Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 24. Juni 2014 - 27 K 7499/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in Höhe von 110 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.
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Tatbestand:
2Der Kläger ist nach eigenen Angaben Begründer der Wissenschaft der F. und der P. Q. . Die F. befasse sich als Grundlagenforschung mit jeglicher Form und Art von Energie in ihrem Ursprung, ihrer Expansion und ihrer Transformation, die mittelbar und unmittelbar mit dem Menschen und seiner Umwelt in Zusammenhang stehe.
3Über den Kläger und sein wissenschaftliches Wirken wird im Internet an verschiedener Stelle unter anderem auf der Website www.Q1. .com – früher auch auf www.L. .org – berichtet.
4Auf der Seite www.Q1.com finden sich aktuell im dortigen Wiki-Beitrag zum Kläger folgende von ihm monierte Feststellungen:
5a) „(…) erfolgte ‚Annahme‘ von L1. in eine der Personalenzyklopädien (Who is Who in der Bundesrepublik Deutschland) der Schweizer Firma I. Who is Who Verlag für Personenenzyklopädien Aktiengesellschaft, auf die L1. häufig hinwies. Es handelt sich dabei um einen so genannten Vanity-Award, also die Erwähnung in einem Zuschussverlag. Derartige ‚Auszeichnungen‘ des I.s Who is Who werden praktisch an jedermann verkauft (…)“
6b) „(…) seien ‚Im Netzwerk rund um die L2. [...] fast ausschließlich ‚ehrenamtliche Helfer‘ tätig (…)‘ “
7c) „(…) als gemeinnützig anerkannten ‚Verein für A. und X. ‘ (A1. e.V.) (…), ehemals ‚A2. ‘ (…)“
8d) „Zitate
9- Manche Menschen verdienen das Leben nicht, und darüber entscheiden sie selbst. Man verdient erst dann etwas, wenn man weiß, damit umzugehen.
- Es spielt (bei der Geburt) keine Rolle, ob der Mensch mit den Füßen zuerst geboren wird oder mit dem Kopf: Solange der Kopf nicht draußen ist, hat man keine Seele. Dieser Energieanteil, der die Seele ausmacht, wird durch das Licht vermittelt.“
Außerdem ist von diesem Wiki-Beitrag aus über den Menüpunkt „Diskussion“ die Seite www.Q1.com/ge/index.php/Diskussion:B. _L1. erreichbar, auf der ein Artikel der Hannoverschen Wirtschaftszeitung (HWZ) aus Oktober 2004 mit dem Titel „N. “ wiedergegeben wird, in dem der Kläger folgende weitere Feststellungen beanstandet:
11e) „Der gelernte Elektromeister beschäftigt sich auch heute noch mit energetischen Widerständen, die er ausmerzen will – und mit Hilfe der Chakrenlehre ‚destruktive‘ Energie in ‚positive‘ umgewandelt [sic]. Dabei hilft die ‚Kraft der Liebe‘, um das ‚Bewusstsein‘ zu erweitern und das ‚Karma‘ (Schicksal) zu verbessern. Damit man es in diesem und spätestens im nächsten Leben besser hat.“
12f) „Das gilt auch für das ‚Studium der F. ‘, das aufgeteilt ist in ein Grundstudium (Dauer: 7 Jahre) und ein darauf aufbauendes ‚Fachstudium‘ (Dauer: 4 Jahre).“
13g) „In einer Seminarschrift L1s heißt es: ‚Manche Menschen verdienen das Leben nicht, und darüber entscheiden sie selbst. Man verdient erst dann etwas, wenn man weiß, damit umzugehen.‘(…) ‚Es spielt (bei der Geburt) keine Rolle, ob der Mensch mit den Füßen zuerst geboren wird oder mit dem Kopf: Solange der Kopf nicht draußen ist, hat man keine Seele. Dieser Energieanteil, der die Seele ausmacht, wird durch das Licht vermittelt.‘“
14h) „Zugang zur Referenzliste bekommt man allerdings nur nach einem aufwändigen Registrierungsverfahren, in dem man seine Gründe zur Nachfrage genauestens darstellen muss.“
15i) „Im Netzwerk rund um die L2. sind fast ausschließlich ‚ehrenamtliche Helfer‘ tätig (…)“
16j) „Insider sagen ja. Sie berichten sogar von sektenartigen Strukturen rund um den Motivations-Guru L1. , der seine Zöglinge gezielt mit suggestiven Techniken unter Druck setze und sie ausbeute. Keiner der Betroffenen hat L1. je angezeigt. Offenbar haben viele Angst. Diese Fälle sind teilweise seit Jahren aktenkundig. Die Hannoversche Wirtschaftszeitung konnte jetzt entsprechende Dokumente einsehen.“
17k) „Verein für A. und X. (A1. e.V.), ehemals ‚A2. ‘ “,
18l) „Mit vielen Opfern: Wer den Weg der Erkenntnis gehen wollte, der musste sich von Bekanntem trennen, auch von Menschen, die das vermeintliche Wissen leugneten. (…) Um in der Hierarchie der Gruppe aufzusteigen, mussten weitere Stufen der „Erkenntnis“ durchlaufen werden – mit zahlreichen Initiationsriten wie der Taufe auf einen neuen Namen. (…) Wer sich gegen L1. wendete oder aussteigen wollte, der sei „verflucht“ worden. L1s Psychodruck und Flüche scheinen einen langen Arm zu haben. Nur mit Zögern redeten die Betroffenen auch über die Rechnungen, die sie nach ihrem Ausstieg präsentiert bekamen. L1. forderte eine Dame zur Zahlung von 100.000 Mark auf – als Gegenleistung für Kost und Logis.“
19Unter dem 11. Oktober 2012 beantragte der Kläger bei dem Beklagten den Erlass jeweils einer Sperrverfügung nach § 59 Abs. 4 des Staatsvertrages für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV) gegen die Provider, welche einen Zugang zu den betreffenden Inhalten der Website www.Q1.com sowie www.L.org in seinem räumlichen Zuständigkeitsbereich ermöglichen.
20Mit Bescheid vom 27. August 2013 – den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29. August 2013 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt – wies der Beklagte diese beiden Anträge zurück und führte hierzu aus: Die Webseite www.L.org bzw. ihre Subdomains enthielten zum Zeitpunkt der Entscheidung keine Inhalte mit Bezug zum Kläger bzw. seine Tätigkeiten im Bereich der F. . Aber auch in Bezug auf die Seite www.Q1.com habe der Kläger keinen Anspruch auf Anordnung der beantragten DNS(Domain Name System)-Sperre. Weder seien sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen für die beantragte Sperrverfügung gegeben, noch sei sein Ermessen im Sinne des Antrags reduziert. Zwar sei die maßgebliche Ermächtigungsgrundlage des § 59 Abs. 3 und 4 RStV entgegen seinem Wortlaut aufgrund eines redaktionellen Versehens auch bei einem Verstoß gegen allgemeine Gesetze einschlägig. Auch stellten die beanstandeten Rechtsgutsverletzungen solche Verstöße gegen die allgemeinen Gesetze dar. Allerdings handele es sich insoweit lediglich um Verstöße im höchstens mittelschweren Bereich. Letztlich verblieben überhaupt nur drei streitige Aussagen. Hierzu weise der Beitrag zudem Fundstellen aus. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass bei der Sperrung von IP-Adressen nicht nur der rechtswidrige Inhalt betroffen sei, sondern daneben häufig eine ganze Reihe weiterer Inhalte, die ihrerseits Schutz durch Kommunikationsgrundrechte erfahren könnten. Da hier die Wahrheitswidrigkeit der betreffenden Behauptungen nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sei, hätten die Sperrverfügungen einen nicht mehr zu rechtfertigenden Eingriff in das Grundrecht der Informationsfreiheit der Nutzer gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 des Grundgesetzes (GG) zur Folge. Im Übrigen sei die für eine Inanspruchnahme der Access-Provider erforderliche Polizeipflichtigkeit nicht gegeben. Zwar bestehe vorliegend tatsächlich nicht die Möglichkeit der (vorrangigen) Inanspruchnahme des so genannten Content-Providers (§ 7 Abs. 1 des Telemediengesetzes – TMG) oder des Domaininhabers (Registrant C), da ein erreichbarer Content-Provider für die Domain www.Q1.com auch von dort nicht habe ermittelt werden können und sich der Registrant C dieser Domain in Hongkong befinde. Eine Haftung des Access-Providers scheide jedoch nach § 8 TMG aus rechtlichen Gründen aus. Die Dienstleistung der Access-Provider bestehe ausschließlich darin, die technische Infrastruktur zur Durchleitung fremder Informationen zur Verfügung zu stellen. Auch die Voraussetzungen einer somit allein in Betracht kommenden Inanspruchnahme der Access-Provider als Nichtstörer gemäß § 19 des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Ordnungsbehördengesetz – OBG) seien nicht gegeben. Insbesondere fehle es an einer erheblichen Gefahr für entsprechend bedeutsame Rechtsgüter wie das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit der Person oder wichtige öffentliche Einrichtungen. Vorliegend werde die Gefahrenlage vielmehr im Wesentlichen durch einzelne Rechtsgutsverletzungen im Bereich der persönlichen Ehre des Klägers begründet. Des Weiteren sei die Gemeinwohlklausel des § 59 Abs. 5 RStV zu berücksichtigen, nach der letztlich allenfalls private Schritte gegen die Access-Provider, nicht jedoch hoheitliche Sperrverfügungen in Betracht kämen, soweit nicht ausnahmsweise hieran ein öffentliches Interesse bestehe. Außerdem sei es auch ermessensgerecht, von der Anordnung der Sperrverfügung abzusehen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass entsprechende Anordnungen gegenüber sämtlichen in Nordrhein-Westfalen ansässigen Access-Providern ausgesprochen werden müssten. Dies hätte eine Vielzahl an Verfahren mit einem erheblichen Arbeitsanfall zur Folge. Unter Berücksichtigung der in der Folge eines entsprechenden Vorgehens eintretenden Selbstbindung käme es in Zukunft zu einem Arbeitsanfall, der im Rahmen einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung in diesem Bereich nicht zu bewältigen sei. Die Fälle von Persönlichkeitsrechtsverletzungen bzw. allgemein von pönalisiertem Zivilunrecht im Internet seien zahlenmäßig nicht bezifferbar. Vor diesem Hintergrund solle das Mittel der Sperrverfügung gegenüber Access-Providern auf Fälle erheblicher Gefahrenlagen mit einer entsprechenden Breitenwirkung beschränkt bleiben (z.B. Seiten mit ganz überwiegend rechtsradikalen, antisemitischen oder volksverhetzenden Inhalten). Demgegenüber verbleibe dem Kläger die Möglichkeit, z.B. auf eigenen Internetseiten Gegendarstellungen einzustellen. Auch die Möglichkeit eines zivilrechtlichen Vorgehens gegen einzelne Autoren der Homepage stehe zukünftig weiter offen.
21Mit der am 24. September 2013 erhobenen Klage trägt der Kläger vor: Es treffe zu, dass die gerügten Inhalte auf der Seite L.org und der nachfolgenden Seite L.info wohl nicht mehr verfügbar seien. Auf der Website www.Q1.com seien jedoch weiterhin Berichterstattungen über ihn veröffentlicht, die zahlreiche Unwahrheiten enthielten (vgl. hierzu im einzelnen Bl. 2 ff. der Klageschrift). Nachdem auf der Seite eine entsprechende E-Mail-Adresse als Kontaktmöglichkeit angegeben worden sei, habe er die anonymen Betreiber zur Löschung der monierten Textstellen aufgefordert. Daraufhin seien Korrekturen und Änderungen in dem streitgegenständlichen Artikel vorgenommen worden. Der Großteil der falschen Behauptungen werde jedoch nach wie vor veröffentlicht und teilweise nur durch vermeintliche Richtigstellungen ergänzt. Außerdem sei nachträglich auf der Seite www.Q1.com der eingangs erwähnte Bericht aus der HWZ aus Oktober 2004 eingestellt worden, welcher nahezu alle unwahren Behauptungen des ursprünglichen Artikels erneut wiedergebe und weitere unwahre Behauptungen über ihn enthalte. Dies verdeutliche das „Katz-und-Maus-Spiel“ der anonymen Betreiber der Webseite. Ein gezieltes, zivilrechtliches Vorgehen gegen diese sei ihm nach wie vor nicht möglich. Ihm stehe ein Anspruch auf Erlass einer Sperrverfügung zu. Entsprechend den Ausführungen des Beklagten gestatte § 59 Abs. 3 S. 1 RStV das Eingreifen des Beklagten auch bei Verstößen gegen die allgemeinen Gesetze und die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der persönlichen Ehre. Des Weiteren liege ein Verstoß gegen die Informationspflichten aus § 55 Abs. 1 RStV vor, auf den ebenfalls die begehrte Sperrverfügung nach § 59 Abs. 3 RStV gestützt werden könne. Durch die Zugänglichmachung des oben dargestellten Beitrags und damit die Veröffentlichung der zahlreichen falschen Behauptungen über ihn würden sein Persönlichkeitsrecht sowie sein Unternehmenspersönlichkeitsrecht in rechtswidriger Weise verletzt. Ihm stünden Unterlassungsansprüche unter anderem aus § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gegen die inhaltsverantwortlichen Betreiber der betreffenden Internetseiten zu. Die Verstöße lägen auch nicht – wie vom Beklagten angenommen – im noch mittelschweren Bereich. Sämtliche Falschbehauptungen seien geeignet, ihn in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen und verächtlich zu machen, seinen Ruf zu schmälern und ihn als Person und Unternehmer in seinem sozialen Geltungsanspruch zu beeinträchtigen. Abgesehen davon komme es auf die Schwere der Verstöße nicht an, da seine Unterlassungsansprüche jede unwahre Tatsachenbehauptung untersagten. Auch der Umstand, dass Dritte sich mit seiner Lehre auseinandersetzen können müssten, rechtfertige nicht die Aufstellung unwahrer Behauptungen darüber. Des Weiteren werde die Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht dadurch ausgeschlossen, dass punktuell ein Widerspruch seinerseits erwähnt werde. Selbst wenn an den wenigen ergänzten Stellen für den Nutzer offen bleibe, ob denn die Behauptung zutreffe oder nicht, blieben die Äußerungen rechtswidrig, da die in diesem Fall einzuhaltenden Voraussetzungen zulässiger Verdachtsberichterstattung nicht erfüllt seien. Die vom Beklagten hinsichtlich der angeblich verbleibenden drei streitigen Aussagen angeführten Fundstellen änderten nichts an der Unwahrheit der betreffenden Behauptungen. Überwiegend handele es sich insoweit um Aussagen aus einem aus dem Jahr 2004 stammenden Artikel in der Hannoverschen Wirtschaftszeitung, den diese selbst inzwischen nicht mehr verbreite und den sich die Webseite www.Q1.com mangels jeglicher Distanzierung zu eigen mache. Im Übrigen sei entgegen der Einschätzung des Beklagten die zweifelsfreie Wahrheitswidrigkeit der in Bezug genommenen Aussagen gerade nicht Voraussetzung für die Annahme der Verletzung allgemeiner Vorschriften und von gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre wie etwa § 186 des Strafgesetzbuches (StGB). Denn letztgenannte Vorschrift lasse für die Strafbarkeit herabsetzender Äußerungen ausdrücklich die Nichterweislichkeit der Wahrheit ausreichen. Im Rahmen des Systems gestufter Verantwortlichkeit nach § 59 Abs. 3 und 4 RStV sei der Erlass von Sperrverfügungen gegen die Access-Provider zwar erst möglich, wenn sich Maßnahmen gegenüber dem Content-Provider als entweder nicht durchführbar oder nicht erfolgversprechend herausstellten. Letzteres sei hier aber aufgrund der fehlenden Ermittelbarkeit des Inhalteanbieters der Fall. Die Webseite www.Q1.com bezeichne keinen Verantwortlichen. Vor diesem Hintergrund sei es ihm nicht möglich, seine Unterlassungsansprüche auf zivilrechtlichem Weg durchzusetzen. Die Heranziehung der Grundsätze zur Inanspruchnahme des Nichtstörers nach § 19 OBG sei ebenfalls fehlerhaft. Ein Rückgriff auf diese Vorschrift sei vielmehr ausgeschlossen, da die Regelung des § 59 Abs. 4 RStV eine eigene vorrangige Regelung der Verantwortlichkeit enthalte. Aber auch die Erwägungen, mit denen der Beklagte eine erhebliche Gefahrenlage verneine, sei mit Rechtsfehlern behaftet. Die Annahme einer generell geringeren Schutzbedürftigkeit der persönlichen Ehre und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegenüber anderen von allgemeinen Gesetzen geschützten Rechtsgütern verkenne nicht nur die Voraussetzungen der gesetzlichen Eingriffsgrundlage, die eine solche Differenzierung nicht kenne, sondern verletze ihn auch in seinen Grundrechten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG als Wurzel des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Eine Sperrung der vorgenannten unzulässigen Inhalte sei auch technisch möglich – etwa durch einen Ausschluss von Domains im Domainserver, die Verwendung eines Proxyservers oder den Ausschluss von IPs durch deren Sperrung im Router. Die begehrten Sperrverfügungen seien auch verhältnismäßig. Hinsichtlich der Angemessenheit sei zu berücksichtigen, dass kein Anspruch auf eine Abrufbarkeit unzulässiger Inhalte bestehe. Die Informationsfreiheit der Nutzer werde insoweit nach Art. 5 Abs. 2 GG lediglich in zulässiger Weise eingeschränkt. Im übrigen sei die Sperrung durch Ausschluss von Domains im DNS ausreichend und mittels einfacher Konfiguration herbeizuführen und erfordere nur einmaligen geringen Personalaufwand. Demgegenüber sei im Rahmen der Abwägung die Besorgnis einer Perpetuierung der Rechtsverletzungen mittels ständiger Abrufbarkeit der unzulässigen Inhalte zu berücksichtigen. Auch schließe die eventuelle Miterfassung legaler Inhalte nicht per se die Verhältnismäßigkeit aus. Diese trete vielmehr angesichts des hohen Grades der durch die genannten Seiten hervorgerufenen Rechtsverletzungen in den Hintergrund. Der Beklagte habe das ihm aufgrund der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen eröffnete Ermessen teilweise bereits gar nicht ausgeübt. Denn er habe mangels Polizeipflichtigkeit der Access-Provider in Bezug auf diese schon die Eingriffsvoraussetzungen rechtsfehlerhaft verneint. Im Übrigen bezögen sich die von ihm angestellten Ermessenserwägungen allein auf die überhaupt nicht anwendbare Vorschrift des § 19 Abs. 1 OBG. Außerdem habe sich der Beklagte aufgrund eines tatsächlich nicht bestehenden rechtlichen Hindernisses – nämlich der Gemeinwohlklausel des § 59 Abs. 5 RStV – am Erlass der beantragten Sperrverfügungen gehindert gesehen, ohne zu berücksichtigen, dass ihm im konkreten Fall ein zivilrechtliches Vorgehen gegen die Verantwortlichen gerade nicht möglich sei. Darüber hinaus habe der Beklagte das ihm zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt, weil er gegen den Untersuchungsgrundsatz verstoßen habe, indem er darauf abgestellt habe, dass nicht alle angegriffenen Behauptungen erwiesenermaßen unwahr seien, ohne die Behauptungen zu überprüfen. Des Weiteren habe er insoweit sachwidrige Ermessenserwägungen angestellt, als er offensichtlich davon ausgegangen sei, dass eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch unzulässige Verdachtsberichterstattung oder durch die Erweckung von Eindrücken weniger rechtsverletzend sei als das Aufstellen unwidersprochener offener Tatsachenbehauptungen. Schließlich habe der Beklagte auch die Grenzen seines Ermessens überschritten, weil die Entscheidung unverhältnismäßig und gleichheitswidrig sei. Ersteres ergebe sich daraus, dass er durch die Ablehnung der beantragten Sperrverfügung rechtlos gestellt werde. Es sei auch nicht vertretbar, ein Einschreiten unter Hinweis auf zukünftigen erheblichen Arbeitsanfall abzulehnen und damit Fälle von Persönlichkeitsrechtsverletzungen generell aus dem Anwendungsbereich von Sperrverfügungen herauszunehmen. Eine Beschränkung des Tätigwerdens auf Fälle rechtsradikaler, antisemitischer oder volksverhetzender Inhalte stelle eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dar. Das Ermessen des Beklagten sei auf Null reduziert.
