 zugelassen seien. Die Zulässigkeit der Verwendung des Produktnamens scheitere jedoch daran, dass die (zugelassenen) Health Claims keinen inhaltlichen Bezug zu der unspezifischen Angabe „Gelenk-Tabletten Plus“ hätten.

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Das Erfordernis eines inhaltlichen Bezuges lasse sich zwar der Regelung in Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht ausdrücklich entnehmen, ergebe sich jedoch aus Sinn und Zweck der Verordnung in Verbindung mit den in Art. 3 Abs. 2 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 enthaltenen Irreführungsverbot. Denn die Verordnung verfolge unter anderem das Ziel, ein hohes Gesundheits- bzw. Verbraucherschutzniveau zu bieten und den Verbraucher vor allem vor irreführenden Angaben zu schützen, um ihm durch zutreffende Angaben eine sachkundige Entscheidung zwischen verschiedenen Lebensmitteln zu ermöglichen. Eine Angabe sei irreführend i. S. d. Art. 3 Abs. 2 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, wenn sie positiv täusche oder nicht hinreichend wissenschaftlich belegte Aussagen für Lebensmittel enthalte. Daran anknüpfend sei die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Es müsse sichergestellt sein, dass für Stoffe, auf die sich eine Angabe beziehe, der Nachweis einer positiven ernährungsbezogenen Wirkung oder physiologischen Wirkung erbracht wird. Der Nachweis für eine Wirkungsbehauptung müsse also allgemein wissenschaftlich anerkannt sein.

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Diesen Anforderungen würden die vorliegend in Rede stehenden Health Claims nicht gerecht. Eine positive Wirkung von Zink, Mangan und Kupfer gerade auf die Gelenke sei wissenschaftlich nicht bestätigt und von der Klägerin auch nicht behauptet worden.

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Ohne Erfolg wende die Klägerin ein, ein Bezug zwischen Gelenken und Knochen sei gegeben, weil Knochen ohne Gelenke ebenso sinnlos seien wie Gelenke ohne Knochen. Denn ein irgendwie gearteter Bezug könne den strengen Anforderungen an die Zulassung gesundheitsbezogener Angaben nicht gerecht werden. Im Hinblick auf den Verbraucherschutz sei ein wissenschaftlich gesicherter Zusammenhang erforderlich. Es sei zwischen Knochen und Gelenk zu unterscheiden. Denn das Gelenk stelle lediglich die bewegliche Verbindung zwischen zwei oder mehreren Knochen dar. Daraus sei zu folgern, dass entgegen der klägerischen Ansicht ein Knochen auch ohne Gelenk funktionieren könne. Zink und Mangan entfalteten positive Wirkung also auch für solche Knochen, die nicht Teil eines Gelenkes seien. Dann aber könne deren Wirkung auf Knochen nicht uneingeschränkt auf die Gelenke übertragen werden. Folglich seien die Health Claims nicht geeignet, die nichtspezifische gesundheitsbezogene Angabe „Gelenk-Tabletten Plus“ zu konkretisieren. Gleiches gelte für die zugelassene gesundheitsbezogene Angabe „Kupfer für das Bindegewebe“. Bindegewebe befinde sich nicht nur innerhalb eines Gelenkes, sondern sei vielfältig an verschiedenen Stellen im Körper zu finden. Eine wissenschaftlich erwiesene unmittelbare Wirkung von Kupfer auf das Gelenk, in welchem sich auch Bindegewebe befinde, sei nicht belegt.

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Tatsächlich werde dem aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher aber ein solcher Wirkzusammenhang suggeriert, weil dieser das streitgegenständliche Nahrungsergänzungsmittel insbesondere wegen des verwendeten Namens „Gelenk“-Tabletten Plus unmittelbar in Verbindung mit einer positiven Wirkung auf die Gelenke bringe. Hierbei sei die Produktaufmachung zu berücksichtigen, die im Hintergrund einen bildlich dargestellten und sich in Bewegung befindenden Oberkörper mit deutlich abgegrenzten Gelenken erkennen lasse. Eine solche Produktaufmachung führe den Verbraucher in die Irre, wenn und weil der Produktname auf eine Körperfunktion oder einen Körperteil hinweise, auf den die im Produkt enthaltenen Substanzen keine wissenschaftlich gesicherten Auswirkungen hätten.

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Die Zulässigkeit des Produktnamens folge auch nicht aus Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Dabei bestünden bereits Zweifel an der Anwendbarkeit dieser Vorschrift, weil diese ihrem ausdrücklichen Wortlaut nach nur für Handelsmarken, Markennamen oder Phantasiebezeichnungen gelte, die als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe aufgefasst werden können. Der vorliegend streitgegenständliche Produktname könne nicht nur als gesundheitsbezogene Angabe aufgefasst werden. Vielmehr handele es sich um eine solche. Unabhängig hiervon lägen die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 in Bezug auf den streitgegenständlichen Produktnamen aus zwei weiteren - selbständig tragenden - Gründen nicht vor. Zum einen habe die Klägerin nicht hinreichend dargelegt, dass es sich bei dem Produktnamen um eine Handelsmarke, einen Markennamen oder eine Phantasiebezeichnung handele. Zum anderen fehle es an dem erforderlichen inhaltlichen Bezug zu den beigefügten spezifischen gesundheitsbezogenen Angaben. Insofern könne hinsichtlich Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nichts anderes gelten als für Art. 10 Abs. 3 dieser Verordnung.

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Mit ihrer am 13. Dezember 2017 beim Verwaltungsgericht Magdeburg eingelegten und am 2. März 2018 begründeten Berufung macht die Klägerin unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens insbesondere geltend, sie stütze die Zulässigkeit des gesundheitsbezogenen Produktnamens primär auf Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Nachdem sie zwischenzeitlich auch den Produktnamen „Gelenk-Tabletten Plus” markenrechtlich habe schützen lassen, handele es sich auch um eine Handelsmarke, ein Markenname bzw. eine Phantasiebezeichnung im Sinne dieser Vorschrift. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung seien erfüllt; weitergehende Anforderungen stelle Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht. Soweit das Verwaltungsgericht scheinbar der Auffassung sei, dass diese Regelung lediglich dann anwendbar sei, wenn es sich um Handelsmarken, Markennamen und Phantasiebezeichnungen handele, die als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe aufgefasst werden könnten, sei dies unzutreffend.

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Der Produktname sei auch nicht irreführend im Sinne von Art. 3 Abs. 2 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Durch die Beifügung der zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben „Mit Zink und Mangan zum Erhalt normaler Knochen“ und „Kupfer für das Bindegewebe” werde unmittelbar die positive Wirkung auf die Gelenke erläutert. Dass die Mineralstoffe Zink, Mangan und Kupfer über den Bereich der Gelenke hinaus auch für Knochen bzw. Bindegewebe eine positive Wirkung hätten, könne nicht dazu führen, dass ein Verbraucher in die Irre geführt werde.

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Das Verwaltungsgericht gehe auch rechtsfehlerhaft davon aus, dass nicht irgendein Bezug ausreichend, sondern vielmehr ein gesicherter wissenschaftlicher Zusammenhang erforderlich sei. Gelenkknochen seien Bestandteil eines jeden Gelenks. Jede anatomische Darstellung eines Gelenks zeige immer die daran beteiligten Knochen. Auch das Bindegewebe sei Bestandteil eines jeden Gelenks. Die Mineralstoffe Zink, Mangan und Kupfer unterstützten nachweislich Knochen und Bindegewebe und somit auch die elementaren Bestandteile eines jeden Gelenks.

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Das Verwaltungsgericht verkenne, dass sich der Maßstab für die Zulassung gesundheitsbezogener Angaben, welcher tatsächlich übermäßig streng sei, nicht auf die Regelung des Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 übertragen lasse. Der europäische Gesetzgeber habe explizit beabsichtigt, dass Angaben nach Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 von dem Zulassungsverfahren befreit seien. Diese Angaben seien daher ohne weiteres erlaubt.

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Die Zulässigkeit des Produktnamens folge aber auch aus der Regelung des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, auf die sich die Klägerin hilfsweise stütze. Im Gegensatz zu Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, welcher auch gesundheitsbezogene Handelsmarken, Markennamen und Phantasiebezeichnungen erfasse, die an sich zulassungspflichtig wären, erfasse Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ausschließlich gesundheitsbezogene Angaben, die unspezifisch und nicht zulassungsfähig seien. Bei dem Produktnamen handele es sich um eine derart unspezifische Angabe.

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Auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) habe klargestellt, dass nicht jede Aussage zu Gelenken spezifisch genug formuliert sei, damit eine Zulassung in Frage komme. Im konkreten Fall eines Zulassungsverfahrens für den Mineralstoff Zink (EFSA Journal 2009; 7(9):1229, dort S. 25) habe sie die Angabe „unterstützt die Funktion der Gelenke” für nicht zulassungsfähig gehalten, weil diese unspezifisch sei. Die Angabe „trägt zum Erhalt der Elastizität der Gelenke bei” habe sie dagegen als ausreichend spezifisch angesehen.

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Aus einem Durchführungsbeschluss der Kommission vom 24. Januar 2013 zur Annahme von Leitlinien zur Umsetzung der in Artikel 10 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates dargelegten speziellen Bedingungen für gesundheitsbezogene Angaben (Durchführungsbeschluss 2013/63/EU) folge, dass Angaben, die die EFSA - wie in dem geschilderten Fall - als unspezifisch ansehe, als unspezifische gesundheitsbezogene Angaben verwendet werden dürften, wenn eine zugelassene Angabe beigefügt werde.

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Mit Blick auf die zugelassene Angabe „Kupfer trägt zur Erhaltung von Bindegewebe bei“ lasse sich der erforderliche Zusammenhang zwischen dieser Angabe und den Gelenken sogar unmittelbar aus dem entsprechenden Gutachten der EFSA (Journal 2009; 7(9):1211, dort S. 5) herleiten. Dort sei festgestellt worden, dass das Bindegewebe eine Strukturkomponente von Knochen sei. Damit seien die Verbindungen zwischen den Knochen gemeint. Hierdurch werde der unmittelbare Bezug zwischen Bindegewebe und Gelenken deutlich.

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Im Übrigen müsse nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Juni 2016 (- I-15 U 8/15 -, juris) die Bezugnahme auf konkrete Körperfunktionen einem bestimmten Nährstoff oder Lebensmittel zugewiesen werden. Bei der vorliegend streitigen Angabe „Gelenk-Tabletten Plus“ fehle jeglicher Bezug zu einem Lebensmittel oder einem Stoff. Auch deshalb sei von einer unspezifischen gesundheitsbezogenen Angabe im Sinne des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auszugehen.

39

Die Klägerin beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 28. November 2017 festzustellen, dass der Produktname „Gelenk-Tabletten Plus“ für das entsprechend vertriebene Nahrungsergänzungsmittel der Klägerin rechtlich zulässig ist.

41

Der Beklagte beantragt,

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die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

43

Er bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der angegriffenen Entscheidung, die er für zutreffend halte.

44

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

II.

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1. Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin gemäß § 130a Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus den nachfolgenden Gründen nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§§ 130a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

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2. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Feststellungsklage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

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Der Produktname „Gelenk-Tabletten Plus“ ist in der durch die Klägerin verwendeten Form ein allgemeiner gesundheitsbezogener Verweis, der nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (ABl. Nr. L 404 vom 30. Dezember 2006, S. 9) in der zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 1047/2012 der Kommission vom 8. November 2012 (ABl. Nr. L 310 vom 9. November 2012, S. 36) geänderten Fassung unzulässig ist, weil er nicht mit einer zugelassenen Angabe einhergeht.

48

a) Die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ist auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar. Nach Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 gilt die Verordnung für gesundheitsbezogene Angaben, die bei der Werbung für Lebensmittel gemacht werden, die an Endverbraucher abgegeben werden. Unter den Begriff der Lebensmittel fallen auch Nahrungsergänzungsmittel, Art. 2 Abs. 1 lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 i. V. m. Art. 2 der Richtlinie 2002/46/EG.

49

Das streitgegenständliche Nahrungsergänzungsmittel beinhaltet auch gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006.

50

Gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ist unter einer „Angabe“ jede Aussage oder Darstellung zu verstehen, die nach dem Gemeinschaftsrecht oder den nationalen Vorschriften nicht obligatorisch ist, einschließlich Darstellungen durch Bilder, grafische Elemente oder Symbole in jeder Form, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt. „Gesundheitsbezogen“ ist gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht.

51

Der von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vorausgesetzte Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel und der Gesundheit ist weit zu verstehen. Er erfasst jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels - Nahrungsergänzungsmittels - nahelegt. Darüber hinaus wird jeder Zusammenhang erfasst, der impliziert, dass für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem solchen Verzehr einhergehen oder sich ihm anschließen, fehlen oder geringer ausfallen. Dabei sind sowohl die vorübergehenden und flüchtigen Auswirkungen als auch die kumulativen Auswirkungen des wiederholten und längerfristigen Verzehrs eines bestimmten Lebensmittels auf den körperlichen Zustand zu berücksichtigen (vgl. EuGH, Urteile vom 6. September 2012, Rs. C-544/10, juris Rn. 35, 38 - Deutsches Weintor - sowie vom 18. Juli 2013, Rs. C-299/12, juris Rn. 22 - Green - Swan Pharmaceuticals; BGH, Urteile vom 26. Februar 2014 - I ZR 178/12 -, juris Rn. 16 m. w. N. - Praebiotik -, vom 12. Februar 2015 - I ZR 36/11, juris - Monsterbacke II -, vom 10. Dezember 2015 - I ZR 222/13 -, juris Rn. 21 - Lernstark - sowie vom 7. April 2016 - I ZR 81/15 -, juris Rn. 19 - Repair-Kapseln).

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Ob eine Aussage in diesem Sinne Gesundheitsbezug aufweist, ist - Erwägungsgrund 16 der der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 folgend - aus der Sicht des normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Hinblick auf die in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 der der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 genannten Funktionen - insbesondere Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen sowie psychische oder Verhaltensfunktionen - zu beantworten (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2015, a.a.O. Rn. 22 - „Lernstark“; Urteil vom 7. April 2016; a.a.O. Rn. 19 - „Repair-Kapseln“).

53

Dabei reicht es aus, dass durch die Angabe indirekt ein Zusammenhang zwischen Lebensmittel und Gesundheit hergestellt wird. Dies ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal „auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht“. Mittelbar sind Erklärungen, die erst durch bewusste - gedankliche - oder zunächst unbewusste Assoziationen einen Bezug auf die Eigenschaft des Lebensmittels ergeben. Eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der Definition liegt deshalb auch dann vor, wenn das Wort gesund in der Angabe nicht enthalten ist, jedoch bei einem aufmerksamen Verbraucher Assoziationen mit der Gesundheit ausgelöst werden (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 168. Lief. August 2017, C 111, Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, Rn. 27 und 45 m. w. N.).

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Die beanstandete Angabe stellt unter Berücksichtigung der bildlichen Darstellung eines menschlichen, sich in (Lauf-)Bewegung befindlichen, athletischen Oberkörpers einen solchen Bezug zwischen dem Verzehr des Lebensmittels und der Gesundheit her. Denn sie bringt zum Ausdruck, dass das von der Klägerin angebotene Nahrungsergänzungsmittel Bestandteile enthält, die Eigenschaften besitzen, welche sich positiv auf die Gelenkgesundheit auswirken. Einem aufmerksamen Verbraucher wird aufgrund der Bezeichnung des Produktes („Gelenk- Tabletten Plus“) und mit Blick auf den sich dynamisch präsentierenden Oberkörper auf der Abbildung jedenfalls mittelbar suggeriert, dass der Verzehr des Nahrungsergänzungsmittels sich positiv auf die Gelenke und damit auf körperliche Funktionen des menschlichen Organismus auswirkt.

55

b) Bei der Angabe „Gelenk-Tabletten Plus“ handelt es sich um einen Verweis auf einen nichtspezifischen Vorteil im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006.

56

aa) Die Vorschrift des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 verbietet grundlegend den Gebrauch gesundheitsbezogener Angaben bei der Kennzeichnung, Aufmachung und Bewerbung von Lebensmitteln. Diese „originär“ (speziellen / spezifischen) gesundheitsbezogenen Angaben dürfen aufgrund des nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung geltenden Verbots mit Erlaubnisvorbehalt nur verwendet werden, wenn sie explizit in ein Verzeichnis zugelassener Angaben gemäß Art. 13 und 14 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aufgenommen worden sind. Von diesen (speziellen) gesundheitsbezogenen Angaben sind Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels auf die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden gemäß Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zu unterscheiden. Diese sind nur zulässig, soweit eine zugelassene spezielle gesundheitsbezogene Angabe gemäß Art. 13 und 14 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 beigefügt ist. Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 enthält somit ein Verbot derartiger nichtspezifischer Angaben und zugleich eine wesentliche Ausnahme von diesem Verbot (vgl. Meisterernst/Haber, Die VO (EG) 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, Neues Recht der Lebensmittelwerbung, WRP 2007, 363, 378).

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bb) Die Angabe „Gelenk-Tabletten Plus“ ist in diesem Sinne nichtspezifisch.

