Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 05. Apr. 2017 - 4 K 3505/16
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 05. Apr. 2017 - 4 K 3505/16
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Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 05. Apr. 2017 - 4 K 3505/16 zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).
(1) Eine Steuererklärung ist nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, wenn
- 1.
keine elektronische Steuererklärung vorgeschrieben ist, - 2.
nicht freiwillig eine gesetzlich oder amtlich zugelassene elektronische Steuererklärung abgegeben wird, - 3.
keine mündliche oder konkludente Steuererklärung zugelassen ist und - 4.
eine Aufnahme der Steuererklärung an Amtsstelle nach § 151 nicht in Betracht kommt.
(2) Die Angaben in den Steuererklärungen sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen.
(3) Ordnen die Steuergesetze an, dass der Steuerpflichtige die Steuererklärung eigenhändig zu unterschreiben hat, so ist die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten nur dann zulässig, wenn der Steuerpflichtige infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands oder durch längere Abwesenheit an der Unterschrift gehindert ist. Die eigenhändige Unterschrift kann nachträglich verlangt werden, wenn der Hinderungsgrund weggefallen ist.
(4) Den Steuererklärungen müssen die Unterlagen beigefügt werden, die nach den Steuergesetzen vorzulegen sind. Dritte Personen sind verpflichtet, hierfür erforderliche Bescheinigungen auszustellen.
(5) In die Steuererklärungsformulare können auch Fragen aufgenommen werden, die zur Ergänzung der Besteuerungsunterlagen für Zwecke einer Statistik nach dem Gesetz über Steuerstatistiken erforderlich sind. Die Finanzbehörden können ferner von Steuerpflichtigen Auskünfte verlangen, die für die Durchführung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes erforderlich sind. Die Finanzbehörden haben bei der Überprüfung der Angaben dieselben Befugnisse wie bei der Aufklärung der für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse.
(6) Zur Erleichterung und Vereinfachung des automatisierten Besteuerungsverfahrens kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass und unter welchen Voraussetzungen Steuererklärungen oder sonstige für das Besteuerungsverfahren erforderliche Daten ganz oder teilweise durch Datenfernübertragung oder auf maschinell verwertbaren Datenträgern übermittelt werden können. In der Rechtsverordnung können von den §§ 72a und 87b bis 87d abweichende Regelungen getroffen werden. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit die Kraftfahrzeugsteuer, die Luftverkehrsteuer, die Versicherungsteuer und Verbrauchsteuern, mit Ausnahme der Biersteuer, betroffen sind.
(7) Können Steuererklärungen, die nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abgegeben oder nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung übermittelt werden, nach § 155 Absatz 4 Satz 1 zu einer ausschließlich automationsgestützten Steuerfestsetzung führen, ist es dem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, Angaben, die nach seiner Auffassung Anlass für eine Bearbeitung durch Amtsträger sind, in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung zu machen. Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe des § 93c an die Finanzverwaltung übermittelt wurden, gelten als Angaben des Steuerpflichtigen, soweit sie in den Steuererklärungsformularen als eDaten gekennzeichnet sind oder bei nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung übermittelten Steuererklärungen für den Belegabruf bereitgestellt werden und er nicht in einem dafür vorzusehenden Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung abweichende Angaben macht.
(8) Ordnen die Steuergesetze an, dass die Finanzbehörde auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten kann, ist einem solchen Antrag zu entsprechen, wenn eine Erklärungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung des amtlich vorgeschriebenen Datensatzes nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre oder wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Die Finanzbehörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere
- 1.
Auskünfte jeder Art von den Beteiligten und anderen Personen einholen, - 2.
Sachverständige zuziehen, - 3.
Urkunden und Akten beiziehen, - 4.
den Augenschein einnehmen.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Die Finanzbehörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere
- 1.
Auskünfte jeder Art von den Beteiligten und anderen Personen einholen, - 2.
Sachverständige zuziehen, - 3.
Urkunden und Akten beiziehen, - 4.
den Augenschein einnehmen.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole.
(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.
(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.
(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und die betroffene Person dies unverzüglich verlangt.
(3) Ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen. Ferner muss er die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten; dies gilt nicht für einen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird. Ist für einen Verwaltungsakt durch Gesetz eine Schriftform angeordnet, so muss bei einem elektronischen Verwaltungsakt auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Falle des § 87a Absatz 4 Satz 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Finanzbehörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Die Finanzbehörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere
- 1.
Auskünfte jeder Art von den Beteiligten und anderen Personen einholen, - 2.
Sachverständige zuziehen, - 3.
Urkunden und Akten beiziehen, - 4.
den Augenschein einnehmen.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.
(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.
Tenor
Auf die Berufung der Beigeladenen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. November 2012 - 2 K 471/11 - teilweise geändert und neu gefasst.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aus dem erstinstanzlichen Verfahren, die diese selbst trägt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Beteiligte sind
- 1.
Antragsteller und Antragsgegner, - 2.
diejenigen, an die die Finanzbehörde den Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat, - 3.
diejenigen, mit denen die Finanzbehörde einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen will oder geschlossen hat.
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, soll diesem Gelegenheit gegeben werden, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies gilt insbesondere, wenn von dem in der Steuererklärung erklärten Sachverhalt zuungunsten des Steuerpflichtigen wesentlich abgewichen werden soll.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
- 1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint, - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde, - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll, - 4.
die Finanzbehörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will, - 5.
Maßnahmen in der Vollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
(1) Amtsträger haben das Steuergeheimnis zu wahren.
(2) Ein Amtsträger verletzt das Steuergeheimnis, wenn er
- 1.
personenbezogene Daten eines anderen, die ihm - a)
in einem Verwaltungsverfahren, einem Rechnungsprüfungsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen, - b)
in einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder einem Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit, - c)
im Rahmen einer Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4, 5 oder 6 oder aus anderem dienstlichen Anlass, insbesondere durch Mitteilung einer Finanzbehörde oder durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorlage eines Steuerbescheids oder einer Bescheinigung über die bei der Besteuerung getroffenen Feststellungen,
- 2.
ein fremdes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm in einem der in Nummer 1 genannten Verfahren bekannt geworden ist,
- 3.
geschützte Daten im automatisierten Verfahren unbefugt abruft, wenn sie für eines der in Nummer 1 genannten Verfahren in einem automationsgestützten Dateisystem gespeichert sind.
(3) Den Amtsträgern stehen gleich
- 1.
die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 des Strafgesetzbuchs), - 1a.
die in § 193 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Personen, - 2.
amtlich zugezogene Sachverständige, - 3.
die Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind.
(4) Die Offenbarung oder Verwertung geschützter Daten ist zulässig, soweit
- 1.
sie der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 Buchstaben a und b dient, - 1a.
sie einer Verarbeitung durch Finanzbehörden nach Maßgabe des § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 oder 6 dient, - 1b.
sie der Durchführung eines Bußgeldverfahrens nach Artikel 83 der Verordnung (EU) 2016/679 im Anwendungsbereich dieses Gesetzes dient, - 2.
sie durch Bundesgesetz ausdrücklich zugelassen ist, - 2a.
sie durch Recht der Europäischen Union vorgeschrieben oder zugelassen ist, - 2b.
sie der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Statistischen Bundesamtes oder für die Erfüllung von Bundesgesetzen durch die Statistischen Landesämter dient, - 2c.
sie der Gesetzesfolgenabschätzung dient und die Voraussetzungen für eine Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 vorliegen, - 2d.
sie der Sicherung, Nutzung und wissenschaftlichen Verwertung von Archivgut der Finanzbehörden durch das Bundesarchiv nach Maßgabe des Bundesarchivgesetzes oder durch das zuständige Landes- oder Kommunalarchiv nach Maßgabe des einschlägigen Landesgesetzes oder der einschlägigen kommunalen Satzung dient, sofern die Beachtung der Vorgaben der §§ 6 und 10 bis 14 des Bundesarchivgesetzes im Landesrecht oder in der kommunalen Satzung sichergestellt ist, - 3.
die betroffene Person zustimmt, - 4.
sie der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Tat dient, die keine Steuerstraftat ist, und die Kenntnisse - a)
in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erlangt worden sind; dies gilt jedoch nicht für solche Tatsachen, die der Steuerpflichtige in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens offenbart hat oder die bereits vor Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens im Besteuerungsverfahren bekannt geworden sind, oder - b)
ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht erlangt worden sind,
- 5.
für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht; ein zwingendes öffentliches Interesse ist namentlich gegeben, wenn - a)
die Offenbarung erforderlich ist zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die Verteidigung oder die nationale Sicherheit oder zur Verhütung oder Verfolgung von Verbrechen und vorsätzlichen schweren Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen, - b)
Wirtschaftsstraftaten verfolgt werden oder verfolgt werden sollen, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern, oder - c)
die Offenbarung erforderlich ist zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern; die Entscheidung trifft die zuständige oberste Finanzbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen; vor der Richtigstellung soll der Steuerpflichtige gehört werden.
(5) Vorsätzlich falsche Angaben der betroffenen Person dürfen den Strafverfolgungsbehörden gegenüber offenbart werden.
(6) Der Abruf geschützter Daten, die für eines der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Verfahren in einem automationsgestützten Dateisystem gespeichert sind, ist nur zulässig, soweit er der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 Buchstabe a und b oder der zulässigen Übermittlung geschützter Daten durch eine Finanzbehörde an die betroffene Person oder Dritte dient. Zur Wahrung des Steuergeheimnisses kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, welche technischen und organisatorischen Maßnahmen gegen den unbefugten Abruf von Daten zu treffen sind. Insbesondere kann es nähere Regelungen treffen über die Art der Daten, deren Abruf zulässig ist, sowie über den Kreis der Amtsträger, die zum Abruf solcher Daten berechtigt sind. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie die Kraftfahrzeugsteuer, die Luftverkehrsteuer, die Versicherungsteuer sowie Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern, mit Ausnahme der Biersteuer, betrifft.
(7) Werden dem Steuergeheimnis unterliegende Daten durch einen Amtsträger oder diesem nach Absatz 3 gleichgestellte Personen nach Maßgabe des § 87a Absatz 4 oder 7 über De-Mail-Dienste im Sinne des § 1 des De-Mail-Gesetzes versendet, liegt keine unbefugte Offenbarung, Verwertung und kein unbefugter Abruf von dem Steuergeheimnis unterliegenden Daten vor, wenn beim Versenden eine kurzzeitige automatisierte Entschlüsselung durch den akkreditierten Diensteanbieter zum Zweck der Überprüfung auf Schadsoftware und zum Zweck der Weiterleitung an den Adressaten der De-Mail-Nachricht stattfindet.
(8) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abgleich geschützter Daten innerhalb einer Finanzbehörde oder zwischen verschiedenen Finanzbehörden ermöglicht, ist zulässig, soweit die Weiterverarbeitung oder Offenbarung dieser Daten zulässig und dieses Verfahren unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person und der Aufgaben der beteiligten Finanzbehörden angemessen ist.
(9) Die Finanzbehörden dürfen sich bei der Verarbeitung geschützter Daten nur dann eines Auftragsverarbeiters im Sinne von Artikel 4 Nummer 8 der Verordnung (EU) 2016/679 bedienen, wenn diese Daten ausschließlich durch Personen verarbeitet werden, die zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet sind.
(10) Die Offenbarung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 durch Finanzbehörden an öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen ist zulässig, wenn die Voraussetzungen der Absätze 4 oder 5 und ein Ausnahmetatbestand nach Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/679 oder nach § 31c vorliegen.
(11) Wurden geschützte Daten
nach den Absätzen 4 oder 5 offenbart, darf der Empfänger diese Daten nur zu dem Zweck speichern, verändern, nutzen oder übermitteln, zu dem sie ihm offenbart worden sind. Die Pflicht eines Amtsträgers oder einer ihm nach Absatz 3 gleichgestellten Person, dem oder der die geschützten Daten durch die Offenbarung bekannt geworden sind, zur Wahrung des Steuergeheimnisses bleibt unberührt.(1) Wer unbefugt
- 1.
personenbezogene Daten eines anderen, die ihm als Amtsträger - a)
in einem Verwaltungsverfahren, einem Rechnungsprüfungsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen, - b)
in einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder in einem Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit, - c)
im Rahmen einer Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4, 5 oder 6 der Abgabenordnung oder aus anderem dienstlichen Anlass, insbesondere durch Mitteilung einer Finanzbehörde oder durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorlage eines Steuerbescheids oder einer Bescheinigung über die bei der Besteuerung getroffenen Feststellungen
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ein fremdes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm als Amtsträger in einem der in Nummer 1 genannten Verfahren bekannt geworden ist,
(2) Den Amtsträgern im Sinne des Absatzes 1 stehen gleich
- 1.
die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten, - 2.
amtlich zugezogene Sachverständige und - 3.
die Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts.
(3) Die Tat wird nur auf Antrag des Dienstvorgesetzten oder des Verletzten verfolgt. Bei Taten amtlich zugezogener Sachverständiger ist der Leiter der Behörde, deren Verfahren betroffen ist, neben dem Verletzten antragsberechtigt.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
- 2
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
- 4
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
- 7
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und die betroffene Person dies unverzüglich verlangt.
(3) Ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen. Ferner muss er die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten; dies gilt nicht für einen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird. Ist für einen Verwaltungsakt durch Gesetz eine Schriftform angeordnet, so muss bei einem elektronischen Verwaltungsakt auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Falle des § 87a Absatz 4 Satz 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Finanzbehörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
- 18
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und die betroffene Person dies unverzüglich verlangt.
(3) Ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen. Ferner muss er die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten; dies gilt nicht für einen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird. Ist für einen Verwaltungsakt durch Gesetz eine Schriftform angeordnet, so muss bei einem elektronischen Verwaltungsakt auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Falle des § 87a Absatz 4 Satz 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Finanzbehörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
- 2
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
- 2
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
- 4
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
- 7
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
I.
§ 7 Abs. 1 Satz 1 der Satzung des Antragsgegners für die Erhebung eines Kurbeitrages vom 14. März 2013 wird für unwirksam erklärt, soweit Ehegatten und einkommensteuerrechtlich dem Haushalt des Beitragspflichtigen zugerechnete Kinder einen jährlichen pauschalen Kurbeitrag zu entrichten haben. Im Übrigen wird der Normenkontrollantrag abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat neun Zehntel, der Antragsgegner ein Zehntel der Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten des Verfahrens vorläufig vollstreckbar. Die Streitparteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Streitpartei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand:
§ 7
Gründe
Entscheidungsgründe:
Rechtsmittelbelehrung
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
§ 11 der Satzung zur Erhebung einer Beherbergungsabgabe im Gebiet der Stadt Flensburg (Beherbergungssatzung) der Antragsgegnerin vom 9. November 2012 ist unwirksam.
Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragstellerin wird nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Antragstellerin betreibt ein Hotel in Flensburg. Die Antragsgegnerin setzte gegen sie mit Bescheid vom 06.08.2013 für das Veranlagungsjahr als Beherbergungsabgabe einen Gesamtbetrag vom 33.383,00 € fest.
- 2
Dieser Bescheid stützt sich auf die Satzung zur Erhebung einer Beherbergungsabgabe im Gebiet der Stadt Flensburg (Beherbergungsabgabesatzung) v. 09.11.2013, die nach Auffassung der Antragstellerin unwirksam ist.
- 3
§ 2 dieser Satzung lautet:
- 4
„Gegenstand der Beherbergungsabgabe ist der Aufwand des Beherbergungsgastes für die Möglichkeit einer entgeltlichen Übernachtung in einem Beherbergungsbetrieb (Hotel, Gasthof, Pension, Privatzimmer, Jugendherberge, Ferienwohnung, Motel und ähnliche Einrichtung), der gegen Entgelt eine Beherbergungsmöglichkeit zur Verfügung stellt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beherbergungsleistung tatsächlich in Anspruch genommen wird.“
- 5
§ 5 der Satzung lautet:
- 6
„Abgabenschuldner
- 7
Abgabenschuldner ist der Betreiber des Beherbergungsbetriebes.“
- 8
§ 11 der Satzung lautet:
- 9
„Prüfungsrecht
- 10
(1) Die Stadt Flensburg ist berechtigt, während der üblichen Geschäftszeiten- und Arbeitszeiten zur Feststellung von Abgabentatbeständen die Geschäftsräume des Beherbergungsbetriebes zu betreten und die betreffenden Geschäftsunterlagen einzusehen.
- 11
(2) Der Beherbergungsbetrieb ist verpflichtet, mit Dienstausweis oder besonderer Vollmacht ausgestatteten Vertretern der Steuerabteilung der Stadt Flensburg zur Nachprüfung der Erklärungen, zur Feststellung von Abgabentatbeständen sowie zur Einsicht in die entsprechenden Geschäftsunterlagen Einlass zu gewähren.“
- 12
Die Antragstellerin hat sich am 06.11.2013 an das Oberverwaltungsgericht gewandt.
- 13
Sie ist der Ansicht, dass es mit dem Wesen einer örtlichen Aufwandssteuer unvereinbar sei, dass der Betreiber eines Beherbergungsbetriebes, wie es § 5 der Satzung vorsehe, der Steuerschuldner sein solle. Zulässig sei allenfalls die Auferlegung von Mitwirkungspflichten. Es sei dem Beherberger nicht möglich, die Abgabe auf den Gast abzuwälzen. Eine Einpreisung stoße auf praktische Schwierigkeiten. So habe der Beherbergungsunternehmer seine Leistungen über die üblichen Medien, insbesondere Internetportale, anzubieten. Er könne hierbei nicht unterschiedliche Preise für beruflich bedingte oder private Übernachtungen anbieten. Ein Vorgehen, vom privat angereisten Gast nach bereits vorab gezahltem Entgelt für die Übernachtung vor Ort noch einen Aufschlag zu verlangen, wäre nicht nur zivilrechtlich höchst kritisch, sondern zöge ihm darüber hinaus auch den Unmut der Gäste zu. Wolle man die gesamten Mehrkosten auf den regulären Betten- bzw. Zimmerpreis aufschlagen, selbst wenn dies nur für die organisatorischen notwendigen Mehrkosten angenommen würde, bedeutete dies letztendlich, dass doch sämtliche Gäste die Mehrkosten zu tragen hätten.
- 14
Dem Betreiber des Beherbergungsbetriebes würden zudem unverhältnismäßige Verpflichtungen sowie damit einhergehende Risiken auferlegt. So habe der Betreiber gem. § 8 Abs. 2 der Satzung nachzuweisen, dass Steuerbefreiungstatbestände nach § 7 vorliegen. Es sei in der Praxis nicht damit zu rechnen, dass etwa die Arbeitgeber von Dienstreisenden ein gesteigertes Interesse an der Ausstellung und Übersendung entsprechender Nachweise habe, dies insbesondere deshalb nicht, da ja das Beherbergungsgewerbe Schuldner der Abgabe sei. Auch der Aufwand bei Einholen solcher Nachweise sei völlig unverhältnismäßig.
- 15
Der Gegenstand der Abgabe sei nicht hinreichend bestimmt umschrieben. Einerseits sehe § 2 der Satzung vor, dass Gegenstand der Abgabe der Aufwand des Beherbergungsgastes für die Möglichkeit einer entgeltlichen Übernachtung sei. Dies sei unabhängig davon, ob die Beherbergungsleistung tatsächlich in Anspruch genommen werde. Andererseits solle der Anspruch nach § 6 erst mit Beginn der entgeltlichen Beherbergungsleistung beginnen. Unklar bleibe auch, was im Falle einer kostenlosen Stornierungsmöglichkeit geschehen solle.
- 16
Der Steuerbefreiungstatbestand des § 7 Nr. 1 bei „beruflich bedingten Übernachtungen von Geschäftsreisenden“ sei nicht nur zu unbestimmt, sondern im Übrigen auch viel zu eng gefasst. So sei unklar, ob ein Freiberufler unter die Befreiung falle, der ausschließlich für ein bestimmtes Projekt für wenige Wochen oder Monate vor Ort verweile.
- 17
Die Regelungen zum Betretungs- und Einsichtsrecht gem. § 11 verwirrten. Abs. 1 sehe vor, dass die Antragsgegnerin berechtigt sei, während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten zur Feststellung von Abgabentatbeständen die Geschäftsräume des Beherbergungsbetriebes zu betreten und die betreffenden Geschäftsunterlagen einzusehen. Abs. 2 sehe sodann die Pflicht des Betriebs vor, Vertretern der Steuerabteilung der Antragsgegnerin zur Einsicht in die entsprechenden Geschäftsunterlagen Einlass zu gewähren. Darüber hinaus werde damit unverhältnismäßig und ohne gesetzliche Ermächtigung hierzu in Art. 13 Abs. 1 GG eingegriffen.
- 18
Eine Vorschrift, die vom den Vertretern der Steuerabteilung der Antragsgegnerin weitreichende Kenntnisse verfassungskonformer Auslegung bestimmter Ermächtigungsgrundlagen voraussetze, erfülle den Zweck nicht.
- 19
Die in § 14 der Satzung aufgeführten Ordnungswidrigkeitentatbestände verstießen in mehrfacher Hinsicht gegen höherrangiges Recht.
- 20
Die Antragstellerin beantragt,
- 21
die Satzung der Antragsgegnerin zur Erhebung einer Beherbergungsabgabe im Gebiet der Stadt Flensburg (Beherbergungsabgabesatzung) vom 08.11.2012 für unwirksam zu erklären.
- 22
Die Antragsgegnerin beantragt,
- 23
den Antrag abzulehnen.
- 24
Sie trägt vor, der Ansicht, der Beherbergungsbetreiber sei der falsche Abgabenschuldner, sei nicht zu folgen. Eine Aufwandssteuer könne auch als indirekte Steuer erhoben werden. Es genüge – wie bei der Spielgerätesteuer – die Möglichkeit, dass die Steuer auf den Übernachtungsgast als den eigentlichen Steuerträger kalkulatorisch abgewälzt werden könne.
- 25
Gem. § 2 sei Gegenstand der Beherbergungsabgabe der Aufwand des Beherbergungsgastes für die Möglichkeit einer entgeltlichen Übernachtung in einem Beherbergungsbetrieb, unabhängig davon, ob die Beherbergungsleistung tatsächlich in Anspruch genommen werde. Der Abgabenanspruch entstehe gem. § 6 mit Beginn der entgeltlichen Beherbergungsleistung. Aus einer Zusammenschau der beiden Vorschriften sei erkennbar, dass die Abgabe unabhängig von der tatsächlichen Übernachtung des Gastes erhoben werde. Entscheidender Umstand sei das Einchecken des Gastes, denn ab diesem Zeitpunkt ergebe sich für ihn die gesicherte Möglichkeit, in dem Beherbergungsbetrieb tatsächlich zu übernachten und gleichzeitig für den Beherbergungsbetreiber die Möglichkeit, ein Entgelt für die Leistung fordern zu können.
- 26
Unter § 7 Abs. 1 fielen auch Gewerbetreibende und Selbständige. Der Begriff „beruflich“ sei im Lichte des Art. 12 GG auszulegen.
- 27
Die Regelungen zu den Mitwirkungspflichten seien nicht unverhältnismäßig. Die gesetzlichen Grundlagen fänden sich in § 3 und § 11 KAG i.V.m. § 90 AO. Das Betretungsrecht beruhe auf § 11 Abs. 1 Satz 2 KAG i.V.m. § 99 AO.
- 28
Die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und wegen des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Akteninhalt sowie auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 29
Der Normenkontrollantrag hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.
- 30
Soweit mit dem Normenkontrollantrag die Ordnungswidrigkeitentatbestände der angefochtenen Satzung angegriffen werden sollen, ist der Antrag unzulässig, da eine Entscheidung hierüber nicht in die sachliche Kompetenz des Oberverwaltungsgerichts fällt. Ordnungswidrigkeitsbestimmungen in kommunalen Satzungen sind wegen der abdrängenden Sonderzuweisung in § 68 OWiG der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle entzogen (OVG Schleswig, Urt. v. 20.03.2002 – 2 K 10/99 -; SchlHA 2002, 217 = ZKF 2002, 184 = NordÖR 2003, 37).
- 31
Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig, jedoch nur zu einem geringen Teil begründet. Die Regelungen des § 11 der Satzung weisen den Mitarbeitern der Antragsgegnerin Kompetenzen zu, die über das in den Vorschriften der Abgabenordnung Vorgesehene hinausgehen. Die Tatbestände der Aktenvorlagepflicht des § 97 AO und des Rechtes zum Betreten von Grundstücken und Räumen gem. § 99 AO werden in den beiden Absätzen des § 11 derart vermischt, dass unzutreffende Befugnisse zugewiesen werden.
- 32
Gemäß § 97 Abs. 1 AO kann die Finanzbehörde von den Beteiligten die Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden zur Einsicht und Prüfung verlangen. Die Behörde kann die Vorlage dieser Urkunden an Amtsstelle verlangen und nur im Einverständnis oder bei besonderer Beschaffenheit dieser Urkunden Einsicht bei dem Vorlagepflichtigen nehmen. § 11 Abs. 1 der Satzung sieht hingegen die Einsichtnahme an Ort und Stelle als Regelfall vor und verknüpft sie zudem mit dem Recht auf Betreten der Geschäftsräume.
- 33
§ 11 Abs. 2 der Satzung verpflichtet den Beherbergungsbetrieb dazu, das Betreten der Räume zu dulden und zur Einsicht in die Geschäftsunterlagen Einlass zu gewähren. § 99 Abs. 1 Satz 2 AO sieht hingegen vor, dass die betroffenen Personen angemessene Zeit vorher benachrichtigt werden sollen. Das Betretungsrecht ist zudem ein Instrument der Inaugenscheinseinnahme und darf gem. § 99 Abs. 2 AO nicht der Ausforschung dienen. Da die in § 11 der Satzung getroffenen Regelungen somit nicht auf die gesetzlichen Ermächtigungen gem. § 11 Abs. 1 Satz 2 KAG i.V.m. den §§ 97 und 99 AO gestützt werden können, sind sie aufzuheben. Eine Umformulierung oder Teilaufhebung der Satzungsbestimmung war nicht geboten, da auch bei vollständiger Streichung des § 11 der Antragsgegnerin die Befugnisse auf Betreten von Geschäftsräumen und auf Akteneinsicht weiterhin gem. § 11 Abs. 1 Satz 2 KAG i.V.m. §§ 97, 99 AO bei Vorliegen des entsprechenden Tatbestandes und in dem Umfang der dort vorgesehenen Rechtsfolgen zustehen.
- 34
Im Übrigen begegnet die angegriffene Satzung zur Erhebung einer Beherbergungssatzung im Gebiet der Stadt Flensburg (Beherbergungssatzung) der Antragsgegnerin vom 09.11.2012 keinen rechtlichen Bedenken.
- 35
Der Senat hat bereits mit Urteil vom 07.02.2013 – 4 KN 2/13 – und im Beschluss vom 28.08.2013 – 4 MR 2/13 - entschieden, dass die angefochtene Satzung keinen rechtlichen Bedenken bestehen. Auf die dortigen Ausführungen wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen. Der Senat hält an der dortigen Rechtsauffassung fest.
- 36
Soweit die Antragstellerin unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 23.10.2013 – 14 A 316/13 -) ausführt, dass die Antragstellerin nicht zur Steuerschuldnerin bestimmt werden dürfe, folgt der Senat dem nicht.
- 37
Die Entscheidung der Antragsgegnerin, in § 5 seiner Satzung den Betreiber des Beherbergungsbetriebes zum Abgabenschuldner zu bestimmen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Antragsgegnerin ist befugt, die Beherbergungsabgabe als sog. indirekte Steuer zu gestalten, da der Betreiber des Beherbergungsbetriebes zur Verwirklichung des Abgabentatbestandes in einer hinreichenden wirtschaftlichen und rechtlichen Beziehung steht und weil es ihm möglich ist, die Belastung durch die Abgabe kalkulatorisch abzuwälzen.
- 38
Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Spielgerätesteuer (so z.B. Beschl. v. 04.02.2009 - 1 BvR 8/05 -, BVerfGE 123, 1 = DVBl 2009, 777 = NVwZ 2009, 968 = GewArch 2009, 301) folgt, dass eine Aufwandsteuer auch als indirekte Steuer erhoben werden kann und nicht zwingend der den Aufwand treibende Übernachtungsgast Steuerschuldner sein muss. Sofern Schuldner der Steuer nicht derjenige ist, der den Steuertatbestand erfüllt, wird die Steuer bei diesem nur zur Verwaltungsvereinfachung erhoben. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 11.07.2012 (- 9 CN 1.11 u.a. -, BVerwGE 143, 301 = Buchholz 11 Art 105 GG Nr. 51 = KommJur 2012, 387 = ZKF 2012, 235 = NVwZ 2012, 1407 = KStZ 2013, 11) zur Kultur- und Tourismusförderabgabe der Stadt Trier insoweit keine Bedenken gesehen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Beherbergungsunternehmer die Steuer auf den Übernachtungsgast, das heißt den eigentlichen Steuerträger, abwälzen kann (BVerfG, Beschl. v. 04.02.2009, a.a.O.).
- 39
Wird eine Steuer nicht bei dem erhoben, dessen Leistungsfähigkeit in einem bestimmten Vorgang, wie hier dem Aufwand für die Übernachtung, erfassen werden soll, sondern indirekt bei einem Dritten, so muss sie dem wahren Besteuerungsgrund folgend von diesem Steuerschuldner grundsätzlich auf den eigentlich zu Belastenden abwälzbar sein. Hierfür genügt die Möglichkeit einer kalkulatorischen Abwälzung in dem Sinne, dass der Steuerpflichtige den von ihm gezahlten Beitrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen - Preiserhöhung, Umsatzsteigerung oder Senkung der sonstigen Kosten - treffen kann. Die rechtliche Gewähr, dass er den von ihm entrichteten Beitrag immer von demjenigen erhält, der nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen soll, muss dem Steuerschuldner nicht geboten werden. Es reicht aus, wenn die Steuer auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt ist, auch wenn die Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelingt.
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Schon vom Grundsatz gegensätzlicher Ansicht zu dieser Frage ist zwar das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 23.10.2013 – 14 A 314/13 -). Eine Gemeinde könne zum Steuerschuldner nur jemanden bestimmen, der in einer besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehung zu dem Steuergegenstand stehe oder einen maßgeblichen Beitrag zur Verwirklichung des Steuergegenstandes leiste. Die Erhebung einer Beherbergungsabgabe für entgeltliche private Übernachtungen sei danach zwar grundsätzlich möglich, nicht aber als Steuerschuld des Unternehmers. Die besondere Beziehung zum Steuergegenstand oder der maßgebliche Beitrag zur Verwirklichung des Steuergegenstandes liege bei dem Unternehmer für das das steuerbegründende Merkmal des privaten Zwecks der Übernachtung nicht vor. Hierüber entscheide allein der Übernachtungsgast, der auch allein hierüber Kenntnis habe. Für die so nur beschränkt gegebene Beziehung des Unternehmers zum Steuergegenstand erlaube das Kommunalabgabenrecht deshalb lediglich, den Unternehmer zu verpflichten, die Steuer – wie bei der Kurabgabe – beim Gast als Steuerschuldner einzuziehen und als Steuerentrichtungspflichtiger an die Gemeinde abzuführen.
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Dieser Rechtsprechung vermag der Senat nicht zu folgen. Zur Bestimmung des Abgabenschuldners ist § 38 AO nicht behilflich, weil dort nur bestimmt ist, dass die Abgabenschuld mit der Verwirklichung des Abgabentatbestandes entsteht. § 38 AO regelt nicht, wer Steuerschuldner ist und verhält sich auch zur Frage der indirekten Steuer nicht. Einschlägig könnte insoweit nur § 43 Satz 1 AO sein. Danach bestimmen die Steuergesetze, wer Steuerschuldner ist. Die Tatbestandsmerkmale dieses Abgabentatbestandes werden nicht in den §§ 38 und 43 AO bestimmt, sondern in dem Kommunalabgabengesetz und der nachfolgenden Abgabensatzung. Danach ist Steuerschuldner hier der Beherbergungsunternehmer.
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Mit dem Erfordernis einer kalkulatorischen Abwälzbarkeit wird der Forderung nach einer „besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehung zum Steuergut“ genügt. Denn würde es an einer solchen Beziehung fehlen, wäre auch eine Abwälzbarkeit nicht gegeben.
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Eine solche kalkulatorische Abwälzbarkeit ist (auch) bei der Übernachtungssteuer zweifelsfrei gegeben. Der Beherbergungsunternehmer kann die Übernachtungssteuer auf alle seine Gäste kalkulatorisch abwälzen. Er ist dabei nicht gehalten, nur die Gäste zu belasten, die privat übernachten.
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Da der Beherberger hiernach in rechtlich statthafter Weise zum Abgabenschuldner bestimmt werden konnte, kommt es auf die weiteren Ausführungen des Antragstellers zu einer Inpflichtnahme als Abgabenentrichtungspflichtiger nicht an.
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Die Steuerfeststellungslast liegt beim Steuergläubiger. Es besteht auch keine Vermutung, dass jede Übernachtung der Besteuerung unterliegt. Vielmehr ist anhand der vom Beherbergungsunternehmer einzuholenden Erklärungen festzustellen, welche Übernachtungen steuerpflichtig sind. Erst wenn der Gast keine Erklärung abgibt, ist mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, dass die Übernachtung aus privaten Gründen erfolgt. Gibt der Gast die Erklärung ab, berufsbedingt zu übernachten (in welcher Form auch immer), ist die Übernachtung steuerfrei, wenn der Steuergläubiger nicht nachweist oder nicht nachweisen kann, dass die Erklärung unzutreffend ist (Senatsurteil v. 07.02.2013 – 4 KN 1/12 -, NordÖR 2013, 206 = NVwZ-RR 2013, 816).
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Die Anzeige- und Nachweispflicht findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 3, 11 Abs. 1 Satz 2 KAG i.V.m. § 90 Abs. 1 AO. Der Steuergläubiger kann im Falle der Nichterfüllung der Anzeige- und Nachweispflicht nicht ohne weiteres unterstellen, dass alle Übernachtungen der Steuer unterliegen. Vielmehr sind dann die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 KAG i.V.m. § 162 AO zu schätzen.
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Dem Steuerpflichtigen wird kein unverhältnismäßiger Organisationsaufwand abverlangt. Die Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht in verfassungswidriger Weise tangiert (Beschl. des Senats v. 15.02.2012 - 4 MR 1/12 -, NordÖR 2012, 286). Insbesondere die Unterscheidung zwischen privaten und berufsbedingten Übernachtungen ist ohne unverhältnismäßige Mitwirkungsbeiträge erreichbar. In der Satzung kann bestimmt werden, dass der Steuerpflichtige geeignete Belege, etwa in Form von Erklärungen ihrer berufsbedingt übernachtenden Gäste, vorzulegen hat. Insbesondere kann das Vorliegen berufsbedingter Gründe durch Arbeitgeberbescheinigungen nachgewiesen werden. Die Einholung entsprechender Erklärungen der Übernachtungsgäste im Rahmen der Anmeldung ist mit keinerlei unverhältnismäßigem Aufwand verbunden. Vorübergehende organisatorische Schwierigkeiten bei der elektronischen Erfassung der Übernachtungen sind hinzunehmen.
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Jedenfalls das schleswig-holsteinische Landesrecht fordert keine weitergehende Beziehung. Dass der Steuertatbestand den Kreis der Steuerschuldner darüber hinaus begrenzen soll, lässt sich insbesondere nicht dem Umstand entnehmen, dass nach § 2 Abs. 2 Satz 2 KAG die Satzung neben dem Abgabenschuldner auch den Gegenstand der Abgabe angeben muss (a.A. OVG NRW Urteil vom 23.10.2013 – 14 A 314/13 – zum dortigen Landesrecht). Insbesondere der Umstand, dass der Beherbergungsgast über den Zweck der Beherbergung entscheidet, schließt nicht aus, den Beherbergungsunternehmer zum Steuerschuldner zu bestimmen. Diese Auffassung findet weder im Gesetz noch in der sonstigen Rechtsprechung eine Stütze. Der Beherbergungsgast bestimmt vor allem, ob er das Leistungsangebot des Beherbergungsunternehmers annimmt. Käme es darauf an, wer über die Erfüllung des steuerlichen Tatbestandes entscheidet, könnte eine Aufwandsteuer (auch nicht die Spielgerätesteuer) nicht als indirekte Steuer erhoben werden. Der Gast bestimmt auch nicht den Zweck der Übernachtung in dem Sinne, dass er frei entscheiden könnte, ob die Übernachtung als berufsbedingt oder als privat einzustufen ist. Dies ist vielmehr eine Frage des objektiv gegebenen Anlasses der Übernachtung. Ob der Beherbergungsunternehmer erkennen kann, ob die Übernachtung berufsbedingt ist, ist keine Frage der Erfüllung des Steuertatbestandes.
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Dass die Verwirklichung des Steuertatbestandes dem Beherbergungsunternehmer zugerechnet werden kann, der die Übernachtungsleistung anbietet, steht außer Frage. Ihm ist sowohl die berufsbedingte wie auch die private Übernachtung zurechenbar. Dass die berufsbedingte Übernachtung nicht der Aufwandssteuer unterliegt, ist keine Frage der Zurechenbarkeit, sondern der Erfüllung des steuerlichen Tatbestandes durch den Gast.
- 50
Die Kritik der Antragstellerin an den in § 7 der Satzung getroffenen Regelungen zur Steuerbefreiung greift nicht. Diese Vorschrift kann nur der Klarstellung dienen, soweit von berufsbedingten Übernachtungen die Rede ist (§ 7 Nr. 1). Die Auffassung, die Regelung fordere kumulativ beruflich bedingte Übernachtungen einerseits und von Geschäftsreisenden andererseits, trifft nicht zu. Der Zusatz „Geschäftsreisende“ soll lediglich verdeutlichen, dass der Gast „in Geschäften“ unterwegs sein muss. Dies schließt den „Freiberuflicher“ ohne Weiteres ein.
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Hinsichtlich der in § 8 zur Anzeigepflicht, zur Festsetzung und zur Fälligkeit getroffenen Regelungen ist auf die Ausführungen im Senatsurteil v. 06.02.2014 – 4 KN - 2/13 zu verweisen. Allein erörterungsbedürftig ist, ob § 8 Abs. 2 dem Beherberger abverlangt, auch in den Ausnahmefällen, in denen der Gast nicht kostenfrei storniert, gleichwohl nicht erscheint, Nachweise einer möglicherweise berufsbedingten Reservierung zu führen hat. Dies ist eine Frage der Auslegung und damit der Rechtsanwendung. § 8 Abs. 2 stellt ersichtlich auf den Normalfall ab. Die Vorschrift ist im Kontext zu § 6 (Entstehung des Abgabeanspruchs) und der Feststellungslast der Abgabengläubigerin zu sehen. Ausreichend ist deshalb, dass der Beherbergungsunternehmer in den Ausnahmefällen vermerkt, dass ihm keine Erkenntnisse über den Anlass der Buchung vorliegen.
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Es besteht auch kein gleichheitswidriges strukturelles Erhebungsdefizit, weil die Angaben des Gastes gegenüber dem Beherbergungsunternehmer freiwillig sind (Senatsurteil v. 07.02.2013 – 4 KN 1/12 -, NordÖR 2013, 206 = NVwZ-RR 2013, 816). Problematisch können nur die Fälle sein, in denen der Gast fälschlicherweise angibt, berufsbedingt zu übernachten. Die Überprüfung der Richtigkeit der Angabe des Gastes ist nicht Aufgabe des Beherbergungsunternehmers. Er ist nur gehalten, die Erklärung des Gastes an die Steuerbehörde weiterzuleiten. Diese ist anhand der weitergeleiteten Daten in der Lage, die Richtigkeit der Angabe zu prüfen und gegebenenfalls vom Gast als „andere Person“ im Sinne des § 93 AO Auskunft zu verlangen. Die Rechtsanwendungsgleichheit ist damit hinreichend gewährleistet. Es besteht ein angemessenes Entdeckungsrisiko (siehe hierzu BVerfG, Beschl. v. 17.03.2011 - 1 BvR 3255/08 -, NVwZ-RR 2011, 465). Eine lückenlose Kontrolle in jedem Einzelfall ist nicht erforderlich; Stichproben sind ausreichend.
- 53
Soweit die Antragstellerin schließlich die in § 15 der Satzung getroffene Erstattungsreglung rügt, beruht dies offensichtlich auf einem Missverständnis. Nicht dem abgabepflichtigen Beherberger, sondern dem Gast, auf den die Abgabe zu Unrecht abgewälzt worden war, wird die Abgabe auf Antrag von der Abgabengläubigerin erstattet.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Gründe, die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
Tenor
-
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen Anhalt vom 13. März 2013 3 K 34/09 wird als unbegründet zurückgewiesen.
-
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
- 1
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
- 2
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In der Zeit vom 17. Dezember 2007 bis zum 29. Juni 2010 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) eine steuerliche Außenprüfung beim Kläger durch, die sich auf die Einkommensteuern, Umsatzsteuern und Gewerbesteuermessbeträge 2002 bis 2004 erstreckte.
- 3
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Eine Außenprüfung für die Vorjahre hatte zu einer Erhöhung der Erlöse um 8.530,69 DM geführt. Grundlage hierfür war eine Kontrollmitteilung, in der von einer "Ausgleichszahlung" bzw. "Bonuszahlung" einer Geschäftspartnerin des Klägers, der A, die Rede war. Ein entsprechendes Klageverfahren wegen Umsatzsteuer wurde beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen 3 K 923/07 geführt.
- 4
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Am 16. Oktober 2008 richtete das FA für die Streitjahre ein Auskunftsersuchen betreffend Provisionszahlungen an die A. Diese antwortete am 21. Oktober 2008, dem Kläger in den Jahren 2003 und 2004 insgesamt drei "Ausgleichszahlungen" geleistet zu haben.
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Am 22. Oktober 2008 richtete das FA --ohne den Kläger hierzu vorab um Auskunft gebeten zu haben-- das im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Auskunftsersuchen an die B, einer weiteren Geschäftspartnerin des Klägers. Es wies hinsichtlich der Auskunftspflicht auf § 93 der Abgabenordnung (AO) hin und führte weiter aus: "in der o.g. Steuersache ist die Sachaufklärung mit den Beteiligten nicht möglich." Ausweislich eines Vermerks des FA bezweckte dieses zweite Auskunftsersuchen, "die Prüfung zu vervollständigen", indem auch der zweite Lieferant um Auskunft gebeten werde.
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Mit Schreiben vom 24. Oktober 2008 erklärte die B dem FA, sie habe mit dem Kläger reine Handelsgeschäfte betrieben, für die dieser entsprechende Wiederverkaufsrabatte erhalten habe. Provisionszahlungen seien weder vereinbart noch geleistet worden. Am selben Tage richtete sie ein Schreiben an den Kläger, in dem sie ihre Verwunderung über das Auskunftsersuchen zum Ausdruck brachte. Sie verstehe nicht, warum der Kläger dem FA nicht mitteile, von der B niemals Provisionen erhalten zu haben.
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Am 27. Oktober 2008 legte der Kläger Einspruch gegen das an die B gerichtete Auskunftsersuchen ein.
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Nach einem Gespräch zwischen den Beteiligten stellte das FA mit Schreiben vom 25. November 2008 den Sachverhalt gegenüber der B klar. Den vom Kläger aufrechterhaltenen Einspruch verwarf das FA mit Entscheidung vom 23. Dezember 2008 als unzulässig.
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Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vorgetragen, im Zuge einer aktuell laufenden steuerlichen Außenprüfung seien nach seinem Erkenntnisstand Auskunftsersuchen zu ausländischen Sachverhalten ergangen, ohne dass er zuvor gehört oder befragt worden sei. Die Vertreter des FA konnten in der mündlichen Verhandlung hierzu keine Auskunft geben und erklärten, dass sie sich zu der zukünftigen Praxis bei Auskunftsersuchen nicht äußern wollten. Ausgenommen hiervon seien solche gegenüber der B, an die keine weiteren Auskunftsersuchen ergehen sollten, soweit diese Provisionserlöse beträfen.
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Die am 8. Januar 2009 erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage hatte Erfolg.
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Das FG ging davon aus, die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig, da Wiederholungsgefahr drohe. Der Kläger exportiere und importiere weiterhin Waren und müsse bei Außenprüfungen auch künftig mit Auskunftsersuchen rechnen, ohne dass er vorab zu dem jeweiligen Sachverhalt befragt werde. Dies ergebe sich aus dem Verhalten bzw. den Erklärungen der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung.
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Ein Rehabilitationsinteresse des Klägers vermochte das FG dagegen aufgrund der Klarstellung im Schreiben des FA an die B nicht (mehr) zu erkennen.
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Das Auskunftsersuchen sei ermessensfehlerhaft gewesen, da es gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe. Soweit Prüfungsfeststellungen --wie im Streitfall-- zu der Annahme des FA Anlass gäben, ein Steuerpflichtiger habe Einnahmen nicht erklärt, führe dies nicht per se dazu, dass das FA zwecks weiterer Ermittlungen sogleich Dritte um Auskunft ersuchen könne. Es komme vielmehr auf die Qualität und Quantität der festgestellten nicht erklärten Betriebseinnahmen an, etwa ihren erheblichen Umfang, die ggf. auch eine Vielzahl von Geschäftsbeziehungen beträfen.
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Im konkreten Fall lägen keine Auffälligkeiten hinsichtlich der Geschäftsbeziehung zur B vor, auch habe es sich bei den Provisionen des anderen Geschäftspartners um einen einmaligen Vorgang gehandelt. Der Umfang dieser Provisionen sei gering gewesen. Ein atypischer Streitfall i.S. des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO könne nicht angenommen werden.
- 15
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Mit der Revision rügt das FA, das FG habe gegen materielles Recht verstoßen.
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Das FA habe die Vorgaben des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO eingehalten. Es habe konkrete Hinweise auf nicht vollständig erklärte Betriebseinnahmen gegeben. Zusätzlich zu der einschlägigen Kontrollmitteilung anlässlich der Betriebsprüfung in den Vorjahren habe eine konkrete Auskunft der A zu Provisionserlösen in der laufenden Betriebsprüfung vorgelegen. Eine anlasslose Ermittlung oder eine solche "ins Blaue hinein" lägen nicht vor.
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Der Prüfer habe im Rahmen seiner Prognose durchaus die Antwort des Klägers vorwegnehmen dürfen und von einer voraussichtlichen Erfolglosigkeit einer solchen Anfrage ausgehen können. Die Antwort des Klägers abzuwarten und sich anschließend trotzdem an den Dritten zu wenden, sei eine leere Formalie und verletze den Grundgedanken des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO. Diese Vorschrift solle in erster Linie den Dritten vor unnötigen Anfragen der Finanzverwaltung und dem damit verbundenen Aufwand schützen, auch wenn der Steuerpflichtige ein schützenswertes Interesse daran habe, dass seine steuerlichen Verhältnisse geheim blieben. Ein Selbstzweck sei die Reihenfolge der Befragung gerade nicht.
- 18
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Die Kritik des Klägers an der Begründung des Auskunftsersuchens übersehe, dass dieses gegenüber dem Dritten ergehe und die möglichst weitgehende Geheimhaltung der steuerlichen Verhältnisse des Klägers gewährleiste.
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Vorliegend überschreite das FG seine Befugnisse nach § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wenn es die Verhältnismäßigkeit verneine.
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Das Gebot des fairen Verfahrens werde nicht verletzt. Es existiere keine Pflicht zur Vorabinformation wie beim Kontenabruf nach § 93 Abs. 9 AO.
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Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 22
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Ein plausibler Anlass zur Befragung der B habe nicht vorgelegen. Dieser sei auch nicht aufgrund der diversen Auskünfte der A konstruierbar.
Entscheidungsgründe
- 24
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II. Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
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1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass das streitige Auskunftsersuchen des FA rechtswidrig gewesen ist.
- 26
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a) Im Streitfall haben die Prüfer Auskunft über Provisionen verlangt. Ein solches Auskunftsersuchen ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt i.S. des § 118 Satz 1 AO (vgl. zum Auskunftsersuchen als Verwaltungsakt z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790, m.w.N.). Aufgrund der am 29. Oktober 2008 von der B erteilten Auskunft hat sich dieser Verwaltungsakt vor der Klageerhebung erledigt.
- 27
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b) In einem solchen Fall kann, wie im Streitfall geschehen, beim FG gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO eine Fortsetzungsfeststellungsklage mit dem Begehren erhoben werden, festzustellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist. Das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse wird von der Rechtsprechung (u.a.) dann bejaht, wenn eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr besteht (Senatsurteil vom 22. August 2012 X R 36/09, BFHE 239, 203, BStBl II 2014, 109, unter II.1.b).
- 28
-
Diese ist im Streitfall gegeben, weil --wie schon das FG nach Würdigung der Umstände festgestellt hat-- das FA nicht ausschließen wollte, auch künftig --wie z.B. in der während der mündlichen Verhandlung im Klageverfahren stattfindenden Betriebsprüfung-- wiederum Auskunftsersuchen an Dritte zu richten, ohne dass der Kläger vorher zu dem Sachverhalt befragt werde.
- 29
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2. Das FG hat die Klage zu Recht im Rahmen seiner Prüfungskompetenz nach § 102 FGO als begründet angesehen. Das Auskunftsersuchen des FA an die B ist rechtswidrig gewesen.
- 30
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a) Vorliegend hat das FG den Ermessensgebrauch des FA anhand des Zwecks des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO überprüft und im Rahmen seiner Prüfungskompetenz aus § 102 FGO gehandelt.
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Es hat lediglich die fehlerfreie Ermessensausübung durch das FA kontrolliert und nicht etwa nach einer besseren, zweckmäßigeren oder sachgerechteren Lösung gesucht (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 102 Rz 1).
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b) Zu Recht geht das FG davon aus, das FA habe von seinem Ermessen in einer dem Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.
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aa) Nach § 93 Abs. 1 AO haben Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Im Rahmen ihrer Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt zur Durchsetzung materiell-rechtlich begründeter Steueransprüche aufzuklären (§§ 85, 88 AO), darf sich die Finanzbehörde derjenigen Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 92 Satz 1 AO). Zu diesen Beweismitteln zählen auch Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten im Besteuerungsverfahren (§ 92 Satz 2 Nr. 1 AO). Die rechtliche Befugnis zu solchen Auskunftsverlangen ergibt sich aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AO (vgl. hierzu und auch zum Nachfolgenden: BFH-Urteil vom 4. Oktober 2006 VIII R 53/04, BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227).
- 34
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Die Inanspruchnahme dieser Befugnisse verstößt grundsätzlich nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366, m.w.N.; dazu Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 15. November 2000 1 BvR 1213/00, BStBl II 2002, 142).
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bb) Für ihr Tätigwerden bedürfen die Finanzbehörden indes eines hinreichenden Anlasses. Ermittlungen "ins Blaue hinein" sind unzulässig (BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, m.w.N.).
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(1) Die Finanzämter sind --ungeachtet der besonderen Aufgabenzuweisung an die Fahndungsstellen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 AO-- nach § 208 Abs. 3 AO nicht gehindert, in derselben Sache wie die Fahndung tätig zu werden oder sich sogar bestimmte Ermittlungen vorzubehalten. Sie können z.B. eine Außenprüfung anordnen oder selbst Einzelermittlungen gemäß § 88 Abs. 1 AO durchführen (BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, unter II.2.b; zur Abgrenzung vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1997 VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461, m.w.N.).
- 37
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Die Finanzbehörden dürfen das nach ihrer Auffassung zweckmäßigste Mittel für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen auswählen und zwar auch im Hinblick auf eine mögliche Steuerstraftat. Dies gilt gleichermaßen, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Steuerpflichtige den steuerlich erheblichen Sachverhalt offenlegt. Auch in einem solchen Fall besteht regelmäßig kein zwingender Anlass, die Verwaltung von vornherein ausschließlich auf den Einsatz der Steuerfahndung zu verweisen (vgl. hierzu und zum Nachstehenden: BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, m.w.N.).
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(2) Ein hinreichender Anlass liegt nicht erst vor, wenn ein begründeter Verdacht dafür besteht, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten gegeben sind. Vielmehr genügt es, wenn aufgrund konkreter Umstände oder aufgrund allgemeiner Erfahrung ein Auskunftsersuchen angezeigt ist.
- 39
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Danach dürfen Auskünfte von anderen Personen schon dann eingeholt werden, wenn die Finanzbehörde im Rahmen ihrer Tätigkeit --sei es aufgrund konkreter Momente, sei es aufgrund allgemeiner Erfahrung-- zu dem Ergebnis gelangt ist, die Auskünfte könnten zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen (ferner BVerfG-Urteil vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.III.3.a ee der Gründe).
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-
Zu den steuerlich erheblichen Tatsachen zählt alles, was die finanzbehördlichen Entscheidungen in einem steuerrechtlichen Verwaltungsverfahren beeinflussen kann (vgl. Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 93 AO Rz 10).
- 41
-
Die in diesem Sinne erheblichen, mitzuteilenden "Tatsachen" müssen lediglich im Rahmen einer Prognoseentscheidung möglich sein (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, ständige Rechtsprechung). Die Finanzbehörde hat hierüber im Wege einer vorweggenommenen Beweiswürdigung zu befinden (BFH-Urteile vom 18. Februar 1997 VIII R 33/95, BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499; vom 30. März 1989 VII R 89/88, BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537, ständige Rechtsprechung). Im Interesse der gesetzmäßigen und gleichmäßigen Besteuerung und zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich gebotenen Verifikationsprinzips sind die Anforderungen an diese Prognoseentscheidung nicht zu hoch anzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VIII R 1/86, BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Insbesondere darf noch unklar sein, ob der Vorgang steuerbar ist und ob er im Ergebnis zu einer Steuerpflicht führt. § 93 Abs. 1 AO ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass möglicherweise eine Steuerschuld entstanden oder die Steuer verkürzt worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Nur dann, wenn klar und eindeutig jeglicher Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit fehlt, ist das Auskunftsverlangen rechtswidrig (weiterführend, auch zur Prognoseentscheidung: BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, unter II.2.b, m.w.N.).
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cc) Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO sollen andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Durch die Ausgestaltung der Norm als Sollvorschrift kommt zum Ausdruck, dass die Behörde in der Regel nach ihr verfahren muss (BFH-Urteil in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537). Dieses Subsidiaritätsprinzip ist eine spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (so auch Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 93 AO Rz 17). Nur in atypischen Fällen darf die Finanzbehörde hiervon abweichen, wobei am Zweck der Vorschrift zu messen ist, ob ein solcher atypischer Fall vorliegt (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1989 VII R 1/87, BFHE 158, 502, BStBl II 1990, 198, unter II.2.b, m.w.N.).
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Unterstrichen wird dies auch im Vergleich zu den Befugnissen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO. Aufgabe der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten. Nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist es daneben Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle aufzudecken und zu ermitteln. In beiden Fällen gelten gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 AO die Einschränkungen des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht (so auch ausdrücklich BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c; ebenso jüngst BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, unter II.1.b). Folglich gilt außerhalb der Tätigkeit der Steuerfahndung die besondere Herangehensweise bei Auskunftsersuchen an Dritte: Vor dem Auskunftsersuchen an Dritte ist im Regelfall der Steuerpflichtige zu befragen.
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Hierdurch wird auch dem doppelten Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO entsprochen. Danach soll zum einen vermieden werden, dass Nichtbeteiligte Einblick in die steuerlich relevanten Verhältnisse der Beteiligten erhalten, zum anderen sollen dem Dritten die mit der Auskunft verbundenen Mühen erspart werden (so Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 82; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Rz 17; Eich, Der AO-Steuer-Berater 2004, 18, 20).
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dd) Atypische Fälle im Zusammenhang mit § 93 Abs. 1 Satz 3 AO hat die bisherige BFH-Rechtsprechung vereinzelt angenommen.
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Ausnahmen vom sog. Subsidiaritätsprinzip hat die bisherige BFH-Rechtsprechung dann angenommen, wenn
-
der Beteiligte unbekannt ist (z.B. BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227) oder
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der Beteiligte nicht mitwirkt (z.B. BFH-Urteil in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537).
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Kein solch atypischer Fall lag dem Streitfall zugrunde. Weder war die Identität des Beteiligten (Klägers) unbekannt noch hat der Beteiligte (Kläger) die Mitwirkung verweigert.
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ee) Der Senat vermag im Streitfall auch keinen weiteren atypischen Fall zu erkennen.
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Es liegt im Interesse des Klägers, dass Dritte jedenfalls zunächst nichts über eine laufende Betriebsprüfung und --aus Sicht der Prüfer-- möglicherweise nicht erklärte Provisionserlöse erfahren. Er hat ein Anrecht darauf, dass seine Reputation nicht beschädigt wird und seine Geschäftspartner nicht den Eindruck bekommen, er vernachlässige seine steuerlichen Pflichten. Dies ist Ausdruck seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Zudem entspricht es den Interessen der Dritten, nur in Ausnahmefällen in fremde Besteuerungsverfahren einbezogen zu werden.
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Etwas anderes könnte nur gelten, wenn von vornherein feststeht, dass der Beteiligte entweder nicht mitwirken wird oder --was vorliegend allein relevant erscheint-- die Erfolglosigkeit seiner Mitwirkung offenkundig ist. Auf letztes kann eine Finanzbehörde aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beteiligten bei konkreten nachweisbaren Fakten im Rahmen einer vorweggenommenen Beweiswürdigung schließen. Nicht ausreichend ist es, eine solche Beweiswürdigung schon dann als vertretbar zu werten, wenn sie (nur) nicht willkürlich erfolgte (so aber Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Rz 20).
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Ermächtigt eine Norm wie § 93 Abs. 1 AO zu Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, so muss dieser --auch im engeren Sinne-- verhältnismäßig sein. Dies bedeutet, die Schwere des Eingriffs darf bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen (vgl. nur BVerfG-Beschluss vom 29. September 2013 2 BvR 939/13, wistra 2014, 16, unter II.1., m.w.N., ständige Rechtsprechung). Dabei muss beachtet werden, welche Möglichkeiten der Grundrechtsträger hat, eine eventuelle Grundrechtsbeeinträchtigung oder jedenfalls weitere Folgen des Eingriffs abwehren zu können. Wird eine Maßnahme heimlich durchgeführt, so ist es dem Betroffenen faktisch verwehrt, sich gegen sie im Voraus zur Wehr zu setzen (so schon BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05, BVerfGE 118, 168, unter C.I.3.d cc (1)).
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Folglich muss die Finanzbehörde es im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung aufgrund konkreter Tatsachen als zwingend ansehen, dass die Mitwirkung des Beteiligten erfolglos bleiben wird.
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Im Streitfall konnte die Finanzbehörde im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung nicht aufgrund konkreter Tatsachen davon ausgehen, dass die Mitwirkung des Klägers erfolglos bleiben wird.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
-
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
- 2
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
- 3
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
- 4
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
- 14
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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(1) Aufgabe der Steuerfahndung (Zollfahndung) ist
- 1.
die Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten, - 2.
die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in Nummer 1 bezeichneten Fällen, - 3.
die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle.
(2) Unabhängig von Absatz 1 sind die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden und die Behörden des Zollfahndungsdienstes zuständig
- 1.
für steuerliche Ermittlungen einschließlich der Außenprüfung auf Ersuchen der zuständigen Finanzbehörde, - 2.
für die ihnen sonst im Rahmen der Zuständigkeit der Finanzbehörden übertragenen Aufgaben.
(3) Die Aufgaben und Befugnisse der Finanzämter (Hauptzollämter) bleiben unberührt.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen Anhalt vom 13. März 2013 3 K 34/09 wird als unbegründet zurückgewiesen.
-
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
- 1
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
- 2
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In der Zeit vom 17. Dezember 2007 bis zum 29. Juni 2010 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) eine steuerliche Außenprüfung beim Kläger durch, die sich auf die Einkommensteuern, Umsatzsteuern und Gewerbesteuermessbeträge 2002 bis 2004 erstreckte.
- 3
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Eine Außenprüfung für die Vorjahre hatte zu einer Erhöhung der Erlöse um 8.530,69 DM geführt. Grundlage hierfür war eine Kontrollmitteilung, in der von einer "Ausgleichszahlung" bzw. "Bonuszahlung" einer Geschäftspartnerin des Klägers, der A, die Rede war. Ein entsprechendes Klageverfahren wegen Umsatzsteuer wurde beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen 3 K 923/07 geführt.
- 4
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Am 16. Oktober 2008 richtete das FA für die Streitjahre ein Auskunftsersuchen betreffend Provisionszahlungen an die A. Diese antwortete am 21. Oktober 2008, dem Kläger in den Jahren 2003 und 2004 insgesamt drei "Ausgleichszahlungen" geleistet zu haben.
- 5
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Am 22. Oktober 2008 richtete das FA --ohne den Kläger hierzu vorab um Auskunft gebeten zu haben-- das im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Auskunftsersuchen an die B, einer weiteren Geschäftspartnerin des Klägers. Es wies hinsichtlich der Auskunftspflicht auf § 93 der Abgabenordnung (AO) hin und führte weiter aus: "in der o.g. Steuersache ist die Sachaufklärung mit den Beteiligten nicht möglich." Ausweislich eines Vermerks des FA bezweckte dieses zweite Auskunftsersuchen, "die Prüfung zu vervollständigen", indem auch der zweite Lieferant um Auskunft gebeten werde.
- 6
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Mit Schreiben vom 24. Oktober 2008 erklärte die B dem FA, sie habe mit dem Kläger reine Handelsgeschäfte betrieben, für die dieser entsprechende Wiederverkaufsrabatte erhalten habe. Provisionszahlungen seien weder vereinbart noch geleistet worden. Am selben Tage richtete sie ein Schreiben an den Kläger, in dem sie ihre Verwunderung über das Auskunftsersuchen zum Ausdruck brachte. Sie verstehe nicht, warum der Kläger dem FA nicht mitteile, von der B niemals Provisionen erhalten zu haben.
- 7
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Am 27. Oktober 2008 legte der Kläger Einspruch gegen das an die B gerichtete Auskunftsersuchen ein.
- 8
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Nach einem Gespräch zwischen den Beteiligten stellte das FA mit Schreiben vom 25. November 2008 den Sachverhalt gegenüber der B klar. Den vom Kläger aufrechterhaltenen Einspruch verwarf das FA mit Entscheidung vom 23. Dezember 2008 als unzulässig.
- 9
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Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vorgetragen, im Zuge einer aktuell laufenden steuerlichen Außenprüfung seien nach seinem Erkenntnisstand Auskunftsersuchen zu ausländischen Sachverhalten ergangen, ohne dass er zuvor gehört oder befragt worden sei. Die Vertreter des FA konnten in der mündlichen Verhandlung hierzu keine Auskunft geben und erklärten, dass sie sich zu der zukünftigen Praxis bei Auskunftsersuchen nicht äußern wollten. Ausgenommen hiervon seien solche gegenüber der B, an die keine weiteren Auskunftsersuchen ergehen sollten, soweit diese Provisionserlöse beträfen.
- 10
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Die am 8. Januar 2009 erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage hatte Erfolg.
- 11
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Das FG ging davon aus, die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig, da Wiederholungsgefahr drohe. Der Kläger exportiere und importiere weiterhin Waren und müsse bei Außenprüfungen auch künftig mit Auskunftsersuchen rechnen, ohne dass er vorab zu dem jeweiligen Sachverhalt befragt werde. Dies ergebe sich aus dem Verhalten bzw. den Erklärungen der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung.
- 12
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Ein Rehabilitationsinteresse des Klägers vermochte das FG dagegen aufgrund der Klarstellung im Schreiben des FA an die B nicht (mehr) zu erkennen.
- 13
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Das Auskunftsersuchen sei ermessensfehlerhaft gewesen, da es gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe. Soweit Prüfungsfeststellungen --wie im Streitfall-- zu der Annahme des FA Anlass gäben, ein Steuerpflichtiger habe Einnahmen nicht erklärt, führe dies nicht per se dazu, dass das FA zwecks weiterer Ermittlungen sogleich Dritte um Auskunft ersuchen könne. Es komme vielmehr auf die Qualität und Quantität der festgestellten nicht erklärten Betriebseinnahmen an, etwa ihren erheblichen Umfang, die ggf. auch eine Vielzahl von Geschäftsbeziehungen beträfen.
- 14
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Im konkreten Fall lägen keine Auffälligkeiten hinsichtlich der Geschäftsbeziehung zur B vor, auch habe es sich bei den Provisionen des anderen Geschäftspartners um einen einmaligen Vorgang gehandelt. Der Umfang dieser Provisionen sei gering gewesen. Ein atypischer Streitfall i.S. des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO könne nicht angenommen werden.