22Der Kläger beantragt,
23den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung Düsseldorf vom 27. August 2013 zu verpflichten, die beantragte Sperrverfügung gegen die Access-Provider zu erlassen, welche einen Zugang zu den mit der Klage beanstandeten und aktuell eingestellten ehrverletzenden und falschen Inhalten der Website unter der Domain www.Q1.com im räumlichen Zuständigkeitsbereich der Bezirksregierung E. ermöglichen.
24Der Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen
26Er verweist hierzu auf die Begründung des angegriffenen Bescheides und führt ergänzend aus: Es entspreche der üblichen Praxis, bei einzelnen Fällen von pönalisiertem Zivilunrecht mangels Gemeinwohlbezuges von Sperrverfügungen gegenüber Zugangsprovidern abzusehen. Es sei zu berücksichtigen, dass mehrere der ursprünglich gerügten Aussagen im betreffenden Artikel nicht mehr enthalten seien. Bei dem als Diskussionsbeitrag eingestellten Artikel der Hannoverschen Wirtschaftszeitung aus Oktober 2004 handele es sich zudem um eine fremde Berichterstattung bzw. Meinungsäußerung, die lediglich wiedergegeben werde. Die gerügten Verstöße seien für ihn nicht von solchem Gewicht, dass sie die Anordnung von Sperrverfügungen gegen Zugangs-Anbieter mit Sitz in NRW rechtfertigten. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Begründung einer wissenschaftlich nicht anerkannten Lehre für Dritte nachvollziehbar einen Anlass für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen geben könne. Bei den Ausführungen zu etwaigen Ermessensfehlern berücksichtige der Kläger nicht, dass die beantragten Sperrverfügungen gegen Access-Provider als Nichtstörer ergehen würden und gegen alle in ihrem Zuständigkeitsbereich ansässigen Access-Provider erlassen werden müssten. Schließlich würden seine Überlegungen nur im Grundsatz gelten, so dass der Erlass von Sperrverfügungen in Betracht kommen könne, wenn ein Angebot erkennbar ausschließlich das Ziel habe, eine bestimmte Person bloßzustellen. Ein solcher Ausnahmefall sei hier jedoch nicht gegeben. Zum einen richte sich das angegriffene Angebot nicht allein gegen die Person des Klägers, zum anderen setze es sich inhaltlich mit seiner Tätigkeit auseinander. Es liege danach weder eine Ermessensreduzierung auf Null vor, noch sei seine Ermessensbetätigung fehlerhaft.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die – mit der Begrenzung der Adressaten der beantragten Sperrverfügung auf die Access-Provider, die im räumlichen Zuständigkeitsbereich der Bezirksregierung E. einen Zugang zu den monierten Webseiten ermöglichen, in Anbetracht deren Ermittelbarkeit
30vgl. zum entsprechenden Vorgehen der Bezirksregierung Düseldorf bei der sog. Düsseldorfer Sperrverfügung: VG Düsseldorf , Urteil vom 10. Mai 2005 – 27 K 5968/02 –, juris (Rn. 4 ff. und 80),
31hinreichend bestimmte und damit auch insoweit – zulässige Klage ist unbegründet. Die mit Bescheid der Bezirksregierung E. vom 27. August 2013 erfolgte Ablehnung des Erlasses einer Sperrverfügung gegen die Access-Provider, welche einen Zugang zu den vom Kläger als ehrverletzend in Bezug genommenen Inhalten der Website www.Q1.com in ihrem räumlichen Zuständigkeitsbereich ermöglichen, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Zwar ist der Beklagte passiv legitimiert, da mit der Bezirksregierung E. eine seiner Behörden für den Erlass einer entsprechenden Sperrverfügung zuständig wäre und sich somit ein entsprechender Anspruch gegen den Beklagten richten würde (1.). Dem Kläger steht aber ein Anspruch auf das begehrte medienaufsichtliche Einschreiten weder im Hinblick auf die geltend gemachte Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts und Unternehmenspersönlichkeitsrechts (2.) noch wegen der Verletzung sonstiger Vorschriften, insbesondere der Impressumspflicht nach § 55 Abs. 1 RStV durch die Betreiber der Domain www.Q1.com zu (3.).
321. Die Zuständigkeit der Bezirksregierung E. und damit die Passivlegitimation des Beklagten hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Erlass einer Sperrverfügung gegen Access-Provider ergibt sich aus § 1 Abs. 1 S. 2 des Gesetzes zur Regelung der Zuständigkeit für die Überwachung von Telemedien nach dem TMG und nach § 59 Abs. 2 RStV (Telemedienzuständigkeitsgesetz – TMZ-Gesetz). Denn danach ist die Bezirksregierung E. die (ausschließlich) zuständige Aufsichtsbehörde für das gesamte Land Nordrhein-Westfalen nach § 59 Abs. 2 RStV, der seinerseits vorsieht, dass die Einhaltung der Bestimmungen für Telemedien einschließlich der allgemeinen Gesetze und gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre mit Ausnahme des Datenschutzes durch nach Landesrecht bestimmte Aufsichtsbehörden überwacht wird.
332. Soweit sich der Kläger auf eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seines Unternehmenspersönlichkeitsrechts beruft und damit einen Verstoß gegen allgemeine Gesetze und gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre geltend macht, sind einschlägige Anspruchsgrundlage die §§ 14, 19 OBG (a). Deren Tatbestandsvoraussetzungen sind jedoch nicht gegeben (b). Gleiches würde jedoch auch dann gelten, wenn stattdessen § 59 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 RStV als Anspruchsgrundlage einschlägig wäre (c). Im Übrigen läge unabhängig von der Anspruchsgrundlage aber auch weder eine Ermessenreduzierung auf Null in Bezug auf das begehrte Einschreiten noch ein Ermessensfehler bei der vom Beklagten vorgenommenen Ablehnung vor (d).
34a) Hinsichtlich des geltend gemachten Verstoßes gegen allgemeine Gesetze und gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre sind Anspruchsgrundlage – entgegen der Einschätzung der Beteiligten – nicht die Vorschriften des § 59 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 RStV, sondern §§ 14, 19 OBG.
35Gemäß § 59 Abs. 3 S. 1 RStV trifft die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde, wenn sie einen Verstoß gegen die Bestimmungen (für Telemedien) mit Ausnahme der § 54, § 55 Abs. 2 und 3, § 56, § 57 Abs. 2 RStV oder der Datenschutzbestimmungen des TMG feststellt, die zur Beseitigung des Verstoßes erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter. Wenn sich Maßnahmen gegenüber dem Verantwortlichen nach § 7 TMG als nicht durchführbar oder nicht erfolgversprechend erweisen, können nach § 59 Abs. 4 S. 1 RStV Maßnahmen zur Sperrung von Angeboten nach Abs. 3 auch gegen den Diensteanbieter von fremden Inhalten nach den §§ 8-10 TMG gerichtet werden, sofern eine Sperrung technisch möglich und zumutbar ist. Diese Regelungen sind vorliegend hinsichtlich der vom Kläger beanstandeten Ehrverletzungen nicht einschlägig, weil der Kläger insoweit einen Verstoß gegen die Vorschriften der allgemeinen Gesetze und der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 3 RStV geltend macht, den § 59 Abs. 3 S. 1 RStV wie die gesamte Vorschrift des § 54 RStV ausdrücklich von seinem Anwendungsbereich ausschließt.
36Allerdings dürfte es vom Gesetzgeber mit dem zum 1. März 2007 in Kraft getretenen Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrag (GV.NRW. 2007, S. 107), mit dem die inhaltespezifischen Regelungen für Telemedien unter Aufhebung des früheren Mediendienste-Staatsvertrages (MDStV) in dem neugefassten VI. Abschnitt des RStV getroffen worden sind, tatsächlich nicht beabsichtigt gewesen sein, mit der Ausnahme der gesamten Vorschrift des § 54 RStV vom Anwendungsbereich des § 59 Abs. 3 S. 1 RStV in Abweichung von § 22 Abs. 2 S. 1 MDStV in dessen letzter Fassung des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrages (GV.NRW. 2005, S. 192) eine Eingriffsbefugnis der Aufsichtsbehörde bei Verstößen gegen die allgemeinen Gesetze und die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der persönlichen Ehre auszuschließen. Hiergegen spricht, dass mit dieser Neuregelung nach der Gesetzesbegründung die materiellen Bestimmungen des MDStV im Allgemeinen (im Wesentlichen unverändert) sowie die Regelung aus § 22 Abs. 2 MDStV im Besonderen, die von der speziellen medienrechtlichen Eingriffsbefugnis lediglich Verstöße gegen Abs. 2 und 3 des dem § 54 RStV entsprechenden § 11 MDStV ausnahm, übernommen werden sollten.
37Vgl. LT-Drs. 14/3130 S. 19 und 31.
38Hinzu kommt, dass die (weiteren) Ausnahmen von der Eingriffsbefugnis, die – neben dem Datenschutz – sowohl in § 22 Abs. 2 S. 1 MDStV als auch in § 59 Abs. 3 S. 1 RStV vorgesehen waren bzw. sind, ausschließlich journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote bzw. die Wiedergabe von Meinungsumfragen betrafen bzw. betreffen, die unter Berücksichtigung des Art. 5 Abs. 1 GG besonderen Schutzes bedürfen. Sowohl ein historisch-systematischer Vergleich mit den im Übrigen ausgenommenen Vorschriften als auch der Sinn und Zweck der genannten Ausnahmen ließen demnach den Schluss zu, dass allein bei Verstößen gegen Vorschriften, die solche schutzbedürftigen meinungsbildenden Angebote betreffen, die Befugnis der Aufsichtsbehörde zur Untersagung bzw. Sperrung von Telemedien-Angeboten nach § 59 Abs. 3 und 4 RStV ausgeschlossen sein sollte.
39So ausführlich VG Aachen, Urteil vom 20. Dezember 2007 – 8 K 110/07 –, juris (Rn. 72 ff.); VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. November 2007 – 14 K 171/07 –, juris (Rn. 50 ff.); Volkmann in: Spindler u.a., Recht der elektronischen Medien – Kommentar, 2. Aufl., § 59 RStV Rn. 39.
40Der Gesetzgeber hat jedoch auf dieses vermeintliche „Redaktionsversehen“
41so VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. November 2007 – 14 K 171/07 –, juris (Rn. 53); Volkmann, a.a.O.,
42zwar nicht ausdrücklich, aber dennoch eindeutig reagiert, indem er mit Art. 1 Nr. 24 des zum 1. September 2008 in Kraft getretenen Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages (GV.NRW. 2008 S. 517) die Vorschrift des § 59 RStV erneut geändert hat. Dabei hat er in der bereits zuvor unbeschränkten Beschreibung des Aufgabenbereichs der Aufsichtsbehörde zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen für Telemedien in Abs. 2 den Zusatz „einschließlich der allgemeinen Gesetze und der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre“ aufgenommen und der Regelung zur Eingriffsbefugnis in Abs. 3 den neuen S. 7 angefügt, demzufolge die Befugnisse der Aufsichtsbehörden zur Durchsetzung der Vorschriften der allgemeinen Gesetze und der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre unberührt bleiben. Hierzu wird in der Begründung des Staatsvertrags
43vgl. S. 36 ; abrufbar unter: http://www.rlp.de/no_cache/ministerpraesidentin/staatskanzlei/medien/?cid=122562&did=5802&sechash=fb32e00f oder http://www.urheberrecht.org/law/normen/rstv/RStV‑10/materialien/begruendung_B_01.php3,
44zum einen festgestellt, dass mit der betreffenden Änderung des Abs. 2 hinsichtlich des Aufgabenbereichs der Medienaufsicht präzisiert wird, dass die Einhaltung der Bestimmungen für Telemedien nicht nur die Bestimmungen dieses Staatsvertrages oder des TMG betrifft, sondern auch die allgemeinen Gesetze und die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre, die in § 54 Abs.1 S. 3 RStV aufgeführt sind. Zum anderen wird darin ausdrücklich ausgeführt, dass der neu eingefügte S. 7 klarstellen soll, dass sich die Befugnisse der Aufsichtsbehörden zur Durchsetzung der Vorschriften der allgemeinen Gesetze und der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre nach den dortigen jeweiligen gesetzlichen Regelungen richten und weitere Eingriffsbefugnisse für diesen Bereich durch die Medienaufsicht nicht geschaffen werden sollen. Damit hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass auch die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften der allgemeinen Gesetze und der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre in den Aufgabenbereich der Medienaufsicht nach § 59 Abs. 2 RStV fallen, § 59 Abs. 3 und daran anknüpfend auch Abs. 4 RStV insoweit jedoch keine spezielle Eingriffsbefugnis begründen, hierfür vielmehr die allgemeinen gesetzlichen Regelungen und damit angesichts des ordnungsrechtlichen Charakters der infrage stehenden Maßnahme in Nordrhein-Westfalen die §§ 14 ff. OBG gelten.
45Angesichts dieser insoweit eindeutigen Begründung greift die in der mündlichen Verhandlung geäußerte Einschätzung des Klägers, nach S. 7 sollten im Gegenteil die frühere medienrechtliche Eingriffsbefugnis bei Verletzung der allgemeinen Gesetze und der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre (§ 22 Abs. 2 MDStV) bzw. die materiellen Maßstäbe zur Feststellung einer Verletzung dieser Gesetze bzw. Bestimmungen unberührt bleiben, nicht durch. Darüber hinaus lassen sich diese beiden Sichtweisen mit dem Wortlaut des S. 7 bzw. der Systematik der Vorschrift nicht vereinbaren. Hätte der Gesetzgeber entsprechend der früheren Rechtslage die Eingriffsbefugnis des § 59 Abs. 3 S. 1 RStV auch hinsichtlich eines Verstoßes gegen die in § 54 Abs. 1 RStV genannten allgemeinen Gesetze und gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre begründen wollen, hätte er in § 59 Abs. 3 S. 1 RStV entsprechend § 22 Abs. 2 S. 1 MDStV die Ausnahme des § 54 RStV auf dessen Abs. 2 und 3 beschränkt, anstatt letztgenannte Vorschrift erst vollständig auszunehmen, um die Eingriffsbefugnis sodann durch S. 7 hinsichtlich des § 54 Abs. 1 RStV wieder für anwendbar zu erklären. Dass S. 7 nicht die materiellen Maßstäbe zur Feststellung einer Verletzung der allgemeinen Gesetze bzw. der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre betrifft, macht bereits der Wortlaut der Vorschrift hinreichend klar, der nicht diese, sondern ausdrücklich die Eingriffsbefugnisse der Aufsichtsbehörden thematisiert („Die Befugnisse der Aufsichtsbehörden zur Durchsetzung der Vorschriften…“).
46b) Die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 14 ff. OBG für den Erlass einer Sperrverfügung gegen die Provider, welche einen Zugang zu den betreffenden Webseiten ermöglichen, liegen jedoch nicht vor.
47Dies gilt selbst dann, wenn man hinsichtlich einiger der vom Kläger monierten Feststellungen auf den betreffenden Webseiten unter der Domain www.Q1.com eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts unterstellt. Unter diesen Umständen wäre zwar im vorliegenden Einzelfall eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne des § 14 Abs. 1 OBG gegeben. Denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. die Ehre ist als Recht des Einzelnen Schutzgut der öffentlichen Sicherheit.
48Vgl. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 15. Aufl., § 4 Rn. 18; Denninger in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., D 28 .
49Die Provider, welche den Zugang zu diesen Webseiten ermöglichen, können jedoch zur Abwehr dieser Gefahr nicht in Anspruch genommen werden – weder als Störer (aa) noch als Nichtstörer (bb).
50aa) Dass Access-Provider bei einem auch im vorliegenden Fall nicht ersichtlichen kollusiven Zusammenwirken mit dem Inhalteanbieter keine Störer im ordnungsrechtlichen Sinne sind, hat die Kammer bereits in ihrem rechtskräftigen Urteil vom 29. November 2011 – 27 K 3883/11 –, juris Rn. 59 ff., dessen Ausführungen sie auch heute noch folgt, im Einzelnen (in Bezug auf einen Provider namens V AG) wie folgt begründet:
51„Im Gegensatz zu dem (…) Störerbegriff im Zivil- und Wettbewerbsrecht, welchem die Rechtsfigur des Nichtstörers unbekannt ist und welcher im Kern im Sinne einer Äquivalenz jegliche Mitverursachung erfasst,
52vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 18. Oktober 2001 - I ZR 22/99 -, GRUR 2002, 618; Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart, Urteil vom 1. August 2002 - 2 U 47/01 -, NJW-RR 2003, 1273; Hanseatisches OLG, Urteil vom 4. November 1999 - 3 U 274/98 -, MMR 2000, 92; Billmeier, in: Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, Loseblattwerk (Stand: 7/2010), D § 7 TMG Rn. 147 ff., m. w. N.,
53ist die Zurechnung im Polizei- und Ordnungsrecht nach der in Rechtsprechung und Schrifttum herrschenden Theorie der unmittelbaren Verursachung auf Ursachen zu begrenzen, welche unmittelbar die Gefahr oder Störung setzen und so die Gefahrengrenze überschreiten.
54Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Januar 1985 - 4 B 1434/84 -, NVwZ 1985, 355 m. w. N.; Bundesverwaltungsgereicht (BVerwG), Beschluss vom 22. Dezember 1980 - 4 B 192/80 -, Juris; Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. November 2008 - 8 A 10933/08 -, NVwZ-RR 2009, 280; Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, 9. Auflage (1986), S. 313; Denninger, in: Lisken / Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Auflage (2007), E Rn. 77, m. w. N.
55Bei der Bewertung, wann ein Diensteanbieter die Gefahrengrenze überschreitet und so als Störer anzusehen ist, müssen nach der Wertung des Gesetzgebers die Haftungsgrundsätze und Haftungsprivilegien nach dem TMG Berücksichtigung finden. Deshalb bedarf es, zumindest im Ordnungsrecht, keiner weiteren Klärung, in welcher Weise die Verantwortlichkeitsregeln des TMG (§§ 7 bis 10 TMG) im Rahmen der Inanspruchnahme von Diensteanbietern nach den Regelungen des (Sonder-) Ordnungsrechts zu berücksichtigen sind, ob sie also als Vorfilter oder Nachfilter einzuordnen sind.