58

Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 erfasst Aussagen, die zwar auf eine der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 der Verordnung genannten Funktionen Bezug nehmen, und insofern ebenfalls gesundheitsbezogene Angaben i. S. v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 darstellen. Solche Angaben können jedoch aufgrund ihrer allgemeinen, nichtspezifischen Formulierung - im Unterschied zu den (speziellen) gesundheitsbezogenen Angaben i. S. v. Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 - nicht Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein. Für die Abgrenzung zwischen speziellen und nichtspezifischen gesundheitsbezogenen Angaben kommt es darauf an, ob mit der Angabe ein unmittelbarer Wirkungszusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und einer Funktion des menschlichen Organismus hergestellt wird, dessen wissenschaftliche Absicherung (vgl. Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung) in einem Zulassungsverfahren nach Art. 13 Abs. 3 der Verordnung (für Angaben nach Art. 13 Abs. 1 der Verordnung) oder nach Art. 15 bis Art. 17 der Verordnung (für Angaben nach Art. 14 Abs. 1 der Verordnung) überprüft werden kann (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, etwa Urteil vom 7. April 2016, a. a. O., Rn. 24 m. w. N. - „Repair-Kapsel“; Beschluss vom 29. März 2017 - I ZR 71/16 -, juris Rn. 15; EuGH-Vorlage vom 12. Juli 2018 - I ZR 162/16 -, juris Rn. 22; kritisch hierzu Hagenmeyer, Achte Beleuchtung der Rechtsprechung zur VO (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, WRP 2016, 1335, 1338, der davon ausgeht, dass allgemeine Verweise keine besondere Art von gesundheitsbezogenen Angaben, sondern „etwas anderes“ seien).

59

Für die Abgrenzung zwischen speziellen und nichtspezifischen Angaben ist grundsätzlich maßgebend, ob die Aussage auf bestimmte, die Gesundheit oder das gesundheitliche Wohlbefinden unterstützende oder steigernde Funktionen des Körpers Bezug nimmt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Juni 2016 - I-15 U 8/15 -, juris Rn. 64 m. w. N.; nachgehend: BGH, EuGH-Vorlage vom 12. Juli 2018, a. a. O.). Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile für die Gesundheit liegen demnach vor, wenn die Wirkung für die Gesundheit nicht durch Benennung der jeweiligen konkreten Körperfunktion angegeben wird (Zipfel/Rathke, a. a. O., Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, Rn. 34).

60

Dies zugrunde gelegt sind die streitgegenständlichen Angaben nichtspezifisch, weil sie nicht auf bestimmte, die Gesundheit unterstützende Körperfunktionen Bezug nehmen. Das Produkt behauptet bei einer Gesamtbetrachtung zwar einen positiven Einfluss auf die Funktion von Körpergelenken. In welcher (konkreten) Weise sich die Gelenkgesundheit allerdings verbessern soll, ist nicht erkennbar.

61

Aus den Hinweisen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Agency - EFSA) zur Formulierung („wording“) von Health Claims ergibt sich, dass nicht jede Aussage zu Gelenken spezifisch genug formuliert ist, um für eine Zulassung in Frage zu kommen. So heißt es etwa in dem Zulassungsverfahren für den Mineralstoff Zink (EFSA Journal 2009; 7(9):1229) auf Seite 25:

62

„The specificity of the wording is very important. Health claims such as ‘Substance X supports the function of the joints’ may not sufficiently do so, whereas a claim such as ‘Substance X helps maintain the flexibility of the joints’ would. In the first example of a claim it is unclear which of the various functions of the joints is described or referred to contrary to the latter example which specifies this by using the word ‘flexibility’.”

63

Auch in einem negativem Votum der EFSA zur Zulässigkeit von Angaben über die Gesunderhaltung der Gelenke durch Glucosamin- und Chondroitinsulfat (EFSA Journal 2009; 7(9):1264, S. 6) wird zwischen der (Gelenk-)Struktur (z. B. Knorpel oder andere Bindegewebe) - „the structure (e.g. of cartilage or other connective tissues)“ - und der (Gelenk-)Funktion (z.B. Aufrechterhaltung der Flexibilität oder Mobilität der Gelenke) - „function (e.g. maintenance of flexibility or mobility of the joints)“ - unterschieden. Hinsichtlich der Gelenkgesundheit („joint health“) werden beispielhaft „Gelenkschmerzen, Gelenkstruktur/-funktion“ erwähnt („e.g. joint pain, joint structure/function“). Auch dieses Votum der EFSA verdeutlicht, dass die Gelenkgesundheit in ganz unterschiedlicher Weise betroffen sein kann.

64

Diese Sichtweise wird gestützt durch den Leitfaden der EFSA zu den wissenschaftlichen Anforderungen an gesundheitsbezogene Angaben mit Bezug auf Knochen, Gelenke, Haut und orale Gesundheit („Guidance on the scientific requirements for health claims related to bone, joints, skin, and oral health“; EFSA Journal 2012;10(5):2702). Dort wird zwischen Körperfunktionen, die einerseits die Knochen und andererseits die Gelenke betreffen, klar unterschieden und hinsichtlich Letzterer festgestellt, dass die Gelenkfunktionen in verschiedener Weise betroffen sein können (Mobilität, Steifheit, andere Beschwerden, z.B. Schmerz) - „Possible outcomes related to joint function include mobility, stiffness and (dis)comfort (e.g. pain)“, ebenda, S. 7).

65

Dass den Gelenken verschiedene Funktionen zukommen, zeigt auch ein Blick in die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelte Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (International Classification of Functioning, Disability and Health - ICF) mit Stand Oktober 2015 (abrufbar über die Internetseite des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information [DIMDI]: www.dimdi.de/dynamic/de/klassifikationen/icf/). Diese differenziert hinsichtlich der „Funktionen der Gelenke und Knochen“ (b710-b729) zwischen den „Funktionen der Gelenkbeweglichkeit“ (b710) und den „Funktionen der Gelenkstabilität“ (Punkt b715). Mit „Funktionen der Gelenkbeweglichkeit“ werden Körperfunktionen beschrieben, die den Bewegungsumfang und die Leichtigkeit des Bewegungsablaufes betreffen (inkl. Funktionen der Beweglichkeit eines einzelnen oder mehrerer Gelenke, der Wirbelsäule, Schulter, des Ellenbogens, Handgelenks, der Hüfte, des Knies, Sprunggelenks, der kleinen Gelenke der Hände und Füße; allgemeine Gelenkbeweglichkeit; Funktionsstörungen wie bei Hypermobilität der Gelenke, Gelenksteife, Schultersteife, Gelenkentzündung), vgl. ICF, 2005, S. 77. Mit „Funktionen der Gelenkstabilität“ sind Funktionen gemeint, die die Aufrechterhaltung der strukturellen Integrität der Gelenke betreffen (inkl. Funktionen der Stabilität eines einzelnen Gelenks, mehrerer Gelenke und aller Gelenke; Funktionsstörungen wie Schulterinstabilität, Gelenkdislokation, Dislokation der Schulter und Hüfte), vgl. ICF, ebenda. Welche dieser beiden Gelenkfunktionen mit dem vorliegenden Produkt angesprochen werden soll, ist für den Durchschnittsverbraucher ebenfalls nicht erkennbar.

66

Etwas anderes mag für Nahrungsergänzungsmittel gelten, die nach den spezifischen Angaben des Produktes „die natürliche Beweglichkeit der Gelenke unterstützend, außerdem entzündungshemmend und schmerzlindernd, sogar den Schmerz beseitigend (als Schmerzkiller) bei rheumatischen Erkrankungen“ wirken sollen (hierzu OLG Hamm, Urteil vom 4. Juli 2013 - I-4 U 20/13 -, juris), „zur Vorbeugung bei Gelenkbelastung in Beruf und Sport“, „bei morgendlicher Gelenksteifigkeit“ helfen und „die Beweglichkeit der Gelenke […] fördern“ sollen (hierzu LG Düsseldorf, Urteil vom 8. Oktober 2014 - 12 O 200/14 -, juris). Mit solchen (konkreten) positiven Wirkungen auf die Gelenke wirbt das vorliegende Produkt nicht. Für den Durchschnittsverbraucher ist nicht einmal erkennbar, ob das Produkt bei bestehenden Gelenkbeschwerden eingenommen werden oder lediglich der unterstützenden Vorbeugung gegen (noch nicht vorhandene) Gelenkbeschwerden dienen soll.

67

cc) Handelt es sich bei der Angabe „Gelenk-Tabletten Plus“ schon aus diesem Grund um nichtspezifische gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, kann dahinstehen, ob die in Rede stehende Angabe - wie die Klägerin weiter geltend macht - auch deshalb unspezifisch ist, weil sie bestimmte Wirkungen weder auf das Lebensmittel als Ganzes noch auf einen bestimmten Stoff zurückführt (zu diesem Gesichtspunkt OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Juni 2016, a. a. O.; nachgehend BGH, EuGH-Vorlage vom 12. Juli 2018, a. a. O., Rn. 22 f.).

68

c) Der hier streitgegenständliche Verweis ist unzulässig, weil die in Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 geregelten Anforderungen an zulässige gesundheitsbezogene Angaben nicht erfüllt sind. Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitliche Wohlbefinden sind nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 - wie bereits dargelegt - allein dann zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Art. 13 und 14 der Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist. Dies ist vorliegend zwar grundsätzlich der Fall. Allerdings lassen die beigefügten gesundheitsbezogenen Angaben einen inhaltlichen Bezug zu den behaupteten Vorteilen gerade für die (beworbene) Gelenkgesundheit vermissen.

69

aa) Der nichtspezifischen Angabe „Gelenk-Tabletten Plus“ sind zwar bestimmte in der Liste nach Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angaben beigefügt.

70

Nach dem Anhang der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern sind folgende Health Claims zugelassen: „Zink trägt zur Erhaltung normaler Knochen bei“ (EFSA Journal 2009; 7 (9): 1229); „Mangan trägt zur Erhaltung normaler Knochen bei“ (EFSA Journal 2009; 7 (9): 1217); „Kupfer trägt zur Erhaltung von normalem Bindegewebe bei“ (EFSA Journal 2009; 7 (9):1211).

71

Die von der Klägerin verwendeten Angaben („mit Zink und Mangan zum Erhalt normaler Knochen“ / „Kupfer für das Bindegewebe“) stimmen mit diesen Health Claims inhaltlich überein und sind der allgemeinen, unspezifischen Angabe „Gelenk-Tabletten Plus“ auch beigefügt im Sinne des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (zum Begriff des „Beifügens“ siehe im Übrigen BGH, EuGH-Vorlage vom 12. Juli 2018, a. a. O., Rn. 26).

72

bb) Allerdings sind Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden gemäß Art. 10 Abs. 3 nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist (sog. Kopplungsgebot). Diese Bestimmung ist nach Sinn und Zweck der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 und mit Blick auf das generelle Irreführungsverbot dahingehend auszulegen, dass sich die speziellen gesundheitsbezogenen Angaben, die dem Verweis im Sinne des Art. 10 Abs. 3 beizufügen sind, nicht beliebig oder gar willkürlich sein dürfen, sondern sich inhaltlich auf diesen Verweis beziehen müssen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die (wenn auch unspezifische) Gesundheitsaussage auf einen bestimmten Teil der Gesundheit (hier: die Gelenke) bezieht und eine inhaltliche korrespondierende Bezugnahme daher grundsätzlich möglich ist.

73

(1) Sinn und Zweck der Verordnung ist es, ein hohes Verbraucherschutzniveau im Lebensmittelbereich zu gewährleisten (vgl. Art 1 Abs. 1 der Verordnung sowie Erwägungsgründe 1, 36). Bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln und der Werbung hierfür soll eine umfassende, wahrheitsgemäße und bedeutungsvolle Aussage vermittelt werden (vgl. Erwägungsgrund 24). Darüber hinaus dürfen gesundheitsbezogene Angaben nicht falsch, mehrdeutig oder irreführend sein, Art. 3 Abs. 2 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Der Verbraucher soll vor derartigen Angaben geschützt werden, um ihm durch zutreffende Angaben eine sachkundige Entscheidung zwischen verschiedenen Lebensmitteln zu ermöglichen (vgl. Erwägungsgründe 15, 16, 29 der der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006).

74

Die Ausnahmeregelung des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 beruht darauf, dass eine allgemeine, nichtspezifische Angabe für den aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher wegen ihrer Unbestimmtheit erkennbar keine vollständige Information darstellt, sondern ergänzungsbedürftig ist (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Juni 2016, a. a. O.). Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dient insofern dem Zweck, dem Verbraucher die Bedeutung der Angabe im Kontext der Ernährung deutlich zu machen und über die mit dem Namen des Produktes verbundenen gesundheits- oder nährwertbezogenen Angaben aufzuklären (vgl. Zipfel/Rathke, a. a. O., Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, Rn. 2). Dieser Zweck wird nur dann erreicht, wenn die nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 beigefügten gesundheitsbezogenen Angaben auch tatsächlich einen inhaltlichen Bezug zu der in Rede stehenden (unspezifischen) Werbeaussage haben (ebenso: Holtorf, Health Claims in den Jahren 2008/2009 [Teil 2], LMuR 2008, 105, 111 m. w. N.; Zipfel/Rathke, a. a. O, Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, Rn. 4a und 39).

75

Zwar wird eine solche inhaltliche Bezugnahme bei Verweisen auf allgemeine Vorteile für die Gesundheit, die die beeinflussten körperlichen Funktionen nicht konkret benennen, oftmals nicht erbracht werden können oder erforderlich sein, weil etwa im Falle der Aussagen „Produkt X ist gesund“ oder „für die Gesundheit“ jede gesundheitsbezogene Pflichtangabe auch inhaltlich mit der allgemeinen (Gesundheits-)Aussage verbunden ist. Anders gewendet: Derartige Angaben sind nicht hinreichend spezifisch, um sie mit einer beigefügten zugelassenen Angabe in Bezug zu setzen (entsprechend kritisch zum Erfordernis eines derartigen inhaltlichen Zusammenhangs: Meisterernst/Haber, WRP 2007, 363, 378). Anderes gilt jedoch, wenn eine inhaltliche Bezugnahme tatsächlich möglich ist, weil sich die (wenn auch unspezifische) Gesundheitsaussage auf einen bestimmten Teil der Gesundheit (hier: die Gelenke) bezieht. In diesem Fall sind entsprechende Verweise nur dann zulässig, wenn ihnen auch eine „passende“ zugelassene gesundheitsbezogene Angabe beigefügt wird, also eine solche, die sich inhaltlich auch auf diesen Teil der Gesundheit bezieht bzw. hiermit korrespondiert (ebenso Holtorf, a. a. O., m. w. N.; im Übrigen auch Triebe, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 26. Februar 2014, a. a. O., jurisPR-WettbR 5/2014, Anm. 2, der insoweit zwischen drei Kategorien von Werbeangaben über Lebensmittel unterscheidet).

76

Zur Beantwortung der Frage, ob in diesem Sinne ein inhaltlicher Bezug zwischen den unspezifischen Gesundheitsangaben und den gekoppelten gesundheitsbezogenen Angaben (Health Claims) besteht, ist maßgeblich auf den Inhalt des im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 jeweils zugelassenen Health Claims abzustellen. Geht es - wie hier - um die Bedeutung eines Nährstoffs für eine bestimmte Körperfunktion im Sinne des § 13 Abs. 1 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, erstreckt sich die inhaltliche „Reichweite“ des zugelassenen (und insoweit auch wissenschaftlich abgesicherten) Health Claims ausschließlich auf diese Körperfunktion.

77

Dieses Verständnis der Regelung in Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 hält der Senat für einen „acte clair“ (hierzu: EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, CILFIT - Rn. 16), weshalb es insoweit auch keiner Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV bedarf.

78

(2) Die vorliegend beigefügten gesundheitsbezogenen Angaben erfüllen diese Voraussetzungen nicht.

79

Die Klägerin vermag sich zum Beleg der positiven Wirkungen des streitgegenständlichen Produkts für die Gelenke nicht auf die nach dem Anhang der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 zugelassenen Health Claims für Zink, Mangan und Kupfer berufen. Ihr Einwand, die Gelenkknochen und das Bindegewebe seien Bestandteil eines jeden Gelenks und die nachgewiesenermaßen positive Wirkung der in Rede stehenden Nährstoffe für Knochen und Bindegewebe komme damit mittelbar auch den Gelenken zugute, verfängt nicht.

80

In Bezug auf die Inhaltsstoffe Zink, Mangan und Kupfer sind nach dem Anhang zur Verordnung (EU) Nr. 432/2012 gesundheitsbezogene Angaben nur insoweit zulässig als hiermit die positive Wirkung für „die Erhaltung normaler Knochen“ (Zink und Mangan) bzw. für „die Erhaltung von normalem Bindegewebe“ herausgestellt wird. Angaben über eine positive Auswirkung dieser Stoffe hinaus, insbesondere auf Funktion und Erhalt der Gelenke, erlaubt die Verordnung indessen nicht. Dass es sich bei den Gelenkfunktionen um selbständige und von anderen Körperfunktionen abgrenzbare Funktionen handelt, wurde bereits dargelegt. Die inhaltliche „Reichweite“ der vorliegend in Rede stehenden Health Claims erstreckt sich folglich nicht auf Körperfunktionen, die die Gelenke betreffen. Sie erstreckt sich allenfalls - wie die Klägerin letztlich selbst einräumt - auf Gelenk-(Bestand-)Teile. Aus diesem Grunde scheidet die Heranziehung der Liste als Beleg für die mit der streitgegenständlichen Angabe verbundenen Aussage („Unterstützung der Gelenkgesundheit“) aus. Es fehlt vorliegend mithin der erforderliche inhaltlich korrespondierende Bezug zwischen den beigefügten speziellen gesundheitsbezogenen Angaben und den in Rede stehenden unspezifischen Angaben.