- 15
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Mit der Revision rügt das FA, das FG habe gegen materielles Recht verstoßen.
- 16
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Das FA habe die Vorgaben des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO eingehalten. Es habe konkrete Hinweise auf nicht vollständig erklärte Betriebseinnahmen gegeben. Zusätzlich zu der einschlägigen Kontrollmitteilung anlässlich der Betriebsprüfung in den Vorjahren habe eine konkrete Auskunft der A zu Provisionserlösen in der laufenden Betriebsprüfung vorgelegen. Eine anlasslose Ermittlung oder eine solche "ins Blaue hinein" lägen nicht vor.
- 17
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Der Prüfer habe im Rahmen seiner Prognose durchaus die Antwort des Klägers vorwegnehmen dürfen und von einer voraussichtlichen Erfolglosigkeit einer solchen Anfrage ausgehen können. Die Antwort des Klägers abzuwarten und sich anschließend trotzdem an den Dritten zu wenden, sei eine leere Formalie und verletze den Grundgedanken des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO. Diese Vorschrift solle in erster Linie den Dritten vor unnötigen Anfragen der Finanzverwaltung und dem damit verbundenen Aufwand schützen, auch wenn der Steuerpflichtige ein schützenswertes Interesse daran habe, dass seine steuerlichen Verhältnisse geheim blieben. Ein Selbstzweck sei die Reihenfolge der Befragung gerade nicht.
- 18
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Die Kritik des Klägers an der Begründung des Auskunftsersuchens übersehe, dass dieses gegenüber dem Dritten ergehe und die möglichst weitgehende Geheimhaltung der steuerlichen Verhältnisse des Klägers gewährleiste.
- 19
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Vorliegend überschreite das FG seine Befugnisse nach § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wenn es die Verhältnismäßigkeit verneine.
- 20
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Das Gebot des fairen Verfahrens werde nicht verletzt. Es existiere keine Pflicht zur Vorabinformation wie beim Kontenabruf nach § 93 Abs. 9 AO.
- 21
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Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 22
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 23
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Ein plausibler Anlass zur Befragung der B habe nicht vorgelegen. Dieser sei auch nicht aufgrund der diversen Auskünfte der A konstruierbar.
Entscheidungsgründe
- 24
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II. Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
- 25
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1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass das streitige Auskunftsersuchen des FA rechtswidrig gewesen ist.
- 26
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a) Im Streitfall haben die Prüfer Auskunft über Provisionen verlangt. Ein solches Auskunftsersuchen ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt i.S. des § 118 Satz 1 AO (vgl. zum Auskunftsersuchen als Verwaltungsakt z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790, m.w.N.). Aufgrund der am 29. Oktober 2008 von der B erteilten Auskunft hat sich dieser Verwaltungsakt vor der Klageerhebung erledigt.
- 27
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b) In einem solchen Fall kann, wie im Streitfall geschehen, beim FG gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO eine Fortsetzungsfeststellungsklage mit dem Begehren erhoben werden, festzustellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist. Das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse wird von der Rechtsprechung (u.a.) dann bejaht, wenn eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr besteht (Senatsurteil vom 22. August 2012 X R 36/09, BFHE 239, 203, BStBl II 2014, 109, unter II.1.b).
- 28
-
Diese ist im Streitfall gegeben, weil --wie schon das FG nach Würdigung der Umstände festgestellt hat-- das FA nicht ausschließen wollte, auch künftig --wie z.B. in der während der mündlichen Verhandlung im Klageverfahren stattfindenden Betriebsprüfung-- wiederum Auskunftsersuchen an Dritte zu richten, ohne dass der Kläger vorher zu dem Sachverhalt befragt werde.
- 29
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2. Das FG hat die Klage zu Recht im Rahmen seiner Prüfungskompetenz nach § 102 FGO als begründet angesehen. Das Auskunftsersuchen des FA an die B ist rechtswidrig gewesen.
- 30
-
a) Vorliegend hat das FG den Ermessensgebrauch des FA anhand des Zwecks des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO überprüft und im Rahmen seiner Prüfungskompetenz aus § 102 FGO gehandelt.
- 31
-
Es hat lediglich die fehlerfreie Ermessensausübung durch das FA kontrolliert und nicht etwa nach einer besseren, zweckmäßigeren oder sachgerechteren Lösung gesucht (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 102 Rz 1).
- 32
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b) Zu Recht geht das FG davon aus, das FA habe von seinem Ermessen in einer dem Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.
- 33
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aa) Nach § 93 Abs. 1 AO haben Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Im Rahmen ihrer Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt zur Durchsetzung materiell-rechtlich begründeter Steueransprüche aufzuklären (§§ 85, 88 AO), darf sich die Finanzbehörde derjenigen Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 92 Satz 1 AO). Zu diesen Beweismitteln zählen auch Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten im Besteuerungsverfahren (§ 92 Satz 2 Nr. 1 AO). Die rechtliche Befugnis zu solchen Auskunftsverlangen ergibt sich aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AO (vgl. hierzu und auch zum Nachfolgenden: BFH-Urteil vom 4. Oktober 2006 VIII R 53/04, BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227).
- 34
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Die Inanspruchnahme dieser Befugnisse verstößt grundsätzlich nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366, m.w.N.; dazu Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 15. November 2000 1 BvR 1213/00, BStBl II 2002, 142).
- 35
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bb) Für ihr Tätigwerden bedürfen die Finanzbehörden indes eines hinreichenden Anlasses. Ermittlungen "ins Blaue hinein" sind unzulässig (BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, m.w.N.).
- 36
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(1) Die Finanzämter sind --ungeachtet der besonderen Aufgabenzuweisung an die Fahndungsstellen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 AO-- nach § 208 Abs. 3 AO nicht gehindert, in derselben Sache wie die Fahndung tätig zu werden oder sich sogar bestimmte Ermittlungen vorzubehalten. Sie können z.B. eine Außenprüfung anordnen oder selbst Einzelermittlungen gemäß § 88 Abs. 1 AO durchführen (BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, unter II.2.b; zur Abgrenzung vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1997 VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461, m.w.N.).
- 37
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Die Finanzbehörden dürfen das nach ihrer Auffassung zweckmäßigste Mittel für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen auswählen und zwar auch im Hinblick auf eine mögliche Steuerstraftat. Dies gilt gleichermaßen, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Steuerpflichtige den steuerlich erheblichen Sachverhalt offenlegt. Auch in einem solchen Fall besteht regelmäßig kein zwingender Anlass, die Verwaltung von vornherein ausschließlich auf den Einsatz der Steuerfahndung zu verweisen (vgl. hierzu und zum Nachstehenden: BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, m.w.N.).
- 38
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(2) Ein hinreichender Anlass liegt nicht erst vor, wenn ein begründeter Verdacht dafür besteht, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten gegeben sind. Vielmehr genügt es, wenn aufgrund konkreter Umstände oder aufgrund allgemeiner Erfahrung ein Auskunftsersuchen angezeigt ist.
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Danach dürfen Auskünfte von anderen Personen schon dann eingeholt werden, wenn die Finanzbehörde im Rahmen ihrer Tätigkeit --sei es aufgrund konkreter Momente, sei es aufgrund allgemeiner Erfahrung-- zu dem Ergebnis gelangt ist, die Auskünfte könnten zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen (ferner BVerfG-Urteil vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.III.3.a ee der Gründe).
- 40
-
Zu den steuerlich erheblichen Tatsachen zählt alles, was die finanzbehördlichen Entscheidungen in einem steuerrechtlichen Verwaltungsverfahren beeinflussen kann (vgl. Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 93 AO Rz 10).
- 41
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Die in diesem Sinne erheblichen, mitzuteilenden "Tatsachen" müssen lediglich im Rahmen einer Prognoseentscheidung möglich sein (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, ständige Rechtsprechung). Die Finanzbehörde hat hierüber im Wege einer vorweggenommenen Beweiswürdigung zu befinden (BFH-Urteile vom 18. Februar 1997 VIII R 33/95, BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499; vom 30. März 1989 VII R 89/88, BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537, ständige Rechtsprechung). Im Interesse der gesetzmäßigen und gleichmäßigen Besteuerung und zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich gebotenen Verifikationsprinzips sind die Anforderungen an diese Prognoseentscheidung nicht zu hoch anzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VIII R 1/86, BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Insbesondere darf noch unklar sein, ob der Vorgang steuerbar ist und ob er im Ergebnis zu einer Steuerpflicht führt. § 93 Abs. 1 AO ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass möglicherweise eine Steuerschuld entstanden oder die Steuer verkürzt worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Nur dann, wenn klar und eindeutig jeglicher Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit fehlt, ist das Auskunftsverlangen rechtswidrig (weiterführend, auch zur Prognoseentscheidung: BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, unter II.2.b, m.w.N.).
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cc) Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO sollen andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Durch die Ausgestaltung der Norm als Sollvorschrift kommt zum Ausdruck, dass die Behörde in der Regel nach ihr verfahren muss (BFH-Urteil in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537). Dieses Subsidiaritätsprinzip ist eine spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (so auch Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 93 AO Rz 17). Nur in atypischen Fällen darf die Finanzbehörde hiervon abweichen, wobei am Zweck der Vorschrift zu messen ist, ob ein solcher atypischer Fall vorliegt (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1989 VII R 1/87, BFHE 158, 502, BStBl II 1990, 198, unter II.2.b, m.w.N.).
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Unterstrichen wird dies auch im Vergleich zu den Befugnissen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO. Aufgabe der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten. Nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist es daneben Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle aufzudecken und zu ermitteln. In beiden Fällen gelten gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 AO die Einschränkungen des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht (so auch ausdrücklich BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c; ebenso jüngst BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, unter II.1.b). Folglich gilt außerhalb der Tätigkeit der Steuerfahndung die besondere Herangehensweise bei Auskunftsersuchen an Dritte: Vor dem Auskunftsersuchen an Dritte ist im Regelfall der Steuerpflichtige zu befragen.
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Hierdurch wird auch dem doppelten Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO entsprochen. Danach soll zum einen vermieden werden, dass Nichtbeteiligte Einblick in die steuerlich relevanten Verhältnisse der Beteiligten erhalten, zum anderen sollen dem Dritten die mit der Auskunft verbundenen Mühen erspart werden (so Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 82; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Rz 17; Eich, Der AO-Steuer-Berater 2004, 18, 20).
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dd) Atypische Fälle im Zusammenhang mit § 93 Abs. 1 Satz 3 AO hat die bisherige BFH-Rechtsprechung vereinzelt angenommen.
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Ausnahmen vom sog. Subsidiaritätsprinzip hat die bisherige BFH-Rechtsprechung dann angenommen, wenn
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der Beteiligte unbekannt ist (z.B. BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227) oder
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der Beteiligte nicht mitwirkt (z.B. BFH-Urteil in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537).
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Kein solch atypischer Fall lag dem Streitfall zugrunde. Weder war die Identität des Beteiligten (Klägers) unbekannt noch hat der Beteiligte (Kläger) die Mitwirkung verweigert.
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ee) Der Senat vermag im Streitfall auch keinen weiteren atypischen Fall zu erkennen.
- 49
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Es liegt im Interesse des Klägers, dass Dritte jedenfalls zunächst nichts über eine laufende Betriebsprüfung und --aus Sicht der Prüfer-- möglicherweise nicht erklärte Provisionserlöse erfahren. Er hat ein Anrecht darauf, dass seine Reputation nicht beschädigt wird und seine Geschäftspartner nicht den Eindruck bekommen, er vernachlässige seine steuerlichen Pflichten. Dies ist Ausdruck seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Zudem entspricht es den Interessen der Dritten, nur in Ausnahmefällen in fremde Besteuerungsverfahren einbezogen zu werden.
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Etwas anderes könnte nur gelten, wenn von vornherein feststeht, dass der Beteiligte entweder nicht mitwirken wird oder --was vorliegend allein relevant erscheint-- die Erfolglosigkeit seiner Mitwirkung offenkundig ist. Auf letztes kann eine Finanzbehörde aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beteiligten bei konkreten nachweisbaren Fakten im Rahmen einer vorweggenommenen Beweiswürdigung schließen. Nicht ausreichend ist es, eine solche Beweiswürdigung schon dann als vertretbar zu werten, wenn sie (nur) nicht willkürlich erfolgte (so aber Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Rz 20).
- 51
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Ermächtigt eine Norm wie § 93 Abs. 1 AO zu Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, so muss dieser --auch im engeren Sinne-- verhältnismäßig sein. Dies bedeutet, die Schwere des Eingriffs darf bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen (vgl. nur BVerfG-Beschluss vom 29. September 2013 2 BvR 939/13, wistra 2014, 16, unter II.1., m.w.N., ständige Rechtsprechung). Dabei muss beachtet werden, welche Möglichkeiten der Grundrechtsträger hat, eine eventuelle Grundrechtsbeeinträchtigung oder jedenfalls weitere Folgen des Eingriffs abwehren zu können. Wird eine Maßnahme heimlich durchgeführt, so ist es dem Betroffenen faktisch verwehrt, sich gegen sie im Voraus zur Wehr zu setzen (so schon BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05, BVerfGE 118, 168, unter C.I.3.d cc (1)).
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Folglich muss die Finanzbehörde es im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung aufgrund konkreter Tatsachen als zwingend ansehen, dass die Mitwirkung des Beteiligten erfolglos bleiben wird.
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Im Streitfall konnte die Finanzbehörde im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung nicht aufgrund konkreter Tatsachen davon ausgehen, dass die Mitwirkung des Klägers erfolglos bleiben wird.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
- 1
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
- 2
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
- 7
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
- 9
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
- 25
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
- 1
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
- 2
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
- 3
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
- 4
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
- 7
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
- 8
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
- 10
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
- 2
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
- 62
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
- 63
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen Anhalt vom 13. März 2013 3 K 34/09 wird als unbegründet zurückgewiesen.
-
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
- 2
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In der Zeit vom 17. Dezember 2007 bis zum 29. Juni 2010 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) eine steuerliche Außenprüfung beim Kläger durch, die sich auf die Einkommensteuern, Umsatzsteuern und Gewerbesteuermessbeträge 2002 bis 2004 erstreckte.
- 3
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Eine Außenprüfung für die Vorjahre hatte zu einer Erhöhung der Erlöse um 8.530,69 DM geführt. Grundlage hierfür war eine Kontrollmitteilung, in der von einer "Ausgleichszahlung" bzw. "Bonuszahlung" einer Geschäftspartnerin des Klägers, der A, die Rede war. Ein entsprechendes Klageverfahren wegen Umsatzsteuer wurde beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen 3 K 923/07 geführt.
- 4
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Am 16. Oktober 2008 richtete das FA für die Streitjahre ein Auskunftsersuchen betreffend Provisionszahlungen an die A. Diese antwortete am 21. Oktober 2008, dem Kläger in den Jahren 2003 und 2004 insgesamt drei "Ausgleichszahlungen" geleistet zu haben.
- 5
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Am 22. Oktober 2008 richtete das FA --ohne den Kläger hierzu vorab um Auskunft gebeten zu haben-- das im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Auskunftsersuchen an die B, einer weiteren Geschäftspartnerin des Klägers. Es wies hinsichtlich der Auskunftspflicht auf § 93 der Abgabenordnung (AO) hin und führte weiter aus: "in der o.g. Steuersache ist die Sachaufklärung mit den Beteiligten nicht möglich." Ausweislich eines Vermerks des FA bezweckte dieses zweite Auskunftsersuchen, "die Prüfung zu vervollständigen", indem auch der zweite Lieferant um Auskunft gebeten werde.
- 6
-
Mit Schreiben vom 24. Oktober 2008 erklärte die B dem FA, sie habe mit dem Kläger reine Handelsgeschäfte betrieben, für die dieser entsprechende Wiederverkaufsrabatte erhalten habe. Provisionszahlungen seien weder vereinbart noch geleistet worden. Am selben Tage richtete sie ein Schreiben an den Kläger, in dem sie ihre Verwunderung über das Auskunftsersuchen zum Ausdruck brachte. Sie verstehe nicht, warum der Kläger dem FA nicht mitteile, von der B niemals Provisionen erhalten zu haben.
- 7
-
Am 27. Oktober 2008 legte der Kläger Einspruch gegen das an die B gerichtete Auskunftsersuchen ein.
- 8
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Nach einem Gespräch zwischen den Beteiligten stellte das FA mit Schreiben vom 25. November 2008 den Sachverhalt gegenüber der B klar. Den vom Kläger aufrechterhaltenen Einspruch verwarf das FA mit Entscheidung vom 23. Dezember 2008 als unzulässig.
- 9
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Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vorgetragen, im Zuge einer aktuell laufenden steuerlichen Außenprüfung seien nach seinem Erkenntnisstand Auskunftsersuchen zu ausländischen Sachverhalten ergangen, ohne dass er zuvor gehört oder befragt worden sei. Die Vertreter des FA konnten in der mündlichen Verhandlung hierzu keine Auskunft geben und erklärten, dass sie sich zu der zukünftigen Praxis bei Auskunftsersuchen nicht äußern wollten. Ausgenommen hiervon seien solche gegenüber der B, an die keine weiteren Auskunftsersuchen ergehen sollten, soweit diese Provisionserlöse beträfen.
- 10
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Die am 8. Januar 2009 erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage hatte Erfolg.
- 11
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Das FG ging davon aus, die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig, da Wiederholungsgefahr drohe. Der Kläger exportiere und importiere weiterhin Waren und müsse bei Außenprüfungen auch künftig mit Auskunftsersuchen rechnen, ohne dass er vorab zu dem jeweiligen Sachverhalt befragt werde. Dies ergebe sich aus dem Verhalten bzw. den Erklärungen der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung.
- 12
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Ein Rehabilitationsinteresse des Klägers vermochte das FG dagegen aufgrund der Klarstellung im Schreiben des FA an die B nicht (mehr) zu erkennen.
- 13
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Das Auskunftsersuchen sei ermessensfehlerhaft gewesen, da es gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe. Soweit Prüfungsfeststellungen --wie im Streitfall-- zu der Annahme des FA Anlass gäben, ein Steuerpflichtiger habe Einnahmen nicht erklärt, führe dies nicht per se dazu, dass das FA zwecks weiterer Ermittlungen sogleich Dritte um Auskunft ersuchen könne. Es komme vielmehr auf die Qualität und Quantität der festgestellten nicht erklärten Betriebseinnahmen an, etwa ihren erheblichen Umfang, die ggf. auch eine Vielzahl von Geschäftsbeziehungen beträfen.
- 14
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Im konkreten Fall lägen keine Auffälligkeiten hinsichtlich der Geschäftsbeziehung zur B vor, auch habe es sich bei den Provisionen des anderen Geschäftspartners um einen einmaligen Vorgang gehandelt. Der Umfang dieser Provisionen sei gering gewesen. Ein atypischer Streitfall i.S. des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO könne nicht angenommen werden.
- 15
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Mit der Revision rügt das FA, das FG habe gegen materielles Recht verstoßen.
- 16
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Das FA habe die Vorgaben des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO eingehalten. Es habe konkrete Hinweise auf nicht vollständig erklärte Betriebseinnahmen gegeben. Zusätzlich zu der einschlägigen Kontrollmitteilung anlässlich der Betriebsprüfung in den Vorjahren habe eine konkrete Auskunft der A zu Provisionserlösen in der laufenden Betriebsprüfung vorgelegen. Eine anlasslose Ermittlung oder eine solche "ins Blaue hinein" lägen nicht vor.
- 17
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Der Prüfer habe im Rahmen seiner Prognose durchaus die Antwort des Klägers vorwegnehmen dürfen und von einer voraussichtlichen Erfolglosigkeit einer solchen Anfrage ausgehen können. Die Antwort des Klägers abzuwarten und sich anschließend trotzdem an den Dritten zu wenden, sei eine leere Formalie und verletze den Grundgedanken des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO. Diese Vorschrift solle in erster Linie den Dritten vor unnötigen Anfragen der Finanzverwaltung und dem damit verbundenen Aufwand schützen, auch wenn der Steuerpflichtige ein schützenswertes Interesse daran habe, dass seine steuerlichen Verhältnisse geheim blieben. Ein Selbstzweck sei die Reihenfolge der Befragung gerade nicht.
- 18
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Die Kritik des Klägers an der Begründung des Auskunftsersuchens übersehe, dass dieses gegenüber dem Dritten ergehe und die möglichst weitgehende Geheimhaltung der steuerlichen Verhältnisse des Klägers gewährleiste.
- 19
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Vorliegend überschreite das FG seine Befugnisse nach § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wenn es die Verhältnismäßigkeit verneine.
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Das Gebot des fairen Verfahrens werde nicht verletzt. Es existiere keine Pflicht zur Vorabinformation wie beim Kontenabruf nach § 93 Abs. 9 AO.
- 21
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Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 22
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Ein plausibler Anlass zur Befragung der B habe nicht vorgelegen. Dieser sei auch nicht aufgrund der diversen Auskünfte der A konstruierbar.
Entscheidungsgründe
- 24
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II. Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
- 25
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1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass das streitige Auskunftsersuchen des FA rechtswidrig gewesen ist.
- 26
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a) Im Streitfall haben die Prüfer Auskunft über Provisionen verlangt. Ein solches Auskunftsersuchen ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt i.S. des § 118 Satz 1 AO (vgl. zum Auskunftsersuchen als Verwaltungsakt z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790, m.w.N.). Aufgrund der am 29. Oktober 2008 von der B erteilten Auskunft hat sich dieser Verwaltungsakt vor der Klageerhebung erledigt.
- 27
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b) In einem solchen Fall kann, wie im Streitfall geschehen, beim FG gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO eine Fortsetzungsfeststellungsklage mit dem Begehren erhoben werden, festzustellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist. Das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse wird von der Rechtsprechung (u.a.) dann bejaht, wenn eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr besteht (Senatsurteil vom 22. August 2012 X R 36/09, BFHE 239, 203, BStBl II 2014, 109, unter II.1.b).
- 28
-
Diese ist im Streitfall gegeben, weil --wie schon das FG nach Würdigung der Umstände festgestellt hat-- das FA nicht ausschließen wollte, auch künftig --wie z.B. in der während der mündlichen Verhandlung im Klageverfahren stattfindenden Betriebsprüfung-- wiederum Auskunftsersuchen an Dritte zu richten, ohne dass der Kläger vorher zu dem Sachverhalt befragt werde.
- 29
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2. Das FG hat die Klage zu Recht im Rahmen seiner Prüfungskompetenz nach § 102 FGO als begründet angesehen. Das Auskunftsersuchen des FA an die B ist rechtswidrig gewesen.
- 30
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a) Vorliegend hat das FG den Ermessensgebrauch des FA anhand des Zwecks des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO überprüft und im Rahmen seiner Prüfungskompetenz aus § 102 FGO gehandelt.
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Es hat lediglich die fehlerfreie Ermessensausübung durch das FA kontrolliert und nicht etwa nach einer besseren, zweckmäßigeren oder sachgerechteren Lösung gesucht (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 102 Rz 1).
- 32
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b) Zu Recht geht das FG davon aus, das FA habe von seinem Ermessen in einer dem Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.
- 33
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aa) Nach § 93 Abs. 1 AO haben Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Im Rahmen ihrer Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt zur Durchsetzung materiell-rechtlich begründeter Steueransprüche aufzuklären (§§ 85, 88 AO), darf sich die Finanzbehörde derjenigen Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 92 Satz 1 AO). Zu diesen Beweismitteln zählen auch Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten im Besteuerungsverfahren (§ 92 Satz 2 Nr. 1 AO). Die rechtliche Befugnis zu solchen Auskunftsverlangen ergibt sich aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AO (vgl. hierzu und auch zum Nachfolgenden: BFH-Urteil vom 4. Oktober 2006 VIII R 53/04, BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227).
- 34
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Die Inanspruchnahme dieser Befugnisse verstößt grundsätzlich nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366, m.w.N.; dazu Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 15. November 2000 1 BvR 1213/00, BStBl II 2002, 142).
- 35
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bb) Für ihr Tätigwerden bedürfen die Finanzbehörden indes eines hinreichenden Anlasses. Ermittlungen "ins Blaue hinein" sind unzulässig (BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, m.w.N.).
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(1) Die Finanzämter sind --ungeachtet der besonderen Aufgabenzuweisung an die Fahndungsstellen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 AO-- nach § 208 Abs. 3 AO nicht gehindert, in derselben Sache wie die Fahndung tätig zu werden oder sich sogar bestimmte Ermittlungen vorzubehalten. Sie können z.B. eine Außenprüfung anordnen oder selbst Einzelermittlungen gemäß § 88 Abs. 1 AO durchführen (BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, unter II.2.b; zur Abgrenzung vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1997 VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461, m.w.N.).
- 37
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Die Finanzbehörden dürfen das nach ihrer Auffassung zweckmäßigste Mittel für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen auswählen und zwar auch im Hinblick auf eine mögliche Steuerstraftat. Dies gilt gleichermaßen, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Steuerpflichtige den steuerlich erheblichen Sachverhalt offenlegt. Auch in einem solchen Fall besteht regelmäßig kein zwingender Anlass, die Verwaltung von vornherein ausschließlich auf den Einsatz der Steuerfahndung zu verweisen (vgl. hierzu und zum Nachstehenden: BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, m.w.N.).
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(2) Ein hinreichender Anlass liegt nicht erst vor, wenn ein begründeter Verdacht dafür besteht, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten gegeben sind. Vielmehr genügt es, wenn aufgrund konkreter Umstände oder aufgrund allgemeiner Erfahrung ein Auskunftsersuchen angezeigt ist.
- 39
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Danach dürfen Auskünfte von anderen Personen schon dann eingeholt werden, wenn die Finanzbehörde im Rahmen ihrer Tätigkeit --sei es aufgrund konkreter Momente, sei es aufgrund allgemeiner Erfahrung-- zu dem Ergebnis gelangt ist, die Auskünfte könnten zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen (ferner BVerfG-Urteil vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.III.3.a ee der Gründe).
- 40
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Zu den steuerlich erheblichen Tatsachen zählt alles, was die finanzbehördlichen Entscheidungen in einem steuerrechtlichen Verwaltungsverfahren beeinflussen kann (vgl. Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 93 AO Rz 10).
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Die in diesem Sinne erheblichen, mitzuteilenden "Tatsachen" müssen lediglich im Rahmen einer Prognoseentscheidung möglich sein (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, ständige Rechtsprechung). Die Finanzbehörde hat hierüber im Wege einer vorweggenommenen Beweiswürdigung zu befinden (BFH-Urteile vom 18. Februar 1997 VIII R 33/95, BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499; vom 30. März 1989 VII R 89/88, BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537, ständige Rechtsprechung). Im Interesse der gesetzmäßigen und gleichmäßigen Besteuerung und zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich gebotenen Verifikationsprinzips sind die Anforderungen an diese Prognoseentscheidung nicht zu hoch anzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VIII R 1/86, BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Insbesondere darf noch unklar sein, ob der Vorgang steuerbar ist und ob er im Ergebnis zu einer Steuerpflicht führt. § 93 Abs. 1 AO ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass möglicherweise eine Steuerschuld entstanden oder die Steuer verkürzt worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Nur dann, wenn klar und eindeutig jeglicher Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit fehlt, ist das Auskunftsverlangen rechtswidrig (weiterführend, auch zur Prognoseentscheidung: BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, unter II.2.b, m.w.N.).
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cc) Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO sollen andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Durch die Ausgestaltung der Norm als Sollvorschrift kommt zum Ausdruck, dass die Behörde in der Regel nach ihr verfahren muss (BFH-Urteil in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537). Dieses Subsidiaritätsprinzip ist eine spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (so auch Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 93 AO Rz 17). Nur in atypischen Fällen darf die Finanzbehörde hiervon abweichen, wobei am Zweck der Vorschrift zu messen ist, ob ein solcher atypischer Fall vorliegt (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1989 VII R 1/87, BFHE 158, 502, BStBl II 1990, 198, unter II.2.b, m.w.N.).
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Unterstrichen wird dies auch im Vergleich zu den Befugnissen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO. Aufgabe der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten. Nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist es daneben Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle aufzudecken und zu ermitteln. In beiden Fällen gelten gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 AO die Einschränkungen des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht (so auch ausdrücklich BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c; ebenso jüngst BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, unter II.1.b). Folglich gilt außerhalb der Tätigkeit der Steuerfahndung die besondere Herangehensweise bei Auskunftsersuchen an Dritte: Vor dem Auskunftsersuchen an Dritte ist im Regelfall der Steuerpflichtige zu befragen.
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Hierdurch wird auch dem doppelten Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO entsprochen. Danach soll zum einen vermieden werden, dass Nichtbeteiligte Einblick in die steuerlich relevanten Verhältnisse der Beteiligten erhalten, zum anderen sollen dem Dritten die mit der Auskunft verbundenen Mühen erspart werden (so Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 82; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Rz 17; Eich, Der AO-Steuer-Berater 2004, 18, 20).
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dd) Atypische Fälle im Zusammenhang mit § 93 Abs. 1 Satz 3 AO hat die bisherige BFH-Rechtsprechung vereinzelt angenommen.
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Ausnahmen vom sog. Subsidiaritätsprinzip hat die bisherige BFH-Rechtsprechung dann angenommen, wenn
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der Beteiligte unbekannt ist (z.B. BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227) oder
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der Beteiligte nicht mitwirkt (z.B. BFH-Urteil in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537).
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Kein solch atypischer Fall lag dem Streitfall zugrunde. Weder war die Identität des Beteiligten (Klägers) unbekannt noch hat der Beteiligte (Kläger) die Mitwirkung verweigert.
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ee) Der Senat vermag im Streitfall auch keinen weiteren atypischen Fall zu erkennen.
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Es liegt im Interesse des Klägers, dass Dritte jedenfalls zunächst nichts über eine laufende Betriebsprüfung und --aus Sicht der Prüfer-- möglicherweise nicht erklärte Provisionserlöse erfahren. Er hat ein Anrecht darauf, dass seine Reputation nicht beschädigt wird und seine Geschäftspartner nicht den Eindruck bekommen, er vernachlässige seine steuerlichen Pflichten. Dies ist Ausdruck seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Zudem entspricht es den Interessen der Dritten, nur in Ausnahmefällen in fremde Besteuerungsverfahren einbezogen zu werden.
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Etwas anderes könnte nur gelten, wenn von vornherein feststeht, dass der Beteiligte entweder nicht mitwirken wird oder --was vorliegend allein relevant erscheint-- die Erfolglosigkeit seiner Mitwirkung offenkundig ist. Auf letztes kann eine Finanzbehörde aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beteiligten bei konkreten nachweisbaren Fakten im Rahmen einer vorweggenommenen Beweiswürdigung schließen. Nicht ausreichend ist es, eine solche Beweiswürdigung schon dann als vertretbar zu werten, wenn sie (nur) nicht willkürlich erfolgte (so aber Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Rz 20).
- 51
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Ermächtigt eine Norm wie § 93 Abs. 1 AO zu Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, so muss dieser --auch im engeren Sinne-- verhältnismäßig sein. Dies bedeutet, die Schwere des Eingriffs darf bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen (vgl. nur BVerfG-Beschluss vom 29. September 2013 2 BvR 939/13, wistra 2014, 16, unter II.1., m.w.N., ständige Rechtsprechung). Dabei muss beachtet werden, welche Möglichkeiten der Grundrechtsträger hat, eine eventuelle Grundrechtsbeeinträchtigung oder jedenfalls weitere Folgen des Eingriffs abwehren zu können. Wird eine Maßnahme heimlich durchgeführt, so ist es dem Betroffenen faktisch verwehrt, sich gegen sie im Voraus zur Wehr zu setzen (so schon BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05, BVerfGE 118, 168, unter C.I.3.d cc (1)).
- 52
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Folglich muss die Finanzbehörde es im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung aufgrund konkreter Tatsachen als zwingend ansehen, dass die Mitwirkung des Beteiligten erfolglos bleiben wird.
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Im Streitfall konnte die Finanzbehörde im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung nicht aufgrund konkreter Tatsachen davon ausgehen, dass die Mitwirkung des Klägers erfolglos bleiben wird.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
(1) Dieses Gesetz gilt für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch
- 1.
öffentliche Stellen des Bundes, - 2.
öffentliche Stellen der Länder, soweit der Datenschutz nicht durch Landesgesetz geregelt ist und soweit sie - a)
Bundesrecht ausführen oder - b)
als Organe der Rechtspflege tätig werden und es sich nicht um Verwaltungsangelegenheiten handelt.
(2) Andere Rechtsvorschriften des Bundes über den Datenschutz gehen den Vorschriften dieses Gesetzes vor. Regeln sie einen Sachverhalt, für den dieses Gesetz gilt, nicht oder nicht abschließend, finden die Vorschriften dieses Gesetzes Anwendung. Die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt.
(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes gehen denen des Verwaltungsverfahrensgesetzes vor, soweit bei der Ermittlung des Sachverhalts personenbezogene Daten verarbeitet werden.
(4) Dieses Gesetz findet Anwendung auf öffentliche Stellen. Auf nichtöffentliche Stellen findet es Anwendung, sofern
- 1.
der Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter personenbezogene Daten im Inland verarbeitet, - 2.
die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der Tätigkeiten einer inländischen Niederlassung des Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters erfolgt oder - 3.
der Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter zwar keine Niederlassung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat, er aber in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung fällt.
(5) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung, soweit das Recht der Europäischen Union, im Besonderen die Verordnung (EU) 2016/679 in der jeweils geltenden Fassung, unmittelbar gilt.
(6) Bei Verarbeitungen zu Zwecken gemäß Artikel 2 der Verordnung (EU) 2016/679 stehen die Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gleich. Andere Staaten gelten insoweit als Drittstaaten.
(7) Bei Verarbeitungen zu Zwecken gemäß Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 89) stehen die bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands assoziierten Staaten den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gleich. Andere Staaten gelten insoweit als Drittstaaten.
(8) Für Verarbeitungen personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen im Rahmen von nicht in die Anwendungsbereiche der Verordnung (EU) 2016/679 und der Richtlinie (EU) 2016/680 fallenden Tätigkeiten finden die Verordnung (EU) 2016/679 und die Teile 1 und 2 dieses Gesetzes entsprechend Anwendung, soweit nicht in diesem Gesetz oder einem anderen Gesetz Abweichendes geregelt ist.
(1) Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig, soweit sie
- 1.
zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, - 2.
zur Wahrnehmung des Hausrechts oder - 3.
zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke
- 1.
öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen, wie insbesondere Sport-, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Einkaufszentren oder Parkplätzen, oder - 2.
Fahrzeugen und öffentlich zugänglichen großflächigen Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs
(2) Der Umstand der Beobachtung und der Name und die Kontaktdaten des Verantwortlichen sind durch geeignete Maßnahmen zum frühestmöglichen Zeitpunkt erkennbar zu machen.
(3) Die Speicherung oder Verwendung von nach Absatz 1 erhobenen Daten ist zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen überwiegen. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Für einen anderen Zweck dürfen sie nur weiterverarbeitet werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist.
(4) Werden durch Videoüberwachung erhobene Daten einer bestimmten Person zugeordnet, so besteht die Pflicht zur Information der betroffenen Person über die Verarbeitung gemäß den Artikeln 13 und 14 der Verordnung (EU) 2016/679. § 32 gilt entsprechend.
(5) Die Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen einer weiteren Speicherung entgegenstehen.
Die oder der Bundesbeauftragte erstellt einen Jahresbericht über ihre oder seine Tätigkeit, der eine Liste der Arten der gemeldeten Verstöße und der Arten der getroffenen Maßnahmen, einschließlich der verhängten Sanktionen und der Maßnahmen nach Artikel 58 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/679, enthalten kann. Die oder der Bundesbeauftragte übermittelt den Bericht dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung und macht ihn der Öffentlichkeit, der Europäischen Kommission und dem Europäischen Datenschutzausschuss zugänglich.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin betreibt das Hotel E. und das Hotel D. im Stadtgebiet der Beklagten.
3In seiner Sitzung am 8. Juli 2010 beschloss der Rat der Beklagten die am 1. November 2010 in Kraft getretene Satzung über die Erhebung einer Abgabe auf entgeltliche Beherbergungen im Gebiet der Stadt Dortmund (Beherbergungsabgabesatzung ‑ BAS ‑).
4Die Satzung trifft u.a. folgende Regelungen:
5"§ 1
6Abgabengläubiger
7Die Stadt Dortmund erhebt nach dieser Satzung eine Beherbergungsabgabe als örtliche Aufwandsteuer.
8§ 2
9Gegenstand der Abgabe
10Gegenstand der Beherbergungsabgabe ist der Aufwand des Beherbergungsgastes für die Möglichkeit einer entgeltlichen privaten Übernachtung in einem Beherbergungsbetrieb (Hotel, Gasthof, Pension, Privatzimmer, Jugendherberge, Ferienwohnung, Motel, Campingplatz, Schiff und ähnliche Einrichtung), der gegen Entgelt eine Beherbergungsmöglichkeit zur Verfügung stellt; dies gilt unabhängig davon, ob die Beherbergungsleistung tatsächlich in Anspruch genommen wird.
11Der Übernachtung steht die Nutzung der Beherbergungsmöglichkeit, ohne dass eine Übernachtung erfolgt (z. B. Tageszimmer), gleich, sofern hierfür ein gesonderter Aufwand betrieben wird.
12Eine private Übernachtung liegt nicht vor, wenn der Beherbergungsgast dies eindeutig durch eine Bescheinigung des Arbeitgebers nachweist. Die Bescheinigung ist der Stadt Dortmund mit der Abgabenerklärung (§ 7 der Satzung) einzureichen. Der Nachweis kann auch innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Frist zur Einreichung der Abgabenerklärung nachgereicht werden. Eine durch den Beherbergungsbetrieb entrichtete Abgabe wird nach Prüfung des Nachweises an den Arbeitgeber des Beherbergungsgastes, bei einem selbständigen Beherbergungsgast an diesen, erstattet.
13§ 3
14Bemessungsgrundlage
15Bemessungsgrundlage ist der vom Gast für die Beherbergung aufgewendete Betrag (einschließlich Mehrwertsteuer).
16§ 4
17Abgabensatz
18Die Übernachtungsabgabe beträgt 5 vom Hundert der Bemessungsgrundlage.(...)
19§ 5
20Abgabenschuldner
21Abgabenschuldner ist der Betreiber des Beherbergungsbetriebes.
22§ 6
23Entstehung des Abgabenanspruches
24Der Abgabenanspruch entsteht mit Beginn der entgeltpflichtigen Beherbergungsleistung."
25Die Beklagte stellte nach dem Inkrafttreten der Beherbergungsabgabesatzung einen "Handlungsrahmen Beherbergungsabgabe" auf, der hinsichtlich des Nachweises einer nicht privaten Beherbergung Vorgaben enthält.
26Die Klägerin meldete unter dem 6. Januar 2011 für die Monate November und Dezember 2010 Beherbergungsentgelte einschließlich Mehrwertsteuer von 68.636,20 Euro sowie unter dem 5. April 2011 für die Monate Januar bis März 2011 von 95.490,47 Euro an.
27Mit Bescheid vom 29. April 2011 setzte die Beklagte unter Vorbehalt der Nachprüfung die Beherbergungsabgabe für die Monate November 2010 bis März 2011 auf 8.206,33 Euro fest.
28Die Klägerin hat am 24. Mai 2011 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erhoben.
29Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, die Beherbergungsabgabesatzung verstoße gegen höherrangiges Recht. Die Regelung der Bemessungsgrundlage sei nicht mit § 7 Abs. 5 der Preisangabenverordnung - PAngV ‑ vereinbar. Der als Bemessungsgrundlage nach § 3 BAS vorgesehene Bruttobetrag habe zwingend bereits die Beherbergungsabgabe zu beinhalten, eine gesonderte Ausweisung sei nicht zulässig. Die Beherbergungsabgabe würde daher de facto auf sich selbst erhoben. § 11 Abs. 5 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen ‑ KAG ‑ stehe der Erhebung einer Beherbergungsabgabe entgegen, da mit dieser Regelung abschließend bestimmt sei, unter welchen Voraussetzungen Gemeinden Fremdenverkehrsabgaben erheben dürften. Die Beherbergungsabgabe habe nicht den Charakter einer örtlichen Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a des Grundgesetzes ‑ GG ‑. Die Beherbergungsabgabe sei überdies der Umsatzsteuer gleichartig und verstoße auch aus diesem Grunde gegen die aus der genannten Vorschrift folgende Kompetenzverteilung. § 2 Abs. 3 Satz 1 BAS lasse beruflich bedingte Übernachtungen von Beamten und Selbständigen ohne sachliche Rechtfertigung außer Betracht, indem sie lediglich Arbeitgeberbescheinigungen als Nachweis zulasse. Überdies sei insoweit die Gefahr von Gefälligkeitsbescheinigungen evident.
30Wie das Bundesverwaltungsgericht klargestellt habe, müssten Satzungen zur Regelung einer Beherbergungsabgabe dezidierte und konkrete Kriterien zur Unterscheidung von privat und beruflich veranlassten Übernachtungen enthalten. Derartige Differenzierungskriterien enthalte die vorliegende Satzung nicht. Aus der Regelung des § 2 Abs. 3 BAS folge, dass der abgabenpflichtige Beherbergungsbetrieb verpflichtet sei, bezüglich sämtlicher entgeltlicher Übernachtungen die Beherbergungsabgabe einzupreisen und einzuziehen. Damit werde gleichsam vermutet, dass eine entgeltliche Übernachtung privat veranlasst sei. Die damit verbundene Beweislastverteilung sei vor dem Hintergrund nicht gerechtfertigt, dass eine Heranziehung zur Beherbergungsabgabe bei beruflicher Veranlassung der Übernachtung schon dem Grunde nach ausscheide. Aus den gleichen Gründen sei auch die Erstattungsregelung in § 2 Abs. 3 Satz 4 BAS zu beanstanden. Sie bewirke für den Pflichtigen eine nicht hinnehmbare Situation der Ungewissheit. Weise der Gast eine berufliche Veranlassung der Übernachtung gegenüber dem Beherbergungsbetreiber nicht nach, sei es diesem selbst nicht möglich, beruflich erforderliche Übernachtungen von privaten Übernachtungen zu unterscheiden. Diese Ungewissheit dürfe nicht zu Lasten des Pflichtigen bzw. des Hotelgastes gehen, vielmehr dürfe eine Steuer insoweit mangels Erfüllung des Steuertatbestands von vornherein nicht erhoben werden.
31Des Weiteren werde dem Beherbergungsbetrieb mit der Einreichung von Arbeitgeberbescheinigungen eine im Kommunalabgabengesetz NRW nicht normierte Meldepflicht abverlangt. Die Erhebung der Beherbergungsabgabe verstoße gegen den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, da sie die Entscheidung des Bundesgesetzgebers, den Mehrwertsteuersatz für Hotels zu reduzieren, konterkariere. Ferner verletze sie die Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 GG, da der in der Erhebung liegende Eingriff nicht gerechtfertigt werden könne. Die Datenerhebungspraxis der Beklagten zur Differenzierung zwischen beruflicher und privater Veranlassung einer entgeltlichen Übernachtung begegne durchgreifenden datenschutzrechtlichen Bedenken.
32Die Klägerin hat beantragt,
33den Abgabenbescheid der Beklagten vom 29. April 2011 aufzuheben.
34Die Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Sie hat vorgetragen, ein Verstoß gegen § 7 Abs. 5 PAngV liege nicht vor. Mit dem in § 3 BAS genannten Betrag sei nicht der nach § 7 Abs. 5 PAngV anzugebende Endpreis gemeint. Bemessungsgrundlage solle vielmehr der Netto-Übernachtungspreis zuzüglich der darauf entfallenden Mehrwertsteuer sein. Ferner verstoße die Erhebung der Abgabe auch nicht gegen § 11 Abs. 5 KAG. Im Gegensatz zu dem dort geregelten Fremdenverkehrsbeitrag knüpfe die Beherbergungsabgabe nicht an die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung und Unterhaltung von Einrichtungen und Anlagen, sondern an den wirtschaftlichen Aufwand an, den ein Hotelgast für seine Übernachtung betreibe. Ferner handele es sich um eine örtliche Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG. Eine Übernachtung in einem Beherbergungsbetrieb stelle typischerweise einen Aufwand dar, der über die Befriedigung des Grundbedürfnisses nach Wohnraum hinausgehe. Die Beherbergungsabgabe sei auch nicht der Umsatzsteuer gleichartig. Des Weiteren sei die Regelung zu beruflich bedingten Übernachtungen auch hinreichend inhaltlich bestimmt. Die Beschränkung der Abgabe auf private Übernachtungen in § 2 Abs. 1 BAS bedeute zugleich, dass beruflich veranlasste Übernachtungen ausnahmslos nicht der Beherbergungsabgabe unterliegen sollten.
37Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es sich auf den Standpunkt gestellt, die Beherbergungsabgabesatzung sei nichtig. Die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Forderung nach Vorhersehbarkeit der Abgabenlast für den Steuerpflichtigen werde nicht beachtet. § 2 Abs. 3 BAS verletze den rechtsstaatlichen Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, weil dem steuerpflichtigen Beherbergungsbetrieb die Feststellungslast auferlegt werde, dass eine Übernachtung nicht privat sei. Aufgrund eines strukturellen Vollzugsdefizites verstoße die Beherbergungsabgabesatzung gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Hinsichtlich der Entscheidungsgründe im Einzelnen wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.
38Die Beklagte hat fristgerecht Berufung eingelegt und führt zur Begründung aus: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Abgabelast vorhersehbar. Dem Bestimmtheitsgrundsatz sei regelmäßig genügt, wenn der Steuergegenstand, die Bemessungsgrundlage, der Steuersatz sowie die Erhebung und Fälligkeit der Steuer geregelt seien. Diesen Anforderungen genüge die Beherbergungsabgabesatzung. Die Möglichkeit einer exakten Vorausberechnung sei gerade nicht erforderlich. Dem Verwaltungsgericht sei ebenfalls nicht zu folgen, soweit es von der Verletzung des Grundsatzes der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung ausgegangen sei. Sie, die Beklagte, habe sich von vornherein entschlossen, nur privat veranlasste Übernachtungen zu besteuern, nicht aber sämtliche Übernachtungen unterschiedslos der Besteuerung zu unterwerfen und sodann eine Steuerbefreiung bei beruflich bedingten Übernachtungen vorzunehmen. Eine Vermutung, dass der Steuertatbestand des § 2 Abs. 1 BAS vorliege, beinhalte die Beherbergungsabgabesatzung nicht. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne auch nicht von einem Vollzugsdefizit ausgegangen werden. Bereits ein Großteil der beruflich bedingten Übernachtungen sei auf eine Buchung durch den Arbeitgeber zurückzuführen. Insoweit erscheine eine wie auch immer geartete Manipulation weitgehend ausgeschlossen. Eine lediglich abstrakt bestehende Möglichkeit einer gefälschten Arbeitgeberbescheinigung oder falscher Eigenerklärungen sei für die Annahme eines strukturellen Vollzugsdefizites nicht ausreichend. Das Bestehen einer ausreichenden Überprüfungsmöglichkeit resultiere zudem aus dem Umstand, dass das kommunale Steuerrecht angesichts der bestehenden Auskunftspflicht unabhängig von den satzungsrechtlichen Regelungen kraft Gesetzes eine Verifikation steuerlich erheblicher Tatbestände ermögliche.
39Die Beklagte beantragt,
40das angegriffene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
41Die Klägerin beantragt,
42die Berufung zurückzuweisen.
43Zur Begründung führt sie aus: Die im Hinblick auf die Rechtsprechung zwischen beruflich bedingten und privaten Übernachtungen differenzierende Beherbergungsabgabesatzung biete keine hinreichende Grundlage für eine zulässige Abgabenerhebung. Dass von einem unverhältnismäßigen Mitwirkungsbeitrag des steuerpflichtigen Beherbergungsbetriebes auszugehen sei, folge bereits daraus, dass bei einem Großteil der Gäste ein hohes Aufklärungs- und Nachfragebedürfnis bestehe. Entgegen der Auffassung der Beklagten belege die in § 2 Abs. 3 BAS normierte Nachweispflicht für eine beruflich bedingte Übernachtung, dass grundsätzlich undifferenziert jede Übernachtung besteuert werden solle. Die Beherbergungsabgabesatzung berge eine "Vermutung" der Steuerbarkeit sämtlicher Übernachtungen in sich, die nur durch einen entsprechenden Nachweis entkräftet werden könne. Die Nichtigkeit der Beherbergungsabgabesatzung folge daraus, dass es sich bei dem Beherbergungsgast als möglichem Erstattungsberechtigten (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 4 BAS) um einen am Steuerschuldverhältnis unbeteiligten Dritten handele, nicht aber um den eigentlichen Steuerschuldner. Unabhängig davon sei die Erstattungsregelung auch schon deshalb nichtig, weil die Beklagte in der Praxis nicht feststellen könne, ob die Abgabe auch voll umfänglich auf den Beherbergungsgast "überwälzt" worden sei und nicht etwa nur kalkulatorisch in das Beherbergungsentgelt eingeflossen sei. Die vorzunehmende Datenerhebung zur Differenzierung zwischen beruflich und privat veranlassten Übernachtungen begegne durchgreifenden datenschutzrechtlichen Bedenken. Die von der Beklagten praktizierte Besteuerung ausschließlich privat veranlasster Übernachtungen sei wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz verfassungswidrig. Zwar sei im Steuerrecht eine Typisierung zulässig. Die Beherbergungsabgabesatzung lasse jedoch nur in Ausnahmefällen überhaupt eine Besteuerung zu. Zudem stelle sich die Frage nach der Überwälzbarkeit der Abgaben.
44Die Gleichheit der Besteuerung werde durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens schon prinzipiell verfehlt. Der Beklagten stünde keine effektive Instrumentation zur Verfügung, die geforderten Erklärungen zum Aufenthaltszweck systematisch und umfassend auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen.
45Die eine lediglich privat veranlasste Übernachtung besteuernde Satzungsregelung sei unwirksam, solange der Steuerschuldner seinerseits keine Möglichkeit habe, den die Abgabe begründeten Tatbestand selbst verbindlich festzustellen. Daher sei entscheidend allein das "Wie" der Besteuerung mit der Folge, dass es darum gehe, ob dem Beherbergungsbetrieb ein Auskunftsrecht gegenüber dem Gast zustehe und ob ihm dessen Verhalten zuzurechnen sei. Die Erhebung der Beherbergungsabgabe als indirekte Steuer führe zu nicht überwindbaren Problemen bei der Umsetzung in der täglichen Besteuerungspraxis. Auch ein Vergleich mit der Problematik der Umsatzsteuererhebung beim Verkauf von Speisen und Getränken betreffend die Höhe des Steuersatzes helfe nicht weiter. Dabei gehe es nicht um die hier entscheidende Frage des "Ob" der Besteuerung. Zudem sei auch insoweit der unverhältnismäßige Mitwirkungsbeitrag des Steuerschuldners zu beachten, der auf Seiten des Beherbergungsbetriebes erhebliche Aufklärungsbemühungen sowohl in zeitlicher als auch in personeller Hinsicht erfordere. Dies gelte unabhängig davon, ob ein direkter fernmündlicher oder schriftlicher Kontakt bei der Buchung bestehe oder die Buchung via Internet erfolge. Insbesondere in den Reservierungsportalen könne nur ein Preis je Zimmerkategorie angeboten werden. Nichts anderes gelte im Ergebnis im Hinblick auf Vergleiche mit Vergnügungs-, Hunde- oder Zweitwohnungssteuern. Bei der Nutzung von Spielgeräten stelle sich die Frage nach der Veranlassung des Aufwandes nicht. Bei Hunde- und Zweitwohnungssteuern handele es sich bereits um direkte Steuern.
46Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivorbringens im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
47Entscheidungsgründe:
48Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Bescheid zu Recht aufgehoben, weil er rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑). Die Beherbergungsabgabesatzung ist nämlich nichtig und damit keine wirksame Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid.
49Unbedenklich ist allerdings, dass durch die Satzung eine Steuer als örtliche Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG auf entgeltliche private Übernachtungen erhoben wird.
50Zur Steuerbarkeit dieses Steuergegenstands vgl. BVerwG, Urteil vom 11.7.2012 ‑ 9 CN 1/11 ‑, BVerwGE 143, 301 Rn. 12 ff.; Urteil des Senats vom 23.1.2013 ‑ 14 A 1860/11 ‑, NRWE Rn. 57 ff.; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 7.2.2013 ‑ 4 KN 1/12 ‑, NVwZ-RR 2013, 816 Rn. 85 ff.
51Die dagegen gerichteten Einwände der Klägerin greifen nicht durch, insbesondere lässt sich aus den Regelungen des Datenschutzgesetzes Nordrhein Westfalen ‑ DSG NRW ‑ nichts zugunsten der Klägerin herleiten. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 DSG NRW gilt dieses Gesetz für öffentliche Stellen, namentlich für die Behörden, Einrichtungen und sonstigen öffentlichen Stellen des Landes, die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie für die sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und deren Vereinigungen. Dazu zählt die Klägerin nicht.
52Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 7.2.2013 ‑ 4 KN 1/12 ‑, NVwZ-RR 2013, 816 Rn. 106 ff.; Beschluss vom 15.2.2012 ‑ 4 MR 1/12 -, NVwZ 2012, 771 (774).
53Auch die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes ‑ DSG ‑ stehen der Einholung und Weitergabe solcher Erklärungen nicht entgegen.
54Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15.2.2012 ‑ 4 MR 1/12 -, NVwZ 2012, 771 (774).
55Als nicht öffentliche Stellen sind für die Klägerin gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes maßgeblich. Nach § 4 Abs. 1 BDSG dürfen auch nicht öffentliche Stellen Daten nur erheben, verarbeiten und nutzen, soweit das Bundesdatenschutzgesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Andere Rechtsvorschriften sind u. a. das Landesrecht wie auch kommunales Recht. Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 BAS ist der Beherbergungsunternehmer verpflichtet, die Bescheinigung mit der Abgabenerklärung (§ 7 BAS) einzureichen. Die Zulässigkeit der Weitergabe ergibt sich schließlich auch aus § 15 Abs. 1 BDSG.
56Die besonderen Regelungen über die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags in § 11 Abs. 5 und 6 KAG stehen der Beherbergungsabgabe nicht entgegen. Dies würde unter dem Auslegungsgesichtspunkt des Vorrangs der speziellen Norm vor der allgemeinen Norm voraussetzen, dass die Beherbergungsabgabe den Regelungsgehalt eines Fremdenverkehrsbeitrags hätte. Das ist nicht der Fall. Die Beherbergungsabgabe wird als Steuer gegenleistungslos zur Einnahmebeschaffung erhoben, während der Fremdenverkehrsbeitrag als Vorzugslast der Deckung der in § 11 Abs. 5 Satz 1 KAG genannten vorteilhaften gemeindlichen Fremdenverkehrsaufwendungen dient. Diese Unterschiede in Ziel und Rechtfertigung der Abgaben schließen es aus, der Regelung des Fremdenverkehrsbeitrags eine die Erhebung einer Beherbergungsabgabe ausschließende Wirkung zuzumessen.
57Die Erhebung der Beherbergungsabgabe ist nicht deshalb unzulässig, weil sie der Umsatzsteuer (hier in Form der Mehrwertsteuer) gleichartig wäre. Nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Der genaue Inhalt dieses Gleichartigkeitsverbots, das im Rahmen des Finanzreformgesetzes 1969 auf Druck des Bundesrates in das Grundgesetz aufgenommen wurde,
58vgl. Entwurf eines Finanzreformgesetzes, BT-Drs. V/2861, S. 7, Stellungnahme des Bundesrates dazu S. 86 f. und Gegenäußerung der Bundesregierung S. 94 f.; Beschluss des Vermittlungsausschusses, BT-Drs. V/3896, S. 4, und Beschluss des Vermittlungsausschusses BT-Drs. V/4105, S. 4,
59ist vom Bundesverfassungsgericht noch nicht präzisiert worden. Jedenfalls besteht die Funktion der Vorschrift darin, im Rahmen der Zuweisung der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz für örtliche Aufwand- und Verbrauchsteuern an die Länder zu verhindern, dass auf diesem Gesetzgebungsweg eine bundesrechtliche Aufwand- oder Verbrauchsteuer auf örtlicher Ebene erhoben wird.
60Vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 11.7.2012 ‑ 9 CN 1.11 ‑, BVerwGE 143, 301 Rn. 22 ff.; s. dazu, dass dem Gesetzgeber die Einführung einer Gemeindeumsatzsteuer als verschlossener Bereich vorschwebte, Berichterstatter Reischl im Bundestag, BT-PlenProt. der 222. Sitzung vom 20.3.1969, S. 12058 B, C, und Berichterstatter Dr. Heinsen im Bundesrat, BR-PlenProt. der 338. Sitzung vom 9.5.1969, S. 109 B, C.
61Es darf also nicht eine bereits existierende Bundessteuer im Gewand einer örtlichen Aufwand- oder Verbrauchsteuer erhoben werden. Deshalb bedarf es eines wertenden Gesamtvergleichs der zu vergleichenden Steuern.
62BVerwG, Urteil vom 11.7.2012 ‑ 9 CN 1.11 ‑, BVerwGE 143, 301 Rn. 25; Vogel/Walter, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Loseblattsammlung (Stand: Juli 2013), Art. 105 Rn. 124b.
63In diesem Rahmen kann festgestellt werden, dass die hier in Rede stehende Abgabe in vielen Punkten der Umsatzsteuer nahesteht (Anknüpfung an einen entgeltlichen Leistungsaustausch, wegen intendierter Abwälzung wirtschaftlich tendenziell Preisanhebungswirkung, Orientierung proportional zum Entgelt, keine zeitliche oder zahlenmäßige Begrenzung der Besteuerungsfälle, Loslösung des Kreises der Steuerträger von persönlichen Eigenschaften mit Ausnahme des mit der Übernachtung verfolgten Zwecks, Annäherung in der Höhe zur hier siebenprozentigen Umsatzsteuer). Dennoch ist die Beherbergungsabgabe keine in das Gewand einer örtlichen Aufwandsteuer gekleidete Umsatzsteuer, weil ihr deren entscheidendes Kriterium fehlt. Diese ist nämlich prinzipiell auf die Besteuerung jedweden Leistungsaustauschs gerichtet. Erst die Losgelöstheit der Umsatzsteuer von der Art der Lieferung oder sonstigen Leistung macht ihr Wesen als allgemeine Verbrauchsteuer gegenüber den speziellen Aufwand- und Verbrauchsteuern aus.
64Zur Umsatzsteuer als allgemeiner indirekter Verbrauchsteuer s. Englisch in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 17 Rn. 10 ff.
65Im Gegensatz zur Umsatzsteuer erfasst die Beherbergungsabgabe ausschließlich die Möglichkeit einer entgeltlichen privaten Übernachtung.
66Bei einer solchen Auslegung wird das Verbot in Art. 105 Abs. 2a GG, bundesrechtlich geregelten Steuern gleichartige örtliche Aufwand- und Verbrauchsteuern zu schaffen, zwar für die Umsatzsteuer praktisch funktionslos, da die Schaffung einer jedweden örtlichen Aufwand- und Verbrauch erfassenden Gemeindeumsatzsteuer eher theoretischer Natur ist. Ihre volle Wirkung entfaltet das Gleichartigkeitsverbot aber für alle speziellen bundesrechtlich geregelten Aufwand- und Verbrauchsteuern. So kann etwa das Halten eines Kraftfahrzeugs im Gemeindegebiet wegen des Kraftfahrzeugsteuergesetzes nicht erneut besteuert werden. Gleiches gilt für die Besteuerung des Verbrauchs bestimmter Güter im Gemeindegebiet, die bereits bundesrechtlich speziell besteuert werden (Tabakwaren nach dem Tabaksteuergesetz, Strom nach dem Stromsteuergesetz, Energie nach dem Energiesteuergesetz, Schaumwein nach dem Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuergesetz, Branntwein nach dem Gesetz über das Branntweinmonopol, Bier nach dem Biersteuergesetz).
67Die Beherbergungsabgabe verstößt auch nicht gegen das europarechtliche Gleichartigkeitsverbot. Nach Art. 401 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem) hindert diese Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist. Die Beherbergungsabgabe hat in diesem Sinne nicht den Charakter einer Umsatzsteuer.
68Nach der Rechtsprechung des Gerichtshof der Europäischen Union soll mit der Vorschrift verhindert werden, dass das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch steuerliche Maßnahmen eines Mitgliedstaats beeinträchtigt wird, die den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer mit der Mehrwertsteuer vergleichbaren Weise belastet. Als solche Maßnahmen sind Steuern, Abgaben und Gebühren anzusehen, die die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweisen, selbst wenn sie ihr nicht in allen Einzelheiten gleichen. Dabei handelt es sich um folgende Merkmale: Die Mehrwertsteuer gilt ganz allgemein für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte, sie ist, unabhängig von der Anzahl der getätigten Geschäfte, proportional zum Preis dieser Gegenstände und Dienstleistungen, sie wird auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebes erhoben, und sie bezieht sich schließlich auf den Mehrwert der Gegenstände und Dienstleistungen, d. h., die bei einem Geschäft fällige Steuer wird unter Abzug der Steuer berechnet, die bei dem vorhergehenden Geschäft schon entrichtet worden ist.
69Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 29.4.2004 C-308/01 ‑, Slg. 2004, I-4802, Rn. 33; Urteil vom 9.3.2000 C-437/97 -, Slg. 2000, I-1189, Rn. 22.
70Ebenso wie beim verfassungsrechtlichen Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a GG ist also auch europarechtlich die Allgemeinheit ein Wesensmerkmal der Umsatzsteuer. Das gilt selbst dann, wenn man in Übereinstimmung mit Kritik aus Rechtsprechung und Literatur,
71vgl. Nds. FG, Urteil vom 26.8.2011 ‑ 7 K 192/09 u. a. ‑, juris Rn. 60 ff. m. w. N.,
72nicht alle der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union genannten Merkmale als konstituierend für die Umsatzsteuer ansieht. Das Merkmal allgemeiner, sich grundsätzlich auf alle Gegenstände und Dienstleistungen gleich welcher Art erstreckender Geltung ist jedenfalls ein konstituierendes und damit erforderliches Merkmal, um einer Steuer den Charakter einer Umsatzsteuer zu verleihen.
73Vgl. Schlussantrag der Generalanwältin vom 5.9.2013 in der Rechtssache C-385/12, Rn. 112, http://curia.europa.eu/.
74Bedenken gegen die Wirksamkeit der Satzung bestehen auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit der Abgabenlast für den Steuerpflichtigen. Richtig ist allerdings, wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, dass für alle Abgaben der abgabenbegründende Tatbestand so bestimmt sein muss, dass der Abgabepflichtige die auf ihn entfallenden Abgaben ‑ in gewissem Umfang ‑ vorausberechnen kann.
75Vgl. BVerfG, Urteil vom 17.7.2003 ‑ 2 BvL 1/99 ‑, NVwZ 2003, 1241 (1247); BVerwG, Urteil vom 27.6.2012 ‑ 9 C 7/11 ‑, NVwZ 2012, 1413 (1415).
76Bei der Forderung der Vorhersehbarkeit der Abgabenlast geht es somit um die hinreichenden Bestimmtheit einer Abgabennorm, um ein Mindestmaß an Orientierungssicherheit, nicht aber um arithmetische Berechenbarkeit.
77Vgl. Hey in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 3, Rn. 246,
78Unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit einer Norm,
79zu dem dazu anzulegenden Maßstab vgl. BVerfG, Beschluss vom 8.11.2006 ‑ 2 BvR 578, 796/02 ‑, BVerfGE 117, 71 (111),
80gibt es gegen den Tatbestand des § 2 Abs. 1 erster Halbsatz BAS, wonach Gegenstand der Beherbergungsabgabe der Aufwand des Beherbergungsgastes für die Möglichkeit einer entgeltlichen privaten Übernachtung in einem Beherbergungsbetrieb ist, nichts zu erinnern. Insbesondere ist das Tatbestandsmerkmal "privat" bestimmt genug, um nicht steuerbare beruflich bedingte Übernachtungen aus dem Steuergegenstand auszuscheiden. Es handelt sich um ein steuerrechtlich gängiges Unterscheidungsmerkmal zwischen Einkommensverwendung bei der privaten Lebensführung und Einkommensverwendung zur Einkommenserzielung nach dem Kriterium der Veranlassung,
81vgl. BFH, Beschluss vom 28.11.1977 ‑ GrS 2 und 3/77 ‑, BFHE 124, 43 (50); zum Problem gemischter Veranlassung s. Beschluss vom 21.9.2009 ‑ GrS 1/06 ‑, BStBl. 2010, 672,
82wie es etwa auch bei der einkommensteuerrechtlichen Ausscheidung von Betriebsausgaben und Werbungskosten aus den zu versteuernden Einkünften (§§ 4 Abs. 4, 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes ‑ EStG ‑) maßgeblich ist, ohne dass dort eine unter Bestimmtheitsgesichtspunkten präzisere normative Abgrenzung erfolgt. Der vom Verwaltungsgericht als hier entscheidend angesehene Umstand, dass der Unternehmer keine Kenntnis davon hat, ob eine private oder eine beruflich veranlasste Übernachtung vorliegt, ist kein Problem der Bestimmtheit der Norm, sondern wirft die ‑ später zu erörternde ‑ Frage auf, ob er zum Steuerschuldner bestimmt werden darf.
83Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat auch keine Verletzung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung durch die Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 BAS, der bestimmt, dass eine private Übernachtung nicht vorliegt, wenn der Beherbergungsgast dies eindeutig durch eine Bescheinigung des Arbeitgebers nachweist.
84In der Tat wäre die Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 BAS rechtswidrig, wenn sie dem Steuerschuldner eine Beweisführungslast in der Form auferlegen würde, dass auch bei Kenntnis der Beklagten von der beruflichen Veranlassung der Übernachtung ohne den Nachweis die Steuer entstehen soll oder die Beklagte sich aufdrängende Aufklärungsmaßnahmen nicht zu ergreifen hätte.
85Zur Unzulässigkeit einer formellen Beweislastregelung unter Geltung des Untersuchungsgrundsatzes vgl. Wünsch in: Palke/Koenig, AO, 2. Aufl., § 88 Rn. 27; Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 24 Rn. 54; Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl., § 24 Rn. 40.
86Denn nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG i. V. m. § 88 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Gemeinde den Sachverhalt grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln.
87Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 Satz 1 BAS beinhaltet jedoch keine solche Beweisführungslast. Der Wortlaut besagt nicht, dass immer dann eine private Übernachtung vorliegt, wenn keine eindeutige Arbeitgeberbescheinigung vorliegt. Die Arbeitgeberbescheinigung ist lediglich ein satzungsrechtlich hervorgehobenes geeignetes Beweismittel zur Ermittlung des Sachverhalts. Die Vorschrift kann gesetzeskonform in Übereinstimmung mit dem Untersuchungsgrundsatz dahin verstanden werden, dass auch dann die Steuer (noch) nicht erhoben wird, wenn der berufliche Charakter der Übernachtung bekannt ist oder sich weitere Aufklärungsmaßnahmen für die Beklagte aufdrängen. Dem entspricht offensichtlich auch die Verwaltungspraxis der Beklagten. So sieht der von ihr aufgestellte "Handlungsrahmen Beherbergungsabgabe" andere Beweismittel als nur die Arbeitgeberbescheinigung vor, wie etwa die Rechnungsübernahme durch den Arbeitgeber.
88Aus der so verstandenen Auslegung der Vorschrift des § 2 Abs. 3 Satz 1 BAS folgt gleichzeitig, dass sie keine Beweisführungslast begründet.
89Vgl. dazu, dass eine untergesetzliche Vorschrift, die dem Steuerpflichtigen sogar bestimmte Nachweise auferlegt, wegen des gesetzlichen Untersuchungsgrundsatzes nicht als formelle Beweislastregelung verstanden werden darf: BFH, Urteil vom 15.10.1976 - VI R 21/76 -, BFHE 120, 229 (232).
90Sie beinhaltet aber auch keine unzulässige materielle Beweislastregelung. Der Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 BAS lässt sich allerdings die Auffassung des Satzungsgebers entnehmen, dass dann, wenn weder positive Kenntnis der Beklagten vom beruflich bedingten Charakter der Übernachtung vorliegt noch weitere Aufklärungsmaßnahmen sich aufdrängen, ohne einen Nachweis der beruflichen Veranlassung ein privater Charakter der Übernachtung und damit ihre Steuerbarkeit anzunehmen ist. Daher mag die Vorschrift eine materielle Beweislastregelung enthalten. Eine solche wäre jedoch zulässig.
91Die materielle Beweislast gehört nicht dem Verfahrens-, sondern dem materiellen Recht an,
92vgl. Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 24 Rn. 55; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl., § 24 Rn. 41; Söhn in: Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO/FGO, Loseblattsammlung (Stand August 2013), § 88 AO, Rn. 360,
93hier also dem Aufwandsteuerrecht, zu dessen Regelung und damit auch zur Regelung der materiellen Beweislast die Beklagte befugt ist. Die verfassungsrechtliche Grenze der Regelungsbefugnis bildet insoweit der rechtsstaatliche Grundsatz eines fairen Verfahrens.
94Vgl. BVerfG, Urteil vom 13.2.2007 ‑ 1 BvR 421/05 ‑ BVerfGE 117, 202 (240); Beschluss vom 25.7.1979 ‑ 2 BvR 878/74 ‑, BVerfGE 52, 131 (144 f.); zum rechtsstaatlichen Grundsatz eines fairen Verwaltungsverfahrens vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.8.2000 ‑ 11 B 30.00 ‑, NVwZ 2001, 94 (95); Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl., Art. 20 Rn. 31a.
95Gegen diesen Grundsatz verstößt § 2 Abs. 3 Satz 1 BAS nicht, sollte in ihm eine materielle Beweislastregelung enthalten sein.
96Grundsätzlich trägt nach der Rosenbergschen Normbegünstigungstheorie der Steuergläubiger für steuerbegründende und -erhöhende Tatsachen und der Steuerschuldner für steuerentlastende oder -mindernde Tatsachen die Beweislast. Es kann aber durchaus sachgerecht sein, im Rahmen der sogenannten sphärenorientierten Beweisrisikoverteilung unter Berücksichtigung von Mitwirkungspflichten,
97vgl. Seer in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 22 Rn. 190 f.,
98eine Verteilung unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der Beweisführung vorzunehmen.
99Vgl. Heßhaus in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 24 Rn. 17.1; allgemein zu den verschiedenen Gesichtspunkten der Ergänzung des Normbegünstigungsprinzips Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG , 7. Aufl., § 24 Rn. 55.
100Hier regelt die Beherbergungsabgabensatzung allgemeine Mitwirkungs- und Auskunftsobliegenheiten des Beherbergungsgastes und mittelbar des Arbeitgebers (§12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG i. V. m. §§ 90 Abs. 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AO) zur Ermittlung des steuerrechtlich relevanten Sachverhalts. Dies ist sachgerecht, da die Kenntnis vom beruflichen oder privaten Charakter der Übernachtung allein bei den genannten Personen liegt. Auch hier bezieht sich der vom Verwaltungsgericht herangezogene Umstand diesbezüglich fehlender Kenntnis des Beherbergungsunternehmers nicht auf die Zulässigkeit der materiellen Beweislastnorm, sondern auf die Frage richtiger Auswahl des Steuerschuldners.
101Schließlich ist die Beherbergungsabgabesatzung auch nicht aufgrund eines strukturellen Vollzugsdefizits wegen der Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG nichtig.
102Der Gleichheitssatz verlangt für das Steuerrecht, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Die Besteuerungsgleichheit hat mithin als ihre Komponenten zum einen die Gleichheit der normativen Steuerpflicht, aber andererseits ebenso die Gleichheit bei deren Durchsetzung in der Steuererhebung. Daraus folgt, dass das materielle Steuergesetz ‑ und damit auch die hier in Rede stehende Beherbergungsabgabesatzung ‑ in ein normatives Umfeld eingebettet sein muss, welches die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges prinzipiell gewährleistet.
103Vgl. BVerfG, Urteil vom 27.6.1991 ‑ 2 BvR 1493/89 ‑, BVerfGE 84, 239 (Leitsatz 1).
104Die steuerliche Lastengleichheit fordert mithin, dass das materielle Steuergesetz die Gewähr seiner regelmäßigen Durchsetzbarkeit soweit wie möglich in sich selbst trägt. Der Normgeber hat demgemäß die Besteuerungstatbestände und die ihnen entsprechenden Erhebungsregelungen aufeinander abzustimmen. Führen Erhebungsregelungen dazu, dass ein gleichmäßiger Belastungserfolg prinzipiell verfehlt wird, kann die materielle Steuernorm nicht mehr gewährleisten, dass die Steuerpflichtigen nach Maßgabe gleicher Lastenzuteilung belastet wären; sie wäre dann gerade umgekehrt Anknüpfungspunkt für eine gleichheitswidrige Lastenverteilung.
105Vgl. BVerfG, Urteil vom 27.6.1991 ‑ 2 BvR 1493/89 ‑, BVerfGE 84, 239 (271 f.); BVerwG, Urteil vom 23.2.2011 - 6 C 22.10 -, BVerwGE 139, 42 Rn. 67.
106Regelungen, die die Durchsetzung des Steueranspruchs sichern und Steuerverkürzungen verhindern sollen, müssen auf die Eigenart des konkreten Lebensbereichs und des jeweiligen Steuertatbestands ausgerichtet werden. Wird eine Steuer nicht an der Quelle erhoben, hängt ihre Festsetzung vielmehr von der Erklärung des Steuerschuldners ab, werden erhöhte Anforderungen an die Steuerehrlichkeit des Steuerpflichtigen gestellt. Der Gesetzgeber muss die Steuerehrlichkeit deshalb durch hinreichende, die steuerliche Belastungsgleichheit gewährleistende Kontrollmöglichkeiten abstützen. Im Veranlagungsverfahren bedarf das Deklarationsprinzip der Ergänzung durch das Verifikationsprinzip.
107Vgl. BVerfG, Urteil vom 27.6.1991 ‑ 2 BvR 1493/89 ‑, BVerfGE 84, 239 (273).
108Verfassungsrechtlich verboten ist der Widerspruch zwischen dem normativen Befehl der materiell pflichtbegründenden Steuernorm und der nicht auf Durchsetzung angelegten Erhebungsregelung. Zur Gleichheitswidrigkeit führt nicht ohne weiteres die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen, wohl aber das normative Defizit des widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts.
109Vgl. BVerfG, Urteil vom 9.3.2004 ‑ 2 BvL 1702 ‑, BVerfGE 110, 94 (Leitsatz 2).
110Vorliegend hängt die Steuerbelastung des Steuerschuldners und damit infolge der Möglichkeit einer Abwälzung mittelbar auch des Steuerträgers allein von freiwillig offenbarten Informationen ab, da die Beklagte über den steuerbegründenden privaten Charakter der jeweiligen Übernachtung in aller Regel keine eigenen Erkenntnisse hat. Daraus folgt zwar, dass es eines normativen Umfelds bedarf, das die Gleichheit der Belastung hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges sichert. Das ist aber der Fall.
111Eine beachtliche Gewähr für den gleichheitsgerechten Erfolg bietet bereits der Umstand, dass hier nur das Handeln des Beherbergungsgastes durch Vorlage entsprechender Nachweise zur Steuerfreiheit für beruflich bedingte Übernachtungen führt. Damit unterscheidet sich die vorliegende Konstellation von Besteuerungsverfahren, in denen das Unterlassen einer Handlung die faktische Steuerfreiheit nach sich zieht.
112Vgl. zur Erklärung privater Zinserträge: BVerfG, Urteil vom 27.6.1991 ‑ 2 BvR 1493/89 ‑, BVerfGE 84, 239 (275); zur Offenbarung von Spekulationsgewinnen: BVerfG, Urteil vom 9.3.2004 ‑ 2 BvL 17/02 ‑, BVerfGE 110, 94 (119).
113Damit bleibt im Hinblick auf die Frage nach einem strukturellen Vollzugsdefizit vor allem, wie auch vom Verwaltungsgericht ausgeführt, die Gefahr wahrheitswidriger Erklärungen durch Gefälligkeitsbescheinigungen oder Eigenbescheinigungen Selbständiger.
114Diese durchaus nicht auszuschließende Gefahr führt jedoch nicht zu einem strukturellen Vollzugsdefizit. Für die Richtigkeit ausgestellter Bescheinigungen spricht schon die Strafbewehrtheit der Ausstellung einer unrichtigen oder unvollständigen Bescheinigung (§ 17 Abs. 1 KAG ‑ Abgabenhinterziehung ‑) und die Bußgeldbewehrtheit bloßer Abgabengefährdung (§ 20 Abs. 2 KAG) angesichts nur geringfügiger Ersparnis durch unberechtigte Steuerfreiheit.
115Denkbar ist auch eine Fehlannahme der beruflichen Veranlassung, wenn sie aus wenig sicheren Indizien gefolgert wird, etwa bei bloßer Angabe des Arbeitgebers in der Rechnungsanschrift, wenn die Rechnung aber vom Beherbergungsgast persönlich beglichen wird. Jedoch ist davon auszugehen, dass die Beklagte über ausreichende Kenntnisse vom Wirtschaftsraum Dortmund verfügt, um in etwa das Verhältnis zwischen privaten und beruflich bedingten Übernachtungen bei einzelnen Kategorien von Beherbergungsunternehmen abschätzen zu können. Damit ist eine Fehleinschätzung in einem hier erheblichen Umfang unwahrscheinlich. Dass die vollständige Erfassung aller Steuerfälle verfehlt wird, kann unterstellt werden. Kritikwürdige Vollzugsdefizite gibt es viele, entscheidend ist jedoch, wann diese die Qualität eines strukturellen Vollzugsdefizits erreichen mit der Folge der Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden materiellen Norm.
116Vgl. Hey in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 3 Rn. 115.
117Das ist erst der Fall, wenn die gleichmäßige Erfassung nicht mehr prinzipiell gewährleistet ist. Davon kann hier keine Rede sein, auch wenn Verbesserungen im Vollzug der Beherbergungsabgabe möglich sind.
118Dem Beherbergungsunternehmer wird auch kein unverhältnismäßiger Organisationsaufwand abverlangt, der ihn in seiner Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG in verfassungswidriger Weise verletzen würde.
119Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 7.2.2013 - 4 KN 1/12 -, NVwZ-RR 2013, 816 Rn. 108.
120Die Unterscheidung zwischen privaten und beruflich bedingten Übernachtungen ist ohne unverhältnismäßige Mitwirkungsbeiträge des Steuerpflichtigen durch die Beklagte geregelt. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 BAS erfolgt der Nachweis der berufsbedingten Übernachtung regelmäßig durch die Vorlage der entsprechenden Arbeitgeberbescheinigung. Nach Nummer 1 des von der Beklagten aufgestellten "Handlungsrahmens Beherbergungsabgabe" bestehen weitere Möglichkeiten eines Nachweises. Die Einholung entsprechender Erklärungen der Übernachtungsgäste im Rahmen der Anmeldung oder während des Aufenthalts ist dem Beherbergungsunternehmer zuzumuten, der ohnehin wegen der Abwicklung des Beherbergungsvertrags und der mit ihm verbundenen melderechtlichen Verpflichtungen (vgl. § 26 des Meldegesetzes NRW ‑ MG NRW ‑) den Beherbergungsgast zu befragen hat. Der von Klägerseite problematisierte Beratungsaufwand hält sich bei möglicher schriftlicher Aufklärung der Gäste in Grenzen, zumal er sich reduzieren wird, wenn die Beherbergungsabgabe hinreichend verbreitet ist. Der durch die Verpflichtung zur Abgabenerklärung gemäß § 7 Abs. 1 BAS entstehende zusätzliche Organisationsaufwand, der lediglich einmal im Kalendervierteljahr anfällt, führt nicht zu einer Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. Nach den überzeugenden Bekundungen der in der mündlichen Verhandlung informatorisch vernommenen Empfangschefin eines Hotels ist die Zusammenstellung des zu besteuernden Aufwands mittels elektronischer Datenverarbeitung kein Problem mehr, wenn erst die Erfassung der Übernachtung als privat oder beruflich veranlasst erfolgt ist.
121Die Satzung ist jedoch nichtig, weil sie in § 5 rechtswidrig den Betreiber des Beherbergungsbetriebs zum Steuerschuldner bestimmt. Allerdings schreibt § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG vor, dass die Satzung den Kreis der Abgabeschuldner angeben muss. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG i. V. m. § 43 Satz 1 AO bestimmt die Satzung, wer Steuerschuldner ist. Dem Satzungsgeber wird damit ein Spielraum eröffnet. Allerdings ist er begrenzt: Der Satzungsgeber ist an die Grundentscheidungen des Kommunalabgabengesetzes gebunden, insbesondere daran, dass es für das Entstehen der Abgabeschuld an einen Abgabetatbestand anknüpft.
122Vgl. Holtbrügge in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblattsammlung (Stand: September 2013), § 2 Rn. 52; Lenz in: Hamacher u. a., KAG NRW, Loseblattsammlung (Stand: März 2013), § 2 Rn. 50 f.
123Das gilt auch für die Steuer. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG i. V. m. § 38 AO entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Daher muss die Satzung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG den die Abgabe begründenden Tatbestand angeben. Diese Grundentscheidung des Kommunalabgabengesetzes, das Entstehen der Steuerschuld an die Verwirklichung eines Steuertatbestands zu knüpfen, begrenzt den Kreis der in der Satzung zu bestimmenden möglichen Steuerschuldner. Nur wem die Erfüllung des Steuertatbestands zugerechnet werden kann, darf zum Steuerschuldner bestimmt werden. Daher ist es zumindest erforderlich, dass der Steuerschuldner in einer besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehung zum Steuergegenstand steht oder einen maßgebenden Beitrag zur Verwirklichung des steuerbegründenden Tatbestands leistet.
124Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12.4.2012 ‑ 14 B 1520/11 ‑, NRWE Rn. 32 f.; ähnlich schon Urteil vom 2.10.1957 ‑ III A 1779/56 ‑, KStZ 1957, 271 (272), zur Zulässigkeit der Haftung der verpachtenden Brauerei für die Schankerlaubnissteuerschuld des Gastwirts; dazu BVerwG, Urteil vom 14.8.1959 ‑ VII CB 231.57 ‑, KStZ 1959, 228 (229); VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.2.2011 ‑ 2 S 196/10 ‑, KStZ 2011, 231 (235); ähnlich bereits RVerwG, Entscheidung vom 24.2.1942 ‑ VIII C 18/41 ‑, RVBl. 1943, 74 (75).
125Steuergegenstand ist das Steuergut mit dem Inhalt und Umfang der Tatbestandsverwirklichung. Das ist hier gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BAS der Aufwand des Beherbergungsgastes, um die Möglichkeit einer entgeltlichen privaten Übernachtung zu erlangen.
126Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.8.2012 ‑ 14 A 1532/12 ‑, NRWE Rn. 10 f.
127Zu diesem Steuergegenstand steht der Betreiber des Beherbergungsbetriebs nur zum Teil in einer besonderen rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehung, nur zum Teil leistet er einen maßgebenden Beitrag zur Verwirklichung dieses Tatbestands.
128Zugerechnet werden können ihm die Tatbestandselemente der Möglichkeit einer entgeltlichen Übernachtung und der dafür vom Beherbergungsgast betriebene Konsumaufwand. Der Unternehmer bietet nämlich die Möglichkeit einer entgeltlichen Übernachtung gegen einen bestimmten, vom Beherbergungsgast aufzuwendenden Preis auf dem Markt an. Das ist jedoch nur ein Teil des steuerbegründenden Tatbestands. Zum weiteren Tatbestandsmerkmal des privaten Charakters der Übernachtung steht der Unternehmer in keinerlei Beziehung, zu der Verwirklichung dieses Elements leistet er keinerlei Beitrag.
129Derjenige, dem dieses steuerbegründende Merkmal zugerechnet werden kann, ist vielmehr der Beherbergungsgast, der über den Zweck der Beherbergung entscheidet. Der Unternehmer weiß im Regelfall noch nicht einmal, ob dieses Tatbestandselement vorliegt. Diese nur gelockerte Beziehung des Beherbergungsunternehmers zum Steuergegenstand schließt es aus, ihn zum Steuerschuldner zu bestimmen. Es hätte einerseits zur Folge, dass in der Person des Unternehmers eine Steuerschuld entsteht, wenn eine steuerfreie beruflich bedingte Übernachtung glaubhaft ist, jedoch in Wirklichkeit eine private Übernachtung vorliegt, und andererseits, dass der Unternehmer für ihn unvermeidlich zu einer Steuer herangezogen wird, obwohl keine Steuerschuld entstanden ist, wenn der Beherbergungsgast aus welchen Gründen auch immer die berufliche Veranlassung der Übernachtung nicht offenlegt.
130Dem Umstand, dass das steuerbegründende Merkmal des privaten Charakters der Übernachtung dem Unternehmer nicht zugerechnet werden kann, kann nicht entgegengehalten werden, dass er sich wirtschaftlich schadlos halten kann und nach der Konzeption auch soll, indem er die in seiner Person entstandene Steuer auf den Beherbergungsgast abwälzt.
131So aber wohl OVG S-H, Urteil vom 7.2.2013 ‑ 4 KN 1/12 ‑, NVwZ-RR 2013, 816 Rn. 89.
132Das ist schon tatsächlich in der Konstellation nicht möglich, dass für den Unternehmer glaubhaft, jedoch fälschlich eine steuerfreie beruflich bedingte Übernachtung vorzuliegen scheint. Die These ist aber grundsätzlich verfehlt. Die Abwälzbarkeit ist ein begrifflich notwendiges Merkmal jedweder indirekten Aufwandsteuer, denn besteuertes Steuergut ist der Konsumaufwand, der in der Person des Steuerschuldners bei einer indirekten Steuer nicht anfällt. Die Abwälzbarkeit ist jedoch kein hinreichendes Merkmal dafür, jeden unabhängig von seiner Beziehung zum Steuertatbestand zum Steuerschuldner bestimmen zu dürfen, der die Steuer abwälzen kann. Die genannte Auffassung verkennt, dass das Kommunalabgabengesetz schon das Entstehen einer Steuerschuld in der Person des Steuerschuldners als rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Rechtssphäre des Steuerschuldners wertet, unabhängig von der Frage, wen die Steuer letztlich wirtschaftlich trifft. Diese Rechtfertigung liegt darin, dass dem Steuerschuldner die Verwirklichung des Steuertatbestands zugerechnet werden kann, nicht darin, dass er die wirtschaftlichen Folgen der Steuer abwälzen kann.
133Die oben dargelegte Nähe des Unternehmers zum Steuergegenstand jenseits des privaten Charakters der Übernachtung rechtfertigt es lediglich, ihn zum Steuerentrichtungspflichtigen zu bestimmen. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG i. V. m. § 43 Satz 2 AO bestimmt die Satzung auch, ob ein Dritter die Steuer für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat. In diesem Fall entsteht die Steuer in der Person eines Dritten, nämlich des mit dem Steuerentrichtungspflichtigen nicht identischen Steuerschuldners. Der Steuergläubiger bedient sich des Steuerentrichtungspflichtigen allein dazu, die Steuer beim Steuerschuldner einzuziehen und an den Steuergläubiger abzuführen. Auch eine solche Steuerpflicht bedarf der Rechtfertigung. Diese kann in der Nähe des Steuerentrichtungspflichtigen zum Steuergegenstand und zum Steuerschuldner liegen. Die Beziehung des Steuerentrichtungspflichtigen zum Steuergegenstand und Steuerschuldner muss nicht eine die Steuerschuldnerschaft rechtfertigenden Dichte aufweisen, sondern lediglich die Zumutbarkeit der aus der Steuerentrichtungspflicht entspringenden Steuerpflichten begründen.
134Das Kommunalabgabengesetz selbst enthält vergleichbare Regelungen für eine besondere Abgabe, nämlich den Kurbeitrag.
135Ein bundesrechtliches Beispiel ist die Versicherungssteuer, deren Schuldner der Versicherungsnehmer ist, während der Versicherer die Steuer zu entrichten hat, vgl. § 7 Abs. 1 und 2 des Versicherungsteuergesetzes (VersStG).
136Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 KAG ist abgabepflichtig derjenige, der in dem Kurort Unterkunft nimmt. Als Abgabeentrichtungspflichtiger kann der bestimmt werden, der Personen zu Heil- oder Kurzwecken beherbergt oder als Grundeigentümer Unterkunftsmöglichkeiten gewährt (§ 11 Abs. 3 KAG). Ihn trifft nur die Pflicht, die Abgabepflichtigen zu melden, die Abgabe einzuziehen und an den Abgabegläubiger abzuliefern.
137Bei einer entsprechenden Ausgestaltung der Beherbergungsabgabe stellt sich die Frage der Abwälzbarkeit nicht, da es um eine direkte Aufwandsteuer geht. Im Falle unrichtiger Annahme einer steuerfreien beruflich bedingten Übernachtung entsteht die Steuer zu Recht in der Person des Beherbergungsgastes, nicht des steuerentrichtungspflichtigen Unternehmers, der nur für die korrekte Erfüllung seiner - in der Satzung, nicht in einem "Handlungsrahmen" präzise festzulegenden - zumutbaren Pflichten verantwortlich ist. Wird vom Beherbergungsgast zu Unrecht eine Steuer eingezogen, weil er den beruflich bedingten Charakter der Übernachtung nicht hinreichend offenbart, ist das unbedenklich, da dies auf der Verletzung seiner Mitwirkungs- und Auskunftspflichten beruht (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG i. V. m. § 90 Abs. 1, 93 AO). Erstattungsansprüche wegen einer zu Unrecht erhobenen Steuer stehen ihm zu (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG i. V. m. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO), nicht ‑ wie es in § 2 Abs. 3 Satz 4 BAS geregelt ist ‑ seinem Arbeitgeber.
138Vgl. zu einer ähnlichen Regelung bei Steuerschuldnerschaft des Unternehmers OVG NRW, Urteil vom 23.1.2013 - 14 A 1860/11 ‑, NRWE Rn. 100 ff.; dazu BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2013 - 9 B 16.13 ‑, juris Rn. 3.
139Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
140Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.
141Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 VwGO nicht vorliegen. Entscheidungstragend ist die Reichweite der landesrechtlichen Ermächtigung des Satzungsgebers, den Steuerschuldner zu bestimmen.
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
- 1
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
- 2
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
- 5
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
- 55
-
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
(1) Amtsträger haben das Steuergeheimnis zu wahren.
(2) Ein Amtsträger verletzt das Steuergeheimnis, wenn er
- 1.
personenbezogene Daten eines anderen, die ihm - a)
in einem Verwaltungsverfahren, einem Rechnungsprüfungsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen, - b)
in einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder einem Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit, - c)
im Rahmen einer Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4, 5 oder 6 oder aus anderem dienstlichen Anlass, insbesondere durch Mitteilung einer Finanzbehörde oder durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorlage eines Steuerbescheids oder einer Bescheinigung über die bei der Besteuerung getroffenen Feststellungen,
- 2.
ein fremdes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm in einem der in Nummer 1 genannten Verfahren bekannt geworden ist,
- 3.
geschützte Daten im automatisierten Verfahren unbefugt abruft, wenn sie für eines der in Nummer 1 genannten Verfahren in einem automationsgestützten Dateisystem gespeichert sind.
(3) Den Amtsträgern stehen gleich
- 1.
die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 des Strafgesetzbuchs), - 1a.
die in § 193 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Personen, - 2.
amtlich zugezogene Sachverständige, - 3.
die Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind.
(4) Die Offenbarung oder Verwertung geschützter Daten ist zulässig, soweit
- 1.
sie der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 Buchstaben a und b dient, - 1a.
sie einer Verarbeitung durch Finanzbehörden nach Maßgabe des § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 oder 6 dient, - 1b.
sie der Durchführung eines Bußgeldverfahrens nach Artikel 83 der Verordnung (EU) 2016/679 im Anwendungsbereich dieses Gesetzes dient, - 2.
sie durch Bundesgesetz ausdrücklich zugelassen ist, - 2a.
sie durch Recht der Europäischen Union vorgeschrieben oder zugelassen ist, - 2b.
sie der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Statistischen Bundesamtes oder für die Erfüllung von Bundesgesetzen durch die Statistischen Landesämter dient, - 2c.
sie der Gesetzesfolgenabschätzung dient und die Voraussetzungen für eine Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 vorliegen, - 2d.
sie der Sicherung, Nutzung und wissenschaftlichen Verwertung von Archivgut der Finanzbehörden durch das Bundesarchiv nach Maßgabe des Bundesarchivgesetzes oder durch das zuständige Landes- oder Kommunalarchiv nach Maßgabe des einschlägigen Landesgesetzes oder der einschlägigen kommunalen Satzung dient, sofern die Beachtung der Vorgaben der §§ 6 und 10 bis 14 des Bundesarchivgesetzes im Landesrecht oder in der kommunalen Satzung sichergestellt ist, - 3.
die betroffene Person zustimmt, - 4.
sie der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Tat dient, die keine Steuerstraftat ist, und die Kenntnisse - a)
in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erlangt worden sind; dies gilt jedoch nicht für solche Tatsachen, die der Steuerpflichtige in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens offenbart hat oder die bereits vor Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens im Besteuerungsverfahren bekannt geworden sind, oder - b)
ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht erlangt worden sind,
- 5.
für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht; ein zwingendes öffentliches Interesse ist namentlich gegeben, wenn - a)
die Offenbarung erforderlich ist zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die Verteidigung oder die nationale Sicherheit oder zur Verhütung oder Verfolgung von Verbrechen und vorsätzlichen schweren Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen, - b)
Wirtschaftsstraftaten verfolgt werden oder verfolgt werden sollen, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern, oder - c)
die Offenbarung erforderlich ist zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern; die Entscheidung trifft die zuständige oberste Finanzbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen; vor der Richtigstellung soll der Steuerpflichtige gehört werden.
(5) Vorsätzlich falsche Angaben der betroffenen Person dürfen den Strafverfolgungsbehörden gegenüber offenbart werden.
(6) Der Abruf geschützter Daten, die für eines der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Verfahren in einem automationsgestützten Dateisystem gespeichert sind, ist nur zulässig, soweit er der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 Buchstabe a und b oder der zulässigen Übermittlung geschützter Daten durch eine Finanzbehörde an die betroffene Person oder Dritte dient. Zur Wahrung des Steuergeheimnisses kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, welche technischen und organisatorischen Maßnahmen gegen den unbefugten Abruf von Daten zu treffen sind. Insbesondere kann es nähere Regelungen treffen über die Art der Daten, deren Abruf zulässig ist, sowie über den Kreis der Amtsträger, die zum Abruf solcher Daten berechtigt sind. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie die Kraftfahrzeugsteuer, die Luftverkehrsteuer, die Versicherungsteuer sowie Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern, mit Ausnahme der Biersteuer, betrifft.
(7) Werden dem Steuergeheimnis unterliegende Daten durch einen Amtsträger oder diesem nach Absatz 3 gleichgestellte Personen nach Maßgabe des § 87a Absatz 4 oder 7 über De-Mail-Dienste im Sinne des § 1 des De-Mail-Gesetzes versendet, liegt keine unbefugte Offenbarung, Verwertung und kein unbefugter Abruf von dem Steuergeheimnis unterliegenden Daten vor, wenn beim Versenden eine kurzzeitige automatisierte Entschlüsselung durch den akkreditierten Diensteanbieter zum Zweck der Überprüfung auf Schadsoftware und zum Zweck der Weiterleitung an den Adressaten der De-Mail-Nachricht stattfindet.
(8) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abgleich geschützter Daten innerhalb einer Finanzbehörde oder zwischen verschiedenen Finanzbehörden ermöglicht, ist zulässig, soweit die Weiterverarbeitung oder Offenbarung dieser Daten zulässig und dieses Verfahren unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person und der Aufgaben der beteiligten Finanzbehörden angemessen ist.
(9) Die Finanzbehörden dürfen sich bei der Verarbeitung geschützter Daten nur dann eines Auftragsverarbeiters im Sinne von Artikel 4 Nummer 8 der Verordnung (EU) 2016/679 bedienen, wenn diese Daten ausschließlich durch Personen verarbeitet werden, die zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet sind.
(10) Die Offenbarung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 durch Finanzbehörden an öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen ist zulässig, wenn die Voraussetzungen der Absätze 4 oder 5 und ein Ausnahmetatbestand nach Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/679 oder nach § 31c vorliegen.
(11) Wurden geschützte Daten
nach den Absätzen 4 oder 5 offenbart, darf der Empfänger diese Daten nur zu dem Zweck speichern, verändern, nutzen oder übermitteln, zu dem sie ihm offenbart worden sind. Die Pflicht eines Amtsträgers oder einer ihm nach Absatz 3 gleichgestellten Person, dem oder der die geschützten Daten durch die Offenbarung bekannt geworden sind, zur Wahrung des Steuergeheimnisses bleibt unberührt.Tenor
-
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
- 1
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
- 2
-
Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
- 3
-
Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
- 4
-
Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
- 5
-
Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
- 6
-
In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
- 7
-
Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
- 8
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
- 9
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
- 10
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 11
-
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
- 12
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
- 13
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
- 2
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.
(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
- 1
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
- 2
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
- 3
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
- 4
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
- 6
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
- 7
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
- 8
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
- 10
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
- 16
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass das Auskunftsersuchen des Beklagten vom 22. Oktober 2008 rechtswidrig gewesen ist.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, soweit nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
Tatbestand
- 1
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens.
- 2
Der Kläger ist eingetragener Kaufmann. Er tritt unter der Firma B. e.K. auf. Gegenstand des Unternehmens ist der Export und Import von Waren aller Art (vgl. Handelsregister A des Amtsgerichts S., HRA ...).
- 3
In der Zeit vom 17. Dezember 2007 bis zum 29. Juni 2010 führte der Beklagte beim Kläger eine Betriebsprüfung durch, die sich auf Einkommensteuer 2002 bis 2004, Umsatzsteuer 2002 bis 2004 und Gewerbesteuer 2002 bis 2004 erstreckte (geänderter Prüfungsbericht vom 30. Juni 2010).
- 4
In mehreren Schreiben im Juli bis Oktober 2008 mahnten die Prozessbevollmächtigten des Klägers den Abschluss der Betriebsprüfung an. Die Prüferin antwortete mit Schreiben vom 16. Oktober 2008, dass diverse Prüfungsanfragen an das Bundeszentralamt für Steuern und an das Steuerbüro gestellt worden seien; nach abschließender Klärung würden die Prüfungsfeststellungen mitgeteilt werden. Mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 forderten die Prozessbevollmächtigten des Klägers den Beklagten auf, seine Prüfungsanfragen aufzulisten.
- 5
Nach dem Eingang des Schreibens der Prozessbevollmächtigten vom 20. Oktober 2008 richtete der Beklagte ohne den Kläger vorher hierzu angehört zu haben ein Auskunftsersuchen an die B. C. GmbH, ... R. (inzwischen ...weg 11, ... H., eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts H. unter HRB ...) – B. – betreffend Provisionszahlungen. Der Beklagte führte im Schreiben vom 22. Oktober 2008 aus, dass eine Sachverhaltsaufklärung mit den Beteiligten nicht möglich sei. Man bitte deshalb, bis zum 04. November 2008 schriftlich Auskunft zu geben, ob dem oben genannten Steuerpflichtigen – A... – in den Jahren 2002 bis 2004 Provisionen etc. gutgeschrieben oder ausgezahlt worden seien. Gegebenenfalls werde um die Vorlage geeigneter Unterlagen gebeten, aus denen sich die Höhe und der Zeitpunkt der Provisionszahlungen sowie die Kontoverbindung des Empfängers ergeben. Als Rechtsgrundlage der Auskunftspflicht der B. gab der Beklagte § 93 der Abgabenordnung (AO) an.
- 6
Den vom Beklagten vorgelegten Arbeitsunterlagen zur Betriebsprüfung für die Jahre 2002 bis 2004 kann entnommen werden, dass es unter dem Datum 16. Oktober 2008 auch ein Auskunftsersuchen betreffend Provisionszahlungen gegenüber der M. Maschinenbau ... GmbH & Co. KG (M.) gegeben hatte. Hiergegen wurde kein Einspruch eingelegt. Die Antwort der M. ging beim Beklagten per Telefax am 21. Oktober 2008 ein. Die M. gab an, an den Kläger in den Jahren 2003 und 2004 insgesamt drei Zahlungen geleistet zu haben. In den drei vorgelegten Abrechnungspapieren aus den Jahren 2003 taucht der Begriff „Provision“ jedoch nicht auf; es ist vielmehr die Rede von „Ausgleichzahlungen“. Bezüglich der M. gab es bereits im Rahmen der Prüfung für die Vorjahre eine auf einer Kontrollmitteilung beruhende (streitige) Prüfungsfeststellung betreffs des Erhalts von Provisionen durch den Kläger. Das dazugehörige Klageverfahren wegen Umsatzsteuer wurde beim erkennenden Senat unter dem Aktenzeichen 3 K 923/07 geführt. Gestritten wurde um eine Umsatzerhöhung von 8.530,69 DM (brutto 9.895,61 DM) im Zusammenhang mit einer Rechnung der M. vom 11. April 2000, in der auch von einer „Ausgleichszahlung“ bzw. von „Bonusbeträgen“ die Rede war. Das Wort „Provision“ wird in der Kontrollmitteilung des Finanzamtes K. verwendet. Einem Vermerk in den vom Beklagten vorgelegten Akten, bei dem es sich um eine Stellungnahme zum Einspruch handelt und der von der vermutlich von der Prüferin stammt, ist zu entnehmen, dass die Feststellungen im Zusammenhang mit der M. Anstoß für das Auskunftsersuchen an die B. waren. In dem Vermerk wird ausgeführt: „Um die Prüfung zu vervollständigen, wurde auch der zweite Lieferant (B. GmbH) um Auskunft gebeten.“
- 7
Die B. antwortete mit Schreiben vom 24. Oktober 2008 (beim Beklagten am 29. Oktober 2008 eingegangen), dass man sich über die Frage nach Provisionszahlungen wundere. A.h bzw. die Firma H. sei Vertragspartner der B. für Lieferungen von Absauganlagen nach Osteuropa. Dies seien reine Handelsgeschäfte, d.h. A.h erhalte von der B. Rechnungen abzüglich eines vereinbarten Wiederverkaufsrabattes zwischen 40 und 50 v.H. der Bruttopreise der B. Mit Zahlung dieser Rechnungen würden ausschließlich die Warenlieferungen beglichen. A. kaufe und verkaufe auf eigene Rechnung. Bis zum Jahr 2007 habe die B. von A. immer wieder ein bestimmtes Spezialteil bezogen. Dies habe er der B. in Rechnung gestellt und die B. habe verrechnet. Die von der B. zu tragenden Kosten der Vermarktung ihrer Produkte habe sie selbst übernommen. Da es sich um reine Handelsgeschäfte gehandelt und A. einen entsprechenden Rabatt erhalten habe, seine keine Provisionszahlungen vereinbart gewesen und bis heute auch nicht geleistet worden.
- 8
Bereits vor dem Eingang des Schreibens der B. war am 27. Oktober 2008 ein Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers beim Beklagten eingegangen, in dem sie erklärte, dass gegen das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 Einspruch eingelegt werde. Das Auskunftsersuchen sei aus mehreren Gründen rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten.
- 9
Das Auskunftsersuchen verstoße gegen § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, denn ein konkreter Anlass für die Auskunft sei nicht zu erkennen. Bei der Anfrage an die B. handele es sich um eine Ermittlung ins Blaue hinein.
- 10
Es liege ein Verstoß gegen § 93 Abs. 1 Satz 3 AO vor. Die Maßnahme verstoße gegen den Subsidiaritätsgrundsatz, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Der Beklagte behaupte in dem Auskunftsersuchen wahrheitswidrig, dass eine Sachverhaltsaufklärung mit dem Kläger nicht möglich sei. Der Beklagte sei zu keinem Zeitpunkt an den Kläger mit der Frage herangetreten, ob ihm von der B. in den Jahren Provisionen gutgeschrieben oder ausgezahlt worden seien. Im Übrigen bleibe unerfindlich, weshalb eine Sachverhaltsaufklärung mit dem Kläger nicht möglich sein sollte, wo doch der Beklagte sieben Prüfungsanfragen an ihn gerichtet und damit zu erkennen gegeben habe, dass er eine Sachverhaltsaufklärung mit dem Kläger für möglich erachte. Überdies habe der Kläger nach fast einjähriger Prüfung mit zwei vor der Prüfungsanfrage datierten Schreiben um Unterrichtung gemäß § 199 Abs. 2 AO gebeten; dem sei der Beklagte nicht nachgekommen.
- 11
Des Weiteren liege ein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verfahrens vor, weil der Beklagte das Auskunftsersuchen dem Kläger gegenüber nicht angekündigt habe. Das Gebot der Fairness verlange, dass man rechtliches Gehör hätte gewähren müssen.
- 12
Der Kläger legte ein an ihn gerichtetes Schreiben der B. vom 24. Oktober 2008 vor, in dem die B. ausführt, dass man mit Verwunderung das Schreiben des Beklagten erhalten habe. Die B. habe nie Provisionen an den Kläger geleistet, weil er einen nicht unerheblichen Wiederverkaufsrabatt erhalte. Man verstehe nicht, warum er das dem Finanzamt nicht mitteile; so etwas mache nachdenklich. Der Kläger führte aus, dass man dem Schreiben der B. unschwer entnehmen könne, dass das rechtswidrige Auskunftsersuchen eine Klimaverschlechterung der Geschäftsbeziehung mit der B. provoziert habe. Es werde erwartet, dass man der B. gegenüber die unwahre Behauptung richtig stelle.
- 13
Auf ein Schreiben des Beklagten vom 07. November 2008, in dem der Beklagte zur Begründung seiner Auffassung, weshalb er das Auskunftsersuchen für rechtmäßig halte, u.a. ausführte, der nach § 85 AO bestehende Ermittlungsgrundsatz habe erfordert, in Erfahrung zu bringen, ob und in welchem Umfang auch im Prüfungszeitraum Provisionen an den Kläger gezahlt wurden, trug der Kläger weiter vor, dass die sich aus § 85 AO ergebende allgemeine Ermittlungsbefugnis für sich allein nicht das Vorgehen nach § 93 AO rechtfertigen könne, wenn die Voraussetzungen des § 93 nicht vorliegen. Dass sich aus den Buchführungsunterlagen keine Provisionszahlungen ergeben, dokumentiere nichts anderes als die Erklärung des Steuerpflichtigen, keine Provisionen erhalten habe, gebe aber keinen konkreten Anlass i.S.d. § 93 AO her. Auch wenn der Beklagte im Rahmen der vorangegangenen Betriebsprüfung von der Annahme ausgehe, dass der Kläger von einem anderen Unternehmen Provisionen erhalten habe, was der Kläger bestreite, könne dies nicht das Auskunftsersuchen an die B. rechtfertigen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 10. November 2008 Bezug genommen.
- 14
Am 24. November 2008 fand in den Räumen des Beklagten ein Gespräch zwischen den Beteiligten statt. Als Ergebnis dieses Gesprächs unterbreitete die Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 25. November 2008 einen Vorschlag für ein Schreiben des Beklagten an die B., mit dem eine Richtigstellung des sich aus dem Auskunftsersuchen ergebenden Sachverhalts erfolgen sollte. Der Beklagte übernahm diesen Vorschlag und setzte ihn in einem Schreiben an die B. vom 25. November 2008 um. Auf den Inhalt des Aktenvermerks über das Gespräch sowie des Schreibens des Beklagten an die B. vom 25. November 2008 wird Bezug genommen.
- 15
Da der Kläger nach wie vor eine Entscheidung über den Einspruch begehrte, erließ der Beklagte unter dem Datum 23. Dezember 2008 eine Einspruchsentscheidung. Er verwarf den Einspruch gegen das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 als unzulässig. Es könne dahinstehen, ob das Ersuchen rechtswidrig gewesen sei, denn mit Erteilung der Auskunft sei der Verwaltungsakt erledigt. Der Einspruch sei mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Ob das Auskunftsersuchen rechtswidrig gewesen sei, könne nur noch geklärt werden, soweit die erhaltenen Auskünfte im Rahmen von nachfolgenden Verwaltungsakten für den Kläger zu belastenden Entscheidungen führen. An der Unzulässigkeit des Einspruchs ändere sich auch nichts, falls der Kläger trotz Erledigung des Verwaltungsaktes an der Feststellung seiner Rechtswidrigkeit ein berechtigtes Interesse haben sollte, denn eine dem § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vergleichbare Regelung gebe es für das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren nicht.
- 16
Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 05. Januar 2009 am 08. Januar 2009 Klage erhoben. Er trägt vor, dass das Auskunftsersuchen an die B. rechtswidrig gewesen sei und verweist auf seine Ausführungen im Einspruchsverfahren.
- 17
Durch die Auskunftserteilung habe sich der Verwaltungsakt erledigt. Damit sei die Fortsetzungsfeststellungsklage eröffnet. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Auskunftsverlangens.
- 18
Es bestehe Wiederholungsgefahr. Die begehrte Klärung sei als „Richtschnur für zukünftiges Verhalten“ des Beklagten von Bedeutung. Die Ausführungen des Beklagten im Schreiben vom 07. November 2008 würden belegen, dass dieser die Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens nach wie vor leugne und damit jede Einsicht fehle, unrechtmäßig vorgegangen zu sein. Mit großer Wahrscheinlichkeit werde in den Folgejahren ein im wesentlicher gleicher Sachverhalt der Besteuerung zugrunde liegen. Es sei anzunehmen, dass der Beklagte in gleicher Weise Auskunftsersuchen unter Umgehung des Klägers an Geschäftspartner des Klägers wiederhole. Diese Vorgehensweise sei, wie das Schreiben der B. an den Kläger zeige, geeignet, die Geschäftsbeziehungen des Klägers zu belasten und sein Ansehen bei seinen Geschäftspartnern zu beschädigen. Insoweit habe der Kläger ein reges wirtschaftliches Interesse daran, dass durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens vom 22. Oktober 2008 das Risiko von wahrscheinlichen und vermeintlich für erlaubt gehaltenen Wiederholungen zu vermindern.
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Des Weiteren bestehe ein berechtigtes Interesse unter dem Gesichtspunkt der Genugtuung und Rehabilitierung. Der Beklagte habe den Kläger offensichtlich deshalb übergangen, weil er Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit gehegt habe. Dies entbehre indes jeglicher Grundlage. Was von dem Beklagten insoweit vorgetragen werde (Schreiben vom 07. November 2008 Seite 1 letzter Absatz und Seite 2 erster Absatz) sei völlig inakzeptabel. Der diskriminierende Umgang mit dem Kläger begründe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens vom 22. Oktober 2008.
- 20
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger vorgetragen, dass nach seinem Erkenntnisstand im Zuge der derzeit laufenden Betriebsprüfung im Zusammenhang mit ausländischen Sachverhalten Auskunftsersuchen ergangen seien, ohne dass er zuvor gehört oder zu den Sachverhalten befragt worden sei.
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Der Kläger beantragt, festzustellen, dass das Auskunftsersuchen des Beklagten vom 22. Oktober 2008 rechtswidrig gewesen ist.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
- 23
Der Beklagte hat Zweifel an der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage, weil ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht erkennbar sei. Hinsichtlich der Wiederholungsgefahr fehle es an der substantiierten Darstellung eines konkreten, vernünftigerweise anzuerkennenden schutzwürdigen Interesses. Der allgemeine Hinweis, dass mit großer Wahrscheinlichkeit in den Folgejahren ein im Wesentlichen gleicher Sachverhalt der Besteuerung zugrunde liegen werde, reiche nicht aus. Im Übrigen könne es kein berechtigtes Interesse im Hinblick darauf geben, dass als Ziel der Klage dem Finanzamt untersagt werden solle, bei erneuten oder fortbestehenden Zweifeln am Wahrheitsgehalt der Aussagen des Klägers bzw. seiner Buchführung erneute Auskunftsersuchen an Dritte vorzunehmen. Dies sei mit Besteuerungsgrundsätzen und dem Untersuchungsgrundsatz nicht vereinbar.
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Hinsichtlich des Rehabilitationsinteresses weist der Beklagte auf sein Schreiben an die B. vom 25. November 2008 hin. Gründe, die eine weitergehende Rehabilitierung gegenüber der B. erforderlich erscheinen lassen, seien nicht vorgetragen. Was das Rehabilitierungsinteresse im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit des Klägers angehe, so enthalte das Auskunftsersuchen hierüber keine Aussage. Auch unter Berücksichtigung des Schreibens vom 07. November 2008 sei kein ausreichendes Feststellungsinteresse vorgetragen worden. Insoweit könne der Kläger seine Rehabilitierung im Anfechtungsverfahren gegen die erlassenen bzw. noch zu erlassenden Steuerbescheide erreichen.
- 25
Der Beklagte macht zudem Ausführungen dazu, weshalb seiner Ansicht nach das Auskunftsersuchen rechtmäßig gewesen sei. Insoweit wird auf die Ausführungen des Beklagten in der Klageerwiderung vom 26. Februar 2009 Bezug genommen.
- 26
In der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter des Beklagten erklärt, dass sie zu Auskunftsersuchen während der derzeit laufenden Betriebsprüfung nicht sagen könnten; hierzu wüssten sie nichts. Sie gaben des Weiteren die Erklärung ab, dass sie sich hinsichtlich der zukünftigen Praxis zu Auskunftsersuchen nicht weiter äußern möchten. Ausgenommen sei die B.; insoweit werde der Beklagte keine weiteren Auskunftsersuchen stellen, soweit es Provisionserlöse angehe.
- 27
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligte sowie auf die vom Beklagten vorgelegten, den Streitfall betreffenden Akten Bezug genommen; hierzu gehören auch die Akten die zum Verfahren 3 K 923/07 vorgelegt wurden.
Entscheidungsgründe
- 28
1. Die Klage ist zulässig.
- 29
Die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist statthaft; der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 rechtswidrig gewesen ist.
- 30
a) Nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO kann, wenn ein mit der Klage angefochtener Verwaltungsakt sich im Verlauf des Klageverfahrens erledigt hat, das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts feststellen. Diese Regelung ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entsprechend anzuwenden, wenn ein Verwaltungsakt sich schon vor der Klageerhebung und vor der Einleitung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens erledigt hat (BFH-Urteile vom 04. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFH/NV 2013, 431; vom 26. September 2007 I R 43/06, BFHE 219, 13, BStBl II 2008, 134, m.w.N.; Beermann/Gosch, FGO § 100 Rz 44; vgl. auch weitere Rechtsprechungsnachweise bei von Groll in Gräber, FGO, 7. Auflage, § 100 Rz. 59 und in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 100 FGO Tz. 52).
- 31
Das Auskunftsersuchen ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt. Seine Rechtswidrigkeit kann nach Erledigung unter den Voraussetzungen der Fortsetzungsfeststellungsklage festgestellt werden (BFH-Urteil vom 05. April 1984 IV R 244/83, BStBl II 1984, 790). Im Streitfall hat sich das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 nach Einlegung des Einspruchs und vor Klageerhebung erledigt. Denn die B. hat die Auskunft nach Einlegung des Einspruchs aber bereits vor Klageerhebung erteilt (vgl. BFH-Urteil vom 07. August 1979 VII R 14/77, BStBl II 1979, 334 zur Erledigung von Auskunftsersuchen vor Einlegung eines außergerichtlichen Rechtsbehelfs).
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b) Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 rechtswidrig gewesen ist.
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aa) „Berechtigtes Interesse“ i.S.d. § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende Interesse rechtlicher, tatsächlicher oder wirtschaftlicher Art. Die begehrte Feststellung muss geeignet sein, in einem dieser Bereiche zu einer Positionsverbesserung des Klägers führen (BFH-Urteil vom 04. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFH/NV 2013, 431). Das berechtigte Interesse kann sich nach der BFH-Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 26. September 2007 I R 43/06, BStBl II 2008, 134) zum Einen daraus ergeben, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit die Voraussetzung für den Eintritt einer vom Kläger erstrebten weiteren Rechtsfolge ist (BFH-Urteile vom 12. Januar 1995 IV R 83/92, BFHE 177, 4, BStBl II 1995, 488; in BFH/NV 1995, 621; Schmidt-Troje in Beermann/ Gosch, AO, FGO, § 100 FGO Rz 49, m.w.N.). Zum Anderen kann es daraus abzuleiten sein, dass ein konkreter Anlass für die Annahme besteht, das Finanzamt werde die vom Kläger für rechtswidrig erachtete Maßnahme in absehbarer Zukunft wiederholen (BFH-Urteile vom 29. April 1980 VII K 5/77, BFHE 130, 568, BStBl II 1980, 593; vom 28. Juni 2000 X R 24/95, BFHE 192, 32, 40, BStBl II 2000, 514, 518; vom 20. April 2004 VIII R 88/00, BFH/NV 2004, 1103; Schmidt-Troje in Beermann/Gosch, a.a.O., § 100 FGO Rz 48, m.w.N.). Schließlich kann es unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1994 VII R 14/94, BFHE 176, 201, BStBl II 1995, 210) sowie deshalb bestehen, weil die begehrte Feststellung voraussichtlich in einem beabsichtigten und nicht völlig aussichtslosen Schadensersatzprozess erheblich sein wird (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. Mai 1976 VII R 108/73, BFHE 119, 26, BStBl II 1976, 566; BFH-Beschluss vom 15. Mai 2002 I B 8/02, I S 13/01, BFH/NV 2002, 1317; Tipke in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 100 FGO Tz. 57, m.w.N.).
- 34
Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut und dem Regelungszusammenhang des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist die Prüfung des berechtigten Interesses auf den angefochtenen Verwaltungsakt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO) zu beziehen (BFH-Urteil vom 09. Mai 2012 I R 91/10, BFH/NV 2012, 2004).
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Das Feststellungsinteresse muss – sofern es nicht offensichtlich ist – vom Kläger substantiiert dargelegt werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10. Februar 2010 XI R 3/09, BFH/NV 2010, 1450; BFH-Beschluss vom 30. Oktober 2007 VIII B 198/06, BFH/NV 2008, 238, unter II.2., m.w.N.). Es handelt sich um eine Sachurteilsvoraussetzung, d.h. das berechtigte Interesse muss (noch) am Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen (BVerwG-Urteil vom 30. April 1999 1 B 36/99, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6).
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bb) Ein vom Kläger geltend gemachtes Rehabilitationsinteresse ist nicht (mehr) gegeben.
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Der Kläger hat im Sinne der BFH-Rechtsprechung (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Mai 2002 I B 8/02, BFH/NV 2002, 1317) kein hinreichendes ideelles "Rehabilitationsinteresse" geltend gemacht. Die von ihm genannten Beeinträchtigungen seiner privaten und beruflichen Situation vermögen ein solches nicht zu begründen. Voraussetzung hierfür wäre ein erheblicher Eingriff in die Persönlichkeitssphäre (BFH-Urteil vom 17. Januar 1995 VII R 47/94, BFH/NV 1995, 737), der etwa vorliegt, wenn das erledigte Auskunftsersuchen – anders als im Streitfall – den Vorwurf der Steuerhinterziehung beinhaltet (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 322). Dem Vortrag des Klägers ist auch kein ähnlich diskriminierender, den Kläger persönlich herabsetzender Vorwurf des erledigten Verwaltungsakts (vgl. dazu BFH-Urteile vom 18. Mai 1976 VII R 108/73, BFHE 119, 26, BStBl II 1976, 566; vom 31. Januar 1978 VII R 62/74, BFHE 124, 553, m.w.N.) zu entnehmen. Auch ein tiefgreifender Grundrechtseingriff ist nicht zu erkennen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1530). Im Übrigen ist gegenüber der B. mit dem Schreiben des Beklagten vom 25. November 2011 eine Rehabilitation des Klägers bereits erfolgt. Dem BFH-Urteil vom BFH-Urteil vom 04. Dezember 2012 VIII R 5/10 (BFH/NV 2013, 431) kann entnommen werden, dass auf eine Rehabilitierung gegenüber dem Dritten ankommt, an den das Auskunftsersuchen gerichtet war (vgl. Rz. 20 des vorgenannten Urteils). Soweit sich der Kläger auf Schreiben bzw. Verhaltensweisen des Beklagten außerhalb des Auskunftsersuchens beruft (z.B. auf das Schreiben des Beklagten vom 07. November 2008), ist dies unerheblich, denn – wie oben ausgeführt – ist Gegenstand der Prüfung, ob ein berechtigtes Interesse vorliegt, allein der Verwaltungsakt, dessen Rechtswidrigkeit festgestellt werden soll.
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cc) Allerdings ist unter dem Gesichtspunkt Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zu bejahen.
- 39
(1) Das berechtigte Interesse wird von der BFH-Rechtsprechung bejaht, wenn eine hinreichend konkrete Gefahr der Wiederholung in absehbarer Zukunft besteht (BFH-Urteil vom 22. August 2012 X R 36/09, BFH/NV 2013, 436; vgl. auch die Formulierung im BVerwG-Urteil vom 25. August 1993 6 C 7/93, DVBl 1994, 168: Bestehen einer konkreten Gefahr, dass in naher Zukunft eine gleichartige Entscheidung getroffen werden könnte). Ein Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr setzt voraus, dass auch in Zukunft die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bestehen wie in dem für die Beurteilung der erledigten Maßnahme maßgebenden Zeitpunkt (BVerwG-Urteil vom 10. Februar 2000 2 A 3/99, juris). Bei einem erledigten Auskunftsverlangen reicht allerdings der Vortrag nicht aus, es bestehe wegen des allfälligen Informationsbedürfnisses des Finanzamtes die Befürchtung der ständigen Wiederholungsgefahr (BFH-Beschluss vom 16. Februar 2009 VII B 175/08, BFH/NV 2009, 1128).
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(2) Im Streitfall ist das Gericht nach Würdigung der Umstände, wie sie sich aus den Akten und auch aus dem Vortrag bzw. Verhalten der Beteiligten ergeben, zu der Überzeugung gelangt, dass eine Wiederholungsgefahr besteht.
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Der Kläger ist nach wie vor mit demselben Unternehmensgegenstand tätig. Er muss auch zukünftig, wie die aktuell stattfindende Betriebsprüfung zeigt, mit Betriebsprüfungen durch den weiterhin für ihn zuständigen Beklagten rechnen. Aus dem Verhalten bzw. den Erklärungen der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass der Beklagte bei einem gleichartig gelagerten Sachverhalt, wie er dem Auskunftsersuchen an die B. zugrunde lag, in gleicher Weise vorgehen wird, ggf. auch im Rahmen der zur Zeit stattfindenden Betriebsprüfung. Dass die Beklagtenvertreter erklärt haben, dass gegenüber der B. nicht mehr nach Provisionen nachgefragt werde, lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Denn der Beklagte hat sich ausdrücklich nicht zu der Frage positioniert, wie er sich hinsichtlich weiterer Geschäftspartner des Klägers verhalten werde. Er wollte gerade nicht ausschließen, dass es in naher Zukunft Auskunftsersuchen an Dritte geben könne, ohne den Kläger vorher zu dem Sachverhalt zu befragen, weil man davon ausgehe, dass eine Befragung des Klägers ohne Erfolg sein werde, denn der Kläger werde nichts sagen, was den Angaben seiner Buchführung bzw. seiner Steuererklärung widerspreche. Bei einem solchen Sachverhalt liegt zur Überzeugung des erkennenden Gerichts eine konkrete Wiederholungsgefahr vor, die über die bloß abstrakte Gefahr hinausgeht, dass der Beklagte vermutlich in gleicher Art und Weise auch zukünftig verfahren werde.
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2. Die Klage ist begründet.
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Das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 ist rechtswidrig gewesen.
- 44
a) Nach § 93 Abs. 1 AO haben Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Im Rahmen ihrer Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt zur Durchsetzung materiell-rechtlich begründeter Steueransprüche aufzuklären (§§ 85, 88 AO), darf sich die Finanzbehörde derjenigen Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 92 Satz 1 AO). Zu diesen Beweismitteln zählen auch Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten im Besteuerungsverfahren (§ 92 Satz 2 Nr. 1 AO). Die rechtliche Befugnis zu solchen Auskunftsverlangen ergibt sich aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AO (BFH-Urteil vom 04. Oktober 2006 VIII R 54/04, BFH/NV 2007, 190).
- 45
Das auf § 93 Abs. 1 Satz 1 AO beruhende Auskunftsersuchen ist ein Ermessensverwaltungsakt, den das Gericht nach Maßgabe des § 102 FGO zu überprüfen hat (BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VII R 1/86, BStBl II 1991, 277). Die Finanzbehörde kann eine Auskunft nach § 93 AO nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteile vom 04. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFH/NV 2013, 431; vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 4. April 2006 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, 345, ständige Rechtsprechung; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 AO Tz. 14). Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, sog. Subsidiaritätsprinzip (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 AO Tz. 17).
- 46
b) Das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 ist ermessensfehlerhaft, denn es wurde gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.
- 47
aa) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nach dem das eingesetzte Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht nur erforderlich und geeignet, sondern hierzu auch in einem angemessenen, d.h. für den Betroffenen zumutbaren Verhältnis stehen muss, genießt Verfassungsrang und ist deshalb stets auch bei der Auslegung und Anwendung von Normen des einfachen Rechts – mithin auch bei der Ermessensausübung durch die Finanzbehörden – zu beachten (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 1976 2 BvL 1/76, BVerfGE 43, 101, 106; BFH-Urteil vom 28. August 2012 I R 10/12, BFH/NV 2013, 428). Die Vorschrift des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, ist eine spezielle Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, sog. Subsidiaritätsprinzip (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 AO Tz. 17). Als Sollvorschrift bringt diese Regelung zum Ausdruck, dass die Behörde in der Regel nach ihr verfahren muss, in atypischen Fällen aber abweichen darf, wobei am Zweck der Vorschrift zu messen ist, ob ein atypischer Fall vorliegt (BFH-Urteile vom 24. Oktober 1989 VII R 1/87, BStBl II 1990, 198; vom 27.Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, 235, BStBl II 1982, 141; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 Tz. 18).
- 48
Bei der Ermessensausübung durch die Finanzbehörde hat diese den Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO zu beachten. Die Vorschrift dient einem doppelten Zweck: zum Einen dient sie dem Interesse anderer Personen, die regelmäßig nicht in das Besteuerungsverfahren anderer Personen hineingezogen werden sollen, um ihnen die mit der Auskunftserteilung regelmäßig verbundenen Unannehmlichkeiten aller Art zu ersparen, als nicht geklärt ist, ob der Beteiligte selbst den Sachverhalt aufklären kann. Die Vorschrift dient aber auch dem Interesse des Beteiligten daran, dass andere Personen über seine steuerliche Verhältnisse nach Möglichkeit nichts erfahren (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 AO Tz. 17, m.w.N.). Zu den vorgenannten steuerlichen Verhältnissen des Beteiligten gehört auch das Verwaltungsverfahren an sich, die Art der Beteiligung am Verwaltungsverfahren und die Maßnahmen, die der Betroffene vorgenommen hat. Ebenso ob und bei welcher Finanzbehörde ein Steuerpflichtiger geführt wird und ob eine Außenprüfung stattgefunden hat (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 30 AO Tz. 12).
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Die Sachaufklärung hat nicht zum Ziel geführt, wenn sie – aus welchem Grund auch immer – nicht gelungen ist; der Versuch muss also unternommen worden sein (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 Tz. 19). Ob die Sachaufklärung durch den Beteiligten zum Ziele führt oder Erfolg verspricht oder ob dies nicht zutrifft, ist eine Prognoseentscheidung der Finanzbehörde und (vorweggenommene) Beweiswürdigung. Diese Würdigung ist Sache der Finanzbehörde und gerichtlich nur eingeschränkt auf ihre Willkürfreiheit überprüfbar (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 Tz. 20, m.w.N.).
- 50
bb) Im Streitfall ist zunächst festzuhalten, dass der Beklagte keinen Versuch unternommen hat, bei dem Kläger nachzufragen, ob er in den Jahren 2002 bis 2004 von der B. Provisionen erhalten hatte. Das ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
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cc) Dass ein an den Kläger gerichtetes Auskunftsverlangen keinen Erfolg versprochen hätte, wird vom Beklagten mit der Annahme begründet, dass aus Sicht des Beklagten der Kläger zu der gestellten Frage sich entweder nicht hätte äußern müssen bzw. wollen oder die Gefahr bestanden hätte, dass seine Aussage angesichts der Feststellungen der vorangegangenen Betriebsprüfung ohnehin als unglaubhaft hätte eingestuft werden müssen (Seite 3 unten der Klageerwiderung). In der mündlichen Verhandlung haben die Beklagtenvertreter diese Ansicht wiederholt. Diese Überlegung ist nicht geeignet, eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Auskunftsersuchen an die B. zu tragen.