56Vgl. Billmeier, a.a.O., § 7 TMG Rn. 6 ff.; Heckmann, Juris Praxiskommentar zum Internetrecht, 2. Aufl., Vorbemerkung. Kapitel 1.7, Rn. 66 f.; Engel-Flechsig / Maennel / Tettenborn, Das neue Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz, NJW 1997, 2981 (2984).
57Die V ist Diensteanbieterin im Sinne des § 2 Nr. 1 TMG. Als Access-Provider vermittelt sie den Zugang zur Nutzung von Telemedien. Diensteanbieter sind nach § 7 Abs. 1 TMG für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich. In Hinsicht auf fremde Informationen ist im Telemediengesetz jedoch eine Haftungsprivilegierung vorgesehen. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG sind Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Spezifische Haftungsprivilegierungen ergeben sich in Abhängigkeit von der Funktion des Diensteanbieters aus den §§ 8 bis 10 TMG. Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 TMG bleiben Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen jedoch auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 TMG unberührt.
58Die V ist - in Abgrenzung zu § 9 TMG und § 10 TMG - aufgrund ihrer Tätigkeit unzweifelhaft als Diensteanbieter im Sinne des § 8 TMG (Zugangsvermittler) anzusehen, da sie fremde Informationen in einem Kommunikationsnetz übermittelt bzw. den Zugang zur Nutzung zu solchen vermittelt. Als Diensteanbieter im Sinne des § 8 TMG ist sie für die durch Aufruf der Domain (…) zu erreichenden Inhalte nicht verantwortlich. Diensteanbieter im Sinne des § 8 TMG sind nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift für fremde Informationen nicht verantwortlich, sofern sie die Übermittlung nicht veranlasst, den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG findet § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen. Diese Haftungsausschlussvoraussetzungen erfüllt die V. Weder veranlasst sie die Übermittlung der Glücksspielinhalte, noch wählt sie diese oder den Adressaten aus. Zudem kann offenkundig ein Zusammenwirken der V mit einem Nutzer im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG ausgeschlossen werden.
59Der Umstand, dass die V Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Inhalte hat, ist im Anwendungsbereich des § 8 TMG - wie die Ausgestaltung der Haftungsregelungen des § 8 TMG im Vergleich zu den Haftungsregelungen des § 10 TMG zeigt - ohne Relevanz.
60Spindler, in: Spindler / Schmitz / Geis, TDG, Teledienstegesetz, Teledienstedatenschutzgesetz, Signaturgesetz, Kommentar, § 9 TDG Rn. 6.
61(…) Es verbleibt die Möglichkeit der Inanspruchnahme als Nichtstörerin (…).“
62bb) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Access-Provider als Nichtstörer gemäß § 19 OBG sind jedoch ebenfalls nicht gegeben. Denn es besteht jedenfalls nicht die insoweit erforderliche gegenwärtige erhebliche Gefahr (Abs. 1 Nr. 1).
63Hinsichtlich des Nichtstörers ist bei der Auslegung und Anwendung dieser Tatbestandsvoraussetzung im Einzelfall zu berücksichtigen, dass ordnungsrechtliche Maßnahmen gegen andere Personen als den Verantwortlichen nur ausnahmsweise in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit getroffen werden können, da nur innerhalb dieser Grenzen jedermann seine Rechte und Freiheiten zur Gefahrenabwehr aufopfern muss.
64Vgl. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 15. Aufl.; a.a.O., § 10 Rn. 1.
65Dabei handelt es sich um eine deutlich höhere Eingriffsschwelle als im Fall der konkreten Gefahr nach § 14 OBG. Bei der Gegenwärtigkeit der Gefahr geht es um das Risiko ihrer Realisierung, bei der Erheblichkeit um den Rang des betroffenen Rechtsgutes und um die Größe des zu erwartenden Schadens.
66Vgl. Schönenbroicher/Heusch, Ordnungsbehördengesetz Nordrhein-Westfalen – Kommentar, 1. Aufl., § 19 Rn. 4.
67Die Gefahr ist erheblich, wenn sie einem bedeutsamen Rechtsgut (insbesondere Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit der Person, wichtige öffentliche Einrichtungen u.ä.) droht (vgl. Ziffer 19.11 S. 2 der Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des OBG vom 4.9.1980 – VV OBG).
68Vgl. insoweit auch: Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 15. Aufl., a.a.O., § 6 Rn. 26; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl., § 5 Rn. 314; Rhein, OBG NRW – Kommentar, § 19 Rn. 3.
69Sind Rechte Einzelner als Schutzgut der öffentlichen Sicherheit betroffen – wie hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. die Ehre des Klägers –, sind jedoch bei der Prüfung der Erheblichkeit der Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht nur dessen Rechte und die des Nichtstörers, sondern auch Rechte sonstiger Dritter und der Allgemeinheit (als Teil der Öffentlichkeit) einzubeziehen.
70Nach der somit bereits hier erforderlichen Gesamtbetrachtung der auf Seiten des Klägers (1) und der potentiellen Adressaten der Sperrverfügungen (2), aber auch der Internetnutzer und der Autoren der monierten Beiträge (3) betroffenen Interessen fehlt es an der notwendigen Erheblichkeit der Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Es wäre unverhältnismäßig, über die zu beanstandenden, die Rechte des Klägers verletzenden Inhalte hinaus den Zugang zu der weit überwiegenden Zahl rechtmäßiger Feststellungen über den Kläger in den Q2. -Beiträgen oder sogar die gesamte Domain zu sperren und mit den hier begehrten – aber angesichts der dann eintretenden Selbstbindung des Beklagten auch in einer Vielzahl von Folgefällen zu erwartenden – Sperrverfügungen den Access-Providern erhebliche Einschränkungen ihrer wirtschaftlichen Betätigung aufzuerlegen, um den Kläger vor möglicherweise strafrechtlich relevanten, aber nicht den Kern seines Persönlichkeitsrechts berührenden Ehrverletzungen zu schützen.
71(1) Zwar ist auf Seiten des Klägers mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und – wenn man seinem „Unternehmen“ unabhängig von dessen Rechtsfähigkeit eine entsprechende Rechtsstellung einräumt –
72vgl. hierzu Hager in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, §§ 823-825 (1999), C 28 ff.,
73dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht ein in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verankertes Rechtsgut betroffen, das insbesondere Schutz vor Äußerungen bietet, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen der Person bzw. des Unternehmens, insbesondere das Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken. Hierzu gehören vor allem verfälschende oder entstellende Darstellungen, die von nicht ganz unerheblicher Bedeutung für die Persönlichkeitsentfaltung sind, wie etwa Behauptungen über strafbares oder moralisch vorwerfbares Verhalten, berufliches oder privates Scheitern.
74Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 2005 – 1 BvR 1696/98 –, juris (Rn. 25); BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 1998 – 1 BvR 1861/93, 1864/96 und 2073/97 –, juris (Rn. 120).
75Eine „einfache“ Verletzung des Persönlichkeitsrechts reicht zur Annahme einer erheblichen Gefahr im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 OBG – anders als für eine Gefahr nach § 14 Abs. 1 OBG – jedoch nicht. Dementsprechend macht der Kläger insoweit auch geltend, durch die Feststellungen auf den Webseiten der betreffenden Domain massiv in seiner eigenen Person wie auch in seinem Handeln als Unternehmer beeinträchtigt zu werden; dabei seien sämtliche Falschbehauptungen geeignet, ihn in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen und verächtlich zu machen, seinen Ruf zu schmälern und ihn als Person und Unternehmer in seinem sozialen Geltungsanspruch zu beeinträchtigen, so dass mehrfach der Tatbestand der üblen Nachrede des § 186 StGB erfüllt sei. Dies erscheint bereits sowohl hinsichtlich der lediglich vier monierten Stellen des Wiki-Beitrags als auch des ausdrücklich unter dem Stichwort „Diskussion“ nur wiedergegebenen HWZ-Artikels aus Oktober 2004 zweifelhaft, kann aber hinsichtlich einzelner Tatsachenbehauptungen unterstellt werden.
76Soweit in dem Wiki-Beitrag unter dem Stickwort „Kritik und Vorwurf der Mitarbeiterausbeutung“ ausgeführt wird, dass im Netzwerk rund um die L2. fast ausschließlich ehrenamtliche Helfer tätig seien [b] und der Verein für A. und X. (A1. e.V.) früher „A2. “ geheißen habe [c], sowie im Rahmen der Diskussion der HWZ-Artikel aus Oktober 2004 wiedergegeben wird, ergeben sich Bedenken gegen die Annahme einer Strafbarkeit nach § 186 StGB schon insoweit, als diese Inhalte ausdrücklich als solche von Dritten gekennzeichnet werden. Dies wirft die Frage auf, ob der Autor des betreffenden Beitrags bzw. der Betreiber der Webseite die jeweilige Aussage überhaupt als nach eigener Überzeugung richtig hinstellt, sich den Inhalt der fremden Äußerung erkennbar zu eigen macht und damit eine entsprechende eigene Behauptung im Sinne des § 186 StGB aufstellt oder ob er sich hiervon nicht vielmehr ausreichend distanziert.
77Vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1996 – VI ZR 386/94 –, juris (Rn. 18); BGH, Urteil vom 20. Juni 1969 – VI ZR 234/67 –, juris (Rn. 31 f.); Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 61. Aufl., § 186 Rn. 8.
78Diese Frage stellt sich insbesondere hinsichtlich des HWZ-Artikels, dessen bloße Wiedergabe unter dem Menüpunkt „Diskussion“ hinreichend deutlich machen dürfte, dass die Betreiber sich nicht als Autor dieses Artikels ausgeben, ihn vielmehr lediglich als fremden Beitrag im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem beruflichen Wirken des Klägers ansehen und sich dadurch auch inhaltlich hiervon distanzieren. Dies dürfte unabhängig davon gelten, dass die HWZ den betreffenden Artikel – wie der Kläger vorträgt – nach seiner Intervention selbst nicht mehr veröffentlicht.
79Darüber hinaus dürfte es bei der Vielzahl der beanstandeten Feststellungen an der für die Annahme einer Strafbarkeit nach § 186 StGB erforderlichen Eignung fehlen, den Kläger verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Dabei besteht kein sachlicher Unterschied zwischen diesen beiden Varianten, da es in beiden Fällen auf die Zuschreibung einer ehrenrührigen Tatsache ankommt, die objektiv geeignet ist, das Opfer in der öffentlichen Meinung als verachtenswert erscheinen zu lassen.
80Vgl. Fischer, a.a.O., § 186 Rn. 4.
81Bei zahlreichen Feststellungen im Wiki-Beitrag über den Kläger auf der Webseite www.Q1.com wie auch im wiedergegebenen HWZ-Artikel aus Oktober 2004 fehlt diese Eignung bereits offensichtlich. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der monierten Aussagen
82- 83
zur früheren Bezeichnung des Vereins für A. und X. (A1. e.V.) als „A2. t“ [c und k],
- 84
zur Angabe zweier angeblicher Zitate des Klägers über den Menschen, wie er sich sein Leben verdient und wie seine Seele entsteht [d und g],
- 85
zur angeblichen Ausbildung des Klägers als Elektromeister [e], der einräumt, jedenfalls ein Semester Elektrotechnik studiert zu haben,
- 86
zur Chakrenlehre, der „Kraft der Liebe“ und der „Verbesserung des Karmas“ [e],
- 87
zum Aufbau des in einer Einrichtung des Klägers angebotenen Studiums der F. [f] und
- 88
zu den Voraussetzungen des Zugangs zu einer Referenzliste der L2. Kooperation der F. GmbH, dessen geschäftsführender Gesellschafter der Kläger ist [h].
Vgl. http://www..F. -startseite/impressum.php.
90Ebenfalls nicht geeignet, den Kläger als verachtenswert erscheinen zu lassen, sind die Ausführungen im Wiki-Beitrag zu seiner Aufnahme in die Personalenzyklopädie der Schweizer Firma I. Who is Who Verlag für Personenenzyklopädien Aktiengesellschaft [a]. Zum einen wird insoweit entgegen der Darstellung nicht ausdrücklich behauptet, dass der Kläger für seine Aufnahme Geld bezahlt hat. Festgestellt wird lediglich, dass es sich bei dieser Enzyklopädie um einen sogenannten Vanity Award handele und derartige Auszeichnungen praktisch an jedermann verkauft würden – ob Gastwirt, Heilpraktiker, Unternehmer oder tatsächlich prominente Personen. Im Übrigen wird im Errata-Artikel von Q1 speziell zum Eintrag des Klägers ausdrücklich klargestellt, dass die Nennung in der Enzyklopädie selbst kostenlos ist und lediglich für die Aufnahme eines Bildes aktuell 200 Euro zu zahlen sind.
91Vgl. http://www.Q1.com/ge/index.php/Errata.
92Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Umstände der Aufnahme in eine im wissenschaftlichen Bereich umstrittene
93vgl. http://swbplus.bsz‑bw.de/bsz025010700rez.pdf;jsessionid=6D9F3372EC85B7A45FDCB120F7D1417A?1404035379285,
94und in einzelnen Presseartikeln kritisch gewürdigte,
95vgl. http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/who-is-who-vs-whos-who-das-geschaeft-mit-der-eitelkeit-1.190195; http://www.test.de/Geschaefte-mit-der-Eitelkeit-Die-Bauchpinsler-21810-0/,
96in der Öffentlichkeit aber im Gegensatz zum renommierten deutschen „Wer ist wer“
97vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Wer_ist_wer%3F,
98nicht besonders bekannte Enzyklopädie die öffentliche Meinung nicht wesentlich berühren. Selbst wenn man annehmen würde, dass die monierte Feststellung zumindest mittelbar die Behauptung enthält, dass der Kläger sich in dieses Werk eingekauft hat, so mag ihn dies in seiner Ehre tangieren, nicht aber in der Öffentlichkeit herabwürdigen oder verächtlich machen. Dies gilt erst recht angesichts des Umstandes, dass sich die Feststellung zur Käuflichkeit der Eintragung wenn überhaupt dann nicht nur auf ihn, sondern auf alle der zuletzt knapp 75.000 in Hübners „Who is Who“ genannten Personen
99vgl. http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/who-is-who-vs-whos-who-das-geschaeft-mit-der-eitelkeit-1.190195-2,
100beziehen würde.
101Schließlich könnte auch die im Wiki-Beitrag wiedergegebene Feststellung im HWZ-Artikel, dass im Netzwerk um die L2. fast ausschließlich „ehrenamtliche Helfer“ tätig sind [b und i], die Eignung fehlen, den Kläger verächtlich zu machen. Der Kläger hält dieser Textstelle entgegen, dass bei der L2. keinerlei ehrenamtliche Helfer tätig sind, es solche nur bei dem gemeinnützigen Verein A1. e.V. gebe, da dieser Sach- und Geldspenden 1:1 an die Bedürftigen weiterleite. Im HWZ-Artikel wird aber jedenfalls ausdrücklich nicht behauptet, dass die L2. selbst ehrenamtliche Helfer hat. Diese Feststellung bezieht sich nur auf das Netzwerk um die L2. . Und dass zu diesem Netzwerk auch der A1. e.V. gehört, ergibt sich aus dem Internetauftritt der L2. .
102Vgl. http://www..F. .de/kde.php.
103Selbst wenn man aber eine Eignung zur Verächtlichmachung annimmt und mit den folgenden Ausführungen im HWZ-Artikel zu „sektenartigen Strukturen um den Motivations-Guru L1. “, dem Druck auf seine „Zöglinge“, ihrer Ausbeutung und einer hierarchischen Struktur mit „Stufen der Erkenntnis“ und zahlreichen Initiationsriten wie der Taufe auf einen neuen Namen, „Psychodruck“ und „Flüche(n)“ bei Widerspruch oder Ausstieg und hohen Geldforderungen nach einem Ausstieg [j und l] insgesamt den Tatbestand der üblen Nachrede nach § 186 StGB als erfüllt erachtet, so ist dennoch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der angegriffenen Beiträge wie auch der allgemeinen öffentlichen Diskussion über den Kläger bei keiner dieser Aussagen ersichtlich, dass dadurch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in seinem Kern verletzt und damit der Menschenwürdegehalt dieses Grundrechts tangiert wird.
104Vgl. zur Annahme einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 OBG bei der Betroffenheit des Schutzgutes der Menschenwürde: OVG NRW, Beschluss vom 26. Januar 2010 – 13 B 760/09 –, juris (Rn. 14) in Anknüpfung an OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2003 – 8 B 2567/02 –, juris (Rn. 62).
105Dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass sich sämtliche der möglicherweise strafbaren Inhalte allein auf sein berufliches Wirken und seine wirtschaftliche Betätigung, nicht aber auf ihn als Privatperson beziehen.
106(2) Seitens der Interessenbewertung der Access-Provider ist im Rahmen dieser Güterabwägung zu berücksichtigen, dass sich diese – im Gegensatz zu Content- und Host-Providern – nicht auf eigene Kommunikationsgrundrechte berufen können, da ihre Tätigkeit nicht typischerweise auf kommunikative Inhalte bezogen ist und damit keinen engen organisatorischen und funktionalen Bezug zur Presse im weiteren Sinne aufweist. Ihre Inanspruchnahme zur Sperrung entsprechender Webseiten würde daher lediglich in ihre von Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit und das durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistete Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs eingreifen.
107Vgl. Volkmann in: Spindler u.a., Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl., § 59 RStV Rn. 23 f., 67 f. und 70.
108Dieser Eingriff erlangt jedoch im Hinblick auf die Anforderungen, die sich aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG sowohl im vorliegenden Fall wie auch in allen Folgefällen ergeben würden, besonderes Gewicht.
109Zum einen würde die Wahrung des Gleichheitssatzes eine einheitliche Vorgehensweise jedenfalls gegen alle Access-Provider erfordern, die ihren Sitz in NRW haben. Eine Beschränkung des Vorgehens auf einzelne Zugangsprovider, etwa diejenigen mit dem größten Marktanteil, kommt nicht in Betracht. Hierzu hat die Kammer bereits im zitierten Urteil vom 29. November 2011 – 27 K 3883/11 –, juris (Rn. 85 ff.) ausgeführt:
110„die Effektivität und Schnelligkeit der Gefahrenabwehr (würde) verlangen, dass auch gegen diejenigen Access-Provider vorgegangen wird, die eine im Vergleich zu den in Anspruch genommenen Providern kleinere Marktstärke in NRW aufweisen. Schon bei einem Nichtvorgehen gegen wenige Provider ist die Geeignetheit einer Sperrverfügung zur Erreichung der dadurch verfolgten Zwecke, nämlich Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht, Jugend- und Spielerschutz sowie Kanalisierung und Begrenzung des Glücksspielangebots zumindest in Frage gestellt.
111Eine Maßnahme ist zwar bereits dann geeignet, wenn durch sie eine Förderung des gewünschten Erfolgs möglich ist bzw. sie einen Beitrag zu dessen Erreichen leistet. Eine vollständige Gefahrenabwehr ist nicht Voraussetzung. Es muss sich um einen "Schritt in die richtige Richtung" handeln.
112OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2003 - 8 B 2567/02 -, Juris, hierzu auch VG Düsseldorf, Urteil vom 10. Mai 2005 - 27 K 5968/02 -, Juris, jeweils zur Sperrung einer Website, die nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet, nach den Vorschriften des (außer Kraft getretenen) Mediendienststaatsvertrages -; Dietlein/Heinemann, Ordnungsrecht und Internetkriminalität, K&R 2004, S. 418 (423).