81

Die EFSA hat in ihrer auf den Mineralstoff Zink bezogenen Stellungnahme (Journal 2009; 7 (9): 1229) auf Seite 12 unter Hinweis auf medizinische Studien sogar ausdrücklich festgestellt, dass zwischen der Aufnahme von Zink und dem Erhalt der Gelenke kein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang festgestellt worden sei:

82

„The Panel concludes that a cause and effect relationship has not been established between the dietary intake of zinc and maintenance of normal joints.”

83

Dies lässt einmal mehr erkennen, dass hinsichtlich der Bedeutung eines Nährstoffs für die Knochen einerseits und hinsichtlich der Bedeutung eines Nährstoffs für die Gesunderhaltung der Gelenke andererseits zu unterscheiden ist.

84

Soweit die Klägerin mit Blick auf die zugelassene Angabe „Kupfer trägt zur Erhaltung von Bindegewebe bei“ geltend macht, aus dem hierauf bezogenen Gutachten der EFSA (Journal 2009; 7(9):1211, S. 5) lasse sich der erforderliche Zusammenhang zwischen dieser Angabe und den Gelenken sogar unmittelbar ableiten, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn dort wird lediglich festgestellt, dass das Bindegewebe eine Strukturkomponente u.a. von Knochen sei. Dass Kupfer indes positive Wirkungen für die Gelenke hat, folgt hieraus nicht.

85

Erweist sich der Verweis mithin (schon deshalb) als unzulässig, weil die Verordnung (EU) Nr. 432/2012 Angaben über eine positive Auswirkung der Inhaltsstoffe Zink, Mangan und Kupfer auf die Funktion und den Erhalt der Gelenke nicht erlaubt, mag dahinstehen, ob die in Rede stehenden Angaben der Klägerin darüber hinaus als irreführend im Sinne des Art. 3 Abs. 2 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 anzusehen sind.

86

d) Die Verwendung der Bezeichnung „Gelenk-Tabletten Plus“ ist entgegen der Annahme der Klägerin nicht durch Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 erlaubt.

87

Art. 1 Abs. 3 enthält (zusammen mit Abs. 4) Sonderregelungen für Handelsmarken, Markennamen und Phantasiebezeichnungen. Danach dürfen Handelsmarken, Markennamen oder Phantasiebezeichnungen, die in der Kennzeichnung, Aufmachung oder Werbung für ein Lebensmittel verwendet werden und als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe aufgefasst werden können, ohne die in dieser Verordnung vorgesehenen Genehmigungsverfahren verwendet werden, sofern der betreffenden Kennzeichnung, Aufmachung oder Werbung eine nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist, die dieser Verordnung entspricht.

88

Mit Blick auf den Anwendungsbereich dieser Norm hat die Klägerin zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass trotz des Wortlauts des Abs. 3, der darauf abstellt, ob die Angaben als nährwert- oder gesundheitsbezogene aufgefasst werden können, Handelsmarken, Markennamen und Phantasiebezeichnungen (auch) dann der Regelung des Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 unterliegen, wenn sie selbst nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben sind oder enthalten (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - C-299/12 -, juris Rn. 30; ebenso: Zipfel/ Rathke, a. a. O., Art. 1 der Verordnung (EG) 1924/2006, Rn. 31).

89

Handelt es sich bei gesundheitsbezogenen Angaben in Handelsmarken, Markennamen und Phantasiebezeichnungen allerdings (wie hier) um allgemeine, nichtspezifische Angaben im Sinne des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, ist - entgegen der Annahme der Klägerin - diese Regelung maßgebend (Zipfel/ Rathke, a. a. O., Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, Rn. 35). Mit Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 sollte (lediglich) sichergestellt werden, dass die Verordnung ebenso auf Handelsmarken und sonstige Markennamen Anwendung findet, die als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben ausgelegt werden können (vgl. Erwägungsgrund Nr. 4 der Verordnung). Auch Marken und Handelsmarken, bei denen sich die (wenn auch unspezifische) Gesundheitsaussage auf einen bestimmten Teil der Gesundheit (hier: die Gelenke) bezieht, müssen demnach von einer zugelassenen Angabe begleitet werden, die sie inhaltlich stützt; ansonsten könnten die Vorschriften der Verordnung mit Hilfe der Ausgestaltung von Angaben als Marken oder Handelsmarken umgangen werden (zu diesem Gesichtspunkt auch Meisterernst/Haber, WRP 2007, 363, 382). Deshalb kommt es auch nicht darauf an, dass die Klägerin den Produktnamen „Gelenk-Tabletten Plus” zwischenzeitlich markenrechtlich hat schützen lassen.

90

Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist auch insoweit nicht geboten, da keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung der hier entscheidungserheblichen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bestehen.

91

e) Die angegriffene Angabe wäre auch dann unzulässig, wenn man sie entgegen den Ausführungen unter Punkt 2. dieses Beschlusses als spezielle gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 einstufen und etwa dahingehend verstehen wollte, dass sich die Einnahme der Produkte positiv auf die „Gelenkbeweglichkeit“ auswirken. Gesundheitsbezogene Angaben sind Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 verboten, wenn sie nicht in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13, 14 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aufgenommen sind. Die hier in Rede stehenden Aussagen zur Unterstützung der Gelenkgesundheit über das Nahrungsergänzungsmittel „Gelenk-Tabletten Plus” sind in der Verordnung (EU) 432/2012 nicht enthalten.

92

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

93

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

94

5. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Soweit unionsrechtliche Fragestellungen betroffen sind, steht mit der nach der „acte-clair-Doktrin“ erforderlichen Gewissheit fest, dass die Erwägungen des Senats zum Unionsrecht zutreffen.

95

6. Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren ergeht auf der Grundlage der §§ 47, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 25.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und beruht auf den erstinstanzlichen Angaben der Klägerin in Bezug auf die erwarteten wirtschaftlichen Einbußen für den Fall der Erfolglosigkeit der durch sie erhobenen Klage.


Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 08. Okt. 2018 - 3 L 358/17

Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 08. Okt. 2018 - 3 L 358/17

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 08. Okt. 2018 - 3 L 358/17 zitiert 9 §§.

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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

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(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Strafprozeßordnung - StPO | § 170 Entscheidung über eine Anklageerhebung


(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

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bei uns veröffentlicht am 12.02.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I Z R 3 6 / 1 1 Verkündet am: 12. Februar 2015 Bürk Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Landgericht Düsseldorf Urteil, 08. Okt. 2014 - 12 O 200/14

bei uns veröffentlicht am 08.10.2014

Tenor Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 26. Juni 2014 wird bestätigt. Die Antragsgegnerin trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits. 1 2T a t b e s t a n d : 3Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin auf Unterlassung von Äu

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Feb. 2014 - I ZR 178/12

bei uns veröffentlicht am 26.02.2014

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. August 2012 aufgehoben.

Referenzen

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

Das Oberverwaltungsgericht kann über die Berufung durch Beschluß entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. § 125 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. August 2012 aufgehoben.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23. März 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil des Landgerichts wie folgt abgeändert.

1. Die Beklagte wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verurteilt, es zu unterlassen, Babynahrung mit der Angabe

Praebiotik® + Probiotik®

Mit natürlichen Milchsäurekulturen

Praebiotik® zur Unterstützung einer gesunden Darmflora

wie in der nachfolgend wiedergegebenen Anlage A zu vertreiben und/oder vertreiben zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin sämtlichen bereits entstandenen und künftig noch entstehenden Schaden aus dem Vertreiben und/oder Vertreiben lassen und/oder dem Bewerben und/oder Bewerben lassen von Babynahrung mit der Angabe

Praebiotik® + Probiotik®

Mit natürlichen Milchsäurekulturen

Praebiotik® zur Unterstützung einer gesunden Darmflora

wie in Anlage A zu ersetzen hat.

Anlage A:

Abbildung

3. Die Beklagte wird außerdem verurteilt, der Klägerin mittels eines chronologischen Verzeichnisses und unter Vorlage der entsprechenden Belege Auskunft zu erteilen

- über die Anzahl der Abnehmer der Erzeugnisse von Babynahrung unter der Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®", die die unter 1. bezeichneten Angaben tragen, unter Angabe der jeweiligen Einkaufsmenge seit der Produkteinführung in Deutschland im April 2010;

- mit welchem Medium, wann, bei welcher Gelegenheit und wie oft sie die Erzeugnisse von Babynahrung unter der Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®", die die unter 1. bezeichneten Angaben tragen, beworben hat.

4. Im Umfang der weitergehenden Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts (Unterlassung der Verwendung der Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" und die darauf bezogenen Anträge auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht) wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien vertreiben Babynahrung. Die Beklagte bot unter der Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" in Deutschland Babynahrung an, die als präbiotische Komponente Calactooligosaccharide und als probiotische Komponente das Bakterium Lactobacillus fermentum hereditum enthielt. Auf der Verpackung verwendete die Beklagte neben der Bezeichnung die Angaben "mit natürlichen Milchsäurekulturen" und "Praebiotik® zur Unterstützung einer gesunden Darmflora".

2

Nach Ansicht der Klägerin handelt es sich bei der Bezeichnung und den weiteren Aussagen um unzulässige gesundheitsbezogene Angaben im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (im Folgenden: Verordnung (EG) Nr. 1924/2006).

3

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen es zu unterlassen

Babynahrung

1. unter der Bezeichnung

Praebiotik® + Probiotik®

und/oder

2. mit der Angabe

Praebiotik® + Probiotik®

Mit natürlichen Milchsäurekulturen

Praebiotik® zur Unterstützung einer gesunden Darmflora

wie in Anlage A [im Tenor abgebildet]

zu vertreiben und/oder vertreiben zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen.

4

Die Klägerin hat die Beklagte ferner auf Auskunft in Anspruch genommen und Feststellung der Schadensersatzpflicht beantragt.

5

Das Landgericht hat die Beklagte zur Unterlassung gemäß dem Antrag zu 1 verurteilt und die darauf bezogenen Folgeanträge auf Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht zugesprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen (OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2012, 484).

6

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

7

A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" sei keine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Die Bezeichnung suggeriere keine gesundheitliche Wirkung, sondern sei lediglich als Beschaffenheits- bzw. Inhaltsangabe anzusehen. Auch die Angaben

Praebiotik® + Probiotik®

Mit natürlichen Milchsäurekulturen

Praebiotik® zur Unterstützung einer gesunden Darmflora

seien mit den Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vereinbar. Die Aussage "Praebiotik® zur Unterstützung einer gesunden Darmflora" sei zwar eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 dieser Verordnung. Sie dürfe jedoch nach der Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung von der Beklagten verwendet werden, weil für eine inhaltlich entsprechende Angabe ein Zulassungsantrag nach Art. 14 ff. der Verordnung gestellt worden sei.

8

B. Die dagegen gerichtete Revision hat Erfolg. Sie führt im Hinblick auf den Unterlassungsantrag zu 1 und die darauf bezogenen Folgeanträge zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (dazu I). Im Hinblick auf den Unterlassungsantrag zu 2 und die darauf bezogenen Folgeanträge ist die Sache entscheidungsreif; die Revision führt insoweit zur Verurteilung der Beklagten (dazu II).

9

I. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung, bei der Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" handele es sich nicht um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, kann die Klage mit dem Unterlassungsantrag nicht abgewiesen werden.

10

1. Die allgemeinen Voraussetzungen eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs liegen vor. Die Vorschrift des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Ihre Verletzung ist geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG spürbar zu beeinträchtigen (BGH, Urteil vom 17. Januar 2013 - I ZR 5/12, GRUR 2013, 958 Rn. 22 = WRP 2013, 1179 - Vitalpilze).

11

2. Im Streitfall sind auch die Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 gegeben.

12

a) Danach sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen in Kapitel IV der Verordnung entsprechen, nach ihr zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 der Verordnung aufgenommen sind. Da bei der angegriffenen Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" jedenfalls das letztere nicht der Fall ist, kommt es im Streitfall darauf an, ob die Bezeichnung eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ist. Das Berufungsgericht hat dies verneint. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

13

b) Die Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" stellt eine Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dar. Der Begriff "Angabe" bezeichnet jede Aussage oder Darstellung, die nach dem Unionsrecht oder den nationalen Vorschriften nicht obligatorisch ist und mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt. Die angegriffene Bezeichnung ist keine rechtlich zwingend vorgeschriebene Kennzeichnung. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts versteht der angesprochene Verkehr die Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" dahin, dass die von der Beklagten angebotenen Lebensmittel "Präbiotika" und "Probiotika", also Bestandteile enthalten, die sich als probiotisch und präbiotisch qualifizieren lassen. Damit wird durch die Verwendung von "Praebiotik® + Probiotik®" zumindest mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass das so bezeichnete Lebensmittel präbiotische und probiotische Eigenschaften besitzt.

14

c) Das Berufungsgericht hat allerdings verneint, dass diese Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 gesundheitsbezogen ist. Es hat angenommen, eine gesundheitsbezogene Angabe setze nach dieser Bestimmung voraus, dass die in Rede stehende Aussage aus sich selbst heraus den Bezug zu einer gesundheitlichen Wirkung erkennen lasse. Deswegen fehle es an einer gesundheitsbezogenen Angabe, wenn die für ein Lebensmittel verwendete Bezeichnung aus der Sicht des Verbrauchers nur die Beschaffenheit dieses Lebensmittels wie insbesondere einen darin enthaltenen Inhaltsstoff beschreiben solle, nicht aber die gesundheitlichen Wirkungen, die mit dem Lebensmittel oder dem darin enthaltenen Wirkstoff erzielt werden könnten. Das gelte unabhängig davon, ob der Verkehr auf Grund seiner Vorerwartung dem Inhaltsstoff und damit dem Lebensmittel mehr oder weniger konkrete gesundheitliche Wirkungen zuschreibe. Allein eine solche Vorerwartung könne nicht ausreichen, um eine inhaltsbeschreibende Angabe als gesundheitsbezogen anzusehen.

15

Mit dieser Begründung kann das Vorliegen einer gesundheitsbezogenen Angabe im Sinne von Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht verneint werden. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung ein zu enges Verständnis des danach erforderlichen Gesundheitsbezugs zugrunde gelegt.

16

aa) Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) 1924/2006 ist eine gesundheitsbezogene Angabe gegeben, wenn mit einer Angabe erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Der Begriff "Zusammenhang" ist dabei weit zu verstehen (EuGH, Urteil vom 6. September 2012 - C544/10, GRUR 2012, 1161 Rn. 34 = WRP 2012, 1368 - Deutsches Weintor; EuGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - C299/12, GRUR 2013, 1061 Rn. 22 = WRP 2013, 1311 - Green - Swan Pharmaceuticals). Der Begriff "gesundheitsbezogene Angabe" erfasst daher jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert (EuGH, GRUR 2012, 1161 Rn. 35 - Deutsches Weintor; BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2012 - I ZR 36/11, GRUR 2013, 189 Rn. 9 = WRP 2013, 180 - Monsterbacke; BGH, GRUR 2013, 958 Rn. 10 - Vitalpilze). Darüber hinaus wird jeder Zusammenhang erfasst, der impliziert, dass für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem solchen Verzehr einhergehen oder sich ihm anschließen, fehlen oder geringer ausfallen. Dabei sind sowohl die vorübergehenden und flüchtigen Auswirkungen als auch die kumulativen Auswirkungen des wiederholten und längerfristigen Verzehrs eines bestimmten Lebensmittels auf den körperlichen Zustand zu berücksichtigen (EuGH, GRUR 2012, 1161 Rn. 35, 38 - Deutsches Weintor).

17

Nach Erwägungsgrund 16 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 kommt es darauf an, wie Angaben über Lebensmittel vom Verbraucher verstanden werden. Dabei ist vom normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher auszugehen. Es gilt kein statistischer, sondern ein normativer Maßstab, nach dem die nationalen Gerichte und Verwaltungsbehörden gehalten sind, von ihrer eigenen Urteilsfähigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszugehen.

18

bb) Nach diesen Grundsätzen liegt eine gesundheitsbezogene Angabe entgegen der Annahme des Berufungsgerichts auch dann vor, wenn nach dem Verständnis des Durchschnittsverbrauchers, das naturgemäß auch durch Vorerwartungen und Kenntnisse geprägt wird, ein Zusammenhang zwischen dem Bestandteil eines Lebensmittels und dem Gesundheitszustand des Konsumenten suggeriert wird.

19

d) Mit Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" sei lediglich als Beschaffenheits- oder Inhaltsangabe anzusehen.