- 52
(1) Die Frage, ob die Sachaufklärung durch den Beteiligten nicht zum Erfolg führt, ist von der Finanzbehörde im Wege der vorweggenommenen Beweiswürdigung zu entscheiden. Sofern diese Beweiswürdigung vertretbar ist, ist sie vom Gericht hinzunehmen. Im Streitfall ist die Beweiswürdigung jedoch nicht vertretbar, das Auskunftsersuchen ist deshalb ermessenfehlerhaft.
- 53
(2) Führen Prüfungsfeststellungen wie im Streitfall zu der Annahme des Finanzamtes, dass der Steuerpflichtige Einnahmen nicht erklärt hat, so führt dies nicht per se dazu, dass das Finanzamt zwecks weiterer Ermittlungen nicht mehr erst den Steuerpflichtigen zur Auskunft anhalten muss und sogleich Dritte um Auskunft ersuchen kann, weil man davon ausgehen könne, dass der Steuerpflichtige weitere nicht erklärte Einnahmen nicht zugeben und auf die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Gewinnermittlung bzw. Buchführung verweisen wird. Andererseits muss das Finanzamt bei vermuteten nicht erklärten Einnahmen auch nicht immer zwingend zuerst den Steuerpflichtigen zur Sachverhaltsaufklärung befragen. Es kommt vielmehr auf die Qualität und Quantität der festgestellten nicht erklärten Betriebseinnahmen an. Stellt sich im Rahmen einer Außenprüfung etwa heraus, dass der Steuerpflichtige in erheblichem Umfang Betriebseinnahmen nicht erklärte und betrifft dies ggf. auch eine Vielzahl von Geschäftsbeziehungen, so erscheint eine Würdigung dahingehend, dass noch wesentliche weitere Einnahmen, auch aus weiteren Geschäftsbeziehungen, nicht erklärt wurden, durchaus vertretbar. In einem solchen Fall kann es durchaus ermessensfehlerfrei sein, Auskunftsersuchen an Dritte zu richten, ohne zuvor den Steuerpflichtigen selbst zur Auskunft angehalten zu haben.
- 54
Im Streitfall liegen die Dinge jedoch erheblich anders. Denn wie sich aus den Betriebsprüfung-Arbeitsakten zur Vorprüfung entnehmen lässt, gab es bereits im Prüfungszeitraum 1999 bis 2001 Geschäftsbeziehungen zur B. (vgl. z.B. Bl. 119 der Bp-Arbeitsakte, Aufstellung der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen; Bl. 213, Wareneingangskonto). „Auffälligkeiten“ hinsichtlich dieser Geschäftsbeziehung sind den Arbeitsakten nicht zu entnehmen; diesbezügliche Prüfungsfeststellungen gab es nicht. Die (streitige) Provision betraf einen anderen Geschäftspartner, die M.; es handelte sich zudem um einen einmaligen Vorgang (vgl. hierzu Tz. 15 des Prüfungsberichts vom 15. Oktober 2004). Im Übrigen musste sich schon aus der Vorprüfung ergeben, dass der Kläger so gut wie ausschließlich Waren im eigenen Namen kaufte und verkaufte, d.h. Provisionserlöse nach der Art der Geschäftsabwicklungen nahezu nicht vorkamen. Damit ergab sich aus den Feststellungen der Vorprüfung kein Sachverhalt, der im Wege einer vorweggenommenen Beweiswürdigung hätte geeignet sein können, um für das an die B. gerichtete Auskunftsersuchen eine Abweichung vom Grundsatz der vorrangigen Befragung des Klägers wegen eines atypischen Falles begründen zu können. Entsprechendes gilt auch im Hinblick auf die Prüfungsfeststellungen im Zusammenhang mit der M. aus der Prüfung für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004. Auch unter Berücksichtigung des Umfangs der Provisionen, von denen man annimmt, der Kläger habe sie erhalten, ist es bei dieser Sachlage, insbesondere auch mit Blick auf die Höhe der Betriebseinnahmen von ca. 600.000,00 € bis ca. 1.000.000,00 € in den Jahren 2002 bis 2004 (laut Jahresabschlüssen), nicht vertretbar, einen atypischen Sonderfall i.S.d. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO anzunehmen. Der Kläger hätte vor Ergehen des im Streit befindlichen Auskunftsersuchens um Sachverhaltsaufklärung bezüglich seiner Geschäftsbeziehung zu B. angehalten werden müssen.
- 55
c) Ob ein vom Kläger gerügter Verstoß gegen das Gebot des fairen Verfahrens vorliegt, kann dahinstehen, weil das Auskunftsersuchen bereits wegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig gewesen ist. Das Gericht brauchte damit nicht auf den Meinungsstreit einzugehen, den es zu dieser Frage gibt (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 AO Tz. 28, Hüschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 93 AO Rz. 95, Busl in DStZ 2005, 446, die die Auffassung vertreten, dass der Beteiligte nicht zuvor gehört werden muss; a.A. Beermann/Gosch, § 93 AO Rz. 31; Eich, AO-StB 2004, 18).
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen Anhalt vom 13. März 2013 3 K 34/09 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
- 2
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In der Zeit vom 17. Dezember 2007 bis zum 29. Juni 2010 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) eine steuerliche Außenprüfung beim Kläger durch, die sich auf die Einkommensteuern, Umsatzsteuern und Gewerbesteuermessbeträge 2002 bis 2004 erstreckte.
- 3
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Eine Außenprüfung für die Vorjahre hatte zu einer Erhöhung der Erlöse um 8.530,69 DM geführt. Grundlage hierfür war eine Kontrollmitteilung, in der von einer "Ausgleichszahlung" bzw. "Bonuszahlung" einer Geschäftspartnerin des Klägers, der A, die Rede war. Ein entsprechendes Klageverfahren wegen Umsatzsteuer wurde beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen 3 K 923/07 geführt.
- 4
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Am 16. Oktober 2008 richtete das FA für die Streitjahre ein Auskunftsersuchen betreffend Provisionszahlungen an die A. Diese antwortete am 21. Oktober 2008, dem Kläger in den Jahren 2003 und 2004 insgesamt drei "Ausgleichszahlungen" geleistet zu haben.
- 5
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Am 22. Oktober 2008 richtete das FA --ohne den Kläger hierzu vorab um Auskunft gebeten zu haben-- das im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Auskunftsersuchen an die B, einer weiteren Geschäftspartnerin des Klägers. Es wies hinsichtlich der Auskunftspflicht auf § 93 der Abgabenordnung (AO) hin und führte weiter aus: "in der o.g. Steuersache ist die Sachaufklärung mit den Beteiligten nicht möglich." Ausweislich eines Vermerks des FA bezweckte dieses zweite Auskunftsersuchen, "die Prüfung zu vervollständigen", indem auch der zweite Lieferant um Auskunft gebeten werde.
- 6
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Mit Schreiben vom 24. Oktober 2008 erklärte die B dem FA, sie habe mit dem Kläger reine Handelsgeschäfte betrieben, für die dieser entsprechende Wiederverkaufsrabatte erhalten habe. Provisionszahlungen seien weder vereinbart noch geleistet worden. Am selben Tage richtete sie ein Schreiben an den Kläger, in dem sie ihre Verwunderung über das Auskunftsersuchen zum Ausdruck brachte. Sie verstehe nicht, warum der Kläger dem FA nicht mitteile, von der B niemals Provisionen erhalten zu haben.
- 7
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Am 27. Oktober 2008 legte der Kläger Einspruch gegen das an die B gerichtete Auskunftsersuchen ein.
- 8
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Nach einem Gespräch zwischen den Beteiligten stellte das FA mit Schreiben vom 25. November 2008 den Sachverhalt gegenüber der B klar. Den vom Kläger aufrechterhaltenen Einspruch verwarf das FA mit Entscheidung vom 23. Dezember 2008 als unzulässig.
- 9
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Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vorgetragen, im Zuge einer aktuell laufenden steuerlichen Außenprüfung seien nach seinem Erkenntnisstand Auskunftsersuchen zu ausländischen Sachverhalten ergangen, ohne dass er zuvor gehört oder befragt worden sei. Die Vertreter des FA konnten in der mündlichen Verhandlung hierzu keine Auskunft geben und erklärten, dass sie sich zu der zukünftigen Praxis bei Auskunftsersuchen nicht äußern wollten. Ausgenommen hiervon seien solche gegenüber der B, an die keine weiteren Auskunftsersuchen ergehen sollten, soweit diese Provisionserlöse beträfen.
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Die am 8. Januar 2009 erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage hatte Erfolg.
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Das FG ging davon aus, die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig, da Wiederholungsgefahr drohe. Der Kläger exportiere und importiere weiterhin Waren und müsse bei Außenprüfungen auch künftig mit Auskunftsersuchen rechnen, ohne dass er vorab zu dem jeweiligen Sachverhalt befragt werde. Dies ergebe sich aus dem Verhalten bzw. den Erklärungen der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung.
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Ein Rehabilitationsinteresse des Klägers vermochte das FG dagegen aufgrund der Klarstellung im Schreiben des FA an die B nicht (mehr) zu erkennen.
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Das Auskunftsersuchen sei ermessensfehlerhaft gewesen, da es gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe. Soweit Prüfungsfeststellungen --wie im Streitfall-- zu der Annahme des FA Anlass gäben, ein Steuerpflichtiger habe Einnahmen nicht erklärt, führe dies nicht per se dazu, dass das FA zwecks weiterer Ermittlungen sogleich Dritte um Auskunft ersuchen könne. Es komme vielmehr auf die Qualität und Quantität der festgestellten nicht erklärten Betriebseinnahmen an, etwa ihren erheblichen Umfang, die ggf. auch eine Vielzahl von Geschäftsbeziehungen beträfen.
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Im konkreten Fall lägen keine Auffälligkeiten hinsichtlich der Geschäftsbeziehung zur B vor, auch habe es sich bei den Provisionen des anderen Geschäftspartners um einen einmaligen Vorgang gehandelt. Der Umfang dieser Provisionen sei gering gewesen. Ein atypischer Streitfall i.S. des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO könne nicht angenommen werden.
- 15
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Mit der Revision rügt das FA, das FG habe gegen materielles Recht verstoßen.
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Das FA habe die Vorgaben des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO eingehalten. Es habe konkrete Hinweise auf nicht vollständig erklärte Betriebseinnahmen gegeben. Zusätzlich zu der einschlägigen Kontrollmitteilung anlässlich der Betriebsprüfung in den Vorjahren habe eine konkrete Auskunft der A zu Provisionserlösen in der laufenden Betriebsprüfung vorgelegen. Eine anlasslose Ermittlung oder eine solche "ins Blaue hinein" lägen nicht vor.
- 17
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Der Prüfer habe im Rahmen seiner Prognose durchaus die Antwort des Klägers vorwegnehmen dürfen und von einer voraussichtlichen Erfolglosigkeit einer solchen Anfrage ausgehen können. Die Antwort des Klägers abzuwarten und sich anschließend trotzdem an den Dritten zu wenden, sei eine leere Formalie und verletze den Grundgedanken des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO. Diese Vorschrift solle in erster Linie den Dritten vor unnötigen Anfragen der Finanzverwaltung und dem damit verbundenen Aufwand schützen, auch wenn der Steuerpflichtige ein schützenswertes Interesse daran habe, dass seine steuerlichen Verhältnisse geheim blieben. Ein Selbstzweck sei die Reihenfolge der Befragung gerade nicht.
- 18
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Die Kritik des Klägers an der Begründung des Auskunftsersuchens übersehe, dass dieses gegenüber dem Dritten ergehe und die möglichst weitgehende Geheimhaltung der steuerlichen Verhältnisse des Klägers gewährleiste.
- 19
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Vorliegend überschreite das FG seine Befugnisse nach § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wenn es die Verhältnismäßigkeit verneine.
- 20
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Das Gebot des fairen Verfahrens werde nicht verletzt. Es existiere keine Pflicht zur Vorabinformation wie beim Kontenabruf nach § 93 Abs. 9 AO.
- 21
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Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 22
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Ein plausibler Anlass zur Befragung der B habe nicht vorgelegen. Dieser sei auch nicht aufgrund der diversen Auskünfte der A konstruierbar.
Entscheidungsgründe
- 24
-
II. Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
- 25
-
1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass das streitige Auskunftsersuchen des FA rechtswidrig gewesen ist.
- 26
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a) Im Streitfall haben die Prüfer Auskunft über Provisionen verlangt. Ein solches Auskunftsersuchen ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt i.S. des § 118 Satz 1 AO (vgl. zum Auskunftsersuchen als Verwaltungsakt z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790, m.w.N.). Aufgrund der am 29. Oktober 2008 von der B erteilten Auskunft hat sich dieser Verwaltungsakt vor der Klageerhebung erledigt.
- 27
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b) In einem solchen Fall kann, wie im Streitfall geschehen, beim FG gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO eine Fortsetzungsfeststellungsklage mit dem Begehren erhoben werden, festzustellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist. Das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse wird von der Rechtsprechung (u.a.) dann bejaht, wenn eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr besteht (Senatsurteil vom 22. August 2012 X R 36/09, BFHE 239, 203, BStBl II 2014, 109, unter II.1.b).
- 28
-
Diese ist im Streitfall gegeben, weil --wie schon das FG nach Würdigung der Umstände festgestellt hat-- das FA nicht ausschließen wollte, auch künftig --wie z.B. in der während der mündlichen Verhandlung im Klageverfahren stattfindenden Betriebsprüfung-- wiederum Auskunftsersuchen an Dritte zu richten, ohne dass der Kläger vorher zu dem Sachverhalt befragt werde.
- 29
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2. Das FG hat die Klage zu Recht im Rahmen seiner Prüfungskompetenz nach § 102 FGO als begründet angesehen. Das Auskunftsersuchen des FA an die B ist rechtswidrig gewesen.
- 30
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a) Vorliegend hat das FG den Ermessensgebrauch des FA anhand des Zwecks des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO überprüft und im Rahmen seiner Prüfungskompetenz aus § 102 FGO gehandelt.
- 31
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Es hat lediglich die fehlerfreie Ermessensausübung durch das FA kontrolliert und nicht etwa nach einer besseren, zweckmäßigeren oder sachgerechteren Lösung gesucht (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 102 Rz 1).
- 32
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b) Zu Recht geht das FG davon aus, das FA habe von seinem Ermessen in einer dem Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.
- 33
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aa) Nach § 93 Abs. 1 AO haben Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Im Rahmen ihrer Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt zur Durchsetzung materiell-rechtlich begründeter Steueransprüche aufzuklären (§§ 85, 88 AO), darf sich die Finanzbehörde derjenigen Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 92 Satz 1 AO). Zu diesen Beweismitteln zählen auch Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten im Besteuerungsverfahren (§ 92 Satz 2 Nr. 1 AO). Die rechtliche Befugnis zu solchen Auskunftsverlangen ergibt sich aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AO (vgl. hierzu und auch zum Nachfolgenden: BFH-Urteil vom 4. Oktober 2006 VIII R 53/04, BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227).
- 34
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Die Inanspruchnahme dieser Befugnisse verstößt grundsätzlich nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366, m.w.N.; dazu Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 15. November 2000 1 BvR 1213/00, BStBl II 2002, 142).
- 35
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bb) Für ihr Tätigwerden bedürfen die Finanzbehörden indes eines hinreichenden Anlasses. Ermittlungen "ins Blaue hinein" sind unzulässig (BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, m.w.N.).
- 36
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(1) Die Finanzämter sind --ungeachtet der besonderen Aufgabenzuweisung an die Fahndungsstellen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 AO-- nach § 208 Abs. 3 AO nicht gehindert, in derselben Sache wie die Fahndung tätig zu werden oder sich sogar bestimmte Ermittlungen vorzubehalten. Sie können z.B. eine Außenprüfung anordnen oder selbst Einzelermittlungen gemäß § 88 Abs. 1 AO durchführen (BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, unter II.2.b; zur Abgrenzung vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1997 VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461, m.w.N.).
- 37
-
Die Finanzbehörden dürfen das nach ihrer Auffassung zweckmäßigste Mittel für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen auswählen und zwar auch im Hinblick auf eine mögliche Steuerstraftat. Dies gilt gleichermaßen, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Steuerpflichtige den steuerlich erheblichen Sachverhalt offenlegt. Auch in einem solchen Fall besteht regelmäßig kein zwingender Anlass, die Verwaltung von vornherein ausschließlich auf den Einsatz der Steuerfahndung zu verweisen (vgl. hierzu und zum Nachstehenden: BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, m.w.N.).
- 38
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(2) Ein hinreichender Anlass liegt nicht erst vor, wenn ein begründeter Verdacht dafür besteht, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten gegeben sind. Vielmehr genügt es, wenn aufgrund konkreter Umstände oder aufgrund allgemeiner Erfahrung ein Auskunftsersuchen angezeigt ist.
- 39
-
Danach dürfen Auskünfte von anderen Personen schon dann eingeholt werden, wenn die Finanzbehörde im Rahmen ihrer Tätigkeit --sei es aufgrund konkreter Momente, sei es aufgrund allgemeiner Erfahrung-- zu dem Ergebnis gelangt ist, die Auskünfte könnten zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen (ferner BVerfG-Urteil vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.III.3.a ee der Gründe).
- 40
-
Zu den steuerlich erheblichen Tatsachen zählt alles, was die finanzbehördlichen Entscheidungen in einem steuerrechtlichen Verwaltungsverfahren beeinflussen kann (vgl. Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 93 AO Rz 10).
- 41
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Die in diesem Sinne erheblichen, mitzuteilenden "Tatsachen" müssen lediglich im Rahmen einer Prognoseentscheidung möglich sein (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, ständige Rechtsprechung). Die Finanzbehörde hat hierüber im Wege einer vorweggenommenen Beweiswürdigung zu befinden (BFH-Urteile vom 18. Februar 1997 VIII R 33/95, BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499; vom 30. März 1989 VII R 89/88, BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537, ständige Rechtsprechung). Im Interesse der gesetzmäßigen und gleichmäßigen Besteuerung und zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich gebotenen Verifikationsprinzips sind die Anforderungen an diese Prognoseentscheidung nicht zu hoch anzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VIII R 1/86, BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Insbesondere darf noch unklar sein, ob der Vorgang steuerbar ist und ob er im Ergebnis zu einer Steuerpflicht führt. § 93 Abs. 1 AO ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass möglicherweise eine Steuerschuld entstanden oder die Steuer verkürzt worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Nur dann, wenn klar und eindeutig jeglicher Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit fehlt, ist das Auskunftsverlangen rechtswidrig (weiterführend, auch zur Prognoseentscheidung: BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, unter II.2.b, m.w.N.).
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cc) Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO sollen andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Durch die Ausgestaltung der Norm als Sollvorschrift kommt zum Ausdruck, dass die Behörde in der Regel nach ihr verfahren muss (BFH-Urteil in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537). Dieses Subsidiaritätsprinzip ist eine spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (so auch Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 93 AO Rz 17). Nur in atypischen Fällen darf die Finanzbehörde hiervon abweichen, wobei am Zweck der Vorschrift zu messen ist, ob ein solcher atypischer Fall vorliegt (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1989 VII R 1/87, BFHE 158, 502, BStBl II 1990, 198, unter II.2.b, m.w.N.).
- 43
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Unterstrichen wird dies auch im Vergleich zu den Befugnissen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO. Aufgabe der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten. Nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist es daneben Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle aufzudecken und zu ermitteln. In beiden Fällen gelten gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 AO die Einschränkungen des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht (so auch ausdrücklich BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c; ebenso jüngst BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, unter II.1.b). Folglich gilt außerhalb der Tätigkeit der Steuerfahndung die besondere Herangehensweise bei Auskunftsersuchen an Dritte: Vor dem Auskunftsersuchen an Dritte ist im Regelfall der Steuerpflichtige zu befragen.
- 44
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Hierdurch wird auch dem doppelten Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO entsprochen. Danach soll zum einen vermieden werden, dass Nichtbeteiligte Einblick in die steuerlich relevanten Verhältnisse der Beteiligten erhalten, zum anderen sollen dem Dritten die mit der Auskunft verbundenen Mühen erspart werden (so Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 82; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Rz 17; Eich, Der AO-Steuer-Berater 2004, 18, 20).
- 45
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dd) Atypische Fälle im Zusammenhang mit § 93 Abs. 1 Satz 3 AO hat die bisherige BFH-Rechtsprechung vereinzelt angenommen.
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Ausnahmen vom sog. Subsidiaritätsprinzip hat die bisherige BFH-Rechtsprechung dann angenommen, wenn
-
der Beteiligte unbekannt ist (z.B. BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227) oder
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der Beteiligte nicht mitwirkt (z.B. BFH-Urteil in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537).
- 47
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Kein solch atypischer Fall lag dem Streitfall zugrunde. Weder war die Identität des Beteiligten (Klägers) unbekannt noch hat der Beteiligte (Kläger) die Mitwirkung verweigert.
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ee) Der Senat vermag im Streitfall auch keinen weiteren atypischen Fall zu erkennen.
- 49
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Es liegt im Interesse des Klägers, dass Dritte jedenfalls zunächst nichts über eine laufende Betriebsprüfung und --aus Sicht der Prüfer-- möglicherweise nicht erklärte Provisionserlöse erfahren. Er hat ein Anrecht darauf, dass seine Reputation nicht beschädigt wird und seine Geschäftspartner nicht den Eindruck bekommen, er vernachlässige seine steuerlichen Pflichten. Dies ist Ausdruck seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Zudem entspricht es den Interessen der Dritten, nur in Ausnahmefällen in fremde Besteuerungsverfahren einbezogen zu werden.
- 50
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Etwas anderes könnte nur gelten, wenn von vornherein feststeht, dass der Beteiligte entweder nicht mitwirken wird oder --was vorliegend allein relevant erscheint-- die Erfolglosigkeit seiner Mitwirkung offenkundig ist. Auf letztes kann eine Finanzbehörde aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beteiligten bei konkreten nachweisbaren Fakten im Rahmen einer vorweggenommenen Beweiswürdigung schließen. Nicht ausreichend ist es, eine solche Beweiswürdigung schon dann als vertretbar zu werten, wenn sie (nur) nicht willkürlich erfolgte (so aber Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Rz 20).
- 51
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Ermächtigt eine Norm wie § 93 Abs. 1 AO zu Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, so muss dieser --auch im engeren Sinne-- verhältnismäßig sein. Dies bedeutet, die Schwere des Eingriffs darf bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen (vgl. nur BVerfG-Beschluss vom 29. September 2013 2 BvR 939/13, wistra 2014, 16, unter II.1., m.w.N., ständige Rechtsprechung). Dabei muss beachtet werden, welche Möglichkeiten der Grundrechtsträger hat, eine eventuelle Grundrechtsbeeinträchtigung oder jedenfalls weitere Folgen des Eingriffs abwehren zu können. Wird eine Maßnahme heimlich durchgeführt, so ist es dem Betroffenen faktisch verwehrt, sich gegen sie im Voraus zur Wehr zu setzen (so schon BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05, BVerfGE 118, 168, unter C.I.3.d cc (1)).
- 52
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Folglich muss die Finanzbehörde es im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung aufgrund konkreter Tatsachen als zwingend ansehen, dass die Mitwirkung des Beteiligten erfolglos bleiben wird.
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Im Streitfall konnte die Finanzbehörde im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung nicht aufgrund konkreter Tatsachen davon ausgehen, dass die Mitwirkung des Klägers erfolglos bleiben wird.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Tenor
-
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen Anhalt vom 13. März 2013 3 K 34/09 wird als unbegründet zurückgewiesen.
-
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
- 2
-
In der Zeit vom 17. Dezember 2007 bis zum 29. Juni 2010 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) eine steuerliche Außenprüfung beim Kläger durch, die sich auf die Einkommensteuern, Umsatzsteuern und Gewerbesteuermessbeträge 2002 bis 2004 erstreckte.
- 3
-
Eine Außenprüfung für die Vorjahre hatte zu einer Erhöhung der Erlöse um 8.530,69 DM geführt. Grundlage hierfür war eine Kontrollmitteilung, in der von einer "Ausgleichszahlung" bzw. "Bonuszahlung" einer Geschäftspartnerin des Klägers, der A, die Rede war. Ein entsprechendes Klageverfahren wegen Umsatzsteuer wurde beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen 3 K 923/07 geführt.
- 4
-
Am 16. Oktober 2008 richtete das FA für die Streitjahre ein Auskunftsersuchen betreffend Provisionszahlungen an die A. Diese antwortete am 21. Oktober 2008, dem Kläger in den Jahren 2003 und 2004 insgesamt drei "Ausgleichszahlungen" geleistet zu haben.
- 5
-
Am 22. Oktober 2008 richtete das FA --ohne den Kläger hierzu vorab um Auskunft gebeten zu haben-- das im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Auskunftsersuchen an die B, einer weiteren Geschäftspartnerin des Klägers. Es wies hinsichtlich der Auskunftspflicht auf § 93 der Abgabenordnung (AO) hin und führte weiter aus: "in der o.g. Steuersache ist die Sachaufklärung mit den Beteiligten nicht möglich." Ausweislich eines Vermerks des FA bezweckte dieses zweite Auskunftsersuchen, "die Prüfung zu vervollständigen", indem auch der zweite Lieferant um Auskunft gebeten werde.
- 6
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Mit Schreiben vom 24. Oktober 2008 erklärte die B dem FA, sie habe mit dem Kläger reine Handelsgeschäfte betrieben, für die dieser entsprechende Wiederverkaufsrabatte erhalten habe. Provisionszahlungen seien weder vereinbart noch geleistet worden. Am selben Tage richtete sie ein Schreiben an den Kläger, in dem sie ihre Verwunderung über das Auskunftsersuchen zum Ausdruck brachte. Sie verstehe nicht, warum der Kläger dem FA nicht mitteile, von der B niemals Provisionen erhalten zu haben.
- 7
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Am 27. Oktober 2008 legte der Kläger Einspruch gegen das an die B gerichtete Auskunftsersuchen ein.
- 8
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Nach einem Gespräch zwischen den Beteiligten stellte das FA mit Schreiben vom 25. November 2008 den Sachverhalt gegenüber der B klar. Den vom Kläger aufrechterhaltenen Einspruch verwarf das FA mit Entscheidung vom 23. Dezember 2008 als unzulässig.
- 9
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Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vorgetragen, im Zuge einer aktuell laufenden steuerlichen Außenprüfung seien nach seinem Erkenntnisstand Auskunftsersuchen zu ausländischen Sachverhalten ergangen, ohne dass er zuvor gehört oder befragt worden sei. Die Vertreter des FA konnten in der mündlichen Verhandlung hierzu keine Auskunft geben und erklärten, dass sie sich zu der zukünftigen Praxis bei Auskunftsersuchen nicht äußern wollten. Ausgenommen hiervon seien solche gegenüber der B, an die keine weiteren Auskunftsersuchen ergehen sollten, soweit diese Provisionserlöse beträfen.
- 10
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Die am 8. Januar 2009 erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage hatte Erfolg.
- 11
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Das FG ging davon aus, die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig, da Wiederholungsgefahr drohe. Der Kläger exportiere und importiere weiterhin Waren und müsse bei Außenprüfungen auch künftig mit Auskunftsersuchen rechnen, ohne dass er vorab zu dem jeweiligen Sachverhalt befragt werde. Dies ergebe sich aus dem Verhalten bzw. den Erklärungen der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung.
- 12
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Ein Rehabilitationsinteresse des Klägers vermochte das FG dagegen aufgrund der Klarstellung im Schreiben des FA an die B nicht (mehr) zu erkennen.
- 13
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Das Auskunftsersuchen sei ermessensfehlerhaft gewesen, da es gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe. Soweit Prüfungsfeststellungen --wie im Streitfall-- zu der Annahme des FA Anlass gäben, ein Steuerpflichtiger habe Einnahmen nicht erklärt, führe dies nicht per se dazu, dass das FA zwecks weiterer Ermittlungen sogleich Dritte um Auskunft ersuchen könne. Es komme vielmehr auf die Qualität und Quantität der festgestellten nicht erklärten Betriebseinnahmen an, etwa ihren erheblichen Umfang, die ggf. auch eine Vielzahl von Geschäftsbeziehungen beträfen.
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Im konkreten Fall lägen keine Auffälligkeiten hinsichtlich der Geschäftsbeziehung zur B vor, auch habe es sich bei den Provisionen des anderen Geschäftspartners um einen einmaligen Vorgang gehandelt. Der Umfang dieser Provisionen sei gering gewesen. Ein atypischer Streitfall i.S. des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO könne nicht angenommen werden.
- 15
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Mit der Revision rügt das FA, das FG habe gegen materielles Recht verstoßen.
- 16
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Das FA habe die Vorgaben des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO eingehalten. Es habe konkrete Hinweise auf nicht vollständig erklärte Betriebseinnahmen gegeben. Zusätzlich zu der einschlägigen Kontrollmitteilung anlässlich der Betriebsprüfung in den Vorjahren habe eine konkrete Auskunft der A zu Provisionserlösen in der laufenden Betriebsprüfung vorgelegen. Eine anlasslose Ermittlung oder eine solche "ins Blaue hinein" lägen nicht vor.
- 17
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Der Prüfer habe im Rahmen seiner Prognose durchaus die Antwort des Klägers vorwegnehmen dürfen und von einer voraussichtlichen Erfolglosigkeit einer solchen Anfrage ausgehen können. Die Antwort des Klägers abzuwarten und sich anschließend trotzdem an den Dritten zu wenden, sei eine leere Formalie und verletze den Grundgedanken des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO. Diese Vorschrift solle in erster Linie den Dritten vor unnötigen Anfragen der Finanzverwaltung und dem damit verbundenen Aufwand schützen, auch wenn der Steuerpflichtige ein schützenswertes Interesse daran habe, dass seine steuerlichen Verhältnisse geheim blieben. Ein Selbstzweck sei die Reihenfolge der Befragung gerade nicht.
- 18
-
Die Kritik des Klägers an der Begründung des Auskunftsersuchens übersehe, dass dieses gegenüber dem Dritten ergehe und die möglichst weitgehende Geheimhaltung der steuerlichen Verhältnisse des Klägers gewährleiste.
- 19
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Vorliegend überschreite das FG seine Befugnisse nach § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wenn es die Verhältnismäßigkeit verneine.
- 20
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Das Gebot des fairen Verfahrens werde nicht verletzt. Es existiere keine Pflicht zur Vorabinformation wie beim Kontenabruf nach § 93 Abs. 9 AO.
- 21
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Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 22
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Ein plausibler Anlass zur Befragung der B habe nicht vorgelegen. Dieser sei auch nicht aufgrund der diversen Auskünfte der A konstruierbar.
Entscheidungsgründe
- 24
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II. Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
- 25
-
1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass das streitige Auskunftsersuchen des FA rechtswidrig gewesen ist.
- 26
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a) Im Streitfall haben die Prüfer Auskunft über Provisionen verlangt. Ein solches Auskunftsersuchen ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt i.S. des § 118 Satz 1 AO (vgl. zum Auskunftsersuchen als Verwaltungsakt z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790, m.w.N.). Aufgrund der am 29. Oktober 2008 von der B erteilten Auskunft hat sich dieser Verwaltungsakt vor der Klageerhebung erledigt.
- 27
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b) In einem solchen Fall kann, wie im Streitfall geschehen, beim FG gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO eine Fortsetzungsfeststellungsklage mit dem Begehren erhoben werden, festzustellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist. Das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse wird von der Rechtsprechung (u.a.) dann bejaht, wenn eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr besteht (Senatsurteil vom 22. August 2012 X R 36/09, BFHE 239, 203, BStBl II 2014, 109, unter II.1.b).
- 28
-
Diese ist im Streitfall gegeben, weil --wie schon das FG nach Würdigung der Umstände festgestellt hat-- das FA nicht ausschließen wollte, auch künftig --wie z.B. in der während der mündlichen Verhandlung im Klageverfahren stattfindenden Betriebsprüfung-- wiederum Auskunftsersuchen an Dritte zu richten, ohne dass der Kläger vorher zu dem Sachverhalt befragt werde.
- 29
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2. Das FG hat die Klage zu Recht im Rahmen seiner Prüfungskompetenz nach § 102 FGO als begründet angesehen. Das Auskunftsersuchen des FA an die B ist rechtswidrig gewesen.
- 30
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a) Vorliegend hat das FG den Ermessensgebrauch des FA anhand des Zwecks des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO überprüft und im Rahmen seiner Prüfungskompetenz aus § 102 FGO gehandelt.
- 31
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Es hat lediglich die fehlerfreie Ermessensausübung durch das FA kontrolliert und nicht etwa nach einer besseren, zweckmäßigeren oder sachgerechteren Lösung gesucht (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 102 Rz 1).
- 32
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b) Zu Recht geht das FG davon aus, das FA habe von seinem Ermessen in einer dem Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.
- 33
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aa) Nach § 93 Abs. 1 AO haben Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Im Rahmen ihrer Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt zur Durchsetzung materiell-rechtlich begründeter Steueransprüche aufzuklären (§§ 85, 88 AO), darf sich die Finanzbehörde derjenigen Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 92 Satz 1 AO). Zu diesen Beweismitteln zählen auch Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten im Besteuerungsverfahren (§ 92 Satz 2 Nr. 1 AO). Die rechtliche Befugnis zu solchen Auskunftsverlangen ergibt sich aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AO (vgl. hierzu und auch zum Nachfolgenden: BFH-Urteil vom 4. Oktober 2006 VIII R 53/04, BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227).
- 34
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Die Inanspruchnahme dieser Befugnisse verstößt grundsätzlich nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366, m.w.N.; dazu Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 15. November 2000 1 BvR 1213/00, BStBl II 2002, 142).
- 35
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bb) Für ihr Tätigwerden bedürfen die Finanzbehörden indes eines hinreichenden Anlasses. Ermittlungen "ins Blaue hinein" sind unzulässig (BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, m.w.N.).
- 36
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(1) Die Finanzämter sind --ungeachtet der besonderen Aufgabenzuweisung an die Fahndungsstellen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 AO-- nach § 208 Abs. 3 AO nicht gehindert, in derselben Sache wie die Fahndung tätig zu werden oder sich sogar bestimmte Ermittlungen vorzubehalten. Sie können z.B. eine Außenprüfung anordnen oder selbst Einzelermittlungen gemäß § 88 Abs. 1 AO durchführen (BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, unter II.2.b; zur Abgrenzung vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1997 VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461, m.w.N.).
- 37
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Die Finanzbehörden dürfen das nach ihrer Auffassung zweckmäßigste Mittel für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen auswählen und zwar auch im Hinblick auf eine mögliche Steuerstraftat. Dies gilt gleichermaßen, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Steuerpflichtige den steuerlich erheblichen Sachverhalt offenlegt. Auch in einem solchen Fall besteht regelmäßig kein zwingender Anlass, die Verwaltung von vornherein ausschließlich auf den Einsatz der Steuerfahndung zu verweisen (vgl. hierzu und zum Nachstehenden: BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, m.w.N.).
- 38
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(2) Ein hinreichender Anlass liegt nicht erst vor, wenn ein begründeter Verdacht dafür besteht, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten gegeben sind. Vielmehr genügt es, wenn aufgrund konkreter Umstände oder aufgrund allgemeiner Erfahrung ein Auskunftsersuchen angezeigt ist.
- 39
-
Danach dürfen Auskünfte von anderen Personen schon dann eingeholt werden, wenn die Finanzbehörde im Rahmen ihrer Tätigkeit --sei es aufgrund konkreter Momente, sei es aufgrund allgemeiner Erfahrung-- zu dem Ergebnis gelangt ist, die Auskünfte könnten zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen (ferner BVerfG-Urteil vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.III.3.a ee der Gründe).
- 40
-
Zu den steuerlich erheblichen Tatsachen zählt alles, was die finanzbehördlichen Entscheidungen in einem steuerrechtlichen Verwaltungsverfahren beeinflussen kann (vgl. Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 93 AO Rz 10).
- 41
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Die in diesem Sinne erheblichen, mitzuteilenden "Tatsachen" müssen lediglich im Rahmen einer Prognoseentscheidung möglich sein (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, ständige Rechtsprechung). Die Finanzbehörde hat hierüber im Wege einer vorweggenommenen Beweiswürdigung zu befinden (BFH-Urteile vom 18. Februar 1997 VIII R 33/95, BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499; vom 30. März 1989 VII R 89/88, BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537, ständige Rechtsprechung). Im Interesse der gesetzmäßigen und gleichmäßigen Besteuerung und zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich gebotenen Verifikationsprinzips sind die Anforderungen an diese Prognoseentscheidung nicht zu hoch anzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VIII R 1/86, BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Insbesondere darf noch unklar sein, ob der Vorgang steuerbar ist und ob er im Ergebnis zu einer Steuerpflicht führt. § 93 Abs. 1 AO ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass möglicherweise eine Steuerschuld entstanden oder die Steuer verkürzt worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Nur dann, wenn klar und eindeutig jeglicher Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit fehlt, ist das Auskunftsverlangen rechtswidrig (weiterführend, auch zur Prognoseentscheidung: BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, unter II.2.b, m.w.N.).
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cc) Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO sollen andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Durch die Ausgestaltung der Norm als Sollvorschrift kommt zum Ausdruck, dass die Behörde in der Regel nach ihr verfahren muss (BFH-Urteil in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537). Dieses Subsidiaritätsprinzip ist eine spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (so auch Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 93 AO Rz 17). Nur in atypischen Fällen darf die Finanzbehörde hiervon abweichen, wobei am Zweck der Vorschrift zu messen ist, ob ein solcher atypischer Fall vorliegt (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1989 VII R 1/87, BFHE 158, 502, BStBl II 1990, 198, unter II.2.b, m.w.N.).
- 43
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Unterstrichen wird dies auch im Vergleich zu den Befugnissen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO. Aufgabe der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten. Nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist es daneben Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle aufzudecken und zu ermitteln. In beiden Fällen gelten gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 AO die Einschränkungen des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht (so auch ausdrücklich BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c; ebenso jüngst BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, unter II.1.b). Folglich gilt außerhalb der Tätigkeit der Steuerfahndung die besondere Herangehensweise bei Auskunftsersuchen an Dritte: Vor dem Auskunftsersuchen an Dritte ist im Regelfall der Steuerpflichtige zu befragen.
- 44
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Hierdurch wird auch dem doppelten Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO entsprochen. Danach soll zum einen vermieden werden, dass Nichtbeteiligte Einblick in die steuerlich relevanten Verhältnisse der Beteiligten erhalten, zum anderen sollen dem Dritten die mit der Auskunft verbundenen Mühen erspart werden (so Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 82; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Rz 17; Eich, Der AO-Steuer-Berater 2004, 18, 20).
- 45
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dd) Atypische Fälle im Zusammenhang mit § 93 Abs. 1 Satz 3 AO hat die bisherige BFH-Rechtsprechung vereinzelt angenommen.
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Ausnahmen vom sog. Subsidiaritätsprinzip hat die bisherige BFH-Rechtsprechung dann angenommen, wenn
-
der Beteiligte unbekannt ist (z.B. BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227) oder
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der Beteiligte nicht mitwirkt (z.B. BFH-Urteil in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537).
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Kein solch atypischer Fall lag dem Streitfall zugrunde. Weder war die Identität des Beteiligten (Klägers) unbekannt noch hat der Beteiligte (Kläger) die Mitwirkung verweigert.
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ee) Der Senat vermag im Streitfall auch keinen weiteren atypischen Fall zu erkennen.
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Es liegt im Interesse des Klägers, dass Dritte jedenfalls zunächst nichts über eine laufende Betriebsprüfung und --aus Sicht der Prüfer-- möglicherweise nicht erklärte Provisionserlöse erfahren. Er hat ein Anrecht darauf, dass seine Reputation nicht beschädigt wird und seine Geschäftspartner nicht den Eindruck bekommen, er vernachlässige seine steuerlichen Pflichten. Dies ist Ausdruck seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Zudem entspricht es den Interessen der Dritten, nur in Ausnahmefällen in fremde Besteuerungsverfahren einbezogen zu werden.
- 50
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Etwas anderes könnte nur gelten, wenn von vornherein feststeht, dass der Beteiligte entweder nicht mitwirken wird oder --was vorliegend allein relevant erscheint-- die Erfolglosigkeit seiner Mitwirkung offenkundig ist. Auf letztes kann eine Finanzbehörde aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beteiligten bei konkreten nachweisbaren Fakten im Rahmen einer vorweggenommenen Beweiswürdigung schließen. Nicht ausreichend ist es, eine solche Beweiswürdigung schon dann als vertretbar zu werten, wenn sie (nur) nicht willkürlich erfolgte (so aber Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Rz 20).
- 51
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Ermächtigt eine Norm wie § 93 Abs. 1 AO zu Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, so muss dieser --auch im engeren Sinne-- verhältnismäßig sein. Dies bedeutet, die Schwere des Eingriffs darf bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen (vgl. nur BVerfG-Beschluss vom 29. September 2013 2 BvR 939/13, wistra 2014, 16, unter II.1., m.w.N., ständige Rechtsprechung). Dabei muss beachtet werden, welche Möglichkeiten der Grundrechtsträger hat, eine eventuelle Grundrechtsbeeinträchtigung oder jedenfalls weitere Folgen des Eingriffs abwehren zu können. Wird eine Maßnahme heimlich durchgeführt, so ist es dem Betroffenen faktisch verwehrt, sich gegen sie im Voraus zur Wehr zu setzen (so schon BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05, BVerfGE 118, 168, unter C.I.3.d cc (1)).
- 52
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Folglich muss die Finanzbehörde es im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung aufgrund konkreter Tatsachen als zwingend ansehen, dass die Mitwirkung des Beteiligten erfolglos bleiben wird.
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Im Streitfall konnte die Finanzbehörde im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung nicht aufgrund konkreter Tatsachen davon ausgehen, dass die Mitwirkung des Klägers erfolglos bleiben wird.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.
(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.
Tenor
Auf die Berufung der Beigeladenen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. November 2012 - 2 K 471/11 - teilweise geändert und neu gefasst.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aus dem erstinstanzlichen Verfahren, die diese selbst trägt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Beteiligte sind
- 1.
Antragsteller und Antragsgegner, - 2.
diejenigen, an die die Finanzbehörde den Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat, - 3.
diejenigen, mit denen die Finanzbehörde einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen will oder geschlossen hat.
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, soll diesem Gelegenheit gegeben werden, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies gilt insbesondere, wenn von dem in der Steuererklärung erklärten Sachverhalt zuungunsten des Steuerpflichtigen wesentlich abgewichen werden soll.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
- 1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint, - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde, - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll, - 4.
die Finanzbehörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will, - 5.
Maßnahmen in der Vollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
(1) Amtsträger haben das Steuergeheimnis zu wahren.
(2) Ein Amtsträger verletzt das Steuergeheimnis, wenn er
- 1.
personenbezogene Daten eines anderen, die ihm - a)
in einem Verwaltungsverfahren, einem Rechnungsprüfungsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen, - b)
in einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder einem Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit, - c)
im Rahmen einer Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4, 5 oder 6 oder aus anderem dienstlichen Anlass, insbesondere durch Mitteilung einer Finanzbehörde oder durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorlage eines Steuerbescheids oder einer Bescheinigung über die bei der Besteuerung getroffenen Feststellungen,
- 2.
ein fremdes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm in einem der in Nummer 1 genannten Verfahren bekannt geworden ist,
- 3.
geschützte Daten im automatisierten Verfahren unbefugt abruft, wenn sie für eines der in Nummer 1 genannten Verfahren in einem automationsgestützten Dateisystem gespeichert sind.
(3) Den Amtsträgern stehen gleich
- 1.
die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 des Strafgesetzbuchs), - 1a.
die in § 193 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Personen, - 2.
amtlich zugezogene Sachverständige, - 3.
die Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind.
(4) Die Offenbarung oder Verwertung geschützter Daten ist zulässig, soweit
- 1.
sie der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 Buchstaben a und b dient, - 1a.
sie einer Verarbeitung durch Finanzbehörden nach Maßgabe des § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 oder 6 dient, - 1b.
sie der Durchführung eines Bußgeldverfahrens nach Artikel 83 der Verordnung (EU) 2016/679 im Anwendungsbereich dieses Gesetzes dient, - 2.
sie durch Bundesgesetz ausdrücklich zugelassen ist, - 2a.
sie durch Recht der Europäischen Union vorgeschrieben oder zugelassen ist, - 2b.
sie der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Statistischen Bundesamtes oder für die Erfüllung von Bundesgesetzen durch die Statistischen Landesämter dient, - 2c.
sie der Gesetzesfolgenabschätzung dient und die Voraussetzungen für eine Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 vorliegen, - 2d.
sie der Sicherung, Nutzung und wissenschaftlichen Verwertung von Archivgut der Finanzbehörden durch das Bundesarchiv nach Maßgabe des Bundesarchivgesetzes oder durch das zuständige Landes- oder Kommunalarchiv nach Maßgabe des einschlägigen Landesgesetzes oder der einschlägigen kommunalen Satzung dient, sofern die Beachtung der Vorgaben der §§ 6 und 10 bis 14 des Bundesarchivgesetzes im Landesrecht oder in der kommunalen Satzung sichergestellt ist, - 3.
die betroffene Person zustimmt, - 4.
sie der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Tat dient, die keine Steuerstraftat ist, und die Kenntnisse - a)
in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erlangt worden sind; dies gilt jedoch nicht für solche Tatsachen, die der Steuerpflichtige in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens offenbart hat oder die bereits vor Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens im Besteuerungsverfahren bekannt geworden sind, oder - b)
ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht erlangt worden sind,
- 5.
für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht; ein zwingendes öffentliches Interesse ist namentlich gegeben, wenn - a)
die Offenbarung erforderlich ist zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die Verteidigung oder die nationale Sicherheit oder zur Verhütung oder Verfolgung von Verbrechen und vorsätzlichen schweren Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen, - b)
Wirtschaftsstraftaten verfolgt werden oder verfolgt werden sollen, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern, oder - c)
die Offenbarung erforderlich ist zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern; die Entscheidung trifft die zuständige oberste Finanzbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen; vor der Richtigstellung soll der Steuerpflichtige gehört werden.
(5) Vorsätzlich falsche Angaben der betroffenen Person dürfen den Strafverfolgungsbehörden gegenüber offenbart werden.
(6) Der Abruf geschützter Daten, die für eines der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Verfahren in einem automationsgestützten Dateisystem gespeichert sind, ist nur zulässig, soweit er der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 Buchstabe a und b oder der zulässigen Übermittlung geschützter Daten durch eine Finanzbehörde an die betroffene Person oder Dritte dient. Zur Wahrung des Steuergeheimnisses kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, welche technischen und organisatorischen Maßnahmen gegen den unbefugten Abruf von Daten zu treffen sind. Insbesondere kann es nähere Regelungen treffen über die Art der Daten, deren Abruf zulässig ist, sowie über den Kreis der Amtsträger, die zum Abruf solcher Daten berechtigt sind. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie die Kraftfahrzeugsteuer, die Luftverkehrsteuer, die Versicherungsteuer sowie Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern, mit Ausnahme der Biersteuer, betrifft.
(7) Werden dem Steuergeheimnis unterliegende Daten durch einen Amtsträger oder diesem nach Absatz 3 gleichgestellte Personen nach Maßgabe des § 87a Absatz 4 oder 7 über De-Mail-Dienste im Sinne des § 1 des De-Mail-Gesetzes versendet, liegt keine unbefugte Offenbarung, Verwertung und kein unbefugter Abruf von dem Steuergeheimnis unterliegenden Daten vor, wenn beim Versenden eine kurzzeitige automatisierte Entschlüsselung durch den akkreditierten Diensteanbieter zum Zweck der Überprüfung auf Schadsoftware und zum Zweck der Weiterleitung an den Adressaten der De-Mail-Nachricht stattfindet.
(8) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abgleich geschützter Daten innerhalb einer Finanzbehörde oder zwischen verschiedenen Finanzbehörden ermöglicht, ist zulässig, soweit die Weiterverarbeitung oder Offenbarung dieser Daten zulässig und dieses Verfahren unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person und der Aufgaben der beteiligten Finanzbehörden angemessen ist.
(9) Die Finanzbehörden dürfen sich bei der Verarbeitung geschützter Daten nur dann eines Auftragsverarbeiters im Sinne von Artikel 4 Nummer 8 der Verordnung (EU) 2016/679 bedienen, wenn diese Daten ausschließlich durch Personen verarbeitet werden, die zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet sind.
(10) Die Offenbarung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 durch Finanzbehörden an öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen ist zulässig, wenn die Voraussetzungen der Absätze 4 oder 5 und ein Ausnahmetatbestand nach Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/679 oder nach § 31c vorliegen.
(11) Wurden geschützte Daten
nach den Absätzen 4 oder 5 offenbart, darf der Empfänger diese Daten nur zu dem Zweck speichern, verändern, nutzen oder übermitteln, zu dem sie ihm offenbart worden sind. Die Pflicht eines Amtsträgers oder einer ihm nach Absatz 3 gleichgestellten Person, dem oder der die geschützten Daten durch die Offenbarung bekannt geworden sind, zur Wahrung des Steuergeheimnisses bleibt unberührt.(1) Wer unbefugt
- 1.
personenbezogene Daten eines anderen, die ihm als Amtsträger - a)
in einem Verwaltungsverfahren, einem Rechnungsprüfungsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen, - b)
in einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder in einem Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit, - c)
im Rahmen einer Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4, 5 oder 6 der Abgabenordnung oder aus anderem dienstlichen Anlass, insbesondere durch Mitteilung einer Finanzbehörde oder durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorlage eines Steuerbescheids oder einer Bescheinigung über die bei der Besteuerung getroffenen Feststellungen
- 2.
ein fremdes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm als Amtsträger in einem der in Nummer 1 genannten Verfahren bekannt geworden ist,
(2) Den Amtsträgern im Sinne des Absatzes 1 stehen gleich
- 1.
die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten, - 2.
amtlich zugezogene Sachverständige und - 3.
die Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts.
(3) Die Tat wird nur auf Antrag des Dienstvorgesetzten oder des Verletzten verfolgt. Bei Taten amtlich zugezogener Sachverständiger ist der Leiter der Behörde, deren Verfahren betroffen ist, neben dem Verletzten antragsberechtigt.
Tenor
-
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
-
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
- 2
-
Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
- 3
-
Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
- 4
-
Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
- 5
-
Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
- 6
-
In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
- 7
-
Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
- 8
-
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
- 9
-
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
- 10
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 11
-
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
- 12
-
1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
- 13
-
a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
- 14
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
- 18
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
- 19
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
- 21
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
- 22
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
- 23
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
- 1
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
- 2
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
- 3
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
- 4
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
- 6
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
- 7
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
- 8
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
- 10
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
- 16
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und die betroffene Person dies unverzüglich verlangt.
(3) Ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen. Ferner muss er die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten; dies gilt nicht für einen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird. Ist für einen Verwaltungsakt durch Gesetz eine Schriftform angeordnet, so muss bei einem elektronischen Verwaltungsakt auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Falle des § 87a Absatz 4 Satz 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Finanzbehörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
- 55
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und die betroffene Person dies unverzüglich verlangt.
(3) Ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen. Ferner muss er die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten; dies gilt nicht für einen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird. Ist für einen Verwaltungsakt durch Gesetz eine Schriftform angeordnet, so muss bei einem elektronischen Verwaltungsakt auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Falle des § 87a Absatz 4 Satz 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Finanzbehörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
- 1
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
- 2
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
- 4
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
- 7
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
- 1
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
- 2
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
- 4
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
- 10
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
I.
§ 7 Abs. 1 Satz 1 der Satzung des Antragsgegners für die Erhebung eines Kurbeitrages vom 14. März 2013 wird für unwirksam erklärt, soweit Ehegatten und einkommensteuerrechtlich dem Haushalt des Beitragspflichtigen zugerechnete Kinder einen jährlichen pauschalen Kurbeitrag zu entrichten haben. Im Übrigen wird der Normenkontrollantrag abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat neun Zehntel, der Antragsgegner ein Zehntel der Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten des Verfahrens vorläufig vollstreckbar. Die Streitparteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Streitpartei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand:
§ 7
Gründe
Entscheidungsgründe:
Rechtsmittelbelehrung
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
§ 11 der Satzung zur Erhebung einer Beherbergungsabgabe im Gebiet der Stadt Flensburg (Beherbergungssatzung) der Antragsgegnerin vom 9. November 2012 ist unwirksam.
Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragstellerin wird nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Antragstellerin betreibt ein Hotel in Flensburg. Die Antragsgegnerin setzte gegen sie mit Bescheid vom 06.08.2013 für das Veranlagungsjahr als Beherbergungsabgabe einen Gesamtbetrag vom 33.383,00 € fest.
- 2
Dieser Bescheid stützt sich auf die Satzung zur Erhebung einer Beherbergungsabgabe im Gebiet der Stadt Flensburg (Beherbergungsabgabesatzung) v. 09.11.2013, die nach Auffassung der Antragstellerin unwirksam ist.
- 3
§ 2 dieser Satzung lautet:
- 4
„Gegenstand der Beherbergungsabgabe ist der Aufwand des Beherbergungsgastes für die Möglichkeit einer entgeltlichen Übernachtung in einem Beherbergungsbetrieb (Hotel, Gasthof, Pension, Privatzimmer, Jugendherberge, Ferienwohnung, Motel und ähnliche Einrichtung), der gegen Entgelt eine Beherbergungsmöglichkeit zur Verfügung stellt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beherbergungsleistung tatsächlich in Anspruch genommen wird.“
- 5
§ 5 der Satzung lautet:
- 6
„Abgabenschuldner
- 7
Abgabenschuldner ist der Betreiber des Beherbergungsbetriebes.“
- 8
§ 11 der Satzung lautet:
- 9
„Prüfungsrecht
- 10
(1) Die Stadt Flensburg ist berechtigt, während der üblichen Geschäftszeiten- und Arbeitszeiten zur Feststellung von Abgabentatbeständen die Geschäftsräume des Beherbergungsbetriebes zu betreten und die betreffenden Geschäftsunterlagen einzusehen.
- 11
(2) Der Beherbergungsbetrieb ist verpflichtet, mit Dienstausweis oder besonderer Vollmacht ausgestatteten Vertretern der Steuerabteilung der Stadt Flensburg zur Nachprüfung der Erklärungen, zur Feststellung von Abgabentatbeständen sowie zur Einsicht in die entsprechenden Geschäftsunterlagen Einlass zu gewähren.“
- 12
Die Antragstellerin hat sich am 06.11.2013 an das Oberverwaltungsgericht gewandt.
- 13
Sie ist der Ansicht, dass es mit dem Wesen einer örtlichen Aufwandssteuer unvereinbar sei, dass der Betreiber eines Beherbergungsbetriebes, wie es § 5 der Satzung vorsehe, der Steuerschuldner sein solle. Zulässig sei allenfalls die Auferlegung von Mitwirkungspflichten. Es sei dem Beherberger nicht möglich, die Abgabe auf den Gast abzuwälzen. Eine Einpreisung stoße auf praktische Schwierigkeiten. So habe der Beherbergungsunternehmer seine Leistungen über die üblichen Medien, insbesondere Internetportale, anzubieten. Er könne hierbei nicht unterschiedliche Preise für beruflich bedingte oder private Übernachtungen anbieten. Ein Vorgehen, vom privat angereisten Gast nach bereits vorab gezahltem Entgelt für die Übernachtung vor Ort noch einen Aufschlag zu verlangen, wäre nicht nur zivilrechtlich höchst kritisch, sondern zöge ihm darüber hinaus auch den Unmut der Gäste zu. Wolle man die gesamten Mehrkosten auf den regulären Betten- bzw. Zimmerpreis aufschlagen, selbst wenn dies nur für die organisatorischen notwendigen Mehrkosten angenommen würde, bedeutete dies letztendlich, dass doch sämtliche Gäste die Mehrkosten zu tragen hätten.
- 14
Dem Betreiber des Beherbergungsbetriebes würden zudem unverhältnismäßige Verpflichtungen sowie damit einhergehende Risiken auferlegt. So habe der Betreiber gem. § 8 Abs. 2 der Satzung nachzuweisen, dass Steuerbefreiungstatbestände nach § 7 vorliegen. Es sei in der Praxis nicht damit zu rechnen, dass etwa die Arbeitgeber von Dienstreisenden ein gesteigertes Interesse an der Ausstellung und Übersendung entsprechender Nachweise habe, dies insbesondere deshalb nicht, da ja das Beherbergungsgewerbe Schuldner der Abgabe sei. Auch der Aufwand bei Einholen solcher Nachweise sei völlig unverhältnismäßig.
- 15
Der Gegenstand der Abgabe sei nicht hinreichend bestimmt umschrieben. Einerseits sehe § 2 der Satzung vor, dass Gegenstand der Abgabe der Aufwand des Beherbergungsgastes für die Möglichkeit einer entgeltlichen Übernachtung sei. Dies sei unabhängig davon, ob die Beherbergungsleistung tatsächlich in Anspruch genommen werde. Andererseits solle der Anspruch nach § 6 erst mit Beginn der entgeltlichen Beherbergungsleistung beginnen. Unklar bleibe auch, was im Falle einer kostenlosen Stornierungsmöglichkeit geschehen solle.
- 16
Der Steuerbefreiungstatbestand des § 7 Nr. 1 bei „beruflich bedingten Übernachtungen von Geschäftsreisenden“ sei nicht nur zu unbestimmt, sondern im Übrigen auch viel zu eng gefasst. So sei unklar, ob ein Freiberufler unter die Befreiung falle, der ausschließlich für ein bestimmtes Projekt für wenige Wochen oder Monate vor Ort verweile.
- 17
Die Regelungen zum Betretungs- und Einsichtsrecht gem. § 11 verwirrten. Abs. 1 sehe vor, dass die Antragsgegnerin berechtigt sei, während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten zur Feststellung von Abgabentatbeständen die Geschäftsräume des Beherbergungsbetriebes zu betreten und die betreffenden Geschäftsunterlagen einzusehen. Abs. 2 sehe sodann die Pflicht des Betriebs vor, Vertretern der Steuerabteilung der Antragsgegnerin zur Einsicht in die entsprechenden Geschäftsunterlagen Einlass zu gewähren. Darüber hinaus werde damit unverhältnismäßig und ohne gesetzliche Ermächtigung hierzu in Art. 13 Abs. 1 GG eingegriffen.
- 18
Eine Vorschrift, die vom den Vertretern der Steuerabteilung der Antragsgegnerin weitreichende Kenntnisse verfassungskonformer Auslegung bestimmter Ermächtigungsgrundlagen voraussetze, erfülle den Zweck nicht.
- 19
Die in § 14 der Satzung aufgeführten Ordnungswidrigkeitentatbestände verstießen in mehrfacher Hinsicht gegen höherrangiges Recht.
- 20
Die Antragstellerin beantragt,
- 21
die Satzung der Antragsgegnerin zur Erhebung einer Beherbergungsabgabe im Gebiet der Stadt Flensburg (Beherbergungsabgabesatzung) vom 08.11.2012 für unwirksam zu erklären.
- 22
Die Antragsgegnerin beantragt,
- 23
den Antrag abzulehnen.
- 24
Sie trägt vor, der Ansicht, der Beherbergungsbetreiber sei der falsche Abgabenschuldner, sei nicht zu folgen. Eine Aufwandssteuer könne auch als indirekte Steuer erhoben werden. Es genüge – wie bei der Spielgerätesteuer – die Möglichkeit, dass die Steuer auf den Übernachtungsgast als den eigentlichen Steuerträger kalkulatorisch abgewälzt werden könne.
- 25
Gem. § 2 sei Gegenstand der Beherbergungsabgabe der Aufwand des Beherbergungsgastes für die Möglichkeit einer entgeltlichen Übernachtung in einem Beherbergungsbetrieb, unabhängig davon, ob die Beherbergungsleistung tatsächlich in Anspruch genommen werde. Der Abgabenanspruch entstehe gem. § 6 mit Beginn der entgeltlichen Beherbergungsleistung. Aus einer Zusammenschau der beiden Vorschriften sei erkennbar, dass die Abgabe unabhängig von der tatsächlichen Übernachtung des Gastes erhoben werde. Entscheidender Umstand sei das Einchecken des Gastes, denn ab diesem Zeitpunkt ergebe sich für ihn die gesicherte Möglichkeit, in dem Beherbergungsbetrieb tatsächlich zu übernachten und gleichzeitig für den Beherbergungsbetreiber die Möglichkeit, ein Entgelt für die Leistung fordern zu können.
- 26
Unter § 7 Abs. 1 fielen auch Gewerbetreibende und Selbständige. Der Begriff „beruflich“ sei im Lichte des Art. 12 GG auszulegen.
- 27
Die Regelungen zu den Mitwirkungspflichten seien nicht unverhältnismäßig. Die gesetzlichen Grundlagen fänden sich in § 3 und § 11 KAG i.V.m. § 90 AO. Das Betretungsrecht beruhe auf § 11 Abs. 1 Satz 2 KAG i.V.m. § 99 AO.
- 28
Die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und wegen des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Akteninhalt sowie auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 29
Der Normenkontrollantrag hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.
- 30
Soweit mit dem Normenkontrollantrag die Ordnungswidrigkeitentatbestände der angefochtenen Satzung angegriffen werden sollen, ist der Antrag unzulässig, da eine Entscheidung hierüber nicht in die sachliche Kompetenz des Oberverwaltungsgerichts fällt. Ordnungswidrigkeitsbestimmungen in kommunalen Satzungen sind wegen der abdrängenden Sonderzuweisung in § 68 OWiG der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle entzogen (OVG Schleswig, Urt. v. 20.03.2002 – 2 K 10/99 -; SchlHA 2002, 217 = ZKF 2002, 184 = NordÖR 2003, 37).
- 31
Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig, jedoch nur zu einem geringen Teil begründet. Die Regelungen des § 11 der Satzung weisen den Mitarbeitern der Antragsgegnerin Kompetenzen zu, die über das in den Vorschriften der Abgabenordnung Vorgesehene hinausgehen. Die Tatbestände der Aktenvorlagepflicht des § 97 AO und des Rechtes zum Betreten von Grundstücken und Räumen gem. § 99 AO werden in den beiden Absätzen des § 11 derart vermischt, dass unzutreffende Befugnisse zugewiesen werden.
- 32
Gemäß § 97 Abs. 1 AO kann die Finanzbehörde von den Beteiligten die Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden zur Einsicht und Prüfung verlangen. Die Behörde kann die Vorlage dieser Urkunden an Amtsstelle verlangen und nur im Einverständnis oder bei besonderer Beschaffenheit dieser Urkunden Einsicht bei dem Vorlagepflichtigen nehmen. § 11 Abs. 1 der Satzung sieht hingegen die Einsichtnahme an Ort und Stelle als Regelfall vor und verknüpft sie zudem mit dem Recht auf Betreten der Geschäftsräume.
- 33
§ 11 Abs. 2 der Satzung verpflichtet den Beherbergungsbetrieb dazu, das Betreten der Räume zu dulden und zur Einsicht in die Geschäftsunterlagen Einlass zu gewähren. § 99 Abs. 1 Satz 2 AO sieht hingegen vor, dass die betroffenen Personen angemessene Zeit vorher benachrichtigt werden sollen. Das Betretungsrecht ist zudem ein Instrument der Inaugenscheinseinnahme und darf gem. § 99 Abs. 2 AO nicht der Ausforschung dienen. Da die in § 11 der Satzung getroffenen Regelungen somit nicht auf die gesetzlichen Ermächtigungen gem. § 11 Abs. 1 Satz 2 KAG i.V.m. den §§ 97 und 99 AO gestützt werden können, sind sie aufzuheben. Eine Umformulierung oder Teilaufhebung der Satzungsbestimmung war nicht geboten, da auch bei vollständiger Streichung des § 11 der Antragsgegnerin die Befugnisse auf Betreten von Geschäftsräumen und auf Akteneinsicht weiterhin gem. § 11 Abs. 1 Satz 2 KAG i.V.m. §§ 97, 99 AO bei Vorliegen des entsprechenden Tatbestandes und in dem Umfang der dort vorgesehenen Rechtsfolgen zustehen.
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Im Übrigen begegnet die angegriffene Satzung zur Erhebung einer Beherbergungssatzung im Gebiet der Stadt Flensburg (Beherbergungssatzung) der Antragsgegnerin vom 09.11.2012 keinen rechtlichen Bedenken.