113Für die Geeignetheit der DNS-Sperrung als solche reicht es aus, dass sie den Zugriff auf die beiden gesperrten Angebote für den durchschnittlichen geschäftlichen, beruflichen oder privaten Nutzer, auf dessen Horizont insoweit abzustellen ist, erschwert. Dabei handelt es sich um einen Personenkreis, der sich mit technischen Details nicht auseinandergesetzt hat und auch die Konfiguration der eigenen Hard- und Software entweder Dritten überlässt oder nach Möglichkeit in dem werksseitig eingestellten Zustand belässt. Für diese Personengruppe wird der Zugriff auf die hier betroffenen Angebote mindestens "sperriger", nicht selten auch nicht unerheblich erschwert. Dass es dennoch - mit aus der Sicht vieler Nutzer einfachen Mitteln - möglich ist, die Seiten zu erreichen, ist unschädlich. Gleichwohl werden viele Nutzer die vorhandenen Möglichkeiten zur Umgehung der Sperrung nicht kennen oder als zu aufwendig nicht nutzen. Eine vollständige Ausschaltung der Gefahr durch Sperrungen ist ohnehin praktisch unmöglich, da im Internet mannigfaltige Möglichkeiten zur Umgehung bestehen.
114S. OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2003 - 8 B 2567/02 -, a.a.O. Für die Geeignetheit der DNS-Methode i.E. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 10. Mai 2005 - 27 K 5968/02 -, Juris, VG Arnsberg, Urteil vom 26. November 2004 - 13 K 3173/02 - und VG Köln, Urteile vom 3. März 2005 - 6 K 7151/02 und 76032/02 -; a.A. z.B. Engel, MMR 2003, Beilage Nr. 4, S. 1 (25 f.) sowie Stadler MMR 2002, S. 343 (345).
115Eröffnet aber bereits die einzelne gegen einen bestimmten Acces-Provider erlassene DNS-Sperrungsanordnung Umgehungsmöglichkeiten, die den Erfolg der Maßnahme zumindest relativieren, führt eine Vorgehensweise nur gegen bestimmte Access-Provider zu einer weiteren Einschränkung der Geeignetheit. Denn die Internetnutzer können ohne weiteres auf einen der verbleibenden Anbieter ausweichen.“
116Zum anderen würde sich bei Erlass der begehrten Sperrverfügung gegenüber Access-Providern zu Gunsten des Klägers aus Art. 3 Abs. 1 GG auch eine Selbstbindung des Beklagten und damit eine Verpflichtung zu einem entsprechenden Vorgehen in allen weiteren vergleichbaren Fällen von Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet ergeben. Dies muss bereits in die Interessenabwägung im Rahmen des die Selbstbindung auslösenden Präzedenzfalles einfließen.
117Anders hinsichtlich der von Amts wegen erlassenen sog. „Düsseldorfer Sperrverfügung“ in Bezug auf rechtsradikale Webseiten, wobei keine konkreten Anhaltspunkte für eine weitere Inanspruchnahme des Access-Providers bestanden: OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2003 – 8 B 2567/02 –, juris (Rn. 85); VG Düsseldorf, Urteil vom 10. Mai 2005 – 27 K 5968/02 –, juris (Rn. 89).
118Angesichts der schier unendlichen Vielzahl von Webseiten mit Tatsachenbehauptungen und Werturteilen über einzelne Personen im weltweiten Internet – sei es in Online-Zeitungen, Wikis, Foren, privaten Homepages u.v.m. – würde ein derart flächendeckendes Vorgehen in Form von Sperrverfügungen zum Schutz einzelner Personen auch ohne Beeinträchtigung des Kernbereichs ihres Persönlichkeitsrechts die Access-Provider überfordern. Insbesondere würden die Zugangsprovider durch die Verpflichtung zur Sperrung unzähliger einzelner Webseiten erheblich in ihrer Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Dies gilt selbst dann, wenn für die Vergleichbarkeit nur auf die Fälle abgestellt wird, in denen – wie hier – ein zivilrechtliches Vorgehen des Betroffenen selbst gegen den Content-Provider wegen Verstoßes gegen die Impressumspflicht des § 55 Abs. 1 RStV und damit fehlender Identifizierbarkeit scheitert.
119Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich beim Access-Providing nicht nur um eine mangels inhaltlicher Rechtsbeziehung zu dem betroffenen Rechtsverletzer neutrale, sondern vor allem um eine zur Sicherstellung der Funktionstüchtigkeit des Internets sozial erwünschte und von der Rechtsordnung anerkannte Tätigkeit handelt.
120Vgl. Hanseatisches OLG Hamburg, Urteil vom 21. November 2013 – 5 U 68/10 –, juris (Rn. 80),
121(3) Mit in den Blick zu nehmen und nach Gegenüberstellung der Interessen des Klägers (1) und der Acces-Provider (2) letztlich ausschlaggebend sind darüber hinaus die einschneidenden Folgen einer etwaigen Sperrverfügung für die unmittelbaren Kommunikationsteilnehmer, die von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt sind. Dies gilt insbesondere hinsichtlich solcher Inhalte auf derselben Seite bzw. demselben Server, die den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen, bei der Umsetzung einer etwaigen Sperrverfügung – sei es im Wege einer DNS-Sperre, sei es bei einer Blockade der betreffenden IP-Adresse – aber ebenfalls nicht mehr erreichbar wären (sog. Overblocking). Dabei wären je nach Umsetzung der Sperrverfügung nur die den Kläger betreffenden Seiten oder die gesamte Domain www.Q1.com mit nach eigenen Angaben allein über 2.500 deutschsprachigen Wiki-Artikeln zu sperren.
122Indes wird die Schutzbedürftigkeit der Autoren entsprechender Beiträge dadurch nicht unerheblich gemindert, dass sich der Betreiber der betreffenden Webseite www.Q1.com – unter Verstoß gegen seine Impressumspflicht nach § 55 Abs. 1 RStV – wie auch die jeweiligen Autoren ihrer rechtlichen Verantwortung für einzelne Aussagen, etwaigen Auseinandersetzungen über den Wahrheitsgehalt der betreffenden Behauptungen und der Konsequenzen möglicher Rechtsverstöße dadurch entziehen, dass sie bewusst anonym bleiben.
123Im Rahmen der umfassenden Güterabwägung ungeschmälert ins Gewicht fällt dagegen die Informationsfreiheit der Internetnutzer, die von Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Alt. GG geschützt ist
124vgl. Volkmann in: Spindler u.a., Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl., § 59 RStV Rn. 26 und 69,
125und die Beschaffung und Entgegennahme von Informationen aus dem Internet als einer allgemein zugänglichen Quelle erfasst.
126Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 22. August 2012 – 1 BvR 199/11 –, juris (Rn. 14).
127In dieses grundlegende Recht würde durch das beschriebene Overblocking schwerwiegend eingegriffen.
128Die Allgemeinheit hat ein grundlegendes Interesse daran, sich umfassend über die unterschiedlichsten Themen zu informieren, insbesondere um auf bestimmte Gesichtspunkte überhaupt erst aufmerksam zu werden, die für die eigene Meinungsbildung von Bedeutung sind, und/oder konkrete Entscheidungen vorzubereiten. Dies gilt auch in Bezug auf eine – hier in Rede stehende – wissenschaftlich nicht anerkannte Lehre ohne zitierbare eigene Literatur und ohne Rezeption,
129jedenfalls wendet sich der Kläger gegen diese Feststellungen im Wiki-Beitrag nicht,
130in deren Netzwerk der Öffentlichkeit zahlreiche Dienstleistungen im Bereich der Bildung, Informationstechnologie, Wissenschaft, Wirtschaftssysteme, Organisations- und Personalentwicklung und Finanzen & Investment sowie über einen Online-Shop naturnahe Produkte und über einen gemeinnützigen Verein ein Sorgentelefon angeboten werden.
131Vgl. hierzu: http://www..F. .de/.
132Die Allgemeinheit hat auch ein schutzwürdiges Interesse daran, sich hierüber nicht nur aus Sicht des Klägers, sondern auch von dritter Seite und in kritischen Beiträgen zu informieren. Der Kläger muss insoweit eine genaue Beobachtung seiner Handlungsweise in der Öffentlichkeit im Rahmen der Berichterstattung über sein berufliches Wirken hinnehmen, bei der die Grenzen zulässiger Kritik zudem weiter gezogen sind.
133Vgl. BGH, Urteil vom 22. September 2009 – VI ZR 19/08 –, juris (Rn. 21).
134Solche kritischen, aber nicht ehrverletzenden Beiträge über die berufliche Tätigkeit des Klägers, die dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit Rechnung tragen, finden sich unter www.Q1.com, insbesondere im betreffenden Wiki-Artikel an zahlreichen der von ihm nicht beanstandeten Stellen. So wird dort über seine Ausbildung, die zeitliche Abfolge der Gründung seiner Lehre und seiner verschiedenen Unternehmen sowie – soweit bekannt – den Inhalt der Lehre der F. und der P. Q. berichtet.
135Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung eingewandt hat, dass er im Fall einer für ihn nachteiligen Interessenabwägung und Ablehnung seines Antrags auf Inanspruchnahme der Access-Provider zur Beseitigung seiner Rechtsverletzungen rechtsschutzlos bleibe, da er weder Content-Provider noch Domain-Inhaber zivilrechtlich in Anspruch nehmen könne, trifft dieses voraussichtlich zu. Indes ist dem Gesetz eine solche Folge nicht fremd. Dies ergibt sich aus § 59 Abs. 5 RStV. Nach dieser Vorschrift sollen, wenn durch ein Angebot in Rechte Dritter eingegriffen wird und für den Dritten hiergegen der Rechtsweg eröffnet ist, Anordnungen der Aufsichtsbehörde im Sinne von Abs. 3 nur erfolgen, wenn dies aus Gründen des Gemeinwohls geboten ist. Dabei spricht bereits der Wortlaut und die Weite des Begriffs der Eröffnung des Rechtswegs (vgl. § 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes, § 40 VwGO) dafür, dass es insoweit nicht darauf ankommt, ob der Rechtsweg im Einzelfall auch erfolgreich beschritten werden kann. Dies wird dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber an anderer Stelle derselben Vorschrift, nämlich in § 59 Abs. 4 S. 1 RStV im Gegensatz zur Formulierung des § 59 Abs. 5 RStV ausdrücklich voraussetzt, dass sich bestimmte Maßnahmen als nicht erfolgversprechend erweisen. Nach Sinn und Zweck stellt § 59 Abs. 5 RStV den Schutz privater Rechte auch bei den Telemediendiensten in den Verantwortungsbereich des einzelnen, so dass die Vorschrift eine ausufernde Inanspruchnahme der Aufsichtsbehörden zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche verhindert.
136Vgl. Volkmann in: Spindler u.a., Recht der elektronischen Medien – Kommentar, 2. Aufl., § 59 RStV Rn. 75; Schulz in: Hahn/Vesting; Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl., § 59 RStV Rn. 74.
137c) Im Ergebnis gilt Gleiches, sofern man entgegen der obigen Auslegung der Ausnahmen in § 59 Abs. 3 RStV auch hinsichtlich eines Verstoßes gegen die allgemeinen Gesetze und die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre nicht die allgemeinen ordnungsrechtlichen Eingriffsbefugnisse, sondern die Ermächtigungsgrundlage des § 59 Abs. 3 und 4 RStV für einschlägig hält.
138Zwar dürfte unter diesen Umständen angesichts der geltend gemachten Persönlichkeitsrechtsverletzung ein Verstoß gegen relevante Bestimmungen für Telemedien im Sinn des § 59 Abs. 3 S. 1 RStV gegeben sein. Auch spricht einiges dafür, dass sich Maßnahmen gegenüber dem Verantwortlichen nach § 7 TMG, das heißt dem Content-Provider als nicht durchführbar oder nicht erfolgversprechend erweisen. Eine entsprechende Sperrung der Angebote ist auch im Sinne des § 59 Abs. 4 S. 1 RStV technisch möglich, aber nach den obigen Ausführungen zur Abwägung der Interessen der Verfahrensbeteiligten, der Access-Provider, der Autoren der betreffenden Beiträge und vor allem der Internetnutzer nicht zumutbar. Denn bei der Zumutbarkeitsprüfung dürften die zur Inanspruchnahme des Nichtstörers aufgestellten Grundsätze entsprechend anzuwenden sein.
139Vgl. Spindler/Volkmann, „Die öffentlich-rechtliche Störerhaftung der Access Provider“, K&R 2002, 398 (404); offen gelassen in OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2003 – 8 B 2567/02 –, juris (Rn. 65).
140Dabei ist auch insoweit die Subsidiaritätsklausel des § 59 Abs. 5 RStV im oben genannten Sinne zulasten des Klägers zu berücksichtigen.
141d) Bei der dargelegten Interessenlage würde sich unabhängig von der einschlägigen Anspruchsgrundlage aber jedenfalls eine Sperrverfügung gegenüber den Access-Providern als unverhältnismäßig darstellen. Die – bei Erfüllung des Tatbestandes – eröffnete Ermessensentscheidung müsste daher zwingend zu Ungunsten des Klägers ausgehen. Auf ein etwaiges Aufklärungsdefizit des Beklagten oder sonstige als sachwidrig gerügte Ermessenserwägungen des Beklagten (z.B. im Hinblick auf den dortigen Arbeitsanfall bei Erlass der beantragten Sperrverfügung sowie einer entsprechenden Selbstbindung in Bezug auf spätere Verfahren) kommt es nicht an.
1423. Der Kläger kann einen Anspruch auf das beantragte medienaufsichtliche Einschreiten des Beklagten nach § 59 Abs. 3 und 4 RStV bzw. eine fehlerfreie Ermessensausübung statt auf die Persönlichkeitsrechtsverletzungen auch nicht auf einen Verstoß des Content-Providers gegen die Impressumspflicht stützen. Zwar liegt ein solcher Verstoß gegen § 55 Abs. 1 RStV durch die Betreiber der Webseite unter der Domain www.Q1.com unzweifelhaft vor. Dass nach Angaben im dortigen Impressum die Domain anonym agiert, „um die Autoren vor Belästigungen und Schlimmerem zu schützen“, rechtfertigt den Verstoß nicht. Denn unabhängig davon, ob tatsächlich eine entsprechende Bedrohungslage besteht, sieht das Gesetz hierfür keine Ausnahme von der Impressumspflicht nach § 55 Abs. 1 RStV vor. Nach der Gesetzesbegründung soll die Regelung vielmehr (ausnahmslos) für den Nutzer ein Mindestmaß an Transparenz und Information über die natürliche oder juristische Person oder Personengruppe, die ihm ein Mediendienst anbietet, sicherstellen und damit auch als Anknüpfungspunkt für die Rechtsverfolgung im Streitfall dienen.
143Vgl. LT-Drs. 12/1954 S. 34 zur Vorgängerregelung des § 6 MDStV, auf die § 55 RStV aufbaut (so LT-Drs. 14/3130 S. 28).
144Einen Anspruch auf aufsichtsbehördliches Einschreiten gegen Access-Provider als Nichtstörer in Bezug auf ein konkretes Telemedienangebot kann ein hiervon betroffener Dritter jedoch nicht allein aufgrund des Verstoßes gegen diese Verfahrensvorschrift, deren Erfüllung ihm ein zivilrechtliches Vorgehen ermöglichen soll, sondern nur aufgrund eines entsprechend schwerwiegenden materiellen Rechtsverstoßes geltend machen, woran es im vorliegenden Fall nach obigen Ausführungen fehlt.
145Schließlich kann der Kläger das mit dem Antrag bei der Bezirksregierung E. und der vorliegenden Klage verfolgte medienaufsichtliche Einschreiten nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Datenschutzbestimmungen beanspruchen, wie er dies erstmals in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 13. Mai 2014 in der Rs. C-131/12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
147Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 24. Juni 2014 - 27 K 7499/13
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(1) Diensteanbieter sind für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.
(2) Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.
(3) Verpflichtungen zur Entfernung von Informationen oder zur Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen aufgrund von gerichtlichen oder behördlichen Anordnungen bleiben auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 unberührt. Das Fernmeldegeheimnis nach § 3 des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes ist zu wahren.
(4) Wurde ein Telemediendienst von einem Nutzer in Anspruch genommen, um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen und besteht für den Inhaber dieses Rechts keine andere Möglichkeit, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, so kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter nach § 8 Absatz 3 die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern. Die Sperrung muss zumutbar und verhältnismäßig sein. Ein Anspruch gegen den Diensteanbieter auf Erstattung der vor- und außergerichtlichen Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung des Anspruchs nach Satz 1 besteht außer in den Fällen des § 8 Absatz 1 Satz 3 nicht.
(1) Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie
- 1.
die Übermittlung nicht veranlasst, - 2.
den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und - 3.
die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.
(2) Die Übermittlung von Informationen nach Absatz 1 und die Vermittlung des Zugangs zu ihnen umfasst auch die automatische kurzzeitige Zwischenspeicherung dieser Informationen, soweit dies nur zur Durchführung der Übermittlung im Kommunikationsnetz geschieht und die Informationen nicht länger gespeichert werden, als für die Übermittlung üblicherweise erforderlich ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.
(4) Diensteanbieter nach § 8 Absatz 3 dürfen von einer Behörde nicht verpflichtet werden,
Davon unberührt bleibt, wenn ein Diensteanbieter auf freiwilliger Basis die Nutzer identifiziert, eine Passworteingabe verlangt oder andere freiwillige Maßnahmen ergreift.(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Diensteanbieter sind für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.
(2) Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.
(3) Verpflichtungen zur Entfernung von Informationen oder zur Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen aufgrund von gerichtlichen oder behördlichen Anordnungen bleiben auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 unberührt. Das Fernmeldegeheimnis nach § 3 des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes ist zu wahren.
(4) Wurde ein Telemediendienst von einem Nutzer in Anspruch genommen, um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen und besteht für den Inhaber dieses Rechts keine andere Möglichkeit, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, so kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter nach § 8 Absatz 3 die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern. Die Sperrung muss zumutbar und verhältnismäßig sein. Ein Anspruch gegen den Diensteanbieter auf Erstattung der vor- und außergerichtlichen Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung des Anspruchs nach Satz 1 besteht außer in den Fällen des § 8 Absatz 1 Satz 3 nicht.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist die Herstellerin des bekannten Meißener Porzellans. Ein bekanntes Dekor ist das “Zwiebelmuster”, ein berühmtes Beispiel für die von der Klägerin geprägte Meißener Blaumalerei. Das Zwiebelmuster zählt zu den soge-
nannten indianischen oder indischen Dekoren; hierzu wird auch das Dekor “Meiûener Strohblume” gerechnet.
Die Klägerin ist Inhaberin der als durchgesetztes Zeichen eingetragenen Wort-/Bildmarke
für “Porzellanprodukte aller Art”. Sie hat ferner an dem Wortzeichen “Meissen” nach § 4 Nr. 2 MarkenG eine Benutzungsmarke für Porzellanwaren erworben.