20

Die Beurteilung der Auffassung des Verbrauchers obliegt zwar im Wesentlichen dem Tatrichter. Im Revisionsverfahren ist allerdings zu prüfen, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff zutreffend erfasst und ohne Widersprüche zu Denkgesetzen und Erfahrungssätzen geurteilt hat und ob das gewonnene Ergebnis von den getroffenen Feststellungen getragen wird (BGH, Urteil vom 11. April 2013 - I ZR 214/11, GRUR 2013, 1239 Rn. 21 = WRP 2013, 1601 - VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion).

21

Im Streitfall kann auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht angenommen werden, dass der Verkehr in der Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" allein den Hinweis auf die Inhaltsstoffe des so bezeichneten Lebensmittels sieht. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass das Lebensmittel als Inhaltsstoffe die präbiotische Komponente Calactooligosaccharide und als probiotische Komponente das Bakterium Lactobacillus fermentum hereditum enthält. Es ist ferner davon ausgegangen, dass der angesprochene Verkehr die Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" dahin versteht, dass das von der Beklagten angebotene Lebensmittel Probiotika und Präbiotika, also Bestandteile enthält, die sich als probiotisch und präbiotisch qualifizieren lassen. Durch die Eigenschaften "probiotisch" und "präbiotisch" eines Lebensmittels wird ein Wirkungsbezug zum Gesundheitszustand des Konsumenten hergestellt. So hat das Landgericht festgestellt, dass damit die Fähigkeit ausgedrückt wird, die natürliche Darmfunktion und die Abwehrkräfte zu stimulieren. Dies entspricht der Lebenserfahrung (vgl. auch Gerstberger, ZLR 2012, 723, 725 mwN) und wird auch dadurch gestützt, dass die Kommission der Europäischen Union in der Angabe "contains probiotics/prebiotics" ein typisches Beispiel für die Erklärung einer gesundheitsfördernden Wirkung im Sinne einer gesundheitsbezogenen Angabe gesehen hat (vgl. Guidance on the implemantation of Regulation No 1924/2006 on nutrition and health claims made on foods conclusions of the Standing Committee on the Food Chain and Animal Health vom 14. Dezember 2007, S. 11, vgl. dazu auch Gerstberger, ZLR 2012, 723, 727; Omsels, jurisPR-WettbR 9/2012, Anm. 3, E). Abweichende Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es sind auch sonst keine Umstände ersichtlich, die dafür sprechen könnten, dass die normativ zu bestimmende Auffassung des Durchschnittsverbrauchers nicht allein in den Angaben "Calactooligosaccharide" und "Lactobacillus fermentum hereditum" die Beschreibung eines Inhaltsstoffs sieht, sondern auch in der Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®", die erkennbar eng an die Wörter "Praebiotikum" und "Probiotikum" und damit an Begriffe angelehnt sind, die - wie etwa Narkotikum und Analgetikum - nach der Lebenserfahrung regelmäßig ein Mittel speziell in seiner Eigenschaft benennen, eine bestimmte Wirkung auf Körperfunktionen zu erzielen.

22

3. Die Abweisung des Klageantrags zu 1 ist auch nicht aus anderen Gründen richtig (§ 561 ZPO). Die Verwendung der Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" ist nicht durch Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 erlaubt. Danach dürfen Handelsmarken, Markennamen oder Phantasiebezeichnungen, die in der Kennzeichnung, Aufmachung oder Werbung für ein Lebensmittel verwendet werden und als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe aufgefasst werden können, ohne die in der Verordnung vorgesehenen Zulassungsverfahren verwendet werden, sofern der betreffenden Kennzeichnung, Aufmachung oder Werbung eine nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist, die der Verordnung entspricht. Wie bei der Prüfung des Klageantrags zu 2 dargelegt werden wird, ist der Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" mit der Wendung "zur Unterstützung einer gesunden Darmflora" eine gesundheitsbezogene Angabe beigefügt. Die Annahme des Berufungsgerichts, diese Angabe entspreche ebenfalls der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, weil sich die Beklagte auf die Übergangsvorschrift nach Art. 28 Abs. 6 Buchst. b dieser Verordnung berufen könne, ist jedoch nicht frei von Rechtsfehlern (dazu unter II). Es kann deshalb offenbleiben, ob es für die Privilegierung des Art. 1 Abs. 3 der Verordnung ausreicht, dass der zulassungsbedürftigen Marke Angaben beigefügt werden, die nicht positiv zugelassen sind, sondern hinsichtlich deren lediglich die Übergangsvorschrift nach Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung eingreift. Auch die Beifügung der Angabe "Mit natürlichen Milchsäurekulturen" rechtfertigt die Verwendung der Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" nicht (vgl. Gerstberger, ZLR 2012, 723, 730 f.). Abweichendes macht auch die Revisionserwiderung nicht geltend.

23

4. Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen kann nicht abschließend beurteilt werden, ob der Klägerin der mit dem Unterlassungsantrag zu 1 geltend gemachte Anspruch und die darauf bezogenen Folgeansprüche in Bezug auf die Verwendung der Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" zustehen. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die Verwendung dieser Bezeichnung auch dann, wenn sie als gesundheitsbezogene Angabe anzusehen ist, nach der Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zulässig ist. Danach dürfen Produkte mit bereits vor dem 1. Januar 2005 bestehenden Handelsmarken oder Markennamen, die als eine nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der Verordnung aufgefasst werden können (vgl. EuGH, GRUR 2013, 1061 Rn. 36 - Green-Swan Pharmaceuticals) und die der Verordnung nicht entsprechen, bis zum 19. Januar 2022 weiterhin in den Verkehr gebracht werden. Die Revisionserwiderung weist insoweit im Wege der Gegenrüge auf den Vortrag der Beklagten hin, wonach die Marken "Praebiotik" und "Probiotik" bereits vor dem 1. Januar 2005 zur Kennzeichnung von Lebensmitteln benutzt worden seien.

24

II. Mit Erfolg wendet sich die Revision ferner gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der auf die Untersagung der Verwendung der Angabe

Praebiotik® + Probiotik®

Mit natürlichen Milchsäurekulturen

Praebiotik® zur Unterstützung einer gesunden Darmflora

gerichtete Unterlassungsantrag zu 2 und die darauf bezogenen Folgeanträge seien unbegründet.

25

1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, die Aussage

Praebiotik® zur Unterstützung einer gesunden Darmflora

sei zwar eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Sie dürfe jedoch nach der Übergangsbestimmung des Art. 28 Abs. 6 Buchst. b dieser Verordnung von der Beklagten derzeit noch verwendet werden. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

26

a) Nach Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dürfen gesundheitsbezogene Angaben, die - wie im Streitfall - keiner Bewertung durch einen Mitgliedstaat unterzogen und nicht zugelassen wurden, weiterhin verwendet werden, sofern vor dem 19. Januar 2008 ein Antrag nach der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 gestellt wurde; gesundheitsbezogene Angaben, die nicht nach diesem Verfahren zugelassen wurden, dürfen bis zu sechs Monate nach einer Entscheidung im Sinne des Art. 17 Abs. 3 der Verordnung weiter verwendet werden.

27

Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Dachorganisation der Hersteller diätetischer Lebensmittel IDACE am 18. Januar 2008 nach Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bei der Wettbewerbsbehörde Frankreichs einen Antrag auf Zulassung unter anderem der Angabe

Prebiotic fibre supports development of healthy intestinal flora

gestellt hat. Dagegen erhebt die Revision keine Beanstandung.

28

b) Im Streitfall kann offenbleiben, ob ein Antrag eines Verbandes für die Anwendung des Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ausreicht oder ob ein Antrag von jedem Unternehmen gesondert gestellt werden muss, das die Angabe verwenden möchte (vgl. dazu Meisterernst/Haber aaO Art. 28 Rn. 28g f.). Zugunsten der Beklagten kann weiter unterstellt werden, dass die Antragstellung bei einem Mitgliedstaat ausreicht, also kein entsprechender Antrag für jeden Mitgliedstaat der Europäischen Union gestellt werden muss (vgl. dazu OLG Hamburg, WRP 2013, 99, 101; Meisterernst in Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 19. Lfg. Feb. 2013, Art. 28 Rn. 28h). Offenbleiben kann schließlich, ob die Beklagte die angegriffene Angabe bereits vor dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 am 19. Januar 2007 im Sinne von Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung verwendet hat (vgl. dazu OLG Hamburg, WRP 2013, 99, 102; Meisterernst in Meisterernst/Haber aaO Art. 28 Rn. 26; Gerstberger, ZLR 2012, 723, 733). Entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts kann jedenfalls nicht angenommen werden, dass der Antrag der IDACE die Verwendung der Aussage "Praebiotik® zur Unterstützung einer gesunden Darmflora" inhaltlich rechtfertigt.

29

aa) Bei der Prüfung, ob eine verwendete gesundheitsbezogene Angabe inhaltlich mit einer im Sinne von Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 angemeldeten Angabe übereinstimmt, ist ein strenger Maßstab anzulegen (OLG Hamburg, WRP 2013, 99, 101; Meisterernst in Meisterernst/Haber aaO Art. 28 Rn. 28h). Dafür spricht zunächst der Wortlaut der Bestimmung. Danach kann diejenige Angabe weiterhin verwendet werden, hinsichtlich deren ein Antrag nach der Verordnung gestellt worden ist. Es muss sich also um die nämliche Angabe handeln. Auch der Sinn und Zweck sowie die Systematik der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 sprechen dafür, an die Übereinstimmung der verwendeten mit der beantragten Angabe strenge Anforderungen zu stellen. Die Übergangsbestimmung des Art. 28 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ist eine Ausnahme vom Verbotstatbestand des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung. Das dort statuierte grundsätzliche Verbot der Verwendung nicht zugelassener Angaben dient dem Zweck der Richtlinie, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten (Erwägungsgründe 1, 36). Aus der systematischen Konzeption der Verordnung, wonach die Zulassung von gesundheitsbezogenen Angaben grundsätzlich die Aufnahme in eine Positivliste nach einer wissenschaftlichen Nachprüfung voraussetzt, folgt ferner, dass dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit besondere Bedeutung zukommt (vgl. auch Erwägungsgrund 31). Damit stünde es nicht im Einklang, im Wege einer extensiven Anwendung der Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 die Verwendung von Angaben zu gestatten, die sich nicht eng mit der beantragten Angabe decken.

30

bb) Diese Anforderungen an die inhaltliche Übereinstimmung der werblichen Behauptung

Praebiotik® zur Unterstützung einer gesunden Darmflora

mit der Angabe im Zulassungsantrag

Prebiotic fibre supports development of healthy intestinal flora

sind im Streitfall nicht erfüllt. In der angemeldeten Angabe wird einem Inhaltsstoff ("fibre", also "Faser/Ballaststoff") eine probiotische Wirkung zur Unterstützung der Entwicklung einer gesunden Darmflora zugeschrieben. Dagegen handelt es sich bei dem von der Beklagten verwendeten Begriff "Praebiotik®" um ein Kunstwort, das der Verbraucher - auch nahegelegt durch das stilisierte "R" im Kreis (®) (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. Dezember 1989 - I ZR 1/88, GRUR 1990, 364, 366 - Baelz; Urteil vom 26. Februar 2009 - I ZR 219/06, GRUR 2009, 888 Rn. 15 = WRP 2009, 1080 - Thermoroll; Urteil vom 10. Januar 2013 - I ZR 84/09, GRUR 2013, 840 Rn. 35 = WRP 2013, 1039 - PROTI II) - als Marke und damit als Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen versteht. Dass das Markenwort sich an den Begriff "Praebiotikum" anlehnen und im Sinne eines sprechenden Zeichens beschreibende Anklänge im Sinne eines Mittels mit probiotischer Wirkung aufweisen mag, ändert nichts daran, dass der Begriff - auch nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - eindeutig als ein Kennzeichen gebildet ist und auch als solches erkannt wird.

31

Zwischen einem markentypisch auf ein einziges Unternehmen hinweisenden Kennzeichen und der - zudem von einem Verband zugunsten einer Vielzahl von in Betracht kommenden Verwendern angemeldeten - rein beschreibenden Angabe eines Inhaltsstoffs besteht aber ein grundlegender inhaltlicher Unterschied, der der Anwendung der Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 entgegensteht (ebenso OLG Hamburg, WRP 2013, 99, 101 f.; Gerstberger, ZLR 2012, 723, 732).

32

Die abweichende Ansicht des Berufungsgerichts läuft auf eine Privilegierung der Verwendung von Marken mit beschreibenden Anklängen hinaus, die mit der Systematik und dem Sinn und Zweck der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht im Einklang steht. Nach Erwägungsgrund 4 der Verordnung findet diese auch auf Handelsmarken und sonstige Markennamen Anwendung, die als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe ausgelegt werden können. Eine Privilegierung solcher Marken sieht die Verordnung allein insoweit vor, als dem Verwender nach Art. 1 Abs. 3 der Verordnung ein Wahlrecht im Hinblick auf die Beifügung einer gesundheits- oder ernährungsbezogenen Angabe zusteht und ihm in Art. 28 Abs. 2 der Verordnung eine weitreichende Übergangsfrist gewährt wird. Dagegen ist nichts dafür ersichtlich, dass dem Verwender einer solchen Marke darüber hinaus auch eine Privilegierung dahingehend zukommen soll, dass bei der Prüfung der Übereinstimmung der angemeldeten mit der verwendeten Angabe im Sinne des Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung der Kennzeichencharakter der verwendeten Angabe außer Betracht gelassen werden kann. Vielmehr steht dem der Zweck der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 entgegen, ein hohes Verbraucherschutzniveau und eine transparente und rechtssichere Handhabung der Erlaubnistatbestände zu gewährleisten.

33

c) Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten, da keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung der hier entscheidungserheblichen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bestehen (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257, 1258 - C.I.L.F.I.T.).

34

2. Die auf den Unterlassungsantrag zu 2 bezogenen Folgeanträge sind ebenfalls begründet. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch folgt aus § 9 UWG, der Auskunftsanspruch ergibt sich aus § 242 BGB.

35

3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Unterlassungsantrag zu 2 und die darauf bezogenen Folgeanträge auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung seien unbegründet, erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht bedarf es insoweit nicht, weil der Senat auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts selbst entscheiden kann und weiterer Sachvortrag der Beklagten hierzu nicht zu erwarten ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

36

III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).

37

1. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuweisen, soweit es in Abänderung des landgerichtlichen Urteils den Unterlassungsantrag zu 1 und die darauf bezogenen Folgeanträge abgewiesen hat (§ 563 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob die Marken "Praebiotik" und "Probiotik" bereits vor dem 1. Januar 2005 zur Kennzeichnung von Lebensmitteln benutzt worden sind. War dies nicht der Fall, scheidet die Anwendung der Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 von vornherein aus. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut erlaubt diese Bestimmung die Fortsetzung des Vertriebs von Produkten, die bereits vor dem 1. Januar 2005 in den Verkehr gebracht wurden. Dass zu diesem Zeitpunkt lediglich die beanstandete Marke bestand, reicht nicht aus (vgl. EuGH, GRUR 2013, 1061 Rn. 37 und Leitsatz 3 - Green-Swan Pharmaceuticals; Schoene, GRUR-Prax 2013, 369; aA Blass in Blass/Brustbauer/Hauer/Kainz/Königshofer/Mahmood/Natterer/Stangl/Stuller, Lebensmittelrecht, 8. Lieferung, März 2013, Art. 28 EG-ClaimsVO Rn. 5; Oechsler, LMK 2013, 351275). Sollte das Berufungsgericht eine Verwendung der beanstandeten Bezeichnungen für Lebensmittel vor dem Stichtag feststellen, wird es der weiteren Frage nachgehen müssen, ob es sich bei der vom Unterlassungsantrag zu 1 erfassten Babynahrung um ein Produkt handelt, dass vom vor dem 1. Januar 2005 unter diesen Bezeichnungen in den Verkehr gebrachten Lebensmittel im Hinblick auf Rezeptur oder Eigenschaften abweicht. Liegt eine solche Abweichung vor, stellt sich die weitere, vom Gerichtshof der Europäischen Union noch nicht entschiedene Frage, ob es für die Anwendung des Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ausreicht, dass es vor 2005 überhaupt Produkte mit der beanstandeten Kennzeichnung gab oder ob die Privilegierung dieser Vorschrift nur für solche gekennzeichneten Lebensmittel gilt, die seit dem 1. Januar 2005 unverändert vertrieben werden (vgl. Meisterernst in Meisterernst/Haber aaO Art. 28 Rn 11; Hüttebräuker, ZLR 2013, 578, 584 f.; Gerstberger, ZLR 2012, 723, 728 f.; Ziegler, ZLR 2007, 529, 536).

38

2. Soweit das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin im Hinblick auf den Unterlassungsantrag zu 2 und die darauf bezogenen Folgeanträge zurückgewiesen hat, ist sein Urteil aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Bornkamm     

        

RiBGH Pokrant ist in Urlaub und
kann daher nicht unterschreiben.