- 35
Der Senat hat bereits mit Urteil vom 07.02.2013 – 4 KN 2/13 – und im Beschluss vom 28.08.2013 – 4 MR 2/13 - entschieden, dass die angefochtene Satzung keinen rechtlichen Bedenken bestehen. Auf die dortigen Ausführungen wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen. Der Senat hält an der dortigen Rechtsauffassung fest.
- 36
Soweit die Antragstellerin unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 23.10.2013 – 14 A 316/13 -) ausführt, dass die Antragstellerin nicht zur Steuerschuldnerin bestimmt werden dürfe, folgt der Senat dem nicht.
- 37
Die Entscheidung der Antragsgegnerin, in § 5 seiner Satzung den Betreiber des Beherbergungsbetriebes zum Abgabenschuldner zu bestimmen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Antragsgegnerin ist befugt, die Beherbergungsabgabe als sog. indirekte Steuer zu gestalten, da der Betreiber des Beherbergungsbetriebes zur Verwirklichung des Abgabentatbestandes in einer hinreichenden wirtschaftlichen und rechtlichen Beziehung steht und weil es ihm möglich ist, die Belastung durch die Abgabe kalkulatorisch abzuwälzen.
- 38
Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Spielgerätesteuer (so z.B. Beschl. v. 04.02.2009 - 1 BvR 8/05 -, BVerfGE 123, 1 = DVBl 2009, 777 = NVwZ 2009, 968 = GewArch 2009, 301) folgt, dass eine Aufwandsteuer auch als indirekte Steuer erhoben werden kann und nicht zwingend der den Aufwand treibende Übernachtungsgast Steuerschuldner sein muss. Sofern Schuldner der Steuer nicht derjenige ist, der den Steuertatbestand erfüllt, wird die Steuer bei diesem nur zur Verwaltungsvereinfachung erhoben. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 11.07.2012 (- 9 CN 1.11 u.a. -, BVerwGE 143, 301 = Buchholz 11 Art 105 GG Nr. 51 = KommJur 2012, 387 = ZKF 2012, 235 = NVwZ 2012, 1407 = KStZ 2013, 11) zur Kultur- und Tourismusförderabgabe der Stadt Trier insoweit keine Bedenken gesehen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Beherbergungsunternehmer die Steuer auf den Übernachtungsgast, das heißt den eigentlichen Steuerträger, abwälzen kann (BVerfG, Beschl. v. 04.02.2009, a.a.O.).
- 39
Wird eine Steuer nicht bei dem erhoben, dessen Leistungsfähigkeit in einem bestimmten Vorgang, wie hier dem Aufwand für die Übernachtung, erfassen werden soll, sondern indirekt bei einem Dritten, so muss sie dem wahren Besteuerungsgrund folgend von diesem Steuerschuldner grundsätzlich auf den eigentlich zu Belastenden abwälzbar sein. Hierfür genügt die Möglichkeit einer kalkulatorischen Abwälzung in dem Sinne, dass der Steuerpflichtige den von ihm gezahlten Beitrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen - Preiserhöhung, Umsatzsteigerung oder Senkung der sonstigen Kosten - treffen kann. Die rechtliche Gewähr, dass er den von ihm entrichteten Beitrag immer von demjenigen erhält, der nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen soll, muss dem Steuerschuldner nicht geboten werden. Es reicht aus, wenn die Steuer auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt ist, auch wenn die Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelingt.
- 40
Schon vom Grundsatz gegensätzlicher Ansicht zu dieser Frage ist zwar das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 23.10.2013 – 14 A 314/13 -). Eine Gemeinde könne zum Steuerschuldner nur jemanden bestimmen, der in einer besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehung zu dem Steuergegenstand stehe oder einen maßgeblichen Beitrag zur Verwirklichung des Steuergegenstandes leiste. Die Erhebung einer Beherbergungsabgabe für entgeltliche private Übernachtungen sei danach zwar grundsätzlich möglich, nicht aber als Steuerschuld des Unternehmers. Die besondere Beziehung zum Steuergegenstand oder der maßgebliche Beitrag zur Verwirklichung des Steuergegenstandes liege bei dem Unternehmer für das das steuerbegründende Merkmal des privaten Zwecks der Übernachtung nicht vor. Hierüber entscheide allein der Übernachtungsgast, der auch allein hierüber Kenntnis habe. Für die so nur beschränkt gegebene Beziehung des Unternehmers zum Steuergegenstand erlaube das Kommunalabgabenrecht deshalb lediglich, den Unternehmer zu verpflichten, die Steuer – wie bei der Kurabgabe – beim Gast als Steuerschuldner einzuziehen und als Steuerentrichtungspflichtiger an die Gemeinde abzuführen.
- 41
Dieser Rechtsprechung vermag der Senat nicht zu folgen. Zur Bestimmung des Abgabenschuldners ist § 38 AO nicht behilflich, weil dort nur bestimmt ist, dass die Abgabenschuld mit der Verwirklichung des Abgabentatbestandes entsteht. § 38 AO regelt nicht, wer Steuerschuldner ist und verhält sich auch zur Frage der indirekten Steuer nicht. Einschlägig könnte insoweit nur § 43 Satz 1 AO sein. Danach bestimmen die Steuergesetze, wer Steuerschuldner ist. Die Tatbestandsmerkmale dieses Abgabentatbestandes werden nicht in den §§ 38 und 43 AO bestimmt, sondern in dem Kommunalabgabengesetz und der nachfolgenden Abgabensatzung. Danach ist Steuerschuldner hier der Beherbergungsunternehmer.
- 42
Mit dem Erfordernis einer kalkulatorischen Abwälzbarkeit wird der Forderung nach einer „besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehung zum Steuergut“ genügt. Denn würde es an einer solchen Beziehung fehlen, wäre auch eine Abwälzbarkeit nicht gegeben.
- 43
Eine solche kalkulatorische Abwälzbarkeit ist (auch) bei der Übernachtungssteuer zweifelsfrei gegeben. Der Beherbergungsunternehmer kann die Übernachtungssteuer auf alle seine Gäste kalkulatorisch abwälzen. Er ist dabei nicht gehalten, nur die Gäste zu belasten, die privat übernachten.
- 44
Da der Beherberger hiernach in rechtlich statthafter Weise zum Abgabenschuldner bestimmt werden konnte, kommt es auf die weiteren Ausführungen des Antragstellers zu einer Inpflichtnahme als Abgabenentrichtungspflichtiger nicht an.
- 45
Die Steuerfeststellungslast liegt beim Steuergläubiger. Es besteht auch keine Vermutung, dass jede Übernachtung der Besteuerung unterliegt. Vielmehr ist anhand der vom Beherbergungsunternehmer einzuholenden Erklärungen festzustellen, welche Übernachtungen steuerpflichtig sind. Erst wenn der Gast keine Erklärung abgibt, ist mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, dass die Übernachtung aus privaten Gründen erfolgt. Gibt der Gast die Erklärung ab, berufsbedingt zu übernachten (in welcher Form auch immer), ist die Übernachtung steuerfrei, wenn der Steuergläubiger nicht nachweist oder nicht nachweisen kann, dass die Erklärung unzutreffend ist (Senatsurteil v. 07.02.2013 – 4 KN 1/12 -, NordÖR 2013, 206 = NVwZ-RR 2013, 816).
- 46
Die Anzeige- und Nachweispflicht findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 3, 11 Abs. 1 Satz 2 KAG i.V.m. § 90 Abs. 1 AO. Der Steuergläubiger kann im Falle der Nichterfüllung der Anzeige- und Nachweispflicht nicht ohne weiteres unterstellen, dass alle Übernachtungen der Steuer unterliegen. Vielmehr sind dann die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 KAG i.V.m. § 162 AO zu schätzen.
- 47
Dem Steuerpflichtigen wird kein unverhältnismäßiger Organisationsaufwand abverlangt. Die Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht in verfassungswidriger Weise tangiert (Beschl. des Senats v. 15.02.2012 - 4 MR 1/12 -, NordÖR 2012, 286). Insbesondere die Unterscheidung zwischen privaten und berufsbedingten Übernachtungen ist ohne unverhältnismäßige Mitwirkungsbeiträge erreichbar. In der Satzung kann bestimmt werden, dass der Steuerpflichtige geeignete Belege, etwa in Form von Erklärungen ihrer berufsbedingt übernachtenden Gäste, vorzulegen hat. Insbesondere kann das Vorliegen berufsbedingter Gründe durch Arbeitgeberbescheinigungen nachgewiesen werden. Die Einholung entsprechender Erklärungen der Übernachtungsgäste im Rahmen der Anmeldung ist mit keinerlei unverhältnismäßigem Aufwand verbunden. Vorübergehende organisatorische Schwierigkeiten bei der elektronischen Erfassung der Übernachtungen sind hinzunehmen.
- 48
Jedenfalls das schleswig-holsteinische Landesrecht fordert keine weitergehende Beziehung. Dass der Steuertatbestand den Kreis der Steuerschuldner darüber hinaus begrenzen soll, lässt sich insbesondere nicht dem Umstand entnehmen, dass nach § 2 Abs. 2 Satz 2 KAG die Satzung neben dem Abgabenschuldner auch den Gegenstand der Abgabe angeben muss (a.A. OVG NRW Urteil vom 23.10.2013 – 14 A 314/13 – zum dortigen Landesrecht). Insbesondere der Umstand, dass der Beherbergungsgast über den Zweck der Beherbergung entscheidet, schließt nicht aus, den Beherbergungsunternehmer zum Steuerschuldner zu bestimmen. Diese Auffassung findet weder im Gesetz noch in der sonstigen Rechtsprechung eine Stütze. Der Beherbergungsgast bestimmt vor allem, ob er das Leistungsangebot des Beherbergungsunternehmers annimmt. Käme es darauf an, wer über die Erfüllung des steuerlichen Tatbestandes entscheidet, könnte eine Aufwandsteuer (auch nicht die Spielgerätesteuer) nicht als indirekte Steuer erhoben werden. Der Gast bestimmt auch nicht den Zweck der Übernachtung in dem Sinne, dass er frei entscheiden könnte, ob die Übernachtung als berufsbedingt oder als privat einzustufen ist. Dies ist vielmehr eine Frage des objektiv gegebenen Anlasses der Übernachtung. Ob der Beherbergungsunternehmer erkennen kann, ob die Übernachtung berufsbedingt ist, ist keine Frage der Erfüllung des Steuertatbestandes.
- 49
Dass die Verwirklichung des Steuertatbestandes dem Beherbergungsunternehmer zugerechnet werden kann, der die Übernachtungsleistung anbietet, steht außer Frage. Ihm ist sowohl die berufsbedingte wie auch die private Übernachtung zurechenbar. Dass die berufsbedingte Übernachtung nicht der Aufwandssteuer unterliegt, ist keine Frage der Zurechenbarkeit, sondern der Erfüllung des steuerlichen Tatbestandes durch den Gast.
- 50
Die Kritik der Antragstellerin an den in § 7 der Satzung getroffenen Regelungen zur Steuerbefreiung greift nicht. Diese Vorschrift kann nur der Klarstellung dienen, soweit von berufsbedingten Übernachtungen die Rede ist (§ 7 Nr. 1). Die Auffassung, die Regelung fordere kumulativ beruflich bedingte Übernachtungen einerseits und von Geschäftsreisenden andererseits, trifft nicht zu. Der Zusatz „Geschäftsreisende“ soll lediglich verdeutlichen, dass der Gast „in Geschäften“ unterwegs sein muss. Dies schließt den „Freiberuflicher“ ohne Weiteres ein.
- 51
Hinsichtlich der in § 8 zur Anzeigepflicht, zur Festsetzung und zur Fälligkeit getroffenen Regelungen ist auf die Ausführungen im Senatsurteil v. 06.02.2014 – 4 KN - 2/13 zu verweisen. Allein erörterungsbedürftig ist, ob § 8 Abs. 2 dem Beherberger abverlangt, auch in den Ausnahmefällen, in denen der Gast nicht kostenfrei storniert, gleichwohl nicht erscheint, Nachweise einer möglicherweise berufsbedingten Reservierung zu führen hat. Dies ist eine Frage der Auslegung und damit der Rechtsanwendung. § 8 Abs. 2 stellt ersichtlich auf den Normalfall ab. Die Vorschrift ist im Kontext zu § 6 (Entstehung des Abgabeanspruchs) und der Feststellungslast der Abgabengläubigerin zu sehen. Ausreichend ist deshalb, dass der Beherbergungsunternehmer in den Ausnahmefällen vermerkt, dass ihm keine Erkenntnisse über den Anlass der Buchung vorliegen.
- 52
Es besteht auch kein gleichheitswidriges strukturelles Erhebungsdefizit, weil die Angaben des Gastes gegenüber dem Beherbergungsunternehmer freiwillig sind (Senatsurteil v. 07.02.2013 – 4 KN 1/12 -, NordÖR 2013, 206 = NVwZ-RR 2013, 816). Problematisch können nur die Fälle sein, in denen der Gast fälschlicherweise angibt, berufsbedingt zu übernachten. Die Überprüfung der Richtigkeit der Angabe des Gastes ist nicht Aufgabe des Beherbergungsunternehmers. Er ist nur gehalten, die Erklärung des Gastes an die Steuerbehörde weiterzuleiten. Diese ist anhand der weitergeleiteten Daten in der Lage, die Richtigkeit der Angabe zu prüfen und gegebenenfalls vom Gast als „andere Person“ im Sinne des § 93 AO Auskunft zu verlangen. Die Rechtsanwendungsgleichheit ist damit hinreichend gewährleistet. Es besteht ein angemessenes Entdeckungsrisiko (siehe hierzu BVerfG, Beschl. v. 17.03.2011 - 1 BvR 3255/08 -, NVwZ-RR 2011, 465). Eine lückenlose Kontrolle in jedem Einzelfall ist nicht erforderlich; Stichproben sind ausreichend.
- 53
Soweit die Antragstellerin schließlich die in § 15 der Satzung getroffene Erstattungsreglung rügt, beruht dies offensichtlich auf einem Missverständnis. Nicht dem abgabepflichtigen Beherberger, sondern dem Gast, auf den die Abgabe zu Unrecht abgewälzt worden war, wird die Abgabe auf Antrag von der Abgabengläubigerin erstattet.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Gründe, die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
- 2
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
- 7
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
- 22
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen Anhalt vom 13. März 2013 3 K 34/09 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
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In der Zeit vom 17. Dezember 2007 bis zum 29. Juni 2010 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) eine steuerliche Außenprüfung beim Kläger durch, die sich auf die Einkommensteuern, Umsatzsteuern und Gewerbesteuermessbeträge 2002 bis 2004 erstreckte.
- 3
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Eine Außenprüfung für die Vorjahre hatte zu einer Erhöhung der Erlöse um 8.530,69 DM geführt. Grundlage hierfür war eine Kontrollmitteilung, in der von einer "Ausgleichszahlung" bzw. "Bonuszahlung" einer Geschäftspartnerin des Klägers, der A, die Rede war. Ein entsprechendes Klageverfahren wegen Umsatzsteuer wurde beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen 3 K 923/07 geführt.
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Am 16. Oktober 2008 richtete das FA für die Streitjahre ein Auskunftsersuchen betreffend Provisionszahlungen an die A. Diese antwortete am 21. Oktober 2008, dem Kläger in den Jahren 2003 und 2004 insgesamt drei "Ausgleichszahlungen" geleistet zu haben.
- 5
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Am 22. Oktober 2008 richtete das FA --ohne den Kläger hierzu vorab um Auskunft gebeten zu haben-- das im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Auskunftsersuchen an die B, einer weiteren Geschäftspartnerin des Klägers. Es wies hinsichtlich der Auskunftspflicht auf § 93 der Abgabenordnung (AO) hin und führte weiter aus: "in der o.g. Steuersache ist die Sachaufklärung mit den Beteiligten nicht möglich." Ausweislich eines Vermerks des FA bezweckte dieses zweite Auskunftsersuchen, "die Prüfung zu vervollständigen", indem auch der zweite Lieferant um Auskunft gebeten werde.
- 6
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Mit Schreiben vom 24. Oktober 2008 erklärte die B dem FA, sie habe mit dem Kläger reine Handelsgeschäfte betrieben, für die dieser entsprechende Wiederverkaufsrabatte erhalten habe. Provisionszahlungen seien weder vereinbart noch geleistet worden. Am selben Tage richtete sie ein Schreiben an den Kläger, in dem sie ihre Verwunderung über das Auskunftsersuchen zum Ausdruck brachte. Sie verstehe nicht, warum der Kläger dem FA nicht mitteile, von der B niemals Provisionen erhalten zu haben.
- 7
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Am 27. Oktober 2008 legte der Kläger Einspruch gegen das an die B gerichtete Auskunftsersuchen ein.
- 8
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Nach einem Gespräch zwischen den Beteiligten stellte das FA mit Schreiben vom 25. November 2008 den Sachverhalt gegenüber der B klar. Den vom Kläger aufrechterhaltenen Einspruch verwarf das FA mit Entscheidung vom 23. Dezember 2008 als unzulässig.
- 9
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Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vorgetragen, im Zuge einer aktuell laufenden steuerlichen Außenprüfung seien nach seinem Erkenntnisstand Auskunftsersuchen zu ausländischen Sachverhalten ergangen, ohne dass er zuvor gehört oder befragt worden sei. Die Vertreter des FA konnten in der mündlichen Verhandlung hierzu keine Auskunft geben und erklärten, dass sie sich zu der zukünftigen Praxis bei Auskunftsersuchen nicht äußern wollten. Ausgenommen hiervon seien solche gegenüber der B, an die keine weiteren Auskunftsersuchen ergehen sollten, soweit diese Provisionserlöse beträfen.
- 10
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Die am 8. Januar 2009 erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage hatte Erfolg.
- 11
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Das FG ging davon aus, die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig, da Wiederholungsgefahr drohe. Der Kläger exportiere und importiere weiterhin Waren und müsse bei Außenprüfungen auch künftig mit Auskunftsersuchen rechnen, ohne dass er vorab zu dem jeweiligen Sachverhalt befragt werde. Dies ergebe sich aus dem Verhalten bzw. den Erklärungen der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung.
- 12
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Ein Rehabilitationsinteresse des Klägers vermochte das FG dagegen aufgrund der Klarstellung im Schreiben des FA an die B nicht (mehr) zu erkennen.
- 13
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Das Auskunftsersuchen sei ermessensfehlerhaft gewesen, da es gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe. Soweit Prüfungsfeststellungen --wie im Streitfall-- zu der Annahme des FA Anlass gäben, ein Steuerpflichtiger habe Einnahmen nicht erklärt, führe dies nicht per se dazu, dass das FA zwecks weiterer Ermittlungen sogleich Dritte um Auskunft ersuchen könne. Es komme vielmehr auf die Qualität und Quantität der festgestellten nicht erklärten Betriebseinnahmen an, etwa ihren erheblichen Umfang, die ggf. auch eine Vielzahl von Geschäftsbeziehungen beträfen.
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Im konkreten Fall lägen keine Auffälligkeiten hinsichtlich der Geschäftsbeziehung zur B vor, auch habe es sich bei den Provisionen des anderen Geschäftspartners um einen einmaligen Vorgang gehandelt. Der Umfang dieser Provisionen sei gering gewesen. Ein atypischer Streitfall i.S. des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO könne nicht angenommen werden.
- 15
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Mit der Revision rügt das FA, das FG habe gegen materielles Recht verstoßen.
- 16
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Das FA habe die Vorgaben des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO eingehalten. Es habe konkrete Hinweise auf nicht vollständig erklärte Betriebseinnahmen gegeben. Zusätzlich zu der einschlägigen Kontrollmitteilung anlässlich der Betriebsprüfung in den Vorjahren habe eine konkrete Auskunft der A zu Provisionserlösen in der laufenden Betriebsprüfung vorgelegen. Eine anlasslose Ermittlung oder eine solche "ins Blaue hinein" lägen nicht vor.
- 17
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Der Prüfer habe im Rahmen seiner Prognose durchaus die Antwort des Klägers vorwegnehmen dürfen und von einer voraussichtlichen Erfolglosigkeit einer solchen Anfrage ausgehen können. Die Antwort des Klägers abzuwarten und sich anschließend trotzdem an den Dritten zu wenden, sei eine leere Formalie und verletze den Grundgedanken des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO. Diese Vorschrift solle in erster Linie den Dritten vor unnötigen Anfragen der Finanzverwaltung und dem damit verbundenen Aufwand schützen, auch wenn der Steuerpflichtige ein schützenswertes Interesse daran habe, dass seine steuerlichen Verhältnisse geheim blieben. Ein Selbstzweck sei die Reihenfolge der Befragung gerade nicht.
- 18
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Die Kritik des Klägers an der Begründung des Auskunftsersuchens übersehe, dass dieses gegenüber dem Dritten ergehe und die möglichst weitgehende Geheimhaltung der steuerlichen Verhältnisse des Klägers gewährleiste.
- 19
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Vorliegend überschreite das FG seine Befugnisse nach § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wenn es die Verhältnismäßigkeit verneine.
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Das Gebot des fairen Verfahrens werde nicht verletzt. Es existiere keine Pflicht zur Vorabinformation wie beim Kontenabruf nach § 93 Abs. 9 AO.
- 21
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Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 22
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Ein plausibler Anlass zur Befragung der B habe nicht vorgelegen. Dieser sei auch nicht aufgrund der diversen Auskünfte der A konstruierbar.
Entscheidungsgründe
- 24
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II. Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
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1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass das streitige Auskunftsersuchen des FA rechtswidrig gewesen ist.
- 26
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a) Im Streitfall haben die Prüfer Auskunft über Provisionen verlangt. Ein solches Auskunftsersuchen ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt i.S. des § 118 Satz 1 AO (vgl. zum Auskunftsersuchen als Verwaltungsakt z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790, m.w.N.). Aufgrund der am 29. Oktober 2008 von der B erteilten Auskunft hat sich dieser Verwaltungsakt vor der Klageerhebung erledigt.
- 27
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b) In einem solchen Fall kann, wie im Streitfall geschehen, beim FG gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO eine Fortsetzungsfeststellungsklage mit dem Begehren erhoben werden, festzustellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist. Das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse wird von der Rechtsprechung (u.a.) dann bejaht, wenn eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr besteht (Senatsurteil vom 22. August 2012 X R 36/09, BFHE 239, 203, BStBl II 2014, 109, unter II.1.b).
- 28
-
Diese ist im Streitfall gegeben, weil --wie schon das FG nach Würdigung der Umstände festgestellt hat-- das FA nicht ausschließen wollte, auch künftig --wie z.B. in der während der mündlichen Verhandlung im Klageverfahren stattfindenden Betriebsprüfung-- wiederum Auskunftsersuchen an Dritte zu richten, ohne dass der Kläger vorher zu dem Sachverhalt befragt werde.
- 29
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2. Das FG hat die Klage zu Recht im Rahmen seiner Prüfungskompetenz nach § 102 FGO als begründet angesehen. Das Auskunftsersuchen des FA an die B ist rechtswidrig gewesen.
- 30
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a) Vorliegend hat das FG den Ermessensgebrauch des FA anhand des Zwecks des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO überprüft und im Rahmen seiner Prüfungskompetenz aus § 102 FGO gehandelt.
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Es hat lediglich die fehlerfreie Ermessensausübung durch das FA kontrolliert und nicht etwa nach einer besseren, zweckmäßigeren oder sachgerechteren Lösung gesucht (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 102 Rz 1).
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b) Zu Recht geht das FG davon aus, das FA habe von seinem Ermessen in einer dem Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.
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aa) Nach § 93 Abs. 1 AO haben Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Im Rahmen ihrer Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt zur Durchsetzung materiell-rechtlich begründeter Steueransprüche aufzuklären (§§ 85, 88 AO), darf sich die Finanzbehörde derjenigen Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 92 Satz 1 AO). Zu diesen Beweismitteln zählen auch Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten im Besteuerungsverfahren (§ 92 Satz 2 Nr. 1 AO). Die rechtliche Befugnis zu solchen Auskunftsverlangen ergibt sich aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AO (vgl. hierzu und auch zum Nachfolgenden: BFH-Urteil vom 4. Oktober 2006 VIII R 53/04, BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227).
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Die Inanspruchnahme dieser Befugnisse verstößt grundsätzlich nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366, m.w.N.; dazu Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 15. November 2000 1 BvR 1213/00, BStBl II 2002, 142).
- 35
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bb) Für ihr Tätigwerden bedürfen die Finanzbehörden indes eines hinreichenden Anlasses. Ermittlungen "ins Blaue hinein" sind unzulässig (BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, m.w.N.).
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(1) Die Finanzämter sind --ungeachtet der besonderen Aufgabenzuweisung an die Fahndungsstellen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 AO-- nach § 208 Abs. 3 AO nicht gehindert, in derselben Sache wie die Fahndung tätig zu werden oder sich sogar bestimmte Ermittlungen vorzubehalten. Sie können z.B. eine Außenprüfung anordnen oder selbst Einzelermittlungen gemäß § 88 Abs. 1 AO durchführen (BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, unter II.2.b; zur Abgrenzung vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1997 VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461, m.w.N.).
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Die Finanzbehörden dürfen das nach ihrer Auffassung zweckmäßigste Mittel für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen auswählen und zwar auch im Hinblick auf eine mögliche Steuerstraftat. Dies gilt gleichermaßen, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Steuerpflichtige den steuerlich erheblichen Sachverhalt offenlegt. Auch in einem solchen Fall besteht regelmäßig kein zwingender Anlass, die Verwaltung von vornherein ausschließlich auf den Einsatz der Steuerfahndung zu verweisen (vgl. hierzu und zum Nachstehenden: BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, m.w.N.).
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(2) Ein hinreichender Anlass liegt nicht erst vor, wenn ein begründeter Verdacht dafür besteht, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten gegeben sind. Vielmehr genügt es, wenn aufgrund konkreter Umstände oder aufgrund allgemeiner Erfahrung ein Auskunftsersuchen angezeigt ist.
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Danach dürfen Auskünfte von anderen Personen schon dann eingeholt werden, wenn die Finanzbehörde im Rahmen ihrer Tätigkeit --sei es aufgrund konkreter Momente, sei es aufgrund allgemeiner Erfahrung-- zu dem Ergebnis gelangt ist, die Auskünfte könnten zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen (ferner BVerfG-Urteil vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.III.3.a ee der Gründe).
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Zu den steuerlich erheblichen Tatsachen zählt alles, was die finanzbehördlichen Entscheidungen in einem steuerrechtlichen Verwaltungsverfahren beeinflussen kann (vgl. Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 93 AO Rz 10).
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Die in diesem Sinne erheblichen, mitzuteilenden "Tatsachen" müssen lediglich im Rahmen einer Prognoseentscheidung möglich sein (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, ständige Rechtsprechung). Die Finanzbehörde hat hierüber im Wege einer vorweggenommenen Beweiswürdigung zu befinden (BFH-Urteile vom 18. Februar 1997 VIII R 33/95, BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499; vom 30. März 1989 VII R 89/88, BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537, ständige Rechtsprechung). Im Interesse der gesetzmäßigen und gleichmäßigen Besteuerung und zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich gebotenen Verifikationsprinzips sind die Anforderungen an diese Prognoseentscheidung nicht zu hoch anzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VIII R 1/86, BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Insbesondere darf noch unklar sein, ob der Vorgang steuerbar ist und ob er im Ergebnis zu einer Steuerpflicht führt. § 93 Abs. 1 AO ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass möglicherweise eine Steuerschuld entstanden oder die Steuer verkürzt worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Nur dann, wenn klar und eindeutig jeglicher Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit fehlt, ist das Auskunftsverlangen rechtswidrig (weiterführend, auch zur Prognoseentscheidung: BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, unter II.2.b, m.w.N.).
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cc) Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO sollen andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Durch die Ausgestaltung der Norm als Sollvorschrift kommt zum Ausdruck, dass die Behörde in der Regel nach ihr verfahren muss (BFH-Urteil in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537). Dieses Subsidiaritätsprinzip ist eine spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (so auch Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 93 AO Rz 17). Nur in atypischen Fällen darf die Finanzbehörde hiervon abweichen, wobei am Zweck der Vorschrift zu messen ist, ob ein solcher atypischer Fall vorliegt (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1989 VII R 1/87, BFHE 158, 502, BStBl II 1990, 198, unter II.2.b, m.w.N.).
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Unterstrichen wird dies auch im Vergleich zu den Befugnissen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO. Aufgabe der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten. Nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist es daneben Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle aufzudecken und zu ermitteln. In beiden Fällen gelten gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 AO die Einschränkungen des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht (so auch ausdrücklich BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c; ebenso jüngst BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, unter II.1.b). Folglich gilt außerhalb der Tätigkeit der Steuerfahndung die besondere Herangehensweise bei Auskunftsersuchen an Dritte: Vor dem Auskunftsersuchen an Dritte ist im Regelfall der Steuerpflichtige zu befragen.
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Hierdurch wird auch dem doppelten Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO entsprochen. Danach soll zum einen vermieden werden, dass Nichtbeteiligte Einblick in die steuerlich relevanten Verhältnisse der Beteiligten erhalten, zum anderen sollen dem Dritten die mit der Auskunft verbundenen Mühen erspart werden (so Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 82; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Rz 17; Eich, Der AO-Steuer-Berater 2004, 18, 20).
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dd) Atypische Fälle im Zusammenhang mit § 93 Abs. 1 Satz 3 AO hat die bisherige BFH-Rechtsprechung vereinzelt angenommen.
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Ausnahmen vom sog. Subsidiaritätsprinzip hat die bisherige BFH-Rechtsprechung dann angenommen, wenn
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der Beteiligte unbekannt ist (z.B. BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227) oder
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der Beteiligte nicht mitwirkt (z.B. BFH-Urteil in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537).
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Kein solch atypischer Fall lag dem Streitfall zugrunde. Weder war die Identität des Beteiligten (Klägers) unbekannt noch hat der Beteiligte (Kläger) die Mitwirkung verweigert.
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ee) Der Senat vermag im Streitfall auch keinen weiteren atypischen Fall zu erkennen.
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Es liegt im Interesse des Klägers, dass Dritte jedenfalls zunächst nichts über eine laufende Betriebsprüfung und --aus Sicht der Prüfer-- möglicherweise nicht erklärte Provisionserlöse erfahren. Er hat ein Anrecht darauf, dass seine Reputation nicht beschädigt wird und seine Geschäftspartner nicht den Eindruck bekommen, er vernachlässige seine steuerlichen Pflichten. Dies ist Ausdruck seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Zudem entspricht es den Interessen der Dritten, nur in Ausnahmefällen in fremde Besteuerungsverfahren einbezogen zu werden.
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Etwas anderes könnte nur gelten, wenn von vornherein feststeht, dass der Beteiligte entweder nicht mitwirken wird oder --was vorliegend allein relevant erscheint-- die Erfolglosigkeit seiner Mitwirkung offenkundig ist. Auf letztes kann eine Finanzbehörde aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beteiligten bei konkreten nachweisbaren Fakten im Rahmen einer vorweggenommenen Beweiswürdigung schließen. Nicht ausreichend ist es, eine solche Beweiswürdigung schon dann als vertretbar zu werten, wenn sie (nur) nicht willkürlich erfolgte (so aber Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Rz 20).
- 51
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Ermächtigt eine Norm wie § 93 Abs. 1 AO zu Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, so muss dieser --auch im engeren Sinne-- verhältnismäßig sein. Dies bedeutet, die Schwere des Eingriffs darf bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen (vgl. nur BVerfG-Beschluss vom 29. September 2013 2 BvR 939/13, wistra 2014, 16, unter II.1., m.w.N., ständige Rechtsprechung). Dabei muss beachtet werden, welche Möglichkeiten der Grundrechtsträger hat, eine eventuelle Grundrechtsbeeinträchtigung oder jedenfalls weitere Folgen des Eingriffs abwehren zu können. Wird eine Maßnahme heimlich durchgeführt, so ist es dem Betroffenen faktisch verwehrt, sich gegen sie im Voraus zur Wehr zu setzen (so schon BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05, BVerfGE 118, 168, unter C.I.3.d cc (1)).
- 52
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Folglich muss die Finanzbehörde es im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung aufgrund konkreter Tatsachen als zwingend ansehen, dass die Mitwirkung des Beteiligten erfolglos bleiben wird.
- 53
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Im Streitfall konnte die Finanzbehörde im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung nicht aufgrund konkreter Tatsachen davon ausgehen, dass die Mitwirkung des Klägers erfolglos bleiben wird.
- 54
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
- 1
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
- 2
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Tatbestand
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(1) Aufgabe der Steuerfahndung (Zollfahndung) ist
- 1.
die Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten, - 2.
die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in Nummer 1 bezeichneten Fällen, - 3.
die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle.
(2) Unabhängig von Absatz 1 sind die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden und die Behörden des Zollfahndungsdienstes zuständig
- 1.
für steuerliche Ermittlungen einschließlich der Außenprüfung auf Ersuchen der zuständigen Finanzbehörde, - 2.
für die ihnen sonst im Rahmen der Zuständigkeit der Finanzbehörden übertragenen Aufgaben.
(3) Die Aufgaben und Befugnisse der Finanzämter (Hauptzollämter) bleiben unberührt.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Tenor
-
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen Anhalt vom 13. März 2013 3 K 34/09 wird als unbegründet zurückgewiesen.
-
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
- 2
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In der Zeit vom 17. Dezember 2007 bis zum 29. Juni 2010 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) eine steuerliche Außenprüfung beim Kläger durch, die sich auf die Einkommensteuern, Umsatzsteuern und Gewerbesteuermessbeträge 2002 bis 2004 erstreckte.
- 3
-
Eine Außenprüfung für die Vorjahre hatte zu einer Erhöhung der Erlöse um 8.530,69 DM geführt. Grundlage hierfür war eine Kontrollmitteilung, in der von einer "Ausgleichszahlung" bzw. "Bonuszahlung" einer Geschäftspartnerin des Klägers, der A, die Rede war. Ein entsprechendes Klageverfahren wegen Umsatzsteuer wurde beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen 3 K 923/07 geführt.
- 4
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Am 16. Oktober 2008 richtete das FA für die Streitjahre ein Auskunftsersuchen betreffend Provisionszahlungen an die A. Diese antwortete am 21. Oktober 2008, dem Kläger in den Jahren 2003 und 2004 insgesamt drei "Ausgleichszahlungen" geleistet zu haben.
- 5
-
Am 22. Oktober 2008 richtete das FA --ohne den Kläger hierzu vorab um Auskunft gebeten zu haben-- das im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Auskunftsersuchen an die B, einer weiteren Geschäftspartnerin des Klägers. Es wies hinsichtlich der Auskunftspflicht auf § 93 der Abgabenordnung (AO) hin und führte weiter aus: "in der o.g. Steuersache ist die Sachaufklärung mit den Beteiligten nicht möglich." Ausweislich eines Vermerks des FA bezweckte dieses zweite Auskunftsersuchen, "die Prüfung zu vervollständigen", indem auch der zweite Lieferant um Auskunft gebeten werde.
- 6
-
Mit Schreiben vom 24. Oktober 2008 erklärte die B dem FA, sie habe mit dem Kläger reine Handelsgeschäfte betrieben, für die dieser entsprechende Wiederverkaufsrabatte erhalten habe. Provisionszahlungen seien weder vereinbart noch geleistet worden. Am selben Tage richtete sie ein Schreiben an den Kläger, in dem sie ihre Verwunderung über das Auskunftsersuchen zum Ausdruck brachte. Sie verstehe nicht, warum der Kläger dem FA nicht mitteile, von der B niemals Provisionen erhalten zu haben.
- 7
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Am 27. Oktober 2008 legte der Kläger Einspruch gegen das an die B gerichtete Auskunftsersuchen ein.
- 8
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Nach einem Gespräch zwischen den Beteiligten stellte das FA mit Schreiben vom 25. November 2008 den Sachverhalt gegenüber der B klar. Den vom Kläger aufrechterhaltenen Einspruch verwarf das FA mit Entscheidung vom 23. Dezember 2008 als unzulässig.
- 9
-
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vorgetragen, im Zuge einer aktuell laufenden steuerlichen Außenprüfung seien nach seinem Erkenntnisstand Auskunftsersuchen zu ausländischen Sachverhalten ergangen, ohne dass er zuvor gehört oder befragt worden sei. Die Vertreter des FA konnten in der mündlichen Verhandlung hierzu keine Auskunft geben und erklärten, dass sie sich zu der zukünftigen Praxis bei Auskunftsersuchen nicht äußern wollten. Ausgenommen hiervon seien solche gegenüber der B, an die keine weiteren Auskunftsersuchen ergehen sollten, soweit diese Provisionserlöse beträfen.
- 10
-
Die am 8. Januar 2009 erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage hatte Erfolg.
- 11
-
Das FG ging davon aus, die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig, da Wiederholungsgefahr drohe. Der Kläger exportiere und importiere weiterhin Waren und müsse bei Außenprüfungen auch künftig mit Auskunftsersuchen rechnen, ohne dass er vorab zu dem jeweiligen Sachverhalt befragt werde. Dies ergebe sich aus dem Verhalten bzw. den Erklärungen der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung.
- 12
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Ein Rehabilitationsinteresse des Klägers vermochte das FG dagegen aufgrund der Klarstellung im Schreiben des FA an die B nicht (mehr) zu erkennen.
- 13
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Das Auskunftsersuchen sei ermessensfehlerhaft gewesen, da es gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe. Soweit Prüfungsfeststellungen --wie im Streitfall-- zu der Annahme des FA Anlass gäben, ein Steuerpflichtiger habe Einnahmen nicht erklärt, führe dies nicht per se dazu, dass das FA zwecks weiterer Ermittlungen sogleich Dritte um Auskunft ersuchen könne. Es komme vielmehr auf die Qualität und Quantität der festgestellten nicht erklärten Betriebseinnahmen an, etwa ihren erheblichen Umfang, die ggf. auch eine Vielzahl von Geschäftsbeziehungen beträfen.
- 14
-
Im konkreten Fall lägen keine Auffälligkeiten hinsichtlich der Geschäftsbeziehung zur B vor, auch habe es sich bei den Provisionen des anderen Geschäftspartners um einen einmaligen Vorgang gehandelt. Der Umfang dieser Provisionen sei gering gewesen. Ein atypischer Streitfall i.S. des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO könne nicht angenommen werden.
- 15
-
Mit der Revision rügt das FA, das FG habe gegen materielles Recht verstoßen.
- 16
-
Das FA habe die Vorgaben des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO eingehalten. Es habe konkrete Hinweise auf nicht vollständig erklärte Betriebseinnahmen gegeben. Zusätzlich zu der einschlägigen Kontrollmitteilung anlässlich der Betriebsprüfung in den Vorjahren habe eine konkrete Auskunft der A zu Provisionserlösen in der laufenden Betriebsprüfung vorgelegen. Eine anlasslose Ermittlung oder eine solche "ins Blaue hinein" lägen nicht vor.
- 17
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Der Prüfer habe im Rahmen seiner Prognose durchaus die Antwort des Klägers vorwegnehmen dürfen und von einer voraussichtlichen Erfolglosigkeit einer solchen Anfrage ausgehen können. Die Antwort des Klägers abzuwarten und sich anschließend trotzdem an den Dritten zu wenden, sei eine leere Formalie und verletze den Grundgedanken des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO. Diese Vorschrift solle in erster Linie den Dritten vor unnötigen Anfragen der Finanzverwaltung und dem damit verbundenen Aufwand schützen, auch wenn der Steuerpflichtige ein schützenswertes Interesse daran habe, dass seine steuerlichen Verhältnisse geheim blieben. Ein Selbstzweck sei die Reihenfolge der Befragung gerade nicht.
- 18
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Die Kritik des Klägers an der Begründung des Auskunftsersuchens übersehe, dass dieses gegenüber dem Dritten ergehe und die möglichst weitgehende Geheimhaltung der steuerlichen Verhältnisse des Klägers gewährleiste.
- 19
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Vorliegend überschreite das FG seine Befugnisse nach § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wenn es die Verhältnismäßigkeit verneine.
- 20
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Das Gebot des fairen Verfahrens werde nicht verletzt. Es existiere keine Pflicht zur Vorabinformation wie beim Kontenabruf nach § 93 Abs. 9 AO.
- 21
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Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Ein plausibler Anlass zur Befragung der B habe nicht vorgelegen. Dieser sei auch nicht aufgrund der diversen Auskünfte der A konstruierbar.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
- 25
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1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass das streitige Auskunftsersuchen des FA rechtswidrig gewesen ist.
- 26
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a) Im Streitfall haben die Prüfer Auskunft über Provisionen verlangt. Ein solches Auskunftsersuchen ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt i.S. des § 118 Satz 1 AO (vgl. zum Auskunftsersuchen als Verwaltungsakt z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790, m.w.N.). Aufgrund der am 29. Oktober 2008 von der B erteilten Auskunft hat sich dieser Verwaltungsakt vor der Klageerhebung erledigt.
- 27
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b) In einem solchen Fall kann, wie im Streitfall geschehen, beim FG gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO eine Fortsetzungsfeststellungsklage mit dem Begehren erhoben werden, festzustellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist. Das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse wird von der Rechtsprechung (u.a.) dann bejaht, wenn eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr besteht (Senatsurteil vom 22. August 2012 X R 36/09, BFHE 239, 203, BStBl II 2014, 109, unter II.1.b).
- 28
-
Diese ist im Streitfall gegeben, weil --wie schon das FG nach Würdigung der Umstände festgestellt hat-- das FA nicht ausschließen wollte, auch künftig --wie z.B. in der während der mündlichen Verhandlung im Klageverfahren stattfindenden Betriebsprüfung-- wiederum Auskunftsersuchen an Dritte zu richten, ohne dass der Kläger vorher zu dem Sachverhalt befragt werde.
- 29
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2. Das FG hat die Klage zu Recht im Rahmen seiner Prüfungskompetenz nach § 102 FGO als begründet angesehen. Das Auskunftsersuchen des FA an die B ist rechtswidrig gewesen.
- 30
-
a) Vorliegend hat das FG den Ermessensgebrauch des FA anhand des Zwecks des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO überprüft und im Rahmen seiner Prüfungskompetenz aus § 102 FGO gehandelt.
- 31
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Es hat lediglich die fehlerfreie Ermessensausübung durch das FA kontrolliert und nicht etwa nach einer besseren, zweckmäßigeren oder sachgerechteren Lösung gesucht (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 102 Rz 1).
- 32
-
b) Zu Recht geht das FG davon aus, das FA habe von seinem Ermessen in einer dem Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.
- 33
-
aa) Nach § 93 Abs. 1 AO haben Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Im Rahmen ihrer Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt zur Durchsetzung materiell-rechtlich begründeter Steueransprüche aufzuklären (§§ 85, 88 AO), darf sich die Finanzbehörde derjenigen Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 92 Satz 1 AO). Zu diesen Beweismitteln zählen auch Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten im Besteuerungsverfahren (§ 92 Satz 2 Nr. 1 AO). Die rechtliche Befugnis zu solchen Auskunftsverlangen ergibt sich aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AO (vgl. hierzu und auch zum Nachfolgenden: BFH-Urteil vom 4. Oktober 2006 VIII R 53/04, BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227).
- 34
-
Die Inanspruchnahme dieser Befugnisse verstößt grundsätzlich nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366, m.w.N.; dazu Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 15. November 2000 1 BvR 1213/00, BStBl II 2002, 142).
- 35
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bb) Für ihr Tätigwerden bedürfen die Finanzbehörden indes eines hinreichenden Anlasses. Ermittlungen "ins Blaue hinein" sind unzulässig (BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, m.w.N.).
- 36
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(1) Die Finanzämter sind --ungeachtet der besonderen Aufgabenzuweisung an die Fahndungsstellen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 AO-- nach § 208 Abs. 3 AO nicht gehindert, in derselben Sache wie die Fahndung tätig zu werden oder sich sogar bestimmte Ermittlungen vorzubehalten. Sie können z.B. eine Außenprüfung anordnen oder selbst Einzelermittlungen gemäß § 88 Abs. 1 AO durchführen (BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, unter II.2.b; zur Abgrenzung vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1997 VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461, m.w.N.).
- 37
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Die Finanzbehörden dürfen das nach ihrer Auffassung zweckmäßigste Mittel für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen auswählen und zwar auch im Hinblick auf eine mögliche Steuerstraftat. Dies gilt gleichermaßen, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Steuerpflichtige den steuerlich erheblichen Sachverhalt offenlegt. Auch in einem solchen Fall besteht regelmäßig kein zwingender Anlass, die Verwaltung von vornherein ausschließlich auf den Einsatz der Steuerfahndung zu verweisen (vgl. hierzu und zum Nachstehenden: BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, m.w.N.).
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(2) Ein hinreichender Anlass liegt nicht erst vor, wenn ein begründeter Verdacht dafür besteht, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten gegeben sind. Vielmehr genügt es, wenn aufgrund konkreter Umstände oder aufgrund allgemeiner Erfahrung ein Auskunftsersuchen angezeigt ist.
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Danach dürfen Auskünfte von anderen Personen schon dann eingeholt werden, wenn die Finanzbehörde im Rahmen ihrer Tätigkeit --sei es aufgrund konkreter Momente, sei es aufgrund allgemeiner Erfahrung-- zu dem Ergebnis gelangt ist, die Auskünfte könnten zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen (ferner BVerfG-Urteil vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.III.3.a ee der Gründe).
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Zu den steuerlich erheblichen Tatsachen zählt alles, was die finanzbehördlichen Entscheidungen in einem steuerrechtlichen Verwaltungsverfahren beeinflussen kann (vgl. Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 93 AO Rz 10).
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Die in diesem Sinne erheblichen, mitzuteilenden "Tatsachen" müssen lediglich im Rahmen einer Prognoseentscheidung möglich sein (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, ständige Rechtsprechung). Die Finanzbehörde hat hierüber im Wege einer vorweggenommenen Beweiswürdigung zu befinden (BFH-Urteile vom 18. Februar 1997 VIII R 33/95, BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499; vom 30. März 1989 VII R 89/88, BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537, ständige Rechtsprechung). Im Interesse der gesetzmäßigen und gleichmäßigen Besteuerung und zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich gebotenen Verifikationsprinzips sind die Anforderungen an diese Prognoseentscheidung nicht zu hoch anzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VIII R 1/86, BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Insbesondere darf noch unklar sein, ob der Vorgang steuerbar ist und ob er im Ergebnis zu einer Steuerpflicht führt. § 93 Abs. 1 AO ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass möglicherweise eine Steuerschuld entstanden oder die Steuer verkürzt worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Nur dann, wenn klar und eindeutig jeglicher Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit fehlt, ist das Auskunftsverlangen rechtswidrig (weiterführend, auch zur Prognoseentscheidung: BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, unter II.2.b, m.w.N.).
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cc) Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO sollen andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Durch die Ausgestaltung der Norm als Sollvorschrift kommt zum Ausdruck, dass die Behörde in der Regel nach ihr verfahren muss (BFH-Urteil in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537). Dieses Subsidiaritätsprinzip ist eine spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (so auch Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 93 AO Rz 17). Nur in atypischen Fällen darf die Finanzbehörde hiervon abweichen, wobei am Zweck der Vorschrift zu messen ist, ob ein solcher atypischer Fall vorliegt (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1989 VII R 1/87, BFHE 158, 502, BStBl II 1990, 198, unter II.2.b, m.w.N.).
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Unterstrichen wird dies auch im Vergleich zu den Befugnissen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO. Aufgabe der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten. Nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist es daneben Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle aufzudecken und zu ermitteln. In beiden Fällen gelten gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 AO die Einschränkungen des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht (so auch ausdrücklich BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c; ebenso jüngst BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, unter II.1.b). Folglich gilt außerhalb der Tätigkeit der Steuerfahndung die besondere Herangehensweise bei Auskunftsersuchen an Dritte: Vor dem Auskunftsersuchen an Dritte ist im Regelfall der Steuerpflichtige zu befragen.
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Hierdurch wird auch dem doppelten Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO entsprochen. Danach soll zum einen vermieden werden, dass Nichtbeteiligte Einblick in die steuerlich relevanten Verhältnisse der Beteiligten erhalten, zum anderen sollen dem Dritten die mit der Auskunft verbundenen Mühen erspart werden (so Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 82; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Rz 17; Eich, Der AO-Steuer-Berater 2004, 18, 20).
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dd) Atypische Fälle im Zusammenhang mit § 93 Abs. 1 Satz 3 AO hat die bisherige BFH-Rechtsprechung vereinzelt angenommen.
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Ausnahmen vom sog. Subsidiaritätsprinzip hat die bisherige BFH-Rechtsprechung dann angenommen, wenn
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der Beteiligte unbekannt ist (z.B. BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227) oder
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der Beteiligte nicht mitwirkt (z.B. BFH-Urteil in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537).
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Kein solch atypischer Fall lag dem Streitfall zugrunde. Weder war die Identität des Beteiligten (Klägers) unbekannt noch hat der Beteiligte (Kläger) die Mitwirkung verweigert.
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ee) Der Senat vermag im Streitfall auch keinen weiteren atypischen Fall zu erkennen.
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Es liegt im Interesse des Klägers, dass Dritte jedenfalls zunächst nichts über eine laufende Betriebsprüfung und --aus Sicht der Prüfer-- möglicherweise nicht erklärte Provisionserlöse erfahren. Er hat ein Anrecht darauf, dass seine Reputation nicht beschädigt wird und seine Geschäftspartner nicht den Eindruck bekommen, er vernachlässige seine steuerlichen Pflichten. Dies ist Ausdruck seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Zudem entspricht es den Interessen der Dritten, nur in Ausnahmefällen in fremde Besteuerungsverfahren einbezogen zu werden.
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Etwas anderes könnte nur gelten, wenn von vornherein feststeht, dass der Beteiligte entweder nicht mitwirken wird oder --was vorliegend allein relevant erscheint-- die Erfolglosigkeit seiner Mitwirkung offenkundig ist. Auf letztes kann eine Finanzbehörde aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beteiligten bei konkreten nachweisbaren Fakten im Rahmen einer vorweggenommenen Beweiswürdigung schließen. Nicht ausreichend ist es, eine solche Beweiswürdigung schon dann als vertretbar zu werten, wenn sie (nur) nicht willkürlich erfolgte (so aber Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Rz 20).
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Ermächtigt eine Norm wie § 93 Abs. 1 AO zu Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, so muss dieser --auch im engeren Sinne-- verhältnismäßig sein. Dies bedeutet, die Schwere des Eingriffs darf bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen (vgl. nur BVerfG-Beschluss vom 29. September 2013 2 BvR 939/13, wistra 2014, 16, unter II.1., m.w.N., ständige Rechtsprechung). Dabei muss beachtet werden, welche Möglichkeiten der Grundrechtsträger hat, eine eventuelle Grundrechtsbeeinträchtigung oder jedenfalls weitere Folgen des Eingriffs abwehren zu können. Wird eine Maßnahme heimlich durchgeführt, so ist es dem Betroffenen faktisch verwehrt, sich gegen sie im Voraus zur Wehr zu setzen (so schon BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05, BVerfGE 118, 168, unter C.I.3.d cc (1)).
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Folglich muss die Finanzbehörde es im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung aufgrund konkreter Tatsachen als zwingend ansehen, dass die Mitwirkung des Beteiligten erfolglos bleiben wird.
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Im Streitfall konnte die Finanzbehörde im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung nicht aufgrund konkreter Tatsachen davon ausgehen, dass die Mitwirkung des Klägers erfolglos bleiben wird.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
- 3
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
- 7
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
- 8
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
- 1
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
- 2
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
- 4
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
- 7
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
- 8
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
- 9
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a) Xy-Mitgliedsname
- 10
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
- 15
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Tenor
-
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
-
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
- 1
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
- 2
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
- 3
-
Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
- 4
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
- 2
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen Anhalt vom 13. März 2013 3 K 34/09 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
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In der Zeit vom 17. Dezember 2007 bis zum 29. Juni 2010 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) eine steuerliche Außenprüfung beim Kläger durch, die sich auf die Einkommensteuern, Umsatzsteuern und Gewerbesteuermessbeträge 2002 bis 2004 erstreckte.
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Eine Außenprüfung für die Vorjahre hatte zu einer Erhöhung der Erlöse um 8.530,69 DM geführt. Grundlage hierfür war eine Kontrollmitteilung, in der von einer "Ausgleichszahlung" bzw. "Bonuszahlung" einer Geschäftspartnerin des Klägers, der A, die Rede war. Ein entsprechendes Klageverfahren wegen Umsatzsteuer wurde beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen 3 K 923/07 geführt.
- 4
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Am 16. Oktober 2008 richtete das FA für die Streitjahre ein Auskunftsersuchen betreffend Provisionszahlungen an die A. Diese antwortete am 21. Oktober 2008, dem Kläger in den Jahren 2003 und 2004 insgesamt drei "Ausgleichszahlungen" geleistet zu haben.
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Am 22. Oktober 2008 richtete das FA --ohne den Kläger hierzu vorab um Auskunft gebeten zu haben-- das im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Auskunftsersuchen an die B, einer weiteren Geschäftspartnerin des Klägers. Es wies hinsichtlich der Auskunftspflicht auf § 93 der Abgabenordnung (AO) hin und führte weiter aus: "in der o.g. Steuersache ist die Sachaufklärung mit den Beteiligten nicht möglich." Ausweislich eines Vermerks des FA bezweckte dieses zweite Auskunftsersuchen, "die Prüfung zu vervollständigen", indem auch der zweite Lieferant um Auskunft gebeten werde.
- 6
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Mit Schreiben vom 24. Oktober 2008 erklärte die B dem FA, sie habe mit dem Kläger reine Handelsgeschäfte betrieben, für die dieser entsprechende Wiederverkaufsrabatte erhalten habe. Provisionszahlungen seien weder vereinbart noch geleistet worden. Am selben Tage richtete sie ein Schreiben an den Kläger, in dem sie ihre Verwunderung über das Auskunftsersuchen zum Ausdruck brachte. Sie verstehe nicht, warum der Kläger dem FA nicht mitteile, von der B niemals Provisionen erhalten zu haben.
- 7
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Am 27. Oktober 2008 legte der Kläger Einspruch gegen das an die B gerichtete Auskunftsersuchen ein.
- 8
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Nach einem Gespräch zwischen den Beteiligten stellte das FA mit Schreiben vom 25. November 2008 den Sachverhalt gegenüber der B klar. Den vom Kläger aufrechterhaltenen Einspruch verwarf das FA mit Entscheidung vom 23. Dezember 2008 als unzulässig.
- 9
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Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vorgetragen, im Zuge einer aktuell laufenden steuerlichen Außenprüfung seien nach seinem Erkenntnisstand Auskunftsersuchen zu ausländischen Sachverhalten ergangen, ohne dass er zuvor gehört oder befragt worden sei. Die Vertreter des FA konnten in der mündlichen Verhandlung hierzu keine Auskunft geben und erklärten, dass sie sich zu der zukünftigen Praxis bei Auskunftsersuchen nicht äußern wollten. Ausgenommen hiervon seien solche gegenüber der B, an die keine weiteren Auskunftsersuchen ergehen sollten, soweit diese Provisionserlöse beträfen.
- 10
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Die am 8. Januar 2009 erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage hatte Erfolg.
- 11
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Das FG ging davon aus, die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig, da Wiederholungsgefahr drohe. Der Kläger exportiere und importiere weiterhin Waren und müsse bei Außenprüfungen auch künftig mit Auskunftsersuchen rechnen, ohne dass er vorab zu dem jeweiligen Sachverhalt befragt werde. Dies ergebe sich aus dem Verhalten bzw. den Erklärungen der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung.
- 12
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Ein Rehabilitationsinteresse des Klägers vermochte das FG dagegen aufgrund der Klarstellung im Schreiben des FA an die B nicht (mehr) zu erkennen.
- 13
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Das Auskunftsersuchen sei ermessensfehlerhaft gewesen, da es gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe. Soweit Prüfungsfeststellungen --wie im Streitfall-- zu der Annahme des FA Anlass gäben, ein Steuerpflichtiger habe Einnahmen nicht erklärt, führe dies nicht per se dazu, dass das FA zwecks weiterer Ermittlungen sogleich Dritte um Auskunft ersuchen könne. Es komme vielmehr auf die Qualität und Quantität der festgestellten nicht erklärten Betriebseinnahmen an, etwa ihren erheblichen Umfang, die ggf. auch eine Vielzahl von Geschäftsbeziehungen beträfen.
- 14
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Im konkreten Fall lägen keine Auffälligkeiten hinsichtlich der Geschäftsbeziehung zur B vor, auch habe es sich bei den Provisionen des anderen Geschäftspartners um einen einmaligen Vorgang gehandelt. Der Umfang dieser Provisionen sei gering gewesen. Ein atypischer Streitfall i.S. des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO könne nicht angenommen werden.
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Mit der Revision rügt das FA, das FG habe gegen materielles Recht verstoßen.
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Das FA habe die Vorgaben des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO eingehalten. Es habe konkrete Hinweise auf nicht vollständig erklärte Betriebseinnahmen gegeben. Zusätzlich zu der einschlägigen Kontrollmitteilung anlässlich der Betriebsprüfung in den Vorjahren habe eine konkrete Auskunft der A zu Provisionserlösen in der laufenden Betriebsprüfung vorgelegen. Eine anlasslose Ermittlung oder eine solche "ins Blaue hinein" lägen nicht vor.
- 17
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Der Prüfer habe im Rahmen seiner Prognose durchaus die Antwort des Klägers vorwegnehmen dürfen und von einer voraussichtlichen Erfolglosigkeit einer solchen Anfrage ausgehen können. Die Antwort des Klägers abzuwarten und sich anschließend trotzdem an den Dritten zu wenden, sei eine leere Formalie und verletze den Grundgedanken des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO. Diese Vorschrift solle in erster Linie den Dritten vor unnötigen Anfragen der Finanzverwaltung und dem damit verbundenen Aufwand schützen, auch wenn der Steuerpflichtige ein schützenswertes Interesse daran habe, dass seine steuerlichen Verhältnisse geheim blieben. Ein Selbstzweck sei die Reihenfolge der Befragung gerade nicht.
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Die Kritik des Klägers an der Begründung des Auskunftsersuchens übersehe, dass dieses gegenüber dem Dritten ergehe und die möglichst weitgehende Geheimhaltung der steuerlichen Verhältnisse des Klägers gewährleiste.
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Vorliegend überschreite das FG seine Befugnisse nach § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wenn es die Verhältnismäßigkeit verneine.
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Das Gebot des fairen Verfahrens werde nicht verletzt. Es existiere keine Pflicht zur Vorabinformation wie beim Kontenabruf nach § 93 Abs. 9 AO.
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Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Ein plausibler Anlass zur Befragung der B habe nicht vorgelegen. Dieser sei auch nicht aufgrund der diversen Auskünfte der A konstruierbar.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
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1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass das streitige Auskunftsersuchen des FA rechtswidrig gewesen ist.
- 26
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a) Im Streitfall haben die Prüfer Auskunft über Provisionen verlangt. Ein solches Auskunftsersuchen ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt i.S. des § 118 Satz 1 AO (vgl. zum Auskunftsersuchen als Verwaltungsakt z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790, m.w.N.). Aufgrund der am 29. Oktober 2008 von der B erteilten Auskunft hat sich dieser Verwaltungsakt vor der Klageerhebung erledigt.
- 27
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b) In einem solchen Fall kann, wie im Streitfall geschehen, beim FG gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO eine Fortsetzungsfeststellungsklage mit dem Begehren erhoben werden, festzustellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist. Das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse wird von der Rechtsprechung (u.a.) dann bejaht, wenn eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr besteht (Senatsurteil vom 22. August 2012 X R 36/09, BFHE 239, 203, BStBl II 2014, 109, unter II.1.b).
- 28
-
Diese ist im Streitfall gegeben, weil --wie schon das FG nach Würdigung der Umstände festgestellt hat-- das FA nicht ausschließen wollte, auch künftig --wie z.B. in der während der mündlichen Verhandlung im Klageverfahren stattfindenden Betriebsprüfung-- wiederum Auskunftsersuchen an Dritte zu richten, ohne dass der Kläger vorher zu dem Sachverhalt befragt werde.
- 29
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2. Das FG hat die Klage zu Recht im Rahmen seiner Prüfungskompetenz nach § 102 FGO als begründet angesehen. Das Auskunftsersuchen des FA an die B ist rechtswidrig gewesen.
- 30
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a) Vorliegend hat das FG den Ermessensgebrauch des FA anhand des Zwecks des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO überprüft und im Rahmen seiner Prüfungskompetenz aus § 102 FGO gehandelt.
- 31
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Es hat lediglich die fehlerfreie Ermessensausübung durch das FA kontrolliert und nicht etwa nach einer besseren, zweckmäßigeren oder sachgerechteren Lösung gesucht (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 102 Rz 1).
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b) Zu Recht geht das FG davon aus, das FA habe von seinem Ermessen in einer dem Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.
- 33
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aa) Nach § 93 Abs. 1 AO haben Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Im Rahmen ihrer Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt zur Durchsetzung materiell-rechtlich begründeter Steueransprüche aufzuklären (§§ 85, 88 AO), darf sich die Finanzbehörde derjenigen Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 92 Satz 1 AO). Zu diesen Beweismitteln zählen auch Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten im Besteuerungsverfahren (§ 92 Satz 2 Nr. 1 AO). Die rechtliche Befugnis zu solchen Auskunftsverlangen ergibt sich aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AO (vgl. hierzu und auch zum Nachfolgenden: BFH-Urteil vom 4. Oktober 2006 VIII R 53/04, BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227).
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Die Inanspruchnahme dieser Befugnisse verstößt grundsätzlich nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366, m.w.N.; dazu Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 15. November 2000 1 BvR 1213/00, BStBl II 2002, 142).
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bb) Für ihr Tätigwerden bedürfen die Finanzbehörden indes eines hinreichenden Anlasses. Ermittlungen "ins Blaue hinein" sind unzulässig (BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, m.w.N.).
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(1) Die Finanzämter sind --ungeachtet der besonderen Aufgabenzuweisung an die Fahndungsstellen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 AO-- nach § 208 Abs. 3 AO nicht gehindert, in derselben Sache wie die Fahndung tätig zu werden oder sich sogar bestimmte Ermittlungen vorzubehalten. Sie können z.B. eine Außenprüfung anordnen oder selbst Einzelermittlungen gemäß § 88 Abs. 1 AO durchführen (BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, unter II.2.b; zur Abgrenzung vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1997 VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461, m.w.N.).
- 37
-
Die Finanzbehörden dürfen das nach ihrer Auffassung zweckmäßigste Mittel für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen auswählen und zwar auch im Hinblick auf eine mögliche Steuerstraftat. Dies gilt gleichermaßen, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Steuerpflichtige den steuerlich erheblichen Sachverhalt offenlegt. Auch in einem solchen Fall besteht regelmäßig kein zwingender Anlass, die Verwaltung von vornherein ausschließlich auf den Einsatz der Steuerfahndung zu verweisen (vgl. hierzu und zum Nachstehenden: BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, m.w.N.).
- 38
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(2) Ein hinreichender Anlass liegt nicht erst vor, wenn ein begründeter Verdacht dafür besteht, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten gegeben sind. Vielmehr genügt es, wenn aufgrund konkreter Umstände oder aufgrund allgemeiner Erfahrung ein Auskunftsersuchen angezeigt ist.
- 39
-
Danach dürfen Auskünfte von anderen Personen schon dann eingeholt werden, wenn die Finanzbehörde im Rahmen ihrer Tätigkeit --sei es aufgrund konkreter Momente, sei es aufgrund allgemeiner Erfahrung-- zu dem Ergebnis gelangt ist, die Auskünfte könnten zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen (ferner BVerfG-Urteil vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.III.3.a ee der Gründe).
- 40
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Zu den steuerlich erheblichen Tatsachen zählt alles, was die finanzbehördlichen Entscheidungen in einem steuerrechtlichen Verwaltungsverfahren beeinflussen kann (vgl. Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 93 AO Rz 10).
- 41
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Die in diesem Sinne erheblichen, mitzuteilenden "Tatsachen" müssen lediglich im Rahmen einer Prognoseentscheidung möglich sein (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, ständige Rechtsprechung). Die Finanzbehörde hat hierüber im Wege einer vorweggenommenen Beweiswürdigung zu befinden (BFH-Urteile vom 18. Februar 1997 VIII R 33/95, BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499; vom 30. März 1989 VII R 89/88, BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537, ständige Rechtsprechung). Im Interesse der gesetzmäßigen und gleichmäßigen Besteuerung und zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich gebotenen Verifikationsprinzips sind die Anforderungen an diese Prognoseentscheidung nicht zu hoch anzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VIII R 1/86, BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Insbesondere darf noch unklar sein, ob der Vorgang steuerbar ist und ob er im Ergebnis zu einer Steuerpflicht führt. § 93 Abs. 1 AO ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass möglicherweise eine Steuerschuld entstanden oder die Steuer verkürzt worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Nur dann, wenn klar und eindeutig jeglicher Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit fehlt, ist das Auskunftsverlangen rechtswidrig (weiterführend, auch zur Prognoseentscheidung: BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, unter II.2.b, m.w.N.).