Die Beklagte zu 1 vertreibt in erster Linie Kaffeeprodukte. Auûerdem bietet sie über ihr Vertriebsnetz auch branchenfremde Waren, u.a. Porzellan, an. Die Beklagte zu 2 ist eine Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1, die diese Waren im Versandwege vertreibt. Zu diesem Zweck gibt sie monatlich das “T. BestellMagazin” heraus. In dem “Bestell-Magazin” für August 1996, das allen bedeutenderen deutschen Tageszeitungen beilag, wurde eine “elegante Porzellan-Serie ‚Indisch Blau‘ mit dem original Meiûner Dekor von 1740” angeboten. Ferner heiût es dort:
Entdecken Sie “Indisch Blau”, den berühmten Porzellanklassiker, der seit Generationen begehrt und beliebt ist. Mit seinem stilvollen Meiûner Dekor erfreut sich diese Tradition seit 1740 gröûter Wertschätzung ± lassen Sie sie aufleben. Aus deutschem Qualitätsporzellan und spülmaschinengeeignet. Ideal zum Sammeln.
Das Dekor des abgebildeten Porzellans “Indisch Blau” entsprach dem Strohblumen-Dekor der Klägerin, für das sie keinen Schutz beansprucht.
Die Klägerin hat das Vorgehen der Beklagten als eine Verletzung ihrer Markenrechte sowie als Verstoû gegen §§ 1, 3 UWG beanstandet. Nachdem die Klägerin gegen die Beklagte zu 1 eine einstweilige Verfügung erwirkt hatte, gab die Beklagte zu 1 eine Unterwerfungserklärung ab. Zwischen den Parteien sind seitdem nur noch die Auskunfts- und Schadensersatzansprüche der Klägerin im Streit.
Das Landgericht hat der Klage mit den Auskunftsanträgen stattgegeben, die auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage dagegen als unzulässig abgewiesen. Auf die Rechtsmittel beider Parteien hat das Berufungsgericht die Klage mit den Auskunftsanträgen weitgehend abgewiesen, mit dem Feststellungsantrag dagegen stattgegeben. Es hat festgestellt,
daû die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus der Verwendung der Bezeichnung ªMeiûner Dekorº und/ oder aus der Bezeichnung ªoriginal Meiûner Dekorº für nicht von der Klägerin herrührende Waren entstanden ist oder noch entstehen wird ...
Hiergegen richten sich die Revisionen der Beklagten. Nachdem der Senat die Revision der Beklagten zu 2 nicht zur Entscheidung angenommen hat, verfolgt die Beklagte zu 1 ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision der Beklagten zu 1 zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten zu 1, die jedenfalls als Mitstörerin hafte, die aber eher Teilnehmerin als bloûe Störerin sei, grundsätzlich bejaht. Unstreitig habe auch die Beklagte zu 1 in
ihren Filialen die im Katalog der Beklagten zu 2 mit den Angaben ª(original) Meiûner Dekorº beworbenen Produkte verkauft. Auûerdem sei der fragliche Katalog zunächst von der Beklagten zu 1 versandt worden, weil die Beklagte zu 2 ihren Geschäftsbetrieb erst in dieser Zeit aufgenommen habe. Dies ergebe sich aus dem Vortrag der Klägerin, den die Beklagten unbestritten gelassen hätten.
Die Beklagten hätten die Markenrechte der Klägerin dadurch verletzt, daû sie ein mit der Benutzungs(wort)marke der Klägerin identisches Zeichen für identische Waren verwandt hätten. Die Beklagten hätten die Marke ªMeissenº der Klägerin auch markenmäûig benutzt. § 23 Nr. 2 MarkenG komme ihnen schon deswegen nicht zugute, weil in dem Ausnutzen des guten Rufs der Klägerin ein Sittenverstoû zu sehen sei.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision der Beklagten zu 1 haben Erfolg. Sie führen ± soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten zu 1 erkannt hat ± zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache in die Berufungsinstanz.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, daû in dem Verhalten der Beklagten zu 2 eine Markenverletzung sowie ein Wettbewerbsverstoû nach §§ 1 und 3 UWG liegt, für die die Beklagte zu 1 jedenfalls als Störerin haftet. Ob darüber hinaus eine Haftung der Beklagten zu 1 als Teilnehmerin in Betracht kommt, hat das Berufungsgericht zu Unrecht offengelassen. Es hat dabei nicht hinreichend berücksichtigt, daû gegenüber dem Störer lediglich Abwehr-, nicht dagegen Schadensersatzansprüche in Betracht kommen (BGH, Urt. v. 6.4.2000 ± I ZR 67/98, GRUR 2001, 82, 83 = WRP 2000, 1263 ± Neu in Bielefeld I; Urt. v. 12.6.1997 ± I ZR 36/95, GRUR 1998, 167, 168 f. = WRP 1998, 48 ± Restaurantführer).
Schutzrechtsverletzungen und Wettbewerbsverstöûe stellen unerlaubte Handlungen dar. Als Schuldner des deliktischen Schadensersatzanspruches kommt im gewerblichen Rechtsschutz und Wettbewerbsrecht ebenso wie im bürgerlichen Recht der Täter, Mittäter (§ 830 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder Teilnehmer (§ 830 Abs. 2 BGB) der unerlaubten Handlung sowie daneben derjenige in Betracht , dem das Verhalten des Handelnden zuzurechnen ist (vgl. Köhler, WRP 1997, 897, 899 f.; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 4. Aufl., Rdn. 144 ff.). Darüber hinaus eröffnet die Störerhaftung die Möglichkeit, auch denjenigen in Anspruch zu nehmen, der ± ohne Täter oder Teilnehmer zu sein ± in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes oder zu einer verbotenen Handlung beigetragen hat (vgl. zum Wettbewerbsrecht BGH, Urt. v. 10.10.1996 ± I ZR 129/94, GRUR 1997, 313, 315 = WRP 1997, 325 ± Architektenwettbewerb ; zum Urheberrecht Urt. v. 15.10.1998 ± I ZR 120/96, GRUR 1999, 418, 419 f. = WRP 1999, 211 ± Möbelklassiker, jeweils m.w.N.; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 14 Rdn. 4 ff.). Diese Haftung, die ihre Grundlage nicht im Deliktsrecht, sondern in der Regelung über die Besitz- und die Eigentumsstörung in § 862 und in § 1004 BGB hat (vgl. Staudinger/Bund, BGB [1995], § 862 Rdn. 9; Staudinger/Gursky aaO [1999], § 1004 Rdn. 92 ff.; MünchKomm.BGB/Medicus, 3. Aufl., § 1004 Rdn. 32 ff.), vermittelt dagegen nur Abwehransprüche. Für einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Störer fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.
2. Gleichwohl wäre das Berufungsurteil nicht aufzuheben, wenn aufgrund rechtsfehlerfrei getroffener Feststellungen auf die Stellung der Beklagten zu 1 als Mittäterin oder Teilnehmerin der Beklagten zu 2 geschlossen werden könnte. Das ist indessen nicht der Fall. Das Berufungsgericht ist zwar von einem Sachverhalt ausgegangen, der eine Haftung der Beklagten zu 1 als Mittäterin nahelegen würde. Denn es hat das Vorbringen der Klägerin, wonach der fragliche Katalog zu-
nächst von der Beklagten zu 1 und erst später ± nachdem diese ihren Geschäftsbetrieb aufgenommen habe ± von der Beklagten zu 2 versandt worden sei, als unstreitig angesehen. Die Revision rügt aber mit Recht, daû das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang erhebliches Vorbringen der Beklagten zu 1 übergangen hat.
In der Berufungsbegründung haben die Beklagten vorgebracht, die (Störer -)Haftung der Beklagten zu 1 könne nicht allein mit ihrer Eigenschaft als Muttergesellschaft der Beklagten zu 2 begründet werden. Das Bestell-Magazin sei ± so haben sie vorgetragen ± ausschlieûlich von der Beklagten zu 2 versandt worden (Schriftsatz v. 28.10.1997, S. 2 unten). In der Berufungserwiderung hat sich die Klägerin erstmals darauf gestützt, die Beklagte zu 2 sei ªerst kurze Zeit vorher gegründet wordenº und habe ªden eigentlichen Geschäftsbetrieb im Zeitpunkt der Versendung des Prospekts noch nicht faktisch aufgenommen gehabtº. Vielmehr seien ªdiese Handlungen ... seitens der Beklagten [zu 1] mindestens vorübergehend noch durchgeführt und koordiniertº worden (Schriftsatz v. 17.2.1998, S. 3). Hierauf haben die Beklagten mit dem von der Revision als übergangen gerügten Vorbringen repliziert und erneut darauf hingewiesen, das Bestell -Magazin sei ± wie sie schon vorprozessual vorgetragen hätten ± ausschlieûlich eine Werbung der Beklagten zu 2 gewesen, an der die Beklagte zu 1 nicht mitgewirkt habe (Schriftsatz v. 24.3.1998, S. 2 u. 3).
Unter diesen Umständen durfte das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin, wonach das Bestell-Magazin (auch) von der Beklagten zu 1 versandt worden sei, nicht als unstreitig ansehen (§ 286 ZPO). Es durfte auch nicht darauf abstellen, daû sich die Beklagten nicht konkret dazu erklärt hätten, wann die Beklagte zu 2 ihren Geschäftsbetrieb aufgenommen habe. Denn das Vorbringen der
Klägerin war keinesfalls konkret genug, um eine solche Verpflichtung zu einem substantiierten Bestreiten zu begründen. Insbesondere sah sich die Klägerin offenbar nicht in der Lage zu behaupten, der beanstandete Katalog sei schon versandt worden, bevor die Beklagte zu 2 ihren Geschäftsbetrieb aufgenommen hatte. Bei dieser Sachlage wäre es Sache der Klägerin gewesen, ihr vages Vorbringen aus der Berufungserwiderung zu konkretisieren.
III. Danach kann das angefochtene Urteil ± soweit es der Klage gegen die Beklagte zu 1 stattgegeben hat ± keinen Bestand haben. Eine endgültige Entscheidung ist dem Senat verwehrt. Vielmehr muû den Parteien erneut Gelegenheit gegeben werden, ergänzend zur Frage der (Mit-)Täterschaft oder Teilnahme der Beklagten zu 1 vorzutragen.
Auch eine Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 1 aus Rechtsgründen kommt nicht in Betracht. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen , daû der Klägerin für die Feststellungsklage ein Feststellungsinteresse zur Seite stand; denn die Beklagten hatten lediglich eingeräumt, für einen konkret nachgewiesenen Schaden einzustehen, hatten aber eine Verpflichtung zum Ersatz eines auf der Grundlage der Lizenzanalogie oder des Verletzergewinns berechneten Schadens nicht anerkannt. Die Annahme einer Markenverletzung kann nicht verneint werden, auch wenn ± entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ± kein Fall der Marken- und Warenidentität (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) vorliegt. Denn eine Verwechslungsgefahr (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) läût sich aus den in anderem Zusammenhang getroffenen Feststellungen entnehmen. Schlieûlich ist nicht zu beanstanden, daû das Berufungsgericht eine markenmäûige Benutzung bejaht, eine nach § 23 Nr. 2 MarkenG gerechtfertigte Benutzung jedoch verneint hat. Die Hinweise auf das ªoriginal Meiûner Dekorº gehen weit über das hinaus, was zur Darstellung des aus Meiûen stammenden Musters notwendig gewesen
wäre. Die Anwendung des § 23 Nr. 2 MarkenG scheitert im übrigen ± wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat ± auch daran, daû die beanstandete, auf eine Ausnutzung des guten Rufs der Klägerin abzielende Benutzung gegen die guten Sitten verstöût.
IV. Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben, soweit zum Nachteil der Beklagten zu 1 erkannt worden ist. Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Starck
Bornkamm Schaffert
(1) Diensteanbieter sind für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.
(2) Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.
(3) Verpflichtungen zur Entfernung von Informationen oder zur Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen aufgrund von gerichtlichen oder behördlichen Anordnungen bleiben auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 unberührt. Das Fernmeldegeheimnis nach § 3 des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes ist zu wahren.
(4) Wurde ein Telemediendienst von einem Nutzer in Anspruch genommen, um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen und besteht für den Inhaber dieses Rechts keine andere Möglichkeit, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, so kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter nach § 8 Absatz 3 die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern. Die Sperrung muss zumutbar und verhältnismäßig sein. Ein Anspruch gegen den Diensteanbieter auf Erstattung der vor- und außergerichtlichen Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung des Anspruchs nach Satz 1 besteht außer in den Fällen des § 8 Absatz 1 Satz 3 nicht.
Tenor
Die Berufungen des Beklagten und des Beigeladenen gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23. Juli 2008 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier werden zurückgewiesen.
Der Beklagte und der Beigeladene haben die Kosten des Berufungsverfahrens je zur Hälfte zu tragen. Die Zuziehung des Bevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Beteiligten streiten über die Sanierungsverantwortlichkeit des Heizöllieferanten für ein durch ausgelaufenes Heizöl verunreinigtes Grundstück.
- 2
Die Klägerin lieferte am 18. Juli 2007 an den Beigeladenen insgesamt 1.635 l Heizöl. Der Beigeladene ist Eigentümer des Hausgrundstücks … Straße in B.. Im Erdgeschoss des Hauses wird ein Döner-Restaurant betrieben. Hinter dem im Übrigen als Wohnhaus genutzten Gebäude befindet sich am Hang eine Terrasse, auf der zum Nachbargrundstück … Straße hin zwei Öltanks aus Glasfaserkunststoff (GfK) mit einem jeweiligen Fassungsvermögen von 2.000 l auf einer Betonfläche von ca. 3 x 4 m aufgestellt sind. Die Liefermenge wurde auf beide Tanks verteilt, so dass anschließend beide Tanks annähernd vollständig gefüllt waren. Der Beigeladene hatte das Anwesen im Jahr 2000 erworben und die beiden Tanks etwa einen Monat vor dem Schadensereignis in der Art eines Gartenhauses umbaut.
- 3
Am 19. Juli 2007 fiel nachts gegen 1:30 Uhr einer der beiden Heizöltanks um und lief fast vollständig aus. Das Heizöl sickerte in das Erdreich unterhalb des Aufstellungsortes und in die angrenzende Bruchsteinmauer ein. Über diese Bruchsteinmauer gelangte das Heizöl auf das benachbarte Anwesen und floss dort über den in einer Bodenplatte befindlichen Einlauf in die Kanalisation. Darüber hinaus wurde auch das unter dieser Bodenplatte gelegene Erdreich auf dem Nachbargrundstück durch Heizöl verunreinigt. Die Kosten der Kanalreinigung betrugen knapp 9.000,-- € und wurden dem Beigeladenen später in Rechnung gestellt.
- 4
Der TÜV Rheinland kam in seinem aufgrund der Ortsbesichtigung vom 19. Juli 2007 erstatteten Gutachten zu dem Ergebnis, dass das Umkippen des Behälters auf die defekten Behälterfüße zurückzuführen sei. Das Nachgeben der linken Behälterfüße sei durch das zusätzliche Gewicht des nachgefüllten Heizöls beschleunigt worden. Die beiden Behälterfüße seien aufgrund jahrelanger UV-Strahlung erheblich geschwächt gewesen. Die Behälter seien nur für eine Aufstellung innerhalb von Gebäuden zugelassen gewesen. Die Anlage sei darüber hinaus auch nicht entsprechend den Vorschriften der Anlagenverordnung errichtet worden (kein flüssigkeitsdichter Boden, Abläufe im Umkreis von 5 m, kommunizierende Behälter über die Entnahmeleitungen).
- 5
Nach dem vom Büro für Umweltplanung (BfU) im Juli 2007 im Auftrag des Beklagten erstellten Sanierungskonzept ergab sich die Notwendigkeit des Bodenaustauschs im Bereich des ehemaligen Standplatzes (geschätzte Kosten 10.000,00-- €) sowie einer „in-situ-Sanierung“ (Behandlung des verunreinigten Erdreichs auf dem Nachbargrundstück mittels Bakterien, geschätzte Kosten 37.000,00 €).
- 6
Gestützt hierauf forderte der Beklagte die Klägerin mit Ordnungsverfügung vom 8. August 2007 auf, innerhalb einer Woche ein qualifiziertes Gutachterbüro mit der Durchführung und Überwachung der in dem vorgenannten Sanierungskonzept aufgezeigten Sanierungsmöglichkeiten zu beauftragen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass neben dem Grundstückseigentümer als Zustandsstörer auch der Öllieferant sanierungsverantwortlich sei. Der Fahrer des Tankwagens sei seinen Pflichten nach § 19 k Wasserhaushaltsgesetz nicht nachgekommen. Er hätte erkennen müssen, dass die integrierten Standfüße der Tanks aufgrund ihrer offensichtlichen Abgängigkeit keine ausreichende Gewähr für die Standfestigkeit der Tanks boten. Mit dieser Pflichtverletzung sei die unmittelbare Ursache des Schadenseintritts gesetzt worden. Bei der Auswahl des Sanierungsverantwortlichen sei es im Interesse einer schnellen und effektiven Gefahrenbeseitigung geboten, die Klägerin in Anspruch zu nehmen, da der Beigeladene wirtschaftlich nicht in der Lage sei, die notwendigen Maßnahmen unverzüglich in die Wege zu leiten. Für den Fall der Nichterfüllung der Pflicht wurde die Ersatzvornahme angedroht.
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Mit Bescheid vom 21. August 2007 setzte der Beklagte die Ersatzvornahme fest und verpflichtete die Klägerin, die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von 47.000,-- € vorab zu zahlen.
- 8
Die gegen beide Bescheide erhobenen Widersprüche wies der Kreisrechtsausschuss durch Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2008 im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass die Klägerin zu Recht als Handlungsstörerin herangezogen worden sei. Durch das Befüllen der Tanks sei die unmittelbar letzte Ursache für das Versagen der Standfüße gesetzt worden. Der Tankwagenfahrer verfüge über die größere Fachkompetenz, um Zulassung und Geeignetheit von Öltanks für eine Befüllung zu prüfen.
- 9
Zur Begründung der gegen beide Bescheide erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen ausgeführt: Der Tanklastwagenfahrer habe keineswegs die unmittelbare und letzte Ursache für den Ölaustritt gesetzt. Unfallursache sei vielmehr das Versagen der Standfüße des Öltanks. Für die Funktionsfähigkeit der Anlage sei allein der Anlagenbetreiber verantwortlich.
- 10
Das Verwaltungsgericht hat die beiden Bescheide vom 8. und 21. August 2007 mit dem aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23. Juli 2008 ergangenen Urteil aufgehoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte sei aufgrund des Bundesbodenschutzgesetzes berechtigt gewesen, zum Zwecke der Sanierung des durch Heizöl verunreinigten Bodens einzuschreiten. Jedoch sei zu Unrecht die Klägerin als Sanierungsverantwortliche herangezogen worden. Der Unfall beruhe allein auf der fehlenden Standsicherheit der Anlage. Hierfür sei nach der gesetzlichen Wertung allein der Betreiber verantwortlich. Die Verantwortlichkeit des Heizöllieferers erstrecke sich lediglich auf den Vorgang des Befüllens einschließlich der Kontrolle der dafür vorgesehenen Sicherheitseinrichtungen. Der Zustand der Standfüße eines Heizöltanks gehöre nicht hierzu.
