Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Mai 2014 - 11 S 2224/13

bei uns veröffentlicht am14.05.2014

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - geändert.

Ziffer 2 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.02.2014 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage gegen die Verfügungen des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 und vom 24.02.2014 abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Das beklagte Land wendet sich mit seiner Berufung gegen die Aufhebung der Verfügung, mit der das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger ausgewiesen und die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG abgelehnt hat, durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart. Der Kläger, der der Berufung entgegentritt, begehrt hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten zur Befristung der Ausweisung auf Null.
Der am ...1964 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er ist ledig und kinderlos. Sein Vater ist inzwischen verstorben, die Mutter wohnt noch in der Türkei.
Der Kläger besuchte die 5-jährige Primärschule und das Gymnasium. Ab 1988 studierte er an der Universität A... Soziologie. Im Jahre 1989 wurde er in der Türkei unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der Revolutionären Linken inhaftiert. Nach etwa einem Jahr wurde er während des laufenden Strafverfahrens zunächst entlassen und setzte sein Studium fort. Zwei Jahre später wurde er zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, worauf er sich weitere etwa drei Jahre in Haft befand, bis er aufgrund einer Amnestie der türkischen Regierung entlassen wurde. Als er erfuhr, dass er erneut wegen Strafverfolgung gesucht wurde, nämlich aufgrund des Inhalts seiner Verteidigungsrede im vorherigen Strafverfahren, befürchtete er, auch den Rest der Freiheitsstrafe von 15 Jahren verbüßen zu müssen, und floh unter Verwendung eines falschen Passes Ende 1995 nach Deutschland.
Am 20.11.1995 stellte er einen Asylantrag, der vom Bundesamt abgelehnt wurde. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11.05.2000 - 5 K 10696/96 - wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (1990) hinsichtlich der Türkei vorliegen.
Der Kläger erhielt am 29.09.2000 eine Aufenthaltsbefugnis, die bis zum 19.09.2006 verlängert wurde. Nachdem er die Verlängerung beantragt hatte, erhielt er zunächst Fiktionsbescheinigungen.
Mit Bescheid des Bundesamts vom 09.10.2008 wurde die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG widerrufen. Mit rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18.02.2009 - A 11 K 4050/08 - wurde dieser Widerrufsbescheid aufgehoben.
Die von den türkischen Behörden im Jahre 2008 beantragte Auslieferung des Klägers unterblieb, weil das Bundesministerium der Justiz dieser nicht zugestimmt hatte.
Der Kläger ist rechtskräftig wegen Urkundenfälschung, mehreren Verstößen gegen das Asylverfahrensgesetz sowie Beleidigung in zwei Fällen und versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden. Zuletzt wurde er mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 - 18 KLs 6 Js 39617/08 - wegen Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot nach dem Vereinsgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten auf Bewährung verurteilt. Nach den dortigen Feststellungen hat der Kläger das über die DHKP-C verhängte Organisationsverbot gekannt und sich spätestens ab Juli 2006 bis 21.03.2007 als Aktivist dieser Vereinigung betätigt. Aufgrund seiner langjährigen Affinität zur „Revolutionären Linken" und der festgestellten Nähebeziehung des Klägers zum Gebietsverantwortlichen Süd der DHKP-C in Deutschland und seiner engen Verbindung zum DHKP-C Aktivisten E... G..., für den er in seiner Wohnung wichtige Unterlagen verwahrt und der ersichtlich beim Druck und Vertrieb der „Yürüyüs" eine entscheidende Rolle gespielt hat, erschien es dem Landgericht ausgeschlossen, dass der Kläger das DHKP-C-Verbot nicht gekannt hat oder dass ihm die Eigenschaft der „Yürüyüs" als Publikationsorgan der verbotenen Organisation verborgen geblieben ist, deren Vertrieb er vereinsbezogen unterstützt hat. Zugunsten des Klägers wurde davon ausgegangen, dass er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C nicht befürwortet und die Organisation in den letzten Jahren nicht durch Gewalttaten in Deutschland aufgefallen ist.
Der Kläger arbeitete - meist geringfügig oder untervollschichtig - für verschiedene Unternehmen im Reinigungsgewerbe. Zuletzt wurde ihm am 17.01.2007 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG befristet bis zum 16.01.2010 erteilt. Auf seine Vorsprache bei der zuständigen Ausländerbehörde erhielt der Kläger am 15.01.2010 eine Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG, die letztmalig am 19.07.2011 bis zum 23.01.2012 verlängert wurde.
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Mit Schreiben des Beklagten vom 31.10.2011 wurde der Kläger zu der beabsichtigten Ablehnung seines Antrags und zur beabsichtigten Ausweisung angehört.
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Mit Bescheid vom 20.01.2012, zugestellt am 23.01.2012, wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziffer 1). Sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde abgelehnt (Ziffer 2). Weiterhin wurde er verpflichtet, sich einmal wöchentlich bei dem Polizeirevier 8 in S...-... zu melden; sein Aufenthalt wurde auf das Stadtgebiet S... beschränkt (Ziffer 3). Der sofortige Vollzug der Verfügungen zu Ziffer 1 und 3 wurde angeordnet.
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Die Ausweisungsentscheidung wurde auf § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG gestützt. Die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 seien nicht gegeben, weil der Kläger nicht Arbeitnehmer in diesem Sinne sei, weshalb ihm eine Privilegierung nach § 14 ARB 1/80 nicht zu Gute komme. Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG lägen vor, weil der Kläger die DHKP-C, eine terroristische Organisation, unterstütze. Auch die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG lägen vor. Der Ausweisung des Klägers stehe auch nicht der besondere Ausweisungsschutz des § 56 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG entgegen, weil die Ausweisung aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geboten sei. Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK stünden der Ausweisung schon deshalb nicht entgegen, weil der Kläger in keiner familiären Gemeinschaft lebe. Nach dem Grundsatz der Herabstufung sei über die Ausweisung nach Ermessen zu entscheiden gewesen. Die danach vorzunehmende Abwägung gehe zu Lasten des Klägers aus. Die Ausweisung des Klägers verfolge general- und spezialpräventive Zwecke. Auch wenn er aufgrund seines Abschiebeschutzes zu dulden sei, sei der Erlass der Ausweisungsverfügung auf der Grundlage des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG bereits deshalb erforderlich und sinnvoll, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Der Erteilung eines Aufenthaltstitels stehe bereits die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG entgegen. Darüber hinaus sei die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 5 Abs. 4 AufenthG zwingend zu versagen, da die Ausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG erfüllt seien. Auch lägen keine Anhaltspunkte für eine tätige Reue nach § 5 Abs. 4 Satz 2 AufenthG vor. Die Anordnung von Überwachungsmaßnahmen nach § 54a AufenthG sei aus Gründen der inneren Sicherheit erforderlich.
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Mit dem am 22.02.2012 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Eilantrag - 11 K 582/12 - beantragte der Kläger, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Verfügung vom 20.01.2012 wiederherzustellen. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23.05.2012 wurde diesem Antrag hinsichtlich der Ziffern 1 und 3 entsprochen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde des Beklagten wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 28.01.2013 - 11 S 1187/12 - zurückgewiesen.
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Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage gegen die Ausweisung“ erhoben, beantragt, den Bescheid vom 20.01.2012 aufzuheben und im Wesentlichen geltend gemacht, ihm würden Sachverhalte vorgehalten, die lange zurücklägen. Im Übrigen habe er immer bestritten und bestreite dies unverändert, zu irgendeinem Zeitpunkt die DHKP-C tatsächlich unterstützt zu haben. Er habe immer die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland respektiert und beachtet.
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Das beklagte Land ist der Klage entgegengetreten.
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Mit Urteil vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - hat das Verwaltungsgericht den angegriffenen Bescheid insgesamt aufgehoben. Ob der Beklagte zu Recht davon ausgegangen sei, dass dem Kläger kein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen mit der Türkei zukomme, könne dahinstehen, weil jedenfalls die tatbestandlichen Voraussetzungen der vom Beklagten geltend gemachten Ausweisungsgründe gemäß § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG nicht vorlägen. Zudem habe der Beklagte von dem ihm eingeräumten Ermessen einen fehlerhaften Gebrauch gemacht. Habe die Ausweisung keinen Bestand, erwiesen sich die unter Ziffer 2 und 3 des Bescheids vom 20.01.2012 getroffenen Regelungen ebenfalls als rechtswidrig.
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Das beklagte Land hat gegen dieses ihm am 24.05.2013 zugestellte Urteil am 07.06.2013 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Dazu hat es u.a. ausgeführt, dass es an seinen generalpräventiven Ermessenserwägungen (vgl. Ausweisungsverfügung S. 46) nicht festhalte und die Ausweisung des Klägers allein tragend auf spezialpräventive Gründe stütze. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.12.2011 (1 C 14.10) hat es die entsprechenden Ausführungen in seinem Bescheid ersetzt.
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Mit Beschluss vom 22.10.2013, dem Beklagten zugestellt am 28.10.2013, hat der Senat die Berufung des Beklagten wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zugelassen.
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Das beklagte Land hat die zugelassene Berufung am 25.11.2013 begründet und im Wesentlichen geltend gemacht, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe der Kläger durch sein Verhalten die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG erfüllt. Er habe seit 1998 bis in die Gegenwart die Terrororganisation DHKP-C in qualifizierter Weise unterstützt, er sei DHKP-C-Funktionär und er gefährde die Sicherheit und die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, da
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- er 1998 und 2001 bei Polizeikontrollen zahlreiche DHKP-C-Publikationen und DHKP-C-Propagandamaterial mit sich geführt,
- 2002 an einer DHKP-C-Schulung teilgenommen habe,
- zumindest im Jahr 2006 zusammen mit dem hohen DHKP-C-Funktionär A... D... Y... für die Terrororganisation tätig gewesen sei und den A... D... Y... auch beherbergt habe und
- 2006 und 2007 am entgeltlichen Vertrieb der DHKP-C-Zeitschrift „Yürüyüs" auch überregional und ins benachbarte Ausland umfassend beteiligt gewesen sei,
- bei Durchsuchungen seiner Wohnung 2006 und 2007 sowie einer Polizeikontrolle 2007 wiederum zahlreiche Exemplare der „Yürüyüs", Lieferscheine, Adressen und Quittungen, ein Block Eintrittskarten für das DHKP-C-Europatreffen April 2007 und zwei DHKP-C-Propaganda-CD's zum DHKP-C-Todesfasten bei ihm vorgefunden worden seien,
- er regelmäßiger Besucher des DHKP-C-Tarnvereins „Anatolisches Kunst- und Kulturhaus e.V." in S... gewesen sei und an dessen Veranstaltungen teilgenommen habe und
- mit DHKP-C-Aktivisten wie E... D... und E... G... für die Terrororganisation tätig gewesen sowie
- an den DHKP-C-Parteiveranstaltungen am 10.04.2010 in Wuppertal, am 16.04.2011 in Lüttich/Belgien und am 18.12.2011 in Stuttgart teilgenommen habe.
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Diese Aktivitäten seien zudem vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Kläger bereits in der Türkei seit Ende der 80-er Jahre der Vorläuferorganisation Devrimci Sol angehört und diese unterstützt habe. Zu den Aktivitäten des Klägers im Einzelnen werde auf die Ausweisungsverfügung, das Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren und die Begründung des Zulassungsantrags verwiesen. Die dort genannten nachgewiesenen Tatsachen rechtfertigten die Schlussfolgerung, dass der Kläger die DHKP-C in qualifizierter Weise unterstütze und ihr durch strukturelle Einbindung als Funktionär angehöre. Der Kläger sei bis in die Gegenwart einvernehmlich als Funktionär mit eigenem Verantwortungsbereich in die Strukturen der DHKP-C eingebunden gewesen und fördere damit den inneren Zusammenhalt und die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele und damit deren Gefährlichkeit nicht nur in der Türkei, sondern durch Stärkung der hier befindlichen DHKP-C-Rückfront auch in der Bundesrepublik Deutschland. Dies alles sei dem Kläger nicht nur ohne weiteres erkennbar gewesen, sondern er habe auch angesichts seiner langjährigen Einbindung in die DHKP-C und ihre Vorläuferorganisation Devrimci Sol diese Terrororganisation wissentlich und willentlich unterstützt und gehöre ihr ebenso wissentlich und willentlich in gehobener Funktion an, so dass neben dem objektiven auch der subjektive Tatbestand der Art. 21 und 24 QRL i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt sei.
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Hinzu kämen weitere Tatsachen und Erkenntnisse aus dem strafgerichtlichen Verfahren und dem darauf beruhenden Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 -) betreffend den DHKP-C-Aktivisten und -Funktionär E... D..., die durch die dortigen Beweismittel belegt seien. So werde nach dem Strafurteil beispielhaft für eine DHKP-C-Massenschulung „eine in der Zeit vom 19. bis 30. August 2002 in Neuhausen-Schellbronn (Enzkreis) durchgeführte, als „Familientreffen" bezeichnete Veranstaltung" angeführt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 30). Weiter werde seine Mitwirkung am entgeltlichen Vertrieb der DHKP-C-Zeitschrift „Yürüyüs" zusammen mit dem DHKP-C-Funktionär A... D... Y... und den DHKP-C-Aktivisten E... D... und E... G... im Frühjahr/Sommer 2006 detailliert dargelegt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 38 und 94 ff.) und zudem darauf hingewiesen, dass es „gerichtsbekannt sei", dass es sich bei der „Yürüyüs" „um eine von der DHKP-C zur propagandistischen Verbreitung ihrer Zielsetzungen und Aktivitäten genutzte Publikation handelt", wobei das OLG Stuttgart „auch auf die überzeugenden Ausführungen im (dortigen) Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz" Bezug nehme (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 81). Zu Lasten des Klägers gingen auch die weiteren Feststellungen des Strafurteils, wonach neben E... D...-... am 28.11.2006 „- der ebenfalls im Gebiet S... für die DHKP-C agierende 'Aktivist'“ - auch der Kläger von der Polizei - schlafend in den Räumlichkeiten des Tarnvereins der Organisation in S... (S... ...) angetroffen worden sei und im Rahmen der damit einhergehenden Durchsuchungsmaßnahmen u.a. „ein USB-Stick und ein blaues Ringbuch“ aufgefunden und sichergestellt worden seien, welche „Aufzeichnungen über Abrechnungen aus dem Verkauf der Zeitschrift Yürüyüs, den Zeitraum Mai 2005 bis November 2006 betreffend" enthalten hätten, wobei im Ringbuch überdies (handschriftlich) Vermerke zu Spendengeldsammlungen in Süddeutschland eingetragen gewesen seien (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 39). Auch führe das Strafurteil aus, dass E... D... und O... zusammen mit dem seinerzeit (ebenfalls) im Gebiet S... für die DHKP-C tätigen Kläger und einer weiteren (männlichen) Person - in einem PKW von S... aus – in die Niederlande gefahren sei, nachdem der frühere Generalsekretär der DHKP-C, Dursun Karatas, dort am selben Tag (11. August 2008) verstorben gewesen sei (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 41). Von Bedeutung seien auch die Ausführungen in dem Strafurteil, „dass E... D... - u.a. zusammen mit A... T... - der Gruppierung um den (früheren) Verantwortlichen der DHKP-C im Gebiet S..., Ö... A..., angehörte" und dass „diese Einschätzung durch die nachweislichen Kontakte zwischen" E... D... „und A... T..." gestützt werde (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 99 f.). Zudem lege das Strafurteil dar, dass E... D... „auch in Unterredungen mit dem (früheren) Deutschlandverantwortlichen Ö... im November 2009 (andauernden) Kontakt mit 'A...' bestätigt und im Zuge der Berichterstattung über (vormalige organisationsinterne) Gegebenheiten im Gebiet S... ergänzende Ausführungen zu 'A...' gemacht habe, wobei aus dem Sinnzusammenhang deutlich werde, dass es sich um den Kläger handele (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 100). Wichtige Hinweise enthalte das Strafurteil auch insofern, als das Parteifest der DHKP-C in Wuppertal am 10.04.2010 erwähnt werde, „auf dem (u.a.) eine Verlautbarung der Partei bekannt gegeben wurde, in der (auch) die 'Fortsetzung des Kampfes für Sozialismus und Revolution durch die DHKP-C' thematisiert wurde" (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 45). Dies gelte entsprechend für die gerichtlichen Ausführungen zu dem am 16.04.2011 „aus Anlass des Parteigründungstags veranstalteten Jahrestreffen der DHKP-C in Lüttich/Belgien" und die am 18.12.2011 „in Stuttgart durchgeführte(n) 'Gedenkveranstaltung der DHKP-C' zum Jahrestag der 'Gefängniserstürmung' in der Türkei" (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 45; zur Bedeutung des jährlichen Parteifestes zum Gründungstag und Gedenken an die „Gefallenen der Revolution" sowie als kommerzielle Veranstaltung vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 24 f.). In dem Strafurteil wurden weiterhin neben den bis 2012 von der DHKP-C verübten Attentaten auch die DHKP-C-Anschläge seit 2012 bis in die Gegenwart sowie eine von der Terrororganisation durchgeführte interne „Bestrafungsaktion" an einer DHKP-C-Zugehörigen am 25.10.2012 angeführt. Weiter werde durch das Strafurteil der konspirative politisch-terroristische Charakter der DHKP-C-Schulung vom 19.08.2002 bis 30.08.2002 in Neuhausen, an welcher der Kläger teilgenommen habe, nachdrücklich bestätigt. Zudem belege das Strafurteil auch die bewusste und gewollte umfassende und eigenverantwortliche Beteiligung des Klägers am entgeltlichen Vertrieb in Deutschland und Europa der von der DHKP-C zur massenhaften Propagierung und Weiterverbreitung ihrer Ideologie und Aktivitäten genutzten Zeitschrift „Yürüyüs" in Zusammenarbeit mit dem hohen DHKP-C-Funktionär ...-... D... Y... und weiteren DHKP-C-Aktivisten und -Funktionären. Durch die Zugehörigkeit des Klägers zu der Gruppierung um den früheren Gebietsleiter für S... Ö... A... werde zum Ausdruck gebracht, dass seinerzeit eine strukturierte und gehobene Eingliederung des Klägers in die DHKP-C bestanden habe. Die Wichtigkeit des Klägers belege auch die Tatsache, dass der DHKP-C-Aktivist E... D... in Unterredungen mit dem früheren DHKP-C-Deutschlandverantwortlichen Ö... im November 2009 über die andauernde Verbindung zu dem Kläger berichtet und ergänzende Ausführungen zu ihm gemacht habe.
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Mit Schriftsatz vom 03.03.2014 hat das beklagte Land seine Berufungsbegründung ergänzt und weitere Tatsachen und Erkenntnisse zur qualifizierten Unterstützung und Funktionärsstellung des Klägers in das Verfahren eingebracht. Diese gingen insbesondere aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) betreffend den DHKP-C-Aktivisten und -Funktionär E... D... und aus der auszugsweise beigefügten Anklageschrift des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 28.01.2014 - 2 BJs 37/11.7, 2 StE 1/14-7 - hervor und seien durch die dort erlangten Beweismittel belegt. So ergebe sich im Hinblick auf eine frühzeitige Einbindung des Klägers in das organisationsinterne Geldbeschaffungssystem bzw. den Vertrieb von Publikationen und die Befassung des Klägers mit dem Finanzwesen der DHKP-C als wichtige innerorganisatorischer Aufgabe aus einer organisationsinternen Notiz der DHKP-C-„Rückfront" in Deutschland (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 4) vom 15.12.2002, dass er bei Spendengeldsammlungen - organisationsintern konspirativ mit den Begriffen „Kampagne(n)"/„Kassette(n)" umschrieben - eingesetzt worden sei. Aus den in der OLG-Entscheidung zitierten organisationsinternen DHKP-C-Berichten vom 15.02.2002 und vom 01.02.2003 gehe hervor, dass er bereits Anfang 2002 und 2003 durch Spendengeldsammlungen zur Finanzierung der DHKP-C und deren „Rückfront" im Bundesgebiet eingebunden gewesen sei, was seinen Aktivisten- und Funktionärsrang bestätige. Hinzukomme, dass auch im Zusammenhang mit der Vorbereitung bzw. Durchführung kommerzieller Veranstaltungen der DHKP-C und bereits durchgeführter oder noch durchzuführender Maßnahmen wie z. B. Reservierung von Flugtickets, Versand von Einladungen, Kauf/Versand von (Flug-)Tickets im Hinblick auf anstehende (Bühnen- bzw. Saal-) „Abende" (der „Yorum-Leute" bzw. „Kubat", „Haluk Levent") vom Kläger die Rede sei. Er sei danach im Zeitraum von Anfang 2002 bis Anfang 2003 im Gebiet S... zusätzlich mit der Vorbereitung und Durchführung kommerzieller DHKP-C-Veranstaltungen betraut gewesen, wobei die von ihm geleistete Arbeit zur Finanzierung der Terrororganisation offenbar erfolgreich verlaufen sei, da die relativ hohe Geldsumme alleine im Stadtgebiet S... in Höhe von 6043 Euro erzielt worden sei und die gute Atmosphäre sowie der gut laufende Ticketverkauf in seinem Gebiet organisationsintern gelobt worden seien. Außerdem werde der Verkauf von Tickets für der DHKP-C zuzurechnende kommerzielle Veranstaltungen zusätzlich durch die Tatsache untermauert, dass er auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 bei einer Polizeikontrolle am 21.03.2007 in Verkaufsabsicht bei sich getragen habe.
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Zudem habe der Kläger im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit auch Delegationen der Organisation angehört, die zu Veranstaltungen im (europäischen) Ausland entsandt worden seien, wie aus einem organisationsinternen Bericht vom 15.12.2002 hervorgehe. So habe der Kläger einer DHKP-C-Delegation angehört, die von S... aus nach Kopenhagen entsandt worden sei, wobei es sich dort wohl um eine Großveranstaltung gehandelt habe. Dieses Agieren bestätige die Einbindung des Klägers in das organisationsinterne Weisungssystem, da seine Entsendung in einer DHKP-C-Delegation von insgesamt 35 Personen nach Kopenhagen naturgemäß aufgrund einer Anordnung ihm übergeordneter DHKP-C-Führungsmitglieder stattgefunden haben müsse. Dass er weisungsgebunden für die Terrororganisation tätig gewesen sei, stehe seinem eigenen Funktionärsstatus nicht entgegen.
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Mit Verfügung vom 24.02.2014 hat das Regierungspräsidium die Wirkungen der Ausweisung auf 10 Jahre nach erfolgter Ausreise befristet (Ziffer 1). Hierzu hat es in Ziffer 2 bestimmt, dass, sollte der Kläger vor Fristablauf unerlaubt wieder in das Bundesgebiet einreisen, der Lauf der Frist nach Ziffer 1 während seines Aufenthalts gehemmt werde mit der Folge, dass sich das Fristende um die Zeitdauer des unerlaubten Aufenthalts verschiebe.
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Das beklagte Land beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise: die Wirkungen der Ausweisung auf Null zu befristen.
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Er erwidert auf die ihm am 02.12.2013 zugestellte Berufungsbegründung im Wesentlichen, dass es unzutreffend sei, dass er seit 1998 bis in die Gegenwart die DHKP-C in qualifizierter Weise unterstützt habe oder gar Funktionär dieser Organisation sei. Er habe eingeräumt, vor vielen Jahren an untergeordneter Stelle an der Verbreitung der in der Türkei frei erhältlichen Zeitung „Yürüyüs" beteiligt gewesen zu sein. Ansonsten werde ihm lediglich der Besuch politischer Veranstaltungen sowie die Bekanntschaft bestimmter Personen vorgehalten. Nichts anderes ergebe sich aus den Gründen des Urteils des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.6.2013 gegen Herrn E... D... Die vom Beklagten mitgeteilten Tatsachen ließen auch nicht die Schlussfolgerung zu, dass er die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG erfülle.
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Gegen die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage gegen Ziff. 2 der Verfügung bestünden keine Bedenken. Die Meldeauflage in Ziff. 3 der Verfügung sei mit Art. 33 QRL nicht vereinbar.
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Zur beantragten Befristung trägt der Kläger vor, aufgrund seiner Flüchtlingsanerkennung sowie der besonderen Umstände des Einzelfalles sei die Wirkung der Ausweisung „auf Null" zu befristen. Das Bundesverwaltungsgericht habe mehrfach entschieden, dass in Ausnahmefällen die Befristung der Sperrwirkung auch ohne vorherige Ausreise möglich sei. So müsse die Sperrwirkung mit sofortiger Wirkung und ohne Ausreise beendet werden, wenn die Gründe für die Freizügigkeitsbeschränkungen nicht mehr vorlägen. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.V.m. Art. 6 GG könne im Einzelfall die Befristung der Sperrwirkung einer Ausweisung nach § 11 Absatz 1 Satz 2 AufenthG gebieten, ohne dass der Ausländer zur vorherigen Ausreise verpflichtet sei. Der gleiche Rechtsgedanke gebiete bei einem Flüchtling, der in sein Verfolgerland nicht zurückkehren und somit auch nicht ausreisen könne, eine verkürzte Befristung, da er ansonsten lebenslänglich an die Aufenthaltsbeschränkung gebunden wäre.
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In den mündlichen Verhandlungen vom 06.03.2014 und vom 14.05.2014 wurde der Kläger befragt. Insoweit wird auf die Niederschriften verwiesen. In der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 erhielt der Beklagte Schriftsatzfrist zur Ergänzung und Aktualisierung seiner Ermessenserwägungen, worauf das Regierungspräsidium mit Schriftsatz vom 20.03.2014 zunächst nochmals darauf hinwies, dass die Ausweisung des Klägers aus rein spezialpräventiven Gründen erfolgt sei (vgl. RPS-Schriftsatz vom 19.07.2013, S. 17 ff., und vom 10.02.2014, S. 1), und auf die Ausweisungsverfügung sowie seine bisherigen Schriftsätze Bezug nahm, mit denen weitere sicherheitsrelevante Erkenntnisse über den Kläger ausdrücklich in das laufende Verfahren eingebracht worden seien. Zudem seien im Verlauf der mündlichen Verhandlung am 06.03.2014 zusätzliche Erkenntnisse über den Kläger bekannt geworden, da sich aus den vom Senat beigezogenen Gefangenenpersonalakten ergeben habe, dass der Kläger in der JVA R... Ende 2000 selbst an einem Hungerstreik teilgenommen habe, der maßgeblich von der DHKP-C gesteuert worden sei, und er außerdem nach den Auszügen des Vereinsregisters des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses als einer von drei Versammlungsleitern das Protokoll über die satzungsändernde Versammlung im Jahr 2007 unterschrieben habe. Diese neuen Erkenntnisse würden ebenfalls in das hiesige Verfahren einbezogen und der Ausweisung zugrunde gelegt. An der Verwirklichung der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG werde nicht festgehalten. Auch könne nach den vorliegenden Fakten zu den beruflichen Tätigkeiten davon ausgegangen werden, dass der Kläger keine Rechtsposition nach Art. 6 ARB 1/80 besitze (vgl. Ausweisungsverfügung S. 4 ff. und 16 ff.). Aber selbst wenn er Rechte aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, stünde Art. 14 ARB 1/80 seiner Ausweisung nicht entgegen. In Anbetracht dieser Sachlage und der Bezugnahme in der mündlichen Verhandlung am 06.03.2013 auf den Schriftsatz vom 03.03.2014 letzter Absatz Ziffer 4 (vgl. Niederschrift S. 5 und 6) ergänzte das Regierungspräsidium seine Ermessenserwägungen. Hinsichtlich des Inhalts dieser Ergänzung wird Bezug auf den Schriftsatz vom 20.03.2014 genommen. Das Regierungspräsidium hat nicht mehr daran festgehalten, dass die Ausweisung erforderlich sei, um die Überwachungsmaßnahmen des § 54a AufenthG auszulösen. Sie sei jedoch weiterhin bereits deshalb sinnvoll, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Diese zwingenden gesetzlichen Rechtsfolgen entsprächen eher als diejenigen der §§ 12 und 61 AufenthG dem Charakter der schwerwiegenden Ausweisungsgründe des § 54 Nr. 5 AufenthG. Art. 33 QRL 2011/95/EU stehe der Verhängung von Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen gemäß § 54a AufenthG gegenüber Personen mit internationalem Schutz nicht entgegen. Aber selbst wenn § 54a AufenthG aufgrund des Art. 33 QRL nicht zur Anwendung gelangen könnte, bestünde doch eine wesentliche Funktion der Ausweisung darin, ein mögliches Recht aus Art. 6 ARB 1/80 zu beseitigen. Weiterhin wäre die Ausweisung auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn das Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG dauernden Bestand hätte, da die Frage, welches Gewicht den Gefahrenlagen zukomme, maßgeblich von den Ausweisungsgründen abhänge. Schließlich ergebe sich selbst bei Außerachtlassung der Veranstaltungsteilnahme vom 18.12.2011 aus der Teilnahme des Klägers an der DHKP-C-Parteiveranstaltung vom 16.04.2011 ein vergleichbarer Gegenwartsbezug.
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In Erwiderung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, von seiner Person gehe keine "schwerwiegende" Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne von Art. 11 Abs. 2 S. 2 RFRL aus. Hieran ändere auch nichts die Tatsache, dass er in der Justizvollzugsanstalt R... Ende 2000 an einem dreitägigen Hungerstreik wegen der Haftbedingungen für politische Gefangene in der Türkei teilgenommen habe. Er habe sich für den Hungerstreik aus einer persönlichen Entscheidung heraus entschlossen und sich aus humanitärer Solidarität gegenüber den politischen Gefangenen aus unterschiedlichen politischen Gruppierungen in der Türkei an dem Hungerstreik beteiligt. Auch seine Unterschrift unter einem Protokoll über die satzungsändernde Versammlung im Jahr 2007 hinsichtlich des anatolischen Kunst- und Kulturhauses ergebe insofern keine weiteren Anhaltspunkte. Der betreffende Verein sei niemals verboten worden.
35 
Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Klageakte und Berufungsakte, den Akten zum Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (VG Stuttgart 11 K 582/12 und den Beschwerdeakten des Senats 11 S 1187/12), den Verwaltungsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart, den Akten des Bundesamts (E 2048283-163, 5263257-163), den Gefangenen-Personalakten der JVA R... (00/02252/0), den Ermittlungsakten der StA München (6 Js 39617/08) und den Strafakten des Landgerichts Stuttgart (18 KLs 6 Js 39617/08). Weiterhin wurden in das Verfahren eingeführt die Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - und vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 -, das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.02.2012 - 3 StR 243/11 -, die Bundesverfassungsschutzberichte 2010, 2011, 2012, die Verfassungsschutzberichte Nordrhein-Westfalen 2010, 2011, 2012, die Verfassungsschutzberichte Baden-Württemberg 2010, 2011, 2012 und die Search Results aus der Global Terrorism Database zu den Anschlägen der DHKP-C, Dev Sol und Dev Genc vom 21.04.1992 bis 11.12.2012 sowie der Auszug aus dem Vereinsregister zur Registernummer VR 7184 des Amtsgerichts Stuttgart - Registergericht - vom 05.03.2014. Die beigezogenen Akten und die in das Verfahren eingeführten Urteile und sonstigen Erkenntnismittel waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
36 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes hat Erfolg.
A.
37 
Soweit sich die Berufung des Beklagten gegen die Aufhebung der Ziffer 2 ihrer Verfügung vom 20.01.2012 richtet, hat sie bereits deswegen Erfolg, weil - soweit die Ziffer 2 der Verfügung überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens war (I.) - die erhobene Anfechtungsklage insoweit unzulässig ist (II.).
I.
38 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage wegen Ausweisung“ erhoben, ohne den angegriffenen Bescheid vorzulegen. Die Begründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Sachverhaltswiedergabe und die Würdigung, dass die Verfügung rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Der schriftsätzliche Klageantrag war gerichtet auf die Aufhebung der Verfügung vom 20.01.2012. Die hierzu vorgelegte Vollmacht war wegen „Ausweisung“ erteilt worden. Späteres Klagevorbringen befasst sich ausschließlich mit den angeschuldigten Aktivitäten für die DHKP-C. Hiervon ausgehend, ist nicht erkennbar, dass die erhobene Klage auch die Ziffer 2 der Verfügung erfassen sollte. Der Kläger hat auch nicht dazu vorgetragen, dass ihm von der Wirkung der Ausweisung abgesehen der abgelehnte Aufenthaltstitel zustünde und hätte erteilt werden müssen. Unerheblich ist, ob der Kläger die Ablehnung der Verlängerung ausdrücklich - anders als die Ausweisung - hinnehmen wollte oder diese weitere Entscheidung in der Verfügung aus den Augen verloren bzw. ihre selbständige Bedeutung verkannt hat. War das Klagebegehren damit - aus welchen Gründen auch immer - lediglich auf die Aufhebung der Ausweisung gerichtet, kann die Anfechtungsklage auch im Wege der sachdienlichen Auslegung nicht zugleich als Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Verlängerung behandelt werden. Denn nach § 88 VwGO ist das Gericht nicht an die Formulierung des Klageantrags gebunden, wohl aber an das Klagebegehren, das sich aus dem gesamten Klagevorbringen ergibt.
II.
39 
Geht man ungeachtet dessen zugunsten des Klägers davon aus, dass der auf Aufhebung der Verfügung gerichtete Antrag auch die Ziffer 2 der Verfügung betroffen hatte, wäre das Klageziel vom Verwaltungsgericht falsch bestimmt worden. Denn dieses hatte den Klageantrag nicht nur in der mündlichen Verhandlung und dementsprechend im Tatbestand ausschließlich als Anfechtungsantrag aufgenommen, sondern auch, wie sich aus der bloßen Aufhebung der Ziffer 2 ergibt, nicht im Sinne eines rechtlich gebotenen Verpflichtungsbegehrens beschieden. Denn es hat offenbar in der Annahme, dass der Kläger durch den mit Klageerhebung angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Aufhebungsantrag ein solches Klageziel festgelegt hat, auch zu Ziffer 2 der Verfügung ein Aufhebungsurteil erlassen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40 
Soweit das wahre Klageziel damit teilweise verkannt worden sein sollte, weil der Kläger trotz des als Anfechtungsantrag schriftsätzlich formulierten und protokollierten Klageantrags hinsichtlich der Ziffer 2 eigentlich ein Verpflichtungsbegehren verfolgen wollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1966 - VIII C 30.66 - juris), stellt das Urteil kein Teilurteil dar, sondern leidet an einem Verfahrensfehler, weil das Gericht gem. § 88 VwGO an das Klagebegehren gebunden war. Wurde der Verpflichtungsanspruch dabei rechtsirrtümlich nicht beschieden, weil er nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht rechtshängig war, liegt kein Übergehen im Sinne des § 120 VwGO vor, so dass dieser Verfahrensfehler mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen innerhalb der gegebenen Frist geltend zu machen gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - und Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - jeweils juris). Mit Ablauf der Frist des hierfür gegebenen Rechtsmittels endet die Rechtshängigkeit in Bezug auf das rechtsirrtümlich nicht beschiedene Begehren (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - a.a.O.). Übergeht ein Gericht einen gestellten Antrag versehentlich, so erlischt die Rechtshängigkeit insoweit mit Ablauf der Ergänzungsantragsfrist des § 120 Abs. 2 VwGO. Im Ergebnis wäre die Rechtsfolge hier in beiden Fällen die gleiche, weil die Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO längst abgelaufen ist und der Kläger die Entscheidung weder mit dem Zulassungsbegehren angegriffen hat, das beklagte Land auch zur Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu verpflichten, noch, nachdem auf den Antrag des Beklagten die Berufung zugelassen worden war, innerhalb eines Monats (§ 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO) nach der am 02.12.2013 erfolgten Zustellung der Berufungsbegründung Anschlussberufung eingelegt hat. Damit ist auch dann, wenn das Klageziel des Klägers ursprünglich ein Verpflichtungsbegehren auf Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG umfasst hat, dieses jedenfalls nicht mehr anhängig und damit nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Es bleibt hinsichtlich der Ziffer 2 der Verfügung damit im Berufungsverfahren, in dem allein der Beklagte Berufungsführer ist und deshalb eine Klageänderung mit dem Ziel der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zugunsten des Klägers nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2006 - VII ZR 73/04 - juris zu § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), bei der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten und beschiedenen isolierten Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der beantragten Verlängerung. Diese Klage ist unzulässig.
41 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich von einem Vorrang der Verpflichtungsklage auszugehen mit der Folge, dass Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich (nur) durch eine Verpflichtungsklage ("Versagungsgegenklage") zu erstreiten ist, welche die Aufhebung des Versagungsbescheids umfasst, soweit er entgegensteht. Die Rechtsprechung erkennt dabei an, dass allein die Aufhebung des Versagungsbescheids ausnahmsweise ein zulässiges - gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres - Rechtsschutzziel sein kann, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so überhaupt oder besser abgewendet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 09.03.1982 - 9 B 360.82 - DÖV 1982, S. 744 und Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171). In derartigen Fällen besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage. Dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist, oder die isolierte Anfechtung der Einstellung eines Asylverfahrens durch das Bundesamt wegen angeblichen Nichtbetreibens des Verfahrens (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - m.w.N., juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 - 1 C 30.08 - BVerwGE 134, 335 und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob die Ausnahmefälle zutreffend zusammengefasst dahin umschrieben werden können, dass eine isolierte Anfechtung stets dann nicht am Vorrang der Verpflichtungsklage scheitert, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder der Kläger jedenfalls den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbständige Beschwer enthält. Es sei aber in jedem Fall zu beachten, dass die Zulassung einer isolierten Anfechtung nicht zu einer Umgehung von spezifisch für die Verpflichtungsklage geltendem Verfahrensrecht führen dürfe wie beispielsweise der Unanwendbarkeit des § 113 Abs. 3 VwGO und zudem zu berücksichtigen sei, dass die Beschränkung auf eine isolierte Anfechtung - bei Abweisung der Klage - zu einem endgültigen Rechtsverlust ohne gerichtliche Sachprüfung führen kann. Das ergebe sich notwendig daraus, dass eine isolierte Anfechtung nur Sinn hat und den Vorrang der Verpflichtungsklage wahre, wenn auch die gerichtliche Prüfung auf die geltend gemachten isolierten Anfechtungsgründe beschränkt bleibe. Die noch weitergehende allgemeine Zulassung der isolierten Anfechtungsklage anstelle der Verpflichtungsklage, die zugleich mit einer Vollprüfung auch aller materiellen Anspruchsvoraussetzungen verbunden sein solle, widerspräche dem gesetzlichen Rechtsschutzsystem und wäre im Hinblick auf die Wiedereröffnung des Rechtswegs - nach einer Stattgabe der Klage, die das Verpflichtungsbegehren praktisch in die Verwaltung zurückverweise - mit dem Grundsatz der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - juris).
42 
Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 2 der Verfügung unzulässig. Hier konnte die Klage nicht auf isoliert geltend gemachte Anfechtungsgründe beschränkt werden. Eine Aufhebung wäre vielmehr nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn alle Voraussetzungen für die Titelerteilung geprüft und bejaht worden wären, was prozessual zur Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung hätte führen müssen. Die vorliegende Aufhebung stellt damit eine unzulässige Zurückverweisung an die Verwaltung dar. Vor diesem Hintergrund könnte auch eine selbständige Beschwer der Ablehnungsentscheidung die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage nicht begründen. Zudem kann eine solche nicht in der hierdurch bedingten Beendigung der Fiktionswirkung gesehen werden. Hieraus lässt sich, entgegen der Ansicht des Klägers, kein schützenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung einer Ablehnungsentscheidung ableiten. Vielmehr spricht schon die gesetzliche Begrenzung der Fiktionswirkung auf die Zeit bis zur Entscheidung der Ausgangsbehörde, die auch im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht verlängert wird, dagegen, deren Wegfall nach Abschluss des Verfahrens als eigenständige Beschwer einer Ablehnungsentscheidung anzusehen. Die Fiktionswirkung vermittelt auch bis zu diesem Zeitpunkt eine nur vorläufige und rein verfahrensrechtliche Position (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris), die die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO bis zum Ergehen des Bescheids erübrigt und die sicherstellt, dass der Antragsteller durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter gestellt, wird, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris). Diese Funktion der Fiktionswirkung schließt aber nicht nur die Verfestigung des Aufenthalts aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Position aus, sondern auch ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, eine endgültige Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens des Anspruchs auf den erstrebten Aufenthaltstitel hinauszuzögern, um diese lediglich den status quo während des Verwaltungsverfahrens sichernde Position möglichst lange aufrecht zu erhalten. Vielmehr besteht bei Verfahren zur Klärung des Aufenthaltsstatus - ebenso wie bei sonstigen Statusverfahren - das schützenswerte private Interesse allein an einer zügigen abschließenden Klärung und der Beendigung eines Schwebezustands.
B.
43 
Die Berufung des Beklagten ist auch bezüglich der Aufhebung von Ziffer 1 und Ziffer 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 begründet. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung (I.), der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung (II.) sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten kürzeren Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null (C.) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
I.
44 
Die unter Ziffer 1 des Bescheids vom 20.01.2012 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.
45 
Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 54 Nr. 5, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift liegt ein Ausweisungsgrund vor, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat) (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris).
46 
1. Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da § 54 Nr. 5 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient und die Eingriffsmöglichkeiten des Aufenthaltsrechts auch die Vorfeldunterstützung durch so genannte Sympathiewerbung erfasst (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 a.a.O.).
47 
Die DHKP-C ist eine Vereinigung in diesem Sinne. Die DHKP-C ist eine Nachfolgeorganisation der 1970 gegründeten THKP-C, aus der im Jahre 1978 die Devrimci Sol (deutsch: Revolutionäre Linke, kurz: Dev Sol) entstand, die darauf ausgerichtet war, in der Türkei durch Anwendung revolutionärer Gewalt einen politischen Umsturz herbeizuführen und eine Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Muster zu errichten. Im Jahre 1980 wurde die Dev Sol in der Türkei verboten. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 27.01.1983 wurde die Dev Sol nebst zugehöriger Teilorganisationen auch in Deutschland bestandskräftig verboten. Die DHKP-C wurde am 13.08.1998 in das Verbot einbezogen. Nach der ab 1992 infolge innerorganisatorischer Meinungsverschiedenheiten und persönlicher Auseinandersetzungen einsetzenden (Auf-)Spaltung der Dev Sol in zwei konkurrierende und sich gegenseitig bekämpfende Gruppierungen (sog. „Karatas-/Yagan-Flügel“) konstituierten sich die Anhänger des „Karatas-Flügels“ auf einem vom 30.03.1994 bis 09.05.1994 abgehaltenen Parteigründungskongress in Damaskus zur DHKP-C als Zusammenschluss der Revolutionären Volksbefreiungspartei (DHKP) und der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKC). Es wurden ein Parteiprogramm und Satzungen für die DHKP bzw. DHKC sowie Grundsatzbeschlüsse, in denen die Leitlinien der DHKP-C verbindlich festgelegt wurden, verabschiedet. Als Gründungstag wurde das Datum der (Partei-)Kongresseröffnung (30.03.1994) festgelegt (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Ihre Zielsetzung ist die Herbeiführung einer Weltrevolution und der Sturz des Imperialismus, wobei nach der Parteiprogrammatik der DHKP-C Aktivitäten und bewaffneter Kampf nicht nur in der Türkei, sondern grundsätzlich auch in anderen Staaten zu erfolgen haben (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
48 
Außerhalb der Türkei hat sich die DHKP-C insbesondere in zahlreichen westeuropäischen Ländern sowie in Südosteuropa, organisationsintern als „Rückfront“ bezeichnet, strukturell verfestigt. Die an der „Rückfront“ in Europa für die DHKP-C Agierenden sind den Führungsorganen unterstellt, die sich ebenfalls überwiegend im europäischen Ausland aufhalten, und in die hierarchischen Strukturen der (Gesamt-)Organisation eingebunden sind. Ziel und Aufgabe der in den genannten Staaten errichteten Organisationseinheiten ist es, die Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei zu fördern. Die „Rückfront“ der DHKP-C ist für die Verwirklichung der Zielsetzungen dieser Vereinigung von herausragender, zentraler Bedeutung und unverzichtbar. Innerhalb der „Rückfront“ ist Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanzieller Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Diese ist bestrebt, die im Bundesgebiet ansässigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund zur aktiven Mitarbeit in der DHKP-C, mindestens aber zur finanziellen Förderung ihrer Partei- und Frontarbeit zu veranlassen. Im Jahre 2008 waren der DHKP-C bundesweit etwa 650 Personen zuzurechnen, die sich in unterschiedlicher Weise und Funktion an der Rückfront für diese Organisation betätigten (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Diese Zahl ist stabil und weiterhin gültig (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
49 
Die DHKP-C führt ihren bewaffneten Kampf auch unter Einsatz terroristischer Anschläge und Attentate. Unter Zugrundelegung der Einträge und des unten dargestellten Diagramms aus der Global Terrorism Database des National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism, einem Center of Excellence of the U.S. Department of Homeland Security, University of Maryland waren die terroristischen Aktivitäten der Dev Sol und ihrer Nachfolgeorganisation der DHKP-C in der Türkei in den Jahren von 1988 bis 1995 besonders hoch. 1995 übten sie auch terroristische Anschläge in Wien und in Köln aus und 1996 auch in den in den Niederlanden. Seit 1999 agiert die DHKP-C in Europa gewaltfrei. Auch in der Türkei ebbten bis 2003 zunächst die Aktivitäten ab. Jedoch kam es dort weiterhin bis 2001 zu ein bis drei terroristischen Anschlägen pro Jahr.
50 
2001 wurden drei Anschläge auf die Istanbuler Polizei verübt. Beim letzten am 10.09.2001 handelte es sich um einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation in Istanbul(-Taksim) durch das Frontmitglied U. Bülbül, bei dem zwei Polizeibeamte und ein Tourist getötet sowie mehrere Personen verletzt wurden.
51 
Am 20.05.2003 explodierte in einem Café in Ankara-Cankaya eine Bombe, welche Sengülül Akkurt bei der Vorbereitung einer so genannten Aufopferungsaktion in einem Gürtel an ihrem Körper befestigt hatte, um einen Anschlag auf das türkische Justizministerium durchzuführen. Bevor die Selbstmordattentäterin ihr Ziel erreicht hatte, kam es zur vorzeitigen Detonation der Sprengvorrichtung. Die 26-jährige Akkurt wurde dabei getötet. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden.
52 
Am 03.06.2003 verübte eine sogenannte Aufopferungseinheit der DHKP-C mittels einer ferngezündeten (Splitter-)Bombe in Istanbul einen Anschlag auf einen (Service-)Bus der türkischen Justizbehörden, in dem sich Richter und Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts befanden. Durch die Explosion mit Schrapnell- und Druckwirkung wurden insgesamt sieben Fahrzeuginsassen leicht verletzt. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden an mehreren Kraftfahrzeugen. Der Explosionsort befand sich an einer stark frequentierten Küstenstraße, auf der zum Tatzeitpunkt sehr dichter Verkehr herrschte.
53 
Am 29.04.2009 kam es in der Rechtsfakultät der Bilkent Universität Ankara zu einem versuchten Selbstmordanschlag auf den ehemaligen türkischen Justizminister H. Sami Türk. Dieser blieb unverletzt, da es der 25-jährigen Attentäterin, Didem A., die vier Kilogramm TNT sowie eine Pistole nebst Munition mit sich führte, nicht gelang, den Sprengsatz zur Explosion zu bringen bzw. von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...).
54 
Bei diesen auch in dem genannten Register aufgenommenen Anschlägen der DHKP-C handelt es sich um dieser mit Sicherheit zurechenbare terroristische Anschläge. Es gab im Jahre 2003 und auch in den nachfolgenden Jahren bis 2007 weitere Aktionen, die dieser Organisation zugerechnet werden, wie sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - in Sachen E... D... (rechtskräftig seit dem 22.01.2014) ergibt. Maßgeblich ist aber, dass diese Organisation nie - und damit auch nicht in den Jahren 2004 bis 2008 - von dem Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele abgerückt ist, was auch in der erneuten Zunahme auch terroristischer Anschläge ab 2012 deutlichen Ausdruck findet.
55 
Das Oberlandesgerichts Stuttgart hat in seinem Urteil vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) ausgeführt:
56 
„Nachdem im Sommer 2011 die frühere Europaverantwortliche der DHKP-C, Gülaferit Ünsal („Gülsen“), in Griechenland festgenommen und drei Monate später in der Wohnung eines - bei der Herstellung einer unkonventionellen Spreng-/Brandvorrichtung (USBV) zu Tode gekommenen - „DHKP-C-Aktivisten“ in Thessaloniki von Sicherheitskräften ein umfangreiches Waffen-/Sprengstofflager sichergestellt worden war, wurde im Mai 2012 organisationsintern (in der Zeitschrift Devrimci Sol - hierzu mehr bei C. II. 3. -) zu einer intensivierten Fortsetzung des bewaffneten Kampfs aufgerufen. Ab Mitte Juni 2012 kam es daraufhin in der Türkei im Zuge einer „Anschlagsoffensive“ zu - in dichter Folge verübten - Anschlägen, Selbstmordattentaten durch „Kämpfer“ der DHKP-C sowie einer (organisationsinternen) „Bestrafungsaktion“. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Vorgänge:
57 
- Am 12. Juni 2012 verübten zwei Angehörige der DHKP-C einen Sprengstoffanschlag auf eine Istanbuler Polizeidienststelle; einer der (beiden) Täter (Erdal Dalgic) wurde verletzt festgenommen und verstarb kurze Zeit später;
- am 15. Juni 2012 schoss ein Organisationsmitglied in Istanbul - (u. a.) in der Absicht, den Tod Dalgics zu „rächen“ - auf einen Polizeibeamten (M... S. Y...); dieser erlitt mehrere Schussverletzungen, darüber hinaus wurde bei dem Vorgang eine weitere Person (durch einen Querschläger) getroffen und (leicht) verletzt;
- am 16. Juni 2012 überfielen bewaffnete „Kämpfer“ der DHKP-C in Istanbul auf offener Straße ein „Polizeiteam“; ein Polizeibeamter (Z... Y...) wurde erschossen; ein weiterer Polizist sowie ein Zivilist erlitten jeweils Verletzungen;
- am 20. Juli 2012 erschossen der Kommandant einer Kampfeinheit, Hasan S. Gönen, und die ihn begleitende Sultan Isikli in Istanbul bei einer Fahrzeugkontrolle zwei (Polizei-)Beamte; Gönen konnte (schwer verletzt) festgenommen werden und verstarb tags darauf;
- am 11. September 2012 verübte Ibrahim Cuhadar, ein „Selbstmordkämpfer“ der DHKC, ein Attentat auf eine Polizeiwache in Istanbul (-Gazi); neben dem Attentäter wurde ein Polizist getötet; sieben weitere Personen erlitten Verletzungen;
- am 25. Oktober 2012 verletzten „Kämpfer“ der DHKP-C das (frühere) Organisationsmitglied A... A..., die des Verrats bezichtigt worden war, mittels eines Kopfschusses im Rahmen einer Bestrafungsaktion;
- am 8. Dezember 2012 kam es durch zwei „Kämpferinnen“ der Organisation zu einem, mittels Handgranaten durchgeführten, Anschlag auf ein Polizeirevier in Istanbul; zwei Polizeibeamte wurden verletzt; eine Täterin (N... A...) konnte festgenommen werden;
- am 11. Dezember 2012 töteten Mitglieder der DHKP-C in Istanbul einen uniformierten Polizeibeamten. Im Zuge der Ausführung dieses Anschlags wurden überdies drei Passanten verletzt, die versucht hatten, die Tatausführung zu verhindern;
- am 1. Februar 2013 verübte Ecevit (Alisan) Sanli, ein vormals unter dem Decknamen „Yücel“ als Gebietsverantwortlicher der DHKP-C in Berlin agierender „Märtyrerkämpfer“, einen Selbstmordanschlag auf das Gebäude der US-Botschaft in Ankara. Neben dem Attentäter wurde ein türkischer Sicherheitsbeamter (Mustafa Akarsu) getötet; zwei weitere Personen wurden verletzt;
- am 19. März 2013 führten „Kämpfer“ der Organisation Anschläge auf das türkische Justizministerium sowie die (General-) Zentrale der AK-Partei in Ankara aus und brachten im Zuge dessen neben zwei Handgranaten auch eine Panzerfaust („LAW/LAV“) zur Explosion. Eine Person wurde leicht verletzt“.
58 
Die hier genannten terroristischen Anschläge und Selbstmordattentate vom 12.06., 11.09., 08.12. und 11.12.2012 werden ebenfalls in der GT-Datenbank aufgeführt, aus der für die Folgejahre 2013 und 2014 noch keine Daten abrufbar sind.
59 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse war die DHKP-C (sowie ihre Vorgängerorganisation Dev Sol) als eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG anzusehen und ist dies auch weiterhin, weil sie seit Gründung ihrer Vorgängerorganisation der Dev Sol im Jahr 1978 ihre Ziele jedenfalls auch mit terroristischen Mitteln verfolgt. Dies steht für den Senat in Übereinstimmung mit der strafrechtlichen Beurteilung des Bundesgerichtshofs fest, wonach es sich um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris), handelt.
60 
Diese Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass die DHKP-C bereits seit 2002 in der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste terroristischer Organisationen (Ratsbeschluss 2002/460/EG vom 17.06.2002) aufgeführt wird (vgl. zuletzt Ziff. 2.23 des Anhangs zum Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10.02.2014).
61 
2. Der Kläger ist seit vielen Jahren Anhänger der DHKP-C und fördert diese, nachdem er bereits für die Dev Sol tätig war, zumindest als ein in dieser Organisation seit ihrer Gründung verwurzelter Aktivist.
62 
a) Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen DHKP-C - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris jeweils m.w.N.).
63 
b) Nach diesen Maßstäben sind hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Auswertung der eingeführten Erkenntnismittel, insbesondere der strafgerichtlichen Urteile, liegen jedenfalls Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger, der schon 1989 für die 1978 gegründete Dev Sol aktiv war, seit seiner Einreise ins Bundesgebiet Ende 1995 die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15). Es spricht sogar viel dafür, dass der Kläger seit ihrer Gründung im Frühjahr 1994 in Damaskus Mitglied der DHKP-C und damit Mitglied einer Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist, worauf es jedoch nicht entscheidend ankommt.
64 
Hintergrund für seine Ausreise aus der Türkei im Jahre 1995 und sein Asylgesuch im Bundesgebiet war u.a., dass der Kläger am 31.08.1993 zusammen mit E... Ö... in der Türkei vor Gericht gestanden hatte. Sie hatten dort ihre linken Hände erhoben und gerufen: „Die Strafe kann uns nicht erschüttern, wir sind im Recht und werden gewinnen, Kurdistan wird dem Faschismus zum Grabe“ (bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 24.03.2000 an das Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren A 5 K 10696/96). Deshalb war er nach seinen Angaben zu einem Jahr Haft verurteilt worden, die er nicht angetreten hat.
65 
Nach den Erkenntnissen in den Behördenakten wurde er 1998 in Begleitung des M... B..., des damaligen Vereinsvorsitzenden des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses, mit DHKP-C-Zeitschriften angetroffen.
66 
Ab 04.12.2000 trat der Kläger ausweislich der Gefangenenakte in der JVA R... in Hungerstreik. Der Kläger hat hierzu in seiner schriftlichen Erklärung vom 01.12.2000 angegeben, dass er in Hungerstreik trete, um den Bau der Typ-F-Gefängnisse zu stoppen und aus Solidarität mit 12 Gefangenen, die 1996 bei einem Hungerstreik gestorben, und 10 politischen Gefangenen, die 1999 in der JVA Ankara zu Tode gefoltert worden seien. In der Türkei seien mehr als 1000 Gefangene in Hungerstreik getreten, in diesem Jahr seien mehrere Gefängnisse beteiligt; um diese zu unterstützen, trete er ab 04.12.2000 in Hungerstreik. Die Aktion hatte in der Türkei am 20.10.2000 unter Beteiligung der DHKP-C, TKP(ML) und TKIP begonnen.
67 
2001 wurde bei ihm nach den Erkenntnissen in den Behördenakten zahlreiches Propagandamaterial für die DHKP-C aufgefunden. Dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 liegen folgende Feststellungen zugrunde, die sich der Senat zu eigen macht:
68 
„Der Kläger hat z.B. den ihm übergeordneten DHKP-C-Funktionär A... Y...-... - Gebietsverantwortlicher für Süddeutschland mit den Decknamen „Emmi", „Kamil" und „Rüstern" - als Besucher aufgenommen, den Kontakt zwischen diesem führenden DHKP-C-Funktionär und anderen Anhängern der Organisation gehalten und den E... G..., einen wichtigen Aktivisten der verbotenen Vereinigung, im Interesse der DHKP-C-Organisation beim regionalen, aber auch beim überregionalen Vertrieb der Zeitung „Yürüyüs", auch in Bezug auf das nähere europäischen Ausland unterstützt. Der Kläger vereinbarte mit A... Y..., mit dem er jedenfalls seit 05.07.2006 per Mobiltelefon in Verbindung stand, Treffen in der S... ... x in S... im dortigen Anatolischen Kultur- und Kunsthaus, von A... Y... wurde er über sein Mobiltelefon zu verschiedenen Veranstaltungen bzw. Versammlungen eingeladen, wurde von ihm beauftragt, andere Personen zu Treffen und Versammlungen hinzuziehen und erhielt überdies weitere Anweisungen und Hinweise auf von diesem für wichtig erachtete Medienereignisse. Im Übrigen kündigte A... Y... per Handy auch seinen Besuch beim Kläger an. Mehrmals - mindestens 3 mal - holte der Kläger - abwechselnd mit anderen Aktivisten der Vereinigung - zwischen August 2006 und 19. März 2007 bei der Offsetdruckerei ... in ... bei ..., ...-...-... x, jeweils mindestens 150 Exemplare (insgesamt also wenigstens 450 Stück) der DHKP-C-Wochenzeitschrift „Yürüyüs" ab, um sie im Interesse der verbotenen Vereinigung der Weiterverbreitung im regionalen Bereich zuzuführen oder sie selbst zu verteilen. Die Druckerei ... hatte im fraglichen Zeitraum bis zur Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 die Ausgaben 63 bis 95 (also insgesamt 33 Ausgaben) der weiterhin wöchentlich erscheinenden Zeitschrift nach der Kontaktierung und Auftragsvergabe durch A... Y... gemeinsam mit E... G... im Mai 2006 ab August 2006 in einer Auflage von jeweils ca. 2500 bis etwa 2700 Stück gedruckt. A... Y... trat bei der Auftragsvergabe als der eigentliche Verhandlungspartner auf, während E... G... seiner besseren Kenntnisse der deutschen Sprache wegen dabei im Wesentlichen nur als Dolmetscher fungierte. Anfangs 2300 Exemplare, gegen Ende nur noch 2230 Exemplare einer jeden Ausgabe wurden jeweils direkt von der Druckerei ... anhand eines dieser zur Verfügung stehenden Verteilers überregional - auch in das nähere europäische Ausland - verschickt. Es gab jeweils auch Ausschussware, die in den erwähnten ca. 2500 bis rund 2700 Auflage freilich nicht enthalten war und nicht berechnet wurde. Mindestens 150 Exemplare einer jeden Auflage (gelegentlich auch bis zu 390 Stück) wurden jeweils von wechselnden DHKP-C-Aktivisten, davon zu etwa 50 % durch E... G... selbst, der nach der Erteilung des Auftrags der Ansprechpartner des Betreibers der Druckerei, des Zeugen ..., auf Seiten seiner Auftraggeber war, und in mindestens drei Fällen auch durch den Kläger abgeholt. Dieses Abholen der wenigstens 150 Exemplare erfolgte jeweils zum Zwecke der Weiterverbreitung im regionalen Bereich und auf einen Anruf des Zeugen ... bei der ihm von jenem DHKP-C-Aktivisten genannten Telefonnummer des E... G... hin, der sich bei diesen Telefonaten stets selbst am Apparat meldete. In der Wohnung des Klägers in S..., ... ..., hielt dieser aus den für die Verteilung im regionalen Bereich bestimmten Mengen der Zeitschrift am 28.11.2006 insgesamt 60 Exemplare zur Weiterverbreitung in Interesse der DHKP-C vorrätig, nämlich 2 Pakete zu je 30 Stück der Ausgabe 78 vom 12.11.2006, am 19.03.2007, ebenfalls in dieser Wohnung, 7 Exemplare der Ausgabe vom 4. März 2007 und am 21.03.2007 in seinem Rucksack im Fahrzeug Renault, amtliches Kennzeichen ...-... ..., das kurz zuvor von E... G... unweit der Offsetdruckerei ... abgestellt worden war, um den Zeugen ... aufzusuchen, 23 Exemplare der Auflage 95 von Mitte März 2007. Der Kläger wurde am 21.03.2007 in dem beschriebenen Fahrzeug auf dem Beifahrersitz auf E... G... wartend von der Polizei angetroffen und führte dabei auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 zur Verbreitung im Interesse des verbotenen Vereins mit sich. Überdies bewahrte der Kläger am 28.11.2006 in seiner Wohnung in Stuttgart für den E... G..., für den er unter seinem Sofa auch für diesen bestimmte Gerichts- und Anwaltsschreiben verwahrte, 10 vom 01.08.2006 datierende Lieferscheine der Druckerei ..., über die Lieferung von insgesamt 2300 Exemplare der DHKP-C Wochenzeitschrift „Yürüyüs" an überregionale Empfänger, auch im benachbarten europäischen Ausland, Adressaufkleber mit entsprechenden Anschriften und Originalquittungen über Druckkosten des auf den Lieferscheinen jeweils als Auftraggeber des Druckauftrags genannten Yurtdisi Büros V... E..., ... ... ... ... in ... ... R...-... / Niederlande auf. Tatsächlich waren die Druckkosten freilich jeweils von E... G... beim Zeugen ... in bar bezahlt worden. Die letzten 5 Ausgaben waren allerdings zur Zeit der Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 noch unbezahlt. Weitere vom Kläger am 28.11.2006 verwahrte Notizen betrafen „Yürüyüs" - Ausgaben aus der Zeit vor Beginn der Druckaufnahme durch die Fa. ... im August 2006.“
69 
Der Kläger hat die einzelnen Tatsachenfeststellungen in diesem Urteil des Landgerichts, gegen das er Rechtsmittel nicht eingelegt hat, im angegriffenen Bescheid und auch in den Schriftsätzen des Beklagten - mit Ausnahme der Teilnahme an der Veranstaltung am 18.12.2011 in Stuttgart - nicht substantiiert bestritten. Soweit er im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung geltend macht, er habe nur wenige Exemplare der Wochenzeitung Yürüyüs selbst verteilt, der weit überwiegende Teil sei von Dritten bei ihm abgeholt und weiterverteilt worden, führt dies zu keiner günstigeren Beurteilung dieser Unterstützungshandlung, sondern bestätigt, dass er hierarchisch zwar gemeinsam mit E... G... dem A... Y... als für den Druck und die Verbreitung in der Region Verantwortlichen untergeordnet gewesen ist, aber, wie sich bereits aus dem persönlichen Kontakt zu diesem und auch unmittelbar zur Druckerei ergibt, in diese Organisationsstruktur deutlich über den reinen „Zeitungsausträgern“ hinaus eingebunden war. A... Y... war damals bis zu seiner Festnahme Ende November 2006 der für die „Region Süd“ verantwortliche (Führungs-)Funktionär und Rechtsberater der DHKP-C (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11). Der Kläger kannte diesen bereits aus der Türkei, wo er nach seinen Angaben sein Rechtsanwalt gewesen war.
70 
Weiterhin war er am 14.01.2007, wie sich aus in den Gerichtsakten befindlichen Kopien des Vereinsregisters ergibt, einer der Leiter der satzungsändernden Versammlung des Vereins „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“, eines Tarnvereins der DHKP-C, zu dessen neuen Sekretär E... D... am 03.06.2007 gewählt wurde (vgl. hierzu unten). Auch fuhr er mit Funktionären noch am Tag des Todes von Dursun Karatas am 11.08.2008 in die Niederlande.
71 
Zutreffend hat das Regierungspräsidium mit Schriftsätzen vom 03.03.2014 und 20.03.2014 auf der Grundlage der Feststellungen der ins Verfahren eingeführten Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - (Verurteilung von E... D...) und vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - (Verurteilung von A... D. Y... und E... G...) zudem dargelegt, dass der Kläger im Zeitraum von 2002 bis 2007 in vielfältiger Weise nicht nur in den Vertrieb von Publikationen, sondern auch - u.a. zusammen mit Y... und G... - in den Vertrieb von Tickets für Veranstaltungen der DHKP-C und in die Sammlung von Spendengeldern involviert und damit maßgeblich an der Geldbeschaffung als eine der wichtigsten Aufgaben der Rückfront dieser terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er nahm im Jahr 2002 nicht nur an einer politischen Schulung der DHKP-C im August 2002 in Neuhausen-Schellbronn, sondern auch als Mitglied einer Delegation der DHKP-C an einer Großveranstaltung in Kopenhagen teil.
72 
Schließlich hat der Kläger auch noch nach seiner Verurteilung jedenfalls an den beiden Kundgebungen der DHKP-C am 10.04.2010 in Wuppertal mit mehreren hundert Teilnehmern und am 16.04.2011 in Lüttich teilgenommen. Hierbei hat es sich jeweils um traditionelle Parteifeste zum Jahrestag ihrer Gründung gehandelt, wobei die lediglich von etwa 200 Personen besuchte Veranstaltung in Lüttich nur Mitgliedern zugänglich gewesen sein soll (vgl. Bundesverfassungsschutzberichte 2010, S. 310 und 2011, S. 349; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2010, S. 166; Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 30.04.2013). Darauf, ob er auch die Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 zum Jahrestag der Gefängniserstürmung am 19.12.2000, die nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 als - vorhersehbare - Folge des am 20.10.2000 aufgenommenen Hungerstreiks türkischer Gefangener maßgeblicher Grund für seine damalige Beteiligung an dieser Aktion in der JVA R... gewesen ist, besucht hat, kommt es nicht an. Nachdem er erklärt hat, er würde sich jederzeit in einer solchen Situation wieder solidarisch zeigen und im Übrigen weiterhin an zahlreichen Demonstrationen in S... teilnehmen, insbesondere kurdischer und PKK-naher Organisationen, ist davon auszugehen, dass er, soweit er ausgerechnet an dieser Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 nicht teilgenommen hat, aus persönlichen Gründen verhindert gewesen ist. Jedenfalls hat er selbst nicht behauptet, dass er die Kontakte zur DHKP-C abgebrochen habe und nun auch keine Veranstaltungen dieser Organisation mehr besuchen werde.
73 
Eine Distanzierung von seinen Unterstützungshandlungen für die DHKP-C und eine Abkehr von seinen früheren Aktivitäten ist auch sonst in keiner Weise erkennbar. Aus dem Umstand, dass der Kläger sich von zurückliegenden Aktivitäten nicht distanziert, sondern sie ohne erkennbare Unterbrechung fortgeführt hat, folgt, dass auch die in der Vergangenheit liegenden Tätigkeiten auf die gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers im Sinne von § 54 Nr. 5 Halbs. 2 AufenthG schließen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris).
74 
Der Kläger wehrt sich gegen die in der Begründung der angegriffenen Verfügung und den Schriftsätzen des Beklagten genannten sowie gegen die weiteren in die Verhandlung eingeführten Tatsachen, denen er nicht im Einzelnen entgegentritt, im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass er kein Mitglied der DHKP-C sei, sondern lediglich ein politisch denkender Mensch und jedenfalls nicht bewusst etwas Verbotenes - insbesondere seien die Versammlungen genehmigt und der Kulturverein zu keinem Zeitpunkt verboten worden - getan habe. Hierauf kommt es aber nicht an.
75 
Daran, dass der Kläger die DHKP-C in Kenntnis von deren Zielen, Programmatik und Methoden unterstützt hat, kann nach Ansicht des Senats aufgrund seiner langjährigen Beteiligung und vor dem Hintergrund seiner Unterstützung bereits der Vorgängerorganisation Dev-Sol und - noch in der Türkei - der Jugendorganisation Dev-Genc sowie seines mit hieran anknüpfender politischer Verfolgung begründeten Asylgesuchs kein ernsthafter Zweifel bestehen. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Kläger, der in der Türkei Soziologie studiert hat, sich bereits als Student politisch engagiert hat. Bereits seit dieser Zeit steht er in Verbindung zu A... Y..., der nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 in der Türkei sein Rechtsanwalt war. Weiterhin hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 Karatas bereits aus Zeiten seiner türkischen Haft gekannt und mit diesem jedenfalls damals in brieflichen Kontakt gestanden. Auch hat er zusammen mit dem wegen seiner Mitgliedschaft in der DHKP-C verurteilten E... D... eines der „Vereinsblätter“ vertrieben und dem Tarnverein „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“ angehört, dessen Vorstand dieses DHKP-C-Mitglied seit 2007 nach der unter Mitwirkung des Klägers erfolgten Satzungsänderung angehörte.
76 
Nach Ansicht des Senats ist dementsprechend davon auszugehen, dass der Kläger - entgegen seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 - sowohl die Ziele der DHKP-C als auch deren terroristischen Aktionen zu deren Erreichung kannte bzw. kennt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 hat er schließlich selbst erklärt, dass er Sympathisant dieser Organisation sei und deren Meinung und Ideologie teile. Ob er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C ausdrücklich befürwortet, ist nicht ausschlaggebend. Es fällt aber auf, dass er sich auch insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 nicht von dieser Organisation distanziert, sondern vielmehr die Ansicht vertreten hat, die DHKP-C beeinträchtige Deutschland nicht, da sie außerhalb der Türkei Gewalt grundsätzlich ablehne.
77 
Der Kläger hat mit den oben dargestellten jahrelangen kontinuierlichen Tätigkeiten diese Organisation mitgetragen. Dass er seit seiner Einreise ins Bundesgebiet die Bestrebungen dieser verbotenen Vereinigung bzw. ihrer Vorgängerorganisation unabhängig von einer Mitgliedschaft jedenfalls fördern und deren Strukturen, die ihm einschließlich der Tarnorganisationen bekannt waren, erhalten wollte, steht für den Senat in Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart fest. Für die Unterstützung der DHKP-C im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist es insoweit nicht maßgeblich, welcher Hierarchieebene innerhalb der Struktur dieser Vereinigung der Kläger angehört hat. Der Senat schließt sich im Übrigen der Beurteilung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris) an, wonach in Ansehung der Struktur der Vereinigung Anhaltspunkte dafür, hinsichtlich der Qualifizierung der DHKP-C als terroristische Vereinigung zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren, nicht gegeben sind. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört.
78 
Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Unterstützung jedes Einzelnen gerade für den Erhalt und die Handlungsfähigkeit einer relativ kleinen Organisation (ca. 650, davon 65 in Baden-Württemberg hauptsächlich im Großraum S... und in der R...-N...-Region, vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126) von besonderer Bedeutung ist und die fördernde Tätigkeit jedes in diese Eingebundenen eine unmittelbare Nähe nicht nur zu den Zielen, sondern auch zu den terroristischen Aktionen zur Durchsetzung dieser Ziele hat. Dementsprechend kam und kommt auch dem Kläger, der nach dem Dargelegten jedenfalls Aufgaben für die aus lediglich etwa 65 Mitgliedern bestehenden baden-württembergischen Organisationseinheit der DHKP-C eigenständig u.a. in Zusammenarbeit mit einem inzwischen verurteilten Mitglied (G...) und in - zum Teil auch unmittelbarer - Abstimmung mit inzwischen verurteilten maßgeblichen Funktionären (Y... und D...) auf Gebietsebene wahrgenommen hat, Verantwortung für die terroristischen Aktionen der DHKP-C und deren Opfer zu.
79 
Schließlich fehlt dieser Unterstützung der DHKP-C auch nicht deswegen, weil diese Organisation nur relativ wenige Mitglieder im Bundesgebiet hat, das in § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte Gewicht. Maßgeblich ist, dass sie, wie dargelegt, entschlossen und fähig war und ist, Terroranschläge in nicht unerheblichem Umfang und Ausmaß durchzuführen (vgl. dazu oben) und die Organisation im Bundesgebiet eine Rückfront für diese derzeit auf die Türkei konzentrierten Anschläge bildet, ohne deren Rückzugsräume und finanzielle Unterstützung die DHKP-C kaum fortbestehen könnte (vgl. oben). Schließlich ist die Rückfront auch nicht aufgrund der erfolgten Verurteilungen von Funktionären und Mitgliedern nachhaltig geschwächt. Insoweit macht sich der Senat die Einschätzung des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen und des Verfassungsschutzberichts des Bundes jeweils über das Jahr 2012 zu eigen, wonach die sich im Jahr 2012 häufenden Anschläge der Organisation in der Türkei - insbesondere die tödlichen Schüsse auf Polizeibeamte - zu einem Motivationsschub bei den Anhängern in Europa geführt haben und es der DHKP-C vermehrt gelinge, ihre Anhänger zu mobilisieren und neue, vor allem junge Unterstützer zu rekrutieren. Gleichzeitig schaffe sie es, strukturelle Schwächen zu beseitigen (Bund, S. 358). Die DHKP-C sei weiterhin in der Lage, zumindest auf niedrigem Niveau Aktivitäten zu entfalten, wozu auch weiterhin von Deutschland aus unterstützte terroristische Aktionen gegen Ziele in der Türkei gehören können (NRW, S. 90).
80 
Nicht entscheidend ist schließlich, ob die Organisation im Bundesgebiet in den letzten Jahren durch Gewalttaten aufgefallen ist und ob bzw. in welchem Umfang sie in den Jahren 2004 bis 2008 Terrorakte durchgeführt hat, da sie zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat, was insbesondere auch in der aktuellen „Anschlagoffensive“ 2012 (vgl. oben) sichtbar wird, und weil der Kläger, wie dargelegt, durchgehend in die Organisation eingebunden war und ist.
81 
3. Als anerkannter Flüchtling darf der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 5 und Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die auch eine Ausweisung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 bis 5 AufenthG besonderen Schutz genießender Ausländer rechtfertigen können, in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor.
82 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2013, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor.
83 
Im Ergebnis sind damit die Voraussetzungen geben, bei deren Vorliegen über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden ist (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
84 
4. Die Ausweisung des Klägers ist nicht am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu messen, da der Kläger eine assoziationsrechtliche Rechtsposition nicht erworben hat. Ausgehend von dem durch den Kläger vorgelegten Versicherungsverlauf vom 03.02.2014 und der Auskunft der AOK Ludwigsburg vom 12.02.2014 konnten seine Beschäftigungszeiten ihm - ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen einer Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt und einer ordnungsgemäßen Beschäftigung vorgelegen haben - bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung am 20.01.2012 keine Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vermitteln. Der Erwerb des Rechts aus dem 2. Spiegelstrich Art. 6 ARB 1/80 scheitert an der Beschäftigungslücke in der Zeit vom 17.06.2008 bis 14.08.2008. Ab September 2009 erfolgten regelmäßig vor Ablauf von drei Jahren Arbeitgeberwechsel. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung war er nicht beschäftigt.
85 
Aber selbst wenn der Maßstab des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 hier zur Anwendung käme, stünde er der Ausweisung nicht entgegen, weil sie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003 (Daueraufenthaltsrichtlinie) zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
86 
Gemäß Art. 12 Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26.10.2012 - 11 S 278/12 - juris, m.w.N.).
87 
Dieser Schutz steht der Ausweisung hier nicht entgegen. Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass der Kläger eine ausländische terroristische Vereinigung im Bundesgebiet aktiv unterstützt hat und auch weiterhin als überzeugter Anhänger im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Damit stellt er aber eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar. Die Ausweisung beruht auch nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen.
88 
Somit liegen nach nationalem Recht sowie auch nach ARB 1/80 die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensausweisung vor.
89 
5. Die Ausübung dieses Ermessens ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht insbesondere auch den Anforderungen von Art. 14 ARB 1/80 bzw. Art. 12 Abs. 3 der Daueraufenthaltsrichtlinie.
90 
Die Behörde ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Dies gilt sowohl für die Gefährlichkeit der Organisation und Art, Umfang und Bedeutung der Unterstützungshandlungen des Klägers als auch hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse (vgl. unten). Ihre Einschätzung, dass der Kläger die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation und damit eine terroristische Organisation bereits seit 1998 nachhaltig und in subjektiv zurechenbarer Weise unterstützt und in diese eingebunden war, ist, wie dargelegt, auch im heutigen Zeitpunkt weiterhin zutreffend, wobei es auch nach Ansicht des Senats nicht darauf ankommt, ob der Kläger auch die Veranstaltung in Stuttgart oder nur die Veranstaltungen in Wuppertal und Lüttich besucht hat (vgl. oben).
91 
Die Verfügung weist auch im Übrigen mit den im Zulassungsantrag und im letzten Schriftsatz des Regierungspräsidiums vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen keine Ermessensfehler auf. Die Änderungen und Ergänzungen sind hier einzubeziehen. Denn sie entsprechen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Änderung der Begründung eines Verwaltungsakts im gerichtlichen Verfahren.
92 
In seiner Entscheidung vom 13.12.2011 (1 C 14.10 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass durch die Änderung der Begründung des Verwaltungsaktes im gerichtlichen Verfahren der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden dürfe. Daraus folge, dass die Behörde klar und eindeutig zu erkennen geben müsse, mit welcher "neuen" Begründung die behördliche Entscheidung letztlich aufrechterhalten bleibe, da nur dann der Betroffene wirksam seine Rechte verfolgen und die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Verfügung überprüfen könnten. Insbesondere müsse sie im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung beträfen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidige. Stütze die Behörde ihre Entscheidung während des gerichtlichen Verfahrens auf neue Ermessenserwägungen, habe das Gericht dafür Sorge zu tragen, dass auch der Betroffene hinreichend Gelegenheit erhalte, seine Rechtsverteidigung hierauf einzustellen.
93 
Diese Anforderungen sind hier eingehalten worden. Das Regierungspräsidium hat zunächst bereits im Zulassungsantrag die Begründung der angegriffenen Verfügung geändert und deutlich gemacht, dass sie diese nur noch auf den spezialpräventiven Zweck stützt. Es hat dabei eindeutig zu erkennen gegeben, mit welchem Text sie die Verfügung ergänzt und welche ursprüngliche Passage dafür entfällt. Es hat noch im letzten Schriftsatz erklärt, dass es an dieser Änderung festhält. Zusätzlich hat es die Verfügung mit einem eindeutig benannten Einschub dahingehend ergänzt, dass es, auch soweit der Kläger ein Recht aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, seine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen für gerechtfertigt halte und das öffentliche Sicherheitsinteresse weiterhin gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Klägers auch hiervon ausgehend als überwiegend ansehe. Weiterhin hat es eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass es die Ausweisungsverfügung bereits deshalb als sinnvoll erachte, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Schließlich hat die Behörde die Ausführungen zu § 54 Nr. 5a AufenthG gestrichen. Der Kläger hatte Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
94 