        

Büscher

                 

Bornkamm

                 
        

Koch     

        

     Löffler     

        

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I Z R 3 6 / 1 1 Verkündet am:
12. Februar 2015
Bürk
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Monsterbacke II
UWG § 4 Nr. 11, § 12 Abs. 1 Satz 2; LFGB aF § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1; Verordnung
(EG) Nr. 1924/2006 Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 und 5, Art. 3 Unterabs. 2
Buchst. a, Art. 10 Abs. 1 bis 3

a) Die speziellen Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 verdrängen
nicht die allgemeine Regelung über den Täuschungsschutz in Art. 2 Abs. 1
Buchst. a der Richtlinie 2000/13/EG, sondern ergänzen diese lediglich.

b) Bei einem Früchtequark handelt es sich für den Verbraucher erkennbar um
ein Produkt, das sich in seiner Zusammensetzung deutlich von Milch unterscheidet
, so dass sich eine Gleichstellungsbehauptung wie "So wichtig wie
das tägliche Glas Milch" nicht auf den Zuckeranteil der Produkte bezieht.

c) Da sich die besonderen positiven Nährwerteigenschaften gemäß Art. 2
Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aus dem Brennwert des
beworbenen Lebensmittels oder den in ihm enthaltenen Nährstoffen oder
Substanzen ergeben, muss sich auch das Verbraucherverständnis auf eine
Eigenschaft beziehen, die der durch das Lebensmittel gelieferten Energie
oder einem bestimmten, in ihm enthaltenen Nährstoff oder einer anderen
Substanz geschuldet ist.

d) Die Bestimmung des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 stellt
eine der Besonderheit von Verweisen auf nichtspezifische Vorteile Rechnung
tragende lex specialis gegenüber der allgemeinen Regelung des Art. 10
Abs. 1 dieser Verordnung dar. Die Regelung des Art. 10 Abs. 2 der Verordnung
(EG) Nr. 1924/2006 steht demgegenüber selbständig neben der des
Art. 10 Abs. 1 und 3 dieser Verordnung und gilt daher auch für gesundheitsbezogene
Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG)
Nr. 1924/2006.

e) Eine Abmahnung ist nur insoweit berechtigt im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2
UWG, als sie den Abgemahnten in die Lage versetzt zu erkennen, dass ihm
berechtigterweise der Vorwurf eines wettbewerbswidrigen Verhaltens gemacht
wird.

f) Ein Lebensmittelunternehmer, der gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel
macht, trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass Informationen
gemäß Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 im Einzelfall
verzichtbar sind.
BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - I ZR 36/11 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. November 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher,
die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Koch, Dr. Löffler und die Richterin
Dr. Schwonke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 3. Februar 2011 aufgehoben.
Hinsichtlich der von der Klägerin in der Revisionsverhandlung vom 17. November 2014 gestellten Hilfsanträge sowie der Kosten der Rechtsmittelverfahren wird die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 34. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 31. Mai 2010 zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte produziert und vertreibt Milchprodukte. Zu ihren Produkten gehört ein Früchtequark "Monsterbacke", der im Handel in Verkaufseinheiten angeboten wird, die aus sechs 50-Gramm-Bechern bestehen. Auf der Oberseite der Verkaufseinheiten befand sich Ende des Jahres 2009 und im Jahr 2010 der Werbeslogan "So wichtig wie das tägliche Glas Milch!". Nach der auf der Verpackung seitlich angebrachten Nährwerttabelle hat das Produkt der Beklagten pro 100 g einen Brennwert von 105 kcal, einen Zuckergehalt von 13 g, einen Fettanteil von 2,9 g und einen Calciumgehalt von 130 mg. Bei 100 g Kuhmilch beträgt der Calciumgehalt ebenfalls 130 mg; der Zuckergehalt liegt dort bei 4,7 g.
2
Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hält den Werbeslogan der Beklagten für irreführend. Er enthalte die Aussage, das speziell für Kinder aufgemachte Produkt sei ebenso wichtig wie Milch, weil es ebenso wie diese Calcium als gesundheitsfördernden Bestandteil enthalte. Es fehle ein Hinweis darauf, dass ein mit einem 0,2-Liter-Glas Milch vergleichbarer Calciumgehalt nicht schon mit dem Verzehr des Inhalts eines 0,05-LiterBechers der Verkaufseinheit, sondern erst bei vier solchen Bechern erreicht werde. Wenn man von einem alternativen Lebensmittel ausgehe, sei der Slogan ebenfalls irreführend, weil nicht auf den im Vergleich zu Milch etwa 2,8-mal so hohen Zuckergehalt hingewiesen und dem Verbraucher daher der unrichtige Eindruck vermittelt werde, das Produkt habe dieselbe Wertigkeit wie Milch und stelle damit ein Alternativlebensmittel zu ihr dar. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Verpackung vor allem die besonders schutzbedürftigen Kinder anspreche. Der beanstandete Werbeslogan enthaIte zudem nährwertbezogene sowie gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel und verstoße daher auch gegen Art. 9 und Art. 10 der zeitlich bereits anwendbaren Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel. Mit dem Hinweis auf Milch werde zumindest mittelbar erklärt, dass das beworbene Produkt ebenfalls viel Calcium enthalte, so dass keine bloße Beschaffenheitsangabe vorliege, sondern ein Vorteil für die Gesundheit des Konsumenten versprochen werde.
3
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen , es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd Ehrmann Monsterbacke Früchtequark mit "So wichtig wie das tägliche Glas Milch!" zu bewerben und/oder bewerben zu lassen.
4
Darüber hinaus hat die Klägerin von der Beklagten die Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 208,65 € nebst Zinsen verlangt.
5
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, ihr Produkt sei ein mit Milch vergleichbares Alternativlebensmittel; der auf niedrigem Niveau unterschiedliche Zuckergehalt sei unerheblich. Der Verbraucher setze das beanstandete Produkt nicht mit Milch gleich. Die Bezugnahme auf das "Glas Milch" besage lediglich, dass es sich um ein mit Milch vergleichbares Erzeugnis handele. Der streitgegenständliche Slogan bringe keine besondere Nährwerteigenschaft des Produkts zum Ausdruck und stelle daher lediglich eine von der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht erfasste Beschaffenheitsangabe dar. Er enthalte keine Aussage über spezifische Inhaltsstoffe wie etwa den Calciumgehalt oder den Vitamingehalt des Produkts und weise auch keinen Gesundheitsbezug auf, da er sich in der allgemein gehaltenen Bezugnahme auf Milch erschöpfe.
6
Das Berufungsgericht hat der im ersten Rechtszug erfolglosen Klage stattgegeben (OLG Stuttgart, ZLR 2011, 352). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, der die Klägerin entgegentritt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
7
Mit Beschluss vom 5. Dezember 2012 hat der Senat dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt (BGH, GRUR 2013, 189 = WRP 2013, 180 - Monsterbacke I): Mussten die Hinweispflichten nach Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bereits im Jahre 2010 befolgt werden?
8
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Frage wie folgt beantwortet (EuGH, Urteil vom 10. April 2014 - C-609/12, GRUR 2014, 587 = WRP 2014, 819 - Ehrmann): Die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel in der durch die Verordnung (EU) Nr. 116/2010 der Kommission vom 9. Februar 2010 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Hinweispflichten nach Art. 10 Abs. 2 dieser Verordnung im Jahr 2010 bereits für gesundheitsbezogene Angaben galten, die nicht nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung in Verbindung mit ihrem Art. 28 Abs. 5 und 6 verboten waren.
9
In der Revisionsverhandlung vom 17. November 2014 hat die Klägerin weiter hilfsweise beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen , es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd Ehrmann Monsterbacke Früchtequark mit der Angabe "So wichtig wie das tägliche Glas Milch!" zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, ohne dass die Aufmachung der Lebensmittel und/oder die Lebensmittelwerbung folgende Informationen im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. a, b, c und d der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 tragen:
a) einen Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise,
b) Informationen zur Menge des Lebensmittels und zum Verzehrmuster, die erforderlich sind, um die behauptete positive Wirkung zu erzielen,
c) einen Hinweis an Personen, die es vermeiden sollten, dieses Lebensmittel zu verzehren,
d) einen geeigneten Warnhinweis, dass das Produkt bei übermäßigem Verzehr eine Gesundheitsgefahr darstellen könnte, wenn dies geschieht wie in der nachstehend eingeblendeten Anlage K 1:
10
Weiter hilfsweise hat die Klägerin in der Revisionsverhandlung vom 17. November 2014 beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen , es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd Ehrmann Monsterbacke Früchtequark mit der Angabe "So wichtig wie das tägliche Glas Milch!" zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, ohne dass die Aufmachung der Lebensmittel und/oder die Lebensmittelwerbung folgende Informationen im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. a, b, c und d der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 tragen:
a) einen Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise,
b) Informationen zur Menge des Lebensmittels und zum Verzehrmuster, die erforderlich sind, um die behauptete positive Wirkung zu erzielen,
c) gegebenenfalls einen Hinweis an Personen, die es vermeiden sollten, dieses Lebensmittel zu verzehren,
d) einen geeigneten Warnhinweis, dass das Produkt gegebenenfalls bei übermäßigem Verzehr eine Gesundheitsgefahr darstellen könnte, wenn dies geschieht wie in der vorstehend eingeblendeten Anlage K 1.

Entscheidungsgründe:


11
I. Das Berufungsgericht hat gemeint, der beanstandete Werbeslogan der Beklagten stelle zwar weder eine nährwertbezogene Angabe noch eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der vorrangig anzuwendenden Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dar. Er sei aber irreführend im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 des subsidiär anwendbaren Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (aF). Dazu hat es ausgeführt:
12
Eine nährwertbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 liege nur vor, wenn unmittelbar oder mittelbar erklärt werde, dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften habe. Mit der im Streitfall in Rede stehenden unspezifischen Angabe werde jedoch keine positive ernährungsbezogene oder physiologische Wirkung behauptet. Eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 setze einen Hinweis auf die Bedeutung des Lebensmittels oder eines darin enthaltenen Stoffs für das gesundheitsbezogene Wohlbefinden voraus. Die beanstandete Angabe beziehe sich aber weder auf die Gesundheit noch auf das gesundheitsbezogene Wohlbefinden. Sie enthalte nicht einmal eine Aussage zum allgemeinen Wohlbefinden.
13
Der beanstandete Werbeslogan, der deshalb nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 falle, sei allerdings im Sinne des damit anwendbaren § 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 LFGB (aF) insofern irrefüh- rend, als er geeignet sei, über den Zuckergehalt des beworbenen Produkts zu täuschen. Der angesprochene Verkehr nehme aufgrund der vergleichenden Bezugnahme auf das "tägliche Glas Milch" an, das Produkt weise vor allem bei Kindern im Falle seines (nahezu) täglichen Konsums ähnliche Vorteile für die Ernährung auf wie Milch, ohne dass es wegen seiner von Milch abweichenden Zusammensetzung mit Nachteilen verbunden sei. Eine Irreführung folge zwar nicht daraus, dass ein 50-Gramm-Becher des Produkts der Beklagten nicht ebenso viel Calcium enthalte wie ein Glas mit 200 ml Milch; sie ergebe sich aber daraus, dass das Produkt der Beklagten auf dieselbe Menge bezogen das 2,7- bis 2,8-fache an Zucker enthalte wie Milch. Der Verbraucher rechne bei einem mit dem Slogan "So wichtig wie das tägliche Glas Milch!" beworbenen Früchtequark nicht mit einer derart deutlich abweichenden Zusammensetzung des Produkts, die vor allem für Kinder mit Nachteilen verbunden sein könne. Die damit gegebene Fehlvorstellung begründe auch eine für den angesprochenen Verkehr relevante Irreführung, weil der Zuckergehalt eines Lebensmittels bei einem auf Kinder zugeschnittenen Produkt von Bedeutung sei. Die Irreführung werde ferner nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich der Zuckergehalt des Produkts der Beklagten aus der auf seiner Verpackung angebrachten Nährwerttabelle ergebe; es könne nicht angenommen werden, dass der Zuckergehalt von Milch dem Verkehr geläufig sei.
14
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit noch über die von der Klägerin in der Revisionsverhandlung vom 17. November 2014 gestellten Hilfsanträge zu befinden sein wird, und im Übrigen zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden Urteils des Landgerichts. Das Berufungsgericht hat den Unterlassungshauptantrag zu Unrecht als gemäß §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 LFGB (aF) begründet angesehen (dazu unter II 1). Der beanstandete Werbeslogan der Beklagten stellte auch - wie das Beru- fungsgericht mit Recht angenommen hat - keine nährwertbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dar (dazu unter II 2). Er enthielt allerdings eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne eines Verweises auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Lebensmittels im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5, Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, die als solche auch schon im Jahr 2010 gegebenenfalls nur dann hätte gemacht dürfen, wenn die in Art. 10 Abs. 2 dieser Verordnung genannten Informationen ganz oder immerhin teilweise gegeben worden wären (dazu unter II 3). Ebenfalls nicht begründet ist dagegen der von der Klägerin ferner geltend gemachte Anspruch auf Ersatz ihrer Abmahnkosten (dazu unter II 4).
15
1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die von der Klägerin beanstandete Werbung der Beklagten irreführend im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 LFGB aF war.
16
a) Zum Zeitpunkt der angegriffenen Werbung und der Entscheidung der Vorinstanzen war § 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 LFGB in der seit dem 4. Juli 2009 maßgeblichen Fassung in Kraft. Die Bestimmung des § 11 LFGB ist nachfolgend wiederholt novelliert worden. In der bis zum 12. Dezember 2014 maßgeblichen Fassung ist § 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 LFGB unverändert geblieben (nachfolgend § 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 LFGB aF). Da die Voraussetzungen der Bestimmung zum Zeitpunkt der beanstandeten Handlung nicht vorlagen, kommt es nicht darauf an, ob ein Verstoß gegen § 11 LFGB in der bei Urteilserlass in der Revisionsinstanz seit dem 13. Dezember 2014 maßgeblichen Fassung vom 5. Dezember 2014 gegeben ist. Inhaltlich ist die Neufassung des § 11 Abs. 1 LFGB - was den in Rede stehenden Fragenkreis anbelangt - aber unverändert geblieben. Das folgt aus dem jetzt in der Vorschrift enthaltenen Verweis auf Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Informationen der Verbraucher über Lebensmittel (LMIV).

17
Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Anwendung der in § 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 LFGB aF enthaltenen Regelung, die ihre unionsrechtliche Grundlage im nahezu wortgleichen Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziffer i der Richtlinie 2000/13/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür hatte, die ihrerseits gemäß Art. 53 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1169/2011 mit Wirkung vom 13. Dezember 2014 aufgehoben worden ist, durch die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht ausgeschlossen wurde. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der beanstandete Werbeslogan der Beklagten eine nährwertbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 dieser Verordnung oder eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung enthält oder darstellt. Der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 kommt insoweit kein Vorrang gegenüber der genannten Regelung in der Richtlinie 2000/13/EG zu, die nach ihrem Artikel 18 eine im Grundsatz vollständige Harmonisierung der Vorschriften über die Etikettierung und Werbung für Lebensmittel bezweckte (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 15. Juli 2004 - C-239/02, SIg. 2004, l-7007 = GRUR Int. 2004, 1016 Rn. 37 bis 46 = ZLR 2004, 600 - Douwe Egberts).
18
Nach dem Erwägungsgrund 3 Satz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/ 2006 sollen mit dieser Verordnung die allgemeinen Grundsätze der Richtlinie 2000/13/EG ergänzt und spezielle Vorschriften für die Verwendung nährwertbezogener und gesundheitsbezogener Angaben bei Lebensmitteln festgelegt werden , die an den Endverbraucher abgegeben werden sollen. Die speziellen Vorschriften sollen allerdings die allgemeine Regelung über den Täuschungsschutz in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/13/EG nicht verdrängen, sondern lediglich ergänzen. Dies folgt aus Art. 3 Unterabs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, wonach die verwendeten nährwertbezogenen und gesundheitsbezogenen Angaben unbeschadet der Richtlinie 2000/13/EG und der Richtlinie 84/450/EWG - an deren Stelle ist mittlerweile die Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung getreten - nicht falsch, mehrdeutig oder irreführend sein dürfen (vgl. Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 111, 152. Lief. März 2013, Art. 3 Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Rn. 9; vgl. auch OLG Düsseldorf, MD 2011, 503, 515; OLG Hamm, LMuR 2011, 159, 161).
19
b) Das Berufungsgericht hat den streitgegenständlichen Werbeslogan der Beklagten aber zu Unrecht als irreführend im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 LFGB aF angesehen.
20
aa) Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 LFGB aF war es verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen oder für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Eine Irreführung lag gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB aF vor, wenn bei einem Lebensmittel zur Täuschung geeignete Aussagen über die Beschaffenheit gemacht wurden.
21
bb) Die vom Berufungsgericht zur Verkehrsauffassung und zum Vorliegen einer Irreführung getroffenen Feststellungen liegen im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Sie können im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht bei seiner Würdigung gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 Rn. 42 - Biomineralwasser; Urteil vom 24. September 2013 - I ZR 89/12, GRUR 2013, 1254 Rn. 16 = WRP 2013, 1596 - Matratzen Factory Outlet; Urteil vom 6. November 2013 - I ZR 104/12, GRUR 2014, 88 Rn. 31 = WRP 2014, 57 - Vermittlung von Netto-Policen, jeweils mwN).