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cc) Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO sollen andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Durch die Ausgestaltung der Norm als Sollvorschrift kommt zum Ausdruck, dass die Behörde in der Regel nach ihr verfahren muss (BFH-Urteil in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537). Dieses Subsidiaritätsprinzip ist eine spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (so auch Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 93 AO Rz 17). Nur in atypischen Fällen darf die Finanzbehörde hiervon abweichen, wobei am Zweck der Vorschrift zu messen ist, ob ein solcher atypischer Fall vorliegt (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1989 VII R 1/87, BFHE 158, 502, BStBl II 1990, 198, unter II.2.b, m.w.N.).
- 43
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Unterstrichen wird dies auch im Vergleich zu den Befugnissen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO. Aufgabe der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten. Nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist es daneben Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle aufzudecken und zu ermitteln. In beiden Fällen gelten gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 AO die Einschränkungen des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht (so auch ausdrücklich BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c; ebenso jüngst BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, unter II.1.b). Folglich gilt außerhalb der Tätigkeit der Steuerfahndung die besondere Herangehensweise bei Auskunftsersuchen an Dritte: Vor dem Auskunftsersuchen an Dritte ist im Regelfall der Steuerpflichtige zu befragen.
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Hierdurch wird auch dem doppelten Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO entsprochen. Danach soll zum einen vermieden werden, dass Nichtbeteiligte Einblick in die steuerlich relevanten Verhältnisse der Beteiligten erhalten, zum anderen sollen dem Dritten die mit der Auskunft verbundenen Mühen erspart werden (so Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 82; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Rz 17; Eich, Der AO-Steuer-Berater 2004, 18, 20).
- 45
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dd) Atypische Fälle im Zusammenhang mit § 93 Abs. 1 Satz 3 AO hat die bisherige BFH-Rechtsprechung vereinzelt angenommen.
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Ausnahmen vom sog. Subsidiaritätsprinzip hat die bisherige BFH-Rechtsprechung dann angenommen, wenn
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der Beteiligte unbekannt ist (z.B. BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227) oder
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der Beteiligte nicht mitwirkt (z.B. BFH-Urteil in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537).
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Kein solch atypischer Fall lag dem Streitfall zugrunde. Weder war die Identität des Beteiligten (Klägers) unbekannt noch hat der Beteiligte (Kläger) die Mitwirkung verweigert.
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ee) Der Senat vermag im Streitfall auch keinen weiteren atypischen Fall zu erkennen.
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Es liegt im Interesse des Klägers, dass Dritte jedenfalls zunächst nichts über eine laufende Betriebsprüfung und --aus Sicht der Prüfer-- möglicherweise nicht erklärte Provisionserlöse erfahren. Er hat ein Anrecht darauf, dass seine Reputation nicht beschädigt wird und seine Geschäftspartner nicht den Eindruck bekommen, er vernachlässige seine steuerlichen Pflichten. Dies ist Ausdruck seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Zudem entspricht es den Interessen der Dritten, nur in Ausnahmefällen in fremde Besteuerungsverfahren einbezogen zu werden.
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Etwas anderes könnte nur gelten, wenn von vornherein feststeht, dass der Beteiligte entweder nicht mitwirken wird oder --was vorliegend allein relevant erscheint-- die Erfolglosigkeit seiner Mitwirkung offenkundig ist. Auf letztes kann eine Finanzbehörde aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beteiligten bei konkreten nachweisbaren Fakten im Rahmen einer vorweggenommenen Beweiswürdigung schließen. Nicht ausreichend ist es, eine solche Beweiswürdigung schon dann als vertretbar zu werten, wenn sie (nur) nicht willkürlich erfolgte (so aber Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Rz 20).
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Ermächtigt eine Norm wie § 93 Abs. 1 AO zu Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, so muss dieser --auch im engeren Sinne-- verhältnismäßig sein. Dies bedeutet, die Schwere des Eingriffs darf bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen (vgl. nur BVerfG-Beschluss vom 29. September 2013 2 BvR 939/13, wistra 2014, 16, unter II.1., m.w.N., ständige Rechtsprechung). Dabei muss beachtet werden, welche Möglichkeiten der Grundrechtsträger hat, eine eventuelle Grundrechtsbeeinträchtigung oder jedenfalls weitere Folgen des Eingriffs abwehren zu können. Wird eine Maßnahme heimlich durchgeführt, so ist es dem Betroffenen faktisch verwehrt, sich gegen sie im Voraus zur Wehr zu setzen (so schon BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05, BVerfGE 118, 168, unter C.I.3.d cc (1)).
- 52
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Folglich muss die Finanzbehörde es im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung aufgrund konkreter Tatsachen als zwingend ansehen, dass die Mitwirkung des Beteiligten erfolglos bleiben wird.
- 53
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Im Streitfall konnte die Finanzbehörde im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung nicht aufgrund konkreter Tatsachen davon ausgehen, dass die Mitwirkung des Klägers erfolglos bleiben wird.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
(1) Dieses Gesetz gilt für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch
- 1.
öffentliche Stellen des Bundes, - 2.
öffentliche Stellen der Länder, soweit der Datenschutz nicht durch Landesgesetz geregelt ist und soweit sie - a)
Bundesrecht ausführen oder - b)
als Organe der Rechtspflege tätig werden und es sich nicht um Verwaltungsangelegenheiten handelt.
(2) Andere Rechtsvorschriften des Bundes über den Datenschutz gehen den Vorschriften dieses Gesetzes vor. Regeln sie einen Sachverhalt, für den dieses Gesetz gilt, nicht oder nicht abschließend, finden die Vorschriften dieses Gesetzes Anwendung. Die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt.
(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes gehen denen des Verwaltungsverfahrensgesetzes vor, soweit bei der Ermittlung des Sachverhalts personenbezogene Daten verarbeitet werden.
(4) Dieses Gesetz findet Anwendung auf öffentliche Stellen. Auf nichtöffentliche Stellen findet es Anwendung, sofern
- 1.
der Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter personenbezogene Daten im Inland verarbeitet, - 2.
die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der Tätigkeiten einer inländischen Niederlassung des Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters erfolgt oder - 3.
der Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter zwar keine Niederlassung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat, er aber in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung fällt.
(5) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung, soweit das Recht der Europäischen Union, im Besonderen die Verordnung (EU) 2016/679 in der jeweils geltenden Fassung, unmittelbar gilt.
(6) Bei Verarbeitungen zu Zwecken gemäß Artikel 2 der Verordnung (EU) 2016/679 stehen die Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gleich. Andere Staaten gelten insoweit als Drittstaaten.
(7) Bei Verarbeitungen zu Zwecken gemäß Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 89) stehen die bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands assoziierten Staaten den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gleich. Andere Staaten gelten insoweit als Drittstaaten.
(8) Für Verarbeitungen personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen im Rahmen von nicht in die Anwendungsbereiche der Verordnung (EU) 2016/679 und der Richtlinie (EU) 2016/680 fallenden Tätigkeiten finden die Verordnung (EU) 2016/679 und die Teile 1 und 2 dieses Gesetzes entsprechend Anwendung, soweit nicht in diesem Gesetz oder einem anderen Gesetz Abweichendes geregelt ist.
(1) Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig, soweit sie
- 1.
zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, - 2.
zur Wahrnehmung des Hausrechts oder - 3.
zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke
- 1.
öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen, wie insbesondere Sport-, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Einkaufszentren oder Parkplätzen, oder - 2.
Fahrzeugen und öffentlich zugänglichen großflächigen Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs
(2) Der Umstand der Beobachtung und der Name und die Kontaktdaten des Verantwortlichen sind durch geeignete Maßnahmen zum frühestmöglichen Zeitpunkt erkennbar zu machen.
(3) Die Speicherung oder Verwendung von nach Absatz 1 erhobenen Daten ist zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen überwiegen. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Für einen anderen Zweck dürfen sie nur weiterverarbeitet werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist.
(4) Werden durch Videoüberwachung erhobene Daten einer bestimmten Person zugeordnet, so besteht die Pflicht zur Information der betroffenen Person über die Verarbeitung gemäß den Artikeln 13 und 14 der Verordnung (EU) 2016/679. § 32 gilt entsprechend.
(5) Die Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen einer weiteren Speicherung entgegenstehen.
Die oder der Bundesbeauftragte erstellt einen Jahresbericht über ihre oder seine Tätigkeit, der eine Liste der Arten der gemeldeten Verstöße und der Arten der getroffenen Maßnahmen, einschließlich der verhängten Sanktionen und der Maßnahmen nach Artikel 58 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/679, enthalten kann. Die oder der Bundesbeauftragte übermittelt den Bericht dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung und macht ihn der Öffentlichkeit, der Europäischen Kommission und dem Europäischen Datenschutzausschuss zugänglich.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin betreibt das Hotel E. und das Hotel D. im Stadtgebiet der Beklagten.
3In seiner Sitzung am 8. Juli 2010 beschloss der Rat der Beklagten die am 1. November 2010 in Kraft getretene Satzung über die Erhebung einer Abgabe auf entgeltliche Beherbergungen im Gebiet der Stadt Dortmund (Beherbergungsabgabesatzung ‑ BAS ‑).
4Die Satzung trifft u.a. folgende Regelungen:
5"§ 1
6Abgabengläubiger
7Die Stadt Dortmund erhebt nach dieser Satzung eine Beherbergungsabgabe als örtliche Aufwandsteuer.
8§ 2
9Gegenstand der Abgabe
10Gegenstand der Beherbergungsabgabe ist der Aufwand des Beherbergungsgastes für die Möglichkeit einer entgeltlichen privaten Übernachtung in einem Beherbergungsbetrieb (Hotel, Gasthof, Pension, Privatzimmer, Jugendherberge, Ferienwohnung, Motel, Campingplatz, Schiff und ähnliche Einrichtung), der gegen Entgelt eine Beherbergungsmöglichkeit zur Verfügung stellt; dies gilt unabhängig davon, ob die Beherbergungsleistung tatsächlich in Anspruch genommen wird.
11Der Übernachtung steht die Nutzung der Beherbergungsmöglichkeit, ohne dass eine Übernachtung erfolgt (z. B. Tageszimmer), gleich, sofern hierfür ein gesonderter Aufwand betrieben wird.
12Eine private Übernachtung liegt nicht vor, wenn der Beherbergungsgast dies eindeutig durch eine Bescheinigung des Arbeitgebers nachweist. Die Bescheinigung ist der Stadt Dortmund mit der Abgabenerklärung (§ 7 der Satzung) einzureichen. Der Nachweis kann auch innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Frist zur Einreichung der Abgabenerklärung nachgereicht werden. Eine durch den Beherbergungsbetrieb entrichtete Abgabe wird nach Prüfung des Nachweises an den Arbeitgeber des Beherbergungsgastes, bei einem selbständigen Beherbergungsgast an diesen, erstattet.
13§ 3
14Bemessungsgrundlage
15Bemessungsgrundlage ist der vom Gast für die Beherbergung aufgewendete Betrag (einschließlich Mehrwertsteuer).
16§ 4
17Abgabensatz
18Die Übernachtungsabgabe beträgt 5 vom Hundert der Bemessungsgrundlage.(...)
19§ 5
20Abgabenschuldner
21Abgabenschuldner ist der Betreiber des Beherbergungsbetriebes.
22§ 6
23Entstehung des Abgabenanspruches
24Der Abgabenanspruch entsteht mit Beginn der entgeltpflichtigen Beherbergungsleistung."
25Die Beklagte stellte nach dem Inkrafttreten der Beherbergungsabgabesatzung einen "Handlungsrahmen Beherbergungsabgabe" auf, der hinsichtlich des Nachweises einer nicht privaten Beherbergung Vorgaben enthält.
26Die Klägerin meldete unter dem 6. Januar 2011 für die Monate November und Dezember 2010 Beherbergungsentgelte einschließlich Mehrwertsteuer von 68.636,20 Euro sowie unter dem 5. April 2011 für die Monate Januar bis März 2011 von 95.490,47 Euro an.
27Mit Bescheid vom 29. April 2011 setzte die Beklagte unter Vorbehalt der Nachprüfung die Beherbergungsabgabe für die Monate November 2010 bis März 2011 auf 8.206,33 Euro fest.
28Die Klägerin hat am 24. Mai 2011 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erhoben.
29Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, die Beherbergungsabgabesatzung verstoße gegen höherrangiges Recht. Die Regelung der Bemessungsgrundlage sei nicht mit § 7 Abs. 5 der Preisangabenverordnung - PAngV ‑ vereinbar. Der als Bemessungsgrundlage nach § 3 BAS vorgesehene Bruttobetrag habe zwingend bereits die Beherbergungsabgabe zu beinhalten, eine gesonderte Ausweisung sei nicht zulässig. Die Beherbergungsabgabe würde daher de facto auf sich selbst erhoben. § 11 Abs. 5 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen ‑ KAG ‑ stehe der Erhebung einer Beherbergungsabgabe entgegen, da mit dieser Regelung abschließend bestimmt sei, unter welchen Voraussetzungen Gemeinden Fremdenverkehrsabgaben erheben dürften. Die Beherbergungsabgabe habe nicht den Charakter einer örtlichen Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a des Grundgesetzes ‑ GG ‑. Die Beherbergungsabgabe sei überdies der Umsatzsteuer gleichartig und verstoße auch aus diesem Grunde gegen die aus der genannten Vorschrift folgende Kompetenzverteilung. § 2 Abs. 3 Satz 1 BAS lasse beruflich bedingte Übernachtungen von Beamten und Selbständigen ohne sachliche Rechtfertigung außer Betracht, indem sie lediglich Arbeitgeberbescheinigungen als Nachweis zulasse. Überdies sei insoweit die Gefahr von Gefälligkeitsbescheinigungen evident.
30Wie das Bundesverwaltungsgericht klargestellt habe, müssten Satzungen zur Regelung einer Beherbergungsabgabe dezidierte und konkrete Kriterien zur Unterscheidung von privat und beruflich veranlassten Übernachtungen enthalten. Derartige Differenzierungskriterien enthalte die vorliegende Satzung nicht. Aus der Regelung des § 2 Abs. 3 BAS folge, dass der abgabenpflichtige Beherbergungsbetrieb verpflichtet sei, bezüglich sämtlicher entgeltlicher Übernachtungen die Beherbergungsabgabe einzupreisen und einzuziehen. Damit werde gleichsam vermutet, dass eine entgeltliche Übernachtung privat veranlasst sei. Die damit verbundene Beweislastverteilung sei vor dem Hintergrund nicht gerechtfertigt, dass eine Heranziehung zur Beherbergungsabgabe bei beruflicher Veranlassung der Übernachtung schon dem Grunde nach ausscheide. Aus den gleichen Gründen sei auch die Erstattungsregelung in § 2 Abs. 3 Satz 4 BAS zu beanstanden. Sie bewirke für den Pflichtigen eine nicht hinnehmbare Situation der Ungewissheit. Weise der Gast eine berufliche Veranlassung der Übernachtung gegenüber dem Beherbergungsbetreiber nicht nach, sei es diesem selbst nicht möglich, beruflich erforderliche Übernachtungen von privaten Übernachtungen zu unterscheiden. Diese Ungewissheit dürfe nicht zu Lasten des Pflichtigen bzw. des Hotelgastes gehen, vielmehr dürfe eine Steuer insoweit mangels Erfüllung des Steuertatbestands von vornherein nicht erhoben werden.
31Des Weiteren werde dem Beherbergungsbetrieb mit der Einreichung von Arbeitgeberbescheinigungen eine im Kommunalabgabengesetz NRW nicht normierte Meldepflicht abverlangt. Die Erhebung der Beherbergungsabgabe verstoße gegen den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, da sie die Entscheidung des Bundesgesetzgebers, den Mehrwertsteuersatz für Hotels zu reduzieren, konterkariere. Ferner verletze sie die Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 GG, da der in der Erhebung liegende Eingriff nicht gerechtfertigt werden könne. Die Datenerhebungspraxis der Beklagten zur Differenzierung zwischen beruflicher und privater Veranlassung einer entgeltlichen Übernachtung begegne durchgreifenden datenschutzrechtlichen Bedenken.
32Die Klägerin hat beantragt,
33den Abgabenbescheid der Beklagten vom 29. April 2011 aufzuheben.
34Die Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Sie hat vorgetragen, ein Verstoß gegen § 7 Abs. 5 PAngV liege nicht vor. Mit dem in § 3 BAS genannten Betrag sei nicht der nach § 7 Abs. 5 PAngV anzugebende Endpreis gemeint. Bemessungsgrundlage solle vielmehr der Netto-Übernachtungspreis zuzüglich der darauf entfallenden Mehrwertsteuer sein. Ferner verstoße die Erhebung der Abgabe auch nicht gegen § 11 Abs. 5 KAG. Im Gegensatz zu dem dort geregelten Fremdenverkehrsbeitrag knüpfe die Beherbergungsabgabe nicht an die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung und Unterhaltung von Einrichtungen und Anlagen, sondern an den wirtschaftlichen Aufwand an, den ein Hotelgast für seine Übernachtung betreibe. Ferner handele es sich um eine örtliche Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG. Eine Übernachtung in einem Beherbergungsbetrieb stelle typischerweise einen Aufwand dar, der über die Befriedigung des Grundbedürfnisses nach Wohnraum hinausgehe. Die Beherbergungsabgabe sei auch nicht der Umsatzsteuer gleichartig. Des Weiteren sei die Regelung zu beruflich bedingten Übernachtungen auch hinreichend inhaltlich bestimmt. Die Beschränkung der Abgabe auf private Übernachtungen in § 2 Abs. 1 BAS bedeute zugleich, dass beruflich veranlasste Übernachtungen ausnahmslos nicht der Beherbergungsabgabe unterliegen sollten.
37Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es sich auf den Standpunkt gestellt, die Beherbergungsabgabesatzung sei nichtig. Die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Forderung nach Vorhersehbarkeit der Abgabenlast für den Steuerpflichtigen werde nicht beachtet. § 2 Abs. 3 BAS verletze den rechtsstaatlichen Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, weil dem steuerpflichtigen Beherbergungsbetrieb die Feststellungslast auferlegt werde, dass eine Übernachtung nicht privat sei. Aufgrund eines strukturellen Vollzugsdefizites verstoße die Beherbergungsabgabesatzung gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Hinsichtlich der Entscheidungsgründe im Einzelnen wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.
38Die Beklagte hat fristgerecht Berufung eingelegt und führt zur Begründung aus: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Abgabelast vorhersehbar. Dem Bestimmtheitsgrundsatz sei regelmäßig genügt, wenn der Steuergegenstand, die Bemessungsgrundlage, der Steuersatz sowie die Erhebung und Fälligkeit der Steuer geregelt seien. Diesen Anforderungen genüge die Beherbergungsabgabesatzung. Die Möglichkeit einer exakten Vorausberechnung sei gerade nicht erforderlich. Dem Verwaltungsgericht sei ebenfalls nicht zu folgen, soweit es von der Verletzung des Grundsatzes der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung ausgegangen sei. Sie, die Beklagte, habe sich von vornherein entschlossen, nur privat veranlasste Übernachtungen zu besteuern, nicht aber sämtliche Übernachtungen unterschiedslos der Besteuerung zu unterwerfen und sodann eine Steuerbefreiung bei beruflich bedingten Übernachtungen vorzunehmen. Eine Vermutung, dass der Steuertatbestand des § 2 Abs. 1 BAS vorliege, beinhalte die Beherbergungsabgabesatzung nicht. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne auch nicht von einem Vollzugsdefizit ausgegangen werden. Bereits ein Großteil der beruflich bedingten Übernachtungen sei auf eine Buchung durch den Arbeitgeber zurückzuführen. Insoweit erscheine eine wie auch immer geartete Manipulation weitgehend ausgeschlossen. Eine lediglich abstrakt bestehende Möglichkeit einer gefälschten Arbeitgeberbescheinigung oder falscher Eigenerklärungen sei für die Annahme eines strukturellen Vollzugsdefizites nicht ausreichend. Das Bestehen einer ausreichenden Überprüfungsmöglichkeit resultiere zudem aus dem Umstand, dass das kommunale Steuerrecht angesichts der bestehenden Auskunftspflicht unabhängig von den satzungsrechtlichen Regelungen kraft Gesetzes eine Verifikation steuerlich erheblicher Tatbestände ermögliche.
39Die Beklagte beantragt,
40das angegriffene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
41Die Klägerin beantragt,
42die Berufung zurückzuweisen.
43Zur Begründung führt sie aus: Die im Hinblick auf die Rechtsprechung zwischen beruflich bedingten und privaten Übernachtungen differenzierende Beherbergungsabgabesatzung biete keine hinreichende Grundlage für eine zulässige Abgabenerhebung. Dass von einem unverhältnismäßigen Mitwirkungsbeitrag des steuerpflichtigen Beherbergungsbetriebes auszugehen sei, folge bereits daraus, dass bei einem Großteil der Gäste ein hohes Aufklärungs- und Nachfragebedürfnis bestehe. Entgegen der Auffassung der Beklagten belege die in § 2 Abs. 3 BAS normierte Nachweispflicht für eine beruflich bedingte Übernachtung, dass grundsätzlich undifferenziert jede Übernachtung besteuert werden solle. Die Beherbergungsabgabesatzung berge eine "Vermutung" der Steuerbarkeit sämtlicher Übernachtungen in sich, die nur durch einen entsprechenden Nachweis entkräftet werden könne. Die Nichtigkeit der Beherbergungsabgabesatzung folge daraus, dass es sich bei dem Beherbergungsgast als möglichem Erstattungsberechtigten (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 4 BAS) um einen am Steuerschuldverhältnis unbeteiligten Dritten handele, nicht aber um den eigentlichen Steuerschuldner. Unabhängig davon sei die Erstattungsregelung auch schon deshalb nichtig, weil die Beklagte in der Praxis nicht feststellen könne, ob die Abgabe auch voll umfänglich auf den Beherbergungsgast "überwälzt" worden sei und nicht etwa nur kalkulatorisch in das Beherbergungsentgelt eingeflossen sei. Die vorzunehmende Datenerhebung zur Differenzierung zwischen beruflich und privat veranlassten Übernachtungen begegne durchgreifenden datenschutzrechtlichen Bedenken. Die von der Beklagten praktizierte Besteuerung ausschließlich privat veranlasster Übernachtungen sei wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz verfassungswidrig. Zwar sei im Steuerrecht eine Typisierung zulässig. Die Beherbergungsabgabesatzung lasse jedoch nur in Ausnahmefällen überhaupt eine Besteuerung zu. Zudem stelle sich die Frage nach der Überwälzbarkeit der Abgaben.
44Die Gleichheit der Besteuerung werde durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens schon prinzipiell verfehlt. Der Beklagten stünde keine effektive Instrumentation zur Verfügung, die geforderten Erklärungen zum Aufenthaltszweck systematisch und umfassend auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen.
45Die eine lediglich privat veranlasste Übernachtung besteuernde Satzungsregelung sei unwirksam, solange der Steuerschuldner seinerseits keine Möglichkeit habe, den die Abgabe begründeten Tatbestand selbst verbindlich festzustellen. Daher sei entscheidend allein das "Wie" der Besteuerung mit der Folge, dass es darum gehe, ob dem Beherbergungsbetrieb ein Auskunftsrecht gegenüber dem Gast zustehe und ob ihm dessen Verhalten zuzurechnen sei. Die Erhebung der Beherbergungsabgabe als indirekte Steuer führe zu nicht überwindbaren Problemen bei der Umsetzung in der täglichen Besteuerungspraxis. Auch ein Vergleich mit der Problematik der Umsatzsteuererhebung beim Verkauf von Speisen und Getränken betreffend die Höhe des Steuersatzes helfe nicht weiter. Dabei gehe es nicht um die hier entscheidende Frage des "Ob" der Besteuerung. Zudem sei auch insoweit der unverhältnismäßige Mitwirkungsbeitrag des Steuerschuldners zu beachten, der auf Seiten des Beherbergungsbetriebes erhebliche Aufklärungsbemühungen sowohl in zeitlicher als auch in personeller Hinsicht erfordere. Dies gelte unabhängig davon, ob ein direkter fernmündlicher oder schriftlicher Kontakt bei der Buchung bestehe oder die Buchung via Internet erfolge. Insbesondere in den Reservierungsportalen könne nur ein Preis je Zimmerkategorie angeboten werden. Nichts anderes gelte im Ergebnis im Hinblick auf Vergleiche mit Vergnügungs-, Hunde- oder Zweitwohnungssteuern. Bei der Nutzung von Spielgeräten stelle sich die Frage nach der Veranlassung des Aufwandes nicht. Bei Hunde- und Zweitwohnungssteuern handele es sich bereits um direkte Steuern.
46Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivorbringens im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
47Entscheidungsgründe:
48Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Bescheid zu Recht aufgehoben, weil er rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑). Die Beherbergungsabgabesatzung ist nämlich nichtig und damit keine wirksame Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid.
49Unbedenklich ist allerdings, dass durch die Satzung eine Steuer als örtliche Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG auf entgeltliche private Übernachtungen erhoben wird.
50Zur Steuerbarkeit dieses Steuergegenstands vgl. BVerwG, Urteil vom 11.7.2012 ‑ 9 CN 1/11 ‑, BVerwGE 143, 301 Rn. 12 ff.; Urteil des Senats vom 23.1.2013 ‑ 14 A 1860/11 ‑, NRWE Rn. 57 ff.; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 7.2.2013 ‑ 4 KN 1/12 ‑, NVwZ-RR 2013, 816 Rn. 85 ff.
51Die dagegen gerichteten Einwände der Klägerin greifen nicht durch, insbesondere lässt sich aus den Regelungen des Datenschutzgesetzes Nordrhein Westfalen ‑ DSG NRW ‑ nichts zugunsten der Klägerin herleiten. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 DSG NRW gilt dieses Gesetz für öffentliche Stellen, namentlich für die Behörden, Einrichtungen und sonstigen öffentlichen Stellen des Landes, die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie für die sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und deren Vereinigungen. Dazu zählt die Klägerin nicht.
52Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 7.2.2013 ‑ 4 KN 1/12 ‑, NVwZ-RR 2013, 816 Rn. 106 ff.; Beschluss vom 15.2.2012 ‑ 4 MR 1/12 -, NVwZ 2012, 771 (774).
53Auch die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes ‑ DSG ‑ stehen der Einholung und Weitergabe solcher Erklärungen nicht entgegen.
54Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15.2.2012 ‑ 4 MR 1/12 -, NVwZ 2012, 771 (774).
55Als nicht öffentliche Stellen sind für die Klägerin gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes maßgeblich. Nach § 4 Abs. 1 BDSG dürfen auch nicht öffentliche Stellen Daten nur erheben, verarbeiten und nutzen, soweit das Bundesdatenschutzgesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Andere Rechtsvorschriften sind u. a. das Landesrecht wie auch kommunales Recht. Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 BAS ist der Beherbergungsunternehmer verpflichtet, die Bescheinigung mit der Abgabenerklärung (§ 7 BAS) einzureichen. Die Zulässigkeit der Weitergabe ergibt sich schließlich auch aus § 15 Abs. 1 BDSG.
56Die besonderen Regelungen über die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags in § 11 Abs. 5 und 6 KAG stehen der Beherbergungsabgabe nicht entgegen. Dies würde unter dem Auslegungsgesichtspunkt des Vorrangs der speziellen Norm vor der allgemeinen Norm voraussetzen, dass die Beherbergungsabgabe den Regelungsgehalt eines Fremdenverkehrsbeitrags hätte. Das ist nicht der Fall. Die Beherbergungsabgabe wird als Steuer gegenleistungslos zur Einnahmebeschaffung erhoben, während der Fremdenverkehrsbeitrag als Vorzugslast der Deckung der in § 11 Abs. 5 Satz 1 KAG genannten vorteilhaften gemeindlichen Fremdenverkehrsaufwendungen dient. Diese Unterschiede in Ziel und Rechtfertigung der Abgaben schließen es aus, der Regelung des Fremdenverkehrsbeitrags eine die Erhebung einer Beherbergungsabgabe ausschließende Wirkung zuzumessen.
57Die Erhebung der Beherbergungsabgabe ist nicht deshalb unzulässig, weil sie der Umsatzsteuer (hier in Form der Mehrwertsteuer) gleichartig wäre. Nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Der genaue Inhalt dieses Gleichartigkeitsverbots, das im Rahmen des Finanzreformgesetzes 1969 auf Druck des Bundesrates in das Grundgesetz aufgenommen wurde,
58vgl. Entwurf eines Finanzreformgesetzes, BT-Drs. V/2861, S. 7, Stellungnahme des Bundesrates dazu S. 86 f. und Gegenäußerung der Bundesregierung S. 94 f.; Beschluss des Vermittlungsausschusses, BT-Drs. V/3896, S. 4, und Beschluss des Vermittlungsausschusses BT-Drs. V/4105, S. 4,
59ist vom Bundesverfassungsgericht noch nicht präzisiert worden. Jedenfalls besteht die Funktion der Vorschrift darin, im Rahmen der Zuweisung der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz für örtliche Aufwand- und Verbrauchsteuern an die Länder zu verhindern, dass auf diesem Gesetzgebungsweg eine bundesrechtliche Aufwand- oder Verbrauchsteuer auf örtlicher Ebene erhoben wird.
60Vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 11.7.2012 ‑ 9 CN 1.11 ‑, BVerwGE 143, 301 Rn. 22 ff.; s. dazu, dass dem Gesetzgeber die Einführung einer Gemeindeumsatzsteuer als verschlossener Bereich vorschwebte, Berichterstatter Reischl im Bundestag, BT-PlenProt. der 222. Sitzung vom 20.3.1969, S. 12058 B, C, und Berichterstatter Dr. Heinsen im Bundesrat, BR-PlenProt. der 338. Sitzung vom 9.5.1969, S. 109 B, C.
61Es darf also nicht eine bereits existierende Bundessteuer im Gewand einer örtlichen Aufwand- oder Verbrauchsteuer erhoben werden. Deshalb bedarf es eines wertenden Gesamtvergleichs der zu vergleichenden Steuern.
62BVerwG, Urteil vom 11.7.2012 ‑ 9 CN 1.11 ‑, BVerwGE 143, 301 Rn. 25; Vogel/Walter, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Loseblattsammlung (Stand: Juli 2013), Art. 105 Rn. 124b.
63In diesem Rahmen kann festgestellt werden, dass die hier in Rede stehende Abgabe in vielen Punkten der Umsatzsteuer nahesteht (Anknüpfung an einen entgeltlichen Leistungsaustausch, wegen intendierter Abwälzung wirtschaftlich tendenziell Preisanhebungswirkung, Orientierung proportional zum Entgelt, keine zeitliche oder zahlenmäßige Begrenzung der Besteuerungsfälle, Loslösung des Kreises der Steuerträger von persönlichen Eigenschaften mit Ausnahme des mit der Übernachtung verfolgten Zwecks, Annäherung in der Höhe zur hier siebenprozentigen Umsatzsteuer). Dennoch ist die Beherbergungsabgabe keine in das Gewand einer örtlichen Aufwandsteuer gekleidete Umsatzsteuer, weil ihr deren entscheidendes Kriterium fehlt. Diese ist nämlich prinzipiell auf die Besteuerung jedweden Leistungsaustauschs gerichtet. Erst die Losgelöstheit der Umsatzsteuer von der Art der Lieferung oder sonstigen Leistung macht ihr Wesen als allgemeine Verbrauchsteuer gegenüber den speziellen Aufwand- und Verbrauchsteuern aus.
64Zur Umsatzsteuer als allgemeiner indirekter Verbrauchsteuer s. Englisch in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 17 Rn. 10 ff.
65Im Gegensatz zur Umsatzsteuer erfasst die Beherbergungsabgabe ausschließlich die Möglichkeit einer entgeltlichen privaten Übernachtung.
66Bei einer solchen Auslegung wird das Verbot in Art. 105 Abs. 2a GG, bundesrechtlich geregelten Steuern gleichartige örtliche Aufwand- und Verbrauchsteuern zu schaffen, zwar für die Umsatzsteuer praktisch funktionslos, da die Schaffung einer jedweden örtlichen Aufwand- und Verbrauch erfassenden Gemeindeumsatzsteuer eher theoretischer Natur ist. Ihre volle Wirkung entfaltet das Gleichartigkeitsverbot aber für alle speziellen bundesrechtlich geregelten Aufwand- und Verbrauchsteuern. So kann etwa das Halten eines Kraftfahrzeugs im Gemeindegebiet wegen des Kraftfahrzeugsteuergesetzes nicht erneut besteuert werden. Gleiches gilt für die Besteuerung des Verbrauchs bestimmter Güter im Gemeindegebiet, die bereits bundesrechtlich speziell besteuert werden (Tabakwaren nach dem Tabaksteuergesetz, Strom nach dem Stromsteuergesetz, Energie nach dem Energiesteuergesetz, Schaumwein nach dem Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuergesetz, Branntwein nach dem Gesetz über das Branntweinmonopol, Bier nach dem Biersteuergesetz).
67Die Beherbergungsabgabe verstößt auch nicht gegen das europarechtliche Gleichartigkeitsverbot. Nach Art. 401 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem) hindert diese Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist. Die Beherbergungsabgabe hat in diesem Sinne nicht den Charakter einer Umsatzsteuer.
68Nach der Rechtsprechung des Gerichtshof der Europäischen Union soll mit der Vorschrift verhindert werden, dass das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch steuerliche Maßnahmen eines Mitgliedstaats beeinträchtigt wird, die den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer mit der Mehrwertsteuer vergleichbaren Weise belastet. Als solche Maßnahmen sind Steuern, Abgaben und Gebühren anzusehen, die die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweisen, selbst wenn sie ihr nicht in allen Einzelheiten gleichen. Dabei handelt es sich um folgende Merkmale: Die Mehrwertsteuer gilt ganz allgemein für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte, sie ist, unabhängig von der Anzahl der getätigten Geschäfte, proportional zum Preis dieser Gegenstände und Dienstleistungen, sie wird auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebes erhoben, und sie bezieht sich schließlich auf den Mehrwert der Gegenstände und Dienstleistungen, d. h., die bei einem Geschäft fällige Steuer wird unter Abzug der Steuer berechnet, die bei dem vorhergehenden Geschäft schon entrichtet worden ist.
69Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 29.4.2004 C-308/01 ‑, Slg. 2004, I-4802, Rn. 33; Urteil vom 9.3.2000 C-437/97 -, Slg. 2000, I-1189, Rn. 22.
70Ebenso wie beim verfassungsrechtlichen Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a GG ist also auch europarechtlich die Allgemeinheit ein Wesensmerkmal der Umsatzsteuer. Das gilt selbst dann, wenn man in Übereinstimmung mit Kritik aus Rechtsprechung und Literatur,
71vgl. Nds. FG, Urteil vom 26.8.2011 ‑ 7 K 192/09 u. a. ‑, juris Rn. 60 ff. m. w. N.,
72nicht alle der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union genannten Merkmale als konstituierend für die Umsatzsteuer ansieht. Das Merkmal allgemeiner, sich grundsätzlich auf alle Gegenstände und Dienstleistungen gleich welcher Art erstreckender Geltung ist jedenfalls ein konstituierendes und damit erforderliches Merkmal, um einer Steuer den Charakter einer Umsatzsteuer zu verleihen.
73Vgl. Schlussantrag der Generalanwältin vom 5.9.2013 in der Rechtssache C-385/12, Rn. 112, http://curia.europa.eu/.
74Bedenken gegen die Wirksamkeit der Satzung bestehen auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit der Abgabenlast für den Steuerpflichtigen. Richtig ist allerdings, wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, dass für alle Abgaben der abgabenbegründende Tatbestand so bestimmt sein muss, dass der Abgabepflichtige die auf ihn entfallenden Abgaben ‑ in gewissem Umfang ‑ vorausberechnen kann.
75Vgl. BVerfG, Urteil vom 17.7.2003 ‑ 2 BvL 1/99 ‑, NVwZ 2003, 1241 (1247); BVerwG, Urteil vom 27.6.2012 ‑ 9 C 7/11 ‑, NVwZ 2012, 1413 (1415).
76Bei der Forderung der Vorhersehbarkeit der Abgabenlast geht es somit um die hinreichenden Bestimmtheit einer Abgabennorm, um ein Mindestmaß an Orientierungssicherheit, nicht aber um arithmetische Berechenbarkeit.
77Vgl. Hey in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 3, Rn. 246,
78Unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit einer Norm,
79zu dem dazu anzulegenden Maßstab vgl. BVerfG, Beschluss vom 8.11.2006 ‑ 2 BvR 578, 796/02 ‑, BVerfGE 117, 71 (111),
80gibt es gegen den Tatbestand des § 2 Abs. 1 erster Halbsatz BAS, wonach Gegenstand der Beherbergungsabgabe der Aufwand des Beherbergungsgastes für die Möglichkeit einer entgeltlichen privaten Übernachtung in einem Beherbergungsbetrieb ist, nichts zu erinnern. Insbesondere ist das Tatbestandsmerkmal "privat" bestimmt genug, um nicht steuerbare beruflich bedingte Übernachtungen aus dem Steuergegenstand auszuscheiden. Es handelt sich um ein steuerrechtlich gängiges Unterscheidungsmerkmal zwischen Einkommensverwendung bei der privaten Lebensführung und Einkommensverwendung zur Einkommenserzielung nach dem Kriterium der Veranlassung,
81vgl. BFH, Beschluss vom 28.11.1977 ‑ GrS 2 und 3/77 ‑, BFHE 124, 43 (50); zum Problem gemischter Veranlassung s. Beschluss vom 21.9.2009 ‑ GrS 1/06 ‑, BStBl. 2010, 672,
82wie es etwa auch bei der einkommensteuerrechtlichen Ausscheidung von Betriebsausgaben und Werbungskosten aus den zu versteuernden Einkünften (§§ 4 Abs. 4, 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes ‑ EStG ‑) maßgeblich ist, ohne dass dort eine unter Bestimmtheitsgesichtspunkten präzisere normative Abgrenzung erfolgt. Der vom Verwaltungsgericht als hier entscheidend angesehene Umstand, dass der Unternehmer keine Kenntnis davon hat, ob eine private oder eine beruflich veranlasste Übernachtung vorliegt, ist kein Problem der Bestimmtheit der Norm, sondern wirft die ‑ später zu erörternde ‑ Frage auf, ob er zum Steuerschuldner bestimmt werden darf.
83Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat auch keine Verletzung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung durch die Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 BAS, der bestimmt, dass eine private Übernachtung nicht vorliegt, wenn der Beherbergungsgast dies eindeutig durch eine Bescheinigung des Arbeitgebers nachweist.
84In der Tat wäre die Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 BAS rechtswidrig, wenn sie dem Steuerschuldner eine Beweisführungslast in der Form auferlegen würde, dass auch bei Kenntnis der Beklagten von der beruflichen Veranlassung der Übernachtung ohne den Nachweis die Steuer entstehen soll oder die Beklagte sich aufdrängende Aufklärungsmaßnahmen nicht zu ergreifen hätte.
85Zur Unzulässigkeit einer formellen Beweislastregelung unter Geltung des Untersuchungsgrundsatzes vgl. Wünsch in: Palke/Koenig, AO, 2. Aufl., § 88 Rn. 27; Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 24 Rn. 54; Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl., § 24 Rn. 40.
86Denn nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG i. V. m. § 88 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Gemeinde den Sachverhalt grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln.
87Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 Satz 1 BAS beinhaltet jedoch keine solche Beweisführungslast. Der Wortlaut besagt nicht, dass immer dann eine private Übernachtung vorliegt, wenn keine eindeutige Arbeitgeberbescheinigung vorliegt. Die Arbeitgeberbescheinigung ist lediglich ein satzungsrechtlich hervorgehobenes geeignetes Beweismittel zur Ermittlung des Sachverhalts. Die Vorschrift kann gesetzeskonform in Übereinstimmung mit dem Untersuchungsgrundsatz dahin verstanden werden, dass auch dann die Steuer (noch) nicht erhoben wird, wenn der berufliche Charakter der Übernachtung bekannt ist oder sich weitere Aufklärungsmaßnahmen für die Beklagte aufdrängen. Dem entspricht offensichtlich auch die Verwaltungspraxis der Beklagten. So sieht der von ihr aufgestellte "Handlungsrahmen Beherbergungsabgabe" andere Beweismittel als nur die Arbeitgeberbescheinigung vor, wie etwa die Rechnungsübernahme durch den Arbeitgeber.
88Aus der so verstandenen Auslegung der Vorschrift des § 2 Abs. 3 Satz 1 BAS folgt gleichzeitig, dass sie keine Beweisführungslast begründet.
89Vgl. dazu, dass eine untergesetzliche Vorschrift, die dem Steuerpflichtigen sogar bestimmte Nachweise auferlegt, wegen des gesetzlichen Untersuchungsgrundsatzes nicht als formelle Beweislastregelung verstanden werden darf: BFH, Urteil vom 15.10.1976 - VI R 21/76 -, BFHE 120, 229 (232).
90Sie beinhaltet aber auch keine unzulässige materielle Beweislastregelung. Der Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 BAS lässt sich allerdings die Auffassung des Satzungsgebers entnehmen, dass dann, wenn weder positive Kenntnis der Beklagten vom beruflich bedingten Charakter der Übernachtung vorliegt noch weitere Aufklärungsmaßnahmen sich aufdrängen, ohne einen Nachweis der beruflichen Veranlassung ein privater Charakter der Übernachtung und damit ihre Steuerbarkeit anzunehmen ist. Daher mag die Vorschrift eine materielle Beweislastregelung enthalten. Eine solche wäre jedoch zulässig.
91Die materielle Beweislast gehört nicht dem Verfahrens-, sondern dem materiellen Recht an,
92vgl. Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 24 Rn. 55; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl., § 24 Rn. 41; Söhn in: Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO/FGO, Loseblattsammlung (Stand August 2013), § 88 AO, Rn. 360,
93hier also dem Aufwandsteuerrecht, zu dessen Regelung und damit auch zur Regelung der materiellen Beweislast die Beklagte befugt ist. Die verfassungsrechtliche Grenze der Regelungsbefugnis bildet insoweit der rechtsstaatliche Grundsatz eines fairen Verfahrens.
94Vgl. BVerfG, Urteil vom 13.2.2007 ‑ 1 BvR 421/05 ‑ BVerfGE 117, 202 (240); Beschluss vom 25.7.1979 ‑ 2 BvR 878/74 ‑, BVerfGE 52, 131 (144 f.); zum rechtsstaatlichen Grundsatz eines fairen Verwaltungsverfahrens vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.8.2000 ‑ 11 B 30.00 ‑, NVwZ 2001, 94 (95); Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl., Art. 20 Rn. 31a.
95Gegen diesen Grundsatz verstößt § 2 Abs. 3 Satz 1 BAS nicht, sollte in ihm eine materielle Beweislastregelung enthalten sein.
96Grundsätzlich trägt nach der Rosenbergschen Normbegünstigungstheorie der Steuergläubiger für steuerbegründende und -erhöhende Tatsachen und der Steuerschuldner für steuerentlastende oder -mindernde Tatsachen die Beweislast. Es kann aber durchaus sachgerecht sein, im Rahmen der sogenannten sphärenorientierten Beweisrisikoverteilung unter Berücksichtigung von Mitwirkungspflichten,
97vgl. Seer in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 22 Rn. 190 f.,
98eine Verteilung unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der Beweisführung vorzunehmen.
99Vgl. Heßhaus in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 24 Rn. 17.1; allgemein zu den verschiedenen Gesichtspunkten der Ergänzung des Normbegünstigungsprinzips Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG , 7. Aufl., § 24 Rn. 55.
100Hier regelt die Beherbergungsabgabensatzung allgemeine Mitwirkungs- und Auskunftsobliegenheiten des Beherbergungsgastes und mittelbar des Arbeitgebers (§12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG i. V. m. §§ 90 Abs. 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AO) zur Ermittlung des steuerrechtlich relevanten Sachverhalts. Dies ist sachgerecht, da die Kenntnis vom beruflichen oder privaten Charakter der Übernachtung allein bei den genannten Personen liegt. Auch hier bezieht sich der vom Verwaltungsgericht herangezogene Umstand diesbezüglich fehlender Kenntnis des Beherbergungsunternehmers nicht auf die Zulässigkeit der materiellen Beweislastnorm, sondern auf die Frage richtiger Auswahl des Steuerschuldners.
101Schließlich ist die Beherbergungsabgabesatzung auch nicht aufgrund eines strukturellen Vollzugsdefizits wegen der Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG nichtig.
102Der Gleichheitssatz verlangt für das Steuerrecht, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Die Besteuerungsgleichheit hat mithin als ihre Komponenten zum einen die Gleichheit der normativen Steuerpflicht, aber andererseits ebenso die Gleichheit bei deren Durchsetzung in der Steuererhebung. Daraus folgt, dass das materielle Steuergesetz ‑ und damit auch die hier in Rede stehende Beherbergungsabgabesatzung ‑ in ein normatives Umfeld eingebettet sein muss, welches die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges prinzipiell gewährleistet.
103Vgl. BVerfG, Urteil vom 27.6.1991 ‑ 2 BvR 1493/89 ‑, BVerfGE 84, 239 (Leitsatz 1).
104Die steuerliche Lastengleichheit fordert mithin, dass das materielle Steuergesetz die Gewähr seiner regelmäßigen Durchsetzbarkeit soweit wie möglich in sich selbst trägt. Der Normgeber hat demgemäß die Besteuerungstatbestände und die ihnen entsprechenden Erhebungsregelungen aufeinander abzustimmen. Führen Erhebungsregelungen dazu, dass ein gleichmäßiger Belastungserfolg prinzipiell verfehlt wird, kann die materielle Steuernorm nicht mehr gewährleisten, dass die Steuerpflichtigen nach Maßgabe gleicher Lastenzuteilung belastet wären; sie wäre dann gerade umgekehrt Anknüpfungspunkt für eine gleichheitswidrige Lastenverteilung.
105Vgl. BVerfG, Urteil vom 27.6.1991 ‑ 2 BvR 1493/89 ‑, BVerfGE 84, 239 (271 f.); BVerwG, Urteil vom 23.2.2011 - 6 C 22.10 -, BVerwGE 139, 42 Rn. 67.
106Regelungen, die die Durchsetzung des Steueranspruchs sichern und Steuerverkürzungen verhindern sollen, müssen auf die Eigenart des konkreten Lebensbereichs und des jeweiligen Steuertatbestands ausgerichtet werden. Wird eine Steuer nicht an der Quelle erhoben, hängt ihre Festsetzung vielmehr von der Erklärung des Steuerschuldners ab, werden erhöhte Anforderungen an die Steuerehrlichkeit des Steuerpflichtigen gestellt. Der Gesetzgeber muss die Steuerehrlichkeit deshalb durch hinreichende, die steuerliche Belastungsgleichheit gewährleistende Kontrollmöglichkeiten abstützen. Im Veranlagungsverfahren bedarf das Deklarationsprinzip der Ergänzung durch das Verifikationsprinzip.
107Vgl. BVerfG, Urteil vom 27.6.1991 ‑ 2 BvR 1493/89 ‑, BVerfGE 84, 239 (273).
108Verfassungsrechtlich verboten ist der Widerspruch zwischen dem normativen Befehl der materiell pflichtbegründenden Steuernorm und der nicht auf Durchsetzung angelegten Erhebungsregelung. Zur Gleichheitswidrigkeit führt nicht ohne weiteres die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen, wohl aber das normative Defizit des widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts.
109Vgl. BVerfG, Urteil vom 9.3.2004 ‑ 2 BvL 1702 ‑, BVerfGE 110, 94 (Leitsatz 2).
110Vorliegend hängt die Steuerbelastung des Steuerschuldners und damit infolge der Möglichkeit einer Abwälzung mittelbar auch des Steuerträgers allein von freiwillig offenbarten Informationen ab, da die Beklagte über den steuerbegründenden privaten Charakter der jeweiligen Übernachtung in aller Regel keine eigenen Erkenntnisse hat. Daraus folgt zwar, dass es eines normativen Umfelds bedarf, das die Gleichheit der Belastung hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges sichert. Das ist aber der Fall.
111Eine beachtliche Gewähr für den gleichheitsgerechten Erfolg bietet bereits der Umstand, dass hier nur das Handeln des Beherbergungsgastes durch Vorlage entsprechender Nachweise zur Steuerfreiheit für beruflich bedingte Übernachtungen führt. Damit unterscheidet sich die vorliegende Konstellation von Besteuerungsverfahren, in denen das Unterlassen einer Handlung die faktische Steuerfreiheit nach sich zieht.
112Vgl. zur Erklärung privater Zinserträge: BVerfG, Urteil vom 27.6.1991 ‑ 2 BvR 1493/89 ‑, BVerfGE 84, 239 (275); zur Offenbarung von Spekulationsgewinnen: BVerfG, Urteil vom 9.3.2004 ‑ 2 BvL 17/02 ‑, BVerfGE 110, 94 (119).
113Damit bleibt im Hinblick auf die Frage nach einem strukturellen Vollzugsdefizit vor allem, wie auch vom Verwaltungsgericht ausgeführt, die Gefahr wahrheitswidriger Erklärungen durch Gefälligkeitsbescheinigungen oder Eigenbescheinigungen Selbständiger.
114Diese durchaus nicht auszuschließende Gefahr führt jedoch nicht zu einem strukturellen Vollzugsdefizit. Für die Richtigkeit ausgestellter Bescheinigungen spricht schon die Strafbewehrtheit der Ausstellung einer unrichtigen oder unvollständigen Bescheinigung (§ 17 Abs. 1 KAG ‑ Abgabenhinterziehung ‑) und die Bußgeldbewehrtheit bloßer Abgabengefährdung (§ 20 Abs. 2 KAG) angesichts nur geringfügiger Ersparnis durch unberechtigte Steuerfreiheit.
115Denkbar ist auch eine Fehlannahme der beruflichen Veranlassung, wenn sie aus wenig sicheren Indizien gefolgert wird, etwa bei bloßer Angabe des Arbeitgebers in der Rechnungsanschrift, wenn die Rechnung aber vom Beherbergungsgast persönlich beglichen wird. Jedoch ist davon auszugehen, dass die Beklagte über ausreichende Kenntnisse vom Wirtschaftsraum Dortmund verfügt, um in etwa das Verhältnis zwischen privaten und beruflich bedingten Übernachtungen bei einzelnen Kategorien von Beherbergungsunternehmen abschätzen zu können. Damit ist eine Fehleinschätzung in einem hier erheblichen Umfang unwahrscheinlich. Dass die vollständige Erfassung aller Steuerfälle verfehlt wird, kann unterstellt werden. Kritikwürdige Vollzugsdefizite gibt es viele, entscheidend ist jedoch, wann diese die Qualität eines strukturellen Vollzugsdefizits erreichen mit der Folge der Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden materiellen Norm.
116Vgl. Hey in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 3 Rn. 115.
117Das ist erst der Fall, wenn die gleichmäßige Erfassung nicht mehr prinzipiell gewährleistet ist. Davon kann hier keine Rede sein, auch wenn Verbesserungen im Vollzug der Beherbergungsabgabe möglich sind.
118Dem Beherbergungsunternehmer wird auch kein unverhältnismäßiger Organisationsaufwand abverlangt, der ihn in seiner Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG in verfassungswidriger Weise verletzen würde.
119Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 7.2.2013 - 4 KN 1/12 -, NVwZ-RR 2013, 816 Rn. 108.
120Die Unterscheidung zwischen privaten und beruflich bedingten Übernachtungen ist ohne unverhältnismäßige Mitwirkungsbeiträge des Steuerpflichtigen durch die Beklagte geregelt. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 BAS erfolgt der Nachweis der berufsbedingten Übernachtung regelmäßig durch die Vorlage der entsprechenden Arbeitgeberbescheinigung. Nach Nummer 1 des von der Beklagten aufgestellten "Handlungsrahmens Beherbergungsabgabe" bestehen weitere Möglichkeiten eines Nachweises. Die Einholung entsprechender Erklärungen der Übernachtungsgäste im Rahmen der Anmeldung oder während des Aufenthalts ist dem Beherbergungsunternehmer zuzumuten, der ohnehin wegen der Abwicklung des Beherbergungsvertrags und der mit ihm verbundenen melderechtlichen Verpflichtungen (vgl. § 26 des Meldegesetzes NRW ‑ MG NRW ‑) den Beherbergungsgast zu befragen hat. Der von Klägerseite problematisierte Beratungsaufwand hält sich bei möglicher schriftlicher Aufklärung der Gäste in Grenzen, zumal er sich reduzieren wird, wenn die Beherbergungsabgabe hinreichend verbreitet ist. Der durch die Verpflichtung zur Abgabenerklärung gemäß § 7 Abs. 1 BAS entstehende zusätzliche Organisationsaufwand, der lediglich einmal im Kalendervierteljahr anfällt, führt nicht zu einer Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. Nach den überzeugenden Bekundungen der in der mündlichen Verhandlung informatorisch vernommenen Empfangschefin eines Hotels ist die Zusammenstellung des zu besteuernden Aufwands mittels elektronischer Datenverarbeitung kein Problem mehr, wenn erst die Erfassung der Übernachtung als privat oder beruflich veranlasst erfolgt ist.
121Die Satzung ist jedoch nichtig, weil sie in § 5 rechtswidrig den Betreiber des Beherbergungsbetriebs zum Steuerschuldner bestimmt. Allerdings schreibt § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG vor, dass die Satzung den Kreis der Abgabeschuldner angeben muss. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG i. V. m. § 43 Satz 1 AO bestimmt die Satzung, wer Steuerschuldner ist. Dem Satzungsgeber wird damit ein Spielraum eröffnet. Allerdings ist er begrenzt: Der Satzungsgeber ist an die Grundentscheidungen des Kommunalabgabengesetzes gebunden, insbesondere daran, dass es für das Entstehen der Abgabeschuld an einen Abgabetatbestand anknüpft.
122Vgl. Holtbrügge in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblattsammlung (Stand: September 2013), § 2 Rn. 52; Lenz in: Hamacher u. a., KAG NRW, Loseblattsammlung (Stand: März 2013), § 2 Rn. 50 f.
123Das gilt auch für die Steuer. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG i. V. m. § 38 AO entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Daher muss die Satzung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG den die Abgabe begründenden Tatbestand angeben. Diese Grundentscheidung des Kommunalabgabengesetzes, das Entstehen der Steuerschuld an die Verwirklichung eines Steuertatbestands zu knüpfen, begrenzt den Kreis der in der Satzung zu bestimmenden möglichen Steuerschuldner. Nur wem die Erfüllung des Steuertatbestands zugerechnet werden kann, darf zum Steuerschuldner bestimmt werden. Daher ist es zumindest erforderlich, dass der Steuerschuldner in einer besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehung zum Steuergegenstand steht oder einen maßgebenden Beitrag zur Verwirklichung des steuerbegründenden Tatbestands leistet.
124Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12.4.2012 ‑ 14 B 1520/11 ‑, NRWE Rn. 32 f.; ähnlich schon Urteil vom 2.10.1957 ‑ III A 1779/56 ‑, KStZ 1957, 271 (272), zur Zulässigkeit der Haftung der verpachtenden Brauerei für die Schankerlaubnissteuerschuld des Gastwirts; dazu BVerwG, Urteil vom 14.8.1959 ‑ VII CB 231.57 ‑, KStZ 1959, 228 (229); VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.2.2011 ‑ 2 S 196/10 ‑, KStZ 2011, 231 (235); ähnlich bereits RVerwG, Entscheidung vom 24.2.1942 ‑ VIII C 18/41 ‑, RVBl. 1943, 74 (75).
125Steuergegenstand ist das Steuergut mit dem Inhalt und Umfang der Tatbestandsverwirklichung. Das ist hier gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BAS der Aufwand des Beherbergungsgastes, um die Möglichkeit einer entgeltlichen privaten Übernachtung zu erlangen.
126Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.8.2012 ‑ 14 A 1532/12 ‑, NRWE Rn. 10 f.
127Zu diesem Steuergegenstand steht der Betreiber des Beherbergungsbetriebs nur zum Teil in einer besonderen rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehung, nur zum Teil leistet er einen maßgebenden Beitrag zur Verwirklichung dieses Tatbestands.
128Zugerechnet werden können ihm die Tatbestandselemente der Möglichkeit einer entgeltlichen Übernachtung und der dafür vom Beherbergungsgast betriebene Konsumaufwand. Der Unternehmer bietet nämlich die Möglichkeit einer entgeltlichen Übernachtung gegen einen bestimmten, vom Beherbergungsgast aufzuwendenden Preis auf dem Markt an. Das ist jedoch nur ein Teil des steuerbegründenden Tatbestands. Zum weiteren Tatbestandsmerkmal des privaten Charakters der Übernachtung steht der Unternehmer in keinerlei Beziehung, zu der Verwirklichung dieses Elements leistet er keinerlei Beitrag.
129Derjenige, dem dieses steuerbegründende Merkmal zugerechnet werden kann, ist vielmehr der Beherbergungsgast, der über den Zweck der Beherbergung entscheidet. Der Unternehmer weiß im Regelfall noch nicht einmal, ob dieses Tatbestandselement vorliegt. Diese nur gelockerte Beziehung des Beherbergungsunternehmers zum Steuergegenstand schließt es aus, ihn zum Steuerschuldner zu bestimmen. Es hätte einerseits zur Folge, dass in der Person des Unternehmers eine Steuerschuld entsteht, wenn eine steuerfreie beruflich bedingte Übernachtung glaubhaft ist, jedoch in Wirklichkeit eine private Übernachtung vorliegt, und andererseits, dass der Unternehmer für ihn unvermeidlich zu einer Steuer herangezogen wird, obwohl keine Steuerschuld entstanden ist, wenn der Beherbergungsgast aus welchen Gründen auch immer die berufliche Veranlassung der Übernachtung nicht offenlegt.
130Dem Umstand, dass das steuerbegründende Merkmal des privaten Charakters der Übernachtung dem Unternehmer nicht zugerechnet werden kann, kann nicht entgegengehalten werden, dass er sich wirtschaftlich schadlos halten kann und nach der Konzeption auch soll, indem er die in seiner Person entstandene Steuer auf den Beherbergungsgast abwälzt.
131So aber wohl OVG S-H, Urteil vom 7.2.2013 ‑ 4 KN 1/12 ‑, NVwZ-RR 2013, 816 Rn. 89.
132Das ist schon tatsächlich in der Konstellation nicht möglich, dass für den Unternehmer glaubhaft, jedoch fälschlich eine steuerfreie beruflich bedingte Übernachtung vorzuliegen scheint. Die These ist aber grundsätzlich verfehlt. Die Abwälzbarkeit ist ein begrifflich notwendiges Merkmal jedweder indirekten Aufwandsteuer, denn besteuertes Steuergut ist der Konsumaufwand, der in der Person des Steuerschuldners bei einer indirekten Steuer nicht anfällt. Die Abwälzbarkeit ist jedoch kein hinreichendes Merkmal dafür, jeden unabhängig von seiner Beziehung zum Steuertatbestand zum Steuerschuldner bestimmen zu dürfen, der die Steuer abwälzen kann. Die genannte Auffassung verkennt, dass das Kommunalabgabengesetz schon das Entstehen einer Steuerschuld in der Person des Steuerschuldners als rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Rechtssphäre des Steuerschuldners wertet, unabhängig von der Frage, wen die Steuer letztlich wirtschaftlich trifft. Diese Rechtfertigung liegt darin, dass dem Steuerschuldner die Verwirklichung des Steuertatbestands zugerechnet werden kann, nicht darin, dass er die wirtschaftlichen Folgen der Steuer abwälzen kann.
133Die oben dargelegte Nähe des Unternehmers zum Steuergegenstand jenseits des privaten Charakters der Übernachtung rechtfertigt es lediglich, ihn zum Steuerentrichtungspflichtigen zu bestimmen. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG i. V. m. § 43 Satz 2 AO bestimmt die Satzung auch, ob ein Dritter die Steuer für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat. In diesem Fall entsteht die Steuer in der Person eines Dritten, nämlich des mit dem Steuerentrichtungspflichtigen nicht identischen Steuerschuldners. Der Steuergläubiger bedient sich des Steuerentrichtungspflichtigen allein dazu, die Steuer beim Steuerschuldner einzuziehen und an den Steuergläubiger abzuführen. Auch eine solche Steuerpflicht bedarf der Rechtfertigung. Diese kann in der Nähe des Steuerentrichtungspflichtigen zum Steuergegenstand und zum Steuerschuldner liegen. Die Beziehung des Steuerentrichtungspflichtigen zum Steuergegenstand und Steuerschuldner muss nicht eine die Steuerschuldnerschaft rechtfertigenden Dichte aufweisen, sondern lediglich die Zumutbarkeit der aus der Steuerentrichtungspflicht entspringenden Steuerpflichten begründen.
134Das Kommunalabgabengesetz selbst enthält vergleichbare Regelungen für eine besondere Abgabe, nämlich den Kurbeitrag.
135Ein bundesrechtliches Beispiel ist die Versicherungssteuer, deren Schuldner der Versicherungsnehmer ist, während der Versicherer die Steuer zu entrichten hat, vgl. § 7 Abs. 1 und 2 des Versicherungsteuergesetzes (VersStG).
136Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 KAG ist abgabepflichtig derjenige, der in dem Kurort Unterkunft nimmt. Als Abgabeentrichtungspflichtiger kann der bestimmt werden, der Personen zu Heil- oder Kurzwecken beherbergt oder als Grundeigentümer Unterkunftsmöglichkeiten gewährt (§ 11 Abs. 3 KAG). Ihn trifft nur die Pflicht, die Abgabepflichtigen zu melden, die Abgabe einzuziehen und an den Abgabegläubiger abzuliefern.
137Bei einer entsprechenden Ausgestaltung der Beherbergungsabgabe stellt sich die Frage der Abwälzbarkeit nicht, da es um eine direkte Aufwandsteuer geht. Im Falle unrichtiger Annahme einer steuerfreien beruflich bedingten Übernachtung entsteht die Steuer zu Recht in der Person des Beherbergungsgastes, nicht des steuerentrichtungspflichtigen Unternehmers, der nur für die korrekte Erfüllung seiner - in der Satzung, nicht in einem "Handlungsrahmen" präzise festzulegenden - zumutbaren Pflichten verantwortlich ist. Wird vom Beherbergungsgast zu Unrecht eine Steuer eingezogen, weil er den beruflich bedingten Charakter der Übernachtung nicht hinreichend offenbart, ist das unbedenklich, da dies auf der Verletzung seiner Mitwirkungs- und Auskunftspflichten beruht (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG i. V. m. § 90 Abs. 1, 93 AO). Erstattungsansprüche wegen einer zu Unrecht erhobenen Steuer stehen ihm zu (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG i. V. m. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO), nicht ‑ wie es in § 2 Abs. 3 Satz 4 BAS geregelt ist ‑ seinem Arbeitgeber.
138Vgl. zu einer ähnlichen Regelung bei Steuerschuldnerschaft des Unternehmers OVG NRW, Urteil vom 23.1.2013 - 14 A 1860/11 ‑, NRWE Rn. 100 ff.; dazu BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2013 - 9 B 16.13 ‑, juris Rn. 3.
139Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
140Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.
141Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 VwGO nicht vorliegen. Entscheidungstragend ist die Reichweite der landesrechtlichen Ermächtigung des Satzungsgebers, den Steuerschuldner zu bestimmen.
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
- 55
-
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
(1) Amtsträger haben das Steuergeheimnis zu wahren.
(2) Ein Amtsträger verletzt das Steuergeheimnis, wenn er
- 1.
personenbezogene Daten eines anderen, die ihm - a)
in einem Verwaltungsverfahren, einem Rechnungsprüfungsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen, - b)
in einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder einem Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit, - c)
im Rahmen einer Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4, 5 oder 6 oder aus anderem dienstlichen Anlass, insbesondere durch Mitteilung einer Finanzbehörde oder durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorlage eines Steuerbescheids oder einer Bescheinigung über die bei der Besteuerung getroffenen Feststellungen,
- 2.
ein fremdes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm in einem der in Nummer 1 genannten Verfahren bekannt geworden ist,
- 3.
geschützte Daten im automatisierten Verfahren unbefugt abruft, wenn sie für eines der in Nummer 1 genannten Verfahren in einem automationsgestützten Dateisystem gespeichert sind.