Die danach im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Bereits in der ursprünglichen Begründung der Ermessensentscheidung ist ausgeführt, aufgrund seines gesamten und mangels Distanzierung auch gegenwärtigen Verhaltens, der Häufigkeit und Kontinuität seiner Unterstützungs- und Mitgliedschaftshandlungen und seiner gefestigten Befürwortung der militant-extremistischen Ziele der DHKP-C gehe vom Kläger eine konkrete Gefahr aus, die ein großes öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründe, das gegenüber den privaten Interessen des Klägers höher zu gewichten sei. Dieser halte sich seit November 1995 im Bundesgebiet auf, sei während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik zunächst zehn Jahre lang keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, sondern habe staatliche Sozialleistungen in Anspruch genommen. Erst ab Ende 2005 habe er mit geringfügigen und unqualifizierten Gelegenheitsarbeiten einen - bis 2010 allerdings lediglich geringen - Teil seines Lebensunterhaltes selbst bestritten. Er habe zwar zwei im Bundesgebiet lebende Brüder, aber die meisten Familienmitglieder lebten noch in der Türkei. Es sei kein Interesse etwa an deutscher Tradition oder Kultur und es sei kein Aufbau von allgemein sozialen und gesellschaftlichen Kontakten zu deutschen Staatsangehörigen erkennbar, vielmehr fielen umgekehrt die zahlreichen intensiven Verbindungen zu - gleichgesinnten - Landsleuten deutlich ins Gewicht. Dies gelte vor allem auch in politischer Hinsicht, da sein gesamtes Verhalten zeige, dass es ihm offenbar in erster Linie darum gehe, seine Zugehörigkeit zur DHKP-C und deren Mitglieder und Unterstützer auch auf deutschem Staatsgebiet zu bewahren.
95 
In nicht zu beanstandender Weise davon ausgehend, dass der Kläger - in dem von der Beklagten-Vertreterin erklärten Sinne - als Funktionär der DHKP-C anzusehen ist, d.h., diese qualifiziert unterstützt, indem er konkrete, ihm zugewiesene Funktionen wahrnimmt und hierdurch in diese eingebunden ist, ist das Regierungspräsidium rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die erheblichen Sicherheitsinteressen an der Ausweisung die gegenläufigen privaten Interessen des trotz langjährigen Aufenthalts nur in Ansätzen in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet integrierten Klägers überwiegen. Mit der Zulassungsbegründung hat die Behörde dargelegt, dass sie an dieser Einschätzung festhält, auch wenn der Kläger aufgrund der bekannten beruflichen Tätigkeiten einen Anspruch nach Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte. Die so ergänzten bzw. geänderten Ermessenserwägungen tragen auch den Anforderungen des Art. 12 Abs. 3 Daueraufenthaltsrichtlinie ausreichend Rechnung.
96 
Weiterhin hat die Behörde die Flüchtlingseigenschaft und die Folge, dass der Kläger auf derzeit nicht absehbare Zeit zu dulden sein wird, berücksichtigt, und die Ausweisung hiervon unabhängig u.a. wegen der beabsichtigten Beschränkungen ausgesprochen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, nachdem sie jedenfalls nicht mehr davon ausgeht, dass diese Beschränkungen ohne Ausweisung überhaupt nicht möglich gewesen wären.
97 
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger, wie von dem Beklagten angenommen, nicht nur den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG, sondern auch den des § 54 Nr. 5a AufenthG verwirklicht hat. Denn insoweit handelt es sich lediglich um eine im Hinblick auf das Ermessen nicht maßgebliche Würdigung ein- und desgleichen zutreffend zugrunde gelegten Sachverhalts unter zwei verschiedene Normen. Zudem hat das Regierungspräsidium mit der entsprechenden Streichung ihre Verfügung nicht mehr auf diese Norm gestützt.
98 
6. Der dargestellte nationale Maßstab der „schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ als tatbestandliche Voraussetzung der Ausweisung wird hier nicht durch die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) bzw. die Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (- QRL - ABl. L 337, S. 9) modifiziert.
99 
Auf die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung sind diese Grundsätze trotz der dem Kläger zuerkannten Flüchtlingseigenschaft und des ihm daraufhin ursprünglich erteilten Titels ausnahmsweise nicht anwendbar. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits vor Inkrafttreten der ursprünglichen Qualifikationsrichtlinie erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Nach deutschem Recht ist die Ausweisung auch, soweit sie zum Erlöschen eines statusbedingten Titels im Sinne der Richtlinie (Art. 24 QRL) führt, eine Entscheidung im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL (a). Im hier vorliegenden besonderen Fall ist aber die bereits bestandskräftig gewordene und auch ausweisungsunabhängig erfolgte Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 2 AufenthG die in Bezug auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL maßgebliche Entscheidung (b).
100 
a) Art. 24 Abs. 1 QRL regelt den sich aus der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Absatz 1) ergebenden Anspruch auf einen Aufenthaltstitel und die Voraussetzungen, unter denen trotz der Zuerkennung internationalen Schutzes der Titel verweigert werden darf. Art. 21 QRL regelt in Absatz 2 die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines Flüchtlings und macht in Absatz 3 deutlich, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel oder ein bereits erteilter und fortbestehender Aufenthaltstitel keinen weitergehenden Schutz bietet.
101 
Entscheidungen im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL sind damit - bezogen auf eine Person, der, wie dem Kläger, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde - alle Maßnahmen, die dieser entweder den statusbedingten Aufenthaltstitel entziehen und/oder deren Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung dieses Aufenthaltstitels ablehnen.
102 
Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall der Ablehnung der Erteilung eines Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG entschieden, dass die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG an Art. 21, 24 QRL gemessen werden müssen (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - Rn. 24). Nicht entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. auch Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris), ob auch eine Ausweisung eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ist und die sich hieraus ergebenden erhöhten Anforderungen damit auch bei einer Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, die - anders als die Ablehnung - nicht auf die Gründe des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG beschränkt ist, zu stellen sind.
103 
Der Senat hat bereits ausgeführt (vgl. zuletzt Vorlage-Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), dass eine Ausweisung, die einen aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilten Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL entsprechen muss. Hieran ist festzuhalten.
104 
Die Ausweisung beendet grundsätzlich nicht nur einen bestimmten, sondern alle bereits erteilten Titel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Sie trifft dabei - anders als die Rücknahme und die Ablehnung der Neuerteilung oder Verlängerung - keine unmittelbare Entscheidung über das Bestehen von Titelerteilungsansprüchen (auch nicht auf die erneute Erteilung der erloschenen Aufenthaltstitel). Dem entspricht es, dass auch der besondere Ausweisungsschutz nach nationalem Recht grundsätzlich nicht an das Bestehen oder Nichtbestehen von Titelerteilungsansprüchen anknüpft. In Bezug auf solche Ansprüche entfaltet die Ausweisung aber gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG u.a. ein in der Regel zu befristendes Titelerteilungsverbot, die sog. Sperrwirkung. Die Sperrwirkung wird durch gleichzeitige oder nachfolgende hierauf gestützte Ablehnungsentscheidungen titelbezogen umgesetzt und konkretisiert.
105 
Dieses deutsche Institut der Ausweisung als solches kennt die Qualifikationsrichtlinie, die auch mit Art. 21, 24 QRL nicht tatbestandlich an einzelne nationale Bestimmungen anknüpft, nicht. Aus Art. 21, 24 QRL lässt sich dementsprechend zwar kein unmittelbarer Ausweisungsschutz im Sinne des § 56 AufenthG - weder anknüpfend an einen Titel noch an einen Status - entnehmen. Es wird insoweit grundsätzlich vom Gesetzgeber zu entscheiden sein, ob er den Schutz der Art. 21, 24 QRL im nationalen Recht als besonderen, an den Status oder den Titelbesitz anknüpfenden Ausweisungsschutz für Ausländer, denen internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt ist, ausgestaltet, mit der Folge, dass hierdurch auch mittelbar bereits erteilte schutzunabhängige nationale Titel vor dem Erlöschen und Ansprüche auf Erteilung von schutzunabhängigen nationalen Titeln vor dem Eingreifen der Sperrwirkung geschützt werden. Ein solcher besonderer über die Vorgaben der Art. 21, 24 QRL hinausgehender Ausweisungsschutz ist dabei nicht die einzig mögliche Umsetzung. Alternativ wäre denkbar, dass der Gesetzgeber den zur Aufnahme des Flüchtlings zu erteilenden nationalen Titel von den Wirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch Änderung dieser Bestimmungen, durch Änderung des § 25 AufenthG oder auch durch Normierung dieser Titel außerhalb des Aufenthaltsgesetzes ausnimmt (vgl. zur Aufenthaltsgestattung des Schutzsuchenden vgl. § 67 AsylVfG, §§ 56 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sowie Art. 9 RL 2013/32/EU). Bisher hat der nationale Gesetzgeber die sich aus Art. 21, 24 QRL ergebenden Anforderungen aber nicht umgesetzt, was zur Folge hat, dass Art. 21, 24 QRL unmittelbar Anwendung finden und die Ausweisung damit jedenfalls soweit sie die dort genannten Wirkungen bezüglich des zur Aufnahme als Flüchtling (zum Begriff vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) bzw. aufgrund der Zuerkennung von internationalem Schutz erteilten Titels entfaltet, an deren Vorgaben zu messen ist.
106 
Daher finden nach Ansicht des Senats auch auf eine Ausweisung, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht wie die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt, die Regelungen der Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 2 QRL über die Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln Anwendung (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Dabei kann es im vorliegenden Fall weiterhin offen bleiben, an welchem Maßstab eine Ausweisung zu messen ist, die die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG nicht ersatzlos zum Erlöschen bringt, weil gleichzeitig eine auf mindestens drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG erteilt wird, so dass im Ergebnis nur eine „Herabstufung“ erfolgt (offen gelassen im Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris und im Beschluss des Senats vom 15.08.2013 - 11 S 1711/12 - für den Fall des Verstoßes der ersatzlosen Rücknahme einer Niederlassungserlaubnis gegen Art. 6 ARB 1/80).
107 
b) aa) Weiterhin ist die Ausweisung grundsätzlich immer dann eine an Art. 21, 24 QRL zu messende Beendigung eines statusbedingten Aufenthaltstitels eines Flüchtlings, wenn sie ein befristetes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 2 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt. Allerdings wird eine solche Ausweisung meist verbunden mit einer in die Zukunft gerichteten Ablehnung der - erneuten - Erteilung bzw. Verlängerung dieses befristeten Titels. Diese Ablehnung ist, ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL. Wenn eine solche Ausweisung hinsichtlich der - vorzeitigen - Beendigung des befristeten Aufenthaltstitels den Anforderungen der Qualifikationsrichtlinie gerecht wird, ergibt sich regelmäßig schon hieraus die Rechtmäßigkeit der anspruchsverneinenden Ablehnungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch in unionsrechtlicher Hinsicht. Damit wird sich die Prüfung auf die Vereinbarkeit der titelvernichtenden Ausweisung mit den Vorgaben der Richtlinie konzentrieren.
108 
Anders ist dies dann, wenn eine Ausweisung erst ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist. Dann ist zunächst diese Ablehnung an den Vorgaben der Art. 21, 24 QRL zu messen. Behält diese Bestand, weil Rechtsbehelfe nicht eingelegt werden oder erfolglos bleiben, greift eine nachfolgende Ausweisung in keinen entsprechenden Titel mehr ein. Ist der Anspruch auf Erteilung eines Titels gemäß §§ 25 Abs. 2, 26 Abs. 3 AufenthG bereits ausweisungsunabhängig (zurückgenommen oder) abgelehnt, geht schließlich auch das - zu befristende - Titelerteilungsverbot insoweit ins Leere.
109 
Dem Fall, dass eine Ausweisung gegenüber einem anerkannten Flüchtling ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des bereits abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist, ist der Fall gleichzusetzen, in dem eine Ausweisung nach Ablauf der Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels zwar gleichzeitig mit einer - zumindest auch - ausweisungsunabhängigen Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des befristeten Titels als weitere Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ergeht, letztere aber bereits bestandskräftig ist (vgl. zur Prüfung von Art. 8 EMRK in einer entsprechenden Konstellation vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.02.2011 - 10 ZB 10.243 - juris). Dann ist die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung ebenfalls nicht mehr an der Qualifikationsrichtlinie zu messen.
110 
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die hier allein maßgebliche Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL die Ablehnungsentscheidung in Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung mit der Folge, dass im vorliegenden Fall nicht auch die Ausweisungsverfügung an den Anforderungen der Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL zu messen ist.
111 
Der Kläger war nach Ablauf seiner letzten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht mehr im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels. Dieser galt zwar nach rechtzeitiger Stellung des Verlängerungsantrags als fortbestehend. Die Fortgeltung endete aber bereits mit dem Wirksamwerden der auch auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ablehnung (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Für diese Ablehnungsentscheidung waren die Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL einschlägig. Ob die Ablehnungsentscheidung, die nach nationalem Recht aufgrund des Vorliegens des Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG zwingend erfolgen musste, diesen Anforderungen gerecht wird, ist hier nicht zu prüfen, weil die Klage, wie dargelegt, insoweit bereits unzulässig war und diese Entscheidung damit bestandskräftig ist. Zur Nichtigkeit würde nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Verfahrensrecht ein solcher nicht offensichtlicher Verstoß gegen höherrangige Regelungen nicht führen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Nicht zu entscheiden ist hier, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Ablehnungsverfügung im Falle ihres Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL wiederaufgegriffen werden müsste (vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Die bloße grundsätzlich bestehende Möglichkeit des Wiederaufgreifens erfordert weder die Inzidentprüfung einer bestandskräftigen Verfügung noch lässt sie eine Abweichung von der durch diese geschaffenen Sachlage zu.
112 
Somit hat der Kläger schon aufgrund dieser Entscheidung keinen fortbestehenden Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG mehr inne, so dass die Ausweisung in diesen Titel nicht mehr eingreifen kann. Auch hinsichtlich der Sperrwirkung ist in solchen Fällen die Ablehnungsentscheidung (oder ggf. Rücknahme) in Bezug auf den abgelehnten Titel jedenfalls dann, wenn die Ablehnung - wie hier - nicht nur wegen der Sperrwirkung der Ausweisung, sondern zusätzlich selbständig tragend wegen des Vorliegens des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfolgt ist, die bezogen auf Art. 21, 24 QRL maßgebliche Entscheidung. Denn mit bestandskräftiger Ablehnung der Erteilung des Aufenthaltstitels steht auch bindend fest, dass ein Anspruch auf diesen Titel nicht besteht. Die Bestandskraft dieser Ablehnungsentscheidung wird weder von der hier mit der Berufung angegriffenen Kassation der Ausweisungsverfügung noch von deren Befristung berührt.
113 
7. Unabhängig davon ist die Ausweisung schließlich aber auch dann rechtmäßig, wenn sie im vorliegenden Fall - neben der hier nicht streitgegenständlichen Ablehnungsentscheidung ebenfalls - an Art. 21, 24 QRL zu messen ist.
114 
Dabei kommt es hier auf die dem Europäischen Gerichtshof vom Senat (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) vorgelegte streitige Frage nicht an, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL ergeben, geringer sind, als die aus Art. 24 Abs. 1 QRL (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris; a.A. zuletzt Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), so dass weder eine weitere Vorlage noch eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt war. Vom Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts ausgehend, ist es für eine Maßnahme im Sinne der Art. 21 Abs. 3 QRL und auch eine Ablehnung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL jedenfalls ausreichend, dass die niedrigen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL erfüllt sind; dementsprechend können auch an eine Ausweisung, wenn sie an diesen Vorschriften zu messen ist, nicht die nach diesem Ansatz höheren Anforderungen des Art. 24 QRL gestellt werden. Nach Überzeugung des Senats sind hier aber die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht aus Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL herleitet, erfüllt.
115 
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts es - mit Blick auf die in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL enthaltene erhöhte Gefahrenschwelle - gebietet, bei anerkannten Flüchtlingen den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen nur in Fällen vorliegen, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Anders als das nationale Aufenthaltsrecht, das in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel auch in Fällen des § 54 Nr. 5 AufenthG als gegeben ansehe, enthalte das Unionsrecht insoweit keine Regelvermutung, sondern verlange eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht aus; vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Schwerwiegende Gründe lägen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetze. Vielmehr müssten bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das sei typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstütze. Das könne sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintrete oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mittrage. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend sei, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lasse sich nicht abstrakt beantworten, sondern hänge von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, u.a. auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris).
116 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die DHKP-C verfolgt, wie dargelegt, die Herbeiführung einer Weltrevolution und den Sturz des Imperialismus. Die DHKP-C strebt eine kommunistische Gesellschaftsordnung an, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Darüber hinaus gefährdet sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126). Die Organisation versteht es als „heilige Pflicht", gegen die „Tyrannei und Ausbeutung" in der Türkei zu kämpfen. Zur Erreichung ihrer Ziele führt sie den bewaffneten Kampf. Angriffsziele sind nicht nur der türkische Staat und dessen Organe, sondern auch weitere „Feinde des Volkes", zu denen die DHKP-C in erster Linie den „US-Imperialismus" zählt (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 127 f.). Ebenso wie diese Zielsetzung sind auch ihre Aktivitäten und ihr bewaffneter Kampf, der auch mit Mitteln terroristischer Anschläge geführt wird (vgl. oben), nicht - grundsätzlich - auf die Türkei beschränkt. Am 12.02.1999 verfügte Dursun Karatas zwar einen Gewaltverzicht der DHKP-C für Westeuropa. In Deutschland waren seitdem auch keine gewaltsamen Aktionen mehr festzustellen. Der Organisation der DHKP-C in Deutschland kommt aber weiterhin eine bedeutende Rolle als „Rückfront“ zu, die insbesondere für finanzielle Förderung zur Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei erforderlich ist (vgl. oben), die zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat (vgl. oben).
117 
Die hohe Gewaltbereitschaft zeigt sich vor allem im Einsatz von eindeutig terroristischen (Selbstmord-)Anschlägen mit Sprengsätzen, Handgranaten u.ä., aber auch in der Bewaffnung mit und dem Gebrauch von Schusswaffen. Dass der Einsatz dieser Mittel derzeit auf die Türkei beschränkt ist, ändert an dem hohem Grad der Gewaltbereitschaft und Gefährlichkeit nichts, da der Verzicht auf Gewalt in anderen europäischen Ländern und insbesondere auch in Deutschland erkennbar aus taktischen Gründen erfolgt ist, um hier die Rückfront möglichst von strafrechtlicher Verfolgung ungestört aufzubauen und wirken zu lassen. Der Grad der Gefährlichkeit ist, wie ebenfalls bereits dargelegt, auch nicht deswegen als niedriger anzusehen, weil es sich um eine Organisation mit einer eher geringen Mitgliederzahl handelt. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Organisation sich auch in der Struktur von großen Organisationen, wie beispielsweise der PKK, u.a. dadurch unterscheidet, dass eine klare Unterscheidung in herausgehobene Funktionäre und mit Anschlägen befasste Kader und sonstige Angehörige nicht geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris und s. oben). Jedem einzelnen ihrer Anhänger, der, wie der Kläger, durch arbeitsteilige Aufgabenwahrnehmung in diese und in deren Kontrolle eingebunden ist, kommt insoweit regelmäßig unmittelbare Bedeutung für die Förderung und den Erhalt der nach Überzeugung des Senats hochgradig gefährlichen Organisation zu. Dementsprechend verhalten sich nicht nur die Funktionäre, sondern auch die „einfachen“ Anhänger der DHKP-C ausgesprochen konspirativ (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128).
118 
Ihre aktuelle Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft hat die Organisation mit der „Anschlagoffensive“ ab Mitte 2012 demonstriert (vgl. oben), die ebenfalls belegt, dass auch die Festnahmen und Verurteilungen einzelner auch überregional verantwortlicher Funktionäre und die Sicherstellungen von Waffen und Sprengstoff den Gefährdungsgrad der Organisation bisher nicht nachhaltig beeinträchtigen konnten.
119 
Zur Führung in der Bundesrepublik zählen neben dem Deutschlandverantwortlichen und dessen Vertretern mehrere Regions- und Gebietsverantwortliche sowie weitere, mit Sonderaufgaben betraute Funktionäre, etwa die Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit. Als örtliche oder regionale Basis dienen DHKP-C-nahe Tarn-Vereine. Die Tätigkeitsschwerpunkte in Baden-Württemberg liegen im Großraum S... sowie in der R...-N...-Region (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128), wo auch der Kläger, wie dargelegt, nach Überzeugung des Senats als Aktivist strukturell in die Organisation der DHKP-C, deren Gefährdungspotential er auch weiterhin mitträgt, eingebunden war und ist. Er hat die DHKP-C durch die oben dargestellten Tätigkeiten jahrelang planmäßig in Abstimmung und Zusammenarbeit mit anderen Anhängern, Mitgliedern und Funktionären unterstützt und damit, insbesondere durch Verbreitung ihrer Ideologie und Beschaffung von finanziellen Mitteln, maßgeblich dazu beigetragen, dass die DHKP-C, deren Aktionen die Rückfront durch Mitgliedsbeiträge, den Verkauf ihrer Schriften, durch Einnahmen aus Spendengeldsammlungen und aus Musik- und anderen Veranstaltungen finanziert, in der Türkei Terroranschläge in erheblichem Umfang und Ausmaß durchführen konnte (vgl. dazu oben).
120 
Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die das Bundesverwaltungsgericht zu Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und 1 QRL aufgestellt hat, hier gegeben.
121 
Nach der Ansicht des Senats liegen hier ohne weiteres "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 QRL vor und rechtfertigen die Ausweisung auch unionsrechtlich (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Ob daneben auch die nach Ansicht des Senats im Vergleich zu Art. 24 Abs. 1 QRL strengeren Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 QRL (vgl. Vorlagebeschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) erfüllt sind, ist hiervon ausgehend aber unerheblich, weil die Ausweisung weder eine Entscheidung über die Zurückweisung darstellt noch den - nach deutschem Recht titelunabhängigen - Schutz davor (vgl. § 60 Abs. 1 AufenthG) entzieht.
122 
8. In die übrigen, sich aus der Richtlinie ergebenden Rechte des international Schutzberechtigten, von denen der Anspruch auf den befristeten Aufenthaltstitel nur eines ist (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris), greift eine Ausweisung hier nicht ein.
123 
Dies gilt unabhängig davon, dass im deutschen Recht zum Teil, insbesondere im Bereich der Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, bestimmte durch die Richtlinie garantierte Rechte über den Aufenthaltstitel vermittelt werden (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 a.a.O.). Denn soweit die dem Statusinhaber in der Qualifikationsrichtlinie gewährten Rechte weder vom Fortbestehen des aufgrund des Status ausgestellten Aufenthaltstitels abhängig sind bzw. gemacht werden können, hat der Eingriff in den - Anspruch auf einen - Aufenthaltstitel auf diese ohnehin keinen Einfluss. Insoweit können dem Ausländer, dem internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt worden ist, die hierauf beruhenden Rechte nur mit der Zuerkennung als solcher entzogen werden.
124 
Es kann offenbleiben, ob und inwieweit einzelne Rechte noch nach der erfolgten Aufnahme durch Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Flüchtlingseigenschaft (vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) vom Fortbestand des vermittelten Aufenthaltsstatus bzw. von der Verlängerung des Aufenthaltstitels abhängig gemacht werden können und ob das nationale Recht die Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Denn im hier vorliegenden Fall hat, wie dargelegt, schon die bestandskräftige Ablehnung und nicht erst die streitgegenständliche Ausweisung zum Verlust des Titels und damit ggf. auch hiervon abhängiger Rechte geführt.
II.
125 
Die Anordnung der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54a AufenthG durch Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig.
126 
Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung u.a. nach § 54 Nr. 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist sein Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit diese keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügten Vorschriften (BT-Drucks. 15/3479 S. 9) dienen der Gefahrenabwehr. Sie sollen die von den nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG ausgewiesenen Ausländern ausgehende Gefahr einer Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eindämmen, gerade auch in Fällen, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist (BR, Plenarprotokoll 802 vom 09.07.2004, S. 338 ff.). Die Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, die gesetzliche Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen je nach dem Gewicht der konkreten Gefahr zu modifizieren; dabei hat sie den mit einer Meldepflicht und einer Aufenthaltsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriff unter Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu beschränken und - insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung - unter Kontrolle zu halten (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
127 
Der angegriffene Bescheid konkretisiert die gesetzlichen Verhaltenspflichten durch die Regelung, ohne von der gesetzlich im Normalfall vorgesehenen Meldehäufigkeit oder von der Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde abzuweichen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger eine geringere Gefahr ausgeht als von anderen Ausländern, die auf der Grundlage von § 54 Nr. 5 AufenthG ausgewiesen werden, so dass die gesetzlichen Verhaltenspflichten des § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzuschwächen wären, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Nach nationalem Recht sind die Auflagen damit nicht zu beanstanden.
128 
Den auf der Grundlage von § 54a AufenthG verfügten Auflagen steht auch nicht der Anspruch des anerkannten Flüchtlings auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebiets nach Art. 33 QRL entgegen. Zwar gilt Art. 33 QRL unabhängig von der aufenthaltsrechtlichen Aufnahme im Mitgliedstaat und lässt eine Anknüpfung an den Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht zu (vgl. auch oben zu Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Ein anderes Verständnis lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang mit Art. 26 GFK herleiten (so aber Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, S. 939). Der Wortlaut der deutschen Fassung des Art. 33 QRL setzt eindeutig ausschließlich die Zuerkennung des internationalen Schutzstatus und nicht auch die erfolgte Aufnahme im Wege der Erteilung des Aufenthaltstitels voraus. Auch aus der englischen und französischen Fassung (Begünstigte des Status bzw. die, den Status genießen) ergibt sich nichts anderes. In der englischen Fassung lautet die Regelung:
129 
"Member States shall allow freedom of movement within their territory to beneficiaries of refugee or subsidiary protection status, under the same conditions and restrictions as those provided for other third country nationals legally resident in their territories."
Die französische Fassung lautet: "Les États membres permettent aux personnes bénéficiant du statut de réfugié ou du statut conféré par la protection subsidiaire de circuler librement à l'intérieur de leur territoire, dans les mêmes conditions et avec les mêmes restrictions que celles qui sont prévues pour les ressortissants d'autres pays tiers résidant légalement sur leur territoire."
130 
Dem entspricht es, dass die sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Rechte, von denen der Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 24 QRL nur einer ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris), auch im Übrigen grundsätzlich nur an die Zuerkennung des jeweiligen Status anknüpfen (vgl. die unter Kapitel VII „Inhalt des nationalen Schutzes“ getroffenen Bestimmungen - Art. 22 ff., sowie die Erwägungsgründe 38 ff.). Das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit wird im jeweiligen Aufenthaltsstaat garantiert. Dabei fordert das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit nicht die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, sondern, wie beim Zugang zu Wohnraum (Art. 32), mit Drittausländern, die sich rechtmäßig im jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten.
131 
Etwas anderes lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm nicht herleiten. Nach Art. 30 des Entwurfs der Kommission sollten Personen, die internationalen Schutz genießen, unbeschränkte Freizügigkeit in den jeweiligen Mitgliedstaaten erhalten (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen, Schutz benötigen KOM(2001) 510 endgültig vom 12.9.2001: „Member States shall not limit the freedom of movement within their territory of persons enjoying international protection“). Der Kreis der Berechtigten wurde im Laufe des Normgebungsverfahrens nicht eingeschränkt. Allerdings wurde der Umfang der Freizügigkeit, die ihnen zu gewähren ist, aufgrund von Forderungen einzelner Mitgliedstaaten nach Ergänzung von Ausnahmen (z.B. aus Gründen der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, Strafverfahren) eingeschränkt (EL/E/IRL/I/UK – Deutschland hatte einen Prüfungsvorbehalt geltend gemacht, vgl. Council doc. No. 10596/02, p. 36 und Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 1198). Auch wenn die Gestaltung dieser Einschränkung mit Blick auf Art. 26 GFK erfolgt sein dürfte (vgl. Hailbronner, a.a.O.), der in der deutschen Fassung bestimmt, dass jeder vertragsschließende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren wird, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden (vgl. dazu unten), ergibt sich hieraus nicht, dass auch der Kreis der Berechtigten auf diejenigen anerkannten Schutzberechtigten, die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, beschränkt werden sollte, und sich ausgewiesene Schutzberechtigte deshalb nicht darauf berufen können (so aber Marx a.a.O.). Denn zwar wird auch anerkannten Schutzberechtigten mit der erfolgten Einschränkung nicht mehr - wie zunächst vorgesehen - uneingeschränkte Freizügigkeit (wie den jeweiligen Staatsangehörigen), sondern nur noch in dem Umfang, wie diese auch anderen Drittstaatsangehörigen zusteht, die sich rechtmäßig im jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, gewährt. Die in Art. 26 GFK enthaltene Einschränkung auf sich „rechtmäßig“ im Hoheitsgebiet aufhaltende Schutzberechtigte wurde aber nicht übernommen. Offenbleiben kann damit, ob die nicht verbindliche deutsche Übersetzung der Genfer Flüchtlingskonvention überhaupt korrekt ist (vgl. die verbindliche englische und französische Fassung: Each Contracting State shall accord to refugees lawfully in its territory the Right … und Tout Etat Contractant accordera aux réfugiés se trouvant régulièrement sur son territoire le droit …) bzw. welche Bedeutung der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in dieser Bestimmung hat (vgl. zu diesem Begriff in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.2004 - 1 C 1.03 - juris) und insbesondere, ob damit ein rechtmäßiger, über den gewährten Schutz vor Zurückweisung hinausgehender Aufenthaltsstatus gemeint ist.
132 
Im Bereich der Freizügigkeit muss damit ein Ausländer, dem internationaler Schutz zuerkannt worden ist, auch wenn er ausgewiesen und/oder ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 QRL versagt werden kann bzw., wie im Falle des Klägers, versagt worden ist, einem sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer gleichgestellt werden.
133 
Für die Frage, welche sich mit oder ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer dabei als Vergleichsgruppe heranzuziehen sind, erscheint eine Auslegung unter der Berücksichtigung der in Art. 26 GFK naheliegend. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15.01.2008 - 1 C 17.07 - juris) hat zu Art. 26 GFK entschieden, dass diese Vorschrift die Anwendung der Bestimmungen erlaubt, die allgemein für Ausländer unter den „gleichen Umständen“ gelten. Der Begriff der „gleichen Umstände“ wird in Art. 6 GFK näher definiert. Danach sind Differenzierungen, die sich „auf die Dauer und die Bedingungen des vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts beziehen“, zulässig, wenn sie die betroffenen Personen auch erfüllen müssten, falls sie nicht Flüchtlinge wären, wenn sie also auch für andere Ausländer gelten würden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus geschlossen, dass etwa zwischen Ausländern mit unbefristetem Aufenthaltsrecht und solchen, die nur einen befristeten Aufenthaltstitel haben, differenziert werden darf, aber auch nach den Aufenthaltszwecken, für die Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2008 a.a.O.).
134 
Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat in seiner Entscheidung offen gelassen, ob sich aus Art. 32 QRL 2004 (jetzt Art. 33 QRL 2011) engere Vorgaben für das Erfordernis der Ausländergleichbehandlung ergeben als aus Art. 26 GFK, aber darauf hingewiesen, dass Art. 33 QRL als Vergleichsgruppe der Gleichbehandlung die anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Aufnahmestaat aufhalten, wählt und keine Präzisierung wie Art. 6 GFK enthält. Der Senat kann ebenfalls offenlassen, ob die Einschränkung der Freizügigkeit in Art. 33 QRL mit der in Art. 26 GFK gleichbedeutend ist. Denn im vorliegenden Fall findet die Aufenthalts- und Meldeauflage ihre Grundlage in der in Art. 33 QRL vorgesehenen Einschränkung, auch wenn die Vergleichsgruppe alle sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörige sind, unabhängig von dem ihrem Aufenthalt jeweils zugrunde liegenden Zweck. Vor dem Hintergrund, dass sich allein aus dem Schutzstatus nach der Qualifikationsrichtlinie grundsätzlich kein Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht ergibt, scheidet demgegenüber eine Gleichstellung mit Inhabern einer Niederlassungserlaubnis oder eines Daueraufenthalts-EU aus.
135 
Ausgehend von dieser Vergleichsgruppe sind die verfügten Auflagen rechtmäßig. Zwar können sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Drittausländer den hier verfügten Beschränkungen nicht auf der Grundlage des § 54a AufenthG unterworfen werden. Absatz 1 der Regelung sieht Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkungen für Ausländer, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, zwingend vor (Satz 1). Ist ein Ausländer auf Grund anderer Ausweisungsgründe vollziehbar ausreisepflichtig, kann eine entsprechende Meldepflicht angeordnet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist (Satz 2). Auch die Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde gemäß Absatz 2 erfasst ausschließlich Ausländer im Sinne des Satzes 1 (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, Stand: 01.09.2013, § 54a Rn. 5; a.A. Hailbronner, a.a.O., § 54a Rn. 11). Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des Absatzes 1 lässt sich bereits entnehmen, dass auch im Falle des Satzes 1 grundsätzlich eine vollziehbare Ausreisepflicht vorliegen muss, so dass auch ein Ausländer, der sich trotz vollziehbarer Ausweisung aufgrund eines Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht auf dieser Grundlage entsprechenden Beschränkungen unterworfen werden kann.
136 
Entsprechendes gilt für die gesetzliche Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar Ausreisepflichtiger gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes. Auch sie enthält keine Grundlage für die räumliche Beschränkung sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltender Ausländer.
137 
Dagegen sieht aber § 12 AufenthG allgemein Nebenbestimmungen - auch unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltszweck - für Visa, Aufenthaltserlaubnisse oder im Falle des erlaubnisfreien Aufenthalts vor (für Niederlassungserlaubnisse bedarf es einer speziellen gesetzlichen Regelung vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 12 Abs. 2 AufenthG können das Visum und die Aufenthaltserlaubnis mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können - auch nachträglich - mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Auch der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann nach Absatz 4 der Bestimmung zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden. Eine solche Auflage muss ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie finden; sie muss aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen. In diesem Rahmen darf die Ausländerbehörde durch Auflagen öffentliche Interessen schützen, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden können (BVerwG, Urteil vom 15.12.1981 - 1 C 145.80 - juris zu § 7 Abs. 4 AuslG), insbesondere Beschränkungen verfügen, die die Verhinderung von Straftaten und/oder verfassungsgefährdendem Verhalten im Sinne des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG bezwecken (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar a.a.O., AuslR, § 12 Rn. 12). Damit kann grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 und 4 AufenthG - z.B. als gegenüber der Ausweisung milderes Mittel oder einziges Mittel, weil von einer Ausweisung aufgrund besonderer Umstände abgesehen wird oder abgesehen werden muss - eine fortbestehende Aufenthaltserlaubnis, unabhängig davon zu welchem Zweck sie erteilt worden ist, sowie ein erlaubnisfreier Aufenthalt auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt werden. Entsprechendes gilt für die Verhängung von der Überwachung dienenden Meldeauflagen, ohne die die räumliche Aufenthaltsbeschränkung in solchen Fällen nicht sicherzustellen ist (vgl. dagegen zur Unvereinbarkeit von Wohnsitzauflagen zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten mit Art. 28 Abs. 1 und 32 QRL vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2013 - 18 A 1291/13 - juris m.w.N.).
138 
Wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, steht auch Art. 26 GFK bei sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Flüchtlingen entsprechenden Auflagen nicht entgegen. Eine räumliche Beschränkung ihres Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage verstößt schließlich auch nicht gegen das Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423, 1109). Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Protokolls hat jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Der Aufenthalt wäre aber nur insoweit rechtmäßig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 des Protokolls, als sich der Ausländer in den Grenzen aufhält, die sein Aufenthaltstitel vorsieht, der den rechtmäßigen Aufenthalt räumlich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 19.03.1996 - 1 C 34.93 - juris).