22
cc) Ein solcher Rechtsfehler liegt im Streitfall vor. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Verbraucher erwarteten bei einem mit dem Werbeslogan "So wichtig wie das tägliche Glas Milch!" beworbenen Früchtequark ein Produkt, das bei (nahezu) täglichem Konsum ähnliche Vorteile wie Milch aufweise, ohne dass ein solcher Konsum aufgrund einer von Milch deutlich abweichenden Zusammensetzung mit Nachteilen, insbesondere für Kinder, verbunden sein könne. Das Berufungsgericht hat dabei außer Acht gelassen, dass es sich bei einem Früchtequark - für den Verbraucher erkennbar - um ein Produkt handelt, das sich in seiner Zusammensetzung deutlich von Milch unterscheidet , so dass sich die Gleichstellungsbehauptung des beanstandeten Slo- gans ("So wichtig wie …") nicht auf sämtliche Inhaltsstoffe und insbesondere nicht auf den Zuckeranteil beziehen kann, der bei einem Früchtequark schon wegen des darin enthaltenen Fruchtzuckers naturgemäß höher ist als bei Milch. Dass beim Produkt der Beklagten der Zuckeranteil höher wäre, als dies bei einem Früchtequark zu erwarten ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
23
(1) Dem Verbraucher ist geläufig, dass ein Früchtequark, der außer der in ihm verarbeiteten Milch auch andere Inhaltstoffe enthält, sowohl hinsichtlich des Nährwerts als auch hinsichtlich seiner möglichen gesundheitsfördernden Eigenschaften von Milch durchaus abweichen kann. Davon ist auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.
24
(2) Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin beanstandeten Werbeslogan insofern überinterpretiert, als es ihm die Behauptung entnommen hat, das Produkt der Beklagten weise in seiner Zusammensetzung generell keine deutlichen Abweichungen auf, die für die Ernährung von Kindern mit Nachteilen verbunden sein könnten. Es hat dabei nicht genügend berücksichtigt, dass sich der in dem Slogan enthaltene Eigenschaftsvergleich auf die Wichtigkeit der verglichenen Produkte bezieht und damit grundsätzlich auch darauf beschränkt.
Bei Milch wird gemeinhin ihre Eigenschaft, den Aufbau der Knochen zu fördern, als wichtig angesehen. In dieser Hinsicht bleibt das Produkt der Beklagten, das sogar einen etwas höheren Calciumgehalt aufweist als Milch, nicht hinter den mit der beanstandeten Werbung geweckten Erwartungen zurück. Dagegen sieht der Verkehr den Zuckergehalt der Milch - auch nach Ansicht des Berufungsgerichts , das festgestellt hat, es könne nicht angenommen werden, dass dem Verkehr der Zuckergehalt von Milch geläufig sei - grundsätzlich nicht als einen für eine ausgewogene und gesunde Ernährung wichtigen Faktor an.
25
(3) Da dem Verkehr weiterhin bekannt ist, dass die in einem Früchtequark verarbeiteten Früchte in erheblichem Umfang Fruchtzucker enthalten, kann der streitgegenständliche Werbeslogan allenfalls unter besonderen Umständen als irreführende Angabe über die Zusammensetzung des beworbenen Produkts im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 LFGB aF zu beurteilen sein. Eine Irreführung könnte etwa dann vorliegen, wenn der gegenüber Milch erheblich höhere Zuckergehalt beim Produkt der Beklagten darauf beruht, dass dieses zusätzlich gesüßt wäre. Davon kann nach den Feststellungen des Berufungsgerichts allerdings nicht ausgegangen werden.
26
2. Das beantragte Verbot kann auch nicht aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 wegen eines Verstoßes gegen die Bestimmungen der Verordnung über nährwertbezogene Angaben hergeleitet werden. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der von der Klägerin beanstandete Werbeslogan keine nährwertbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 enthält.
27
a) Nach dieser Vorschrift bezeichnet der Ausdruck "nährwertbezogene Angabe" jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel aufgrund der Energie (des Brennwerts), die es liefert, in vermindertem oder erhöhtem Maße liefert oder nicht liefert, oder aufgrund der Nährstoffe oder anderen Substanzen, die es enthält, in verminderter oder erhöhter Menge enthält oder nicht enthält, besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt.
28
b) Der Begriff der nährwertbezogenen Angabe ist ungeachtet dessen, dass sich zwischen nährwertbezogenen und gesundheitsbezogenen Angaben Überschneidungen ergeben können (Rathke in Zipfel/Rathke aaO Vorbemerkung Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Rn. 8), vom Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe abzugrenzen. Während mit gesundheitsbezogenen Angaben ein Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und dem gesundheitlichen Wohlbefinden hergestellt wird, beziehen sich nährwertbezogene Angaben auf die Menge an Nährstoffen, anderen Substanzen oder Energie, die in einem Lebensmittel enthalten sind (Rathke in Zipfel/Rathke aaO Art. 9 Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Rn. 108). Wie die im Anhang zu Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aufgeführten Angaben zeigen, sind vor allem solche Angaben als nährwertbezogen anzusehen, die sich unmittelbar auf die Energie, die das Lebensmittel liefert, oder die in diesem enthaltenen Inhaltsstoffe mit ernährungsbezogener Wirkung beziehen (Rathke in Zipfel /Rathke aaO Art. 2 Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Rn. 36a; Meisterernst in Meisterernst/Haber, Health & Nutrition Claims, 22. Lief. Februar 2014, Art. 2 Rn. 17). Nährwertbezogen sind darüber hinaus solche Angaben, die (nur) eine Sachinformation in Bezug auf einen bestimmten Nährstoff vermitteln (vgl. hierzu Guidance on the implementation of Regulation No°1924/2006 on nutrition and health claims made on foods conclusions of the Standing Committee on the Food Chain and Animal Health unter III.1 [abgedruckt bei Meisterernst/Haber aaO 4. Lief. April 2008, Appendix A.I. 1.1]). Der von der Klägerin angegriffene Slogan "So wichtig wie das tägliche Glas Milch" enthält keine Angaben, die sich unmittelbar auf die Energie, die das Lebensmittel liefert, oder die in ihm enthal- tenen Inhaltsstoffe mit ernährungsbezogener Wirkung beziehen oder eine konkrete Sachinformation in Bezug auf einen bestimmten Nährstoff vermitteln.
29
c) Im Hinblick darauf, dass eine Angabe gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auch dann nährwertbezogen ist, wenn mit ihr suggeriert oder nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, ein Lebensmittel besitze besondere positive Nährwerteigenschaften, kann eine Angabe ferner als nährwertbezogen anzusehen sein, wenn mit ihr bestimmte Assoziationen des Verbrauchers geweckt werden (Rathke in Zipfel/Rathke aaO Art. 2 Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Rn. 36a; Meisterernst in Meisterernst/Haber aaO 22. Lief. Februar 2014, Art. 2 Rn. 14). Da sich die besonderen positiven Nährwerteigenschaften gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aus dem Brennwert des beworbenen Lebensmittels oder den in ihm enthaltenen Nährstoffen oder Substanzen ergeben, muss sich auch das durch die Angabe hervorgerufene Verbraucherverständnis auf eine Eigenschaft beziehen, die der durch das Lebensmittel gelieferten Energie oder einem bestimmten , in ihm enthaltenen Nährstoff oder einer anderen Substanz geschuldet ist. Dies ist bei einer allgemein gehaltenen Gleichwertigkeitsbehauptung nicht der Fall, die auf ein Lebensmittel mit verschiedenen Nährstoffen Bezug nimmt, ohne dass der Verbraucher sie dahin versteht, dass sie sich auf sämtliche oder bestimmte Inhaltsstoffe des Vergleichslebensmittels bezieht (vgl. Epping, ZLR 2013, 183, 186).
30
d) Nach den Ausführungen unter II. 1 b cc (1) und (3) stellt ein Früchtequark ein Produkt dar, das sich in seiner Zusammensetzung deutlich von Milch unterscheidet. Dementsprechend fasst der Verbraucher den von der Klägerin beanstandeten Werbeslogan nicht als eine auf sämtliche Inhaltsstoffe dieser beiden Produkte bezogene Gleichstellungsbehauptung auf. Mit dem Slogan wird daher zum Zuckergehalt des Produkts der Beklagten nichts erklärt, nichts suggeriert und nichts auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht.

31
Der Umstand, dass dem angegriffenen Slogan die Aussage entnommen werden kann, das Produkt sei ebenso wichtig wie Milch, weil es wie diese unter anderem den Knochenaufbau fördernde Mineralstoffe enthalte, ändert nichts daran, dass mit dem Slogan nicht auf bestimmte Nährstoffe, sondern auf Milch als alternatives Lebensmittel Bezug genommen wird. Eine solche Bezugnahme genügt nicht, um die besonderen Nährwerteigenschaften des Produktes gerade im Blick auf seine Inhaltsstoffe herauszustellen (vgl. Conte-Salinas/KonnertzHäußler , StoffR 2014, 73, 76 f.). Der angegriffene Slogan enthält daher auch im Hinblick auf Calcium keine nährwertbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006.
32
3. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann jedoch ein Unterlassungsanspruch nach §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht abgelehnt werden. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft bei dem in Rede stehenden Slogan das Vorliegen der Voraussetzungen einer gesundheitsbezogenen Angabe verneint.
33
a) Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bezeichnet der Ausdruck "gesundheitsbezogene Angabe" jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Der Begriff "Zusammenhang" ist dabei weit zu verstehen (EuGH, Urteil vom 6. September 2012 - C-544/10, GRUR 2012, 1161 Rn. 34 = WRP 2012, 1368 - Deutsches Weintor; Urteil vom 18. Juli 2013 - C-299/12, GRUR 2013, 1061 Rn. 22 = WRP 2013, 1311 - Green Swan Pharmaceuticals; BGH, Urteil vom 26. Februar 2014 - I ZR 178/12, GRUR 2014, 500 Rn. 16 = WRP 2014, 562 - Praebiotik; Urteil vom 24. Juli 2014 - I ZR 221/12, GRUR 2014, 1013 Rn. 23 = WRP 2014, 1184 - Original Bach-Blüten). Der Begriff "gesundheitsbezogene Angabe" erfasst daher jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert (EuGH, GRUR 2012, 1161 Rn. 35 - Deutsches Weintor; BGH, GRUR 2014, 500 Rn. 16 - Praebiotik; GRUR 2014, 1013 Rn. 23 - Original Bach-Blüten).
34
b) Die im Streitfall beanstandete Werbung setzt bei den angesprochenen Verbrauchern voraus, dass sie von einer gesundheitsfördernden Wirkung der Milch, vor allem für Kinder und Jugendliche, ausgehen. Der Slogan knüpft an die verbreitete Meinung an, Kinder und Jugendliche sollten im Hinblick auf diese gesundheitsfördernde Wirkung, insbesondere wegen der enthaltenen Mineralstoffe , täglich ein Glas Milch trinken, und überträgt diese positive Wirkung auf das Produkt der Beklagten, das in dieser Hinsicht "dem täglichen Glas Milch" gleichgestellt wird. Damit wird ein Zusammenhang zwischen dem beworbenen Lebensmittel und der Gesundheit des Konsumenten suggeriert, der nach den vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten Grundsätzen ausreicht, um von einer gesundheitsbezogenen Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auszugehen.
35
c) Der vorstehend vorgenommenen Beurteilung steht nicht entgegen, dass der von der Klägerin beanstandete Werbeslogan der Beklagten keine nach Art. 13 oder 14 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zulassungsfähige Angabe , sondern lediglich einen Verweis auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile für die Gesundheit im Sinne von Art. 10 Abs. 3 dieser Verordnung darstellt.
36
aa) Bei Verweisen im Sinne dieser Bestimmung handelt es sich - anders als das Berufungsgericht gemeint hat - ebenfalls um gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2013 - I ZR 5/12, GRUR 2013, 958 Rn. 11 = WRP 2013, 1179 - Vitalpilze; Meisterernst in Meisterernst/Haber aaO 21. Lief. November 2013, Art. 10 Rn. 18; Rathke in Zipfel/Rathke aaO Art. 2 Rn. 46 und Art. 10 Rn. 7; Epping, ZLR 2013, 183, 187). Auch bei ihnen wird erklärt, suggeriert oder immerhin mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Sie unterfallen nur deshalb nicht dem Verbot des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, weil sie nicht zulassungsfähig sind; stattdessen dürfen sie nach Art. 10 Abs. 3 dieser Verordnung nur unter den dort geregelten Voraussetzungen zusammen mit einer zugelassenen gesundheitsbezogenen Angabe verwendet werden (vgl. Epping aaO). Die Bestimmung des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 trägt damit den Besonderheiten von Verweisen auf nichtspezifische Vorteile gegenüber der allgemeinen Regelung des Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung Rechnung.
37
bb) Die Regelung des Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 steht demgegenüber selbständig neben der des Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung (vgl. EuGH, GRUR 2014, 587 Rn. 28 bis 30 - Ehrmann). Sie gilt daher auch für gesundheitsbezogene Angaben in Form von Verweisen auf nichtspezifische Vorteile im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (aA Epping, ZLR 2013, 183, 188). Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die in Art. 10 Abs. 2 dieser Verordnung unter den Buchst. a bis d angesprochenen Informationen bei nichtspezifischen Verweisen im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung nicht ebenso sinnvoll sind und gegeben werden können wie bei den anderen gesundheitsbezogenen Angaben, die dem Art. 10 Abs. 1 der Verordnung unterfallen und deshalb nicht ohne Zulassung und Aufnahme in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 der Verordnung verwendet werden dürfen (vgl. auch EuGH, GRUR 2014, 587 Rn. 38 f., 42 und 44 - Ehrmann). Da an dieser Auslegung des Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 keine vernünftigen Zweifel bestehen, ist insoweit eine erneute Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg.
1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257, 1258 - C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 11. September 2008 - C-428/06 bis C-434/06, Slg. 2008, I-6747 = EuZW 2008, 758 Rn. 42 - UGT-Rioja u.a.). Die Beklagte hätte die Hinweispflichten nach Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bei der beanstandeten Werbung bereits im Jahr 2010 erfüllen müssen.
38
d) Das von der Klägerin mit dem Unterlassungshauptantrag erstrebte einschränkungslose Verbot der Werbung mit der Angabe "So wichtig wie das tägliche Glas Milch!" reicht allerdings insoweit zu weit, als die Werbung mit dieser Angabe nach Art. 10 Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht schlechthin verboten werden kann. Zwar ist der gesundheitsbezogenen Angabe im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung vorliegend keine in den Listen nach Art. 13 oder 14 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt. Dies ist jedoch unschädlich, weil diese Listen im Jahr 2010 noch nicht erstellt waren. Solange die Listen noch nicht existieren, kann die Verwendung dem Art. 10 Abs. 3 der Verordnung unterfallender gesundheitsbezogener Angaben nicht unter Hinweis auf eine fehlende Beifügung einer speziellen gesundheitsbezogenen Angabe untersagt werden (vgl. BGH, GRUR 2013, 958 Rn. 12 bis 15 - Vitalpilze).
39
In diesem Zusammenhang kann weiter offenbleiben, ob die in Kapitel II der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aufgestellten allgemeinen Anforderungen auch für Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung zu beachten sind. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, dass diese Anforderungen im Streitfall nicht erfüllt sind, ohne dass die Revisionserwiderung hiergegen etwas erinnert. Der Senat ist deshalb in seinem Vorlagebeschluss davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des Kapitels II der Verordnung erfüllt sind (vgl. BGH, GRUR 2013, 189 Rn. 10 f. - Monsterbacke I). An dieser Beurteilung hat sich nichts geändert. Damit erweist sich die Revision als be- gründet, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Berufungsgericht der Klage mit dem Unterlassungshauptantrag stattgegeben hat.
40
e) Dagegen ist die Sache hinsichtlich der Hilfsanträge noch nicht zur Endentscheidung reif und daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO).
41
aa) Mit den zulässigerweise in der Revisionsinstanz verfolgten Hilfsanträgen greift die Klägerin einen Verstoß gegen die Informationspflichten nach Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auf. Allerdings ist es grundsätzlich nicht zulässig, die Klage im Revisionsrechtszug zu ändern. Ausnahmsweise kann ein im Revisionsverfahren erstmals gestellter Hilfsantrag aber zulässig sein, wenn es sich lediglich um eine modifizierte Einschränkung des Hauptantrags handelt und der zugrunde liegende Sachverhalt vom Tatrichter bereits gewürdigt ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 1988 - II ZR 324/87, BGHZ 104, 374, 383; BGH, Urteil vom 1. April 1998 - XII ZR 278/96, NJW 1998, 1857, 1860). Die Hilfsanträge, mit denen die Klägerin kein Schlechthinverbot, sondern nur ein Verbot wegen Verletzung der Informationspflichten nach Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 beansprucht, sind eine modifizierte Einschränkung des Hauptantrags. Allerdings ist der den Hilfsanträgen zugrunde liegende Sachverhalt vom Tatrichter noch nicht gewürdigt. Das ist jedoch unschädlich. Die Klägerin hatte schon in den Tatsacheninstanzen ihren Anspruch auf eine Verletzung der Informationspflichten nach Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 gestützt, ohne dass sie gemäß § 139 ZPO darauf hingewiesen worden ist, ihren Antrag entsprechend anzupassen. Nach der Senatsrechtsprechung führt in einem solchen Fall die zu weite Fassung des Unterlassungsantrags nicht zu seiner Abweisung; vielmehr gebieten bei erstmals in der Revisionsinstanz festgestellten Mängeln des Klageantrags der Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Anspruch der Parteien auf ein faires Gerichtsverfahren , dem Kläger durch die Wiedereröffnung der Berufungsinstanz Gele- genheit zu geben, den insoweit bestehenden Bedenken durch eine angepasste Antragsform Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - I ZR 164/12, GRUR 2014, 393 Rn. 49 = WRP 2014, 424 - wetteronline.de). Muss dem Kläger Gelegenheit gegeben werden, seine Anträge im Berufungsrechtszug neu zu fassen, ist er nicht gehindert, diese Änderung schon im Revisionsrechtszug vorzunehmen.
42
bb) Die von der Klägerin gestellten Hilfsanträge sind hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin hat mit der Wendung "wenn dies geschieht wie in der nachfolgend eingeblendeten Anlage K 1" hinreichend deutlich gemacht, dass sie kein Verbot im Umfang des Wortlauts des Art. 10 Abs. 2 Buchst. a bis d der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 erstrebt. Vielmehr hat sie sich mit ihrem Unterlassungsbegehren an der konkret beanstandeten Aufmachung des Produkts der Beklagten mit den fehlenden Hinweisen gemäß Art. 10 Abs. 2 Buchst. a bis d der Verordnung EG Nr. 1924/2006 orientiert. Da durch die unmittelbare Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung in den Hilfsanträgen zudem kein Streit über die Reichweite des Verbots bestehen kann, steht der Bestimmtheit der gestellten Hilfsanträge nicht entgegen, dass diese auch den Wortlaut der Regelung des Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 direkt oder in allenfalls geringfügig abgewandelter Formulierung enthalten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 - I ZR 191/03, GRUR 2007, 607 Rn. 16 = WRP 2007, 775 - Telefonwerbung für "Individualverträge"; Urteil vom 5. Oktober 2010 - I ZR 46/09, GRUR 2011, 433 Rn. 10 = WPR 2011, 576 - Verbotsantrag bei Telefonwerbung; Urteil vom 6. Oktober 2011 - I ZR 117/10, GRUR 2012, 407 Rn. 15 = WRP 2012, 456 - Delan; Urteil vom 2. Februar 2012 - I ZR 81/10, GRUR 2012, 945 Rn. 16 = WRP 2012, 1222 - Tribenuronmethyl).
43
cc) Das Berufungsgericht hat jedoch - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - zu der Frage, inwieweit die Beklagte Informationen im Sinne von Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zu machen hatte, ebenso wenig Feststellungen getroffen wie zuvor schon das Landgericht. Es wird die in dieser Hinsicht gebotenen Feststellungen daher in der wiedereröffneten Berufungsinstanz nachzuholen haben.
44
4. Die Revision der Beklagten ist schließlich auch insoweit begründet, als sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Ersatz pauschaler Abmahnkosten nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG bejaht hat. Die von der Klägerin ausgesprochene Abmahnung war nicht berechtigt. In dem Abmahnschreiben vom 10. November 2009 hat die Klägerin lediglich geltend gemacht, das Zutatenverzeichnis auf der Verpackung des Produkts "Monsterbacke" entspreche nicht den Erfordernissen nach § 3 Abs. 3 LMKV, und der Slogan "So wichtig wie das tägliche Glas Milch!" stelle eine im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB aF irreführende Lebensmittelwerbung dar. Das Abmahnschreiben versetzte die Beklagte damit nicht in die Lage, den vermeintlichen Verstoß gegen Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zu erkennen (vgl. Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 12 Rn. 17 und 36; MünchKomm.UWG/Ottofülling, 2. Aufl., § 12 Rn. 38 f., 42 und 137).
45
III. In der wiedereröffneten Berufungsinstanz wird das Berufungsgericht auf der Grundlage des - gegebenenfalls in dieser Hinsicht noch zu ergänzenden - Sachvortrags der Parteien zu prüfen haben, inwieweit die Beklagte Informationen im Sinne von Art. 10 Abs. 2 Buchst. a bis d der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 hätte geben müssen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass ein Lebensmittelunternehmer, der gesundheitsbezogene Angaben über ein Lebensmittel macht, dessen Wirkungen auf die Gesundheit in eigener Verantwortung kennen und somit über die von Art. 10 Abs. 2 der Verordnung geforderten Informationen verfügen muss (EuGH, GRUR 2014, 587 Rn. 43 - Ehrmann). Dementsprechend trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie - zumindest in bestimmter Hinsicht - keine entsprechenden Hinweise zu geben hatte.
Büscher Schaffert Koch
Löffler Schwonke
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 31.05.2010 - 34 O 19/10 KfH -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 03.02.2011 - 2 U 61/10 -
21
Der Begriff "Zusammenhang" ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union weit zu verstehen. Er erfasst jeden Zusammenhang , der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert (EuGH, Urteil vom 6. September 2012 - C-544/10, GRUR 2012, 1161 Rn. 34 bis 36 = WRP 2012, 1368 - Deutsches Weintor; Urteil vom 18. Juli 2013 - C-299/12, GRUR 2013, 1061 Rn. 22 = WRP 2013, 1311 - Green-Swan Pharmaceuticals; BGH, GRUR 2015, 498 Rn. 33 - Combiotik; BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - I ZR 36/11, GRUR 2015, 403 Rn. 33 = WRP 2015, 444 - Monsterbacke II, mwN).
19
aa) Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung ist eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne dieser Verordnung jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Der Begriff "Zusammenhang" ist dabei weit zu verstehen. Der Begriff "gesundheitsbezogene Angabe" erfasst daher jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert (EuGH, Urteil vom 6. September 2012 - C-544/10, GRUR 2012, 1161 Rn. 34 f. = WRP 2012, 1368 - Deutsches Weintor; Urteil vom 18. Juli 2013 - C-299/13, GRUR 2013, 1061 Rn. 22 = WRP 2013, 1311 - Green-Swan Pharmaceuticals; BGH, Urteil vom 17. Januar 2013 - I ZR 5/12, GRUR 2013, 958 Rn. 10 = WRP 2013, 1179 - Vitalpilze; BGH, GRUR 2015, 498 Rn. 33 - Combiotik; BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - I ZR 36/11, GRUR 2015, 403 Rn. 33 = WRP 2015, 444 - Monsterbacke II; BGH, GRUR 2016, 142 Rn. 21 - Lernstark). Die Frage, ob eine Aussage auf das gesundheitliche Wohlbefinden abzielt, ist anhand der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aufgeführten Fallgruppen zu beurteilen (vgl. BGH, GRUR 2013, 958 Rn. 13 - Vitalpilze; BGH, Urteil vom 24. Juli 2014 - I ZR 221/12, GRUR 2014, 1013 Rn. 23 = WRP 2014, 1184 - Original Bach-Blüten; BGH, GRUR 2016, 142 Rn. 22 - Lernstark).
15
Für die Abgrenzung zwischen speziellen und nicht spezifischen gesundheitsbezogenen Angaben kommt es darauf an, ob mit der Angabe ein unmittelbarer Wirkungszusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und einer Funktion des menschlichen Organismus hergestellt wird, dessen wissenschaftliche Absicherung (vgl. Art. 6 Abs. 1 der Verordnung [EG] Nr. 1924/2006) in einem Zulassungsverfahren nach Art. 13 Abs. 3 dieser Verordnung (für Angaben nach Art. 13 Abs. 1 der Verordnung) oder nach Art. 15 bis 17 der Verordnung (für Angaben nach Art. 14 Abs. 1 der Verordnung) überprüft werden kann (BGH, GRUR 2016, 1200 Rn. 24 - Repair-Kapseln, mwN). Die Angabe "(zur) Entgiftung" enthält - nicht anders als etwa auch die Aussagen "Zur unterstützenden Vorbeugung gegen Wassereinlagerungen" (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2013 - I ZR 5/12, GRUR 2013, 958 Rn. 13 = WRP 2013, 1179 - Vitalpilze) und "Zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit" (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2015 - I ZR 222/13, GRUR 2016, 412 Rn. 26 = WRP 2016, 471 - Lernstark) - eine Aussage über spezielle physiologische Wirkungen, die als solche messbar und damit hinreichend spezifisch und wissenschaftlich nachweisbar ist. Dem steht nicht entgegen, dass Essen und Trinken generell stets ernährungsphysiologische Vorgänge auslösen und dass schon das Trinken größerer Mengen Wasser oder Kräutertee an sich entschlackend oder entwässernd wirkt. Dieser Umstand ändert nichts daran, dass dem streitgegenständlichen Produkt mit der Bezeichnung "Detox" aus der Sicht der angesprochenen Konsumenten eine ganz spezielle Wirkung auf den menschlichen Organismus zugeschrieben wird.