- 11
Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung führt der Beklagte aus: Die polizeiliche Verantwortung der Klägerin ergebe sich ergänzend zu den im Ausgangs- und im Widerspruchsbescheid hierzu gemachten Ausführungen aus Folgendem: Der Tankwagenfahrer habe sich deshalb nicht sozialüblich verhalten, weil er bei der Befüllung der Heizöltanks einschlägige gesetzliche Regelungen missachtet habe. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 der Anlagenverordnung - VAwS – müssten Heizöltanks grundsätzlich mit einem dichten und beständigen Auffangraum ausgerüstet sein. Das Fehlen der gesetzlich geforderten Auffangwanne sei ein gravierender und offensichtlicher Sicherheitsmangel. Dabei sei es irrelevant, ob in Einzelfällen auf eine Auffangwanne verzichtet werden könne und welche Ausnahmevoraussetzungen dafür vorliegen müssten. Wenn man von einem Tankwagenfahrer auch nicht die Kenntnis jeder dieser Ausnahmeregelungen erwarten könne, so müsse dieser doch jedenfalls das Abweichen von der Regel (Auffangwanne) registrieren und gegebenenfalls bei seinem Arbeitgeber zusätzliche Informationen einholen.
- 12
Der Beklagte beantragt,
- 13
unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 23. Juli 2008 die Klage abzuweisen.
- 14
Die Klägerin beantragt,
- 15
die Berufung zurückzuweisen sowie die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für erforderlich zu erklären.
- 16
Zur Begründung führt sie aus, dass das Verwaltungsgericht die Verantwortungsbereiche des Eigentümers der Öltanks und des Öllieferanten zutreffend abgegrenzt habe. Für Aufstellung und Instandhaltung der Tanks sei allein der Betreiber verantwortlich, der sich hierzu der Hilfe von Fachbetrieben und Sachverständigen bedienen müsse (§ 19 i WHG). Der Öllieferant habe lediglich die Risiken im Zusammenhang mit dem Befüllvorgang zu verantworten. Der Zustand der Anlage entziehe sich der Kenntnis des Tankwagenfahrers. Er dürfe darauf vertrauen, dass die Tanks ordnungsgemäß aufgestellt worden seien. Dies gelte auch für die Frage, ob im jeweiligen Fall eine Auffangwanne erforderlich sei oder nicht. Diese Frage sei im Gesetz kompliziert und differenziert geregelt.
- 17
Der Beigeladene beantragt,
- 18
die Klage unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 23. Juli 2008 abzuweisen.
- 19
Zu Begründung führt er aus: Die Tankanlage sei von dem Voreigentümer im Jahr 1996 errichtet worden. Die Verantwortung des Rechtsnachfolgers beschränke sich auf die Kontrolle von Dichtigkeit und Funktionsfähigkeit der Sicherungseinrichtungen. Darüber hinaus habe der Öllieferant die Sicherheitseinrichtungen, d.h. auch das Vorhandensein einer Auffangwanne, zu kontrollieren. Hierzu müsse er sein Personal entsprechend schulen.
- 20
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des sachverständigen Zeugen Dipl.-Ing. (FH) B.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
- 21
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Behördenakten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 22
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
- 23
Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide zu Recht aufgehoben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Klägerin liegen nicht vor.
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Rechtsgrundlage für die angefochtene Ordnungsverfügung vom 8. August 2007 ist § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG). Danach kann die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Erfüllung der Pflichten u.a. aus § 4 BBodSchG treffen. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG sind der Verursacher und der Grundstückseigentümer verpflichtet, schädliche Bodenveränderungen zu sanieren. Eine solche Bodenveränderung ist hier durch das ausgetretene Heizöl einmal im Bereich des Aufstellungsorts der Öltanks auf dem Grundstück des Beigeladenen und zum anderen im Bereich des Nachbargrundstücks … Straße entstanden (vgl. hierzu das Gutachten des Büros für Umweltplanung vom Juli 2007, Anlagen 1 und 3 [Profilschnitt NE-SW]). Als Sanierungsmaßnahme kommt die Dekontamination durch Beseitigung oder Verminderung der Schadstoffe in Betracht (vgl. § 2 Abs. 7 Nr. 1 BBodSchG). Die Notwendigkeit der Maßnahmen ist durch das vorgenannte Gutachten belegt (vgl. a.a.O., S. 7 bis 9).
- 25
Die Klägerin war indes nicht der richtige Adressat der Ordnungsverfügung. Denn weder sie noch der für sie handelnde Tankwagenfahrer haben einen ordnungsrechtlich hinreichenden Verursachungsbeitrag für die Bodenverunreinigung geleistet.
- 26
Verursacher ist zunächst jeder, der an der Bodenkontamination - zumindest als Teilverantwortlicher - mitgewirkt hat (vgl. Versteyl/Sondermann, BBodSchG, 2. Aufl. 2005, § 4 Rn. 42). Zwar beruht das Umkippen des Öltanks unmittelbar auf dem Zerbrechen der Behälterfüße. Eine Mitwirkungshandlung der Klägerin liegt aber insofern vor, als das ausgelaufene und in den Erdboden eingedrungene Heizöl aus dem umgekippten Tank von der kurz zuvor erfolgten Nachlieferung herrührt und sich aus dem Gutachten des TÜV vom 26. Juli 2007, S. 14, ergibt, dass das zusätzliche Füllgewicht das Zerbrechen der Tankfüße und damit das Umkippen des Tanks beschleunigt hat. Dass eine - mengenmäßig kleinere - Ölverunreinigung eventuell auch ohne Befüllung hätte eintreten können, ändert nichts an dem Verursachungsbeitrag des Befüllvorgangs vom 18. Juli 2007 für den konkreten Schaden.
- 27
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist in Rechtsprechung und Literatur jedoch anerkannt, dass die naturwissenschaftliche Kausalbeziehung allein keine hinreichende Bedingung für das Bejahen der Sanierungsverantwortlichkeit ist. Insbesondere beim Zusammentreffen mehrerer Verursachungsbeiträge (hier: dem Zerbrechen der Tankfüße und dem Befüllen des Tanks) muss die Verantwortlichkeit für die Gefahrenabwehr wertend zugeordnet werden; insofern unterscheidet sich das Bodenschutzrecht nicht vom allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht (vgl. Versteyl/Sondermann, a.a.O., Rn. 43; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, E Rn. 69 ff.). Nach der Theorie der unmittelbaren Verursachung ist Störer, wer bei wertender Betrachtung unter Einbeziehung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles die Gefahrengrenze überschritten und damit die unmittelbare Ursache für den Eintritt der Gefahr gesetzt hat (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Januar 1985, NVwZ 1985, 355 [356]; Denninger, a.a.O., Rn. 77). Als Bewertungskriterien ist auf die Rechtswidrigkeit der Verursachungshandlung und auf die Zuordnung von Risikosphären abzustellen (vgl. OVG NRW, a.a.O.; Denninger, a.a.O., Rn. 79 bis 82). Eine Handlung überschreitet dann die Gefahrengrenze, wenn sie nicht mehr denjenigen Anforderungen entspricht, die die Rechtsordnung im Interesse eines störungsfreien Gemeinschaftslebens verlangt. Umgekehrt kann derjenige nicht Störer sein, der sich den Forderungen der Rechtsordnung entsprechend verhält und lediglich die von der Rechtsordnung vorgesehene Möglichkeit der Rechtsausübung in sozialüblicher Weise wahrnimmt (vgl. OVG NRW, a.a.O.; Denninger, a.a.O., Rn. 81). Dabei kommt es im Recht der Gefahrenabwehr auf ein Verschulden der handelnden Personen nicht an, vielmehr gilt es Verantwortungsbereiche objektiv zuzurechnen.
- 28
Bei Würdigung der für das Befüllen von Öltanks in der Rechtsordnung aufgestellten Handlungsanforderungen und der tatsächlichen Umstände des vorliegenden Falles stellt sich das Betanken der Heizölbehälter des Beigeladenen am 18. Juli 2007 auch nach Auffassung des Senats noch nicht als ein riskantes Verhalten mit der Folge dar, dass schon darin bei wertender Betrachtung ein Überschreiten der Gefahrengrenze für das spätere Schadensereignis angenommen werden könnte.
- 29
Eine Verantwortlichkeit der Klägerin für die eingetretene Bodenverunreinigung lässt sich zunächst nicht daraus herleiten, dass der von ihr beauftragte Tankwagenfahrer gegen ausdrückliche Handlungsverbote verstoßen hätte. Als Quelle für solche ausdrücklichen und speziellen Handlungsverbote ist hier auf § 19 k Wasserhaushaltsgesetz (WHG) abzustellen. Die Vorschrift normiert besondere Pflichten beim Befüllen von Anlagen zum Lagern wassergefährdender Stoffe (wie zum Beispiel Öltanks, vgl. § 19 g Abs. 5 WHG). Danach hat die handelnde Person die zulässigen Belastungsgrenzen der Anlage einzuhalten, den Vorgang des Befüllens zu überwachen sowie vorher zu überprüfen, ob sich die dafür erforderlichen Sicherheitseinrichtungen in einem ordnungsgemäßen Zustand befinden. Diese Überwachungspflichten beziehen sich sämtlich auf den Befüllvorgang. Dies ergibt sich einmal daraus, dass nur die „dafür“, d.h. für den Vorgang des Befüllens erforderlichen Sicherheitseinrichtungen zu überprüfen sind. Zum anderen ergibt sich die Ausrichtung auf den Befüllvorgang auch aus der begrifflichen Unterscheidung zwischen Sicherheitsvorkehrungen für die Anlage (wie z.B. Doppelwand, Auffangraum etc.) und Sicherheitseinrichtungen als vom Behälter abgesetzte Schutzvorkehrungen (wie z.B. Leckanzeiger, Grenzwertgeber für Überfüllsicherungen, Füllstandsanzeiger; vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 9. Aufl. 2007, § 19 k Rn. 4). Diese in § 19 k WHG ausdrücklich genannten Überwachungspflichten hat der Tankwagenfahrer der Klägerin nicht verletzt bzw. deren Verletzung (wie das Nichterkennen der Funktionsunfähigkeit des Grenzwertgebers) war für das Schadensereignis nicht kausal (vgl. hierzu das TÜV-Gutachten, a.a.O., S. 6).
- 30
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist damit der Verantwortungsbereich des Ölanlieferers jedoch noch nicht vollkommen erschöpft. Die ausdrückliche Umschreibung besonderer Pflichten beim Befüllen von Tanks ist nicht als abschließend zu verstehen (vgl. OVG Bremen, Urteil vom 13. August 1996, UPR 1997, 378 und juris, Rn. 27). Zwar entspricht es der gesetzlichen Regelung in §§ 19 g bis 19 i WHG, den Zustand eines Tankbehälters, insbesondere dessen Standsicherheit, und die Sicherheit des Aufstellortes dem Risikobereich des Betreibers (hier des Beigeladenen) zuzuordnen. Darüber hinaus war der Betreiber hier aufgrund der Bauartzulassung in den Bescheiden des hessischen Sozialministers vom 30. Juni 1978 und vom 14. November 1978 verpflichtet, die Tankbehälter nur in Räumen von Gebäuden aufzustellen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die vom Zustand des Tankbehälters herrührenden Gefahren den Verantwortungsbereich des Ölanlieferers überhaupt nicht berühren können. Trotz grundsätzlicher Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zwischen dem Zustand der Anlage und dem Befüllvorgang, ist eine Verantwortung des Öllieferanten dann anzunehmen, wenn Sicherheitsmängel des Öltanks offen zutage liegen. Solche evidenten Mängel der Anlagensicherheit müssen von dem Ölanlieferer erkannt und zum Anlass genommen werden, dass Befüllen zwecks Risikominimierung zu unterlassen (vgl. OVG Bremen, a.a.O.; auch: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Juni 1989, NuR 1990, 335).
- 31
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der Auswertung der im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten wiesen die Heizöltanks des Beigeladenen am 18. Juli 2007 indes keine derart offenkundigen Beschädigungen oder Sicherheitsmängel auf, dass den Ölanlieferer über die Beachtung der für den Befüllvorgang wesentlichen Anforderungen hinaus eine eigene Verantwortung an dem späteren Schadensereignis trifft.
- 32
Zunächst fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten für die Annahme, die Schadhaftigkeit der Standfüße der Tanks hätte offen zutage gelegen und von dem Tankwagenfahrer zum Anlass genommen werden müssen, das Hinzufüllen weiteren Heizöls als Risikoerhöhung zu erkennen. Der sachverständige Zeuge B. hat bekundet, dass der Zustand der Tankfüße selbst bei einer Betankung bei geöffneten Türen des „Gartenhauses“ - wie hier - nur mit geübtem Blick zu erkennen gewesen sei. Diese Einschätzung wird durch die Fotografien der Tankfüße des anderen, nicht umgefallenen Tanks im TÜV-Gutachten des Zeugen Dipl.-Ing. B. bestätigt. Erst die in den Bildern 10 und 11 des Gutachtens dokumentierten Nahaufnahmen lassen die Vorschädigungen auch dieser Tankfüße erkennen. Unterstellt man ähnliche Schäden auch bei den zerbrochenen Tankfüßen des umgekippten Tanks, so handelt es sich dabei noch nicht um einen offenkundigen, sofort „ins Auge springenden“ Mangel, der das Betanken als risikosteigerndes Verhalten darstellt.
- 33
Auch im Übrigen wiesen die Heizöltanks nach den Bekundungen des Zeugen keine Verwitterungsspuren oder andere Anhaltspunkte für eine Vorschädigung des Materials auf, die den Ölanlieferer zur Vorsicht hätten mahnen müssen. Diese Einschätzung stimmt mit derjenigen von Dipl.-Ing. G. überein, der im Auftrag der Versicherung der Klägerin ebenfalls bei der Bestandsaufnahme des Schadensereignisses am 19. Juli 2007 zugegen war (vgl. dessen Gutachten vom 28. August 2007, S. 7).
- 34
Soweit der Beklagte im Berufungsverfahren seine Verfügung ergänzend damit begründet, dass das Fehlen einer Auffangwanne Anlass zur Vorsicht, jedenfalls zu Erkundigungen über den fehlerfreien Zustand der Anlage gegeben hätte, vermag auch dieser Umstand nicht die Sanierungsverantwortlichkeit der Klägerin zu begründen. Zunächst ist der Beklagte zwar nach § 114 Satz 2 VwGO berechtigt, seine Ermessenserwägungen für die Inanspruchnahme der Klägerin auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu ergänzen. Darüber hinaus ist dem Beklagten zuzugestehen, dass Anlagen zum Lagern wassergefährdender Stoffe grundsätzlich mit einem dichten und beständigen Auffangraum ausgerüstet sein müssen. Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 3 der Landesverordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen und über Fachbetriebe (Anlagenverordnung - VAwS) vom 1. Februar 1996, zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. November 2005 (GVBl. S. 491). Wie der Beklagte aber bereits selbst einräumt, gilt diese Grundsatzanforderung jedoch schon nach geltendem Recht nicht uneingeschränkt. So können nach § 13 Abs. 5 VAwS werksgefertigte Behälter aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GfK) bis zu 2 m³ Rauminhalt zur Lagerung von Heizöl - wie hier - unter näher aufgeführten Voraussetzungen (flüssigkeitsdichter Boden, kein Ablauf innerhalb von 5 m, einzelne und nicht kommunizierende Verwendung der Tankbehälter) auch ohne Auffangraum aufgestellt werden. Bereits nach aktueller Rechtslage musste der Ölanlieferer das Fehlen einer Auffangwanne also noch nicht zwingend als offensichtliche Sicherheitslücke wahrnehmen. Hinzu kommt, dass das Aufstellen von GfK-Tanks im Freien und ohne Auffangwanne nach den Erläuterungen des sachverständigen Zeugen Dipl.-Ing. B. durchaus nicht ungewöhnlich ist. Eine solche Verwendung von GfK-Behältern sei auch darauf zurückzuführen, dass Heizölverbraucheranlagen in der Zeit vor Inkrafttreten der Anlagenverordnung im Jahr 1996 einer Prüfpflicht durch Sachverständige erst ab einem Lagervolumen von 40.000 l (in Wasserschutzgebieten ab 5.000 l) unterlagen. Nach den Bekundungen des Zeugen ist selbst bei Fachbetrieben die Vorstellung verbreitet, dass GfK-Tanks ohne Auffangraum aufgestellt werden dürften, ohne dass man die näheren Bedingungen für eine solche Aufstellung der Tanks hinterfrage. Vor diesem Hintergrund handelte der Ölanlieferer bei der Befüllung der beiden Heizöltanks des Beigeladenen im Rahmen der ihm von der Rechtsordnung eingeräumten Handlungsmöglichkeiten. Der Tankwagenfahrer der Klägerin hatte keinen Anlass, wegen des Fehlens einer Auffangwanne von dem Befüllen abzusehen und zunächst einmal nähere Erkundigungen über die Beachtung der Aufstellvoraussetzungen einzuholen. Die Beachtung der Sicherheitsvorkehrungen für die Tankbehälter fällt in den Verantwortungsbereich des Betreibers (hier des Beigeladenen). Eine eigene Verantwortung des Ölanlieferers entsteht insofern nur bei offenkundigen Sicherheitsmängeln. Solche offenkundigen Mängel lagen aus den oben dargelegten Gründen nicht vor.
- 35
Erweist sich die Grundverfügung somit als rechtswidrig, kann auch der Vollstreckungsbescheid vom 21. August 2007 keinen Bestand haben.
- 36
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und Abs. 3 VwGO. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren war angesichts der Schwierigkeiten der Rechtssache in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären.
- 37
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
- 38
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
- 39
Beschluss
- 40
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 47.000,-- € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 1 GKG).
(1) Diensteanbieter sind für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.
(2) Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.
(3) Verpflichtungen zur Entfernung von Informationen oder zur Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen aufgrund von gerichtlichen oder behördlichen Anordnungen bleiben auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 unberührt. Das Fernmeldegeheimnis nach § 3 des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes ist zu wahren.
(4) Wurde ein Telemediendienst von einem Nutzer in Anspruch genommen, um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen und besteht für den Inhaber dieses Rechts keine andere Möglichkeit, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, so kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter nach § 8 Absatz 3 die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern. Die Sperrung muss zumutbar und verhältnismäßig sein. Ein Anspruch gegen den Diensteanbieter auf Erstattung der vor- und außergerichtlichen Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung des Anspruchs nach Satz 1 besteht außer in den Fällen des § 8 Absatz 1 Satz 3 nicht.