139 
Für den Senat besteht nach diesem Maßstab kein Zweifel daran, dass gegenüber jedem sich im Bundesgebiet mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis oder erlaubnisfrei aufhaltenden (Dritt-)Ausländer bei dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt auf der Grundlage des § 12 AufenthG die unter Ziff. 3 verfügten Beschränkungen hätten erlassen werden können. Im Hinblick darauf, dass der Kläger einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund durch die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verwirklicht hat, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sein Verhalten seit seiner Ausweisung grundlegend geändert hat oder in Zukunft ändern wird, erscheinen Beschränkungen seiner Freizügigkeit, um ihm weitere Aktivitäten zugunsten der DHKP-C zumindest zu erschweren, notwendig, geeignet und ihm Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers auch verhältnismäßig. Somit sind diese Beschränkungen auch mit Art. 33 QRL vereinbar.
140 
Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass derartige Beschränkungen gegenüber nicht vollziehbar Ausreisepflichtigen auf der Grundlage von § 12 AufenthG im Ermessen der Behörde stehen und auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG nicht - in einem Mindestumfang - zwingend vorgegeben sind. Denn der nach Art. 33 QRL vorzunehmende Vergleich dürfte ohnehin nur auf die grundsätzliche Zulässigkeit der Verhängung der beabsichtigten bzw. erfolgten Beschränkung auch gegenüber anderen sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländern bei Zugrundelegung des gleichen Sachverhalts zielen. Unabhängig davon schließt es die gesetzgeberische Bewertung der Tatbestände der § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG als Regelausweisungsgründe und zwingende Versagungsgründe - auch in Bezug auf humanitäre Aufenthaltstitel - aus, bei deren Erfüllung von Beschränkungen, wie sie § 54a AufenthG vorsieht, ganz abzusehen, wenn im Einzelfall weder eine Ausweisung erfolgen noch der befristete Titel widerrufen oder zurückgenommen werden kann und deswegen eine Aufenthaltsbeendigung vorerst ausscheidet. Art und Umfang der Beschränkungen stehen auch nach § 54a AufenthG unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der vom Beklagten beachtet worden ist.
141 
Auch im Übrigen begegnen diese Auflagen keinen rechtlichen Bedenken. Das Regierungspräsidium hat die angegriffene Verfügung in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 insbesondere insoweit geändert, dass die Auflagen nun erst mit Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung wirksam werden sollen (vgl. im Übrigen Urteil des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
C.
142 
Schließlich ist auch die vom Beklagten mit Verfügung vom 24.02.2014 getroffene Befristungsentscheidung, die der Senat aufgrund des Hilfsantrags des Klägers, mit dem er die Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf Null begehrt, zu prüfen hat, überwiegend nicht zu beanstanden.
143 
Dieser Hilfsantrag des Klägers ist zulässig. Denn in der Anfechtung der Ausweisung war bereits erstinstanzlich zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 39 und vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 24; Beschluss vom 14.03.2013 - 1 B 17.12 - NVwZ-RR 2013, S. 574 Rn. 9 ff.). Nachdem das Verwaltungsgericht die Ausweisungsverfügung auf den Hauptantrag des Klägers hin aufgehoben hatte, hatte es über diesen Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden. In diesen Fällen fällt der Hilfsantrag im Berufungsverfahren an, wenn - wie hier - die Berufung zur Abweisung des Hauptantrags führt.
I.
144 
Nachdem der Beklagte während des Berufungsverfahrens eine Befristung für die Dauer von zehn Jahren ausgesprochen hat, ist vom Senat insoweit zunächst zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist, insbesondere, wie vom Kläger beantragt, auf Null hat. Dies ist nicht der Fall.
145 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
146 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine Dauer unter zehn Jahren. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger derzeit noch keinen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung hätte. Zwar knüpft in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 AufenthG) ebenso ungewiss ist, wie die der freiwilligen Ausreise, der Fristbeginn nicht an ein gewisses bzw. von den Beteiligten herbeiführbares Ereignis an. Eine in dieser Weise bedingte Befristung verfehlt ihre eigentliche Aufgabe. Weder verschafft sie dem Ausgewiesenen eine zeitliche Perspektive noch trägt sie zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zu folgen sich der Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung gehalten sieht, ist die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aber einheitlich so auszulegen, dass auch die Wirkungen der Ausweisung bereits mit Erlass der Ausweisungsverfügung zu befristen sind.
147 
Diese allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre grundsätzlich überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn es besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (§ 54 Nr. 5 AufenthG) und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung. Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Aufenthaltsbeendigung durch die dem Kläger erteilte Duldung möglicherweise weit in die Zukunft verschoben ist, so dass die Fristbestimmung auf typisierende Annahmen zurückgreifen muss. Danach ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger keinerlei Neigung zeigt, von seiner Unterstützung der DHKP-C, die bereits auf das Jahr 1989 zurückgeht, abzusehen, so dass mit einer grundlegenden Änderung seines Verhaltens auch in ferner Zukunft nicht ernsthaft gerechnet werden kann.
148 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist - wohl ausgehend von der aktuellen Situation - an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, messen lassen. Dieses normative Korrektiv biete der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 a.a.O. jeweils Rn. 42 m.w.N.). Dabei seien insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen.
149 
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss hierzu die nach der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermittelte Frist zunächst wohl auch immer dann unmittelbar in einem zweiten Schritt relativiert werden, wenn, wie hier, noch ungewiss ist, ob überhaupt und ggf. bei Vorliegen welcher persönlichen Verhältnisse die gesetzte Frist, die auch nachträglich verkürzt werden kann, in Lauf gesetzt wird. Auch nach diesen Grundsätzen ist hier allerdings die Frist von 10 Jahren nicht zu verkürzen. Im vorliegenden Fall ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar durch Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt sichert, aber eine besondere berufliche Integration liegt dem nicht zugrunde. Er ist als Reinigungskraft für häufig wechselnde (Leih-)Arbeitgeber tätig. Er ist erst im Alter von 31 Jahren nach Deutschland gekommen, verfügt über keine starken familiären Bindungen in Deutschland und es ist auch eine Verwurzelung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht zu erkennen. Sein politisches Denken ist maßgeblich auf die Türkei ausgerichtet und sein soziales Umfeld bilden gleichgesinnte Landsleute. Die Festsetzung einer Sperrfrist von zehn Jahren ist damit auch unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. oben) entwickelten Kriterien verhältnismäßig.
150 
Der Senat verkennt nicht, dass sich aus dem oben Dargelegten auch ergibt, dass die Wirkungen der Ausweisung (weitgehendes Titelerteilungsverbot, Verfestigungssperre, Ausreisepflicht), die nicht erst mit der Ausreise des Klägers eintreten, sondern bereits mit Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit der Verfügung, trotz der Befristung auf 10 Jahre letztlich unbefristet fortwirken. Dies beruht aber unabhängig davon, welche Frist festgesetzt wird, auf der Art der Bedingtheit des Fristbeginns (vgl. oben) in Fällen, wie dem vorliegenden, und führt nicht dazu, dass diese oder alle Wirkungen der Ausweisung unabhängig von einer Ausreise oder gar auf Null zu befristen sind. Denn nach dem eindeutigen und damit nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG beginnt die nach Satz 3 bis 5 festzusetzende Frist mit Ausreise.
151 
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht hiervon abweichend einen Anspruch auf eine Befristung auf Null in Ausnahmefällen angenommen (vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - und - 1 C 5.13 - juris, m.w.N.). Es handelte sich dabei aber um Fallgestaltungen, in denen aufgrund von Änderungen der Sachlage grundsätzlich ein Widerruf der bestandskräftigen Ausweisung wegen Unverhältnismäßigkeit mit sofortiger Wirkung in Betracht gekommen wäre (vgl. § 51 Abs. 5 und § 49 Abs. 1 LVwVfG). Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 49 LVwVfG auch schon vor Ausreise grundsätzlich oder jedenfalls dann ausscheidet, wenn es um die Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen geht, die für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erheblich sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.09.2007 - 1 C 21.07 - und vom 22.10.2009 - 1 C 15.08 - juris zu nach § 11 AufenthG), muss in solchen Fällen nun statt eines Widerrufs eine gesetzlich nicht vorgesehene Befristung auf Null erfolgen. Aus dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nach Ansicht des Senats aber nichts dafür herleiten, dass ein (Hilfs-)Anspruch auf Befristung ohne Ausreise oder sogar auf Null bereits bei der erstmaligen Befristung gleichzeitig mit Erlass einer rechtmäßigen Verfügung bestehen könnte. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nichts anderes, da der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von dem Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung der Frist maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten und insoweit auch einen nachträglich entstandenen Anspruch auf Befristung auf Null geltend machen kann.
152 
Im Übrigen gibt es derzeit auch keine Gründe dafür, dem Kläger die Verfestigung seines Aufenthalts bereits ab einem früheren Zeitpunkt wieder zu ermöglichen. Zudem sind die Auflagen und Beschränkungen, wie dargelegt, unabhängig hiervon unter Kontrolle zu halten und ggf. zu beschränken.
II.
153 
Allerdings gibt es für die von der Behörde unter Ziffer 2 der Befristungsentscheidung angeordnete Hemmung dieser Frist im Falle einer erneuten unerlaubten Einreise vor Fristablauf derzeit keine Rechtsgrundlage.
154 
Auch wenn in der Begründung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums des Innern zum Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (Stand: 07.04.2014, Zu Nummer 8) zum dort vorgesehenen Absatz 8 der Neuregelung des § 11 AufenthG, der eine Unterbrechung des Fristablaufs durch eine unerlaubte Einreise vorsieht, ausgeführt wird, die Regelung stelle klar, dass der Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach einer unerlaubten Wiedereinreise nicht im Bundesgebiet abgewartet werden könne, entspricht dies nicht der jetzigen Rechtslage, da § 11 AufenthG in der derzeitigen Fassung keinen Hinweis auf einen solche Unterbrechung der Frist enthält, so dass die Frist nach der ersten maßgeblichen Ausreise oder Abschiebung allein durch den anschließenden Zeitablauf endet (vgl. Urteil des Senats vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 - juris Rn. 73 m.w.N), ohne dass es auf danach eintretende Ereignisse ankommt.
155 
Es besteht derzeit aber auch keine Rechtsgrundlage für die behördliche Bestimmung einer Fristhemmung oder -unterbrechung für die von ihr festzusetzende Frist. Dass es sich bei den Ausführungen unter Ziffer 2 der Befristungsregelung nicht um einen unverbindlichen - die Rechtslage verkennenden - Hinweis handelt, folgt zum einen daraus, dass diese Bestimmung eigenständiger Teil des Tenors der Verfügung ist und nicht ein lediglich ergänzender Text in Ziffer 1 der Verfügung. Zum anderen ist die Hemmung des Fristablaufs in der Verfügung auch selbständig begründet:
156 
„Der präventive Ausweisungszweck wird bis zu dem oben bestimmten Fristablauf nicht erreicht, wenn eine unerlaubte Einreise vor Fristablauf erfolgt. Einmal ist die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt entgegen dem Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Straftat gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Zum anderen geht die Wirkung der Ausweisung, die u. a. gerade durch das Einreise- und Aufenthaltsverbot gekennzeichnet ist, ins Leere, wenn sich Herr T... trotz des Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhält. Dies rechtfertigt die Hemmung des Fristlaufes in der Zeit eines unerlaubten Aufenthaltes. Die Frist läuft damit erst dann weiter, wenn Herr T... das Land wieder verlassen hat. Insoweit soll die Regelung dazu beitragen, dass der präventive Ausweisungszweck nicht gefährdet wird. Zudem soll eine unerlaubte Einreise und ein unerlaubter Aufenthalt vermieden werden. Auch an diesem Regelungszweck besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, wie die Strafvorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG unterstreicht.“
157 
Diese Begründung für die Anordnung der Fristhemmung im konkreten Fall lässt klar erkennen, dass es sich bei der Ziffer 2 der Verfügung auch nach der Vorstellung der Behörde um eine verbindliche, von ihr getroffene Regelung und nicht um eine sich - ihrer Meinung nach - bereits aus dem Gesetz ergebende regelmäßige Folge handelt.
158 
Die Bestimmung der Hemmung des Fristablaufs steht zwar - anders als die Bestimmung des Neubeginns (früher: Unterbrechung) - nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung, dass die Frist mit der Ausreise beginnt. Denn sie berührt den Fristbeginn nicht, sondern modifiziert ausschließlich den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Ablauf der von der Behörde zu setzenden Frist. Dennoch ist die Regelung zur Hemmung aber derzeit nicht im Rahmen und als Teil der Bestimmung der Fristdauer möglich, sondern bedarf einer gesetzlichen Grundlage, an der es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlt. Auch dies entnimmt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Befristung nach § 11 AufenthG, der er - wie dargelegt - aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung folgt. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht nicht nur betont, dass es sich bei der Befristung um eine gerichtlich vollständig überprüfbare Prognoseentscheidung handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sondern es hat selbst in Fallkonstellationen, in denen besonders gefahrbringende Gewohnheiten oder persönliche Eigenschaften vorlagen, dem jeweiligen Kläger einen Anspruch auf unbedingte Befristung jeweils unter zehn Jahren zugesprochen, ohne bei der Festsetzung dieser Fristdauer eine solch naheliegende Bestimmung zum Fristablauf wie die Hemmung im Falle der unerlaubten Einreise bis zur erneuten Ausreise überhaupt in Betracht zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
159 
Daraus, dass diese Bestimmung zur Hemmung des Fristablaufs damit nicht hätte ergehen dürfen, folgt nicht, dass die Befristungsverfügung insgesamt aufzuheben, und das beklagte Land zur erneuten Befristung auf zehn Jahre ohne die vorgesehene Hemmung zu verpflichten wäre, da das gleiche Ergebnis hier schon mit der Aufhebung der Verfügung zu Ziffer 2 in einfacherer Weise erreicht wird.
D.
160 
Der Senat misst diesem geringfügigen Obsiegen des Klägers keine Bedeutung für die Kostenfolge zu. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
E.
161 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
162 
Beschluss vom 14. Mai 2014
163 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt (§§ 39 Abs. 1, 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
164 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
36 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes hat Erfolg.
A.
37 
Soweit sich die Berufung des Beklagten gegen die Aufhebung der Ziffer 2 ihrer Verfügung vom 20.01.2012 richtet, hat sie bereits deswegen Erfolg, weil - soweit die Ziffer 2 der Verfügung überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens war (I.) - die erhobene Anfechtungsklage insoweit unzulässig ist (II.).
I.
38 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage wegen Ausweisung“ erhoben, ohne den angegriffenen Bescheid vorzulegen. Die Begründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Sachverhaltswiedergabe und die Würdigung, dass die Verfügung rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Der schriftsätzliche Klageantrag war gerichtet auf die Aufhebung der Verfügung vom 20.01.2012. Die hierzu vorgelegte Vollmacht war wegen „Ausweisung“ erteilt worden. Späteres Klagevorbringen befasst sich ausschließlich mit den angeschuldigten Aktivitäten für die DHKP-C. Hiervon ausgehend, ist nicht erkennbar, dass die erhobene Klage auch die Ziffer 2 der Verfügung erfassen sollte. Der Kläger hat auch nicht dazu vorgetragen, dass ihm von der Wirkung der Ausweisung abgesehen der abgelehnte Aufenthaltstitel zustünde und hätte erteilt werden müssen. Unerheblich ist, ob der Kläger die Ablehnung der Verlängerung ausdrücklich - anders als die Ausweisung - hinnehmen wollte oder diese weitere Entscheidung in der Verfügung aus den Augen verloren bzw. ihre selbständige Bedeutung verkannt hat. War das Klagebegehren damit - aus welchen Gründen auch immer - lediglich auf die Aufhebung der Ausweisung gerichtet, kann die Anfechtungsklage auch im Wege der sachdienlichen Auslegung nicht zugleich als Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Verlängerung behandelt werden. Denn nach § 88 VwGO ist das Gericht nicht an die Formulierung des Klageantrags gebunden, wohl aber an das Klagebegehren, das sich aus dem gesamten Klagevorbringen ergibt.
II.
39 
Geht man ungeachtet dessen zugunsten des Klägers davon aus, dass der auf Aufhebung der Verfügung gerichtete Antrag auch die Ziffer 2 der Verfügung betroffen hatte, wäre das Klageziel vom Verwaltungsgericht falsch bestimmt worden. Denn dieses hatte den Klageantrag nicht nur in der mündlichen Verhandlung und dementsprechend im Tatbestand ausschließlich als Anfechtungsantrag aufgenommen, sondern auch, wie sich aus der bloßen Aufhebung der Ziffer 2 ergibt, nicht im Sinne eines rechtlich gebotenen Verpflichtungsbegehrens beschieden. Denn es hat offenbar in der Annahme, dass der Kläger durch den mit Klageerhebung angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Aufhebungsantrag ein solches Klageziel festgelegt hat, auch zu Ziffer 2 der Verfügung ein Aufhebungsurteil erlassen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40 
Soweit das wahre Klageziel damit teilweise verkannt worden sein sollte, weil der Kläger trotz des als Anfechtungsantrag schriftsätzlich formulierten und protokollierten Klageantrags hinsichtlich der Ziffer 2 eigentlich ein Verpflichtungsbegehren verfolgen wollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1966 - VIII C 30.66 - juris), stellt das Urteil kein Teilurteil dar, sondern leidet an einem Verfahrensfehler, weil das Gericht gem. § 88 VwGO an das Klagebegehren gebunden war. Wurde der Verpflichtungsanspruch dabei rechtsirrtümlich nicht beschieden, weil er nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht rechtshängig war, liegt kein Übergehen im Sinne des § 120 VwGO vor, so dass dieser Verfahrensfehler mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen innerhalb der gegebenen Frist geltend zu machen gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - und Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - jeweils juris). Mit Ablauf der Frist des hierfür gegebenen Rechtsmittels endet die Rechtshängigkeit in Bezug auf das rechtsirrtümlich nicht beschiedene Begehren (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - a.a.O.). Übergeht ein Gericht einen gestellten Antrag versehentlich, so erlischt die Rechtshängigkeit insoweit mit Ablauf der Ergänzungsantragsfrist des § 120 Abs. 2 VwGO. Im Ergebnis wäre die Rechtsfolge hier in beiden Fällen die gleiche, weil die Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO längst abgelaufen ist und der Kläger die Entscheidung weder mit dem Zulassungsbegehren angegriffen hat, das beklagte Land auch zur Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu verpflichten, noch, nachdem auf den Antrag des Beklagten die Berufung zugelassen worden war, innerhalb eines Monats (§ 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO) nach der am 02.12.2013 erfolgten Zustellung der Berufungsbegründung Anschlussberufung eingelegt hat. Damit ist auch dann, wenn das Klageziel des Klägers ursprünglich ein Verpflichtungsbegehren auf Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG umfasst hat, dieses jedenfalls nicht mehr anhängig und damit nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Es bleibt hinsichtlich der Ziffer 2 der Verfügung damit im Berufungsverfahren, in dem allein der Beklagte Berufungsführer ist und deshalb eine Klageänderung mit dem Ziel der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zugunsten des Klägers nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2006 - VII ZR 73/04 - juris zu § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), bei der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten und beschiedenen isolierten Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der beantragten Verlängerung. Diese Klage ist unzulässig.
41 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich von einem Vorrang der Verpflichtungsklage auszugehen mit der Folge, dass Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich (nur) durch eine Verpflichtungsklage ("Versagungsgegenklage") zu erstreiten ist, welche die Aufhebung des Versagungsbescheids umfasst, soweit er entgegensteht. Die Rechtsprechung erkennt dabei an, dass allein die Aufhebung des Versagungsbescheids ausnahmsweise ein zulässiges - gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres - Rechtsschutzziel sein kann, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so überhaupt oder besser abgewendet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 09.03.1982 - 9 B 360.82 - DÖV 1982, S. 744 und Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171). In derartigen Fällen besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage. Dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist, oder die isolierte Anfechtung der Einstellung eines Asylverfahrens durch das Bundesamt wegen angeblichen Nichtbetreibens des Verfahrens (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - m.w.N., juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 - 1 C 30.08 - BVerwGE 134, 335 und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob die Ausnahmefälle zutreffend zusammengefasst dahin umschrieben werden können, dass eine isolierte Anfechtung stets dann nicht am Vorrang der Verpflichtungsklage scheitert, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder der Kläger jedenfalls den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbständige Beschwer enthält. Es sei aber in jedem Fall zu beachten, dass die Zulassung einer isolierten Anfechtung nicht zu einer Umgehung von spezifisch für die Verpflichtungsklage geltendem Verfahrensrecht führen dürfe wie beispielsweise der Unanwendbarkeit des § 113 Abs. 3 VwGO und zudem zu berücksichtigen sei, dass die Beschränkung auf eine isolierte Anfechtung - bei Abweisung der Klage - zu einem endgültigen Rechtsverlust ohne gerichtliche Sachprüfung führen kann. Das ergebe sich notwendig daraus, dass eine isolierte Anfechtung nur Sinn hat und den Vorrang der Verpflichtungsklage wahre, wenn auch die gerichtliche Prüfung auf die geltend gemachten isolierten Anfechtungsgründe beschränkt bleibe. Die noch weitergehende allgemeine Zulassung der isolierten Anfechtungsklage anstelle der Verpflichtungsklage, die zugleich mit einer Vollprüfung auch aller materiellen Anspruchsvoraussetzungen verbunden sein solle, widerspräche dem gesetzlichen Rechtsschutzsystem und wäre im Hinblick auf die Wiedereröffnung des Rechtswegs - nach einer Stattgabe der Klage, die das Verpflichtungsbegehren praktisch in die Verwaltung zurückverweise - mit dem Grundsatz der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - juris).
42 
Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 2 der Verfügung unzulässig. Hier konnte die Klage nicht auf isoliert geltend gemachte Anfechtungsgründe beschränkt werden. Eine Aufhebung wäre vielmehr nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn alle Voraussetzungen für die Titelerteilung geprüft und bejaht worden wären, was prozessual zur Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung hätte führen müssen. Die vorliegende Aufhebung stellt damit eine unzulässige Zurückverweisung an die Verwaltung dar. Vor diesem Hintergrund könnte auch eine selbständige Beschwer der Ablehnungsentscheidung die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage nicht begründen. Zudem kann eine solche nicht in der hierdurch bedingten Beendigung der Fiktionswirkung gesehen werden. Hieraus lässt sich, entgegen der Ansicht des Klägers, kein schützenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung einer Ablehnungsentscheidung ableiten. Vielmehr spricht schon die gesetzliche Begrenzung der Fiktionswirkung auf die Zeit bis zur Entscheidung der Ausgangsbehörde, die auch im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht verlängert wird, dagegen, deren Wegfall nach Abschluss des Verfahrens als eigenständige Beschwer einer Ablehnungsentscheidung anzusehen. Die Fiktionswirkung vermittelt auch bis zu diesem Zeitpunkt eine nur vorläufige und rein verfahrensrechtliche Position (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris), die die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO bis zum Ergehen des Bescheids erübrigt und die sicherstellt, dass der Antragsteller durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter gestellt, wird, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris). Diese Funktion der Fiktionswirkung schließt aber nicht nur die Verfestigung des Aufenthalts aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Position aus, sondern auch ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, eine endgültige Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens des Anspruchs auf den erstrebten Aufenthaltstitel hinauszuzögern, um diese lediglich den status quo während des Verwaltungsverfahrens sichernde Position möglichst lange aufrecht zu erhalten. Vielmehr besteht bei Verfahren zur Klärung des Aufenthaltsstatus - ebenso wie bei sonstigen Statusverfahren - das schützenswerte private Interesse allein an einer zügigen abschließenden Klärung und der Beendigung eines Schwebezustands.
B.
43 
Die Berufung des Beklagten ist auch bezüglich der Aufhebung von Ziffer 1 und Ziffer 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 begründet. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung (I.), der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung (II.) sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten kürzeren Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null (C.) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
I.
44 
Die unter Ziffer 1 des Bescheids vom 20.01.2012 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.
45 
Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 54 Nr. 5, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift liegt ein Ausweisungsgrund vor, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat) (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris).
46 
1. Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da § 54 Nr. 5 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient und die Eingriffsmöglichkeiten des Aufenthaltsrechts auch die Vorfeldunterstützung durch so genannte Sympathiewerbung erfasst (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 a.a.O.).
47 
Die DHKP-C ist eine Vereinigung in diesem Sinne. Die DHKP-C ist eine Nachfolgeorganisation der 1970 gegründeten THKP-C, aus der im Jahre 1978 die Devrimci Sol (deutsch: Revolutionäre Linke, kurz: Dev Sol) entstand, die darauf ausgerichtet war, in der Türkei durch Anwendung revolutionärer Gewalt einen politischen Umsturz herbeizuführen und eine Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Muster zu errichten. Im Jahre 1980 wurde die Dev Sol in der Türkei verboten. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 27.01.1983 wurde die Dev Sol nebst zugehöriger Teilorganisationen auch in Deutschland bestandskräftig verboten. Die DHKP-C wurde am 13.08.1998 in das Verbot einbezogen. Nach der ab 1992 infolge innerorganisatorischer Meinungsverschiedenheiten und persönlicher Auseinandersetzungen einsetzenden (Auf-)Spaltung der Dev Sol in zwei konkurrierende und sich gegenseitig bekämpfende Gruppierungen (sog. „Karatas-/Yagan-Flügel“) konstituierten sich die Anhänger des „Karatas-Flügels“ auf einem vom 30.03.1994 bis 09.05.1994 abgehaltenen Parteigründungskongress in Damaskus zur DHKP-C als Zusammenschluss der Revolutionären Volksbefreiungspartei (DHKP) und der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKC). Es wurden ein Parteiprogramm und Satzungen für die DHKP bzw. DHKC sowie Grundsatzbeschlüsse, in denen die Leitlinien der DHKP-C verbindlich festgelegt wurden, verabschiedet. Als Gründungstag wurde das Datum der (Partei-)Kongresseröffnung (30.03.1994) festgelegt (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Ihre Zielsetzung ist die Herbeiführung einer Weltrevolution und der Sturz des Imperialismus, wobei nach der Parteiprogrammatik der DHKP-C Aktivitäten und bewaffneter Kampf nicht nur in der Türkei, sondern grundsätzlich auch in anderen Staaten zu erfolgen haben (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
48 
Außerhalb der Türkei hat sich die DHKP-C insbesondere in zahlreichen westeuropäischen Ländern sowie in Südosteuropa, organisationsintern als „Rückfront“ bezeichnet, strukturell verfestigt. Die an der „Rückfront“ in Europa für die DHKP-C Agierenden sind den Führungsorganen unterstellt, die sich ebenfalls überwiegend im europäischen Ausland aufhalten, und in die hierarchischen Strukturen der (Gesamt-)Organisation eingebunden sind. Ziel und Aufgabe der in den genannten Staaten errichteten Organisationseinheiten ist es, die Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei zu fördern. Die „Rückfront“ der DHKP-C ist für die Verwirklichung der Zielsetzungen dieser Vereinigung von herausragender, zentraler Bedeutung und unverzichtbar. Innerhalb der „Rückfront“ ist Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanzieller Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Diese ist bestrebt, die im Bundesgebiet ansässigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund zur aktiven Mitarbeit in der DHKP-C, mindestens aber zur finanziellen Förderung ihrer Partei- und Frontarbeit zu veranlassen. Im Jahre 2008 waren der DHKP-C bundesweit etwa 650 Personen zuzurechnen, die sich in unterschiedlicher Weise und Funktion an der Rückfront für diese Organisation betätigten (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Diese Zahl ist stabil und weiterhin gültig (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
49 
Die DHKP-C führt ihren bewaffneten Kampf auch unter Einsatz terroristischer Anschläge und Attentate. Unter Zugrundelegung der Einträge und des unten dargestellten Diagramms aus der Global Terrorism Database des National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism, einem Center of Excellence of the U.S. Department of Homeland Security, University of Maryland waren die terroristischen Aktivitäten der Dev Sol und ihrer Nachfolgeorganisation der DHKP-C in der Türkei in den Jahren von 1988 bis 1995 besonders hoch. 1995 übten sie auch terroristische Anschläge in Wien und in Köln aus und 1996 auch in den in den Niederlanden. Seit 1999 agiert die DHKP-C in Europa gewaltfrei. Auch in der Türkei ebbten bis 2003 zunächst die Aktivitäten ab. Jedoch kam es dort weiterhin bis 2001 zu ein bis drei terroristischen Anschlägen pro Jahr.
50 
2001 wurden drei Anschläge auf die Istanbuler Polizei verübt. Beim letzten am 10.09.2001 handelte es sich um einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation in Istanbul(-Taksim) durch das Frontmitglied U. Bülbül, bei dem zwei Polizeibeamte und ein Tourist getötet sowie mehrere Personen verletzt wurden.
51 
Am 20.05.2003 explodierte in einem Café in Ankara-Cankaya eine Bombe, welche Sengülül Akkurt bei der Vorbereitung einer so genannten Aufopferungsaktion in einem Gürtel an ihrem Körper befestigt hatte, um einen Anschlag auf das türkische Justizministerium durchzuführen. Bevor die Selbstmordattentäterin ihr Ziel erreicht hatte, kam es zur vorzeitigen Detonation der Sprengvorrichtung. Die 26-jährige Akkurt wurde dabei getötet. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden.
52 
Am 03.06.2003 verübte eine sogenannte Aufopferungseinheit der DHKP-C mittels einer ferngezündeten (Splitter-)Bombe in Istanbul einen Anschlag auf einen (Service-)Bus der türkischen Justizbehörden, in dem sich Richter und Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts befanden. Durch die Explosion mit Schrapnell- und Druckwirkung wurden insgesamt sieben Fahrzeuginsassen leicht verletzt. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden an mehreren Kraftfahrzeugen. Der Explosionsort befand sich an einer stark frequentierten Küstenstraße, auf der zum Tatzeitpunkt sehr dichter Verkehr herrschte.
53 
Am 29.04.2009 kam es in der Rechtsfakultät der Bilkent Universität Ankara zu einem versuchten Selbstmordanschlag auf den ehemaligen türkischen Justizminister H. Sami Türk. Dieser blieb unverletzt, da es der 25-jährigen Attentäterin, Didem A., die vier Kilogramm TNT sowie eine Pistole nebst Munition mit sich führte, nicht gelang, den Sprengsatz zur Explosion zu bringen bzw. von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...).
54 
Bei diesen auch in dem genannten Register aufgenommenen Anschlägen der DHKP-C handelt es sich um dieser mit Sicherheit zurechenbare terroristische Anschläge. Es gab im Jahre 2003 und auch in den nachfolgenden Jahren bis 2007 weitere Aktionen, die dieser Organisation zugerechnet werden, wie sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - in Sachen E... D... (rechtskräftig seit dem 22.01.2014) ergibt. Maßgeblich ist aber, dass diese Organisation nie - und damit auch nicht in den Jahren 2004 bis 2008 - von dem Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele abgerückt ist, was auch in der erneuten Zunahme auch terroristischer Anschläge ab 2012 deutlichen Ausdruck findet.
55 
Das Oberlandesgerichts Stuttgart hat in seinem Urteil vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) ausgeführt:
56 
„Nachdem im Sommer 2011 die frühere Europaverantwortliche der DHKP-C, Gülaferit Ünsal („Gülsen“), in Griechenland festgenommen und drei Monate später in der Wohnung eines - bei der Herstellung einer unkonventionellen Spreng-/Brandvorrichtung (USBV) zu Tode gekommenen - „DHKP-C-Aktivisten“ in Thessaloniki von Sicherheitskräften ein umfangreiches Waffen-/Sprengstofflager sichergestellt worden war, wurde im Mai 2012 organisationsintern (in der Zeitschrift Devrimci Sol - hierzu mehr bei C. II. 3. -) zu einer intensivierten Fortsetzung des bewaffneten Kampfs aufgerufen. Ab Mitte Juni 2012 kam es daraufhin in der Türkei im Zuge einer „Anschlagsoffensive“ zu - in dichter Folge verübten - Anschlägen, Selbstmordattentaten durch „Kämpfer“ der DHKP-C sowie einer (organisationsinternen) „Bestrafungsaktion“. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Vorgänge:
57 
- Am 12. Juni 2012 verübten zwei Angehörige der DHKP-C einen Sprengstoffanschlag auf eine Istanbuler Polizeidienststelle; einer der (beiden) Täter (Erdal Dalgic) wurde verletzt festgenommen und verstarb kurze Zeit später;
- am 15. Juni 2012 schoss ein Organisationsmitglied in Istanbul - (u. a.) in der Absicht, den Tod Dalgics zu „rächen“ - auf einen Polizeibeamten (M... S. Y...); dieser erlitt mehrere Schussverletzungen, darüber hinaus wurde bei dem Vorgang eine weitere Person (durch einen Querschläger) getroffen und (leicht) verletzt;
- am 16. Juni 2012 überfielen bewaffnete „Kämpfer“ der DHKP-C in Istanbul auf offener Straße ein „Polizeiteam“; ein Polizeibeamter (Z... Y...) wurde erschossen; ein weiterer Polizist sowie ein Zivilist erlitten jeweils Verletzungen;
- am 20. Juli 2012 erschossen der Kommandant einer Kampfeinheit, Hasan S. Gönen, und die ihn begleitende Sultan Isikli in Istanbul bei einer Fahrzeugkontrolle zwei (Polizei-)Beamte; Gönen konnte (schwer verletzt) festgenommen werden und verstarb tags darauf;
- am 11. September 2012 verübte Ibrahim Cuhadar, ein „Selbstmordkämpfer“ der DHKC, ein Attentat auf eine Polizeiwache in Istanbul (-Gazi); neben dem Attentäter wurde ein Polizist getötet; sieben weitere Personen erlitten Verletzungen;
- am 25. Oktober 2012 verletzten „Kämpfer“ der DHKP-C das (frühere) Organisationsmitglied A... A..., die des Verrats bezichtigt worden war, mittels eines Kopfschusses im Rahmen einer Bestrafungsaktion;
- am 8. Dezember 2012 kam es durch zwei „Kämpferinnen“ der Organisation zu einem, mittels Handgranaten durchgeführten, Anschlag auf ein Polizeirevier in Istanbul; zwei Polizeibeamte wurden verletzt; eine Täterin (N... A...) konnte festgenommen werden;
- am 11. Dezember 2012 töteten Mitglieder der DHKP-C in Istanbul einen uniformierten Polizeibeamten. Im Zuge der Ausführung dieses Anschlags wurden überdies drei Passanten verletzt, die versucht hatten, die Tatausführung zu verhindern;
- am 1. Februar 2013 verübte Ecevit (Alisan) Sanli, ein vormals unter dem Decknamen „Yücel“ als Gebietsverantwortlicher der DHKP-C in Berlin agierender „Märtyrerkämpfer“, einen Selbstmordanschlag auf das Gebäude der US-Botschaft in Ankara. Neben dem Attentäter wurde ein türkischer Sicherheitsbeamter (Mustafa Akarsu) getötet; zwei weitere Personen wurden verletzt;
- am 19. März 2013 führten „Kämpfer“ der Organisation Anschläge auf das türkische Justizministerium sowie die (General-) Zentrale der AK-Partei in Ankara aus und brachten im Zuge dessen neben zwei Handgranaten auch eine Panzerfaust („LAW/LAV“) zur Explosion. Eine Person wurde leicht verletzt“.
58 
Die hier genannten terroristischen Anschläge und Selbstmordattentate vom 12.06., 11.09., 08.12. und 11.12.2012 werden ebenfalls in der GT-Datenbank aufgeführt, aus der für die Folgejahre 2013 und 2014 noch keine Daten abrufbar sind.
59 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse war die DHKP-C (sowie ihre Vorgängerorganisation Dev Sol) als eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG anzusehen und ist dies auch weiterhin, weil sie seit Gründung ihrer Vorgängerorganisation der Dev Sol im Jahr 1978 ihre Ziele jedenfalls auch mit terroristischen Mitteln verfolgt. Dies steht für den Senat in Übereinstimmung mit der strafrechtlichen Beurteilung des Bundesgerichtshofs fest, wonach es sich um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris), handelt.
60 
Diese Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass die DHKP-C bereits seit 2002 in der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste terroristischer Organisationen (Ratsbeschluss 2002/460/EG vom 17.06.2002) aufgeführt wird (vgl. zuletzt Ziff. 2.23 des Anhangs zum Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10.02.2014).
61 
2. Der Kläger ist seit vielen Jahren Anhänger der DHKP-C und fördert diese, nachdem er bereits für die Dev Sol tätig war, zumindest als ein in dieser Organisation seit ihrer Gründung verwurzelter Aktivist.
62 
a) Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen DHKP-C - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris jeweils m.w.N.).
63 
b) Nach diesen Maßstäben sind hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Auswertung der eingeführten Erkenntnismittel, insbesondere der strafgerichtlichen Urteile, liegen jedenfalls Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger, der schon 1989 für die 1978 gegründete Dev Sol aktiv war, seit seiner Einreise ins Bundesgebiet Ende 1995 die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15). Es spricht sogar viel dafür, dass der Kläger seit ihrer Gründung im Frühjahr 1994 in Damaskus Mitglied der DHKP-C und damit Mitglied einer Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist, worauf es jedoch nicht entscheidend ankommt.
64 
Hintergrund für seine Ausreise aus der Türkei im Jahre 1995 und sein Asylgesuch im Bundesgebiet war u.a., dass der Kläger am 31.08.1993 zusammen mit E... Ö... in der Türkei vor Gericht gestanden hatte. Sie hatten dort ihre linken Hände erhoben und gerufen: „Die Strafe kann uns nicht erschüttern, wir sind im Recht und werden gewinnen, Kurdistan wird dem Faschismus zum Grabe“ (bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 24.03.2000 an das Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren A 5 K 10696/96). Deshalb war er nach seinen Angaben zu einem Jahr Haft verurteilt worden, die er nicht angetreten hat.