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (ABl. Nr. L 404 vom 30. Dezember 2006, S. 9) in der zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 1047/2012 der Kommission vom 8. November 2012 (ABl. Nr. L 310 vom 9. November 2012, S. 36) geänderten Fassung folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Sind einem Verweis auf allgemeine, nichtspezifische gesundheitsbezogene Vorteile spezielle gesundheitsbezogene Angaben gemäß einer der Listen nach Art. 13 oder Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bereits dann "beigefügt" im Sinne von Art. 10 Abs. 3 dieser Verordnung, wenn sich der Verweis auf der Vorderseite und die zugelassenen Angaben auf der Rückseite einer Umverpackung befinden und nach der Verkehrsauffassung die Angaben zwar inhaltlich eindeutig auf den Verweis bezogen sind, der Verweis aber keinen eindeutigen Hinweis wie etwa einen Sternchenhinweis auf die rückseitigen Angaben enthält?

2. Müssen auch bei Verweisen auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile im Sinne des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Nachweise im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung vorliegen?

Gründe

1

A. Die Klägerin stellt her und vertreibt in Deutschland unter der Bezeichnung "Tebonin®" pflanzliche Arzneimittel mit Ginkgo-Blätter-Extrakt. Diese Arzneimittel sind zur symptomatischen Behandlung von hirnorganisch bedingten mentalen Leistungseinbußen zugelassen, wozu insbesondere Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen gehören.

2

Die Beklagte vertreibt unter der Dachmarke "Doppelherz®" Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel, darunter das Nahrungsergänzungsmittel "Doppelherz® aktiv Ginkgo + B-Vitamine + Cholin". Dabei handelt es sich um ein Kombinationspräparat, das aus insgesamt acht Inhaltsstoffen besteht, darunter Cholin, Zink, Ginkgoblätter-Extrakt und die Vitamine B1 (Thiamin), B2, B5 (Pantothensäure) und B12. Die Beklagte brachte ihr Produkt in der nachfolgend abgebildeten Umverpackung in Verkehr:

Abbildung
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3

Auf der Vorderseite der Umverpackung befand sich die Angabe

(B-Vitamine und Zink) für Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis.

4

Auf der Rückseite der Umverpackung waren unter anderem die folgenden Angaben aufgedruckt:

Für Gedächtnis, Konzentrationsvermögen und die Fähigkeit die Aufgaben des Alltags zu bewältigen, spielen regelmäßige geistige Herausforderung sowie gesunde Ernährung eine Rolle. Der Stoffwechsel von Gehirn und Nerven ist daher auf eine gute Nährstoffversorgung angewiesen.

Die Kapseln von Doppelherz enthalten 100 mg Cholin, B-Vitamine und das Spurenelement Zink. Zusätzlich enthalten sind 100 mg Ginkgoextrakt.

Vitamin B1 und Vitamin B12 tragen zum normalen Energiestoffwechsel und zur normalen Nervenfunktion bei und leisten einen Beitrag zur normalen Funktion der Psyche.

Vitamin B2 spielt wie Vitamin B1 eine Rolle im normalen Energiestoffwechsel und für die normale Nervenfunktion. Darüber hinaus trägt es dazu bei, die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen.

Folsäure spielt auch eine Rolle für die normale Funktion der Psyche. Darüber hinaus hat Folsäure eine Funktion bei der Zellteilung.

Pantothensäure leistet einen Beitrag zur normalen geistigen Leistungsfähigkeit und trägt wie Folsäure und Vitamin B12 zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei.

Das Spurenelement Zink leistet einen Beitrag zur normalen kognitiven Funktion und trägt dazu bei, die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen.

Cholin ist Bestandteil von Phospholipiden, den Hauptbestandteilen der Zellmembranen. Cholin wird in Nerven und Gehirn zu dem Neurotransmitter Acetylcholin umgewandelt. Neurotransmitter sind Botenstoffe, die Informationen zwischen den Nervenzellen übertragen.

Der Ginkgo-Baum ist widerstandsfähig und sehr anpassungsfähig. In Asien ist der Baum ein Symbol für Lebenskraft.

5

Die Klägerin sieht in der auf der Vorderseite der Umverpackung zu findenden Angabe

B-Vitamine und Zink für Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis

einen Verstoß gegen die Bestimmungen gemäß Art. 3 Satz 2 Buchst. a, Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (nachfolgend: Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) sowie gegen die allgemeinen lebensmittelrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Irreführungsverbote gemäß § 11 Abs. 1 LFGB, § 5 Abs. 1 UWG.

6

Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren und das Vorabentscheidungsverfahren von Bedeutung - mit dem Antrag zu I 1 a beantragt, der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, im Rahmen geschäftlicher Handlungen das Nahrungsergänzungsmittel "Doppelherz® aktiv Ginkgo + B-Vitamine + Cholin" mit der Angabe zu bewerben oder bewerben zu lassen,

für Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis,

wenn dies wie in der vorstehend wiedergegebenen Umverpackung geschieht. Die Klägerin hat die Beklagte außerdem auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung (Antrag zu III) in Anspruch genommen sowie beantragt, ihre Verpflichtung zum Schadensersatz festzustellen (Antrag zu IV).

7

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben (OLG Düsseldorf, LRE 73, 148). Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre vorgenannten Klageanträge weiter.

8

B. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ab. Vor einer Entscheidung ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.

9

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Unterlassungsantrag zu I 1 a und die darauf bezogenen Folgeanträge seien nicht begründet. Zur Begründung hat es ausgeführt:

10

Die Angabe sei nicht im Sinne von Art. 10 Abs. 1 oder 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 verboten. Zwar handele es sich bei dem Produkt der Beklagten um ein Lebensmittel gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Ferner liege eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vor.

11

Die angegriffene Angabe sei jedoch als zulässiger Verweis auf einen allgemeinen, nichtspezifischen Vorteil im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 anzusehen. Der Verweis sei zulässig, weil ihm - auf der Rückseite der Umverpackung - spezielle gesundheitsbezogene Angaben beigefügt seien, die in einer Liste nach Art. 13 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aufgeführt seien. Die auf der Rückseite der Umverpackung befindlichen Angaben zu den Vitaminen B1 (Thiamin), B5 (Pantothensäure) und B12 sowie zu dem Bestandteil Zink stimmten mit Angaben überein, die in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aufgenommen worden seien.

12

Die angegriffene Angabe sei aber auch dann zulässig, wenn man sie als spezielle gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 einstufen wollte. Sie sei gleichbedeutend mit den in der Liste nach Art. 13 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zugelassenen Angaben. Somit seien auch die Anforderungen des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 eingehalten. Die mit der Angabe "B-Vitamine und Zink für Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis" ausgelobten Wirkungen seien zudem gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise abgesichert. Ein produktbezogener Wirksamkeitsnachweis für die verwendete Stoffkombination liege zwar nicht vor, sei aber bei der vorliegenden Sachlage unter Berücksichtigung des Zulassungssystems der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auch nicht erforderlich. Die Aufnahme einer gesundheitsbezogenen Angabe in die Liste nach Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 setze bereits einen wissenschaftlichen Nachweis voraus. Eines produktbezogenen Wirksamkeitsnachweises bedürfe es nur, wenn konkrete Anhaltspunkte für Wechselwirkungen zwischen einzelnen Nährstoffen oder sonstigen Bestandteilen des Lebensmittels bestünden, die dazu führten, dass die mit den zugelassenen Angaben ausgelobten Wirkungen bei dem Lebensmittel nicht einträten.

13

Der Klägerin stehe auch kein Anspruch aus dem lebensmittelrechtlichen Irreführungsverbot gemäß § 11 LFGB oder dem allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Irreführungsverbot gemäß § 5 Abs. 1 UWG zu. Verwende ein Lebensmittelunternehmer eine gemäß Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zugelassene und wissenschaftlich abgesicherte Angabe, so könne ein wettbewerbswidriges Verhalten nicht mit einem Verstoß gegen diese Irreführungsverbote begründet werden. Ausgehend von diesen Grundsätzen sei die beanstandete Angabe nicht irreführend, weil die ausgelobten Wirkungen sich ausschließlich auf zugelassene Angaben bezögen, die sich in der Liste gemäß Art. 1 Anhang der Verordnung (EU) 432/2012 befänden und bei denen grundsätzlich bereits aufgrund der Aufnahme in diese Liste davon auszugehen sei, dass sie hinreichend wissenschaftlich abgesichert seien.

14

II. Die in Rede stehenden Klageanträge können aus § 8 Abs. 1, § 9 Satz 1, § 3 Abs. 1 UWG in Verbindung mit den Rechtsbruchtatbeständen gemäß § 3a UWG, § 4 Nr. 11 UWG aF in Verbindung mit den Anforderungen gemäß Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 begründet sein. Dabei stellt sich zum einen die Frage, welche Bedeutung dem Merkmal des "Beifügens" im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung zukommt (dazu unten B II 1). Zum anderen ist klärungsbedürftig, ob die im Kapitel II der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 enthaltenen Anforderungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung auch für Verweise im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung gelten (dazu unten B II 2).