Im Sinne dieses Gesetzes
- 1.
ist Diensteanbieter jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt, - 2.
ist niedergelassener Diensteanbieter jeder Anbieter, der mittels einer festen Einrichtung auf unbestimmte Zeit Telemedien geschäftsmäßig anbietet oder erbringt; der Standort der technischen Einrichtung allein begründet keine Niederlassung des Anbieters, - 2a.
ist drahtloses lokales Netzwerk ein Drahtloszugangssystem mit geringer Leistung und geringer Reichweite sowie mit geringem Störungsrisiko für weitere, von anderen Nutzern in unmittelbarer Nähe installierte Systeme dieser Art, welches nicht exklusive Grundfrequenzen nutzt, - 3.
ist Nutzer jede natürliche oder juristische Person, die Telemedien nutzt, insbesondere um Informationen zu erlangen oder zugänglich zu machen, - 4.
sind Verteildienste Telemedien, die im Wege einer Übertragung von Daten ohne individuelle Anforderung gleichzeitig für eine unbegrenzte Anzahl von Nutzern erbracht werden, - 5.
ist kommerzielle Kommunikation jede Form der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren, Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer sonstigen Organisation oder einer natürlichen Person dient, die eine Tätigkeit im Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen freien Beruf ausübt; die Übermittlung der folgenden Angaben stellt als solche keine Form der kommerziellen Kommunikation dar: - a)
Angaben, die unmittelbaren Zugang zur Tätigkeit des Unternehmens oder der Organisation oder Person ermöglichen, wie insbesondere ein Domain-Name oder eine Adresse der elektronischen Post, - b)
Angaben in Bezug auf Waren und Dienstleistungen oder das Erscheinungsbild eines Unternehmens, einer Organisation oder Person, die unabhängig und insbesondere ohne finanzielle Gegenleistung gemacht werden; dies umfasst auch solche unabhängig und insbesondere ohne finanzielle Gegenleistung oder sonstige Vorteile von natürlichen Personen gemachten Angaben, die eine unmittelbare Verbindung zu einem Nutzerkonto von weiteren natürlichen Personen bei Diensteanbietern ermöglichen,
- 6.
sind audiovisuelle Mediendienste - a)
audiovisuelle Mediendienste auf Abruf und - b)
die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation,
- 7.
ist audiovisueller Mediendiensteanbieter ein Anbieter von audiovisuellen Mediendiensten, - 8.
sind audiovisuelle Mediendienste auf Abruf nichtlineare audiovisuelle Mediendienste, bei denen der Hauptzweck des Dienstes oder eines trennbaren Teils des Dienstes darin besteht, unter der redaktionellen Verantwortung eines audiovisuellen Mediendiensteanbieters der Allgemeinheit Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung zum individuellen Abruf zu einem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt bereitzustellen, - 9.
ist audiovisuelle kommerzielle Kommunikation jede Form der Kommunikation mit Bildern mit oder ohne Ton, die einer Sendung oder einem nutzergenerierten Video gegen Entgelt oder gegen eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung beigefügt oder darin enthalten ist, wenn die Kommunikation der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder der Förderung des Erscheinungsbilds natürlicher oder juristischer Personen, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, dient, einschließlich Sponsoring und Produktplatzierung, - 10.
sind Videosharingplattform-Dienste - a)
Telemedien, bei denen der Hauptzweck oder eine wesentliche Funktion darin besteht, Sendungen oder nutzergenerierte Videos, für die der Diensteanbieter keine redaktionelle Verantwortung trägt, der Allgemeinheit bereitzustellen, wobei der Diensteanbieter die Organisation der Sendungen und der nutzergenerierten Videos, auch mit automatischen Mitteln, bestimmt, - b)
trennbare Teile von Telemedien, wenn für den trennbaren Teil der in Buchstabe a genannte Hauptzweck vorliegt,
- 11.
ist Videosharingplattform-Anbieter ein Diensteanbieter, der Videosharingplattform-Dienste betreibt, - 12.
ist redaktionelle Verantwortung die Ausübung einer wirksamen Kontrolle hinsichtlich der Zusammenstellung der Sendungen und ihrer Bereitstellung mittels eines Katalogs, - 13.
ist Sendung eine Abfolge von bewegten Bildern mit oder ohne Ton, die unabhängig von ihrer Länge Einzelbestandteil eines von einem Diensteanbieter erstellten Sendeplans oder Katalogs ist, - 14.
ist nutzergeneriertes Video eine von einem Nutzer erstellte Abfolge von bewegten Bildern mit oder ohne Ton, die unabhängig von ihrer Länge einen Einzelbestandteil darstellt und die von diesem oder einem anderen Nutzer auf einen Videosharingplattform-Dienst hochgeladen wird, - 15.
ist Mitgliedstaat jeder Mitgliedstaat der Europäischen Union und jeder andere Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, für den die Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) (ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1; L 263 vom 6.10.2010, S. 15), die durch die Richtlinie (EU) 2018/1808 (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 69) geändert worden ist, gilt, - 16.
ist Drittstaat jeder Staat, der nicht Mitgliedstaat ist, - 17.
ist Mutterunternehmen ein Unternehmen, das ein oder mehrere Tochterunternehmen kontrolliert, - 18.
ist Tochterunternehmen ein Unternehmen, das unmittelbar oder mittelbar von einem Mutterunternehmen kontrolliert wird, - 19.
ist Gruppe die Gesamtheit von Mutterunternehmen, allen seinen Tochterunternehmen und allen anderen mit dem Mutterunternehmen und seinen Tochterunternehmen wirtschaftlich und rechtlich verbundenen Unternehmen.
(1) Diensteanbieter sind für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.
(2) Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.
(3) Verpflichtungen zur Entfernung von Informationen oder zur Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen aufgrund von gerichtlichen oder behördlichen Anordnungen bleiben auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 unberührt. Das Fernmeldegeheimnis nach § 3 des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes ist zu wahren.
(4) Wurde ein Telemediendienst von einem Nutzer in Anspruch genommen, um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen und besteht für den Inhaber dieses Rechts keine andere Möglichkeit, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, so kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter nach § 8 Absatz 3 die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern. Die Sperrung muss zumutbar und verhältnismäßig sein. Ein Anspruch gegen den Diensteanbieter auf Erstattung der vor- und außergerichtlichen Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung des Anspruchs nach Satz 1 besteht außer in den Fällen des § 8 Absatz 1 Satz 3 nicht.
Diensteanbieter sind für eine automatische, zeitlich begrenzte Zwischenspeicherung, die allein dem Zweck dient, die Übermittlung fremder Informationen an andere Nutzer auf deren Anfrage effizienter zu gestalten, nicht verantwortlich, sofern sie
- 1.
die Informationen nicht verändern, - 2.
die Bedingungen für den Zugang zu den Informationen beachten, - 3.
die Regeln für die Aktualisierung der Informationen, die in weithin anerkannten und verwendeten Industriestandards festgelegt sind, beachten, - 4.
die erlaubte Anwendung von Technologien zur Sammlung von Daten über die Nutzung der Informationen, die in weithin anerkannten und verwendeten Industriestandards festgelegt sind, nicht beeinträchtigen und - 5.
unverzüglich handeln, um im Sinne dieser Vorschrift gespeicherte Informationen zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren, sobald sie Kenntnis davon erhalten haben, dass die Informationen am ursprünglichen Ausgangsort der Übertragung aus dem Netz entfernt wurden oder der Zugang zu ihnen gesperrt wurde oder ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde die Entfernung oder Sperrung angeordnet hat.
Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern
- 1.
sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird, oder - 2.
sie unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben.
(1) Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie
- 1.
die Übermittlung nicht veranlasst, - 2.
den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und - 3.
die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.
(2) Die Übermittlung von Informationen nach Absatz 1 und die Vermittlung des Zugangs zu ihnen umfasst auch die automatische kurzzeitige Zwischenspeicherung dieser Informationen, soweit dies nur zur Durchführung der Übermittlung im Kommunikationsnetz geschieht und die Informationen nicht länger gespeichert werden, als für die Übermittlung üblicherweise erforderlich ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.
(4) Diensteanbieter nach § 8 Absatz 3 dürfen von einer Behörde nicht verpflichtet werden,
Davon unberührt bleibt, wenn ein Diensteanbieter auf freiwilliger Basis die Nutzer identifiziert, eine Passworteingabe verlangt oder andere freiwillige Maßnahmen ergreift.Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern
- 1.
sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird, oder - 2.
sie unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Gründe
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I.
- 1
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Erhebung von Rundfunkgebühren für internetfähige PCs.
- 2
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1. a) Der Beschwerdeführer hat in seiner Rechtsanwaltskanzlei einen PC, den er unter anderem für Internetanwendungen verwendet. Er empfängt damit keine Rundfunksendungen und verfügt nicht über herkömmliche Rundfunkempfangsgeräte. Die Rundfunkanstalt setzte für den internetfähigen PC Rundfunkgebühren fest und wies Widersprüche des Beschwerdeführers gegen die zugrundeliegenden Bescheide zurück.
- 3
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b) Die mit der Klage des Beschwerdeführers angegriffenen Bescheide wurden vom Verwaltungsgericht aufgehoben, weil er seinen internetfähigen PC nicht "zum Empfang" von Rundfunksendungen bereithalte. Auf die hiergegen eingelegte Berufung hob das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts auf und wies die Klage des Beschwerdeführers ab, weil der in seiner Kanzlei eingesetzte PC mit Internetzugang ein Rundfunkempfangsgerät sei, das zum Empfang bereitgehalten werde, und die Rundfunkgebührenpflicht für Rechner mit Internetzugang keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegne.
- 4
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c) Die vom Beschwerdeführer gegen die Berufungsentscheidung eingelegte Revision wurde vom Bundesverwaltungsgericht durch das angegriffene Urteil zurückgewiesen. Der vom Beschwerdeführer eingesetzte internetfähige PC sei ein Rundfunkempfangsgerät, das im Rechtssinne bereitgehalten werde.
- 5
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Die Rundfunkgebührenbescheide verstießen außerdem nicht gegen Verfassungsrecht. Ein Eingriff in die Informationsfreiheit sei gerechtfertigt, weil die Regelungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG darstellten und die Erstreckung der Rundfunkgebührenpflicht auf internetfähige PCs nicht unverhältnismäßig sei. Sie sei ein geeignetes Mittel zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, weil die Anknüpfung an das Bereithalten eines internetfähigen PCs die Finanzierungsgrundlage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verbreitere und zugleich eine drohende "Flucht aus der Rundfunkgebühr" verhindere. Ein Registrierungsmodell und ein Modell der Selbstanzeige der Rundfunknutzung stellten angesichts der kaum abschätzbaren Umgehungsrisiken keine gleich wirksamen Mittel dar. Die Erhebung einer generellen Rundfunkgebührenpflicht für internetfähige PCs sei zudem angesichts des gewichtigen Ziels einer Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf der einen Seite und ihrer nur geringen Höhe auf der anderen Seite nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne. Dass die Rundfunkanstalten ihr Angebot "aufdrängten", wirke sich angesichts der Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht entscheidend aus.
- 6
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Eine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes liege nicht vor. Die Gleichbehandlung von Besitzern multifunktionaler internetfähiger PCs und Besitzern monofunktionaler Rundfunkempfangsgeräte sei gerechtfertigt, weil für die Gebührenerhebung die gleiche Möglichkeit zum Empfang maßgeblich sei. Die Differenzierung zwischen Personen, die ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithielten, und solchen, die dies nicht täten, beruhe mit dem Zweck der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf sachlichen Gründen. Die in der Zugangsbeschränkung zu einem berufswesentlichen Arbeitsmittel liegende mittelbare Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit sei aus den im Rahmen der Informationsfreiheit genannten Gründen gerechtfertigt. Art. 14 Abs. 1 GG sei nicht verletzt, weil er nicht vor der Auferlegung von Geldleistungspflichten schütze, und eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit liege nicht vor, weil diese nur im Rahmen der allgemeinen Gesetze gewährleistet sei, wozu auch die mit der Verfassung im Einklang stehenden Regelungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages zählten.
- 7
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2. Der Beschwerdeführer hat gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG.
- 8
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Die Rundfunkgebühr greife als Zugangsschranke zu Informationsquellen außerhalb des Rundfunks in die Informationsfreiheit ein, was nicht durch verfassungsrechtliche Gründe gerechtfertigt sei. Zunächst habe den Ländern die Gesetzgebungskompetenz gefehlt, weil es sich bei der Rundfunkgebühr um eine Zwecksteuer handele und sie dem Telekommunikationsrecht zuzuordnen sei. Die Regelungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages seien außerdem mangels Erkennbarkeit der Abgabenpflicht für den Betroffenen nicht hinreichend bestimmt. Zudem sei die undifferenzierte Unterwerfung neuartiger Empfangsgeräte unter die Gebührenpflicht nicht erforderlich, um das gesetzgeberische Ziel der Verhinderung einer "Flucht aus der Rundfunkgebühr" zu erreichen, da dies durch geeignete Zugangsschranken zum Rundfunk im Internet gesichert werden könne und eine solche Flucht auch dann nicht zu erwarten sei, wenn man die Rundfunkgebühr für internetfähige PCs auf Privatpersonen beschränke.
- 9
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Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG liege sowohl in der Gleichbehandlung der Besitzer neuartiger multifunktionaler Rundfunkempfangsgeräte mit den Besitzern herkömmlicher monofunktionaler Geräte als auch in der Ungleichbehandlung gegenüber Personen, die über kein Rundfunkempfangsgerät verfügten. Eine Rechtfertigung der Gleichbehandlung liege nicht darin, dass derjenige zur Finanzierung von Rundfunkveranstaltungen herangezogen werde, der sich durch das Bereithalten eines Empfangsgerätes die Möglichkeit zur Nutzung verschafft habe, weil diese Annahme mangels Kongruenz zwischen Gerätebesitzer und Rundfunkkonsument heute nicht mehr aufrechterhalten werden könne. Die Ungleichbehandlung sei ebenfalls nicht gerechtfertigt, weil zwischen den Gruppen derjenigen, die kein eigenes Rundfunkempfangsgerät besäßen, und jener, die nur über ein eigenes neuartiges Rundfunkempfangsgerät verfügten, keine tragfähigen sachlichen Unterschiede mehr bestünden. Die Mitglieder beider Gruppen könnten sich Zugang zum Rundfunkempfang verschaffen, bei beiden sei dies jedoch nicht wahrscheinlich. Eine Rechtfertigung ergebe sich ebenfalls nicht aus einer typisierenden Betrachtung, da sich die Gebührennorm nicht am Regelfall orientiere. Der Gleichheitssatz sei außerdem durch ein strukturelles Erhebungsdefizit verletzt.
- 10
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Darüber hinaus werde die Berufsausübungsfreiheit des Beschwerdeführers verletzt, weil die Gebührenpflicht den Zugang zu einem berufswesentlichen Arbeitsmittel erschwere, ohne dass dieser Eingriff gerechtfertigt sei. Schließlich liege eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit vor.
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II.
- 11
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.
- 12
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1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG), weil die durch die Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen bereits durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt sind.
- 13
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2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Grundrechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.
- 14
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a) Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten aus Art. 5 Abs. 1 GG. Allerdings liegt ein Eingriff in die von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG geschützte Informationsfreiheit darin, dass der Beschwerdeführer durch die Rundfunkgebühr für seinen internetfähigen PC in der Beschaffung und Entgegennahme von Informationen aus dem Internet behindert wird. Eine Zugangsbeschränkung muss sich zwar nicht an Art. 5 Abs. 2 GG messen lassen, wenn sie vom Recht zur Bestimmung des Zugangs zu einer im staatlichen Verantwortungsbereich liegenden Informationsquelle gedeckt ist (vgl. BVerfGE 103, 44 <61>). Dies ist beim Rundfunkgesetzgeber jedoch jedenfalls im Hinblick auf die sonstigen Informationsangebote des Internets nicht der Fall.
- 15
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Dieser Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Bei § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 2 RGebStV handelt es sich um ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG. Bei dessen Anwendung ist zu klären, ob die Güterabwägung zu einem Vorrang des Schutzes des Rechtsguts führt, dem das allgemeine Gesetz dient (vgl. BVerfGE 117, 244 <260>). Es muss deshalb seinerseits im Lichte des beschränkten Grundrechts ausgelegt (vgl. BVerfGE 7, 198 <208>; 82, 43 <50>; stRspr) und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angewendet werden (vgl. BVerfGE 71, 162 <181>; 74, 297 <337>). Diesen Anforderungen wird die Auslegung und Anwendung des § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 2 RGebStV durch das Bundesverwaltungsgericht gerecht.
- 16
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Die Rundfunkgebühren für internetfähige PCs werden auf einer formell verfassungsmäßigen Grundlage erhoben. Zunächst hatten die Länder gemäß Art. 70 Abs. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz für die Erhebung der Rundfunkgebühr. Bei der Rundfunkgebühr handelt es sich nicht um eine voraussetzungslose Steuer zur Finanzierung des Gemeinwesens, sondern um eine Vorzugslast. Denn sie ist für eine Begünstigung durch eine Leistung der Rundfunkanstalten zu zahlen, indem sie an den durch das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerätes begründeten Status als Rundfunkteilnehmer geknüpft wird (vgl. BVerfGE 90, 60 <91>; 119, 181 <219>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 6. September 1999 - 1 BvR 1013/99 -, NJW 2000, S. 649). Die Rundfunkgebühr ist außerdem dem der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterliegenden Bereich des Rundfunks (vgl. Art. 23 Abs. 6 Satz 1 GG, BVerfGE 90, 60 <105>; 92, 203 <238>; 121, 30 <46>) zuzuordnen.
- 17
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§ 1 Abs. 1 und § 5 Abs. 3 RGebStV verstoßen nicht gegen das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Bestimmtheitsgebot. Internetfähige PCs lassen sich zwanglos unter die Definition des Rundfunkempfangsgerätes in § 1 Abs. 1 Satz 1 RGebStV subsumieren. Für die Betroffenen ist außerdem sowohl in technischer Hinsicht als auch im Hinblick auf den Übertragungsweg Internet erkennbar, dass sie ihre internetfähigen PCs zum Empfang von Rundfunk im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 RGebStV bereithalten, während die Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe, deren Verwendung dem Gesetzgeber auch im Abgabenrecht nicht schlechthin verwehrt ist (vgl. BVerfGE 80, 103 <108>), Teil der gewöhnlichen Gesetzesauslegung und -anwendung ist.
- 18
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Die Erhebung von Rundfunkgebühren für den internetfähigen PC des Beschwerdeführers ist, wie das Bundesverwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend begründet hat, außerdem nicht unverhältnismäßig. Sie ist zunächst ein geeignetes Mittel zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, da sie mit der Verbreiterung der Gebührenbasis und der Verhinderung einer drohenden "Flucht aus der Rundfunkgebühr" die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherstellt. Die gebührenrechtliche Heranziehung von Personen, die mittels internetfähiger PCs Rundfunksendungen empfangen können, ist zur Erreichung des Ziels mangels eines milderen, gleich wirksamen Mittels auch erforderlich. Zugangssperren stellen schon deshalb kein gleich wirksames Mittel dar, weil in technischer Hinsicht Zweifel an einer umgehungssicheren Ausgestaltung bestehen. Zudem wäre eine Zugangsbeschränkung in rechtlicher Hinsicht problematisch, weil sie mit dem Grundversorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kollidieren würde (vgl. VG Regensburg, Urteil vom 24. März 2009 - RO 3 K 8.01829 -, juris). Mag inzwischen auch mit dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag eine Neuordnung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erfolgt sein, war der Rundfunkgesetzgeber angesichts des ihm zukommenden politischen Gestaltungsspielraumes dennoch nicht verpflichtet, bereits zuvor ein völlig neuartiges Finanzierungskonzept nur zur Vermeidung eines Eingriffs in die Informationsfreiheit der Internetnutzer zu entwickeln. Die generelle Rundfunkgebührenpflicht für internetfähige PCs ist außerdem nicht unangemessen. Die Beeinträchtigung der Informationsfreiheit ist nur gering, weil der Beschwerdeführer nicht unmittelbar daran gehindert wird, sich aus dem sonstigen Angebot des Internets zu informieren, sondern hierfür lediglich mit einer verhältnismäßig niedrigen Zahlungsverpflichtung in Höhe der Grundgebühr belastet wird. Dieser nur geringen Beeinträchtigung steht mit der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (vgl. BVerfGE 119, 181 <214> m.w.N.) in einer effektiven und am Gleichheitsgrundsatz orientierten Weise ein Zweck von einigem Gewicht gegenüber.