65 
Nach den Erkenntnissen in den Behördenakten wurde er 1998 in Begleitung des M... B..., des damaligen Vereinsvorsitzenden des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses, mit DHKP-C-Zeitschriften angetroffen.
66 
Ab 04.12.2000 trat der Kläger ausweislich der Gefangenenakte in der JVA R... in Hungerstreik. Der Kläger hat hierzu in seiner schriftlichen Erklärung vom 01.12.2000 angegeben, dass er in Hungerstreik trete, um den Bau der Typ-F-Gefängnisse zu stoppen und aus Solidarität mit 12 Gefangenen, die 1996 bei einem Hungerstreik gestorben, und 10 politischen Gefangenen, die 1999 in der JVA Ankara zu Tode gefoltert worden seien. In der Türkei seien mehr als 1000 Gefangene in Hungerstreik getreten, in diesem Jahr seien mehrere Gefängnisse beteiligt; um diese zu unterstützen, trete er ab 04.12.2000 in Hungerstreik. Die Aktion hatte in der Türkei am 20.10.2000 unter Beteiligung der DHKP-C, TKP(ML) und TKIP begonnen.
67 
2001 wurde bei ihm nach den Erkenntnissen in den Behördenakten zahlreiches Propagandamaterial für die DHKP-C aufgefunden. Dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 liegen folgende Feststellungen zugrunde, die sich der Senat zu eigen macht:
68 
„Der Kläger hat z.B. den ihm übergeordneten DHKP-C-Funktionär A... Y...-... - Gebietsverantwortlicher für Süddeutschland mit den Decknamen „Emmi", „Kamil" und „Rüstern" - als Besucher aufgenommen, den Kontakt zwischen diesem führenden DHKP-C-Funktionär und anderen Anhängern der Organisation gehalten und den E... G..., einen wichtigen Aktivisten der verbotenen Vereinigung, im Interesse der DHKP-C-Organisation beim regionalen, aber auch beim überregionalen Vertrieb der Zeitung „Yürüyüs", auch in Bezug auf das nähere europäischen Ausland unterstützt. Der Kläger vereinbarte mit A... Y..., mit dem er jedenfalls seit 05.07.2006 per Mobiltelefon in Verbindung stand, Treffen in der S... ... x in S... im dortigen Anatolischen Kultur- und Kunsthaus, von A... Y... wurde er über sein Mobiltelefon zu verschiedenen Veranstaltungen bzw. Versammlungen eingeladen, wurde von ihm beauftragt, andere Personen zu Treffen und Versammlungen hinzuziehen und erhielt überdies weitere Anweisungen und Hinweise auf von diesem für wichtig erachtete Medienereignisse. Im Übrigen kündigte A... Y... per Handy auch seinen Besuch beim Kläger an. Mehrmals - mindestens 3 mal - holte der Kläger - abwechselnd mit anderen Aktivisten der Vereinigung - zwischen August 2006 und 19. März 2007 bei der Offsetdruckerei ... in ... bei ..., ...-...-... x, jeweils mindestens 150 Exemplare (insgesamt also wenigstens 450 Stück) der DHKP-C-Wochenzeitschrift „Yürüyüs" ab, um sie im Interesse der verbotenen Vereinigung der Weiterverbreitung im regionalen Bereich zuzuführen oder sie selbst zu verteilen. Die Druckerei ... hatte im fraglichen Zeitraum bis zur Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 die Ausgaben 63 bis 95 (also insgesamt 33 Ausgaben) der weiterhin wöchentlich erscheinenden Zeitschrift nach der Kontaktierung und Auftragsvergabe durch A... Y... gemeinsam mit E... G... im Mai 2006 ab August 2006 in einer Auflage von jeweils ca. 2500 bis etwa 2700 Stück gedruckt. A... Y... trat bei der Auftragsvergabe als der eigentliche Verhandlungspartner auf, während E... G... seiner besseren Kenntnisse der deutschen Sprache wegen dabei im Wesentlichen nur als Dolmetscher fungierte. Anfangs 2300 Exemplare, gegen Ende nur noch 2230 Exemplare einer jeden Ausgabe wurden jeweils direkt von der Druckerei ... anhand eines dieser zur Verfügung stehenden Verteilers überregional - auch in das nähere europäische Ausland - verschickt. Es gab jeweils auch Ausschussware, die in den erwähnten ca. 2500 bis rund 2700 Auflage freilich nicht enthalten war und nicht berechnet wurde. Mindestens 150 Exemplare einer jeden Auflage (gelegentlich auch bis zu 390 Stück) wurden jeweils von wechselnden DHKP-C-Aktivisten, davon zu etwa 50 % durch E... G... selbst, der nach der Erteilung des Auftrags der Ansprechpartner des Betreibers der Druckerei, des Zeugen ..., auf Seiten seiner Auftraggeber war, und in mindestens drei Fällen auch durch den Kläger abgeholt. Dieses Abholen der wenigstens 150 Exemplare erfolgte jeweils zum Zwecke der Weiterverbreitung im regionalen Bereich und auf einen Anruf des Zeugen ... bei der ihm von jenem DHKP-C-Aktivisten genannten Telefonnummer des E... G... hin, der sich bei diesen Telefonaten stets selbst am Apparat meldete. In der Wohnung des Klägers in S..., ... ..., hielt dieser aus den für die Verteilung im regionalen Bereich bestimmten Mengen der Zeitschrift am 28.11.2006 insgesamt 60 Exemplare zur Weiterverbreitung in Interesse der DHKP-C vorrätig, nämlich 2 Pakete zu je 30 Stück der Ausgabe 78 vom 12.11.2006, am 19.03.2007, ebenfalls in dieser Wohnung, 7 Exemplare der Ausgabe vom 4. März 2007 und am 21.03.2007 in seinem Rucksack im Fahrzeug Renault, amtliches Kennzeichen ...-... ..., das kurz zuvor von E... G... unweit der Offsetdruckerei ... abgestellt worden war, um den Zeugen ... aufzusuchen, 23 Exemplare der Auflage 95 von Mitte März 2007. Der Kläger wurde am 21.03.2007 in dem beschriebenen Fahrzeug auf dem Beifahrersitz auf E... G... wartend von der Polizei angetroffen und führte dabei auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 zur Verbreitung im Interesse des verbotenen Vereins mit sich. Überdies bewahrte der Kläger am 28.11.2006 in seiner Wohnung in Stuttgart für den E... G..., für den er unter seinem Sofa auch für diesen bestimmte Gerichts- und Anwaltsschreiben verwahrte, 10 vom 01.08.2006 datierende Lieferscheine der Druckerei ..., über die Lieferung von insgesamt 2300 Exemplare der DHKP-C Wochenzeitschrift „Yürüyüs" an überregionale Empfänger, auch im benachbarten europäischen Ausland, Adressaufkleber mit entsprechenden Anschriften und Originalquittungen über Druckkosten des auf den Lieferscheinen jeweils als Auftraggeber des Druckauftrags genannten Yurtdisi Büros V... E..., ... ... ... ... in ... ... R...-... / Niederlande auf. Tatsächlich waren die Druckkosten freilich jeweils von E... G... beim Zeugen ... in bar bezahlt worden. Die letzten 5 Ausgaben waren allerdings zur Zeit der Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 noch unbezahlt. Weitere vom Kläger am 28.11.2006 verwahrte Notizen betrafen „Yürüyüs" - Ausgaben aus der Zeit vor Beginn der Druckaufnahme durch die Fa. ... im August 2006.“
69 
Der Kläger hat die einzelnen Tatsachenfeststellungen in diesem Urteil des Landgerichts, gegen das er Rechtsmittel nicht eingelegt hat, im angegriffenen Bescheid und auch in den Schriftsätzen des Beklagten - mit Ausnahme der Teilnahme an der Veranstaltung am 18.12.2011 in Stuttgart - nicht substantiiert bestritten. Soweit er im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung geltend macht, er habe nur wenige Exemplare der Wochenzeitung Yürüyüs selbst verteilt, der weit überwiegende Teil sei von Dritten bei ihm abgeholt und weiterverteilt worden, führt dies zu keiner günstigeren Beurteilung dieser Unterstützungshandlung, sondern bestätigt, dass er hierarchisch zwar gemeinsam mit E... G... dem A... Y... als für den Druck und die Verbreitung in der Region Verantwortlichen untergeordnet gewesen ist, aber, wie sich bereits aus dem persönlichen Kontakt zu diesem und auch unmittelbar zur Druckerei ergibt, in diese Organisationsstruktur deutlich über den reinen „Zeitungsausträgern“ hinaus eingebunden war. A... Y... war damals bis zu seiner Festnahme Ende November 2006 der für die „Region Süd“ verantwortliche (Führungs-)Funktionär und Rechtsberater der DHKP-C (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11). Der Kläger kannte diesen bereits aus der Türkei, wo er nach seinen Angaben sein Rechtsanwalt gewesen war.
70 
Weiterhin war er am 14.01.2007, wie sich aus in den Gerichtsakten befindlichen Kopien des Vereinsregisters ergibt, einer der Leiter der satzungsändernden Versammlung des Vereins „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“, eines Tarnvereins der DHKP-C, zu dessen neuen Sekretär E... D... am 03.06.2007 gewählt wurde (vgl. hierzu unten). Auch fuhr er mit Funktionären noch am Tag des Todes von Dursun Karatas am 11.08.2008 in die Niederlande.
71 
Zutreffend hat das Regierungspräsidium mit Schriftsätzen vom 03.03.2014 und 20.03.2014 auf der Grundlage der Feststellungen der ins Verfahren eingeführten Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - (Verurteilung von E... D...) und vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - (Verurteilung von A... D. Y... und E... G...) zudem dargelegt, dass der Kläger im Zeitraum von 2002 bis 2007 in vielfältiger Weise nicht nur in den Vertrieb von Publikationen, sondern auch - u.a. zusammen mit Y... und G... - in den Vertrieb von Tickets für Veranstaltungen der DHKP-C und in die Sammlung von Spendengeldern involviert und damit maßgeblich an der Geldbeschaffung als eine der wichtigsten Aufgaben der Rückfront dieser terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er nahm im Jahr 2002 nicht nur an einer politischen Schulung der DHKP-C im August 2002 in Neuhausen-Schellbronn, sondern auch als Mitglied einer Delegation der DHKP-C an einer Großveranstaltung in Kopenhagen teil.
72 
Schließlich hat der Kläger auch noch nach seiner Verurteilung jedenfalls an den beiden Kundgebungen der DHKP-C am 10.04.2010 in Wuppertal mit mehreren hundert Teilnehmern und am 16.04.2011 in Lüttich teilgenommen. Hierbei hat es sich jeweils um traditionelle Parteifeste zum Jahrestag ihrer Gründung gehandelt, wobei die lediglich von etwa 200 Personen besuchte Veranstaltung in Lüttich nur Mitgliedern zugänglich gewesen sein soll (vgl. Bundesverfassungsschutzberichte 2010, S. 310 und 2011, S. 349; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2010, S. 166; Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 30.04.2013). Darauf, ob er auch die Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 zum Jahrestag der Gefängniserstürmung am 19.12.2000, die nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 als - vorhersehbare - Folge des am 20.10.2000 aufgenommenen Hungerstreiks türkischer Gefangener maßgeblicher Grund für seine damalige Beteiligung an dieser Aktion in der JVA R... gewesen ist, besucht hat, kommt es nicht an. Nachdem er erklärt hat, er würde sich jederzeit in einer solchen Situation wieder solidarisch zeigen und im Übrigen weiterhin an zahlreichen Demonstrationen in S... teilnehmen, insbesondere kurdischer und PKK-naher Organisationen, ist davon auszugehen, dass er, soweit er ausgerechnet an dieser Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 nicht teilgenommen hat, aus persönlichen Gründen verhindert gewesen ist. Jedenfalls hat er selbst nicht behauptet, dass er die Kontakte zur DHKP-C abgebrochen habe und nun auch keine Veranstaltungen dieser Organisation mehr besuchen werde.
73 
Eine Distanzierung von seinen Unterstützungshandlungen für die DHKP-C und eine Abkehr von seinen früheren Aktivitäten ist auch sonst in keiner Weise erkennbar. Aus dem Umstand, dass der Kläger sich von zurückliegenden Aktivitäten nicht distanziert, sondern sie ohne erkennbare Unterbrechung fortgeführt hat, folgt, dass auch die in der Vergangenheit liegenden Tätigkeiten auf die gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers im Sinne von § 54 Nr. 5 Halbs. 2 AufenthG schließen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris).
74 
Der Kläger wehrt sich gegen die in der Begründung der angegriffenen Verfügung und den Schriftsätzen des Beklagten genannten sowie gegen die weiteren in die Verhandlung eingeführten Tatsachen, denen er nicht im Einzelnen entgegentritt, im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass er kein Mitglied der DHKP-C sei, sondern lediglich ein politisch denkender Mensch und jedenfalls nicht bewusst etwas Verbotenes - insbesondere seien die Versammlungen genehmigt und der Kulturverein zu keinem Zeitpunkt verboten worden - getan habe. Hierauf kommt es aber nicht an.
75 
Daran, dass der Kläger die DHKP-C in Kenntnis von deren Zielen, Programmatik und Methoden unterstützt hat, kann nach Ansicht des Senats aufgrund seiner langjährigen Beteiligung und vor dem Hintergrund seiner Unterstützung bereits der Vorgängerorganisation Dev-Sol und - noch in der Türkei - der Jugendorganisation Dev-Genc sowie seines mit hieran anknüpfender politischer Verfolgung begründeten Asylgesuchs kein ernsthafter Zweifel bestehen. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Kläger, der in der Türkei Soziologie studiert hat, sich bereits als Student politisch engagiert hat. Bereits seit dieser Zeit steht er in Verbindung zu A... Y..., der nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 in der Türkei sein Rechtsanwalt war. Weiterhin hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 Karatas bereits aus Zeiten seiner türkischen Haft gekannt und mit diesem jedenfalls damals in brieflichen Kontakt gestanden. Auch hat er zusammen mit dem wegen seiner Mitgliedschaft in der DHKP-C verurteilten E... D... eines der „Vereinsblätter“ vertrieben und dem Tarnverein „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“ angehört, dessen Vorstand dieses DHKP-C-Mitglied seit 2007 nach der unter Mitwirkung des Klägers erfolgten Satzungsänderung angehörte.
76 
Nach Ansicht des Senats ist dementsprechend davon auszugehen, dass der Kläger - entgegen seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 - sowohl die Ziele der DHKP-C als auch deren terroristischen Aktionen zu deren Erreichung kannte bzw. kennt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 hat er schließlich selbst erklärt, dass er Sympathisant dieser Organisation sei und deren Meinung und Ideologie teile. Ob er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C ausdrücklich befürwortet, ist nicht ausschlaggebend. Es fällt aber auf, dass er sich auch insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 nicht von dieser Organisation distanziert, sondern vielmehr die Ansicht vertreten hat, die DHKP-C beeinträchtige Deutschland nicht, da sie außerhalb der Türkei Gewalt grundsätzlich ablehne.
77 
Der Kläger hat mit den oben dargestellten jahrelangen kontinuierlichen Tätigkeiten diese Organisation mitgetragen. Dass er seit seiner Einreise ins Bundesgebiet die Bestrebungen dieser verbotenen Vereinigung bzw. ihrer Vorgängerorganisation unabhängig von einer Mitgliedschaft jedenfalls fördern und deren Strukturen, die ihm einschließlich der Tarnorganisationen bekannt waren, erhalten wollte, steht für den Senat in Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart fest. Für die Unterstützung der DHKP-C im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist es insoweit nicht maßgeblich, welcher Hierarchieebene innerhalb der Struktur dieser Vereinigung der Kläger angehört hat. Der Senat schließt sich im Übrigen der Beurteilung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris) an, wonach in Ansehung der Struktur der Vereinigung Anhaltspunkte dafür, hinsichtlich der Qualifizierung der DHKP-C als terroristische Vereinigung zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren, nicht gegeben sind. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört.
78 
Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Unterstützung jedes Einzelnen gerade für den Erhalt und die Handlungsfähigkeit einer relativ kleinen Organisation (ca. 650, davon 65 in Baden-Württemberg hauptsächlich im Großraum S... und in der R...-N...-Region, vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126) von besonderer Bedeutung ist und die fördernde Tätigkeit jedes in diese Eingebundenen eine unmittelbare Nähe nicht nur zu den Zielen, sondern auch zu den terroristischen Aktionen zur Durchsetzung dieser Ziele hat. Dementsprechend kam und kommt auch dem Kläger, der nach dem Dargelegten jedenfalls Aufgaben für die aus lediglich etwa 65 Mitgliedern bestehenden baden-württembergischen Organisationseinheit der DHKP-C eigenständig u.a. in Zusammenarbeit mit einem inzwischen verurteilten Mitglied (G...) und in - zum Teil auch unmittelbarer - Abstimmung mit inzwischen verurteilten maßgeblichen Funktionären (Y... und D...) auf Gebietsebene wahrgenommen hat, Verantwortung für die terroristischen Aktionen der DHKP-C und deren Opfer zu.
79 
Schließlich fehlt dieser Unterstützung der DHKP-C auch nicht deswegen, weil diese Organisation nur relativ wenige Mitglieder im Bundesgebiet hat, das in § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte Gewicht. Maßgeblich ist, dass sie, wie dargelegt, entschlossen und fähig war und ist, Terroranschläge in nicht unerheblichem Umfang und Ausmaß durchzuführen (vgl. dazu oben) und die Organisation im Bundesgebiet eine Rückfront für diese derzeit auf die Türkei konzentrierten Anschläge bildet, ohne deren Rückzugsräume und finanzielle Unterstützung die DHKP-C kaum fortbestehen könnte (vgl. oben). Schließlich ist die Rückfront auch nicht aufgrund der erfolgten Verurteilungen von Funktionären und Mitgliedern nachhaltig geschwächt. Insoweit macht sich der Senat die Einschätzung des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen und des Verfassungsschutzberichts des Bundes jeweils über das Jahr 2012 zu eigen, wonach die sich im Jahr 2012 häufenden Anschläge der Organisation in der Türkei - insbesondere die tödlichen Schüsse auf Polizeibeamte - zu einem Motivationsschub bei den Anhängern in Europa geführt haben und es der DHKP-C vermehrt gelinge, ihre Anhänger zu mobilisieren und neue, vor allem junge Unterstützer zu rekrutieren. Gleichzeitig schaffe sie es, strukturelle Schwächen zu beseitigen (Bund, S. 358). Die DHKP-C sei weiterhin in der Lage, zumindest auf niedrigem Niveau Aktivitäten zu entfalten, wozu auch weiterhin von Deutschland aus unterstützte terroristische Aktionen gegen Ziele in der Türkei gehören können (NRW, S. 90).
80 
Nicht entscheidend ist schließlich, ob die Organisation im Bundesgebiet in den letzten Jahren durch Gewalttaten aufgefallen ist und ob bzw. in welchem Umfang sie in den Jahren 2004 bis 2008 Terrorakte durchgeführt hat, da sie zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat, was insbesondere auch in der aktuellen „Anschlagoffensive“ 2012 (vgl. oben) sichtbar wird, und weil der Kläger, wie dargelegt, durchgehend in die Organisation eingebunden war und ist.
81 
3. Als anerkannter Flüchtling darf der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 5 und Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die auch eine Ausweisung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 bis 5 AufenthG besonderen Schutz genießender Ausländer rechtfertigen können, in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor.
82 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2013, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor.
83 
Im Ergebnis sind damit die Voraussetzungen geben, bei deren Vorliegen über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden ist (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
84 
4. Die Ausweisung des Klägers ist nicht am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu messen, da der Kläger eine assoziationsrechtliche Rechtsposition nicht erworben hat. Ausgehend von dem durch den Kläger vorgelegten Versicherungsverlauf vom 03.02.2014 und der Auskunft der AOK Ludwigsburg vom 12.02.2014 konnten seine Beschäftigungszeiten ihm - ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen einer Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt und einer ordnungsgemäßen Beschäftigung vorgelegen haben - bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung am 20.01.2012 keine Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vermitteln. Der Erwerb des Rechts aus dem 2. Spiegelstrich Art. 6 ARB 1/80 scheitert an der Beschäftigungslücke in der Zeit vom 17.06.2008 bis 14.08.2008. Ab September 2009 erfolgten regelmäßig vor Ablauf von drei Jahren Arbeitgeberwechsel. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung war er nicht beschäftigt.
85 
Aber selbst wenn der Maßstab des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 hier zur Anwendung käme, stünde er der Ausweisung nicht entgegen, weil sie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003 (Daueraufenthaltsrichtlinie) zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
86 
Gemäß Art. 12 Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26.10.2012 - 11 S 278/12 - juris, m.w.N.).
87 
Dieser Schutz steht der Ausweisung hier nicht entgegen. Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass der Kläger eine ausländische terroristische Vereinigung im Bundesgebiet aktiv unterstützt hat und auch weiterhin als überzeugter Anhänger im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Damit stellt er aber eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar. Die Ausweisung beruht auch nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen.
88 
Somit liegen nach nationalem Recht sowie auch nach ARB 1/80 die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensausweisung vor.
89 
5. Die Ausübung dieses Ermessens ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht insbesondere auch den Anforderungen von Art. 14 ARB 1/80 bzw. Art. 12 Abs. 3 der Daueraufenthaltsrichtlinie.
90 
Die Behörde ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Dies gilt sowohl für die Gefährlichkeit der Organisation und Art, Umfang und Bedeutung der Unterstützungshandlungen des Klägers als auch hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse (vgl. unten). Ihre Einschätzung, dass der Kläger die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation und damit eine terroristische Organisation bereits seit 1998 nachhaltig und in subjektiv zurechenbarer Weise unterstützt und in diese eingebunden war, ist, wie dargelegt, auch im heutigen Zeitpunkt weiterhin zutreffend, wobei es auch nach Ansicht des Senats nicht darauf ankommt, ob der Kläger auch die Veranstaltung in Stuttgart oder nur die Veranstaltungen in Wuppertal und Lüttich besucht hat (vgl. oben).
91 
Die Verfügung weist auch im Übrigen mit den im Zulassungsantrag und im letzten Schriftsatz des Regierungspräsidiums vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen keine Ermessensfehler auf. Die Änderungen und Ergänzungen sind hier einzubeziehen. Denn sie entsprechen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Änderung der Begründung eines Verwaltungsakts im gerichtlichen Verfahren.
92 
In seiner Entscheidung vom 13.12.2011 (1 C 14.10 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass durch die Änderung der Begründung des Verwaltungsaktes im gerichtlichen Verfahren der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden dürfe. Daraus folge, dass die Behörde klar und eindeutig zu erkennen geben müsse, mit welcher "neuen" Begründung die behördliche Entscheidung letztlich aufrechterhalten bleibe, da nur dann der Betroffene wirksam seine Rechte verfolgen und die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Verfügung überprüfen könnten. Insbesondere müsse sie im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung beträfen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidige. Stütze die Behörde ihre Entscheidung während des gerichtlichen Verfahrens auf neue Ermessenserwägungen, habe das Gericht dafür Sorge zu tragen, dass auch der Betroffene hinreichend Gelegenheit erhalte, seine Rechtsverteidigung hierauf einzustellen.
93 
Diese Anforderungen sind hier eingehalten worden. Das Regierungspräsidium hat zunächst bereits im Zulassungsantrag die Begründung der angegriffenen Verfügung geändert und deutlich gemacht, dass sie diese nur noch auf den spezialpräventiven Zweck stützt. Es hat dabei eindeutig zu erkennen gegeben, mit welchem Text sie die Verfügung ergänzt und welche ursprüngliche Passage dafür entfällt. Es hat noch im letzten Schriftsatz erklärt, dass es an dieser Änderung festhält. Zusätzlich hat es die Verfügung mit einem eindeutig benannten Einschub dahingehend ergänzt, dass es, auch soweit der Kläger ein Recht aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, seine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen für gerechtfertigt halte und das öffentliche Sicherheitsinteresse weiterhin gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Klägers auch hiervon ausgehend als überwiegend ansehe. Weiterhin hat es eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass es die Ausweisungsverfügung bereits deshalb als sinnvoll erachte, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Schließlich hat die Behörde die Ausführungen zu § 54 Nr. 5a AufenthG gestrichen. Der Kläger hatte Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
94 
Die danach im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Bereits in der ursprünglichen Begründung der Ermessensentscheidung ist ausgeführt, aufgrund seines gesamten und mangels Distanzierung auch gegenwärtigen Verhaltens, der Häufigkeit und Kontinuität seiner Unterstützungs- und Mitgliedschaftshandlungen und seiner gefestigten Befürwortung der militant-extremistischen Ziele der DHKP-C gehe vom Kläger eine konkrete Gefahr aus, die ein großes öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründe, das gegenüber den privaten Interessen des Klägers höher zu gewichten sei. Dieser halte sich seit November 1995 im Bundesgebiet auf, sei während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik zunächst zehn Jahre lang keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, sondern habe staatliche Sozialleistungen in Anspruch genommen. Erst ab Ende 2005 habe er mit geringfügigen und unqualifizierten Gelegenheitsarbeiten einen - bis 2010 allerdings lediglich geringen - Teil seines Lebensunterhaltes selbst bestritten. Er habe zwar zwei im Bundesgebiet lebende Brüder, aber die meisten Familienmitglieder lebten noch in der Türkei. Es sei kein Interesse etwa an deutscher Tradition oder Kultur und es sei kein Aufbau von allgemein sozialen und gesellschaftlichen Kontakten zu deutschen Staatsangehörigen erkennbar, vielmehr fielen umgekehrt die zahlreichen intensiven Verbindungen zu - gleichgesinnten - Landsleuten deutlich ins Gewicht. Dies gelte vor allem auch in politischer Hinsicht, da sein gesamtes Verhalten zeige, dass es ihm offenbar in erster Linie darum gehe, seine Zugehörigkeit zur DHKP-C und deren Mitglieder und Unterstützer auch auf deutschem Staatsgebiet zu bewahren.
95 
In nicht zu beanstandender Weise davon ausgehend, dass der Kläger - in dem von der Beklagten-Vertreterin erklärten Sinne - als Funktionär der DHKP-C anzusehen ist, d.h., diese qualifiziert unterstützt, indem er konkrete, ihm zugewiesene Funktionen wahrnimmt und hierdurch in diese eingebunden ist, ist das Regierungspräsidium rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die erheblichen Sicherheitsinteressen an der Ausweisung die gegenläufigen privaten Interessen des trotz langjährigen Aufenthalts nur in Ansätzen in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet integrierten Klägers überwiegen. Mit der Zulassungsbegründung hat die Behörde dargelegt, dass sie an dieser Einschätzung festhält, auch wenn der Kläger aufgrund der bekannten beruflichen Tätigkeiten einen Anspruch nach Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte. Die so ergänzten bzw. geänderten Ermessenserwägungen tragen auch den Anforderungen des Art. 12 Abs. 3 Daueraufenthaltsrichtlinie ausreichend Rechnung.
96 
Weiterhin hat die Behörde die Flüchtlingseigenschaft und die Folge, dass der Kläger auf derzeit nicht absehbare Zeit zu dulden sein wird, berücksichtigt, und die Ausweisung hiervon unabhängig u.a. wegen der beabsichtigten Beschränkungen ausgesprochen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, nachdem sie jedenfalls nicht mehr davon ausgeht, dass diese Beschränkungen ohne Ausweisung überhaupt nicht möglich gewesen wären.
97 
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger, wie von dem Beklagten angenommen, nicht nur den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG, sondern auch den des § 54 Nr. 5a AufenthG verwirklicht hat. Denn insoweit handelt es sich lediglich um eine im Hinblick auf das Ermessen nicht maßgebliche Würdigung ein- und desgleichen zutreffend zugrunde gelegten Sachverhalts unter zwei verschiedene Normen. Zudem hat das Regierungspräsidium mit der entsprechenden Streichung ihre Verfügung nicht mehr auf diese Norm gestützt.
98 
6. Der dargestellte nationale Maßstab der „schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ als tatbestandliche Voraussetzung der Ausweisung wird hier nicht durch die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) bzw. die Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (- QRL - ABl. L 337, S. 9) modifiziert.
99 
Auf die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung sind diese Grundsätze trotz der dem Kläger zuerkannten Flüchtlingseigenschaft und des ihm daraufhin ursprünglich erteilten Titels ausnahmsweise nicht anwendbar. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits vor Inkrafttreten der ursprünglichen Qualifikationsrichtlinie erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Nach deutschem Recht ist die Ausweisung auch, soweit sie zum Erlöschen eines statusbedingten Titels im Sinne der Richtlinie (Art. 24 QRL) führt, eine Entscheidung im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL (a). Im hier vorliegenden besonderen Fall ist aber die bereits bestandskräftig gewordene und auch ausweisungsunabhängig erfolgte Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 2 AufenthG die in Bezug auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL maßgebliche Entscheidung (b).
100 
a) Art. 24 Abs. 1 QRL regelt den sich aus der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Absatz 1) ergebenden Anspruch auf einen Aufenthaltstitel und die Voraussetzungen, unter denen trotz der Zuerkennung internationalen Schutzes der Titel verweigert werden darf. Art. 21 QRL regelt in Absatz 2 die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines Flüchtlings und macht in Absatz 3 deutlich, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel oder ein bereits erteilter und fortbestehender Aufenthaltstitel keinen weitergehenden Schutz bietet.
101 
Entscheidungen im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL sind damit - bezogen auf eine Person, der, wie dem Kläger, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde - alle Maßnahmen, die dieser entweder den statusbedingten Aufenthaltstitel entziehen und/oder deren Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung dieses Aufenthaltstitels ablehnen.
102 
Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall der Ablehnung der Erteilung eines Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG entschieden, dass die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG an Art. 21, 24 QRL gemessen werden müssen (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - Rn. 24). Nicht entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. auch Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris), ob auch eine Ausweisung eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ist und die sich hieraus ergebenden erhöhten Anforderungen damit auch bei einer Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, die - anders als die Ablehnung - nicht auf die Gründe des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG beschränkt ist, zu stellen sind.
103 
Der Senat hat bereits ausgeführt (vgl. zuletzt Vorlage-Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), dass eine Ausweisung, die einen aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilten Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL entsprechen muss. Hieran ist festzuhalten.
104 
Die Ausweisung beendet grundsätzlich nicht nur einen bestimmten, sondern alle bereits erteilten Titel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Sie trifft dabei - anders als die Rücknahme und die Ablehnung der Neuerteilung oder Verlängerung - keine unmittelbare Entscheidung über das Bestehen von Titelerteilungsansprüchen (auch nicht auf die erneute Erteilung der erloschenen Aufenthaltstitel). Dem entspricht es, dass auch der besondere Ausweisungsschutz nach nationalem Recht grundsätzlich nicht an das Bestehen oder Nichtbestehen von Titelerteilungsansprüchen anknüpft. In Bezug auf solche Ansprüche entfaltet die Ausweisung aber gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG u.a. ein in der Regel zu befristendes Titelerteilungsverbot, die sog. Sperrwirkung. Die Sperrwirkung wird durch gleichzeitige oder nachfolgende hierauf gestützte Ablehnungsentscheidungen titelbezogen umgesetzt und konkretisiert.
105 
Dieses deutsche Institut der Ausweisung als solches kennt die Qualifikationsrichtlinie, die auch mit Art. 21, 24 QRL nicht tatbestandlich an einzelne nationale Bestimmungen anknüpft, nicht. Aus Art. 21, 24 QRL lässt sich dementsprechend zwar kein unmittelbarer Ausweisungsschutz im Sinne des § 56 AufenthG - weder anknüpfend an einen Titel noch an einen Status - entnehmen. Es wird insoweit grundsätzlich vom Gesetzgeber zu entscheiden sein, ob er den Schutz der Art. 21, 24 QRL im nationalen Recht als besonderen, an den Status oder den Titelbesitz anknüpfenden Ausweisungsschutz für Ausländer, denen internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt ist, ausgestaltet, mit der Folge, dass hierdurch auch mittelbar bereits erteilte schutzunabhängige nationale Titel vor dem Erlöschen und Ansprüche auf Erteilung von schutzunabhängigen nationalen Titeln vor dem Eingreifen der Sperrwirkung geschützt werden. Ein solcher besonderer über die Vorgaben der Art. 21, 24 QRL hinausgehender Ausweisungsschutz ist dabei nicht die einzig mögliche Umsetzung. Alternativ wäre denkbar, dass der Gesetzgeber den zur Aufnahme des Flüchtlings zu erteilenden nationalen Titel von den Wirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch Änderung dieser Bestimmungen, durch Änderung des § 25 AufenthG oder auch durch Normierung dieser Titel außerhalb des Aufenthaltsgesetzes ausnimmt (vgl. zur Aufenthaltsgestattung des Schutzsuchenden vgl. § 67 AsylVfG, §§ 56 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sowie Art. 9 RL 2013/32/EU). Bisher hat der nationale Gesetzgeber die sich aus Art. 21, 24 QRL ergebenden Anforderungen aber nicht umgesetzt, was zur Folge hat, dass Art. 21, 24 QRL unmittelbar Anwendung finden und die Ausweisung damit jedenfalls soweit sie die dort genannten Wirkungen bezüglich des zur Aufnahme als Flüchtling (zum Begriff vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) bzw. aufgrund der Zuerkennung von internationalem Schutz erteilten Titels entfaltet, an deren Vorgaben zu messen ist.
106 
Daher finden nach Ansicht des Senats auch auf eine Ausweisung, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht wie die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt, die Regelungen der Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 2 QRL über die Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln Anwendung (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Dabei kann es im vorliegenden Fall weiterhin offen bleiben, an welchem Maßstab eine Ausweisung zu messen ist, die die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG nicht ersatzlos zum Erlöschen bringt, weil gleichzeitig eine auf mindestens drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG erteilt wird, so dass im Ergebnis nur eine „Herabstufung“ erfolgt (offen gelassen im Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris und im Beschluss des Senats vom 15.08.2013 - 11 S 1711/12 - für den Fall des Verstoßes der ersatzlosen Rücknahme einer Niederlassungserlaubnis gegen Art. 6 ARB 1/80).
107 
b) aa) Weiterhin ist die Ausweisung grundsätzlich immer dann eine an Art. 21, 24 QRL zu messende Beendigung eines statusbedingten Aufenthaltstitels eines Flüchtlings, wenn sie ein befristetes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 2 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt. Allerdings wird eine solche Ausweisung meist verbunden mit einer in die Zukunft gerichteten Ablehnung der - erneuten - Erteilung bzw. Verlängerung dieses befristeten Titels. Diese Ablehnung ist, ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL. Wenn eine solche Ausweisung hinsichtlich der - vorzeitigen - Beendigung des befristeten Aufenthaltstitels den Anforderungen der Qualifikationsrichtlinie gerecht wird, ergibt sich regelmäßig schon hieraus die Rechtmäßigkeit der anspruchsverneinenden Ablehnungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch in unionsrechtlicher Hinsicht. Damit wird sich die Prüfung auf die Vereinbarkeit der titelvernichtenden Ausweisung mit den Vorgaben der Richtlinie konzentrieren.
108 
Anders ist dies dann, wenn eine Ausweisung erst ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist. Dann ist zunächst diese Ablehnung an den Vorgaben der Art. 21, 24 QRL zu messen. Behält diese Bestand, weil Rechtsbehelfe nicht eingelegt werden oder erfolglos bleiben, greift eine nachfolgende Ausweisung in keinen entsprechenden Titel mehr ein. Ist der Anspruch auf Erteilung eines Titels gemäß §§ 25 Abs. 2, 26 Abs. 3 AufenthG bereits ausweisungsunabhängig (zurückgenommen oder) abgelehnt, geht schließlich auch das - zu befristende - Titelerteilungsverbot insoweit ins Leere.
109 
Dem Fall, dass eine Ausweisung gegenüber einem anerkannten Flüchtling ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des bereits abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist, ist der Fall gleichzusetzen, in dem eine Ausweisung nach Ablauf der Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels zwar gleichzeitig mit einer - zumindest auch - ausweisungsunabhängigen Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des befristeten Titels als weitere Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ergeht, letztere aber bereits bestandskräftig ist (vgl. zur Prüfung von Art. 8 EMRK in einer entsprechenden Konstellation vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.02.2011 - 10 ZB 10.243 - juris). Dann ist die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung ebenfalls nicht mehr an der Qualifikationsrichtlinie zu messen.
110 
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die hier allein maßgebliche Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL die Ablehnungsentscheidung in Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung mit der Folge, dass im vorliegenden Fall nicht auch die Ausweisungsverfügung an den Anforderungen der Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL zu messen ist.
111 
Der Kläger war nach Ablauf seiner letzten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht mehr im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels. Dieser galt zwar nach rechtzeitiger Stellung des Verlängerungsantrags als fortbestehend. Die Fortgeltung endete aber bereits mit dem Wirksamwerden der auch auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ablehnung (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Für diese Ablehnungsentscheidung waren die Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL einschlägig. Ob die Ablehnungsentscheidung, die nach nationalem Recht aufgrund des Vorliegens des Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG zwingend erfolgen musste, diesen Anforderungen gerecht wird, ist hier nicht zu prüfen, weil die Klage, wie dargelegt, insoweit bereits unzulässig war und diese Entscheidung damit bestandskräftig ist. Zur Nichtigkeit würde nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Verfahrensrecht ein solcher nicht offensichtlicher Verstoß gegen höherrangige Regelungen nicht führen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Nicht zu entscheiden ist hier, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Ablehnungsverfügung im Falle ihres Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL wiederaufgegriffen werden müsste (vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Die bloße grundsätzlich bestehende Möglichkeit des Wiederaufgreifens erfordert weder die Inzidentprüfung einer bestandskräftigen Verfügung noch lässt sie eine Abweichung von der durch diese geschaffenen Sachlage zu.
112 
Somit hat der Kläger schon aufgrund dieser Entscheidung keinen fortbestehenden Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG mehr inne, so dass die Ausweisung in diesen Titel nicht mehr eingreifen kann. Auch hinsichtlich der Sperrwirkung ist in solchen Fällen die Ablehnungsentscheidung (oder ggf. Rücknahme) in Bezug auf den abgelehnten Titel jedenfalls dann, wenn die Ablehnung - wie hier - nicht nur wegen der Sperrwirkung der Ausweisung, sondern zusätzlich selbständig tragend wegen des Vorliegens des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfolgt ist, die bezogen auf Art. 21, 24 QRL maßgebliche Entscheidung. Denn mit bestandskräftiger Ablehnung der Erteilung des Aufenthaltstitels steht auch bindend fest, dass ein Anspruch auf diesen Titel nicht besteht. Die Bestandskraft dieser Ablehnungsentscheidung wird weder von der hier mit der Berufung angegriffenen Kassation der Ausweisungsverfügung noch von deren Befristung berührt.