(3) Den Amtsträgern stehen gleich
- 1.
die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 des Strafgesetzbuchs), - 1a.
die in § 193 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Personen, - 2.
amtlich zugezogene Sachverständige, - 3.
die Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind.
(4) Die Offenbarung oder Verwertung geschützter Daten ist zulässig, soweit
- 1.
sie der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 Buchstaben a und b dient, - 1a.
sie einer Verarbeitung durch Finanzbehörden nach Maßgabe des § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 oder 6 dient, - 1b.
sie der Durchführung eines Bußgeldverfahrens nach Artikel 83 der Verordnung (EU) 2016/679 im Anwendungsbereich dieses Gesetzes dient, - 2.
sie durch Bundesgesetz ausdrücklich zugelassen ist, - 2a.
sie durch Recht der Europäischen Union vorgeschrieben oder zugelassen ist, - 2b.
sie der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Statistischen Bundesamtes oder für die Erfüllung von Bundesgesetzen durch die Statistischen Landesämter dient, - 2c.
sie der Gesetzesfolgenabschätzung dient und die Voraussetzungen für eine Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 vorliegen, - 2d.
sie der Sicherung, Nutzung und wissenschaftlichen Verwertung von Archivgut der Finanzbehörden durch das Bundesarchiv nach Maßgabe des Bundesarchivgesetzes oder durch das zuständige Landes- oder Kommunalarchiv nach Maßgabe des einschlägigen Landesgesetzes oder der einschlägigen kommunalen Satzung dient, sofern die Beachtung der Vorgaben der §§ 6 und 10 bis 14 des Bundesarchivgesetzes im Landesrecht oder in der kommunalen Satzung sichergestellt ist, - 3.
die betroffene Person zustimmt, - 4.
sie der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Tat dient, die keine Steuerstraftat ist, und die Kenntnisse - a)
in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erlangt worden sind; dies gilt jedoch nicht für solche Tatsachen, die der Steuerpflichtige in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens offenbart hat oder die bereits vor Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens im Besteuerungsverfahren bekannt geworden sind, oder - b)
ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht erlangt worden sind,
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für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht; ein zwingendes öffentliches Interesse ist namentlich gegeben, wenn - a)
die Offenbarung erforderlich ist zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die Verteidigung oder die nationale Sicherheit oder zur Verhütung oder Verfolgung von Verbrechen und vorsätzlichen schweren Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen, - b)
Wirtschaftsstraftaten verfolgt werden oder verfolgt werden sollen, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern, oder - c)
die Offenbarung erforderlich ist zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern; die Entscheidung trifft die zuständige oberste Finanzbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen; vor der Richtigstellung soll der Steuerpflichtige gehört werden.
(5) Vorsätzlich falsche Angaben der betroffenen Person dürfen den Strafverfolgungsbehörden gegenüber offenbart werden.
(6) Der Abruf geschützter Daten, die für eines der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Verfahren in einem automationsgestützten Dateisystem gespeichert sind, ist nur zulässig, soweit er der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 Buchstabe a und b oder der zulässigen Übermittlung geschützter Daten durch eine Finanzbehörde an die betroffene Person oder Dritte dient. Zur Wahrung des Steuergeheimnisses kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, welche technischen und organisatorischen Maßnahmen gegen den unbefugten Abruf von Daten zu treffen sind. Insbesondere kann es nähere Regelungen treffen über die Art der Daten, deren Abruf zulässig ist, sowie über den Kreis der Amtsträger, die zum Abruf solcher Daten berechtigt sind. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie die Kraftfahrzeugsteuer, die Luftverkehrsteuer, die Versicherungsteuer sowie Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern, mit Ausnahme der Biersteuer, betrifft.
(7) Werden dem Steuergeheimnis unterliegende Daten durch einen Amtsträger oder diesem nach Absatz 3 gleichgestellte Personen nach Maßgabe des § 87a Absatz 4 oder 7 über De-Mail-Dienste im Sinne des § 1 des De-Mail-Gesetzes versendet, liegt keine unbefugte Offenbarung, Verwertung und kein unbefugter Abruf von dem Steuergeheimnis unterliegenden Daten vor, wenn beim Versenden eine kurzzeitige automatisierte Entschlüsselung durch den akkreditierten Diensteanbieter zum Zweck der Überprüfung auf Schadsoftware und zum Zweck der Weiterleitung an den Adressaten der De-Mail-Nachricht stattfindet.
(8) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abgleich geschützter Daten innerhalb einer Finanzbehörde oder zwischen verschiedenen Finanzbehörden ermöglicht, ist zulässig, soweit die Weiterverarbeitung oder Offenbarung dieser Daten zulässig und dieses Verfahren unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person und der Aufgaben der beteiligten Finanzbehörden angemessen ist.
(9) Die Finanzbehörden dürfen sich bei der Verarbeitung geschützter Daten nur dann eines Auftragsverarbeiters im Sinne von Artikel 4 Nummer 8 der Verordnung (EU) 2016/679 bedienen, wenn diese Daten ausschließlich durch Personen verarbeitet werden, die zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet sind.
(10) Die Offenbarung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 durch Finanzbehörden an öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen ist zulässig, wenn die Voraussetzungen der Absätze 4 oder 5 und ein Ausnahmetatbestand nach Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/679 oder nach § 31c vorliegen.
(11) Wurden geschützte Daten
nach den Absätzen 4 oder 5 offenbart, darf der Empfänger diese Daten nur zu dem Zweck speichern, verändern, nutzen oder übermitteln, zu dem sie ihm offenbart worden sind. Die Pflicht eines Amtsträgers oder einer ihm nach Absatz 3 gleichgestellten Person, dem oder der die geschützten Daten durch die Offenbarung bekannt geworden sind, zur Wahrung des Steuergeheimnisses bleibt unberührt.Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
- 2
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
- 4
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
- 7
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
- 2
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
- 2
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
- 7
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
- 19
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.
(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2013 8 K 78/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt u.a. eine Tageszeitung sowie ein sonntags erscheinendes Anzeigenblatt heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils eine Rubrik "Kontakte". Die Klägerin nutzt für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen eine Verlagssoftware, die eine Exportfunktion über Excel anbietet.
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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) um die Übersendung folgender Unterlagen:
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.
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Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31. Dezember 2012 übersandt werden. Das FA erklärte sich bereit, vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten, soweit dies erforderlich und gewünscht sei.
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Das FA begründete sein Auskunftsbegehren damit, dass der Bundesrechnungshof (BRH) und der Niedersächsische Landesrechnungshof Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus festgestellt hatten. Bisher durchgeführte Ermittlungen der Steuerverwaltung zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten worden seien, hätten nicht unerhebliche Steuernachzahlungen ergeben.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 aus, dass sich das Auskunftsersuchen nur auf solche Anzeigen erstrecke, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" beworben würden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 27. August 2013 schränkte das FA das Auskunftsersuchen dahingehend ein, dass keine Auskunft verlangt wird für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, soweit sich aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu bestehe ein hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen. Zudem sei das Auskunftsersuchen hinreichend bestimmt, nachdem es durch das FA in der Einspruchsentscheidung auf die Rubrik "Kontakte" eingegrenzt worden sei. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) werde durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt, da es sich bei §§ 93, 208 AO um die Pressefreiheit einschränkende, allgemeine Gesetze handle. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 99 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO sowie von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, das Auskunftsersuchen des FA vom 21. Oktober 2011, die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 und den Änderungsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der in der mündlichen Verhandlung vom FA mündlich erlassene und vom FG protokollierte Änderungsbescheid vom 27. August 2013 (§ 68 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, nach Möglichkeit ein erneutes Verfahren zu vermeiden, sind die Begriffe "Änderung" und "Ersetzung" weit auszulegen. Die beiden Verwaltungsakte müssen lediglich einen --zumindest teilweise-- identischen Regelungsbereich haben, damit es zu einem Austausch des Verfahrensgegenstandes kommen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, Rz 18, m.w.N.).
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§ 68 Satz 1 FGO greift auch ein, wenn der ersetzte Bescheid eine Ermessensentscheidung zum Gegenstand hat. § 68 Satz 1 FGO erlaubt die vollständige Ersetzung des angefochtenen Bescheids und enthält --anders als § 102 Satz 2 FGO-- im Hinblick auf die Ermessensausübung keine Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.c und II.2.d). Bei einer geänderten Ermessensentscheidung liegt es typischerweise ebenfalls im Interesse des Klägers, dass die streitigen Sach- und Rechtsfragen im bereits anhängigen Verfahren geklärt werden (vgl. Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 68 Rz 10). Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren ein Auskunftsersuchen abändert, das auf die Erteilung von Auskünften für zukünftige, inzwischen aber abgelaufene Zeiträume gerichtet war und insoweit keine gesonderten Ermessenserwägungen enthielt. Auch in diesem Fall entspricht es dem Interesse des Klägers, eine abschließende Klärung der Streitsache herbeizuführen, ohne ein erneutes Vorverfahren (gegen den Änderungsbescheid) durchführen zu müssen.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 vom FA erlassene Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden. Das FA schränkte das Auskunftsersuchen vom 21. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 inhaltlich dahingehend ein, dass für Betriebe, die dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sind, keine Auskunft verlangt wird, soweit sich bereits aus den Anzeigen die Anschrift der Betriebe ergibt. Es liegt eine Änderung des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vor, wobei die ursprünglichen Ermessenserwägungen übernommen wurden.
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2. Finanzbehörden dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Sammelauskunftsersuchen an andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten richten.
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a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben andere Personen als die am Steuerverfahren Beteiligten der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings sollen sie nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 93 Rz 15; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 93 Rz 8).
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b) Die Entscheidung, Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren einzuholen, ist eine von der Finanzbehörde nach § 92 Satz 1 i.V.m. § 92 Satz 2 Nr. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die von den Finanzgerichten gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N.).
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Für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zugrunde zu legen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung. Ist, wie auch im Streitfall, nach Erlass der Einspruchsentscheidung ein geänderter Bescheid erlassen worden, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses geänderten Bescheids abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26, m.w.N.).
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c) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der sich aus § 85 AO ergebenden Pflicht der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 32 und 33).
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d) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich --ebenso wie die Auskunftspflicht der Beteiligten-- unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 36, m.w.N.). Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 37).
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e) Das Auskunftsersuchen muss als Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass es den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 34). Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO muss das Finanzamt in dem Auskunftsersuchen angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll (Beweisthema) und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 AO Rz 76). Aus dem Auskunftsersuchen muss zweifelsfrei hervorgehen, auf welchen Sachverhalt es sich bezieht (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 33).
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Ein Verwaltungsakt, der inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, weil auch durch Auslegung nicht geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist, ist jedenfalls rechtswidrig (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Nichtig ist er dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, § 125 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 196). Während ein nur rechtswidriger Verwaltungsakt noch im Einspruchsverfahren geheilt werden kann (vgl. Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 206), ist dies bei einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73, unter II.2.; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 119 Rz 21).
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f) Die Finanzbehörde darf eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht und das Auskunftsersuchen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Ein Auskunftsanspruch gegen dritte Personen besteht nicht, wenn Auskunftsverweigerungsrechte (§§ 101 ff. AO) in Anspruch genommen werden können (Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 12; Koenig/Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 7).
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g) Nach der Rechtsprechung des BFH sind auch Sammelauskunftsersuchen zulässig, bei denen der Adressat über eine noch unbekannte Anzahl von Geschäftsvorfällen Auskunft erteilen soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.2., m.w.N.; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 11; Klein/Rätke, a.a.O., § 93 Rz 9; Koenig/ Wünsch, a.a.O., § 93 Rz 12). Voraussetzung ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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h) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO einschließlich der Sammelauskunftsersuchen kann die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 44, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzen Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 53, m.w.N.).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54, m.w.N.).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist das Sammelauskunftsersuchen des FA rechtmäßig.
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a) Das Sammelauskunftsersuchen ist hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO.
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aa) Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ist auf dessen Inhalt abzustellen (Klein/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 5). Im Streitfall ist hierfür das Sammelauskunftsersuchen vom 27. August 2013 maßgeblich, das inhaltlich auf den Ausgangsbescheid vom 21. Oktober 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 Bezug nimmt.
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bb) Das Sammelauskunftsersuchen konnte in der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 konkretisiert werden, da das ursprüngliche Auskunftsersuchen nicht von Anfang an nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 AO war. Zwar war das Sammelauskunftsersuchen in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Oktober 2011 sehr weit gefasst. Das FA bat darin um Übersendung von Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber, soweit die Anzeigen "mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen". Jedoch ergibt sich aus den im Auskunftsersuchen enthaltenen Ausführungen, dass es der Ermittlung von Personen dient, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Ein zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO führender, besonders schwerwiegender Fehler liegt deshalb nicht vor. Das FA stellte in seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 klar, dass sich das Auskunftsersuchen lediglich auf alle Anzeigen in der jeweiligen Rubrik "Kontakte" der Tageszeitung und des Anzeigenblattes der Klägerin bezieht. Die Rubrik "Kontakte" enthält ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen. Damit lässt das Sammelauskunftsersuchen keinen Spielraum für weitere Deutungen zu.
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Maßgeblich für die Überprüfung der Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1507, Rz 26; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 102 Rz 13), hier mithin beim Erlass des Änderungsbescheids in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt betraf das Auskunftsersuchen nur einen zurückliegenden Zeitraum. Für diesen sind die im Bescheid vom 21. Oktober 2011 getroffenen und im Änderungsbescheid vom 27. August 2013 übernommenen Ermessenserwägungen ausreichend. Das ursprüngliche Auskunftsersuchen in Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält Ermessenserwägungen des FA, da es die Belange der Steuerfahndung einerseits (Aufdeckung von Vollzugsdefiziten im Bereich des Rotlichtmilieus) und die Belange der Klägerin andererseits (wirtschaftliche Beeinträchtigung der Klägerin, Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etc.) gegenüberstellt. Wegen des ergangenen Änderungsbescheids vom 27. August 2013 ist das Sammelauskunftsersuchen nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 121 AO rechtswidrig, weil es i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 nicht wie erforderlich (vgl. unten II.3.d cc (1)) eine Begründung der Ermessensentscheidung enthielt, die Auskunft auch für künftige Zeiträume zu erteilen.
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c) Für das Sammelauskunftsersuchen bestand auch ein hinreichender Anlass (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 54 und 57).
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Ein hinreichender Anlass ergibt sich im Streitfall zum einen aus den Erfahrungswerten des FA, dass bisherige Ermittlungen zu Auftraggebern von Annoncen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, zu nicht unerheblichen Steuernachzahlungen geführt hatten, und zum anderen aus der Feststellung von Vollzugsdefiziten bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften von Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus durch den BRH und den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Das FA ermittelte nicht "ins Blaue hinein".
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Aus dem BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 zur Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens bezüglich zweier Immobilien-Chiffreanzeigen (Grundvermögen in Nizza und auf Teneriffa) einer Tageszeitung ergibt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nichts anderes. Dort hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht "ins Blaue hinein" vorgegangen war, da es eine Auswahl unter den Chiffre-Anzeigen getroffen und nicht etwa die Klägerin im dortigen Verfahren unterschiedslos nach den Auftraggebern sämtlicher in der fraglichen Zeitungsausgabe abgedruckten Immobilien-Chiffre-Anzeigen gefragt hatte (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.d). Auch im Streitfall hat das FA eine Auswahlentscheidung getroffen, da es seine Anfrage bezüglich der zwei Verlagserzeugnisse der Klägerin auf die Rubrik "Kontakte" beschränkte. Zudem ist für die Ermittlungsbefugnis nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO maßgeblich, worauf sich der hinreichende Anlass bezieht. Dies ist unterschiedslos der gesamte gewerbliche Bereich des Rotlichtmilieus. Die statistisch relevanten Erfahrungswerte des ermittelnden FA, des BRH und des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beschränken sich nicht auf das Angebot bestimmter sexueller Dienstleistungen. Insbesondere war eine Differenzierung wie bei Immobilienanzeigen, etwa nach dem Preis der angebotenen Leistung und dem Leistungsort (teure Immobilienangebote für Immobilien im Ausland) schon mangels Angaben in den Anzeigen nicht möglich und wäre zudem nicht sachgerecht gewesen. Es ist vom BFH anerkannt, dass sich der hinreichende Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung auch auf eine gesamte Berufsgruppe erstrecken kann, nämlich bei Vorliegen eines die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablaufs (BFH-Urteil in BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, unter II.B.1.b; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 41a).
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d) Das Sammelauskunftsersuchen ist zudem verhältnismäßig.
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aa) Es ist geeignet, mögliche Steuerverkürzungen aufzudecken. Die Klägerin kann die Auskunft erteilen, da sie Zugriff auf die verlangten Daten hat.
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bb) Da dem FA keine anderen Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen, ist das Sammelauskunftsersuchen auch notwendig. Insbesondere konnte das FA nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst selbst an die Anzeigenauftraggeber zu wenden. Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten zweier Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Das gilt erst recht bei einer Vielzahl von sonst erforderlichen Einzelanfragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 59).
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cc) Das FA hat zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zweck-Mittel-Verhältnis) und der Zumutbarkeit gewahrt.
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(1) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert gerade bei Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, dass der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 58).
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Besonders strenge Maßstäbe gelten für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, da eine solche Verpflichtung für die Auskunftsperson regelmäßig mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist grundsätzlich eher unzumutbar als die Erteilung einer einmaligen Auskunft für vergangene Zeiträume (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1951 IV 337/50 U, BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 73). Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der Aufwand des Auskunftspflichtigen im Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" überproportional ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 69). Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfang gestellt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieses mit Recht und Billigkeit unvereinbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 56, 65, BStBl III 1952, 27). Je länger der zukünftige Zeitraum ist (etwa ein bis zwei Veranlagungszeiträume), für den Auskünfte verlangt werden, desto höher sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens. Je kürzer der zukünftige Zeitraum ist (etwa nur wenige Monate), desto geringer sind die Anforderungen. Ob Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, verhältnismäßig und damit zumutbar sind, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu ermitteln.
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Handelt es sich um Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, genügt es nicht, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer allgemeinen Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Vielmehr ist ein besonderes Ermittlungsbedürfnis erforderlich, etwa ein besonders hoher zu erwartender fiskalischer Ertrag aufgrund statistisch relevanter Erfahrungswerte des ermittelnden Finanzamts bezüglich einer bestimmten Berufsgruppe oder aufgrund entsprechender Feststellungen des BRH oder eines Landesrechnungshofs.
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Die in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ist vom Finanzamt im Auskunftsersuchen --unter Berücksichtigung des § 30 AO-- besonders zu begründen. Eine auf die Erteilung einer einmaligen Auskunft gerichtete Begründung ist nicht ausreichend. Das Finanzamt hat insbesondere darzulegen, woraus sich ein besonderes Ermittlungsbedürfnis hinsichtlich der in die Zukunft gerichteten Verpflichtung, laufende Auskünfte zu erteilen, ergibt, dass eine einmalige Abfrage nicht den gleichen Ermittlungserfolg gewährleisten würde, ob und inwieweit vom Finanzamt technische Unterstützung geleistet werden kann, soweit dies erforderlich und gewünscht ist, und weshalb es dem Finanzamt nicht möglich ist, durch eigene Ermittlungen die gewünschten Informationen in dem künftigen Zeitraum zu erlangen.
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Der besondere Verhältnismäßigkeitsmaßstab für Auskunftsersuchen, die eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung enthalten, laufende Auskünfte zu erteilen, ist jedoch im Streitfall nicht relevant. Wie bereits ausgeführt wurde (oben II.3.b), ist für die Überprüfung der Ermessensentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 27. August 2013 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich das Auskunftsersuchen ausschließlich auf einen zurückliegenden Zeitraum. Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der mit der Sammelauskunft verbundene Arbeitsaufwand aufgrund der von der Klägerin für die Verwaltung der Anzeigen verwendeten Verlagssoftware mit Excel-Exportfunktion und der durch das FA angebotenen technischen Unterstützung als gering einzustufen und der Klägerin daher zumutbar.
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(2) Des Weiteren erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die von dem Auskunftsersuchen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht schwerer wiegen als die durchzusetzenden Allgemeininteressen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFHE 239, 19, BStBl II 2014, 220, Rz 25, m.w.N.). Richtet sich ein Sammelauskunftsersuchen darauf, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist grundsätzlich auch das wirtschaftliche Interesse des Auskunftspflichtigen am Fortbestand seines Geschäftsbetriebs zu berücksichtigen. Mögliche wirtschaftliche Einbußen des Steuerpflichtigen durch Ausbleiben von Inserenten, Kunden oder Geschäftspartnern führen jedoch nicht von vornherein zur Unzulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, sondern sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber den mit den Ermittlungen des Finanzamts verfolgten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen. Das Vertrauen von Geschäftspartnern, durch Verwendung von Pseudonymen Steuern gefahrlos verkürzen zu können, ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 60, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 208 Rz 43a). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 38).
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Ist ein Sammelauskunftsersuchen des FA --wie im Streitfall-- darauf gerichtet, die Identität von Geschäftspartnern zu offenbaren, ist zudem zu berücksichtigen, dass die angeforderten Daten dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen. Daher werden die Anzeigenauftraggeber durch die Abfrage der Daten --abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen-- in der Regel gerade nicht belastet.
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Danach überwiegt im Streitfall das Allgemeininteresse an der Aufdeckung von Steuerverkürzungen im Bereich des Rotlichtmilieus.
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e) Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt das Sammelauskunftsersuchen nicht gegen die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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aa) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Pressefreiheit gewährleistet. Aufgabe der für die freiheitlich demokratische Grundordnung konstituierenden Pressefreiheit (BVerfG-Urteil vom 12. März 2003 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, BVerfGE 107, 299; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 14. Aufl., Art. 5 Rz 31) ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG-Beschluss vom 6. November 1979 1 BvR 81/76, BVerfGE 52, 283; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 31). Die Pressefreiheit kommt allen zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten Druckerzeugnissen zugute (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1996 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28, B.I.1.c; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 5 Rz 34). Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen. Auch der Anzeigenteil dient der Kommunikationsaufgabe der Presse (Information über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Meinungen) und ist bedeutsam für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage der Presse als wesentliche Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1983 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108, unter B.I.1.; BVerfG-Kammerbeschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 440).
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bb) Die konkrete Reichweite des Grundrechtsschutzes ergibt sich jedoch erst unter Berücksichtigung der durch die "allgemeinen Gesetze" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG gezogenen Schranken, die ihrerseits im Lichte des Grundrechts auszulegen sind. Die Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO, wonach das Auskunftsverweigerungsrecht von Presseangehörigen nur für den redaktionellen Teil, nicht jedoch hinsichtlich des Anzeigenteils gilt, ist ein die Pressefreiheit einschränkendes, "allgemeines Gesetz" i.S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Für den nichtredaktionellen Bereich, insbesondere den Anzeigenteil, verbleibt es bei der gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO grundsätzlich uneingeschränkten Auskunftspflicht der Presseangehörigen gegenüber der Steuerfahndung (vgl. BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da im Rahmen der allgemeinen, rechtsstaatlichen Grenzen, die den Mitwirkungspflichten nach der AO gezogen sind, sich im Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Auskunftsverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich um Anzeigen handelt, die aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung oder ihrer Kontrollfunktion in besonderem Maße des Schutzes durch das Grundrecht der Pressefreiheit bedürfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108, unter B.I.3.; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Für diesen Fall ist im Rahmen einer Abwägung zu entscheiden, ob dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen oder dem gesetzlichen Untersuchungsauftrag der Ermittlungsbehörden der Vorrang zukommt. Eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Auskunftspflicht außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen des einfachen Rechts kommt allerdings nur äußerst selten, etwa bei der Verfolgung bloßer Bagatelldelikte oder Ordnungswidrigkeiten von geringer Bedeutung, in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440).
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Für die Anzeigen der Rubrik "Kontakte" musste die Auskunftspflicht nicht eingeschränkt werden. Diese Anzeigen, in denen entgeltliche sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, leisten weder einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung noch stehen sie mit der Kontrollfunktion der Presse im Zusammenhang.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich keine andere Beurteilung aus dem Umstand, dass es sich bei dem Auskunftsersuchen des FA um ein Sammelauskunftsersuchen handelt und die Anzeigen für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage des Presseunternehmens von Bedeutung sein können. Zwar betrafen die bisher vom BFH entschiedenen Fälle zu Chiffreanzeigen stets Auskünfte zu bestimmten, einzelnen Anzeigen (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141; in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). In Bezug auf Sammelauskunftsersuchen ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Der Schutz des Anzeigenteils einer Zeitung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Inhalt der Anzeigen abhängig, nicht jedoch von der Anzahl der betroffenen Anzeigenauftraggeber (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 64, 108; BVerfG-Kammerbeschluss in HFR 1989, 440). Die wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigenteils für das Presseerzeugnis ist zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, führt aber im Streitfall nicht zur Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens, da mit der Rubrik "Kontakte" nur relativ wenige Anzeigen betroffen sind. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anzeigen ist daher --wie auch die Klägerin eingeräumt hat-- eher gering. Der Grundrechtsschutz nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird dadurch nicht verletzt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Tatbestand
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I. (Vorbemerkung: Der Tatbestand wurde zur Wahrung des Steuergeheimnisses gekürzt)
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte früher eine Internethandelsplattform für Drittanbieter in Deutschland betrieben. Nachdem sie deren Betrieb auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft (S) übertragen hatte, verpflichtete sie sich dieser gegenüber zu umfangreichen Datenverarbeitungsleistungen auf der Grundlage luxemburgischen Rechts, insbesondere der Luxemburger Datenschutzbestimmungen. Sie verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, die erfassten personenbezogenen Daten ausschließlich gemäß den Weisungen der S und nur im Einklang mit den Gesetzen von Luxemburg zu verarbeiten, sie der S auf Anfrage zugänglich zu machen und sie ohne Zustimmung der S oder der Betroffenen in keinem Fall an Dritte weiterzugeben. Bei einer Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags hat die Klägerin auf schriftlichen Antrag der S die Nutzung der personenbezogenen Daten zu beenden und die umgehende und sichere Rückgabe aller der S gehörenden personenbezogenen Daten sowie sämtlicher Kopien der sich in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befindlichen personenbezogenen Daten zu veranlassen. Die Muttergesellschaft der Klägerin und der S ist M.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Hannover --FA--) bat die Klägerin mit dem am 10. Mai 2010 abgesandten Ersuchen in den Besteuerungsverfahren namentlich nicht bekannter Verkäufer beim Internethandelshaus Xy um bestimmte Auskünfte und Übersendung entsprechender Unterlagen. Im Einzelnen hat das Auskunftsersuchen folgenden Inhalt:
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"Welche Nutzer von Xy mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachen haben in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 für mehr als 17.500 Euro pro Jahr Verkäufe über Xy getätigt?
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Zu den betroffenen Nutzern benötige ich folgende Angaben:
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1. Name, Vorname, Geburtsdatum (soweit vorhanden) und Anschrift;
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bei Gesellschaften zusätzlich Bezeichnung der Gesellschaft, und --soweit vorhanden-- Name, Vorname und das Geburtsdatum der Gesellschafter, Telefon und E-Mail-Adresse.
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2. Weitere Xy-Teilnehmernamen (Pseudonyme)
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3. Bankverbindung/Kreditkartennummer, Einzelaufstellungen der Verkäufe der jeweiligen o.a. Nutzer mit mindestens folgenden Angaben:
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a) Xy-Mitgliedsname
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b) Datum des Verkaufs bzw. Auktionsende
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c) Artikelbezeichnung
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d) Verkaufspreis bzw. Höchstgebot
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e) Artikelnummer
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f) Anzahl der verkauften Artikel pro Angebot."
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Zur Begründung führte das FA u.a. aus, das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte Rechtsstaatsprinzip verpflichte die Finanzbehörden, Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (Art. 3 GG, § 85 der Abgabenordnung --AO--). Dazu gehöre u.a. auch die Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO).
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Im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung sei festgestellt worden, dass Nutzer von Internet-Plattformen, bei denen diese die Möglichkeit hätten, Wirtschaftsgüter unter Pseudonymen zum Verkauf anzubieten, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Im Vertrauen auf die durch Pseudonyme geschaffene relative Anonymität der Verkaufstätigkeiten erklärten viele Nutzer ihre an sich steuerpflichtigen Verkaufserlöse nicht oder nicht vollständig. Die bisherigen Internetermittlungen hätten zu nicht unbedeutenden Steuernachzahlungen geführt. Aus den bei den Finanzämtern gemeinsam mit den jeweiligen Steuererklärungen eingereichten steuerlichen Gewinnermittlungen ließen sich die Verkaufstätigkeiten in der Regel nicht erkennen. Um weitere entsprechende Fälle überprüfen zu können, müssten die notwendigen Informationen bei Dritten erhoben werden. Das Auskunftsersuchen sei sachgerecht, da die notwendigen Daten bei der Klägerin vorgehalten würden und abgefragt werden könnten. Die betroffenen Nutzer der Plattform der Klägerin könnten nicht befragt werden, da sie unbekannt seien und erst durch das Auskunftsersuchen ermittelt werden könnten.
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Die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO seien somit erfüllt. Die Erteilung der Auskünfte sei der Klägerin möglich und zumutbar. Mit der Festlegung der Grenze von 17.500 € pro Jahr sei sichergestellt, dass Bagatellfälle ausgeschlossen seien. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen ergehe aufgrund der §§ 93, 97 i.V.m. § 208 AO. Ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nur in den Fällen der §§ 101, 103 und 104 AO. Der Erfüllung des Auskunftsersuchens stünden keine Datenschutzvorschriften entgegen. Das Telemediengesetz (TMG) gelte nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für den Bereich der Besteuerung.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 aus, die Auskunftserteilung sei der Klägerin nicht unmöglich, wie sich aus ihrem bisherigen Auskunftsverhalten und bestimmten Angaben auf ihrer Internetseite ergebe. Interne Richtlinien der Klägerin könnten der Herausgabe von Daten an die deutschen Finanzbehörden nicht entgegenstehen. Das FA habe seine Ermittlungsbefugnisse nicht überschritten und sei für die Ermittlungen örtlich zuständig. Eigene Ermittlungen der Finanzbehörden im Internet seien nicht zielführend.
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Mit der Klage brachte die Klägerin vor, das Sammelauskunftsersuchen sei nichtig, weil sie die verlangten Auskünfte nicht erteilen könne. Allein S verfüge als Betreiberin der Internethandelsplattform über die Verkäuferdaten. Sie, die Klägerin, sei lediglich eine Servicegesellschaft für S, für die sie Dienstleistungen erbringe. Es treffe zwar zu, dass S ihr in der Vergangenheit Daten zur Beantwortung einzelner, konkreter Auskunftsersuchen deutscher Finanzbehörden übermittelt habe. Hierbei habe es sich aber jeweils um Einzelermittlungen der Finanzämter gegen bereits namentlich oder zumindest durch Pseudonym bekannte Nutzer gehandelt. Das Sammelauskunftsersuchen vom Mai 2010 sprenge den engen Rahmen der bisherigen Ersuchen jedoch bei weitem. Da das Auskunftsersuchen angesichts seines Umfangs den internen Richtlinien der S zur Herausgabe von Daten an deutsche Finanzämter nicht entspreche, gebe S hierzu keine Daten an sie --die Klägerin-- weiter. S sei im Interesse ihrer Kunden, die sie nicht durch eventuelle Pressemeldungen über den Umfang der übermittelten Daten aufschrecken und dann verlieren wolle, zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten mit ihren Kunden sowie einer Einbuße von Marktanteilen nicht bereit, ohne vorherige gerichtliche Klärung der Frage, welche Daten der Betreiber einer Internet-Plattform im Rahmen eines Sammelauskunftsersuchens nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO an die Finanzbehörden herausgeben müsse, hierzu Auskünfte an das FA zu geben. Sie, die Klägerin, habe als Schwestergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf S, so dass es ihr rechtlich objektiv unmöglich sei, die verlangten Daten an das FA zu übermitteln. Sie habe auch keine tatsächliche Möglichkeit, die verlangten Informationen und Daten, über die nur S verfüge, zu beschaffen.
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Das Auskunftsersuchen sei zudem auch gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, da es an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leide. Es dürfe zunächst nur um die Gewinnung von Erkenntnissen über die Identität von Personen gehen, die Steuertatbestände verwirklicht haben könnten. Soweit diese Identität geklärt sei, sei jedes auf weiter gehende Auskünfte gerichtete Verlangen unzulässig. Die im Auskunftsersuchen unter 3. angeforderten Auskünfte seien danach von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, da sie auf die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen gerichtet seien. Außerdem werde der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet. Ab Kenntnis der Identität des Steuerpflichtigen müsse sich die Finanzverwaltung zunächst wieder an diesen wenden.
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Zumindest sei das Auskunftsersuchen aus den genannten Gründen rechtswidrig. Es sei auch kein hinreichender Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung gegeben. Es lägen keine auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Hinweise auf Steuerverkürzungen der Xy-Kunden vor. Darüber hinaus sei aufgrund der sehr weiten Fassung des Auskunftsersuchens das Übermaßverbot verletzt. Zudem fehle es an der örtlichen Zuständigkeit des FA für ganz Niedersachsen.
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Hinsichtlich der Nennung der hinter den Pseudonymen stehenden Personen sei das Auskunftsersuchen nicht erforderlich, da das FA diese selbst mit einem der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Webcrawler (Xpider) ermitteln könne. Anschließend könne sich die Finanzverwaltung auf der Website www.xy.de bei einem von dem Nutzer angebotenen Artikel das sog. Verkäuferprofil mit Firmenadresse sowie E-Mail-Adresse des Verkäufers anzeigen lassen, da die Großkunden nach den Teilnahmebedingungen von Xy zur Hinterlegung dieser Angaben verpflichtet seien.
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Die erbetene Auskunft zu Bankverbindungen und Kreditkartennummern bewege sich ebenfalls nicht innerhalb der allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen und sei deswegen rechtswidrig. Dies ergebe sich aus § 30a Abs. 5 Satz 2 AO.
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Auf die Aufklärungsverfügung des Finanzgerichts (FG) vom 11. März 2011 führte die Klägerin aus, die vom FA verlangten Daten stünden ihr tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie lägen auf Servern im Ausland, die nicht ihr gehörten, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet würden. Einzelne, genau definierte Datenverarbeitungsmöglichkeiten bzw. Zugriffsrechte auf die Daten, die ihren Mitarbeitern zweckbezogen für ihre jeweiligen operativen Tätigkeiten hätten, begründeten nicht ihre Verfügungsmacht über die Daten. Der Zugriff auf den Datenbestand im Zusammenhang mit der Internethandelsplattform sei passwortgesteuert bzw. codiert. Er müsse daher durch einen externen Administrator der Datenbank zugelassen (freigeschaltet) werden. Sie --die Klägerin-- könne deshalb nicht frei über die Daten verfügen. Sie sei in den Jahren 2007 bis 2009 zu keinem Zeitpunkt für die Verarbeitung der Daten (d.h. die Datenerhebung, -speicherung und -verwaltung) verantwortlich und mit den Daten lediglich partiell im Rahmen der beschriebenen Auftragsdatenverarbeitung befasst gewesen. Es gehe nicht um die Technik des Zugriffs, sondern um dessen inhaltliche Voraussetzungen. Aus der technisch gegebenen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten könne nicht auf die Verpflichtung zu deren Herausgabe geschlossen werden. Unabhängig von der technischen Zugriffsmöglichkeit auf die Daten stünden ihr diese deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten ohne ausdrückliches Verlangen der S oder Zustimmung der Betroffenen nicht an Dritte weitergeben dürfe. Dritte seien dabei auch die Finanzbehörden. Diese vertragliche Regelung sei für die Finanzbehörden ebenfalls verbindlich. Ein Anspruch auf Herausgabe der Daten gegen S stehe ihr nicht zu.
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Das FG hob durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1222 veröffentlichte Urteil das Auskunftsersuchen und den "Einspruchsbescheid" mit der Begründung auf, die Erteilung der vom FA geforderten Auskunft sei der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Sie verfüge über keinen eigenen Zugriff auf die in den USA und in Indien befindlichen Server, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert seien. Sie besitze weder Administratorenrechte noch Einzelberechtigungen zum Zugriff auf diese Daten. Dies habe sie dem FG schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie entgegen ihrer Sachdarstellung tatsächlich über eigene Zugriffsrechte verfüge, bestünden nicht. In den Jahren 2007 bis 2009 habe S und nicht die Klägerin das Drittanbietergeschäft über die Xy.de-Plattformen betrieben. Die Klägerin habe S gegenüber nur Dienstleistungen erbracht. Einen rechtlichen Anspruch gegen S als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts oder eine andere zum Xy-Konzern gehörende ausländische Kapitalgesellschaft auf Herausgabe der Daten, auf Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien habe die Klägerin nicht. Auch über gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten könne die Klägerin die angeforderten Daten nicht beschaffen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Übrigen gegeben seien, ob insbesondere ein hinreichender Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens bestanden habe. Das FA werde sich gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe Luxemburgs mit einem Auskunftsersuchen an S zu wenden haben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin keinen Zugriff auf die zur Auskunftserteilung benötigten Daten habe. Unstreitig sei lediglich, dass die Daten sich auf Servern in den USA und in Indien befänden. Dies schließe aber einen Zugriff der Klägerin auf die Daten nicht aus. Die Klägerin könne die im Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 vereinbarten umfangreichen Dienstleistungen ohne einen umfassenden Datenzugriff nicht erbringen. Sie sei daher in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG die Klägerin nicht zu einer Erklärung dazu aufgefordert habe, dass die mit S geschlossenen Verträge lange vor deren Unterzeichnung in Kraft getreten sein sollen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe zutreffend ausgeführt, dass ihr keine eigenen Zugriffsrechte auf die im Ausland gespeicherten Daten zustünden. Dem FG sei es für die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten ausdrücklich um die hierfür erforderlichen rechtlichen Befugnisse im Sinne von Administratorenrechten bzw. Einzelberechtigungen zum rechtlich vermittelten Zugriff auf das Serversystem gegangen, in welchem die für die Auskünfte erforderlichen Daten gespeichert seien. Aus den von ihr, der Klägerin, aufgrund des Datenverarbeitungsvertrags vom 1. Mai 2006 zu erbringenden Leistungen lasse sich keine umfassende Befugnis zum jederzeitigen uneingeschränkten Zugriff auf die Daten ableiten. Die Erledigung von Auskunftsersuchen der Finanzämter sei nicht Gegenstand der von ihr zu erbringenden Dienstleistungen und durch die vertraglichen Regelungen über den Datenabruf, die Datenverwendung und die Datenweitergabe ausgeschlossen. Hinsichtlich der Sachaufklärungsrüge sei nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Rügeverlust eingetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht angenommen, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil der Klägerin die Erteilung der erbetenen Auskünfte nicht möglich sei.
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1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
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a) Bei der Einholung von Auskünften anderer Personen als der Beteiligten am Besteuerungsverfahren handelt es sich nach § 92 Satz 2 Nr. 1 AO um ein Beweismittel, dessen sich die Finanzbehörde gemäß § 92 Satz 1 AO bedienen kann, soweit sie es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
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aa) Die Einholung der Auskünfte anderer Personen dient der Erfüllung der sich aus § 85 AO ergebenden Pflichten der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden haben nach dieser Vorschrift die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
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bb) Diese Besteuerungsgrundsätze dienen nicht nur dem fiskalischen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens. Ihnen kommt vielmehr im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung zu (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.1., II.2.c; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317, Rz 61; BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 47). Die steuerliche Belastungsgleichheit, die durch Art. 3 Abs. 1 GG auch grundrechtlich gewährleistet wird, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung (BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d bb). Bei der grundlegenden und einschneidenden Bedeutung der Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft, die Einzelwirtschaften und für jeden Bürger ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten Einzelner möglichst verhindert. Diese Aufgabe hat u.a. die Steuerfahndung wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b aa).
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cc) Der Gesetzgeber ist demgemäß von Verfassungs wegen verpflichtet, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes dieses in ein normatives Umfeld einzubetten, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet, insbesondere auch durch die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Der --auch strafrechtlich sanktionierte (§ 370 AO)-- Steueranspruch des Staates begründet sich aus dem Umstand, dass der Betroffene am staatlichen Leben teilnimmt, ihm insbesondere Schutz, Ordnung und Leistungen der staatlichen Gemeinschaft zugutekommen. Ihm darf daher ein Anteil an den finanziellen Lasten zur Aufrechterhaltung des staatlichen Lebens auferlegt werden. Die Bemessung dieses Lastenanteils nach Maßstäben verhältnismäßiger Gleichheit erfordert die Angabe von Daten, die eine solche Gleichheit der Besteuerung ermöglichen. Das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Angaben rechtfertigt daher Eingriffe in den durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, und zwar insbesondere, wenn es um Vorgänge des marktoffenbaren Erwerbs ohne besonderen persönlichkeitsgeprägten Gehalt geht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c). Die im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) genügen den Anforderungen des grundrechtlich verbürgten Datenschutzes. Sie sind gesetzlich hinreichend bestimmt und entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c).
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dd) Die Auskunftspflicht anderer Personen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen, sofern diese Beschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, aus der sich ihre Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Eine solche Regelung enthält § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, der mit ausreichender Deutlichkeit besagt, dass Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung von Auskünften an die Finanzbehörde verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
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Dabei bildet die gesetzliche Ausgestaltung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO und § 355 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gegenstück zu den Offenbarungspflichten im Besteuerungsverfahren (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).
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ee) Die Finanzbehörde darf allerdings eine Auskunft von Personen, die nicht am Besteuerungsverfahren beteiligt sind, nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung ist der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (vgl. oben II.1.a bb und cc).
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ff) Die Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO sind gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese Unterlagen brauchen nicht in Papierform verkörpert zu sein. Die Vorschrift gilt vielmehr auch für elektronisch gespeicherte Daten. Insoweit gilt für die von § 93 Abs. 3 Satz 2 AO verwendeten Begriffe nichts anderes wie für die damit übereinstimmenden Begriffe in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 97 AO Rz 5; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz 2; Roser in Beermann/Gosch, AO § 97 Rz 7; Pahlke/Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 97 Rz 3; Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 97 Rz 8).
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gg) Nur solche Unterlagen stehen dem Auskunftspflichtigen i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat (BFH-Beschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
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Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.
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Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) betrifft die tatbestandlichen Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und nicht die Auslegung und Anwendung des § 93 AO und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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hh) Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Die in §§ 11 bis 15a TMG enthaltenen Vorschriften über den Datenschutz gelten nach § 1 Abs. 2 TMG nicht für den Bereich der Besteuerung. Zivilrechtliche Vereinbarungen, nach denen diese Daten geheim zu halten sind, führen nicht dazu, dass sie dem Auskunftspflichtigen nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stehen. Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens hängt in einem solchen Fall nicht davon ab, dass der Auskunftsverpflichtete im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern berechtigt ist, auf die Daten, in die er zur Erfüllung seiner vertraglich vereinbarten Aufgaben oder Pflichten Einsicht nehmen kann und darf, gerade auch zur Erteilung von Auskünften an Finanzbehörden gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zuzugreifen. Vielmehr muss er die ihm eröffneten Möglichkeiten zum Zugriff auf die Daten auch zur Erfüllung von Auskunftsersuchen von Finanzbehörden nutzen, soweit diese Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig, also insbesondere erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sind.
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b) Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, auch Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art, darf auch die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ausbringen. Zu diesem Aufgabenbereich gehört nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH-Urteil vom 16. Januar 2009 VII R 25/08, BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582). § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, gilt gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AO tätig wird, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht auf die Ermittlung (möglicher) Steuerpflichtiger. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa, c aa, m.w.N.).
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2. Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Unrecht geschlossen, dass das Auskunftsersuchen des FA vom 10. Mai 2010 deshalb rechtswidrig sei, weil die Klägerin die erbetenen Auskünfte aus tatsächlichen Gründen nicht erteilen könne, da sie keine eigenen Zugriffsrechte auf die zur Beantwortung des Auskunftsersuchens erforderlichen elektronisch gespeicherten Daten habe und ihr diese deshalb nicht i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung stünden.
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a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, insbesondere auch aus der Bezugnahme auf das Vorbringen der Klägerin ergibt, hat das FG nicht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne. Die Vorentscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass das FG die Möglichkeit der Klägerin, auf die Daten zuzugreifen, wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten verneint hat. Dabei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt zu überprüfende Rechtsansicht.
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Hätte jedoch das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin aus technischen Gründen nicht auf die Daten zugreifen könne, wäre diese Feststellung für den BFH nicht nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich. Die Feststellungen des FG wären dann nämlich in sich widersprüchlich, lückenhaft und unklar (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, unter II.2., m.w.N.). Das FG hat nämlich nicht festgestellt und es ist auch nicht erkennbar, wie die Klägerin ohne technische Zugriffsmöglichkeit auf die Daten in der Lage gewesen sein soll, die ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden umfassenden, auf die verarbeiteten Daten bezogenen Aufgaben zu erfüllen. Der Datenverarbeitungsvertrag geht zudem in seinem Wortlaut davon aus, dass Mitarbeiter der Klägerin Zugriff auf die personenbezogenen Daten haben. Da die Klägerin als juristische Person keine tatsächlichen Handlungen ausführen kann, sind ihr die Zugriffsmöglichkeiten ihrer Geschäftsführer und Mitarbeiter zuzurechnen. Die im Datenverarbeitungsvertrag von der Klägerin übernommene Verpflichtung, die personenbezogenen Daten der S auf Anfrage zugänglich zu machen, deutet ebenfalls darauf hin, dass nicht S, sondern die Klägerin selbst über die technischen Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten verfügt. Auch die vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen der Kündigung des Datenverarbeitungsvertrags sprechen dafür, dass die Klägerin die personenbezogenen Daten selbst nutzt und sich diese in ihrem Besitz oder ihrer Kontrolle befinden. Andernfalls könnte die Klägerin die Nutzung der Daten nicht beenden und sie auch nicht an S zurückgeben.
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Dass die Daten auf ausländischen Servern gespeichert sind, steht der Auskunftserteilung an das FA in technischer Hinsicht nicht entgegen, soweit die Klägerin auf die Daten im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann.
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b) Die Rechtsansicht des FG, die vom FA angeforderten Daten stünden der Klägerin wegen der mit M und S sowie deren Kunden vereinbarten Geheimhaltungspflichten nicht zur Verfügung, ist unzutreffend. Diese Geheimhaltungspflichten entfalten gegenüber der Finanzverwaltung keine Wirkung und brauchen daher von der Klägerin insoweit nicht beachtet zu werden. Die personenbezogenen Daten, auf die die Klägerin im Rahmen der Erfüllung der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten zugreifen kann, stehen ihr demgemäß zur Auskunftserteilung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO zur Verfügung.
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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat noch keine Feststellungen zu den technischen Möglichkeiten der Klägerin zum Datenzugriff im Rahmen der ihr nach dem Datenverarbeitungsvertrag vom 1. Mai 2006 obliegenden Aufgaben und Pflichten und bezogen auf die Jahre 2007 bis 2009 getroffen. Diese Feststellungen wird es nunmehr unter Mitwirkung der Klägerin (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) zu treffen haben. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Änderungen im Einzelnen sich bei der Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter einschließlich des Vorhaltens und des Betriebs der dazu erforderlichen Datenverarbeitungsanlagen im Xy-Konzern dadurch ergeben haben, dass die Klägerin die Website www.Xy.de nicht mehr selbst betreibt, und wann die Änderungen eingetreten sind.
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b) Das FG hat ferner noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen erfüllt sind.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten ein hinreichender Anlass bestehen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Für ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist aber ausreichend, dass die Steuerfahndung im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2006 VII R 63/05, BFHE 215, 40, BStBl II 2007, 155, und in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b aa; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.2.c bb).
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Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen oder Umsätze nicht erklärt werden --insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist--, genügt in diesem Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Vielmehr ist eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit Voraussetzung eines Sammelauskunftsersuchens. Es müssen also hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA im Auskunftsersuchen vom 10. Mai 2010 und im "Einspruchsbescheid" vom 8. Oktober 2010 hinsichtlich des Anlasses des Auskunftsersuchens ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.). Es wird dabei insbesondere auch die voraussichtlichen Auswirkungen der auf der Internethandelsplattform vorgesehenen Verwendung von Pseudonymen auf die Bereitschaft, zutreffende Steuererklärungen abzugeben, zu berücksichtigen haben. Ferner wird das FG zu beachten haben, dass der BFH inzwischen die Voraussetzungen geklärt hat, unter denen die Veräußerung von Gegenständen auf einer Internet-Auktions-Plattform der Umsatzsteuer unterliegt. Nach dem BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) kann der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internetplattform "ebay" eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein. Die Beurteilung als nachhaltig hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab. Bei der laufenden Veräußerung von Gegenständen in erheblichem Umfang liegt keine nur private Vermögensverwaltung vor, wenn der Verkäufer aktive Schritte zum Vertrieb der Gegenstände unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen privaten oder einen gewerblichen Zugang zu der Internetplattform gewählt hat.
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cc) Die vom FA zur Beschränkung des Auskunftsersuchens gewählte Umsatzgrenze von 17.500 € pro Jahr erscheint deshalb sachgerecht, weil nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ein Kleinunternehmer gegeben ist, wenn der maßgebliche Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat keine eigene Bedeutung, wenn der Jahresumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bereits die Grenze von 17.500 € überstiegen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 41). Die vom FA gewählte Erheblichkeitsschwelle darf sich schon aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit an dem vom Gesetz vorgesehenen "Erheblichkeitswert" orientieren (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.b cc).
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c) Kommt das FG auf der Grundlage der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis, dass für das Sammelauskunftsersuchen ein hinreichender Anlass bestand, wird ferner zu prüfen sein, ob das Sammelauskunftsersuchen dem Grunde nach und hinsichtlich des Umfangs der angeforderten Daten erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist.
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aa) Gerade bei sog. Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist zu berücksichtigen, ob der durch ein Sammelauskunftsersuchen ausgelöste Ermittlungsaufwand bei der Auskunftsperson in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig) festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares abverlangt wird (BFH-Urteil in BFHE 224, 201, BStBl II 2009, 582).
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bb) Das FG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen sein, das FA könne die angeforderten Daten selbst im Internet ermitteln. Dabei wird es zum einen darauf ankommen, ob es sich dabei um legale Möglichkeiten handelt. Zum anderen ist zu beachten, dass die von der Klägerin angesprochene Möglichkeit manueller Einzelabfragen hinsichtlich der einzelnen Nutzer der Internethandelsplattform durch das FA wegen der hohen Zahl der Abfragen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kein praktikables alternatives Mittel zur Sachverhaltsermittlung ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.c). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte (BFH-Urteil in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen.
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Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens werden auch die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und gegen die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit (oben II.1.a bb und cc) abzuwägen sein (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung wird auch zu bedenken sein, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Nutzer der Internethandelsplattform durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FA im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Verkaufsvorgänge Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig.
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d) Im Hinblick auf die Abfrage der Konto- und Kreditkartendaten durch das FA beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 30a AO. Zum einen gilt diese Vorschrift nur in Bezug auf die Kunden von Kreditinstituten bzw. --so die Überschrift-- von Bankkunden. Zum anderen hat § 30a AO auch in Bezug auf Kreditinstitute seine Bedeutung weitgehend verloren. § 30a Abs. 3 AO, wonach die Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen worden ist, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden dürfen und die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen insoweit unterbleiben soll, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07, BFHE 224, 1, BStBl II 2009, 509) dahingehend auszulegen, dass bezüglich legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots Kontrollmitteilungen rechtmäßig sind, sofern im Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Bei der Beurteilung, was im Rahmen des § 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist, sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) geltenden Grundsätze für einen "hinreichenden Anlass" --letztlich das Verbot von Ermittlungen "ins Blaue hinein"-- heranzuziehen. Dies gilt nicht nur bei strafrechtlich veranlassten Ermittlungen, sondern auch bei typisch steuerrechtlichen Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung. Wie der BFH bereits im Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 (unter II.2.c cc, m.w.N.) ausgeführt hat, dürfen die Finanzbehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 93 Abs. 1, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO Auskünfte --auch Sammelauskünfte-- über Konten bei den Kreditinstituten einholen.
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Die Bedeutung des § 30a AO wird ferner durch die Regelungen über die Kapitalertragsteuer (§§ 43 bis 45d des Einkommensteuergesetzes) und über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen (§ 93 Abs. 7 bis 10 und § 93b AO) weiter eingeschränkt.
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Wie das BVerfG im Übrigen bereits entschieden hat, haben die vom FA angeforderten Daten bezüglich der Bankverbindung bzw. Kreditkarten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz. Die Kenntnis der Finanzbehörden von diesen Daten hat für sich genommen noch kein besonderes Gewicht für Privatheit oder Entscheidungsfreiheit des Betroffenen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (2)). Sie kann zwar das Risiko weiterer Ermittlungsmaßnahmen begründen. Dieses Risiko stellt aber angesichts der verfolgten Gemeinwohlbelange unter der Voraussetzung, dass das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, keine unangemessene Belastung für die Nutzer der Internethandelsplattform dar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896, unter C.I.3.d cc (3)).
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4. Die örtliche Zuständigkeit des FA folgt aus § 24 AO. Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften, so ist nach § 24 AO die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
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a) Der Anlass für die Amtshandlung tritt dort hervor, wo eine sachlich zuständige Finanzbehörde aufgrund konkreter Anhaltspunkte erkennt, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 11; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 24 Rz 13; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 5).
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b) § 24 AO ist insbesondere bei sog. Vorfeldermittlungen durch die Steuerfahndung anwendbar, bei denen weder ein bestimmtes Steuerschuldverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststeht (Sunder-Plassmann in HHSp, § 24 AO Rz 12 f.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 24 AO Rz 2; Schmieszek, a.a.O., AO § 24 Rz 5; Pahlke/Koenig/Wünsch, a.a.O., § 24 Rz 6; Klein/Rätke, a.a.O., § 24 Rz 3). Dies ist auch bei Auskunftsersuchen von Steuerfahndungsbehörden der vorliegenden Art der Fall. Der Geschäftssitz des Auskunftspflichtigen spielt in einem solchen Fall keine Rolle (BFH-Urteil vom 17. März 1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791; Klein/Rätke, a.a.O.).
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c) Das FA war danach für das Auskunftsersuchen an die Klägerin örtlich zuständig; denn es erkannte, dass ein hoheitliches Tätigwerden in Betracht kommt. Ob das Auskunftsersuchen im Übrigen rechtmäßig ist, ist keine Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern der materiell-rechtlichen Überprüfung des Ersuchens.
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Da sich die örtliche Zuständigkeit des FA unmittelbar aus § 24 AO ergibt, ist es unerheblich, dass das FA nach § 4 i.V.m. Anlage 4 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden vom 14. Dezember 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, 411) nur für einen Teil der niedersächsischen Finanzämter örtlich zuständig ist.
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5. Da die Sache bereits aus anderen Gründen an das FG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die Verfahrensrüge des FA nicht an.
Tatbestand
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(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass das Auskunftsersuchen des Beklagten vom 22. Oktober 2008 rechtswidrig gewesen ist.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, soweit nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
Tatbestand
- 1
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens.
- 2
Der Kläger ist eingetragener Kaufmann. Er tritt unter der Firma B. e.K. auf. Gegenstand des Unternehmens ist der Export und Import von Waren aller Art (vgl. Handelsregister A des Amtsgerichts S., HRA ...).
- 3
In der Zeit vom 17. Dezember 2007 bis zum 29. Juni 2010 führte der Beklagte beim Kläger eine Betriebsprüfung durch, die sich auf Einkommensteuer 2002 bis 2004, Umsatzsteuer 2002 bis 2004 und Gewerbesteuer 2002 bis 2004 erstreckte (geänderter Prüfungsbericht vom 30. Juni 2010).
- 4
In mehreren Schreiben im Juli bis Oktober 2008 mahnten die Prozessbevollmächtigten des Klägers den Abschluss der Betriebsprüfung an. Die Prüferin antwortete mit Schreiben vom 16. Oktober 2008, dass diverse Prüfungsanfragen an das Bundeszentralamt für Steuern und an das Steuerbüro gestellt worden seien; nach abschließender Klärung würden die Prüfungsfeststellungen mitgeteilt werden. Mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 forderten die Prozessbevollmächtigten des Klägers den Beklagten auf, seine Prüfungsanfragen aufzulisten.
- 5
Nach dem Eingang des Schreibens der Prozessbevollmächtigten vom 20. Oktober 2008 richtete der Beklagte ohne den Kläger vorher hierzu angehört zu haben ein Auskunftsersuchen an die B. C. GmbH, ... R. (inzwischen ...weg 11, ... H., eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts H. unter HRB ...) – B. – betreffend Provisionszahlungen. Der Beklagte führte im Schreiben vom 22. Oktober 2008 aus, dass eine Sachverhaltsaufklärung mit den Beteiligten nicht möglich sei. Man bitte deshalb, bis zum 04. November 2008 schriftlich Auskunft zu geben, ob dem oben genannten Steuerpflichtigen – A... – in den Jahren 2002 bis 2004 Provisionen etc. gutgeschrieben oder ausgezahlt worden seien. Gegebenenfalls werde um die Vorlage geeigneter Unterlagen gebeten, aus denen sich die Höhe und der Zeitpunkt der Provisionszahlungen sowie die Kontoverbindung des Empfängers ergeben. Als Rechtsgrundlage der Auskunftspflicht der B. gab der Beklagte § 93 der Abgabenordnung (AO) an.
- 6
Den vom Beklagten vorgelegten Arbeitsunterlagen zur Betriebsprüfung für die Jahre 2002 bis 2004 kann entnommen werden, dass es unter dem Datum 16. Oktober 2008 auch ein Auskunftsersuchen betreffend Provisionszahlungen gegenüber der M. Maschinenbau ... GmbH & Co. KG (M.) gegeben hatte. Hiergegen wurde kein Einspruch eingelegt. Die Antwort der M. ging beim Beklagten per Telefax am 21. Oktober 2008 ein. Die M. gab an, an den Kläger in den Jahren 2003 und 2004 insgesamt drei Zahlungen geleistet zu haben. In den drei vorgelegten Abrechnungspapieren aus den Jahren 2003 taucht der Begriff „Provision“ jedoch nicht auf; es ist vielmehr die Rede von „Ausgleichzahlungen“. Bezüglich der M. gab es bereits im Rahmen der Prüfung für die Vorjahre eine auf einer Kontrollmitteilung beruhende (streitige) Prüfungsfeststellung betreffs des Erhalts von Provisionen durch den Kläger. Das dazugehörige Klageverfahren wegen Umsatzsteuer wurde beim erkennenden Senat unter dem Aktenzeichen 3 K 923/07 geführt. Gestritten wurde um eine Umsatzerhöhung von 8.530,69 DM (brutto 9.895,61 DM) im Zusammenhang mit einer Rechnung der M. vom 11. April 2000, in der auch von einer „Ausgleichszahlung“ bzw. von „Bonusbeträgen“ die Rede war. Das Wort „Provision“ wird in der Kontrollmitteilung des Finanzamtes K. verwendet. Einem Vermerk in den vom Beklagten vorgelegten Akten, bei dem es sich um eine Stellungnahme zum Einspruch handelt und der von der vermutlich von der Prüferin stammt, ist zu entnehmen, dass die Feststellungen im Zusammenhang mit der M. Anstoß für das Auskunftsersuchen an die B. waren. In dem Vermerk wird ausgeführt: „Um die Prüfung zu vervollständigen, wurde auch der zweite Lieferant (B. GmbH) um Auskunft gebeten.“
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Die B. antwortete mit Schreiben vom 24. Oktober 2008 (beim Beklagten am 29. Oktober 2008 eingegangen), dass man sich über die Frage nach Provisionszahlungen wundere. A.h bzw. die Firma H. sei Vertragspartner der B. für Lieferungen von Absauganlagen nach Osteuropa. Dies seien reine Handelsgeschäfte, d.h. A.h erhalte von der B. Rechnungen abzüglich eines vereinbarten Wiederverkaufsrabattes zwischen 40 und 50 v.H. der Bruttopreise der B. Mit Zahlung dieser Rechnungen würden ausschließlich die Warenlieferungen beglichen. A. kaufe und verkaufe auf eigene Rechnung. Bis zum Jahr 2007 habe die B. von A. immer wieder ein bestimmtes Spezialteil bezogen. Dies habe er der B. in Rechnung gestellt und die B. habe verrechnet. Die von der B. zu tragenden Kosten der Vermarktung ihrer Produkte habe sie selbst übernommen. Da es sich um reine Handelsgeschäfte gehandelt und A. einen entsprechenden Rabatt erhalten habe, seine keine Provisionszahlungen vereinbart gewesen und bis heute auch nicht geleistet worden.
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Bereits vor dem Eingang des Schreibens der B. war am 27. Oktober 2008 ein Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers beim Beklagten eingegangen, in dem sie erklärte, dass gegen das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 Einspruch eingelegt werde. Das Auskunftsersuchen sei aus mehreren Gründen rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten.
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Das Auskunftsersuchen verstoße gegen § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, denn ein konkreter Anlass für die Auskunft sei nicht zu erkennen. Bei der Anfrage an die B. handele es sich um eine Ermittlung ins Blaue hinein.
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Es liege ein Verstoß gegen § 93 Abs. 1 Satz 3 AO vor. Die Maßnahme verstoße gegen den Subsidiaritätsgrundsatz, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Der Beklagte behaupte in dem Auskunftsersuchen wahrheitswidrig, dass eine Sachverhaltsaufklärung mit dem Kläger nicht möglich sei. Der Beklagte sei zu keinem Zeitpunkt an den Kläger mit der Frage herangetreten, ob ihm von der B. in den Jahren Provisionen gutgeschrieben oder ausgezahlt worden seien. Im Übrigen bleibe unerfindlich, weshalb eine Sachverhaltsaufklärung mit dem Kläger nicht möglich sein sollte, wo doch der Beklagte sieben Prüfungsanfragen an ihn gerichtet und damit zu erkennen gegeben habe, dass er eine Sachverhaltsaufklärung mit dem Kläger für möglich erachte. Überdies habe der Kläger nach fast einjähriger Prüfung mit zwei vor der Prüfungsanfrage datierten Schreiben um Unterrichtung gemäß § 199 Abs. 2 AO gebeten; dem sei der Beklagte nicht nachgekommen.
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Des Weiteren liege ein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verfahrens vor, weil der Beklagte das Auskunftsersuchen dem Kläger gegenüber nicht angekündigt habe. Das Gebot der Fairness verlange, dass man rechtliches Gehör hätte gewähren müssen.
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Der Kläger legte ein an ihn gerichtetes Schreiben der B. vom 24. Oktober 2008 vor, in dem die B. ausführt, dass man mit Verwunderung das Schreiben des Beklagten erhalten habe. Die B. habe nie Provisionen an den Kläger geleistet, weil er einen nicht unerheblichen Wiederverkaufsrabatt erhalte. Man verstehe nicht, warum er das dem Finanzamt nicht mitteile; so etwas mache nachdenklich. Der Kläger führte aus, dass man dem Schreiben der B. unschwer entnehmen könne, dass das rechtswidrige Auskunftsersuchen eine Klimaverschlechterung der Geschäftsbeziehung mit der B. provoziert habe. Es werde erwartet, dass man der B. gegenüber die unwahre Behauptung richtig stelle.
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Auf ein Schreiben des Beklagten vom 07. November 2008, in dem der Beklagte zur Begründung seiner Auffassung, weshalb er das Auskunftsersuchen für rechtmäßig halte, u.a. ausführte, der nach § 85 AO bestehende Ermittlungsgrundsatz habe erfordert, in Erfahrung zu bringen, ob und in welchem Umfang auch im Prüfungszeitraum Provisionen an den Kläger gezahlt wurden, trug der Kläger weiter vor, dass die sich aus § 85 AO ergebende allgemeine Ermittlungsbefugnis für sich allein nicht das Vorgehen nach § 93 AO rechtfertigen könne, wenn die Voraussetzungen des § 93 nicht vorliegen. Dass sich aus den Buchführungsunterlagen keine Provisionszahlungen ergeben, dokumentiere nichts anderes als die Erklärung des Steuerpflichtigen, keine Provisionen erhalten habe, gebe aber keinen konkreten Anlass i.S.d. § 93 AO her. Auch wenn der Beklagte im Rahmen der vorangegangenen Betriebsprüfung von der Annahme ausgehe, dass der Kläger von einem anderen Unternehmen Provisionen erhalten habe, was der Kläger bestreite, könne dies nicht das Auskunftsersuchen an die B. rechtfertigen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 10. November 2008 Bezug genommen.