15

1. Für die Begründetheit der Klageanträge kommt es zum einen darauf an, wie das Merkmal des "Beifügens" im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auszulegen ist. Zur Klärung dient die Vorlagefrage 1.

16

a) Die allgemeinen Voraussetzungen wettbewerbsrechtlicher Ansprüche liegen vor. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Parteien Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG sind. Bei Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG und § 4 Nr. 11 UWG aF, deren Missachtung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern und Verbrauchern im Sinne des § 3a UWG und § 3 Abs. 1 UWG aF spürbar zu beeinträchtigen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 7. April 2016 - I ZR 81/15, GRUR 2016, 1200 Rn. 12 = WRP 2016, 1359 - Repair-Kapseln, mwN). Das Berufungsgericht ist ferner rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass es sich bei dem Produkt der Beklagten um ein Lebensmittel im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 handelt und die in Rede stehende Auslobung "für Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis" die Voraussetzungen einer gesundheitsbezogenen Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 erfüllt.

17

b) Das Berufungsgericht ist außerdem in rechtsfehlerfreier Würdigung davon ausgegangen, dass es sich bei der in Rede stehenden Angabe um einen Verweis auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 handelt und deshalb im Streitfall die in dieser Bestimmung geregelten Anforderungen an eine zulässige gesundheitsbezogene Angabe maßgeblich sind.

18

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass es sich bei der in Rede stehenden Angabe um einen Verweis auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 handele.

19

Es hat angenommen, für die Abgrenzung zwischen spezifischen und nichtspezifischen Angaben sei grundsätzlich maßgebend, ob die Aussage auf bestimmte, die Gesundheit oder das gesundheitliche Wohlbefinden unterstützende oder steigernde Funktionen des Körpers Bezug nehme. Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 lägen demnach vor, wenn die Wirkung für die Gesundheit nicht durch Benennung einer konkreten Körperfunktion angegeben werde. Spezifische gesundheitsbezogene Angaben setzten außerdem voraus, dass im Hinblick auf die konkrete Wirkung für eine bestimmte Körperfunktion ein bestimmter Nährstoff, eine bestimmte andere Substanz oder eine bestimmte Stoffkombination oder das Lebensmittel als Ganzes bezeichnet werde. Damit seien ausgelobte Wirkungen auch dann allgemein und unspezifisch, wenn sie sich nicht einer bestimmten Substanz oder dem Lebensmittel als Ganzes zuordnen ließen.

20

Nach diesen Maßstäben sei die angegriffene Angabe unspezifisch. Sie nehme zwar auf bestimmte, die Gesundheit unterstützende Körperfunktionen Bezug, indem sie positive gesundheitsbezogene Wirkungen auf die konkreten Funktionen Hirnleistung, Nerven, Konzentration und Gedächtnis benenne. Sie weise diese Wirkungen jedoch nicht bestimmten Nährstoffen oder sonstigen Bestandteilen des Nahrungsergänzungsmittels oder diesem als Ganzes zu, sondern in unbestimmter Weise "B-Vitaminen und Zink". Bei "B-Vitaminen" handele es sich nicht um einen konkreten Nährstoff. Unter der Bezeichnung würden vielmehr insgesamt acht verschiedene Nährstoffe mit unterschiedlichen Wirkungen zusammengefasst. Aus der beanstandeten Angabe werde nicht deutlich, welche davon im Produkt der Beklagten tatsächlich enthalten seien und die ausgelobten Wirkungen besäßen. Der Durchschnittsverbraucher gehe auch nicht davon aus, dass in dem Produkt sämtliche B-Vitamine enthalten seien und die ausgelobten Wirkungen aufwiesen. Stattdessen sei die Angabe für ihn erkennbar unvollständig, so dass es einer ergänzenden Information zu den im Produkt vorhandenen B-Vitaminen und ihren jeweiligen Wirkungen bedürfe. Bezogen auf "Zink" liege aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs ebenfalls eine nichtspezifische Angabe vor. Es handele sich dabei zwar um einen bestimmten Nährstoff, so dass grundsätzlich in Betracht kommen könne, ihm sämtliche aufgezählte Wirkungen zuzuweisen und insoweit eine spezifische Angabe nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zu bejahen. Der Durchschnittsverbraucher verstehe die angegriffene Angabe aber nicht so, dass sämtliche in dem Produkt der Beklagten enthaltenen B-Vitamine und Zink jeweils alle ausgelobten Effekte aufwiesen. Er gehe vielmehr davon aus, dass diese Stoffe nur insgesamt die beworbenen positiven Wirkungen auf die Gesundheit hätten. Es handele sich bei der Angabe aus Verbrauchersicht um eine Zusammenfassung von einigen Bestandteilen des Lebensmittels und ihren Wirkungen, die nicht erkennen lasse, welcher konkrete Nährstoff jeweils welchen Vorteil für die Gesundheit besitze. Deswegen weise der Verbraucher auch dem Bestandteil "Zink" nicht sämtliche ausgelobten Effekte zu, so dass sich die Unbestimmtheit auch auf ihn erstrecke und es sich auch insoweit - und damit insgesamt - um eine nichtspezifische Angabe handele.

21

bb) Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

22

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zwar ebenfalls gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 dieser Verordnung dar. Solche Angaben können jedoch aufgrund ihrer allgemeinen, nichtspezifischen Formulierung - im Unterschied zu den (speziellen) gesundheitsbezogenen Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung - nicht Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein. Für die Abgrenzung zwischen speziellen und nichtspezifischen gesundheitsbezogenen Angaben kommt es danach darauf an, ob mit der Angabe ein unmittelbarer Wirkungszusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und einer Funktion des menschlichen Organismus hergestellt wird, dessen wissenschaftliche Absicherung (vgl. Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung) in einem Zulassungsverfahren nach Art. 13 Abs. 3 der Verordnung (für Angaben nach Art. 13 Abs. 1 der Verordnung) oder nach Art. 15 bis Art. 17 der Verordnung (für Angaben nach Art. 14 Abs. 1 der Verordnung) überprüft werden kann (BGH, Urteil vom 7. April 2016 - I ZR 81/15, GRUR 2016, 1200 Rn. 24 = WRP 2016, 1359 - Repair-Kapseln, mwN).

23

(2) Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen. Es hat - entgegen der Ansicht der Revision - für die Annahme einer spezifischen Angabe nicht insoweit zu strenge Anforderungen gestellt, als es immer die Angabe eines speziellen Inhaltsstoffs gefordert hat, dem eine konkrete Wirkung auf eine bestimmte Körperfunktion zugeschrieben wird. Es hat lediglich - auf der Grundlage seiner rechtsfehlerfreien tatrichterlichen Feststellungen zum Verkehrsverständnis der angegriffenen Angabe - angenommen, dass eine Angabe unspezifisch ist, die bestimmte Wirkungen weder auf das Lebensmittel als Ganzes noch auf einen bestimmten Stoff zurückführt. Dies steht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Einklang. Eine Angabe zu einzelnen Bestandteilen eines aus mehreren Inhaltsstoffen bestehenden Kombinationsprodukts (und nicht zum Produkt als Ganzes), wie sie im Streitfall in Rede steht, kann nicht Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein, weil nicht klar ist, welche konkrete Wirkung welchen konkreten Bestandteils im Rahmen eines solchen Verfahrens wissenschaftlich zu überprüfen ist.

24

cc) Auf die vom Berufungsgericht hilfsweise gemachten Ausführungen zu einer von ihm ebenfalls angenommenen Zulässigkeit der beanstandeten Angabe nach den gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bestehenden Voraussetzungen und die sich insoweit stellenden Rechtsfragen kommt es im Streitfall daher nicht an.

25

c) Vorliegend ist weiter davon auszugehen, dass die auf der Rückseite der Verpackung aufgedruckten Angaben zu Vitamin B1 (Thiamin), B5 (Pantothensäure), B12 und Zink spezielle gesundheitsbezogene Angaben darstellen, die in einer Liste gemäß Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aufgeführt sind. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen rechtsfehlerfreien tatrichterlichen Feststellungen ist im Streitfall schließlich davon auszugehen, dass der Verbraucher, der die Packung umdreht, aufgrund der Gestaltung der dortigen Angaben von einem eindeutigen inhaltlichen Bezug zu den beanstandeten Angaben auf der Vorderseite der Verpackung ausgeht.

26

d) Damit kommt es im Revisionsverfahren darauf an, ob spezielle gesundheitsbezogene Angaben, die sich auf der Rückseite einer Verpackung befinden, einem auf der Vorderseite der Verpackung befindlichen Verweis auf allgemeine nichtspezifische Vorteile im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 "beigefügt" sind, wenn zwar ein eindeutiger inhaltlicher Bezug zwischen dem Verweis und den Angaben besteht, der Verbraucher aber nicht durch einen dem Verweis räumlich zugeordneten Hinweis wie etwa einem Sternchenvermerk eindeutig auf die auf der Rückseite befindlichen speziellen gesundheitsbezogenen Angaben hingeleitet wird. Diese Frage ist ungeklärt.

27

aa) Überwiegend wird vertreten, dass ein "Beifügen" im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 eine räumlich unmittelbare Verbindung zwischen dem Verweis auf allgemeine Vorteile und der speziellen gesundheitsbezogenen Angabe voraussetzt.

28

(1) Nach einer Ansicht (Rathke/Hahn in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 168. Lief. August 2017, Art. 10 VO (EG) Nr. 1924/2006 Rn. 41/41a) besagt das Wort "beifügen" nach seiner sprachlichen Bedeutung, dass die spezielle gesundheitsbezogene Angabe mit dem Verweis auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile räumlich zu verbinden ist, also unmittelbar bei dem Verweis oder zumindest in dessen Nähe erscheinen müsse. Dabei könne nach dem Schutzzweck allerdings auch ein Sternchenverweis ausreichend sein. Dies entspricht der vom Bundesgerichtshof vorgenommenen Auslegung des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, nach der eine Angabe im Sinne dieser Bestimmung mindestens erfordert, dass - sofern die Information nicht in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit der nährstoffbezogenen Angabe erfolgt - ein im räumlichen Zusammenhang mit der Angabe angebrachter Hinweis gegeben wird, wo die gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 erforderliche Zusatzinformation zu finden ist (BGH, Urteil vom 18. Mai 2017 - I ZR 100/16, GRUR 2017, 1278 Rn. 34 = WRP 2017, 1471 - Märchensuppe).

29

Nach dieser Auffassung läge im Streitfall kein "Beifügen" im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vor. Die speziellen gesundheitsbezogenen Angaben sind dem allgemeinen Verweis weder unmittelbar noch räumlich naheliegend zugeordnet noch wird der Verbraucher durch einen dem Verweis zugeordneten Sternchenhinweis eindeutig auf die speziellen Angaben auf der Rückseite der Verpackung hingeleitet.

30

(2) Nach einer anderen Ansicht (Meisterernst in Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 26. Lfg. 12/15, Art. 10 Rn. 23) ist zu verlangen, dass die Verbraucher die zugelassene spezifische Angabe "ohne Weiteres" wahrnehmen können, beispielsweise durch Beifügen der spezifischen Angabe in unmittelbarer räumlicher Nähe zur unspezifischen Angabe. Auch danach wäre eine Wahrnehmbarkeit der speziellen Angabe erst nach dem Umdrehen der Verpackung und weiterem Suchen nach inhaltlich auf den Verweis bezogenen Angaben nicht ausreichend.

31

(3) Für das Erfordernis einer räumlich unmittelbaren Zuordnung der zugelassenen speziellen Angabe zum Verweis auf allgemeine Vorteile sprechen ferner die auf ein "Begleiten" abstellende englische ("accompanied") und französische ("accompagnée") Sprachfassung sowie der Durchführungsbeschluss der Kommission der Europäischen Union vom 24. Januar 2014 (vgl. Nr. 3 des Anhangs zum Durchführungsbeschluss der Kommission zur Annahme von Leitlinien zur Umsetzung der in Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dargelegten speziellen Bedingungen für gesundheitsbezogene Angaben, ABl. Nr. L 22, S. 28). Danach sollte die dem Verweis auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile für die Gesundheit beigefügte zugelassene spezielle gesundheitsbezogene Angabe "neben oder unter diesem Verweis angebracht werden". Für das Anlegen eines strengen Auslegungsmaßstabs spricht außerdem, dass die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nach den Erwägungsgründen 1, 9 und 36 dem Zweck dienen, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten (vgl. auch BGH, Urteil vom 26. Februar 2014 - I ZR 178/12, GRUR 2014, 500 Rn. 29 = WRP 2014, 562 - Praebiotik; Urteil vom 10. Dezember 2015 - I ZR 222/13, GRUR 2016, 412 Rn. 52 = WRP 2016, 471 - Lernstark).

32

bb) Nach der vom Berufungsgericht und anderen (Hagenmeyer/Hahn, StoffR 2013, 1, 6) vertretenen Ansicht ist dagegen eine räumlich unmittelbare oder nahe Zuordnung nicht erforderlich, so dass auch auf der Rückseite angebrachte spezielle Angaben einem auf der Vorderseite der Packung befindlichen allgemeinen Verweis im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 beigefügt sein können.

33

Für diese Auffassung könnte sprechen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs davon auszugehen ist, dass der Durchschnittsverbraucher, der seine Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung des Erzeugnisses richtet, regelmäßig zunächst das Zutatenverzeichnis liest (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2015 - C-195/14, GRUR 2015, 701 Rn. 37 = WRP 2015, 847 - Verbraucherzentrale Bundesverband/Teekanne; BGH, Urteil vom 2. Dezember 2015 - I ZR 45/13, GRUR 2016, 738 Rn. 12 bis 17 - Himbeer-Vanille-Abenteuer II, mwN). Da sich Zutatenverzeichnisse nicht selten auf der Rückseite von Verpackungen befinden, ist es nicht fernliegend, dass solche Verbraucher auch die auf den Verweis inhaltlich bezogenen speziellen Angaben auf der Rückseite der Verpackung vollständig zur Kenntnis nehmen.

34

Allerdings könnte einer solchen Sichtweise entgegenstehen, dass die Bestimmung des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 - anders als die Vorschriften zum Irreführungsverbot, zu denen die vorgenannte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs ergangen ist - mit dem Tatbestandsmerkmal des "Beifügens" einen nach dem Wortsinn räumlichen Zusammenhang verlangt und daher die maßgebliche gesetzliche Vorschrift selbst eine strengere Auslegung nahelegt.

35

2. Für die Begründetheit der Klageanträge kommt es außerdem darauf an, ob die im Kapitel II der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 enthaltene Anforderung eines allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweises gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung für Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile im Sinne des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Anwendung findet (Vorlagefrage 2, vgl. dazu BGH, Beschluss vom 12. März 2015 - I ZR 29/13, GRUR 2015, 611 Vorlagefrage 2 und Rn. 32 bis 34 = WRP 2015, 721 - RESCUE-Produkte I; Urteil vom 21. September 2017 - I ZR 29/13, GRUR 2018, 206 Rn. 19 = WRP 2018, 193 - RESCUE-Produkte II).

36

a) Die Klägerin hat geltend gemacht, dass die Angabe

(B-Vitamine und Zink) für Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis

gegen die allgemeinen Vorschriften der Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 verstoße. Ob dies zutrifft, hängt von der klärungsbedürftigen Frage ab, ob die in diesen Bestimmungen geregelte Anforderung eines allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweises auf Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Anwendung finden.

37

b) Die Bestimmung des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 enthält - anders als Art. 10 Abs. 1 der Verordnung - keinen Verweis auf die allgemeinen Anforderungen in Kapitel II der Verordnung. Nach Ansicht des Senats handelt es sich bei der in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 enthaltenen Verweisung auf die allgemeinen Anforderungen dieser Verordnung lediglich um eine an sich entbehrliche redaktionelle Klarstellung (vgl. Rathke in Zipfel/Rathke aaO Art. 10 Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Rn. 1). Die in Kapitel II der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aufgestellten allgemeinen Anforderungen gelten nicht nur für Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung, sondern grundsätzlich auch für Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (vgl. Nr. 3 des Anhangs zum Durchführungsbeschluss der Kommission zur Annahme von Leitlinien zur Umsetzung der in Artikel 10 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dargelegten speziellen Bedingungen für gesundheitsbezogene Angaben).

38

c) Es ist jedoch zu beachten, dass Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile im Sinne des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung ungeachtet dessen, dass es sich bei ihnen um gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 handelt, keiner Zulassung gemäß dieser Verordnung bedürfen, weil für sie im Hinblick auf ihre Unbestimmtheit keine allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweise erbracht werden können. Nach Ansicht des Senats können für solche Verweise daher auch insoweit, als für sie grundsätzlich die allgemeinen Anforderungen in Kapitel II der Verordnung gelten, nicht gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 entsprechende Nachweise verlangt werden.

Koch     

      

Schaffert     

      

Löffler

      

Schwonke     

      

Schmaltz     

      

Tenor

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 26. Juni 2014 wird bestätigt.

Die Antragsgegnerin trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.