113 
7. Unabhängig davon ist die Ausweisung schließlich aber auch dann rechtmäßig, wenn sie im vorliegenden Fall - neben der hier nicht streitgegenständlichen Ablehnungsentscheidung ebenfalls - an Art. 21, 24 QRL zu messen ist.
114 
Dabei kommt es hier auf die dem Europäischen Gerichtshof vom Senat (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) vorgelegte streitige Frage nicht an, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL ergeben, geringer sind, als die aus Art. 24 Abs. 1 QRL (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris; a.A. zuletzt Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), so dass weder eine weitere Vorlage noch eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt war. Vom Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts ausgehend, ist es für eine Maßnahme im Sinne der Art. 21 Abs. 3 QRL und auch eine Ablehnung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL jedenfalls ausreichend, dass die niedrigen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL erfüllt sind; dementsprechend können auch an eine Ausweisung, wenn sie an diesen Vorschriften zu messen ist, nicht die nach diesem Ansatz höheren Anforderungen des Art. 24 QRL gestellt werden. Nach Überzeugung des Senats sind hier aber die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht aus Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL herleitet, erfüllt.
115 
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts es - mit Blick auf die in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL enthaltene erhöhte Gefahrenschwelle - gebietet, bei anerkannten Flüchtlingen den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen nur in Fällen vorliegen, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Anders als das nationale Aufenthaltsrecht, das in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel auch in Fällen des § 54 Nr. 5 AufenthG als gegeben ansehe, enthalte das Unionsrecht insoweit keine Regelvermutung, sondern verlange eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht aus; vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Schwerwiegende Gründe lägen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetze. Vielmehr müssten bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das sei typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstütze. Das könne sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintrete oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mittrage. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend sei, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lasse sich nicht abstrakt beantworten, sondern hänge von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, u.a. auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris).
116 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die DHKP-C verfolgt, wie dargelegt, die Herbeiführung einer Weltrevolution und den Sturz des Imperialismus. Die DHKP-C strebt eine kommunistische Gesellschaftsordnung an, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Darüber hinaus gefährdet sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126). Die Organisation versteht es als „heilige Pflicht", gegen die „Tyrannei und Ausbeutung" in der Türkei zu kämpfen. Zur Erreichung ihrer Ziele führt sie den bewaffneten Kampf. Angriffsziele sind nicht nur der türkische Staat und dessen Organe, sondern auch weitere „Feinde des Volkes", zu denen die DHKP-C in erster Linie den „US-Imperialismus" zählt (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 127 f.). Ebenso wie diese Zielsetzung sind auch ihre Aktivitäten und ihr bewaffneter Kampf, der auch mit Mitteln terroristischer Anschläge geführt wird (vgl. oben), nicht - grundsätzlich - auf die Türkei beschränkt. Am 12.02.1999 verfügte Dursun Karatas zwar einen Gewaltverzicht der DHKP-C für Westeuropa. In Deutschland waren seitdem auch keine gewaltsamen Aktionen mehr festzustellen. Der Organisation der DHKP-C in Deutschland kommt aber weiterhin eine bedeutende Rolle als „Rückfront“ zu, die insbesondere für finanzielle Förderung zur Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei erforderlich ist (vgl. oben), die zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat (vgl. oben).
117 
Die hohe Gewaltbereitschaft zeigt sich vor allem im Einsatz von eindeutig terroristischen (Selbstmord-)Anschlägen mit Sprengsätzen, Handgranaten u.ä., aber auch in der Bewaffnung mit und dem Gebrauch von Schusswaffen. Dass der Einsatz dieser Mittel derzeit auf die Türkei beschränkt ist, ändert an dem hohem Grad der Gewaltbereitschaft und Gefährlichkeit nichts, da der Verzicht auf Gewalt in anderen europäischen Ländern und insbesondere auch in Deutschland erkennbar aus taktischen Gründen erfolgt ist, um hier die Rückfront möglichst von strafrechtlicher Verfolgung ungestört aufzubauen und wirken zu lassen. Der Grad der Gefährlichkeit ist, wie ebenfalls bereits dargelegt, auch nicht deswegen als niedriger anzusehen, weil es sich um eine Organisation mit einer eher geringen Mitgliederzahl handelt. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Organisation sich auch in der Struktur von großen Organisationen, wie beispielsweise der PKK, u.a. dadurch unterscheidet, dass eine klare Unterscheidung in herausgehobene Funktionäre und mit Anschlägen befasste Kader und sonstige Angehörige nicht geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris und s. oben). Jedem einzelnen ihrer Anhänger, der, wie der Kläger, durch arbeitsteilige Aufgabenwahrnehmung in diese und in deren Kontrolle eingebunden ist, kommt insoweit regelmäßig unmittelbare Bedeutung für die Förderung und den Erhalt der nach Überzeugung des Senats hochgradig gefährlichen Organisation zu. Dementsprechend verhalten sich nicht nur die Funktionäre, sondern auch die „einfachen“ Anhänger der DHKP-C ausgesprochen konspirativ (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128).
118 
Ihre aktuelle Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft hat die Organisation mit der „Anschlagoffensive“ ab Mitte 2012 demonstriert (vgl. oben), die ebenfalls belegt, dass auch die Festnahmen und Verurteilungen einzelner auch überregional verantwortlicher Funktionäre und die Sicherstellungen von Waffen und Sprengstoff den Gefährdungsgrad der Organisation bisher nicht nachhaltig beeinträchtigen konnten.
119 
Zur Führung in der Bundesrepublik zählen neben dem Deutschlandverantwortlichen und dessen Vertretern mehrere Regions- und Gebietsverantwortliche sowie weitere, mit Sonderaufgaben betraute Funktionäre, etwa die Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit. Als örtliche oder regionale Basis dienen DHKP-C-nahe Tarn-Vereine. Die Tätigkeitsschwerpunkte in Baden-Württemberg liegen im Großraum S... sowie in der R...-N...-Region (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128), wo auch der Kläger, wie dargelegt, nach Überzeugung des Senats als Aktivist strukturell in die Organisation der DHKP-C, deren Gefährdungspotential er auch weiterhin mitträgt, eingebunden war und ist. Er hat die DHKP-C durch die oben dargestellten Tätigkeiten jahrelang planmäßig in Abstimmung und Zusammenarbeit mit anderen Anhängern, Mitgliedern und Funktionären unterstützt und damit, insbesondere durch Verbreitung ihrer Ideologie und Beschaffung von finanziellen Mitteln, maßgeblich dazu beigetragen, dass die DHKP-C, deren Aktionen die Rückfront durch Mitgliedsbeiträge, den Verkauf ihrer Schriften, durch Einnahmen aus Spendengeldsammlungen und aus Musik- und anderen Veranstaltungen finanziert, in der Türkei Terroranschläge in erheblichem Umfang und Ausmaß durchführen konnte (vgl. dazu oben).
120 
Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die das Bundesverwaltungsgericht zu Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und 1 QRL aufgestellt hat, hier gegeben.
121 
Nach der Ansicht des Senats liegen hier ohne weiteres "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 QRL vor und rechtfertigen die Ausweisung auch unionsrechtlich (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Ob daneben auch die nach Ansicht des Senats im Vergleich zu Art. 24 Abs. 1 QRL strengeren Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 QRL (vgl. Vorlagebeschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) erfüllt sind, ist hiervon ausgehend aber unerheblich, weil die Ausweisung weder eine Entscheidung über die Zurückweisung darstellt noch den - nach deutschem Recht titelunabhängigen - Schutz davor (vgl. § 60 Abs. 1 AufenthG) entzieht.
122 
8. In die übrigen, sich aus der Richtlinie ergebenden Rechte des international Schutzberechtigten, von denen der Anspruch auf den befristeten Aufenthaltstitel nur eines ist (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris), greift eine Ausweisung hier nicht ein.
123 
Dies gilt unabhängig davon, dass im deutschen Recht zum Teil, insbesondere im Bereich der Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, bestimmte durch die Richtlinie garantierte Rechte über den Aufenthaltstitel vermittelt werden (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 a.a.O.). Denn soweit die dem Statusinhaber in der Qualifikationsrichtlinie gewährten Rechte weder vom Fortbestehen des aufgrund des Status ausgestellten Aufenthaltstitels abhängig sind bzw. gemacht werden können, hat der Eingriff in den - Anspruch auf einen - Aufenthaltstitel auf diese ohnehin keinen Einfluss. Insoweit können dem Ausländer, dem internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt worden ist, die hierauf beruhenden Rechte nur mit der Zuerkennung als solcher entzogen werden.
124 
Es kann offenbleiben, ob und inwieweit einzelne Rechte noch nach der erfolgten Aufnahme durch Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Flüchtlingseigenschaft (vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) vom Fortbestand des vermittelten Aufenthaltsstatus bzw. von der Verlängerung des Aufenthaltstitels abhängig gemacht werden können und ob das nationale Recht die Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Denn im hier vorliegenden Fall hat, wie dargelegt, schon die bestandskräftige Ablehnung und nicht erst die streitgegenständliche Ausweisung zum Verlust des Titels und damit ggf. auch hiervon abhängiger Rechte geführt.
II.
125 
Die Anordnung der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54a AufenthG durch Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig.
126 
Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung u.a. nach § 54 Nr. 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist sein Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit diese keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügten Vorschriften (BT-Drucks. 15/3479 S. 9) dienen der Gefahrenabwehr. Sie sollen die von den nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG ausgewiesenen Ausländern ausgehende Gefahr einer Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eindämmen, gerade auch in Fällen, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist (BR, Plenarprotokoll 802 vom 09.07.2004, S. 338 ff.). Die Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, die gesetzliche Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen je nach dem Gewicht der konkreten Gefahr zu modifizieren; dabei hat sie den mit einer Meldepflicht und einer Aufenthaltsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriff unter Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu beschränken und - insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung - unter Kontrolle zu halten (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
127 
Der angegriffene Bescheid konkretisiert die gesetzlichen Verhaltenspflichten durch die Regelung, ohne von der gesetzlich im Normalfall vorgesehenen Meldehäufigkeit oder von der Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde abzuweichen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger eine geringere Gefahr ausgeht als von anderen Ausländern, die auf der Grundlage von § 54 Nr. 5 AufenthG ausgewiesen werden, so dass die gesetzlichen Verhaltenspflichten des § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzuschwächen wären, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Nach nationalem Recht sind die Auflagen damit nicht zu beanstanden.
128 
Den auf der Grundlage von § 54a AufenthG verfügten Auflagen steht auch nicht der Anspruch des anerkannten Flüchtlings auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebiets nach Art. 33 QRL entgegen. Zwar gilt Art. 33 QRL unabhängig von der aufenthaltsrechtlichen Aufnahme im Mitgliedstaat und lässt eine Anknüpfung an den Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht zu (vgl. auch oben zu Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Ein anderes Verständnis lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang mit Art. 26 GFK herleiten (so aber Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, S. 939). Der Wortlaut der deutschen Fassung des Art. 33 QRL setzt eindeutig ausschließlich die Zuerkennung des internationalen Schutzstatus und nicht auch die erfolgte Aufnahme im Wege der Erteilung des Aufenthaltstitels voraus. Auch aus der englischen und französischen Fassung (Begünstigte des Status bzw. die, den Status genießen) ergibt sich nichts anderes. In der englischen Fassung lautet die Regelung:
129 
"Member States shall allow freedom of movement within their territory to beneficiaries of refugee or subsidiary protection status, under the same conditions and restrictions as those provided for other third country nationals legally resident in their territories."
Die französische Fassung lautet: "Les États membres permettent aux personnes bénéficiant du statut de réfugié ou du statut conféré par la protection subsidiaire de circuler librement à l'intérieur de leur territoire, dans les mêmes conditions et avec les mêmes restrictions que celles qui sont prévues pour les ressortissants d'autres pays tiers résidant légalement sur leur territoire."
130 
Dem entspricht es, dass die sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Rechte, von denen der Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 24 QRL nur einer ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris), auch im Übrigen grundsätzlich nur an die Zuerkennung des jeweiligen Status anknüpfen (vgl. die unter Kapitel VII „Inhalt des nationalen Schutzes“ getroffenen Bestimmungen - Art. 22 ff., sowie die Erwägungsgründe 38 ff.). Das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit wird im jeweiligen Aufenthaltsstaat garantiert. Dabei fordert das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit nicht die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, sondern, wie beim Zugang zu Wohnraum (Art. 32), mit Drittausländern, die sich rechtmäßig im jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten.
131 
Etwas anderes lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm nicht herleiten. Nach Art. 30 des Entwurfs der Kommission sollten Personen, die internationalen Schutz genießen, unbeschränkte Freizügigkeit in den jeweiligen Mitgliedstaaten erhalten (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen, Schutz benötigen KOM(2001) 510 endgültig vom 12.9.2001: „Member States shall not limit the freedom of movement within their territory of persons enjoying international protection“). Der Kreis der Berechtigten wurde im Laufe des Normgebungsverfahrens nicht eingeschränkt. Allerdings wurde der Umfang der Freizügigkeit, die ihnen zu gewähren ist, aufgrund von Forderungen einzelner Mitgliedstaaten nach Ergänzung von Ausnahmen (z.B. aus Gründen der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, Strafverfahren) eingeschränkt (EL/E/IRL/I/UK – Deutschland hatte einen Prüfungsvorbehalt geltend gemacht, vgl. Council doc. No. 10596/02, p. 36 und Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 1198). Auch wenn die Gestaltung dieser Einschränkung mit Blick auf Art. 26 GFK erfolgt sein dürfte (vgl. Hailbronner, a.a.O.), der in der deutschen Fassung bestimmt, dass jeder vertragsschließende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren wird, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden (vgl. dazu unten), ergibt sich hieraus nicht, dass auch der Kreis der Berechtigten auf diejenigen anerkannten Schutzberechtigten, die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, beschränkt werden sollte, und sich ausgewiesene Schutzberechtigte deshalb nicht darauf berufen können (so aber Marx a.a.O.). Denn zwar wird auch anerkannten Schutzberechtigten mit der erfolgten Einschränkung nicht mehr - wie zunächst vorgesehen - uneingeschränkte Freizügigkeit (wie den jeweiligen Staatsangehörigen), sondern nur noch in dem Umfang, wie diese auch anderen Drittstaatsangehörigen zusteht, die sich rechtmäßig im jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, gewährt. Die in Art. 26 GFK enthaltene Einschränkung auf sich „rechtmäßig“ im Hoheitsgebiet aufhaltende Schutzberechtigte wurde aber nicht übernommen. Offenbleiben kann damit, ob die nicht verbindliche deutsche Übersetzung der Genfer Flüchtlingskonvention überhaupt korrekt ist (vgl. die verbindliche englische und französische Fassung: Each Contracting State shall accord to refugees lawfully in its territory the Right … und Tout Etat Contractant accordera aux réfugiés se trouvant régulièrement sur son territoire le droit …) bzw. welche Bedeutung der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in dieser Bestimmung hat (vgl. zu diesem Begriff in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.2004 - 1 C 1.03 - juris) und insbesondere, ob damit ein rechtmäßiger, über den gewährten Schutz vor Zurückweisung hinausgehender Aufenthaltsstatus gemeint ist.
132 
Im Bereich der Freizügigkeit muss damit ein Ausländer, dem internationaler Schutz zuerkannt worden ist, auch wenn er ausgewiesen und/oder ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 QRL versagt werden kann bzw., wie im Falle des Klägers, versagt worden ist, einem sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer gleichgestellt werden.
133 
Für die Frage, welche sich mit oder ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer dabei als Vergleichsgruppe heranzuziehen sind, erscheint eine Auslegung unter der Berücksichtigung der in Art. 26 GFK naheliegend. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15.01.2008 - 1 C 17.07 - juris) hat zu Art. 26 GFK entschieden, dass diese Vorschrift die Anwendung der Bestimmungen erlaubt, die allgemein für Ausländer unter den „gleichen Umständen“ gelten. Der Begriff der „gleichen Umstände“ wird in Art. 6 GFK näher definiert. Danach sind Differenzierungen, die sich „auf die Dauer und die Bedingungen des vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts beziehen“, zulässig, wenn sie die betroffenen Personen auch erfüllen müssten, falls sie nicht Flüchtlinge wären, wenn sie also auch für andere Ausländer gelten würden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus geschlossen, dass etwa zwischen Ausländern mit unbefristetem Aufenthaltsrecht und solchen, die nur einen befristeten Aufenthaltstitel haben, differenziert werden darf, aber auch nach den Aufenthaltszwecken, für die Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2008 a.a.O.).
134 
Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat in seiner Entscheidung offen gelassen, ob sich aus Art. 32 QRL 2004 (jetzt Art. 33 QRL 2011) engere Vorgaben für das Erfordernis der Ausländergleichbehandlung ergeben als aus Art. 26 GFK, aber darauf hingewiesen, dass Art. 33 QRL als Vergleichsgruppe der Gleichbehandlung die anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Aufnahmestaat aufhalten, wählt und keine Präzisierung wie Art. 6 GFK enthält. Der Senat kann ebenfalls offenlassen, ob die Einschränkung der Freizügigkeit in Art. 33 QRL mit der in Art. 26 GFK gleichbedeutend ist. Denn im vorliegenden Fall findet die Aufenthalts- und Meldeauflage ihre Grundlage in der in Art. 33 QRL vorgesehenen Einschränkung, auch wenn die Vergleichsgruppe alle sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörige sind, unabhängig von dem ihrem Aufenthalt jeweils zugrunde liegenden Zweck. Vor dem Hintergrund, dass sich allein aus dem Schutzstatus nach der Qualifikationsrichtlinie grundsätzlich kein Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht ergibt, scheidet demgegenüber eine Gleichstellung mit Inhabern einer Niederlassungserlaubnis oder eines Daueraufenthalts-EU aus.
135 
Ausgehend von dieser Vergleichsgruppe sind die verfügten Auflagen rechtmäßig. Zwar können sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Drittausländer den hier verfügten Beschränkungen nicht auf der Grundlage des § 54a AufenthG unterworfen werden. Absatz 1 der Regelung sieht Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkungen für Ausländer, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, zwingend vor (Satz 1). Ist ein Ausländer auf Grund anderer Ausweisungsgründe vollziehbar ausreisepflichtig, kann eine entsprechende Meldepflicht angeordnet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist (Satz 2). Auch die Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde gemäß Absatz 2 erfasst ausschließlich Ausländer im Sinne des Satzes 1 (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, Stand: 01.09.2013, § 54a Rn. 5; a.A. Hailbronner, a.a.O., § 54a Rn. 11). Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des Absatzes 1 lässt sich bereits entnehmen, dass auch im Falle des Satzes 1 grundsätzlich eine vollziehbare Ausreisepflicht vorliegen muss, so dass auch ein Ausländer, der sich trotz vollziehbarer Ausweisung aufgrund eines Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht auf dieser Grundlage entsprechenden Beschränkungen unterworfen werden kann.
136 
Entsprechendes gilt für die gesetzliche Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar Ausreisepflichtiger gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes. Auch sie enthält keine Grundlage für die räumliche Beschränkung sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltender Ausländer.
137 
Dagegen sieht aber § 12 AufenthG allgemein Nebenbestimmungen - auch unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltszweck - für Visa, Aufenthaltserlaubnisse oder im Falle des erlaubnisfreien Aufenthalts vor (für Niederlassungserlaubnisse bedarf es einer speziellen gesetzlichen Regelung vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 12 Abs. 2 AufenthG können das Visum und die Aufenthaltserlaubnis mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können - auch nachträglich - mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Auch der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann nach Absatz 4 der Bestimmung zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden. Eine solche Auflage muss ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie finden; sie muss aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen. In diesem Rahmen darf die Ausländerbehörde durch Auflagen öffentliche Interessen schützen, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden können (BVerwG, Urteil vom 15.12.1981 - 1 C 145.80 - juris zu § 7 Abs. 4 AuslG), insbesondere Beschränkungen verfügen, die die Verhinderung von Straftaten und/oder verfassungsgefährdendem Verhalten im Sinne des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG bezwecken (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar a.a.O., AuslR, § 12 Rn. 12). Damit kann grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 und 4 AufenthG - z.B. als gegenüber der Ausweisung milderes Mittel oder einziges Mittel, weil von einer Ausweisung aufgrund besonderer Umstände abgesehen wird oder abgesehen werden muss - eine fortbestehende Aufenthaltserlaubnis, unabhängig davon zu welchem Zweck sie erteilt worden ist, sowie ein erlaubnisfreier Aufenthalt auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt werden. Entsprechendes gilt für die Verhängung von der Überwachung dienenden Meldeauflagen, ohne die die räumliche Aufenthaltsbeschränkung in solchen Fällen nicht sicherzustellen ist (vgl. dagegen zur Unvereinbarkeit von Wohnsitzauflagen zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten mit Art. 28 Abs. 1 und 32 QRL vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2013 - 18 A 1291/13 - juris m.w.N.).
138 
Wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, steht auch Art. 26 GFK bei sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Flüchtlingen entsprechenden Auflagen nicht entgegen. Eine räumliche Beschränkung ihres Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage verstößt schließlich auch nicht gegen das Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423, 1109). Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Protokolls hat jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Der Aufenthalt wäre aber nur insoweit rechtmäßig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 des Protokolls, als sich der Ausländer in den Grenzen aufhält, die sein Aufenthaltstitel vorsieht, der den rechtmäßigen Aufenthalt räumlich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 19.03.1996 - 1 C 34.93 - juris).
139 
Für den Senat besteht nach diesem Maßstab kein Zweifel daran, dass gegenüber jedem sich im Bundesgebiet mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis oder erlaubnisfrei aufhaltenden (Dritt-)Ausländer bei dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt auf der Grundlage des § 12 AufenthG die unter Ziff. 3 verfügten Beschränkungen hätten erlassen werden können. Im Hinblick darauf, dass der Kläger einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund durch die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verwirklicht hat, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sein Verhalten seit seiner Ausweisung grundlegend geändert hat oder in Zukunft ändern wird, erscheinen Beschränkungen seiner Freizügigkeit, um ihm weitere Aktivitäten zugunsten der DHKP-C zumindest zu erschweren, notwendig, geeignet und ihm Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers auch verhältnismäßig. Somit sind diese Beschränkungen auch mit Art. 33 QRL vereinbar.
140 
Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass derartige Beschränkungen gegenüber nicht vollziehbar Ausreisepflichtigen auf der Grundlage von § 12 AufenthG im Ermessen der Behörde stehen und auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG nicht - in einem Mindestumfang - zwingend vorgegeben sind. Denn der nach Art. 33 QRL vorzunehmende Vergleich dürfte ohnehin nur auf die grundsätzliche Zulässigkeit der Verhängung der beabsichtigten bzw. erfolgten Beschränkung auch gegenüber anderen sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländern bei Zugrundelegung des gleichen Sachverhalts zielen. Unabhängig davon schließt es die gesetzgeberische Bewertung der Tatbestände der § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG als Regelausweisungsgründe und zwingende Versagungsgründe - auch in Bezug auf humanitäre Aufenthaltstitel - aus, bei deren Erfüllung von Beschränkungen, wie sie § 54a AufenthG vorsieht, ganz abzusehen, wenn im Einzelfall weder eine Ausweisung erfolgen noch der befristete Titel widerrufen oder zurückgenommen werden kann und deswegen eine Aufenthaltsbeendigung vorerst ausscheidet. Art und Umfang der Beschränkungen stehen auch nach § 54a AufenthG unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der vom Beklagten beachtet worden ist.
141 
Auch im Übrigen begegnen diese Auflagen keinen rechtlichen Bedenken. Das Regierungspräsidium hat die angegriffene Verfügung in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 insbesondere insoweit geändert, dass die Auflagen nun erst mit Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung wirksam werden sollen (vgl. im Übrigen Urteil des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
C.
142 
Schließlich ist auch die vom Beklagten mit Verfügung vom 24.02.2014 getroffene Befristungsentscheidung, die der Senat aufgrund des Hilfsantrags des Klägers, mit dem er die Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf Null begehrt, zu prüfen hat, überwiegend nicht zu beanstanden.
143 
Dieser Hilfsantrag des Klägers ist zulässig. Denn in der Anfechtung der Ausweisung war bereits erstinstanzlich zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 39 und vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 24; Beschluss vom 14.03.2013 - 1 B 17.12 - NVwZ-RR 2013, S. 574 Rn. 9 ff.). Nachdem das Verwaltungsgericht die Ausweisungsverfügung auf den Hauptantrag des Klägers hin aufgehoben hatte, hatte es über diesen Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden. In diesen Fällen fällt der Hilfsantrag im Berufungsverfahren an, wenn - wie hier - die Berufung zur Abweisung des Hauptantrags führt.
I.
144 
Nachdem der Beklagte während des Berufungsverfahrens eine Befristung für die Dauer von zehn Jahren ausgesprochen hat, ist vom Senat insoweit zunächst zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist, insbesondere, wie vom Kläger beantragt, auf Null hat. Dies ist nicht der Fall.
145 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
146 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine Dauer unter zehn Jahren. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger derzeit noch keinen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung hätte. Zwar knüpft in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 AufenthG) ebenso ungewiss ist, wie die der freiwilligen Ausreise, der Fristbeginn nicht an ein gewisses bzw. von den Beteiligten herbeiführbares Ereignis an. Eine in dieser Weise bedingte Befristung verfehlt ihre eigentliche Aufgabe. Weder verschafft sie dem Ausgewiesenen eine zeitliche Perspektive noch trägt sie zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zu folgen sich der Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung gehalten sieht, ist die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aber einheitlich so auszulegen, dass auch die Wirkungen der Ausweisung bereits mit Erlass der Ausweisungsverfügung zu befristen sind.
147 
Diese allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre grundsätzlich überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn es besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (§ 54 Nr. 5 AufenthG) und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung. Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Aufenthaltsbeendigung durch die dem Kläger erteilte Duldung möglicherweise weit in die Zukunft verschoben ist, so dass die Fristbestimmung auf typisierende Annahmen zurückgreifen muss. Danach ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger keinerlei Neigung zeigt, von seiner Unterstützung der DHKP-C, die bereits auf das Jahr 1989 zurückgeht, abzusehen, so dass mit einer grundlegenden Änderung seines Verhaltens auch in ferner Zukunft nicht ernsthaft gerechnet werden kann.
148 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist - wohl ausgehend von der aktuellen Situation - an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, messen lassen. Dieses normative Korrektiv biete der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 a.a.O. jeweils Rn. 42 m.w.N.). Dabei seien insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen.
149 
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss hierzu die nach der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermittelte Frist zunächst wohl auch immer dann unmittelbar in einem zweiten Schritt relativiert werden, wenn, wie hier, noch ungewiss ist, ob überhaupt und ggf. bei Vorliegen welcher persönlichen Verhältnisse die gesetzte Frist, die auch nachträglich verkürzt werden kann, in Lauf gesetzt wird. Auch nach diesen Grundsätzen ist hier allerdings die Frist von 10 Jahren nicht zu verkürzen. Im vorliegenden Fall ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar durch Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt sichert, aber eine besondere berufliche Integration liegt dem nicht zugrunde. Er ist als Reinigungskraft für häufig wechselnde (Leih-)Arbeitgeber tätig. Er ist erst im Alter von 31 Jahren nach Deutschland gekommen, verfügt über keine starken familiären Bindungen in Deutschland und es ist auch eine Verwurzelung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht zu erkennen. Sein politisches Denken ist maßgeblich auf die Türkei ausgerichtet und sein soziales Umfeld bilden gleichgesinnte Landsleute. Die Festsetzung einer Sperrfrist von zehn Jahren ist damit auch unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. oben) entwickelten Kriterien verhältnismäßig.
150 
Der Senat verkennt nicht, dass sich aus dem oben Dargelegten auch ergibt, dass die Wirkungen der Ausweisung (weitgehendes Titelerteilungsverbot, Verfestigungssperre, Ausreisepflicht), die nicht erst mit der Ausreise des Klägers eintreten, sondern bereits mit Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit der Verfügung, trotz der Befristung auf 10 Jahre letztlich unbefristet fortwirken. Dies beruht aber unabhängig davon, welche Frist festgesetzt wird, auf der Art der Bedingtheit des Fristbeginns (vgl. oben) in Fällen, wie dem vorliegenden, und führt nicht dazu, dass diese oder alle Wirkungen der Ausweisung unabhängig von einer Ausreise oder gar auf Null zu befristen sind. Denn nach dem eindeutigen und damit nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG beginnt die nach Satz 3 bis 5 festzusetzende Frist mit Ausreise.
151 
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht hiervon abweichend einen Anspruch auf eine Befristung auf Null in Ausnahmefällen angenommen (vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - und - 1 C 5.13 - juris, m.w.N.). Es handelte sich dabei aber um Fallgestaltungen, in denen aufgrund von Änderungen der Sachlage grundsätzlich ein Widerruf der bestandskräftigen Ausweisung wegen Unverhältnismäßigkeit mit sofortiger Wirkung in Betracht gekommen wäre (vgl. § 51 Abs. 5 und § 49 Abs. 1 LVwVfG). Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 49 LVwVfG auch schon vor Ausreise grundsätzlich oder jedenfalls dann ausscheidet, wenn es um die Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen geht, die für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erheblich sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.09.2007 - 1 C 21.07 - und vom 22.10.2009 - 1 C 15.08 - juris zu nach § 11 AufenthG), muss in solchen Fällen nun statt eines Widerrufs eine gesetzlich nicht vorgesehene Befristung auf Null erfolgen. Aus dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nach Ansicht des Senats aber nichts dafür herleiten, dass ein (Hilfs-)Anspruch auf Befristung ohne Ausreise oder sogar auf Null bereits bei der erstmaligen Befristung gleichzeitig mit Erlass einer rechtmäßigen Verfügung bestehen könnte. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nichts anderes, da der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von dem Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung der Frist maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten und insoweit auch einen nachträglich entstandenen Anspruch auf Befristung auf Null geltend machen kann.
152 
Im Übrigen gibt es derzeit auch keine Gründe dafür, dem Kläger die Verfestigung seines Aufenthalts bereits ab einem früheren Zeitpunkt wieder zu ermöglichen. Zudem sind die Auflagen und Beschränkungen, wie dargelegt, unabhängig hiervon unter Kontrolle zu halten und ggf. zu beschränken.
II.
153 
Allerdings gibt es für die von der Behörde unter Ziffer 2 der Befristungsentscheidung angeordnete Hemmung dieser Frist im Falle einer erneuten unerlaubten Einreise vor Fristablauf derzeit keine Rechtsgrundlage.
154 
Auch wenn in der Begründung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums des Innern zum Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (Stand: 07.04.2014, Zu Nummer 8) zum dort vorgesehenen Absatz 8 der Neuregelung des § 11 AufenthG, der eine Unterbrechung des Fristablaufs durch eine unerlaubte Einreise vorsieht, ausgeführt wird, die Regelung stelle klar, dass der Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach einer unerlaubten Wiedereinreise nicht im Bundesgebiet abgewartet werden könne, entspricht dies nicht der jetzigen Rechtslage, da § 11 AufenthG in der derzeitigen Fassung keinen Hinweis auf einen solche Unterbrechung der Frist enthält, so dass die Frist nach der ersten maßgeblichen Ausreise oder Abschiebung allein durch den anschließenden Zeitablauf endet (vgl. Urteil des Senats vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 - juris Rn. 73 m.w.N), ohne dass es auf danach eintretende Ereignisse ankommt.
155 
Es besteht derzeit aber auch keine Rechtsgrundlage für die behördliche Bestimmung einer Fristhemmung oder -unterbrechung für die von ihr festzusetzende Frist. Dass es sich bei den Ausführungen unter Ziffer 2 der Befristungsregelung nicht um einen unverbindlichen - die Rechtslage verkennenden - Hinweis handelt, folgt zum einen daraus, dass diese Bestimmung eigenständiger Teil des Tenors der Verfügung ist und nicht ein lediglich ergänzender Text in Ziffer 1 der Verfügung. Zum anderen ist die Hemmung des Fristablaufs in der Verfügung auch selbständig begründet:
156 
„Der präventive Ausweisungszweck wird bis zu dem oben bestimmten Fristablauf nicht erreicht, wenn eine unerlaubte Einreise vor Fristablauf erfolgt. Einmal ist die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt entgegen dem Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Straftat gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Zum anderen geht die Wirkung der Ausweisung, die u. a. gerade durch das Einreise- und Aufenthaltsverbot gekennzeichnet ist, ins Leere, wenn sich Herr T... trotz des Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhält. Dies rechtfertigt die Hemmung des Fristlaufes in der Zeit eines unerlaubten Aufenthaltes. Die Frist läuft damit erst dann weiter, wenn Herr T... das Land wieder verlassen hat. Insoweit soll die Regelung dazu beitragen, dass der präventive Ausweisungszweck nicht gefährdet wird. Zudem soll eine unerlaubte Einreise und ein unerlaubter Aufenthalt vermieden werden. Auch an diesem Regelungszweck besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, wie die Strafvorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG unterstreicht.“
157 
Diese Begründung für die Anordnung der Fristhemmung im konkreten Fall lässt klar erkennen, dass es sich bei der Ziffer 2 der Verfügung auch nach der Vorstellung der Behörde um eine verbindliche, von ihr getroffene Regelung und nicht um eine sich - ihrer Meinung nach - bereits aus dem Gesetz ergebende regelmäßige Folge handelt.
158 
Die Bestimmung der Hemmung des Fristablaufs steht zwar - anders als die Bestimmung des Neubeginns (früher: Unterbrechung) - nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung, dass die Frist mit der Ausreise beginnt. Denn sie berührt den Fristbeginn nicht, sondern modifiziert ausschließlich den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Ablauf der von der Behörde zu setzenden Frist. Dennoch ist die Regelung zur Hemmung aber derzeit nicht im Rahmen und als Teil der Bestimmung der Fristdauer möglich, sondern bedarf einer gesetzlichen Grundlage, an der es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlt. Auch dies entnimmt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Befristung nach § 11 AufenthG, der er - wie dargelegt - aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung folgt. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht nicht nur betont, dass es sich bei der Befristung um eine gerichtlich vollständig überprüfbare Prognoseentscheidung handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sondern es hat selbst in Fallkonstellationen, in denen besonders gefahrbringende Gewohnheiten oder persönliche Eigenschaften vorlagen, dem jeweiligen Kläger einen Anspruch auf unbedingte Befristung jeweils unter zehn Jahren zugesprochen, ohne bei der Festsetzung dieser Fristdauer eine solch naheliegende Bestimmung zum Fristablauf wie die Hemmung im Falle der unerlaubten Einreise bis zur erneuten Ausreise überhaupt in Betracht zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
159 
Daraus, dass diese Bestimmung zur Hemmung des Fristablaufs damit nicht hätte ergehen dürfen, folgt nicht, dass die Befristungsverfügung insgesamt aufzuheben, und das beklagte Land zur erneuten Befristung auf zehn Jahre ohne die vorgesehene Hemmung zu verpflichten wäre, da das gleiche Ergebnis hier schon mit der Aufhebung der Verfügung zu Ziffer 2 in einfacherer Weise erreicht wird.
D.
160 
Der Senat misst diesem geringfügigen Obsiegen des Klägers keine Bedeutung für die Kostenfolge zu. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
E.
161 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
162 
Beschluss vom 14. Mai 2014
163 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt (§§ 39 Abs. 1, 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
164 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Mai 2014 - 11 S 2224/13