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Am 24. November 2008 fand in den Räumen des Beklagten ein Gespräch zwischen den Beteiligten statt. Als Ergebnis dieses Gesprächs unterbreitete die Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 25. November 2008 einen Vorschlag für ein Schreiben des Beklagten an die B., mit dem eine Richtigstellung des sich aus dem Auskunftsersuchen ergebenden Sachverhalts erfolgen sollte. Der Beklagte übernahm diesen Vorschlag und setzte ihn in einem Schreiben an die B. vom 25. November 2008 um. Auf den Inhalt des Aktenvermerks über das Gespräch sowie des Schreibens des Beklagten an die B. vom 25. November 2008 wird Bezug genommen.
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Da der Kläger nach wie vor eine Entscheidung über den Einspruch begehrte, erließ der Beklagte unter dem Datum 23. Dezember 2008 eine Einspruchsentscheidung. Er verwarf den Einspruch gegen das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 als unzulässig. Es könne dahinstehen, ob das Ersuchen rechtswidrig gewesen sei, denn mit Erteilung der Auskunft sei der Verwaltungsakt erledigt. Der Einspruch sei mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Ob das Auskunftsersuchen rechtswidrig gewesen sei, könne nur noch geklärt werden, soweit die erhaltenen Auskünfte im Rahmen von nachfolgenden Verwaltungsakten für den Kläger zu belastenden Entscheidungen führen. An der Unzulässigkeit des Einspruchs ändere sich auch nichts, falls der Kläger trotz Erledigung des Verwaltungsaktes an der Feststellung seiner Rechtswidrigkeit ein berechtigtes Interesse haben sollte, denn eine dem § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vergleichbare Regelung gebe es für das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren nicht.
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Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 05. Januar 2009 am 08. Januar 2009 Klage erhoben. Er trägt vor, dass das Auskunftsersuchen an die B. rechtswidrig gewesen sei und verweist auf seine Ausführungen im Einspruchsverfahren.
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Durch die Auskunftserteilung habe sich der Verwaltungsakt erledigt. Damit sei die Fortsetzungsfeststellungsklage eröffnet. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Auskunftsverlangens.
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Es bestehe Wiederholungsgefahr. Die begehrte Klärung sei als „Richtschnur für zukünftiges Verhalten“ des Beklagten von Bedeutung. Die Ausführungen des Beklagten im Schreiben vom 07. November 2008 würden belegen, dass dieser die Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens nach wie vor leugne und damit jede Einsicht fehle, unrechtmäßig vorgegangen zu sein. Mit großer Wahrscheinlichkeit werde in den Folgejahren ein im wesentlicher gleicher Sachverhalt der Besteuerung zugrunde liegen. Es sei anzunehmen, dass der Beklagte in gleicher Weise Auskunftsersuchen unter Umgehung des Klägers an Geschäftspartner des Klägers wiederhole. Diese Vorgehensweise sei, wie das Schreiben der B. an den Kläger zeige, geeignet, die Geschäftsbeziehungen des Klägers zu belasten und sein Ansehen bei seinen Geschäftspartnern zu beschädigen. Insoweit habe der Kläger ein reges wirtschaftliches Interesse daran, dass durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens vom 22. Oktober 2008 das Risiko von wahrscheinlichen und vermeintlich für erlaubt gehaltenen Wiederholungen zu vermindern.
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Des Weiteren bestehe ein berechtigtes Interesse unter dem Gesichtspunkt der Genugtuung und Rehabilitierung. Der Beklagte habe den Kläger offensichtlich deshalb übergangen, weil er Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit gehegt habe. Dies entbehre indes jeglicher Grundlage. Was von dem Beklagten insoweit vorgetragen werde (Schreiben vom 07. November 2008 Seite 1 letzter Absatz und Seite 2 erster Absatz) sei völlig inakzeptabel. Der diskriminierende Umgang mit dem Kläger begründe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens vom 22. Oktober 2008.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger vorgetragen, dass nach seinem Erkenntnisstand im Zuge der derzeit laufenden Betriebsprüfung im Zusammenhang mit ausländischen Sachverhalten Auskunftsersuchen ergangen seien, ohne dass er zuvor gehört oder zu den Sachverhalten befragt worden sei.
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Der Kläger beantragt, festzustellen, dass das Auskunftsersuchen des Beklagten vom 22. Oktober 2008 rechtswidrig gewesen ist.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hat Zweifel an der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage, weil ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht erkennbar sei. Hinsichtlich der Wiederholungsgefahr fehle es an der substantiierten Darstellung eines konkreten, vernünftigerweise anzuerkennenden schutzwürdigen Interesses. Der allgemeine Hinweis, dass mit großer Wahrscheinlichkeit in den Folgejahren ein im Wesentlichen gleicher Sachverhalt der Besteuerung zugrunde liegen werde, reiche nicht aus. Im Übrigen könne es kein berechtigtes Interesse im Hinblick darauf geben, dass als Ziel der Klage dem Finanzamt untersagt werden solle, bei erneuten oder fortbestehenden Zweifeln am Wahrheitsgehalt der Aussagen des Klägers bzw. seiner Buchführung erneute Auskunftsersuchen an Dritte vorzunehmen. Dies sei mit Besteuerungsgrundsätzen und dem Untersuchungsgrundsatz nicht vereinbar.
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Hinsichtlich des Rehabilitationsinteresses weist der Beklagte auf sein Schreiben an die B. vom 25. November 2008 hin. Gründe, die eine weitergehende Rehabilitierung gegenüber der B. erforderlich erscheinen lassen, seien nicht vorgetragen. Was das Rehabilitierungsinteresse im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit des Klägers angehe, so enthalte das Auskunftsersuchen hierüber keine Aussage. Auch unter Berücksichtigung des Schreibens vom 07. November 2008 sei kein ausreichendes Feststellungsinteresse vorgetragen worden. Insoweit könne der Kläger seine Rehabilitierung im Anfechtungsverfahren gegen die erlassenen bzw. noch zu erlassenden Steuerbescheide erreichen.
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Der Beklagte macht zudem Ausführungen dazu, weshalb seiner Ansicht nach das Auskunftsersuchen rechtmäßig gewesen sei. Insoweit wird auf die Ausführungen des Beklagten in der Klageerwiderung vom 26. Februar 2009 Bezug genommen.
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In der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter des Beklagten erklärt, dass sie zu Auskunftsersuchen während der derzeit laufenden Betriebsprüfung nicht sagen könnten; hierzu wüssten sie nichts. Sie gaben des Weiteren die Erklärung ab, dass sie sich hinsichtlich der zukünftigen Praxis zu Auskunftsersuchen nicht weiter äußern möchten. Ausgenommen sei die B.; insoweit werde der Beklagte keine weiteren Auskunftsersuchen stellen, soweit es Provisionserlöse angehe.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligte sowie auf die vom Beklagten vorgelegten, den Streitfall betreffenden Akten Bezug genommen; hierzu gehören auch die Akten die zum Verfahren 3 K 923/07 vorgelegt wurden.
Entscheidungsgründe
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1. Die Klage ist zulässig.
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Die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist statthaft; der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 rechtswidrig gewesen ist.
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a) Nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO kann, wenn ein mit der Klage angefochtener Verwaltungsakt sich im Verlauf des Klageverfahrens erledigt hat, das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts feststellen. Diese Regelung ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entsprechend anzuwenden, wenn ein Verwaltungsakt sich schon vor der Klageerhebung und vor der Einleitung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens erledigt hat (BFH-Urteile vom 04. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFH/NV 2013, 431; vom 26. September 2007 I R 43/06, BFHE 219, 13, BStBl II 2008, 134, m.w.N.; Beermann/Gosch, FGO § 100 Rz 44; vgl. auch weitere Rechtsprechungsnachweise bei von Groll in Gräber, FGO, 7. Auflage, § 100 Rz. 59 und in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 100 FGO Tz. 52).
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Das Auskunftsersuchen ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt. Seine Rechtswidrigkeit kann nach Erledigung unter den Voraussetzungen der Fortsetzungsfeststellungsklage festgestellt werden (BFH-Urteil vom 05. April 1984 IV R 244/83, BStBl II 1984, 790). Im Streitfall hat sich das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 nach Einlegung des Einspruchs und vor Klageerhebung erledigt. Denn die B. hat die Auskunft nach Einlegung des Einspruchs aber bereits vor Klageerhebung erteilt (vgl. BFH-Urteil vom 07. August 1979 VII R 14/77, BStBl II 1979, 334 zur Erledigung von Auskunftsersuchen vor Einlegung eines außergerichtlichen Rechtsbehelfs).
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b) Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 rechtswidrig gewesen ist.
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aa) „Berechtigtes Interesse“ i.S.d. § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende Interesse rechtlicher, tatsächlicher oder wirtschaftlicher Art. Die begehrte Feststellung muss geeignet sein, in einem dieser Bereiche zu einer Positionsverbesserung des Klägers führen (BFH-Urteil vom 04. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFH/NV 2013, 431). Das berechtigte Interesse kann sich nach der BFH-Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 26. September 2007 I R 43/06, BStBl II 2008, 134) zum Einen daraus ergeben, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit die Voraussetzung für den Eintritt einer vom Kläger erstrebten weiteren Rechtsfolge ist (BFH-Urteile vom 12. Januar 1995 IV R 83/92, BFHE 177, 4, BStBl II 1995, 488; in BFH/NV 1995, 621; Schmidt-Troje in Beermann/ Gosch, AO, FGO, § 100 FGO Rz 49, m.w.N.). Zum Anderen kann es daraus abzuleiten sein, dass ein konkreter Anlass für die Annahme besteht, das Finanzamt werde die vom Kläger für rechtswidrig erachtete Maßnahme in absehbarer Zukunft wiederholen (BFH-Urteile vom 29. April 1980 VII K 5/77, BFHE 130, 568, BStBl II 1980, 593; vom 28. Juni 2000 X R 24/95, BFHE 192, 32, 40, BStBl II 2000, 514, 518; vom 20. April 2004 VIII R 88/00, BFH/NV 2004, 1103; Schmidt-Troje in Beermann/Gosch, a.a.O., § 100 FGO Rz 48, m.w.N.). Schließlich kann es unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1994 VII R 14/94, BFHE 176, 201, BStBl II 1995, 210) sowie deshalb bestehen, weil die begehrte Feststellung voraussichtlich in einem beabsichtigten und nicht völlig aussichtslosen Schadensersatzprozess erheblich sein wird (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. Mai 1976 VII R 108/73, BFHE 119, 26, BStBl II 1976, 566; BFH-Beschluss vom 15. Mai 2002 I B 8/02, I S 13/01, BFH/NV 2002, 1317; Tipke in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 100 FGO Tz. 57, m.w.N.).
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Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut und dem Regelungszusammenhang des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist die Prüfung des berechtigten Interesses auf den angefochtenen Verwaltungsakt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO) zu beziehen (BFH-Urteil vom 09. Mai 2012 I R 91/10, BFH/NV 2012, 2004).
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Das Feststellungsinteresse muss – sofern es nicht offensichtlich ist – vom Kläger substantiiert dargelegt werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10. Februar 2010 XI R 3/09, BFH/NV 2010, 1450; BFH-Beschluss vom 30. Oktober 2007 VIII B 198/06, BFH/NV 2008, 238, unter II.2., m.w.N.). Es handelt sich um eine Sachurteilsvoraussetzung, d.h. das berechtigte Interesse muss (noch) am Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen (BVerwG-Urteil vom 30. April 1999 1 B 36/99, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6).
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bb) Ein vom Kläger geltend gemachtes Rehabilitationsinteresse ist nicht (mehr) gegeben.
- 37
Der Kläger hat im Sinne der BFH-Rechtsprechung (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Mai 2002 I B 8/02, BFH/NV 2002, 1317) kein hinreichendes ideelles "Rehabilitationsinteresse" geltend gemacht. Die von ihm genannten Beeinträchtigungen seiner privaten und beruflichen Situation vermögen ein solches nicht zu begründen. Voraussetzung hierfür wäre ein erheblicher Eingriff in die Persönlichkeitssphäre (BFH-Urteil vom 17. Januar 1995 VII R 47/94, BFH/NV 1995, 737), der etwa vorliegt, wenn das erledigte Auskunftsersuchen – anders als im Streitfall – den Vorwurf der Steuerhinterziehung beinhaltet (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 322). Dem Vortrag des Klägers ist auch kein ähnlich diskriminierender, den Kläger persönlich herabsetzender Vorwurf des erledigten Verwaltungsakts (vgl. dazu BFH-Urteile vom 18. Mai 1976 VII R 108/73, BFHE 119, 26, BStBl II 1976, 566; vom 31. Januar 1978 VII R 62/74, BFHE 124, 553, m.w.N.) zu entnehmen. Auch ein tiefgreifender Grundrechtseingriff ist nicht zu erkennen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1530). Im Übrigen ist gegenüber der B. mit dem Schreiben des Beklagten vom 25. November 2011 eine Rehabilitation des Klägers bereits erfolgt. Dem BFH-Urteil vom BFH-Urteil vom 04. Dezember 2012 VIII R 5/10 (BFH/NV 2013, 431) kann entnommen werden, dass auf eine Rehabilitierung gegenüber dem Dritten ankommt, an den das Auskunftsersuchen gerichtet war (vgl. Rz. 20 des vorgenannten Urteils). Soweit sich der Kläger auf Schreiben bzw. Verhaltensweisen des Beklagten außerhalb des Auskunftsersuchens beruft (z.B. auf das Schreiben des Beklagten vom 07. November 2008), ist dies unerheblich, denn – wie oben ausgeführt – ist Gegenstand der Prüfung, ob ein berechtigtes Interesse vorliegt, allein der Verwaltungsakt, dessen Rechtswidrigkeit festgestellt werden soll.
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cc) Allerdings ist unter dem Gesichtspunkt Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zu bejahen.
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(1) Das berechtigte Interesse wird von der BFH-Rechtsprechung bejaht, wenn eine hinreichend konkrete Gefahr der Wiederholung in absehbarer Zukunft besteht (BFH-Urteil vom 22. August 2012 X R 36/09, BFH/NV 2013, 436; vgl. auch die Formulierung im BVerwG-Urteil vom 25. August 1993 6 C 7/93, DVBl 1994, 168: Bestehen einer konkreten Gefahr, dass in naher Zukunft eine gleichartige Entscheidung getroffen werden könnte). Ein Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr setzt voraus, dass auch in Zukunft die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bestehen wie in dem für die Beurteilung der erledigten Maßnahme maßgebenden Zeitpunkt (BVerwG-Urteil vom 10. Februar 2000 2 A 3/99, juris). Bei einem erledigten Auskunftsverlangen reicht allerdings der Vortrag nicht aus, es bestehe wegen des allfälligen Informationsbedürfnisses des Finanzamtes die Befürchtung der ständigen Wiederholungsgefahr (BFH-Beschluss vom 16. Februar 2009 VII B 175/08, BFH/NV 2009, 1128).
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(2) Im Streitfall ist das Gericht nach Würdigung der Umstände, wie sie sich aus den Akten und auch aus dem Vortrag bzw. Verhalten der Beteiligten ergeben, zu der Überzeugung gelangt, dass eine Wiederholungsgefahr besteht.
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Der Kläger ist nach wie vor mit demselben Unternehmensgegenstand tätig. Er muss auch zukünftig, wie die aktuell stattfindende Betriebsprüfung zeigt, mit Betriebsprüfungen durch den weiterhin für ihn zuständigen Beklagten rechnen. Aus dem Verhalten bzw. den Erklärungen der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass der Beklagte bei einem gleichartig gelagerten Sachverhalt, wie er dem Auskunftsersuchen an die B. zugrunde lag, in gleicher Weise vorgehen wird, ggf. auch im Rahmen der zur Zeit stattfindenden Betriebsprüfung. Dass die Beklagtenvertreter erklärt haben, dass gegenüber der B. nicht mehr nach Provisionen nachgefragt werde, lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Denn der Beklagte hat sich ausdrücklich nicht zu der Frage positioniert, wie er sich hinsichtlich weiterer Geschäftspartner des Klägers verhalten werde. Er wollte gerade nicht ausschließen, dass es in naher Zukunft Auskunftsersuchen an Dritte geben könne, ohne den Kläger vorher zu dem Sachverhalt zu befragen, weil man davon ausgehe, dass eine Befragung des Klägers ohne Erfolg sein werde, denn der Kläger werde nichts sagen, was den Angaben seiner Buchführung bzw. seiner Steuererklärung widerspreche. Bei einem solchen Sachverhalt liegt zur Überzeugung des erkennenden Gerichts eine konkrete Wiederholungsgefahr vor, die über die bloß abstrakte Gefahr hinausgeht, dass der Beklagte vermutlich in gleicher Art und Weise auch zukünftig verfahren werde.
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2. Die Klage ist begründet.
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Das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 ist rechtswidrig gewesen.
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a) Nach § 93 Abs. 1 AO haben Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Im Rahmen ihrer Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt zur Durchsetzung materiell-rechtlich begründeter Steueransprüche aufzuklären (§§ 85, 88 AO), darf sich die Finanzbehörde derjenigen Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 92 Satz 1 AO). Zu diesen Beweismitteln zählen auch Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten im Besteuerungsverfahren (§ 92 Satz 2 Nr. 1 AO). Die rechtliche Befugnis zu solchen Auskunftsverlangen ergibt sich aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AO (BFH-Urteil vom 04. Oktober 2006 VIII R 54/04, BFH/NV 2007, 190).
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Das auf § 93 Abs. 1 Satz 1 AO beruhende Auskunftsersuchen ist ein Ermessensverwaltungsakt, den das Gericht nach Maßgabe des § 102 FGO zu überprüfen hat (BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VII R 1/86, BStBl II 1991, 277). Die Finanzbehörde kann eine Auskunft nach § 93 AO nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteile vom 04. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFH/NV 2013, 431; vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 4. April 2006 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, 345, ständige Rechtsprechung; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 AO Tz. 14). Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, sog. Subsidiaritätsprinzip (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 AO Tz. 17).
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b) Das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 ist ermessensfehlerhaft, denn es wurde gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.
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aa) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nach dem das eingesetzte Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht nur erforderlich und geeignet, sondern hierzu auch in einem angemessenen, d.h. für den Betroffenen zumutbaren Verhältnis stehen muss, genießt Verfassungsrang und ist deshalb stets auch bei der Auslegung und Anwendung von Normen des einfachen Rechts – mithin auch bei der Ermessensausübung durch die Finanzbehörden – zu beachten (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 1976 2 BvL 1/76, BVerfGE 43, 101, 106; BFH-Urteil vom 28. August 2012 I R 10/12, BFH/NV 2013, 428). Die Vorschrift des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, ist eine spezielle Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, sog. Subsidiaritätsprinzip (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 AO Tz. 17). Als Sollvorschrift bringt diese Regelung zum Ausdruck, dass die Behörde in der Regel nach ihr verfahren muss, in atypischen Fällen aber abweichen darf, wobei am Zweck der Vorschrift zu messen ist, ob ein atypischer Fall vorliegt (BFH-Urteile vom 24. Oktober 1989 VII R 1/87, BStBl II 1990, 198; vom 27.Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, 235, BStBl II 1982, 141; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 Tz. 18).
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Bei der Ermessensausübung durch die Finanzbehörde hat diese den Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO zu beachten. Die Vorschrift dient einem doppelten Zweck: zum Einen dient sie dem Interesse anderer Personen, die regelmäßig nicht in das Besteuerungsverfahren anderer Personen hineingezogen werden sollen, um ihnen die mit der Auskunftserteilung regelmäßig verbundenen Unannehmlichkeiten aller Art zu ersparen, als nicht geklärt ist, ob der Beteiligte selbst den Sachverhalt aufklären kann. Die Vorschrift dient aber auch dem Interesse des Beteiligten daran, dass andere Personen über seine steuerliche Verhältnisse nach Möglichkeit nichts erfahren (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 AO Tz. 17, m.w.N.). Zu den vorgenannten steuerlichen Verhältnissen des Beteiligten gehört auch das Verwaltungsverfahren an sich, die Art der Beteiligung am Verwaltungsverfahren und die Maßnahmen, die der Betroffene vorgenommen hat. Ebenso ob und bei welcher Finanzbehörde ein Steuerpflichtiger geführt wird und ob eine Außenprüfung stattgefunden hat (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 30 AO Tz. 12).
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Die Sachaufklärung hat nicht zum Ziel geführt, wenn sie – aus welchem Grund auch immer – nicht gelungen ist; der Versuch muss also unternommen worden sein (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 Tz. 19). Ob die Sachaufklärung durch den Beteiligten zum Ziele führt oder Erfolg verspricht oder ob dies nicht zutrifft, ist eine Prognoseentscheidung der Finanzbehörde und (vorweggenommene) Beweiswürdigung. Diese Würdigung ist Sache der Finanzbehörde und gerichtlich nur eingeschränkt auf ihre Willkürfreiheit überprüfbar (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 Tz. 20, m.w.N.).
- 50
bb) Im Streitfall ist zunächst festzuhalten, dass der Beklagte keinen Versuch unternommen hat, bei dem Kläger nachzufragen, ob er in den Jahren 2002 bis 2004 von der B. Provisionen erhalten hatte. Das ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
- 51
cc) Dass ein an den Kläger gerichtetes Auskunftsverlangen keinen Erfolg versprochen hätte, wird vom Beklagten mit der Annahme begründet, dass aus Sicht des Beklagten der Kläger zu der gestellten Frage sich entweder nicht hätte äußern müssen bzw. wollen oder die Gefahr bestanden hätte, dass seine Aussage angesichts der Feststellungen der vorangegangenen Betriebsprüfung ohnehin als unglaubhaft hätte eingestuft werden müssen (Seite 3 unten der Klageerwiderung). In der mündlichen Verhandlung haben die Beklagtenvertreter diese Ansicht wiederholt. Diese Überlegung ist nicht geeignet, eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Auskunftsersuchen an die B. zu tragen.
- 52
(1) Die Frage, ob die Sachaufklärung durch den Beteiligten nicht zum Erfolg führt, ist von der Finanzbehörde im Wege der vorweggenommenen Beweiswürdigung zu entscheiden. Sofern diese Beweiswürdigung vertretbar ist, ist sie vom Gericht hinzunehmen. Im Streitfall ist die Beweiswürdigung jedoch nicht vertretbar, das Auskunftsersuchen ist deshalb ermessenfehlerhaft.
- 53
(2) Führen Prüfungsfeststellungen wie im Streitfall zu der Annahme des Finanzamtes, dass der Steuerpflichtige Einnahmen nicht erklärt hat, so führt dies nicht per se dazu, dass das Finanzamt zwecks weiterer Ermittlungen nicht mehr erst den Steuerpflichtigen zur Auskunft anhalten muss und sogleich Dritte um Auskunft ersuchen kann, weil man davon ausgehen könne, dass der Steuerpflichtige weitere nicht erklärte Einnahmen nicht zugeben und auf die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Gewinnermittlung bzw. Buchführung verweisen wird. Andererseits muss das Finanzamt bei vermuteten nicht erklärten Einnahmen auch nicht immer zwingend zuerst den Steuerpflichtigen zur Sachverhaltsaufklärung befragen. Es kommt vielmehr auf die Qualität und Quantität der festgestellten nicht erklärten Betriebseinnahmen an. Stellt sich im Rahmen einer Außenprüfung etwa heraus, dass der Steuerpflichtige in erheblichem Umfang Betriebseinnahmen nicht erklärte und betrifft dies ggf. auch eine Vielzahl von Geschäftsbeziehungen, so erscheint eine Würdigung dahingehend, dass noch wesentliche weitere Einnahmen, auch aus weiteren Geschäftsbeziehungen, nicht erklärt wurden, durchaus vertretbar. In einem solchen Fall kann es durchaus ermessensfehlerfrei sein, Auskunftsersuchen an Dritte zu richten, ohne zuvor den Steuerpflichtigen selbst zur Auskunft angehalten zu haben.
- 54
Im Streitfall liegen die Dinge jedoch erheblich anders. Denn wie sich aus den Betriebsprüfung-Arbeitsakten zur Vorprüfung entnehmen lässt, gab es bereits im Prüfungszeitraum 1999 bis 2001 Geschäftsbeziehungen zur B. (vgl. z.B. Bl. 119 der Bp-Arbeitsakte, Aufstellung der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen; Bl. 213, Wareneingangskonto). „Auffälligkeiten“ hinsichtlich dieser Geschäftsbeziehung sind den Arbeitsakten nicht zu entnehmen; diesbezügliche Prüfungsfeststellungen gab es nicht. Die (streitige) Provision betraf einen anderen Geschäftspartner, die M.; es handelte sich zudem um einen einmaligen Vorgang (vgl. hierzu Tz. 15 des Prüfungsberichts vom 15. Oktober 2004). Im Übrigen musste sich schon aus der Vorprüfung ergeben, dass der Kläger so gut wie ausschließlich Waren im eigenen Namen kaufte und verkaufte, d.h. Provisionserlöse nach der Art der Geschäftsabwicklungen nahezu nicht vorkamen. Damit ergab sich aus den Feststellungen der Vorprüfung kein Sachverhalt, der im Wege einer vorweggenommenen Beweiswürdigung hätte geeignet sein können, um für das an die B. gerichtete Auskunftsersuchen eine Abweichung vom Grundsatz der vorrangigen Befragung des Klägers wegen eines atypischen Falles begründen zu können. Entsprechendes gilt auch im Hinblick auf die Prüfungsfeststellungen im Zusammenhang mit der M. aus der Prüfung für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004. Auch unter Berücksichtigung des Umfangs der Provisionen, von denen man annimmt, der Kläger habe sie erhalten, ist es bei dieser Sachlage, insbesondere auch mit Blick auf die Höhe der Betriebseinnahmen von ca. 600.000,00 € bis ca. 1.000.000,00 € in den Jahren 2002 bis 2004 (laut Jahresabschlüssen), nicht vertretbar, einen atypischen Sonderfall i.S.d. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO anzunehmen. Der Kläger hätte vor Ergehen des im Streit befindlichen Auskunftsersuchens um Sachverhaltsaufklärung bezüglich seiner Geschäftsbeziehung zu B. angehalten werden müssen.
- 55
c) Ob ein vom Kläger gerügter Verstoß gegen das Gebot des fairen Verfahrens vorliegt, kann dahinstehen, weil das Auskunftsersuchen bereits wegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig gewesen ist. Das Gericht brauchte damit nicht auf den Meinungsstreit einzugehen, den es zu dieser Frage gibt (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 AO Tz. 28, Hüschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 93 AO Rz. 95, Busl in DStZ 2005, 446, die die Auffassung vertreten, dass der Beteiligte nicht zuvor gehört werden muss; a.A. Beermann/Gosch, § 93 AO Rz. 31; Eich, AO-StB 2004, 18).
- 56
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen Anhalt vom 13. März 2013 3 K 34/09 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
- 1
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
- 2
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In der Zeit vom 17. Dezember 2007 bis zum 29. Juni 2010 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) eine steuerliche Außenprüfung beim Kläger durch, die sich auf die Einkommensteuern, Umsatzsteuern und Gewerbesteuermessbeträge 2002 bis 2004 erstreckte.
- 3
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Eine Außenprüfung für die Vorjahre hatte zu einer Erhöhung der Erlöse um 8.530,69 DM geführt. Grundlage hierfür war eine Kontrollmitteilung, in der von einer "Ausgleichszahlung" bzw. "Bonuszahlung" einer Geschäftspartnerin des Klägers, der A, die Rede war. Ein entsprechendes Klageverfahren wegen Umsatzsteuer wurde beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen 3 K 923/07 geführt.
- 4
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Am 16. Oktober 2008 richtete das FA für die Streitjahre ein Auskunftsersuchen betreffend Provisionszahlungen an die A. Diese antwortete am 21. Oktober 2008, dem Kläger in den Jahren 2003 und 2004 insgesamt drei "Ausgleichszahlungen" geleistet zu haben.
- 5
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Am 22. Oktober 2008 richtete das FA --ohne den Kläger hierzu vorab um Auskunft gebeten zu haben-- das im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Auskunftsersuchen an die B, einer weiteren Geschäftspartnerin des Klägers. Es wies hinsichtlich der Auskunftspflicht auf § 93 der Abgabenordnung (AO) hin und führte weiter aus: "in der o.g. Steuersache ist die Sachaufklärung mit den Beteiligten nicht möglich." Ausweislich eines Vermerks des FA bezweckte dieses zweite Auskunftsersuchen, "die Prüfung zu vervollständigen", indem auch der zweite Lieferant um Auskunft gebeten werde.
- 6
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Mit Schreiben vom 24. Oktober 2008 erklärte die B dem FA, sie habe mit dem Kläger reine Handelsgeschäfte betrieben, für die dieser entsprechende Wiederverkaufsrabatte erhalten habe. Provisionszahlungen seien weder vereinbart noch geleistet worden. Am selben Tage richtete sie ein Schreiben an den Kläger, in dem sie ihre Verwunderung über das Auskunftsersuchen zum Ausdruck brachte. Sie verstehe nicht, warum der Kläger dem FA nicht mitteile, von der B niemals Provisionen erhalten zu haben.
- 7
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Am 27. Oktober 2008 legte der Kläger Einspruch gegen das an die B gerichtete Auskunftsersuchen ein.
- 8
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Nach einem Gespräch zwischen den Beteiligten stellte das FA mit Schreiben vom 25. November 2008 den Sachverhalt gegenüber der B klar. Den vom Kläger aufrechterhaltenen Einspruch verwarf das FA mit Entscheidung vom 23. Dezember 2008 als unzulässig.
- 9
-
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vorgetragen, im Zuge einer aktuell laufenden steuerlichen Außenprüfung seien nach seinem Erkenntnisstand Auskunftsersuchen zu ausländischen Sachverhalten ergangen, ohne dass er zuvor gehört oder befragt worden sei. Die Vertreter des FA konnten in der mündlichen Verhandlung hierzu keine Auskunft geben und erklärten, dass sie sich zu der zukünftigen Praxis bei Auskunftsersuchen nicht äußern wollten. Ausgenommen hiervon seien solche gegenüber der B, an die keine weiteren Auskunftsersuchen ergehen sollten, soweit diese Provisionserlöse beträfen.
- 10
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Die am 8. Januar 2009 erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage hatte Erfolg.
- 11
-
Das FG ging davon aus, die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig, da Wiederholungsgefahr drohe. Der Kläger exportiere und importiere weiterhin Waren und müsse bei Außenprüfungen auch künftig mit Auskunftsersuchen rechnen, ohne dass er vorab zu dem jeweiligen Sachverhalt befragt werde. Dies ergebe sich aus dem Verhalten bzw. den Erklärungen der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung.
- 12
-
Ein Rehabilitationsinteresse des Klägers vermochte das FG dagegen aufgrund der Klarstellung im Schreiben des FA an die B nicht (mehr) zu erkennen.
- 13
-
Das Auskunftsersuchen sei ermessensfehlerhaft gewesen, da es gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe. Soweit Prüfungsfeststellungen --wie im Streitfall-- zu der Annahme des FA Anlass gäben, ein Steuerpflichtiger habe Einnahmen nicht erklärt, führe dies nicht per se dazu, dass das FA zwecks weiterer Ermittlungen sogleich Dritte um Auskunft ersuchen könne. Es komme vielmehr auf die Qualität und Quantität der festgestellten nicht erklärten Betriebseinnahmen an, etwa ihren erheblichen Umfang, die ggf. auch eine Vielzahl von Geschäftsbeziehungen beträfen.
- 14
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Im konkreten Fall lägen keine Auffälligkeiten hinsichtlich der Geschäftsbeziehung zur B vor, auch habe es sich bei den Provisionen des anderen Geschäftspartners um einen einmaligen Vorgang gehandelt. Der Umfang dieser Provisionen sei gering gewesen. Ein atypischer Streitfall i.S. des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO könne nicht angenommen werden.
- 15
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Mit der Revision rügt das FA, das FG habe gegen materielles Recht verstoßen.
- 16
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Das FA habe die Vorgaben des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO eingehalten. Es habe konkrete Hinweise auf nicht vollständig erklärte Betriebseinnahmen gegeben. Zusätzlich zu der einschlägigen Kontrollmitteilung anlässlich der Betriebsprüfung in den Vorjahren habe eine konkrete Auskunft der A zu Provisionserlösen in der laufenden Betriebsprüfung vorgelegen. Eine anlasslose Ermittlung oder eine solche "ins Blaue hinein" lägen nicht vor.
- 17
-
Der Prüfer habe im Rahmen seiner Prognose durchaus die Antwort des Klägers vorwegnehmen dürfen und von einer voraussichtlichen Erfolglosigkeit einer solchen Anfrage ausgehen können. Die Antwort des Klägers abzuwarten und sich anschließend trotzdem an den Dritten zu wenden, sei eine leere Formalie und verletze den Grundgedanken des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO. Diese Vorschrift solle in erster Linie den Dritten vor unnötigen Anfragen der Finanzverwaltung und dem damit verbundenen Aufwand schützen, auch wenn der Steuerpflichtige ein schützenswertes Interesse daran habe, dass seine steuerlichen Verhältnisse geheim blieben. Ein Selbstzweck sei die Reihenfolge der Befragung gerade nicht.
- 18
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Die Kritik des Klägers an der Begründung des Auskunftsersuchens übersehe, dass dieses gegenüber dem Dritten ergehe und die möglichst weitgehende Geheimhaltung der steuerlichen Verhältnisse des Klägers gewährleiste.
- 19
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Vorliegend überschreite das FG seine Befugnisse nach § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wenn es die Verhältnismäßigkeit verneine.
- 20
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Das Gebot des fairen Verfahrens werde nicht verletzt. Es existiere keine Pflicht zur Vorabinformation wie beim Kontenabruf nach § 93 Abs. 9 AO.
- 21
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Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 22
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 23
-
Ein plausibler Anlass zur Befragung der B habe nicht vorgelegen. Dieser sei auch nicht aufgrund der diversen Auskünfte der A konstruierbar.
Entscheidungsgründe
- 24
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II. Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
- 25
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1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass das streitige Auskunftsersuchen des FA rechtswidrig gewesen ist.
- 26
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a) Im Streitfall haben die Prüfer Auskunft über Provisionen verlangt. Ein solches Auskunftsersuchen ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt i.S. des § 118 Satz 1 AO (vgl. zum Auskunftsersuchen als Verwaltungsakt z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790, m.w.N.). Aufgrund der am 29. Oktober 2008 von der B erteilten Auskunft hat sich dieser Verwaltungsakt vor der Klageerhebung erledigt.
- 27
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b) In einem solchen Fall kann, wie im Streitfall geschehen, beim FG gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO eine Fortsetzungsfeststellungsklage mit dem Begehren erhoben werden, festzustellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist. Das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse wird von der Rechtsprechung (u.a.) dann bejaht, wenn eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr besteht (Senatsurteil vom 22. August 2012 X R 36/09, BFHE 239, 203, BStBl II 2014, 109, unter II.1.b).
- 28
-
Diese ist im Streitfall gegeben, weil --wie schon das FG nach Würdigung der Umstände festgestellt hat-- das FA nicht ausschließen wollte, auch künftig --wie z.B. in der während der mündlichen Verhandlung im Klageverfahren stattfindenden Betriebsprüfung-- wiederum Auskunftsersuchen an Dritte zu richten, ohne dass der Kläger vorher zu dem Sachverhalt befragt werde.
- 29
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2. Das FG hat die Klage zu Recht im Rahmen seiner Prüfungskompetenz nach § 102 FGO als begründet angesehen. Das Auskunftsersuchen des FA an die B ist rechtswidrig gewesen.
- 30
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a) Vorliegend hat das FG den Ermessensgebrauch des FA anhand des Zwecks des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO überprüft und im Rahmen seiner Prüfungskompetenz aus § 102 FGO gehandelt.
- 31
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Es hat lediglich die fehlerfreie Ermessensausübung durch das FA kontrolliert und nicht etwa nach einer besseren, zweckmäßigeren oder sachgerechteren Lösung gesucht (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 102 Rz 1).
- 32
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b) Zu Recht geht das FG davon aus, das FA habe von seinem Ermessen in einer dem Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.
- 33
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aa) Nach § 93 Abs. 1 AO haben Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Im Rahmen ihrer Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt zur Durchsetzung materiell-rechtlich begründeter Steueransprüche aufzuklären (§§ 85, 88 AO), darf sich die Finanzbehörde derjenigen Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 92 Satz 1 AO). Zu diesen Beweismitteln zählen auch Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten im Besteuerungsverfahren (§ 92 Satz 2 Nr. 1 AO). Die rechtliche Befugnis zu solchen Auskunftsverlangen ergibt sich aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AO (vgl. hierzu und auch zum Nachfolgenden: BFH-Urteil vom 4. Oktober 2006 VIII R 53/04, BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227).
- 34
-
Die Inanspruchnahme dieser Befugnisse verstößt grundsätzlich nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366, m.w.N.; dazu Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 15. November 2000 1 BvR 1213/00, BStBl II 2002, 142).
- 35
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bb) Für ihr Tätigwerden bedürfen die Finanzbehörden indes eines hinreichenden Anlasses. Ermittlungen "ins Blaue hinein" sind unzulässig (BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, m.w.N.).
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(1) Die Finanzämter sind --ungeachtet der besonderen Aufgabenzuweisung an die Fahndungsstellen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 AO-- nach § 208 Abs. 3 AO nicht gehindert, in derselben Sache wie die Fahndung tätig zu werden oder sich sogar bestimmte Ermittlungen vorzubehalten. Sie können z.B. eine Außenprüfung anordnen oder selbst Einzelermittlungen gemäß § 88 Abs. 1 AO durchführen (BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, unter II.2.b; zur Abgrenzung vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1997 VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461, m.w.N.).
- 37
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Die Finanzbehörden dürfen das nach ihrer Auffassung zweckmäßigste Mittel für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen auswählen und zwar auch im Hinblick auf eine mögliche Steuerstraftat. Dies gilt gleichermaßen, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Steuerpflichtige den steuerlich erheblichen Sachverhalt offenlegt. Auch in einem solchen Fall besteht regelmäßig kein zwingender Anlass, die Verwaltung von vornherein ausschließlich auf den Einsatz der Steuerfahndung zu verweisen (vgl. hierzu und zum Nachstehenden: BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, m.w.N.).
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(2) Ein hinreichender Anlass liegt nicht erst vor, wenn ein begründeter Verdacht dafür besteht, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten gegeben sind. Vielmehr genügt es, wenn aufgrund konkreter Umstände oder aufgrund allgemeiner Erfahrung ein Auskunftsersuchen angezeigt ist.
- 39
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Danach dürfen Auskünfte von anderen Personen schon dann eingeholt werden, wenn die Finanzbehörde im Rahmen ihrer Tätigkeit --sei es aufgrund konkreter Momente, sei es aufgrund allgemeiner Erfahrung-- zu dem Ergebnis gelangt ist, die Auskünfte könnten zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen (ferner BVerfG-Urteil vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.III.3.a ee der Gründe).
- 40
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Zu den steuerlich erheblichen Tatsachen zählt alles, was die finanzbehördlichen Entscheidungen in einem steuerrechtlichen Verwaltungsverfahren beeinflussen kann (vgl. Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 93 AO Rz 10).
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Die in diesem Sinne erheblichen, mitzuteilenden "Tatsachen" müssen lediglich im Rahmen einer Prognoseentscheidung möglich sein (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, ständige Rechtsprechung). Die Finanzbehörde hat hierüber im Wege einer vorweggenommenen Beweiswürdigung zu befinden (BFH-Urteile vom 18. Februar 1997 VIII R 33/95, BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499; vom 30. März 1989 VII R 89/88, BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537, ständige Rechtsprechung). Im Interesse der gesetzmäßigen und gleichmäßigen Besteuerung und zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich gebotenen Verifikationsprinzips sind die Anforderungen an diese Prognoseentscheidung nicht zu hoch anzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VIII R 1/86, BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Insbesondere darf noch unklar sein, ob der Vorgang steuerbar ist und ob er im Ergebnis zu einer Steuerpflicht führt. § 93 Abs. 1 AO ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass möglicherweise eine Steuerschuld entstanden oder die Steuer verkürzt worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Nur dann, wenn klar und eindeutig jeglicher Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit fehlt, ist das Auskunftsverlangen rechtswidrig (weiterführend, auch zur Prognoseentscheidung: BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, unter II.2.b, m.w.N.).
- 42
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cc) Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO sollen andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Durch die Ausgestaltung der Norm als Sollvorschrift kommt zum Ausdruck, dass die Behörde in der Regel nach ihr verfahren muss (BFH-Urteil in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537). Dieses Subsidiaritätsprinzip ist eine spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (so auch Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 93 AO Rz 17). Nur in atypischen Fällen darf die Finanzbehörde hiervon abweichen, wobei am Zweck der Vorschrift zu messen ist, ob ein solcher atypischer Fall vorliegt (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1989 VII R 1/87, BFHE 158, 502, BStBl II 1990, 198, unter II.2.b, m.w.N.).
- 43
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Unterstrichen wird dies auch im Vergleich zu den Befugnissen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO. Aufgabe der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten. Nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist es daneben Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle aufzudecken und zu ermitteln. In beiden Fällen gelten gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 AO die Einschränkungen des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht (so auch ausdrücklich BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c; ebenso jüngst BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, unter II.1.b). Folglich gilt außerhalb der Tätigkeit der Steuerfahndung die besondere Herangehensweise bei Auskunftsersuchen an Dritte: Vor dem Auskunftsersuchen an Dritte ist im Regelfall der Steuerpflichtige zu befragen.
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Hierdurch wird auch dem doppelten Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO entsprochen. Danach soll zum einen vermieden werden, dass Nichtbeteiligte Einblick in die steuerlich relevanten Verhältnisse der Beteiligten erhalten, zum anderen sollen dem Dritten die mit der Auskunft verbundenen Mühen erspart werden (so Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 82; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Rz 17; Eich, Der AO-Steuer-Berater 2004, 18, 20).
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dd) Atypische Fälle im Zusammenhang mit § 93 Abs. 1 Satz 3 AO hat die bisherige BFH-Rechtsprechung vereinzelt angenommen.
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Ausnahmen vom sog. Subsidiaritätsprinzip hat die bisherige BFH-Rechtsprechung dann angenommen, wenn
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der Beteiligte unbekannt ist (z.B. BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227) oder
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der Beteiligte nicht mitwirkt (z.B. BFH-Urteil in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537).
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Kein solch atypischer Fall lag dem Streitfall zugrunde. Weder war die Identität des Beteiligten (Klägers) unbekannt noch hat der Beteiligte (Kläger) die Mitwirkung verweigert.
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ee) Der Senat vermag im Streitfall auch keinen weiteren atypischen Fall zu erkennen.
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Es liegt im Interesse des Klägers, dass Dritte jedenfalls zunächst nichts über eine laufende Betriebsprüfung und --aus Sicht der Prüfer-- möglicherweise nicht erklärte Provisionserlöse erfahren. Er hat ein Anrecht darauf, dass seine Reputation nicht beschädigt wird und seine Geschäftspartner nicht den Eindruck bekommen, er vernachlässige seine steuerlichen Pflichten. Dies ist Ausdruck seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Zudem entspricht es den Interessen der Dritten, nur in Ausnahmefällen in fremde Besteuerungsverfahren einbezogen zu werden.
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Etwas anderes könnte nur gelten, wenn von vornherein feststeht, dass der Beteiligte entweder nicht mitwirken wird oder --was vorliegend allein relevant erscheint-- die Erfolglosigkeit seiner Mitwirkung offenkundig ist. Auf letztes kann eine Finanzbehörde aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beteiligten bei konkreten nachweisbaren Fakten im Rahmen einer vorweggenommenen Beweiswürdigung schließen. Nicht ausreichend ist es, eine solche Beweiswürdigung schon dann als vertretbar zu werten, wenn sie (nur) nicht willkürlich erfolgte (so aber Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Rz 20).
- 51
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Ermächtigt eine Norm wie § 93 Abs. 1 AO zu Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, so muss dieser --auch im engeren Sinne-- verhältnismäßig sein. Dies bedeutet, die Schwere des Eingriffs darf bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen (vgl. nur BVerfG-Beschluss vom 29. September 2013 2 BvR 939/13, wistra 2014, 16, unter II.1., m.w.N., ständige Rechtsprechung). Dabei muss beachtet werden, welche Möglichkeiten der Grundrechtsträger hat, eine eventuelle Grundrechtsbeeinträchtigung oder jedenfalls weitere Folgen des Eingriffs abwehren zu können. Wird eine Maßnahme heimlich durchgeführt, so ist es dem Betroffenen faktisch verwehrt, sich gegen sie im Voraus zur Wehr zu setzen (so schon BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05, BVerfGE 118, 168, unter C.I.3.d cc (1)).
- 52
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Folglich muss die Finanzbehörde es im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung aufgrund konkreter Tatsachen als zwingend ansehen, dass die Mitwirkung des Beteiligten erfolglos bleiben wird.
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Im Streitfall konnte die Finanzbehörde im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung nicht aufgrund konkreter Tatsachen davon ausgehen, dass die Mitwirkung des Klägers erfolglos bleiben wird.
- 54
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen Anhalt vom 13. März 2013 3 K 34/09 wird als unbegründet zurückgewiesen.
-
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
- 2
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In der Zeit vom 17. Dezember 2007 bis zum 29. Juni 2010 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) eine steuerliche Außenprüfung beim Kläger durch, die sich auf die Einkommensteuern, Umsatzsteuern und Gewerbesteuermessbeträge 2002 bis 2004 erstreckte.
- 3
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Eine Außenprüfung für die Vorjahre hatte zu einer Erhöhung der Erlöse um 8.530,69 DM geführt. Grundlage hierfür war eine Kontrollmitteilung, in der von einer "Ausgleichszahlung" bzw. "Bonuszahlung" einer Geschäftspartnerin des Klägers, der A, die Rede war. Ein entsprechendes Klageverfahren wegen Umsatzsteuer wurde beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen 3 K 923/07 geführt.
- 4
-
Am 16. Oktober 2008 richtete das FA für die Streitjahre ein Auskunftsersuchen betreffend Provisionszahlungen an die A. Diese antwortete am 21. Oktober 2008, dem Kläger in den Jahren 2003 und 2004 insgesamt drei "Ausgleichszahlungen" geleistet zu haben.
- 5
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Am 22. Oktober 2008 richtete das FA --ohne den Kläger hierzu vorab um Auskunft gebeten zu haben-- das im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Auskunftsersuchen an die B, einer weiteren Geschäftspartnerin des Klägers. Es wies hinsichtlich der Auskunftspflicht auf § 93 der Abgabenordnung (AO) hin und führte weiter aus: "in der o.g. Steuersache ist die Sachaufklärung mit den Beteiligten nicht möglich." Ausweislich eines Vermerks des FA bezweckte dieses zweite Auskunftsersuchen, "die Prüfung zu vervollständigen", indem auch der zweite Lieferant um Auskunft gebeten werde.
- 6
-
Mit Schreiben vom 24. Oktober 2008 erklärte die B dem FA, sie habe mit dem Kläger reine Handelsgeschäfte betrieben, für die dieser entsprechende Wiederverkaufsrabatte erhalten habe. Provisionszahlungen seien weder vereinbart noch geleistet worden. Am selben Tage richtete sie ein Schreiben an den Kläger, in dem sie ihre Verwunderung über das Auskunftsersuchen zum Ausdruck brachte. Sie verstehe nicht, warum der Kläger dem FA nicht mitteile, von der B niemals Provisionen erhalten zu haben.
- 7
-
Am 27. Oktober 2008 legte der Kläger Einspruch gegen das an die B gerichtete Auskunftsersuchen ein.
- 8
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Nach einem Gespräch zwischen den Beteiligten stellte das FA mit Schreiben vom 25. November 2008 den Sachverhalt gegenüber der B klar. Den vom Kläger aufrechterhaltenen Einspruch verwarf das FA mit Entscheidung vom 23. Dezember 2008 als unzulässig.
- 9
-
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vorgetragen, im Zuge einer aktuell laufenden steuerlichen Außenprüfung seien nach seinem Erkenntnisstand Auskunftsersuchen zu ausländischen Sachverhalten ergangen, ohne dass er zuvor gehört oder befragt worden sei. Die Vertreter des FA konnten in der mündlichen Verhandlung hierzu keine Auskunft geben und erklärten, dass sie sich zu der zukünftigen Praxis bei Auskunftsersuchen nicht äußern wollten. Ausgenommen hiervon seien solche gegenüber der B, an die keine weiteren Auskunftsersuchen ergehen sollten, soweit diese Provisionserlöse beträfen.
- 10
-
Die am 8. Januar 2009 erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage hatte Erfolg.
- 11
-
Das FG ging davon aus, die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig, da Wiederholungsgefahr drohe. Der Kläger exportiere und importiere weiterhin Waren und müsse bei Außenprüfungen auch künftig mit Auskunftsersuchen rechnen, ohne dass er vorab zu dem jeweiligen Sachverhalt befragt werde. Dies ergebe sich aus dem Verhalten bzw. den Erklärungen der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung.
- 12
-
Ein Rehabilitationsinteresse des Klägers vermochte das FG dagegen aufgrund der Klarstellung im Schreiben des FA an die B nicht (mehr) zu erkennen.
- 13
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Das Auskunftsersuchen sei ermessensfehlerhaft gewesen, da es gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe. Soweit Prüfungsfeststellungen --wie im Streitfall-- zu der Annahme des FA Anlass gäben, ein Steuerpflichtiger habe Einnahmen nicht erklärt, führe dies nicht per se dazu, dass das FA zwecks weiterer Ermittlungen sogleich Dritte um Auskunft ersuchen könne. Es komme vielmehr auf die Qualität und Quantität der festgestellten nicht erklärten Betriebseinnahmen an, etwa ihren erheblichen Umfang, die ggf. auch eine Vielzahl von Geschäftsbeziehungen beträfen.
- 14
-
Im konkreten Fall lägen keine Auffälligkeiten hinsichtlich der Geschäftsbeziehung zur B vor, auch habe es sich bei den Provisionen des anderen Geschäftspartners um einen einmaligen Vorgang gehandelt. Der Umfang dieser Provisionen sei gering gewesen. Ein atypischer Streitfall i.S. des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO könne nicht angenommen werden.
- 15
-
Mit der Revision rügt das FA, das FG habe gegen materielles Recht verstoßen.
- 16
-
Das FA habe die Vorgaben des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO eingehalten. Es habe konkrete Hinweise auf nicht vollständig erklärte Betriebseinnahmen gegeben. Zusätzlich zu der einschlägigen Kontrollmitteilung anlässlich der Betriebsprüfung in den Vorjahren habe eine konkrete Auskunft der A zu Provisionserlösen in der laufenden Betriebsprüfung vorgelegen. Eine anlasslose Ermittlung oder eine solche "ins Blaue hinein" lägen nicht vor.
- 17
-
Der Prüfer habe im Rahmen seiner Prognose durchaus die Antwort des Klägers vorwegnehmen dürfen und von einer voraussichtlichen Erfolglosigkeit einer solchen Anfrage ausgehen können. Die Antwort des Klägers abzuwarten und sich anschließend trotzdem an den Dritten zu wenden, sei eine leere Formalie und verletze den Grundgedanken des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO. Diese Vorschrift solle in erster Linie den Dritten vor unnötigen Anfragen der Finanzverwaltung und dem damit verbundenen Aufwand schützen, auch wenn der Steuerpflichtige ein schützenswertes Interesse daran habe, dass seine steuerlichen Verhältnisse geheim blieben. Ein Selbstzweck sei die Reihenfolge der Befragung gerade nicht.
- 18
-
Die Kritik des Klägers an der Begründung des Auskunftsersuchens übersehe, dass dieses gegenüber dem Dritten ergehe und die möglichst weitgehende Geheimhaltung der steuerlichen Verhältnisse des Klägers gewährleiste.
- 19
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Vorliegend überschreite das FG seine Befugnisse nach § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wenn es die Verhältnismäßigkeit verneine.
- 20
-
Das Gebot des fairen Verfahrens werde nicht verletzt. Es existiere keine Pflicht zur Vorabinformation wie beim Kontenabruf nach § 93 Abs. 9 AO.
- 21
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Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 22
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 23
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Ein plausibler Anlass zur Befragung der B habe nicht vorgelegen. Dieser sei auch nicht aufgrund der diversen Auskünfte der A konstruierbar.
Entscheidungsgründe
- 24
-
II. Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
- 25
-
1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass das streitige Auskunftsersuchen des FA rechtswidrig gewesen ist.
- 26
-
a) Im Streitfall haben die Prüfer Auskunft über Provisionen verlangt. Ein solches Auskunftsersuchen ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt i.S. des § 118 Satz 1 AO (vgl. zum Auskunftsersuchen als Verwaltungsakt z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790, m.w.N.). Aufgrund der am 29. Oktober 2008 von der B erteilten Auskunft hat sich dieser Verwaltungsakt vor der Klageerhebung erledigt.
- 27
-
b) In einem solchen Fall kann, wie im Streitfall geschehen, beim FG gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO eine Fortsetzungsfeststellungsklage mit dem Begehren erhoben werden, festzustellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist. Das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse wird von der Rechtsprechung (u.a.) dann bejaht, wenn eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr besteht (Senatsurteil vom 22. August 2012 X R 36/09, BFHE 239, 203, BStBl II 2014, 109, unter II.1.b).
- 28
-
Diese ist im Streitfall gegeben, weil --wie schon das FG nach Würdigung der Umstände festgestellt hat-- das FA nicht ausschließen wollte, auch künftig --wie z.B. in der während der mündlichen Verhandlung im Klageverfahren stattfindenden Betriebsprüfung-- wiederum Auskunftsersuchen an Dritte zu richten, ohne dass der Kläger vorher zu dem Sachverhalt befragt werde.
- 29
-
2. Das FG hat die Klage zu Recht im Rahmen seiner Prüfungskompetenz nach § 102 FGO als begründet angesehen. Das Auskunftsersuchen des FA an die B ist rechtswidrig gewesen.
- 30
-
a) Vorliegend hat das FG den Ermessensgebrauch des FA anhand des Zwecks des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO überprüft und im Rahmen seiner Prüfungskompetenz aus § 102 FGO gehandelt.
- 31
-
Es hat lediglich die fehlerfreie Ermessensausübung durch das FA kontrolliert und nicht etwa nach einer besseren, zweckmäßigeren oder sachgerechteren Lösung gesucht (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 102 Rz 1).
- 32
-
b) Zu Recht geht das FG davon aus, das FA habe von seinem Ermessen in einer dem Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.
- 33
-
aa) Nach § 93 Abs. 1 AO haben Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Im Rahmen ihrer Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt zur Durchsetzung materiell-rechtlich begründeter Steueransprüche aufzuklären (§§ 85, 88 AO), darf sich die Finanzbehörde derjenigen Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 92 Satz 1 AO). Zu diesen Beweismitteln zählen auch Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten im Besteuerungsverfahren (§ 92 Satz 2 Nr. 1 AO). Die rechtliche Befugnis zu solchen Auskunftsverlangen ergibt sich aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AO (vgl. hierzu und auch zum Nachfolgenden: BFH-Urteil vom 4. Oktober 2006 VIII R 53/04, BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227).
- 34
-
Die Inanspruchnahme dieser Befugnisse verstößt grundsätzlich nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze (BFH-Urteil vom 22. Februar 2000 VII R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366, m.w.N.; dazu Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 15. November 2000 1 BvR 1213/00, BStBl II 2002, 142).
- 35
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bb) Für ihr Tätigwerden bedürfen die Finanzbehörden indes eines hinreichenden Anlasses. Ermittlungen "ins Blaue hinein" sind unzulässig (BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, m.w.N.).
- 36
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(1) Die Finanzämter sind --ungeachtet der besonderen Aufgabenzuweisung an die Fahndungsstellen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 AO-- nach § 208 Abs. 3 AO nicht gehindert, in derselben Sache wie die Fahndung tätig zu werden oder sich sogar bestimmte Ermittlungen vorzubehalten. Sie können z.B. eine Außenprüfung anordnen oder selbst Einzelermittlungen gemäß § 88 Abs. 1 AO durchführen (BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, unter II.2.b; zur Abgrenzung vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1997 VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461, m.w.N.).
- 37
-
Die Finanzbehörden dürfen das nach ihrer Auffassung zweckmäßigste Mittel für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen auswählen und zwar auch im Hinblick auf eine mögliche Steuerstraftat. Dies gilt gleichermaßen, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Steuerpflichtige den steuerlich erheblichen Sachverhalt offenlegt. Auch in einem solchen Fall besteht regelmäßig kein zwingender Anlass, die Verwaltung von vornherein ausschließlich auf den Einsatz der Steuerfahndung zu verweisen (vgl. hierzu und zum Nachstehenden: BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, m.w.N.).
- 38
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(2) Ein hinreichender Anlass liegt nicht erst vor, wenn ein begründeter Verdacht dafür besteht, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten gegeben sind. Vielmehr genügt es, wenn aufgrund konkreter Umstände oder aufgrund allgemeiner Erfahrung ein Auskunftsersuchen angezeigt ist.
- 39
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Danach dürfen Auskünfte von anderen Personen schon dann eingeholt werden, wenn die Finanzbehörde im Rahmen ihrer Tätigkeit --sei es aufgrund konkreter Momente, sei es aufgrund allgemeiner Erfahrung-- zu dem Ergebnis gelangt ist, die Auskünfte könnten zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen (ferner BVerfG-Urteil vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.III.3.a ee der Gründe).
- 40
-
Zu den steuerlich erheblichen Tatsachen zählt alles, was die finanzbehördlichen Entscheidungen in einem steuerrechtlichen Verwaltungsverfahren beeinflussen kann (vgl. Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 93 AO Rz 10).
- 41
-
Die in diesem Sinne erheblichen, mitzuteilenden "Tatsachen" müssen lediglich im Rahmen einer Prognoseentscheidung möglich sein (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, ständige Rechtsprechung). Die Finanzbehörde hat hierüber im Wege einer vorweggenommenen Beweiswürdigung zu befinden (BFH-Urteile vom 18. Februar 1997 VIII R 33/95, BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499; vom 30. März 1989 VII R 89/88, BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537, ständige Rechtsprechung). Im Interesse der gesetzmäßigen und gleichmäßigen Besteuerung und zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich gebotenen Verifikationsprinzips sind die Anforderungen an diese Prognoseentscheidung nicht zu hoch anzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VIII R 1/86, BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Insbesondere darf noch unklar sein, ob der Vorgang steuerbar ist und ob er im Ergebnis zu einer Steuerpflicht führt. § 93 Abs. 1 AO ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass möglicherweise eine Steuerschuld entstanden oder die Steuer verkürzt worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Nur dann, wenn klar und eindeutig jeglicher Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit fehlt, ist das Auskunftsverlangen rechtswidrig (weiterführend, auch zur Prognoseentscheidung: BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, unter II.2.b, m.w.N.).
- 42
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cc) Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO sollen andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Durch die Ausgestaltung der Norm als Sollvorschrift kommt zum Ausdruck, dass die Behörde in der Regel nach ihr verfahren muss (BFH-Urteil in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537). Dieses Subsidiaritätsprinzip ist eine spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (so auch Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 93 AO Rz 17). Nur in atypischen Fällen darf die Finanzbehörde hiervon abweichen, wobei am Zweck der Vorschrift zu messen ist, ob ein solcher atypischer Fall vorliegt (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1989 VII R 1/87, BFHE 158, 502, BStBl II 1990, 198, unter II.2.b, m.w.N.).
- 43
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Unterstrichen wird dies auch im Vergleich zu den Befugnissen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO. Aufgabe der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten. Nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ist es daneben Aufgabe der Steuerfahndung, unbekannte Steuerfälle aufzudecken und zu ermitteln. In beiden Fällen gelten gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 AO die Einschränkungen des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO nicht (so auch ausdrücklich BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.4.c; ebenso jüngst BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, unter II.1.b). Folglich gilt außerhalb der Tätigkeit der Steuerfahndung die besondere Herangehensweise bei Auskunftsersuchen an Dritte: Vor dem Auskunftsersuchen an Dritte ist im Regelfall der Steuerpflichtige zu befragen.
- 44
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Hierdurch wird auch dem doppelten Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO entsprochen. Danach soll zum einen vermieden werden, dass Nichtbeteiligte Einblick in die steuerlich relevanten Verhältnisse der Beteiligten erhalten, zum anderen sollen dem Dritten die mit der Auskunft verbundenen Mühen erspart werden (so Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 82; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Rz 17; Eich, Der AO-Steuer-Berater 2004, 18, 20).
- 45
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dd) Atypische Fälle im Zusammenhang mit § 93 Abs. 1 Satz 3 AO hat die bisherige BFH-Rechtsprechung vereinzelt angenommen.
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Ausnahmen vom sog. Subsidiaritätsprinzip hat die bisherige BFH-Rechtsprechung dann angenommen, wenn
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der Beteiligte unbekannt ist (z.B. BFH-Urteil in BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227) oder
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der Beteiligte nicht mitwirkt (z.B. BFH-Urteil in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537).
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Kein solch atypischer Fall lag dem Streitfall zugrunde. Weder war die Identität des Beteiligten (Klägers) unbekannt noch hat der Beteiligte (Kläger) die Mitwirkung verweigert.
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ee) Der Senat vermag im Streitfall auch keinen weiteren atypischen Fall zu erkennen.
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Es liegt im Interesse des Klägers, dass Dritte jedenfalls zunächst nichts über eine laufende Betriebsprüfung und --aus Sicht der Prüfer-- möglicherweise nicht erklärte Provisionserlöse erfahren. Er hat ein Anrecht darauf, dass seine Reputation nicht beschädigt wird und seine Geschäftspartner nicht den Eindruck bekommen, er vernachlässige seine steuerlichen Pflichten. Dies ist Ausdruck seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Zudem entspricht es den Interessen der Dritten, nur in Ausnahmefällen in fremde Besteuerungsverfahren einbezogen zu werden.
- 50
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Etwas anderes könnte nur gelten, wenn von vornherein feststeht, dass der Beteiligte entweder nicht mitwirken wird oder --was vorliegend allein relevant erscheint-- die Erfolglosigkeit seiner Mitwirkung offenkundig ist. Auf letztes kann eine Finanzbehörde aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beteiligten bei konkreten nachweisbaren Fakten im Rahmen einer vorweggenommenen Beweiswürdigung schließen. Nicht ausreichend ist es, eine solche Beweiswürdigung schon dann als vertretbar zu werten, wenn sie (nur) nicht willkürlich erfolgte (so aber Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Rz 20).
- 51
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Ermächtigt eine Norm wie § 93 Abs. 1 AO zu Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, so muss dieser --auch im engeren Sinne-- verhältnismäßig sein. Dies bedeutet, die Schwere des Eingriffs darf bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen (vgl. nur BVerfG-Beschluss vom 29. September 2013 2 BvR 939/13, wistra 2014, 16, unter II.1., m.w.N., ständige Rechtsprechung). Dabei muss beachtet werden, welche Möglichkeiten der Grundrechtsträger hat, eine eventuelle Grundrechtsbeeinträchtigung oder jedenfalls weitere Folgen des Eingriffs abwehren zu können. Wird eine Maßnahme heimlich durchgeführt, so ist es dem Betroffenen faktisch verwehrt, sich gegen sie im Voraus zur Wehr zu setzen (so schon BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05, BVerfGE 118, 168, unter C.I.3.d cc (1)).
- 52
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Folglich muss die Finanzbehörde es im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung aufgrund konkreter Tatsachen als zwingend ansehen, dass die Mitwirkung des Beteiligten erfolglos bleiben wird.
- 53
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Im Streitfall konnte die Finanzbehörde im Rahmen der vorweggenommenen Beweiswürdigung nicht aufgrund konkreter Tatsachen davon ausgehen, dass die Mitwirkung des Klägers erfolglos bleiben wird.
- 54
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.
(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.
(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.
(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.
(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.
(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.
(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit
- 1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder - 2.
(weggefallen)
- 3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder - 4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder - 4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder - 4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 - 4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
- 5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,
- 1.
den für die Verwaltung - a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, - b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, - c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, - d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, - e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, - f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und - g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- 2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und - 3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
- 1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und - a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder - b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder - c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
- 2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder - 3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.
(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.