- 19
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b) Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer ebenfalls nicht in seinen Rechten aus Art. 12 Abs. 1 GG, weil die Abgabenpflicht für den als Arbeitsmittel verwendeten internetfähigen PC mangels unmittelbaren Bezugs zur beruflichen Tätigkeit oder einer objektiv berufsregelnden Tendenz schon kein Eingriff in die Berufsfreiheit darstellt.
- 20
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c) Zudem liegt keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes vor. Die Gleichbehandlung von Besitzern herkömmlicher und neuartiger Rundfunkempfangsgeräte beruht auf dem vernünftigen, einleuchtenden Grund (vgl. BVerfGE 76, 256 <329>; 90, 226 <239>; 123, 1 <19>), einer drohenden "Flucht aus der Rundfunkgebühr" zu begegnen und dadurch eine funktionsadäquate Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen. Die Ungleichbehandlung der Inhaber internetfähiger PCs gegenüber Personen, die nicht über Rundfunkempfangsgeräte verfügen, ist ebenfalls gerechtfertigt, weil der in der Bereithaltung eines Empfangsgeräts liegende Nutzungsvorteil wie bisher (vgl. dazu etwa BVerfGE 90, 60 <106>) auch bei internetfähigen PCs ein sachliches Differenzierungskriterium darstellt.
- 21
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Darüber hinaus ist ein gleichheitswidriges, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßendes Erhebungsdefizit aufgrund struktureller, im Rundfunkgebührenstaatsvertrag angelegter Erhebungsmängel auch bei entsprechender Anwendung der Maßstäbe zur Beurteilung der Gleichheitswidrigkeit einer Steuererhebung (vgl. BVerfGE 84, 239 <268 ff.>; 110, 94 <112 ff.>) auf die Erhebung von Rundfunkgebühren nicht erkennbar. Denn die Nichtanzeige anzeigepflichtiger Rundfunkempfangsgeräte ist aufgrund der im Rundfunkgebührenstaatsvertrag vorgesehenen Kontrollinstrumente mit einem angemessenen Entdeckungsrisiko verbunden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. März 2011 - 1 BvR 3255/08 -, NVwZ-RR 2011, S. 465 <466>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. Februar 2011 - 1 BvR 2480/08 -, NVwZ-RR 2011, S. 466).
- 22
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
- 23
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin zu 1 ist ein Großunternehmen. Der Kläger zu 2 war bis Ende 2005 Vorsitzender ihres Vorstands. Der Beklagte ist Aktionär der Klägerin zu 1 und Sprecher eines Aktionärsverbandes. Er hat sich wiederholt als Buchautor kritisch zu den Klägern geäußert.
- 2
- Am 28. Juli 2005 meldete die Klägerin zu 1, ihr Aufsichtsrat habe beschlossen , dass der Kläger zu 2 zum 31. Dezember 2005 aus dem Unternehmen ausscheide. Am gleichen Tag wurde in der - auch in Hamburg zu empfan- genden - Fernsehsendung "SWR-Landesschau" ein mit dem Beklagten geführtes Interview ausgestrahlt, in dem dieser unter anderem folgende Äußerungen machte: "Frage: Was für viele ja den Rücktritt hier fast schon sympathisch macht, ist die Tatsache, dass er überhaupt keine Abfindungen annimmt, da er kein Geld möchte, obwohl er ja eigentlich vertraglich den Anspruch hätte. Gibt es da eine Erklärung? Antwort des Beklagten: Jetzt muss man mutmaßen, aber wenn Sie Herrn S. [den Kläger zu 2] kennen, da gibt es nun Fälle, wo ich denke, jemand will Millionen, man schätzt er hat zwischen 5 und 7 Millionen Euro pro Jahr verdient, er nun durchaus darauf Wert gelegt hat, dass man ja auch die Kleinigkeiten im Leben gezahlt hat, dann kann man nicht sagen, dass der S. unbedingt so orientiert ist, dass er gerne auf das Geld verzichtet. Es gibt meines Erachtens andere Dinge, die im Raume stehen und die jetzt geklärt werden müssen in den nächsten Monaten. Ich glaube nicht, dass der Rücktritt freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu gedrängt und genötigt wurde. Aufsichtsratsbörse, Aktionäre, alle wichtigen Partner hat er nun verloren, die Rückendeckung verloren, und das muss damit zusammenhängen , dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat."
- 3
- Das Landgericht hat dem Antrag der Kläger stattgegeben, folgende Äußerungen zu untersagen: "a) Ich glaube nicht, dass der Rücktritt (des Klägers zu 2 als Vorsitzender des Vorstands der Klägerin zu 1) freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu gedrängt und genötigt wurde.
b) … und das muss damit zusammenhängen, dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat."
- 4
- Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts ist zurückgewiesen worden. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
- 5
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen den Klägern die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog zu, weil die Verbreitung der angegriffenen Äußerungen den Kläger zu 2 in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und die Klägerin zu 1 in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletze.
- 6
- Entgegen der Auffassung des Landgerichts seien die Äußerungsteile "Ich glaube nicht, dass der Rücktritt … freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu gedrängt und genötigt wurde." als Tatsachenbehauptungen einzuordnen. Die einleitenden Worte "Ich glaube nicht, …" und "Ich glaube, …" verliehen der Äußerung nicht den Charakter einer Bewertung. In Betracht käme deshalb allenfalls eine Einordnung der Äußerungen als - zulässige - Verdachtsäußerungen. Jedoch seien die insoweit zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt. Es sei davon auszugehen, dass die beanstandeten Behauptungen unwahr seien, weil der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte weder dargetan noch Beweis dafür angetreten habe, dass der Kläger zu 2 nicht freiwillig den Rücktritt erklärt habe und dass er dazu gedrängt oder genötigt worden sei.
- 7
- Die Äußerung "… und das muss damit zusammenhängen, dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat." habe das Landgericht zu Recht als Meinungsäußerung eingestuft, aber als unzulässige Schmähkritik untersagt. Der Beklagte habe für seine Kritik keine Anknüpfungspunkte dargelegt. In einem solchen Fall müsse, da die Aussage - weil jeder tatsächlichen Grundlage entbehrend - nur der Kränkung und Demütigung der Kläger zu dienen bestimmt gewesen sei, die Meinungsfreiheit hinter dem Schutz der Persönlichkeit der Kläger zurücktreten.
- 8
- Der Beklagte könne sich zur Rechtfertigung seiner Äußerungen auch nicht darauf berufen, dass er Presseberichte guten Glaubens aufgegriffen habe. Hinsichtlich seiner Behauptung, er glaube, dass der Kläger zu 2 nicht freiwillig zurückgetreten sei, fehle es an Presseberichten zum Zeitpunkt seiner Äußerungen , weil solche erst an den Tagen nach dem Interview veröffentlicht worden seien. Zudem habe der Beklagte eine Biografie über den Kläger zu 2 verfasst und sei deshalb keine unkundige Person gewesen. Hinsichtlich seiner Kritik, die Geschäfte des Klägers zu 2 seien "nicht immer so sauber" gewesen, enthielten die vorgelegten Presseberichte keine Fakten.
II.
- 9
- Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
- 10
- Diese rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht die Ausführungen des Beklagten zu Unrecht teilweise als Tatsachenbehauptungen eingestuft sowie die Anforderungen an das Vorliegen einer Schmähkritik verkannt hat. Deshalb hat es die gebotene Abwägung zwischen dem Recht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und dem Recht der persönlichen Ehre und auf öffentliches Ansehen der Kläger, zu dessen Wahrung auch juristische Personen Ehrenschutz in Anspruch nehmen können (vgl. Senatsurteile vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03 - VersR 2005, 277, 279 m.w.N.; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 - VersR 2009, 555 Rn. 10), nicht vorgenommen.
- 11
- 1. a) Für die Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzustufen ist, bedarf es nach ständiger Rechtsprechung der Ermittlung des vollständigen Aussagegehalts. Insbesondere ist jede beanstandete Äußerung in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (Senatsurteile BGHZ 132, 13, 21; vom 28. Juni 1994 - VI ZR 252/93 - VersR 1994, 1120, 1121; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03 - aaO; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 - aaO, Rn. 11). So dürfen aus einer komplexen Äußerung nicht Sätze oder Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen und als unrichtige Tatsachenbehauptung untersagt werden, wenn die Äußerung nach ihrem - zu würdigenden - Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG fallen kann und in diesem Fall eine Abwägung zwischen den verletzten Grundrechtspositionen erforderlich wird (vgl. Senatsurteile vom 25. März 1997 - VI ZR 102/96 - VersR 1997, 842, 843; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03 - aaO; vom 2. Dezember 2008 - VI ZR 219/06 - VersR 2009, 365 Rn. 12; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 - aaO). Dabei ist zu beachten, dass sich der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG auch auf die Äußerung von Tatsachen erstreckt , soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können, sowie auf Äußerungen , in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 45/05 - VersR 2007, 249, 250; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06 - VersR 2008, 695 Rn. 12; vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07 - VersR 2008, 971 Rn. 16; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 - aaO).
- 12
- b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht bei der Ermittlung des Aussagegehalts nicht beachtet, was revisionsrechtlich in vollem Umfang zur Überprüfung steht (vgl. Senatsurteile vom 22. November 2005 - VI ZR 204/04 - VersR 2006, 382 m.w.N.; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06 - aaO, Rn. 11; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 - aaO, Rn. 12). Entgegen seiner Auffassung sind auch die von ihm als Tatsachenbehauptungen eingestuften Äußerungsteile dem Schutz des Art. 5 GG zu unterstellen, weil es sich bei Berücksichtigung des Gesamtkontextes um Äußerungen handelt, die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden.
- 13
- aa) Es ist zwar richtig, dass sich alleine aus den einleitenden Worten "Ich glaube nicht, …" bzw. "Ich glaube, …" nicht der Charakter einer Bewertung ergibt , die dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG unterliegt. Solche Formulierungen stehen ebenso wie die Formulierungen "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" , "sollen angeblich", "ich meine, dass" oder "offenbar" der Qualifizierung als Tatsachenbehauptungen nicht prinzipiell entgegen. Der Ansehensschutz würde leerlaufen, wenn es der Äußernde in der Hand hätte, allein durch solche Einschübe aus seinen Tatsachenbehauptungen zivilrechtlich weniger angreifbare Meinungsäußerungen zu machen (vgl. Senatsurteil vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07 - VersR 2008, 971 Rn. 18 m.w.N.).
- 14
- bb) Aus dem Gesamtzusammenhang des Interviews, in dem die streitigen Äußerungen gefallen sind, ergibt sich aber, dass es sich insgesamt um Äußerungen handelt, die dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG zu unterstellen sind. In dem Interview hat der Beklagte nicht nur durch die Worte "ich glaube" deutlich gemacht, dass er auf die Frage des Reporters nur seine Meinung zu dem Vorfall kundgeben wolle. Vielmehr hat er bereits am Anfang seiner Antwort klargestellt, dass er "mutmaßen" müsse. Zudem hat er darauf hingewiesen, dass Dinge im Raum stünden, die "in den nächsten Monaten" geklärt werden müssten. Er hat die Entwicklung des Unternehmens während der Vorstandstätigkeit des Klägers zu 2 als Grundlage genommen, diesen zu charakterisieren.
- 15
- 2. Dies gilt - wie von den Instanzgerichten zutreffend angenommen - auch hinsichtlich des im Tenor unter b) untersagten Äußerungsteils, "… dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren". Die Beurteilung eines Vorgangs anhand rechtlicher oder sittlicher Maßstäbe wird nicht anders als die Äußerung von Rechtsmeinungen grundsätzlich als eine ganz überwiegend auf Wertung beruhende subjektive Beurteilung des Äußernden angesehen. Dies gilt in der Regel selbst für Fallgestaltungen, in denen ein Vorgang als strafrechtlich relevanter Tatbestand eingestuft wird (vgl. Senatsurteile vom 22. Juni 1982 - VI ZR 251/80 - VersR 1982, 904, 905 und - VI ZR 255/80 - VersR 1982, 906, 907; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 - aaO, Rn. 15). Der hier verwendete wertende Begriff "sauber" ist derart substanzarm, dass sich ihm eine konkret greifbare Tatsache nicht entnehmen lässt (vgl. Senatsurteil vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07 - VersR 2008 Rn. 14).
- 16
- 3. Um die Zulässigkeit der angegriffenen Äußerungen zu beurteilen, sind mithin hinsichtlich der beiden untersagten Äußerungsteile grundsätzlich die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen, wobei alle wesentlichen Umstände und die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichti- gen sind (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06 - VersR 2008, 695 Rn. 13; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 - aaO, Rn. 17, jeweils m.w.N.). Diese Abwägung hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen, weil es den unter a) untersagten Äußerungsteil als Tatsachenbehauptung eingestuft und deshalb dem Beklagten die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Wahrheit seiner Aussage auferlegt und in dem unter b) untersagten Äußerungsteil eine unzulässige Schmähkritik gesehen hat. Entgegen dieser Auffassung ist jedoch eine Abwägung erforderlich, weil beide Äußerungsteile vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst werden und keine unzulässige Schmähkritik vorliegt.
- 17
- a) An die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik sind strenge Maßstäbe anzulegen, weil andernfalls eine umstrittene Äußerung ohne Abwägung dem Schutz der Meinungsfreiheit entzogen und diese damit in unzulässiger Weise verkürzt würde (vgl. Senatsurteile BGHZ 143, 199, 209; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06 - aaO, Rn. 15; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 - aaO, Rn. 18 m.w.N.). Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll, nimmt die Äußerung den Charakter einer unzulässigen Schmähung an (vgl. Senatsurteile BGHZ 143, 199, 209; vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 45/05 - VersR 2007, 249, 251; vom 11. Dezember 2007 - VI ZR 14/07 - VersR 2008, 357 Rn. 22; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/96 - aaO; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 - aaO).
- 18
- b) Im Streitfall ist hinsichtlich beider Äußerungsteile ein sachlicher Bezug anzunehmen.
- 19
- Der Rücktritt des Klägers zu 2 und die Frage, ob dieser freiwillig zurückgetreten ist, waren von großem öffentlichem Interesse. Dies zeigt nicht nur der Umstand, dass sich die SWR-Landesschau am Tag des Rücktritts mit dieser Frage beschäftigte, sondern ergibt sich auch aus den vom Beklagten vorgelegten Presseberichten, die an den Tagen nach dem Interview veröffentlicht wurden. Der Beklagte hat sich mithin zu einem Sachthema von erheblichem öffentlichem Interesse geäußert, wobei nicht die Herabsetzung der Person des Klägers zu 2 im Vordergrund stand.
- 20
- Eine Herabsetzung des Klägers zu 2, in einer Weise, dass dieser gleichsam an den Pranger gestellt werden soll, ergibt sich auch nicht aus dem zweiten angegriffenen Äußerungsteil. Die Formulierung "das muss damit zusammenhängen , dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat" stellt keine Formalbeleidigung dar. Die Formulierung ist nicht mit dem Vorwurf illegaler Geschäfte gleichzusetzen, sondern als weiter gefasster Vorwurf missbilligenswerter Geschäftspraktiken zu verstehen, wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend angenommen hat. Diese Bewertung hat der Beklagte nicht isoliert vorgenommen, sondern im Zusammenhang mit dem Umstand , dass der Kläger zu 2 vorzeitig ohne eine Abfindung zurückgetreten ist. Da dies aus Sicht des Beklagten mit der Persönlichkeitsstruktur des Klägers zu 2 nicht in Einklang zu bringen ist, zog er die angegriffenen Schlussfolgerungen. Vor diesem Hintergrund kann der Äußerung des Beklagten ein Sachbezug nicht abgesprochen werden.
- 21
- 4. Bei der hiernach gebotenen Abwägung fällt zugunsten der Kläger ins Gewicht, dass die beanstandeten Äußerungen geeignet sind, sie in ihrem öffentlichen Ansehen zu beeinträchtigen und möglicherweise auch ihre geschäftliche Tätigkeit zu erschweren. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass der verwendete Begriff "sauber" ein bloß pauschales Urteil enthält, bei dem der tat- sächliche Gehalt gegenüber der Wertung zurücktritt und die Abwägung nicht beeinflusst (vgl. Senatsurteil vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07 - aaO; BVerfGE 61, 1, 9 f.; BVerfG NJW-RR 2004, 1710, 1711). Zudem ist zugunsten der Meinungsfreiheit des Beklagten zu beachten, dass an der Bewertung der Geschäftstätigkeit des Vorstandsvorsitzenden eines deutschen Großunternehmens und dessen vorzeitigem Rücktritt ein großes öffentliches Interesse besteht und es sich um eine Berichterstattung über die berufliche Sphäre bzw. einen Vorgang im Wirtschaftsleben handelt. Dabei muss ein solches Unternehmen eine genaue Beobachtung seiner Handlungsweise in der Öffentlichkeit hinnehmen. Deshalb sind die Grenzen zulässiger Kritik ihm gegenüber ebenso wie gegenüber ihren Führungskräften weiter gezogen (vgl. Senatsurteile vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01 - VersR 2002, 445, 446; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03 - aaO; vom 21. November 2006 - VI ZR 259/05 - VersR 2007, 511, 512; EGMR NJW 2006, 1255, 1259 Rn. 94 - Steel und Morris/ Vereinigtes Königreich sowie 1994, Serie A, Bd. 294-B, Nr. 75 - Fayed/ Vereinigtes Königreich).
- 22
- Es ist allgemein bekannt und lässt sich den vorgelegten Presseberichten entnehmen, dass der Kläger zu 2 aufgrund seiner Geschäftstätigkeit in der Öffentlichkeit sehr kritisiert worden ist. In diesem Zusammenhang hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass während der Leitung des Unternehmens durch den Kläger zu 2 ein Börsenwertverlust in Höhe von 35 Mrd. € sowie eine Drittelung des Aktienkurses eingetreten und zahlreiche Mitarbeiter entlassen worden seien. Da die Kläger keine Begründung für das Ausscheiden gegeben haben und der Kläger zu 2 auch keine Abfindung erhalten hat, war der Weg für Spekulationen über die Gründe des Rücktritts eröffnet. Bei der gebotenen Gesamtabwägung aller Umstände stellen sich die Äußerungen des Beklagten in einem Interview am Tage des Rücktritts - auch unter Berücksichtigung seiner Vorkenntnisse über das Unternehmen und einen möglicherweise bevorstehenden Rücktritt des Klägers zu 2 - mithin als noch zulässig und damit nicht als rechtswidrig dar. Wollte man in einem solchen Fall eine Äußerung der vorliegenden Art unterbinden , wäre eine spontane öffentliche Diskussion aktueller Ereignisse von besonderem Öffentlichkeitsinteresse - auch unter Würdigung des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen - in einer mit Art. 5 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Weise erschwert.
- 23
- 5. Da die zu beurteilenden Tatsachen feststehen und somit eine weitere Sachaufklärung nicht erforderlich ist, kann der Senat aufgrund seiner eigenen Abwägung abschließend entscheiden. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge der §§ 91, 100 Abs. 1 ZPO abzuweisen. Galke Wellner Pauge Stöhr von Pentz
LG Hamburg, Entscheidung vom 19.01.2007 - 324 O 283/06 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 18.12.2007 - 7 U 18/07 -
Vor die ordentlichen Gerichte gehören die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen) sowie die Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind.
(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.
(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.
(1) Diensteanbieter sind für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.