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Mai 2014 - 11 S 2224/13

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Mai 2014 - 11 S 2224/13 zitiert 30 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 88


Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen


(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlau

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen


(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass 1. der Lebensunterhalt gesichert ist,1a. die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt is

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 55 Bleibeinteresse


(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 54 Ausweisungsinteresse


(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 81 Beantragung des Aufenthaltstitels


(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist u

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 39 Grundsatz


(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert be

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 4 Erfordernis eines Aufenthaltstitels


(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 56 Überwachung ausreisepflichtiger Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit


(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei de

Zivilprozessordnung - ZPO | § 524 Anschlussberufung


(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht. (2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 9 Niederlassungserlaubnis


(1) Die Niederlassungserlaubnis ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel. Sie kann nur in den durch dieses Gesetz ausdrücklich zugelassenen Fällen mit einer Nebenbestimmung versehen werden. § 47 bleibt unberührt. (2) Einem Ausländer ist die Niederl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 95 Strafvorschriften


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,2. ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet a

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen


(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen: 1. Ablauf seiner Geltungsdauer,2. Eintritt einer auflösenden Bedingung,3. Rücknahme des Aufenthaltstitels,4. Widerruf des Aufenthaltstitels,5. Ausweisung des Ausländers,5a. Bekanntgabe einer Absc

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 26 Dauer des Aufenthalts


(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindesten

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 61 Räumliche Beschränkung, Wohnsitzauflage, Ausreiseeinrichtungen


(1) Der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers ist räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt. Von der räumlichen Beschränkung nach Satz 1 kann abgewichen werden, wenn der Ausländer zur Ausübung einer Beschäftigung ohne Prüfun

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 12 Geltungsbereich; Nebenbestimmungen


(1) Der Aufenthaltstitel wird für das Bundesgebiet erteilt. Seine Gültigkeit nach den Vorschriften des Schengener Durchführungsübereinkommens für den Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien bleibt unberührt. (2) Das Visum und die Aufenthalt

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 127


(1) Der Berufungsbeklagte und die anderen Beteiligten können sich der Berufung anschließen. Die Anschlussberufung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzulegen. (2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Beteiligte auf die Berufung verzich

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 120


(1) Wenn ein nach dem Tatbestand von einem Beteiligten gestellter Antrag oder die Kostenfolge bei der Entscheidung ganz oder zum Teil übergangen ist, so ist auf Antrag das Urteil durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen. (2) Die Entscheidung

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Mai 2014 - 11 S 2224/13 zitiert oder wird zitiert von 15 Urteil(en).

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Mai 2014 - 11 S 2224/13 zitiert 10 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Sept. 2010 - 3 StR 214/10

bei uns veröffentlicht am 28.09.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 214/10 vom 28. September 2010 in der Strafsache gegen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Feb. 2012 - 3 StR 243/11

bei uns veröffentlicht am 16.02.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 243/11 vom 16. Februar 2012 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja ___________________________________ StGB § 129a Abs. 4, § 129b Abs. 1 Satz 1 Zur Rädelsführerschaft i

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 27. Mai 2013 - 11 S 2336/12

bei uns veröffentlicht am 27.05.2013

Tenor Das Verfahren wird ausgesetzt.Es wird gemäß Artikel 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu folgenden Fragen eingeholt:1. a) Ist die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG über die Verpflicht

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 06. Nov. 2012 - 11 S 2307/11

bei uns veröffentlicht am 06.11.2012

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. April 2011 - 8 K 219/11 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das beklagte Land verpflichtet wird, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten ges

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 26. Okt. 2012 - 11 S 278/12

bei uns veröffentlicht am 26.10.2012

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 25.03.2011 - 3 K 2796/10 - geändert.Der Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.10.2010 wird aufgehoben.Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfah

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 16. Mai 2012 - 11 S 2328/11

bei uns veröffentlicht am 16.05.2012

Tenor Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. Mai 2011 - 11 K 2967/10 - ist unwirksam, soweit damit di

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 16. Apr. 2012 - 11 S 4/12

bei uns veröffentlicht am 16.04.2012

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21.10.2009 - 8 K 2123/09 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird zugelassen. Tatbestand  1 Der 1988 in Stuttga

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 07. März 2012 - 11 S 3269/11

bei uns veröffentlicht am 07.03.2012

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 29. April 2009 - 4 K 1175/08 - aufgehoben.Der Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 27. März 2008 wird aufgehoben.Der Beklagte trägt die Kosten des V

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Feb. 2012 - 11 S 1361/11

bei uns veröffentlicht am 10.02.2012

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. März 2011 – 6 K 2480/10 – wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird zugelassen. Tatbestand   1 Der am

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 07. Dez. 2011 - 11 S 897/11

bei uns veröffentlicht am 07.12.2011

Tenor Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2011 - 11 K 2424/10 - ist unwirksam, soweit dami
5 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Mai 2014 - 11 S 2224/13.

Verwaltungsgericht München Urteil, 26. Feb. 2015 - M 24 K 14.3294

bei uns veröffentlicht am 26.02.2015

Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht München M 24 K 14.3294 Im Namen des Volkes Urteil vom 26. Februar 2015 24. Kammer Sachgebiets-Nr. 600 Hauptpunkte: Nachträgliche Befristung einer Ausweisung; Er

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 02. März 2016 - 11 S 1389/15

bei uns veröffentlicht am 02.03.2016

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. August 2012 - 1 K 929/12 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird zugelassen. Tatbestand   1 Der Klä

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 13. Jan. 2016 - 11 S 889/15

bei uns veröffentlicht am 13.01.2016

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 - 1 K 102/12 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird zugelassen. Tatbestand   1 Der Kl

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 22. Aug. 2014 - 2 S 1472/14

bei uns veröffentlicht am 22.08.2014

Tenor Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. Juni 2014 - 13 K 1895/13 - wird abgelehnt.Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.Der Streitwert für das Berufungszulassu

Referenzen

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.

(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.

(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.

(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.

(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.

(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Der Aufenthaltstitel wird für das Bundesgebiet erteilt. Seine Gültigkeit nach den Vorschriften des Schengener Durchführungsübereinkommens für den Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien bleibt unberührt.

(2) Das Visum und die Aufenthaltserlaubnis können mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können, auch nachträglich, mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Insbesondere kann die Aufenthaltserlaubnis mit einer räumlichen Beschränkung versehen werden, wenn ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 oder 1a besteht und dies erforderlich ist, um den Ausländer aus einem Umfeld zu lösen, welches die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten begünstigt.

(3) Ein Ausländer hat den Teil des Bundesgebiets, in dem er sich ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde einer räumlichen Beschränkung zuwider aufhält, unverzüglich zu verlassen.

(4) Der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden.

(5) Die Ausländerbehörde kann dem Ausländer das Verlassen des auf der Grundlage dieses Gesetzes beschränkten Aufenthaltsbereichs erlauben. Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn hieran ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Der Ausländer kann Termine bei Behörden und Gerichten, bei denen sein persönliches Erscheinen erforderlich ist, ohne Erlaubnis wahrnehmen.

(1) Der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers ist räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt. Von der räumlichen Beschränkung nach Satz 1 kann abgewichen werden, wenn der Ausländer zur Ausübung einer Beschäftigung ohne Prüfung nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 berechtigt ist oder wenn dies zum Zwecke des Schulbesuchs, der betrieblichen Aus- und Weiterbildung oder des Studiums an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung erforderlich ist. Das Gleiche gilt, wenn dies der Aufrechterhaltung der Familieneinheit dient.

(1a) In den Fällen des § 60a Abs. 2a wird der Aufenthalt auf den Bezirk der zuletzt zuständigen Ausländerbehörde im Inland beschränkt. Der Ausländer muss sich nach der Einreise unverzüglich dorthin begeben. Ist eine solche Behörde nicht feststellbar, gilt § 15a entsprechend.

(1b) Die räumliche Beschränkung nach den Absätzen 1 und 1a erlischt, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält.

(1c) Eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers kann unabhängig von den Absätzen 1 bis 1b angeordnet werden, wenn

1.
der Ausländer wegen einer Straftat, mit Ausnahme solcher Straftaten, deren Tatbestand nur von Ausländern verwirklicht werden kann, rechtskräftig verurteilt worden ist,
2.
Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat, oder
3.
konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung gegen den Ausländer bevorstehen.
Eine räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde soll angeordnet werden, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(1d) Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist, ist verpflichtet, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Soweit die Ausländerbehörde nichts anderes angeordnet hat, ist das der Wohnort, an dem der Ausländer zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gewohnt hat. Die Ausländerbehörde kann die Wohnsitzauflage von Amts wegen oder auf Antrag des Ausländers ändern; hierbei sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht zu berücksichtigen. Der Ausländer kann den durch die Wohnsitzauflage festgelegten Ort ohne Erlaubnis vorübergehend verlassen.

(1e) Auflagen können zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht angeordnet werden, wenn konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung unmittelbar bevorstehen. Insbesondere kann ein Ausländer verpflichtet werden, sich einmal wöchentlich oder in einem längeren Intervall bei der für den Aufenthaltsort des Ausländers zuständigen Ausländerbehörde zu melden.

(1f) Weitere Bedingungen und Auflagen können angeordnet werden.

(2) Die Länder können Ausreiseeinrichtungen für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer schaffen. In den Ausreiseeinrichtungen soll durch Betreuung und Beratung die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 243/11
vom
16. Februar 2012
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
Zur Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung.
BGH, Urteil vom 16. Februar 2012 - 3 StR 243/11 - OLG Düsseldorf
in der Strafsache
gegen
wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Februar
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Dezember 2010, soweit es sie betrifft, aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Oberlandesgericht hat die Angeklagte wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision beanstandet die Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts war die Angeklagte während des Tatzeitraums von Ende August 2002 bis November 2008 eine hochrangige Funktionärin der Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi (Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front, im Folgenden: DHKP-C). Sie leitete zunächst die DHKP-C-Region Westfalen, zu der u.a. die Gebiete Köln, Dortmund und Duisburg gehörten. Spätestens im Juli 2007 übernahm sie die Funktion der Deutschlandverantwortlichen und übte diese bis zum November 2008 aus.
3
In diesem Tatzeitraum verfolgte die DHKP-C als marxistisch-leninistisch orientierte Gruppierung das Ziel, durch bewaffneten Kampf das verfassungsmäßige Regierungssystem in der Türkei im Wege eines revolutionären Umsturzes zu beseitigen und durch ein kommunistisches "Regime" zu ersetzen. Sie verübte seit dem Jahr 1994 zahlreiche Brand- und Sprengstoffanschläge, die insbesondere gegen Repräsentanten des türkischen Staates, Mitglieder türkischer Justizbehörden und Angehörige der türkischen Armee gerichtet waren.
4
Die Organisation war streng hierarchisch und zentralistisch aufgebaut. Sie bestand aus einem politischen Bereich, der DHKP, und einem militärischen Arm, der DHKC. Die DHKP bestimmte die politischen Leitlinien der Organisation und überwachte bzw. koordinierte die Durchführung der Parteibeschlüsse. Das höchste Organ war der Parteikongress, der als Leitungsgremium den Generalsekretär sowie die Mitglieder des Zentral- und Generalkomitees bestimmte. Das Zentralkomitee hatte als "Befehlshaber des Krieges" über "politische Vorgehensweisen und Taktiken" zu beschließen. Der an seiner Spitze stehende Generalsekretär war faktisch nicht absetzbar und mit umfassenden Vollmachten ausgestattet. Ihm oblag die Kontrolle sämtlicher Organe der DHKP und DHKC. Das Generalkomitee war zur Schlichtung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitgliedern des Zentralkomitees berufen. In außerordentlichen (Krisen-)Situationen konnte es auch anstelle des Parteikongresses vorläufige Anordnungen treffen. Darüber hinaus war die Partei in Form von Komitees und Zellen organisiert, die sowohl nach geographischen Gesichtspunkten als auch nach Sach- bzw. Arbeitsbereichen gegliedert waren. Die Frontorganisation DHKC führte den bewaffneten Kampf in der Türkei. Sie bestand im Wesentlichen aus "bewaffneten Propagandaabteilungen" und Milizverbänden, war hierarchisch der DHKP nachgeordnet und hatte die in deren Gremien getroffenen Entscheidungen auszuführen.
5
Die DHKP-C war auch außerhalb der Türkei, vor allem in Westeuropa, aktiv. Die hier bestehende "Rückfront" bzw. "Hinterfront" diente der Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei. Die Organisationseinheiten hatten insbesondere die Aufgabe, die für die Aktivitäten in der Türkei erforderlichen finanziellen Mittel zu beschaffen. Daneben rekrutierten sie "Kämpfer" für Anschläge in der Türkei und sorgten für deren Ausstattung; ebenso schafften sie Rückzugsräume für Mitglieder. Innerhalb der "Rückfront" war Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanziellen Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Für die Organisation betätigten sich im Jahre 2008 bundesweit etwa 650 Aktivisten.
6
Die DHKP-C baute in Europa festgefügte, hierarchisch gegliederte Strukturen auf. Die aus mehreren Personen bestehende Europaführung hatte die Aufgabe, die Organisation nach den vom Zentralkomitee bzw. Generalsekretär erteilten Weisungen zu leiten und die praktische Umsetzung einzelner Anordnungen in eigener Verantwortung sicherzustellen. Als höchste Hierarchieebene in der Europaorganisation war der/die Europaverantwortliche unmittelbar der Partei- bzw. Organisationsführung unterstellt und weisungsgebunden. Der Eu- ropaführung nachgeordnet waren nationale Organisationseinheiten in den verschiedenen , zur "Rückfront" gehörenden Staaten, die jeweils durch Einzelpersonen oder durch innerhalb mehrköpfiger Länder-Komitees agierende Länderverantwortliche geführt wurden. Dabei war zuletzt der - von der Europaführung eingesetzte - Deutschlandverantwortliche zugleich den Funktionären in den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Österreich vorgesetzt. In Deutschland war die Organisation in Regionen und Gebiete aufgeteilt, die von professionellen Führungskadern, den sog. Regions- bzw. Gebietsverantwortlichen, geleitet wurden. Daneben bestanden besondere, nach sachlichen Kriterien abgegrenzte Arbeitsgebiete bzw. Organisationseinheiten, etwa die Jugendorganisation "Devrimci Genclik" ("Revolutionäre Jugend") oder der Bereich Nachschub und Logistik. Die als Gebietsleiter, Regions- und Deutschlandverantwortliche tätig gewesenen Funktionäre waren durch ein Berichts- und Kontrollsystem fest in die hierarchischen Strukturen der Organisation eingebunden; sie unterstanden der einheitlichen Führung durch den Generalsekretär, das Zentralkomitee und die Europaführung.
7
1. Der Schuldspruch wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 129b Abs. 1 StGB) hält auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Bei seiner rechtlichen Würdigung hat das Oberlandesgericht darauf abgestellt, die Angeklagte sei als Deutschlandverantwortliche und damit als herausgehobene, die Bestrebungen der Organisation in Europa entscheidend fördernde Führungskraft aufgrund ihres maßgebenden Einflusses auf deren Tätigkeiten Rädelsführerin der DHKP-C gewesen, ohne dass in diesem Zusammenhang von Belang sei, dass sie selbst von Weisungen der nächsthöheren Hierarchieebenen abhängig war. Damit hat der Strafsenat nicht alle Gesichtspunkte in den Blick genommen, die für die Beurteilung der Rädelsführerschaft von Bedeutung sind.
8
a) Nach gefestigter, ursprünglich zu § 90a StGB aF entwickelter und später auf die §§ 129, 129a StGB übertragener Rechtsprechung ist Rädelsführer, wer in der Vereinigung dadurch eine führende Rolle spielt, dass er sich in besonders maßgebender Weise für sie betätigt. Entscheidend ist dabei nicht der Umfang, sondern das Gewicht, das der geleistete Beitrag für die Vereinigung hat. Besonders maßgebend ist eine Tätigkeit dann, wenn sie von Einfluss ist auf die Führung der Vereinigung im Ganzen oder in wesentlichen Teilen, wenn also der Täter, falls er nicht schon selbst zu den Führungskräften gehört, doch durch sein Tun gleichsam an der Führung mitwirkt (BGH, Urteil vom 2. Oktober 1963 - 3 StR 34/63, BGHSt 19, 109, 110). Der vom Täter ausgeübte Einfluss muss der Sache nach beträchtlich sein (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1964 - 3 StR 37/64, BGHSt 20, 121, 123 f.). Eine rein formale Stellung innerhalb eines Führungsgremiums reicht für sich genommen noch nicht aus (LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129 Rn. 173 mwN). Liegen die genannten Voraussetzungen vor, so wird die Rädelsführerschaft andererseits nicht schon dadurch ausgeschlossen , dass der Täter von Weisungen abhängig ist (BGH, Beschluss vom 25. Januar 1956 - 6 StR 100/55, bei Wagner GA 1960, 235).
9
b) Der Senat hält an den dargestellten Grundsätzen fest. Er präzisiert sie dahin, dass der bestimmende Einfluss des Täters als Führungskraft bzw. als gleichsam an der Führung der Organisation mitwirkende Person sich auf die Vereinigung als solche richten, mithin etwa die Bestimmung der Organisationszwecke , -tätigkeiten oder -ziele, die ideologische Ausrichtung der Vereinigung, deren Organisationsstruktur oder sonstige Belange mit für die Vereinigung wesentlicher Bedeutung betreffen muss. Diese Auslegung des Tatbestandsmerkmals ist geboten aufgrund von dessen Sinn und Zweck, die dahin gehen, "Drahtzieher" (BGH, Urteil vom 12. Mai 1954 - 6 StR 30/54, BGHSt 6, 129, 130 mwN), Führungskräfte und solche Personen zu erfassen, die kraft einer Schlüsselstellung einen bestimmenden Einfluss haben (LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129 Rn. 173), der hohen, im Vergleich zum jeweiligen Grundtatbestand deutlich gesteigerten Strafdrohung des § 129a Abs. 4 StGB (Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren in den Fällen des § 129a Abs. 1 und 2, Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren in den Fällen des § 129a Abs. 3 StGB) sowie der gesetzlichen Gleichstellung des Rädelsführers mit dem Hintermann. Für letzteren ist kennzeichnend, dass er zwar - im Unterschied zum Rädelsführer - nicht Mitglied der Vereinigung ist, gleichwohl aber die Vereinigung als Außenstehender dadurch wesentlich fördert, dass er geistig oder wirtschaftlich maßgebenden Einfluss auf die Führung der Vereinigung hat (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1964 - 3 StR 37/64, BGHSt 20, 121, 123).
10
c) Diese Grundsätze gelten auch bei Betätigungen für Vereinigungen im Ausland, die seit Einfügung des § 129b in das Strafgesetzbuch durch das 34. StrÄndG vom 22. August 2002 (BGBl. I S. 3390) unter Strafe gestellt sind; denn § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB verweist insoweit ohne Einschränkung auf die §§ 129 und 129a StGB. In diesen Fällen ist den gesetzlichen Anforderungen deshalb nicht ohne Weiteres allein dadurch Genüge getan, dass der Täter auf eine möglicherweise bestehende inländische Teilorganisation der Vereinigung (zur Abgrenzung zwischen in- und ausländischer Vereinigung vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 - 3 StR 231/11, NJW 2012, 325) maßgebenden Einfluss hat, mag dieser auch in dem Gesamtgefüge der Vereinigung eine nicht unerhebliche Bedeutung zukommen. Erforderlich ist vielmehr, dass der Täter in dem näher umschriebenen Sinne als Führungskraft der Gesamtorganisation anzusehen ist oder durch sein Tun in sonstiger Weise gleichsam an der Führung der Gesamtvereinigung teilnimmt.
11
d) Gemessen an diesen Maßstäben belegen die bisherigen Feststellungen die Rädelsführerschaft der Angeklagten nicht. Dies gilt auch für denjenigen Zeitraum, in dem die Angeklagte die Funktion der Deutschlandverantwortlichen der DHKP-C ausübte.
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aa) Die in Deutschland und anderen Teilen Westeuropas agierenden Führungsfunktionäre waren vollständig in die streng hierarchischen Strukturen der DHKP-C eingebunden. Der Angeklagten waren danach gleich mehrere Ebenen, namentlich der Generalsekretär, das Zentralkomitee, der Europaverantwortliche sowie die weiteren Mitglieder der Europaführung übergeordnet. Die Funktionäre der DHKP-C waren zwar innerhalb ihres jeweiligen Zuständigkeitsbereichs für sämtliche Angelegenheiten organisatorischer, personeller, finanzieller und sonstiger Art verantwortlich. Sie schuldeten den übergeordneten Kadern indes jederzeit unbedingten Gehorsam und nahmen deren Befehle und Anweisungen verbindlich entgegen. So hatte die - über der Angeklagten stehende - Europaführung die Aufgabe, die DHKP-C nach den vom Generalsekretär bzw. dem Zentralkomitee erteilten Weisungen zu führen. Lediglich die praktische Umsetzung der einzelnen Anordnungen war von der Europaführung in eigener Verantwortung sicherzustellen. Entsprechendes gilt für das Verhältnis zwischen der Europaführung und dem Deutschlandverantwortlichen. Mit Blick auf diese Umstände erscheint es bereits zweifelhaft, ob die Angeklagte allein aufgrund ihrer Stellung in der Organisation einen für die Annahme der Rädelsführerschaft ausreichenden Einfluss auf die Gesamtorganisation als solche ausüben konnte.
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bb) Jedenfalls wird ein derartiger maßgeblicher Einfluss der Angeklagten von den Feststellungen zu den konkreten Aufgaben und Tätigkeiten der einzelnen Parteiorgane nicht belegt. Aus diesen ergibt sich vielmehr, dass die für die Vereinigung wesentlichen Belange von der Partei- und Europaführung bestimmt und geprägt wurden, ohne dass ein für die Rädelsführerschaft ausreichender Einfluss der Angeklagten auf die diesbezüglichen Entscheidungen ersichtlich ist. Hierzu im Einzelnen:
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(1) Wichtigste Aufgabe der an der "Rückfront" eingesetzten Funktionäre war die Geldbeschaffung zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes in der Türkei. Die Haupteinnahmequelle stellten Spendensammlungen dar, die nach festen, streng überwachten Regeln durchgeführt wurden. Der jeweilige Zeitraum dieser Sammlungen, die Mindesthöhe der erwarteten Spendengelder, die Verbringung und Verwendung der vereinnahmten Spenden sowie die bei der Sammlung eingesetzten Propagandamittel wurden zentral von der Parteiführung vorgegeben. Zudem waren von den ausführenden Funktionären Berichte zu fertigen, die über die Europaführung an die Parteiführung weitergeleitet wurden. Die Gesamtverantwortung für weitere, der Geldbeschaffung dienende kommerzielle Veranstaltungen wie etwa Konzerte oder das jährliche Parteifest trug der Europaverantwortliche. Dieser legte die Rahmenbedingungen fest und erteilte den nachgeordneten Funktionären konkrete Handlungsanweisungen zur Vorbereitung sowie Durchführung der betreffenden Veranstaltung.
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Die in Deutschland und anderen Ländern der Rückfront agierenden Parteikader waren zudem spätestens seit dem Jahr 1998 an der Bereitstellung von Nachschub und Logistik für den bewaffneten Kampf in der Türkei beteiligt. Die mit diesen Aktivitäten betrauten hochrangigen Parteifunktionäre waren indes unmittelbar der Parteiführung unterstellt. Nach deren Weisungen oblag den Verantwortlichen die Bereitstellung von Fahrzeugen und die Einweisung der Kurierfahrer. Als Kuriere geeignete Personen waren der Europaführung zu benennen.
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Mitteilungen der DHKP-C wurden unter der Kontrolle der Europaführung herausgegeben. Maßnahmen zur Kaderschulung wurden ebenfalls zentral ge- steuert. Die Europaführung legte auch fest, welche zukünftigen Funktionäre in den einzelnen Gebieten Ausbildungsaufgaben wahrzunehmen hatten. Die Inhalte der Schulungen waren an den Vorgaben des Parteiprogramms orientiert und wurden von der Organisationsführung vorgegeben. Die Entscheidungen, ob, wann und in welcher Weise Schleusungen durchgeführt wurden, um Funktionäre vor Strafverfolgungsmaßnahmen zu schützen, traf die Parteiführung. Lediglich die entsprechende Ausführung oblag der Europaführung und den nachgeordneten Funktionären.
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Die Angeklagte war schließlich nicht direkt in die Planung oder die Durchführung der von der Vereinigung in der Türkei verübten Anschläge und damit nicht in die Straftaten eingebunden, auf deren Begehung die Zwecke und Tätigkeit der DHKP-C vor allem gerichtet waren.
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(2) Vor diesem Hintergrund belegen die Feststellungen, die Angeklagte sei mit Befehlsgewalt über sämtliche Funktionäre und Kader in Deutschland ausgestattet, mit Schulungsaufgaben befasst sowie für sämtliche Angelegenheiten organisatorischer, personeller, finanzieller und sonstiger Art zuständig gewesen, die in den von ihr jeweils geleiteten Bereichen angefallen seien, nicht den für die Rädelsführerschaft erforderlichen maßgeblichen Einfluss auf die Führung der ausländischen Gesamtorganisation. Dabei ist weder die große Bedeutung Deutschlands für die DHKP-C noch die Vielzahl durchaus gewichtiger Aufgaben zu verkennen, welche die Angeklagte in konspirativer Vorgehensweise zu erfüllen hatte. Diese Umstände vermögen indessen nichts daran zu ändern , dass alle wesentlichen Entscheidungen mit für die DHKP-C grundsätzlicher Bedeutung von Parteiorganen getroffen wurden, die der Angeklagten übergeordnet waren. Die Angeklagte war demgegenüber in Bezug auf alle Aktivitäten , die ihr als DHKP-C Funktionärin oblagen, etwa der Gebietsarbeit, dem Mitwirken an Spendenkampagnen, beim Verkauf von Publikationen, bei kom- merziellen Veranstaltungen, Schulungen und Demonstrationen gegenüber dem bzw. der Europaverantwortlichen berichtspflichtig. Ihre Tätigkeit war somit vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie für die höheren Parteiorgane nachvollziehbar dafür Sorge zu tragen hatte, die von den ihr übergeordneten Führungsebenen ausgegebenen Direktiven in dem jeweils von ihr geleiteten Bereich umzusetzen.
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2. Eine Schuldspruchänderung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO dahin, dass die Angeklagte wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland strafbar ist, kommt nicht in Betracht. Das Oberlandesgericht hat die Feststellungen zwar rechtsfehlerfrei getroffen ; die hiergegen erhobenen verfahrensrechtlichen Einwendungen der Revision dringen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht durch. Der Inhalt der knappen Ausführungen des Oberlandesgerichts im Rahmen der rechtlichen Würdigung deutet jedoch darauf hin, dass der Strafsenat die Frage, welchen Einfluss die Angeklagte auf die wesentlichen Belange der ausländischen Gesamtorganisation nahm, jedenfalls nicht ausreichend im Blick hatte. Es erscheint deshalb nicht ausgeschlossen, dass ein neues Tatgericht Feststellungen treffen kann, welche die Rädelsführerschaft der Angeklagten in der DHKP-C nach Maßgabe der dargelegten Anforderungen belegen.
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3. Die bisherigen Feststellungen insbesondere zu Aufbau und Struktur der DHKP-C sowie den Tätigkeiten der Angeklagten sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen - etwa zum Einfluss der Angeklagten auf die Führung der Gesamtorganisation - treffen, die allerdings den bisherigen nicht widersprechen dürfen. Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Wenn ein nach dem Tatbestand von einem Beteiligten gestellter Antrag oder die Kostenfolge bei der Entscheidung ganz oder zum Teil übergangen ist, so ist auf Antrag das Urteil durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen.

(2) Die Entscheidung muß binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils beantragt werden.

(3) Die mündliche Verhandlung hat nur den nicht erledigten Teil des Rechtsstreits zum Gegenstand. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung kann abgesehen werden, wenn mit der Ergänzung des Urteils nur über einen Nebenanspruch oder über die Kosten entschieden werden soll und wenn die Bedeutung der Sache keine mündliche Verhandlung erfordert.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Der Berufungsbeklagte und die anderen Beteiligten können sich der Berufung anschließen. Die Anschlussberufung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzulegen.

(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Beteiligte auf die Berufung verzichtet hat oder die Frist für die Berufung oder den Antrag auf Zulassung der Berufung verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung der Berufungsbegründungsschrift.

(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. § 124a Abs. 3 Satz 2, 4 und 5 gilt entsprechend.

(4) Die Anschlussberufung bedarf keiner Zulassung.

(5) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Der Berufungsbeklagte und die anderen Beteiligten können sich der Berufung anschließen. Die Anschlussberufung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzulegen.

(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Beteiligte auf die Berufung verzichtet hat oder die Frist für die Berufung oder den Antrag auf Zulassung der Berufung verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung der Berufungsbegründungsschrift.

(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. § 124a Abs. 3 Satz 2, 4 und 5 gilt entsprechend.

(4) Die Anschlussberufung bedarf keiner Zulassung.

(5) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht.

(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung verzichtet hat oder die Berufungsfrist verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Diese Frist gilt nicht, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323) zum Gegenstand hat.

(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. Die Vorschriften des § 519 Abs. 2, 4 und des § 520 Abs. 3 sowie des § 521 gelten entsprechend.

(4) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 214/10
vom
28. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. September 2010
einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 7. August 2009 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu der Begründung der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten im Hinblick auf seine Tätigkeit als Führungsfunktionär der DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi = Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front) als Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung innerhalb der DHKP-C verurteilt. Es hat dabei ausdrücklich offen gelassen, ob die DHKP-C insgesamt, also auch jenseits der "mit der Planung und Ausführung von Anschlägen betrauten Kader(n)" und des engeren Funktionärskörpers einschließlich der "Führungsverantwortlichen innerhalb der europäischen Rückfront", als eine solche Vereinigung anzusehen ist. Hierzu hätte angesichts der Feststellungen im angefochtenen Urteil keine Veranlassung bestanden. Diese belegen, dass die DHKP-C als solche eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Tot- schlag zu begehen (§ 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB). Anhaltspunkte dafür, dass insoweit zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren ist, sind den Feststellungen in Ansehung der Struktur der Vereinigung nicht zu entnehmen. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört. Auch die Listung der DHKP-C als terroristische Vereinigung (Ratsbeschlüsse 2002/460/EG vom 17. Juni 2002 und zuletzt vom 28. Juni 2007 - 2007/445/EG - zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der VO (EG) 2580/2001 vom 27. Dezember 2001) enthält keine Einschränkung auf einen bestimmten Personenkreis innerhalb der Organisation.
Becker Pfister von Lienen Sost-Scheible Schäfer

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 214/10
vom
28. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. September 2010
einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 7. August 2009 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu der Begründung der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten im Hinblick auf seine Tätigkeit als Führungsfunktionär der DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi = Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front) als Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung innerhalb der DHKP-C verurteilt. Es hat dabei ausdrücklich offen gelassen, ob die DHKP-C insgesamt, also auch jenseits der "mit der Planung und Ausführung von Anschlägen betrauten Kader(n)" und des engeren Funktionärskörpers einschließlich der "Führungsverantwortlichen innerhalb der europäischen Rückfront", als eine solche Vereinigung anzusehen ist. Hierzu hätte angesichts der Feststellungen im angefochtenen Urteil keine Veranlassung bestanden. Diese belegen, dass die DHKP-C als solche eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Tot- schlag zu begehen (§ 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB). Anhaltspunkte dafür, dass insoweit zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren ist, sind den Feststellungen in Ansehung der Struktur der Vereinigung nicht zu entnehmen. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört. Auch die Listung der DHKP-C als terroristische Vereinigung (Ratsbeschlüsse 2002/460/EG vom 17. Juni 2002 und zuletzt vom 28. Juni 2007 - 2007/445/EG - zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der VO (EG) 2580/2001 vom 27. Dezember 2001) enthält keine Einschränkung auf einen bestimmten Personenkreis innerhalb der Organisation.
Becker Pfister von Lienen Sost-Scheible Schäfer

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21.10.2009 - 8 K 2123/09 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der 1988 in Stuttgart geborene ledige Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er wuchs als einziges Kind im elterlichen Haushalt auf. Der Vater ist ebenfalls türkischer Staatsangehöriger, die Mutter besitzt die kroatische Staatsangehörigkeit. Der Kläger besuchte zunächst die Grundschule und wechselte nach der 5. Klasse Hauptschule auf die Realschule. Dort wiederholte er die 6. Realschulklasse. Nachdem er das Klassenziel der 9. Realschulklasse nicht erreicht hatte, wechselte er für ein Berufsvorbereitungsjahr erneut die Schule und erreichte dort 2006 den Hauptschulabschluss. Der Kläger bemühte sich anschließend nicht um einen Ausbildungsplatz oder um eine Arbeitsstelle, sondern lebte von Zuwendungen der Eltern.
Der Kläger ist seit dem 14.03.2005 im Besitz einer Niederlassungserlaubnis.
Ein Verfahren gegen den Kläger wegen Körperverletzung und Beleidigung eines Mitschülers wurde durch Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 22.02.2005 gemäß § 45 Abs. 2 JGG eingestellt.
Am 16.08.2007 schlug er einen Passanten auf den Rücken, als dieser ihn auf seine überhöhte Geschwindigkeit und undisziplinierte Fahrweise ansprach und sich von ihm entfernen wollte, nachdem der Kläger ihn zunächst bedroht und schließlich noch beleidigt hatte. Dieses Verfahren wurde ebenfalls eingestellt.
Am 28.08.2007 wurde der Kläger wegen des dringenden Tatverdachts des Mordes vorläufig fest- und aufgrund eines am 29.08.2007 vom Amtsgericht Stuttgart erlassenen Haftbefehls in Untersuchungshaft genommen.
Durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 05.03.2008 wurde der Kläger wegen Mordes und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 10 Jahren verurteilt. Das Landgericht ordnete gleichzeitig die Unterbringung des Klägers in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Der Kläger hatte am 21.08.2007 aus Eifersucht zusammen mit einem von ihm angestifteten Mittäter den 19-jährigen französischen Staatsangehörigen Ivan S. ermordet.
Der Chefarzt der Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. gab am 23.01.2009 einen Führungsbericht über den Kläger ab. Darin heißt es u.a., dass eine Auseinandersetzung und Aufarbeitung mit der begangenen Straftat beim Kläger bislang nicht stattgefunden habe. Von einer Verantwortungsübernahme sei dieser noch weit entfernt.
Nach Anhörung wies das Regierungspräsidiums Stuttgart daraufhin den Kläger mit Verfügung vom 25.05.2009 aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer 1) und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise an, wobei er darauf hingewiesen wurde, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden könne, in den er einreisen dürfe und der zu seiner Rücknahme verpflichtet sei (Ziffer 2). Gleichzeitig wurde er darüber informiert, dass seine Abschiebung - vorbehaltlich der Bestandskraft der Verfügung - im Zeitpunkt der Haftentlassung beabsichtigt sei. Die Abschiebung wurde dem Kläger für diesen Zeitpunkt angekündigt.
In der Begründung heißt es u.a.: Der Kläger besitze eine Rechtsposition und ein Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 und genieße aufgrund dessen Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80. Danach gälten die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen der Art. 6 und 7 ARB 1/80 nur vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt seien. Dabei seien die materiell- rechtlichen Grundsätze zu beachten, die für freizügigkeitsberechtigte Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union Anwendung fänden. Die Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers setze demnach insbesondere voraus, dass aufgrund des persönlichen Verhaltens des Betroffenen außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstelle, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Eine strafrechtliche Verurteilung könne eine Ausweisung nur insoweit rechtfertigen, als die ihr zugrundeliegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen ließen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstelle. Zudem setze die Ausweisung nach dem Urteil des EuGH vom 29.04.2004 einen sogenannten Extremfall voraus, also die konkrete und hohe Wiederholungsgefahr besonders schwerwiegender Straftaten. Der Kläger sei vom Landgericht Stuttgart am 05.03.2008 wegen Mordes und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 10 Jahren verurteilt worden. Gleichzeitig sei die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden. Die vom Kläger begangene Straftat stelle als Kapitalverbrechen ein persönliches Verhalten im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dar. Dieses gebe Anlass, den Kläger aus dem Bundesgebiet auszuweisen. Daran ändere auch die vom Strafgericht aufgrund des psychiatrischen Gutachtens getroffene Feststellung einer krankhaft seelischen Störung und einer dadurch erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit und damit auch erheblich verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB nichts. Die vom Kläger - wenn auch im Zustand der verminderten Steuerungs- und Schuldfähigkeit - begangene Gewalttat des Mordes stelle zweifelsfrei einen Verstoß, gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Sie sei auch ein schwerwiegender Ausweisungsanlass. Die Ausweisung erfolge wegen der Schwere der abgeurteilten Straftat sowie der konkreten Wiederholungsgefahr weiterer schwerwiegender Verstöße gegen die geltende Rechtsordnung. Im Falle des Klägers bestehe eine konkrete Wiederholungsgefahr einer ähnlich gelagerten schweren Straftat. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei der Kläger weiterhin krank und neige zudem zu Aggressionen und Autoaggressionen und die Wahrscheinlichkeit spreche nach Auffassung des Sachverständigen dafür, dass beim Kläger - etwa im Rahmen einer Zuspitzung der Situation - weiter mit erheblichen Gewalttaten zu rechnen sei. Die Neigung zu Aggressionshandlungen und Gewalttätigkeiten habe der Kläger in der Vergangenheit wiederholt gezeigt. Wegen der Schwere der vom Kläger begangenen Straftat und der bestehenden hohen konkreten Wiederholungsgefahr weiterer schwerer Straftaten stehe einer Ausweisung Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nicht entgegen. Für freizügigkeitsberechtigte Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union wie auch für türkische Staatsangehörige, die eine Rechtsposition aus Art. 7 ARB 1/80 besitzen, sei eine Ausweisung ungeachtet des tatsächlich verwirklichten Ausweisungstatbestandes nur im Ermessenswege auf der Grundlage des § 55 AufenthG zulässig. Das Regierungspräsidium Stuttgart gehe davon aus, dass für den Kläger auch die nationalen Schutzvorschriften des § 56 AufenthG Anwendung fänden. Danach könne der Kläger, der eine Niederlassungserlaubnis besitze und sich seit mehr als 5 Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nur noch aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Ein solcher Fall liege beim Kläger vor. Da, wie dargelegt, eine hohe und konkrete Wiederholungsgefahr bestehe, sei die Rechtshürde des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG überwunden. Ein nationales Ausweisungsverbot liege damit nicht vor und über die Ausweisung sei im Hinblick auf Art. 14 ARB 1/80 nach Ermessen zu entscheiden. Mit dem von ihm begangenen Kapitalverbrechen erfülle der Kläger den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG. Danach könne eine Ausweisung erfolgen, wenn der betreffende Ausländer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen habe. Nach einer umfänglichen Würdigung der schutzwürdigen persönlichen wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Klägers kam das Regierungspräsidium zu dem Ergebnis, dass eine Ausweisung keine unverhältnismäßige Folge der schweren Gewalttat des Klägers darstelle, auch wenn diese im Zustand der verminderten Steuerungs- und Schuldfähigkeit begangen worden sei. Die Ausweisung als Maßnahme der polizeilichen Gefahrenabwehr wurde unter Berücksichtigung der sehr hohen Wiederholungsgefahr nicht als unverhältnismäßig angesehen und sei auch mit Art. 8 EMRK vereinbar. Einer Ausweisung stehe auch nicht das Europäische Niederlassungsabkommen (ENA) vom 13.12.1955 entgegen. Der Kläger habe, wie oben dargelegt, gegen die öffentliche Ordnung verstoßen und damit könne der völkerrechtliche Ausweisungsschutz aus Art. 3 Nr. 3 des ENA ihn nicht vor einer Ausweisung schützen. Zudem sei der Schutz aus Art. 3 Nr. 3 ENA nicht höher als die Rechtsschranke aus Art. 14 ARB 1/80, die im Falle des Klägers ebenfalls überwunden sei. Die Abschiebungsandrohung habe ihre Rechtsgrundlage in § 59 AufenthG. Da sich der Kläger in Haft bzw. im Maßregelvollzug befinde, bedürfe es in seinem Fall nach § 59 Abs. 5 AufenthG keiner Fristsetzung. Vielmehr werde ein Ausländer in diesen Fällen aus der Haft bzw. Unterbringung abgeschoben. Es sei davon auszugehen, dass bis dahin über eine ggf. erhobene Klage rechtskräftig entschieden und die Ausweisung damit unanfechtbar und die Ausreisepflicht vollziehbar sein werde.
10 
Der Kläger erhob am 02.06.2009 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart.
11 
Zur Begründung trug er unter anderem vor: Der Kläger erfülle als türkischer Staatsangehöriger die Voraussetzungen gemäß Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Die Ausweisung sei rechtswidrig. Zunächst sei Art. 28 Abs. 3 lit. a) RL 2004/98/EG im Rahmen des Art. 14 ARB 1/80 anzuwenden. Die Vorschrift führe nicht nur dazu, dass § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU anzuwenden sei, vielmehr werde dadurch auch der Begriff der öffentlichen Sicherheit eingeengt. Schutzgut des Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG seien die Sicherheit des Staates und seiner Institutionen und das Überleben der Bevölkerung. Dieses sei vom Kläger niemals gefährdet worden. Weiter verstoße seine Ausweisung gegen Art. 8 EMRK. Der erzieherische Gedanke in dieser Bestimmung werde vom Beklagten vorliegend verleugnet. Zudem beherrsche der Kläger auch nicht die türkische Sprache. Der Vater habe sich mit der Mutter, einer kroatischen Staatsangehörigen, darauf verständigt, nur in deutscher Sprache miteinander zu kommunizieren. Der Kläger sei danach faktischer Inländer. Dies werde auch dadurch bestätigt, dass keiner der Mittäter bei der schrecklichen Tat türkisch gesprochen habe. Weiter bestehe die Gefahr, dass der Kläger bei einer Abschiebung in die Türkei den bereits in der Haft unternommenen Suizidversuch vollenden werde.
12 
Der Beklagte trat der Klage entgegen und nahm im Wesentlichen Bezug auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid. Ergänzend trug er vor, dass dem Vorbringen des Klägers, die türkische Sprache nicht einmal in den Grundzügen zu beherrschen, entgegengehalten werden müsse, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung auch hier im Bundesgebiet geborene türkische Staatsangehörige die türkische Sprache zumindest in rudimentären Teilen vermittelt bekämen und auch sprächen.
13 
Mit Urteil vom 21.10.2009 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Das Regierungspräsidium sei zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger die Rechtsstellung des Art. 7 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei (ARB 1/80) zugutekomme. Er besitze als in Deutschland geborener Familienangehöriger eines in der Vergangenheit dem regulären deutschen Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Arbeitnehmers eine Rechtsposition nach Art. 7 Abs. 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80. Beide Elternteile des Klägers verfügten über ein Daueraufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Obwohl der Kläger selbst über keine Berufsausbildung verfüge und auch zu keiner Zeit berufstätig gewesen sei, habe er die von seinem Vater abgeleiteten Rechte aus Art. 7 ARB 1/80 nicht verloren. Aufgrund dieser Rechtsstellung als assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger genieße der Kläger den besonderen Ausweisungsschutz nach Art. 14 ARB 1/80 und könne - ungeachtet der Erfüllung eines sogenannten Ist- oder Regelausweisungstatbestands nach nationalem Recht - nur noch auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung nach § 55 AufenthG ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen ausgewiesen werden, wobei für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage die letzte mündliche Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts maßgebend sei. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägervertreters sei im Falle des Klägers Art. 28 Abs. 3 der RL 2004/38/EG nicht zu berücksichtigen. Beim Kläger komme eine Ausweisung lediglich aus spezialpräventiven Gründen in Betracht, wenn eine tatsächliche und schwerwiegende Gefährdung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im i.S.v. Art. 14 ARB 1/80 vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Das sei der Fall, wenn ein Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht bestehe, der sich bei Straftaten aus ihrer Art, Schwere und Häufigkeit ergebe, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft drohe und damit eine gewichtige Gefahr für ein wichtiges Schutzgut bestehe. Diese Voraussetzungen seien vom Regierungspräsidium zutreffend bejaht worden. Die Gefahr, dass der Kläger ähnlich gelagerte schwerwiegende Straftaten wieder begehen werde, sei nach Berücksichtigung aller Umstände nicht ausgeschlossen. Dabei seien geringere Anforderungen an den Grad der Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung zu stellen, wenn die Verurteilung - wie hier - wegen schwerwiegender Delikte erfolgt sei. Es sei allgemein anerkannt, dass je schwerer die zu besorgende Beeinträchtigung wiege, desto geringer die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit neuer Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung seien. Der Kläger habe einen Mord, also ein Verbrechen schwerster Kriminalität begangen. Bei einer solchen Verfehlung sei eine auch entfernte Möglichkeit weiterer Straftaten ausreichend, um eine negative Prognose zu stellen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sei für den konkreten Fall zu prüfen, ob eine Wiederholungsgefahr bestehe. Grundlage dafür sei eine umfassende Beurteilung der Person des Ausländers, seines Verhaltens, seiner Lebensverhältnisse, Art und Schwere der Tat, Umstände der Begehung, Art und Höhe der Strafe, sowie die weitere Entwicklung nach der Straftat. Das Regierungspräsidium Stuttgart habe im Rahmen einer umfassenden Gesamtwürdigung beim Kläger eine konkrete Wiederholungsgefahr ähnlich gelagerter schwerwiegender Straftaten festgestellt. Dabei habe es sich auf Sachverständigenausführungen gestützt, nach denen der Kläger weiterhin krank sei und zudem zu Aggressionen und Autoaggressionen neige. Bereits im Jahre 2005 habe er Mitschülern Faustschläge ins Gesicht verpasst und 2007 einen Passanten, der ihn wegen seiner undisziplinierten Fahrweise mit dem Pkw angesprochen gehabt habe, bedrängt und in den Rücken geschlagen. Der Kläger habe ferner auch seine Mutter geschlagen und sei seiner früheren Freundin gegenüber wiederholt gewalttätig geworden. In Verbindung mit der beim Kläger diagnostizierten krankhaften seelischen Störung könne dies durchaus zu weiteren Gewalttätigkeiten führen bzw. solche auslösen. Nach der fachärztlichen Stellungnahme des Dr. S., Chefarzt der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, habe sich der Kläger bislang mit der von ihm begangenen Straftat nicht auseinandergesetzt und diese nicht aufgearbeitet. Von einer Verantwortungsübernahme sei er noch weit entfernt. Der Beklagte habe sein Ermessen nach § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG fehlerfrei ausgeübt und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt.
14 
Am 12.11.2009 hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und sogleich unter Stellung eines Antrags zunächst dahingehend begründet, dass die Ausweisungsverfügung gegen Art. 28 Abs. 3 lit. a) RL 2004/38/EG verstoße. Der Kläger beherrsche die türkische Sprache nicht und sei angesichts des bei ihm festgestellten niedrigen Intelligenzquotienten auch nicht in der Lage, diese zu erlernen. Der Kläger habe ohne die Zustimmung der Eltern vom Kinderarzt Ritalin verschrieben bekommen, das insbesondere in Kombination mit Drogen visuelle Halluzinationen, psychotisches Verhalten sowie Aggressionen auslösen könne, weshalb die Hoffnung und Erwartung bestehe, dass der Kläger resozialisierbar sei. Nach Ergehen der Vorabentscheidung in der Sache Ziebell durch den EuGH am 08.12.2011 macht der Kläger nunmehr geltend, dass die angegriffene Verfügung gegen das in Art. 9 RL 64/221/EWG und das dort niedergelegte „Vier-Augen-Prinzip“ verstoße, das mit Rücksicht auf die sog. „Stand-Still-Klausel“ des Art.13 ARB 1/80 weiter anzuwenden sei.
15 
Der Kläger beantragt,
16 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21.10.2009 - 8 K 2123/09 - zu ändern und die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.05.2009 aufzuheben.
17 
Der Beklagte beantragt,
18 
die Berufung zurückzuweisen.
19 
Zur Begründung verweist er darauf, dass es jedenfalls dem Kläger zumutbar und möglich sei, in der noch länger andauernden Haft die türkische Sprache in den Grundzügen zu lernen. Wenn insoweit auf den niedrigen Intelligenzquotienten verwiesen werde, müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger immerhin mehrere Jahre die Realschule besucht habe.
20 
Durch Beschluss des Amtsgerichts Wiesloch vom 16.10.2009 wurde angeordnet, dass die Strafvollstreckung entgegen dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vor der Unterbringung zu erfolgen hat. Die Beschwerde des Klägers hiergegen wies das Landgericht Heidelberg nach Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens Dr. P. vom 12.07.2010 durch Beschluss vom 11.11.2010 zurück.
21 
Durch Beschluss vom 30.12.2009 war im Hinblick auf das Vorabentscheidungsverfahren Ziebell das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.
22 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
23 
Dem Senat liegen die Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart, die Strafakten des Landgerichts Stuttgart und die Strafvollstreckungsakten vor.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
25 
Auch nach der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats maßgeblichen Sach- und Rechtslage ist die Ausweisungsentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden.
I.
26 
Da der Kläger abgeleitet von seinem ursprünglich als Arbeitnehmer beschäftigen Vater eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann sein Aufenthalt gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 (i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG) nur beendet werden, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
27 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, ebenda Rn. 73).
28 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie, zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs. C-317/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs. 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs. C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie, eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
29 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
30 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 80).
31 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
32 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
33 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention erfolgen, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010 Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
34 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
35 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 47).
36 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr bringt der Gerichtshof mit dieser Formel nur mit anderen Worten den in seiner ständigen Rechtsprechung für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelten Grundsatz zum Ausdruck, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs. C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs. C-55/94 Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ), wobei insoweit eine sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
37 
Diese in der Entscheidung angelegte und angemahnte besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung verlangt nach Auffassung des Senats auch die Berücksichtigung einer aktiven und positiven Mitarbeit des oder der Betroffenen am Resozialisierungsprozess insbesondere während des Vollzugs der Strafhaft, die aber erkennbar über ein bloßes Wohlverhalten hinausgehen muss, weshalb auch insoweit die infolge der Ausweisung eintretende mögliche Gefährdung eines in Gang gesetzten positiven Resozialisierungsprozesses (vgl. auch § 2 StVollzG) einen wichtigen Abwägungsfaktor ausmachen kann. In Fällen assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger, die im Bundesgebiet geboren und/oder hier einen ganz überwiegenden Teil ihres gesamten Lebens verbracht haben, vermag der Umstand einer konkreten Gefährdung eines positiven Resozialisierungsprozesses unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zwar assoziationsrechtlich keine strikte Rechtsgrenze einer Ausweisung auszumachen, er kann jedoch im Einzelfall von solchem Gewicht sein, dass es einer besonderen Begründung bedarf, um gleichwohl eine Ausweisung verfügen zu dürfen. Es müssen – namentlich wenn der Resozialisierungsprozess weit fortgeschritten ist und weitere gewichtige positive Integrationsfaktoren hinzukommen – besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, gleichwohl das reale Risiko eines Scheiterns des Resozialisierungsprozesses in Kauf zu nehmen.
38 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs. C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
39 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
40 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartig weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in den dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteile vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291 und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
41 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risikos gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts der vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
42 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
43 
Ausgehend hiervon stellt die Ausweisung eine nach Art. 14 ARB 1/80 zulässige und namentlich verhältnismäßige Maßnahme dar. Wie sich insbesondere aus dem Gutachten von Dr. P. vom 12.07.2010 und den nachfolgenden Beschlüssen des Amtsgerichts Wiesloch vom 16.10.2009 sowie des Landgerichts Heidelberg vom 11.11.2010 eindrücklich ablesen lässt, hat bislang eine grundlegende Auseinandersetzung des Klägers mit der von ihm begangenen Tat wie auch insgesamt mit seiner gesamten bisherigen Lebenssituation nicht stattgefunden, was jedoch unerlässlich ist, um zu einer wenigstens im Ansatz günstigeren Sozialprognose zu gelangen. Nach der ausführlich begründeten Feststellung des Gutachters liegt beim Kläger eine therapiebedürftige ausgeprägte Persönlichkeitsstörung vor. Eine Therapie ist bislang nicht durchgeführt worden, und zwar in erster Linie deshalb, weil sich der Kläger hierfür nicht in dem erforderlichen Maße geöffnet hat, was auch in seiner jüngsten, auch in der mündlichen Verhandlung bestätigten Entscheidung, sich sobald als möglich in die Türkei abschieben zu lassen, deutlich zum Ausdruck kommt. Dieses zugrunde gelegt, geht vom Kläger nach wie vor eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben anderer Mitmenschen aus, was eine Beendigung des Aufenthalts rechtfertigt.
44 
Die Ausweisung stellt in Anbetracht des erheblichen, vom Kläger unverändert ausgehenden Gefahrenpotentials auch vor dem Hintergrund, dass er im Bundesgebiet geboren wurde und niemals in der Türkei gelebt hat, eine verhältnismäßige und insbesondere mit Art. 8 EMRK vereinbare Maßnahme dar. Der Senat geht in diesem Zusammenhang zugunsten des Klägers davon aus, dass er gegenwärtig die türkische Sprache nicht beherrscht, sondern alltagstaugliche Sprachkenntnisse erst erwerben muss. Entgegen der Auffassung seines Prozessbevollmächtigten sieht der Senat auch keine unlösbaren Schwierigkeiten für den Kläger, diese Sprachkenntnisse zu erwerben. Seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung zufolge hat er immerhin zusammen mit einem in der JVA ... einsitzenden türkischen Staatsangehörigen mittlerweile begonnen, die türkische Sprache zu erlernen. Die Tatsache, dass er den Hauptschulabschluss erreicht und zuvor auch mehrere Jahre mit teilweise sogar durchschnittlichen Leistungen die Realschule besucht hat, steht der Annahme einer unzureichenden geistigen und intellektuellen Leistungsfähigkeit entgegen.
45 
Eine unverhältnismäßige Maßnahme liegt hier schon deshalb nicht vor, weil der Kläger es selbst gegenwärtig ausdrücklich wünscht, in die Türkei zurückgeführt zu werden, um dort, wie er in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, möglichst schnell und nicht erst nach Ablauf der Haftzeit im August 2017 einen Neuanfang zu versuchen. Bei einer solchen Ausgangslage wäre die Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung unzumutbar und daher unverhältnismäßig sein könnte, bereits im Ansatz verfehlt. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten, der sich einer Klagerücknahme verweigert hat, weshalb wegen der fehlenden Postulationsfähigkeit des Klägers das Verfahren weitergeführt werden musste, sieht der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht mehr verfahrenshandlungsfähig und damit prozessunfähig sein könnte, weshalb der Prozess auch nicht nach § 241 ZPO i.V.m. § 173 VwGO unterbrochen ist, ganz abgesehen davon, dass nach § 246 ZPO bei anwaltlicher Vertretung eine Unterbrechung nicht allein kraft Gesetzes eintritt. Selbst wenn es richtig sein sollte, dass es bei einer gleichzeitigen Einnahme von Ritalin und dem Konsum von Drogen, namentlich von Cannabis bei den Konsumenten zu Wahnvorstellungen, Halluzinationen und vergleichbaren Bewusstseinsstörungen kommen kann, bestehen - auch nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck - keine Anhaltspunkte dafür, dass solches beim Kläger gegenwärtig der Fall sein könnte. Die diesbezügliche Einschätzung des Prozessbevollmächtigten beruht auf Spekulation. Zwar ist es richtig, dass der Kläger nunmehr wieder mit Ritalin behandelt wird. Nach dem Bericht des Sozialinspektors O. wurde auch bei einer allerdings einzigen, am 09.02.2012 durchgeführten Urinkontrolle der Konsum von Cannabis nachgewiesen. Sämtliche Urinkontrollen danach blieben jedoch wiederum negativ. Der Kläger hat auch gegenüber dem Senat betont, dass ein weiterer Cannabiskonsum nicht stattgefunden und es sich um ein einmaliges Ereignis gehandelt hat. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat – auch mit Rücksicht auf die verstrichene Zeit – keinerlei Grundlage für die vom Prozessbevollmächtigen angestellten Vermutungen. Ob die Entscheidung des Klägers in jeder Hinsicht vernünftig ist, ist eine andere Frage. Unvernünftige Entscheidungen begründen jedoch keine Verfahrenshandlungsunfähigkeit.
46 
Der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass die gleichfalls in diesem Zusammenhang im Berufungsverfahren geäußerte Vermutung des Prozessbevollmächtigen, der Kläger könne wegen des Konsums von Drogen und der Einnahme von Ritalin entgegen der Einschätzung des Landgerichts Stuttgart im Urteil vom 05.03.2008 schuldunfähig gewesen sein, keinerlei tatsächliche Grundlage hat. Denn nach den ausdrücklichen Einlassungen des Klägers gegenüber Dr. P. (vgl. dessen Gutachten S. 24 f.) hatte er seit Abschluss des Berufsvorbereitungsjahrs im Sommer 2006 bis zur Tat kein Ritalin mehr eingenommen, sondern nur noch gekifft.
47 
Aber ungeachtet dessen folgt angesichts der erheblichen vom Kläger ausgehenden konkreten Gefahren für Leib oder Leben anderer Mitmenschen auch auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus der Tatsache der Geburt im Bundesgebiet und der fehlenden Sprachkenntnisse keine Unverhältnismäßigkeit (vgl. etwa Urteil vom 02.08.2001 - Nr. 54273/00 - [Boultif] InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - Nr. 46410/99 - [Üner] NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - Nr. 1683/04 - [Maslov II] InfAuslR 2008, 333, vom 25.03.2010 - Nr. 40601/05 - [Mutlag] InfAuslR 2010, 325, und vom 13.10.2011 - Nr. 41548/06 - [Trabelsi]). Nach dieser Rechtsprechung ist dabei von einem bestimmten, nicht notwendigerweise abschließenden Kriterien- und Prüfkatalog auszugehen, den so genannten Boultif/Üner-Kriterien. Danach sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: die Anzahl, Art und Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten; das Alter des Ausländers bei Begehung der Straftaten; der Charakter und die Dauer des Aufenthalts im Land, das der Ausländer verlassen soll; die seit Begehen der Straftaten vergangene Zeit und das Verhalten des Ausländers seit der Tat, insbesondere im Strafvollzug; die Staatsangehörigkeit aller Beteiligten; die familiäre Situation des Ausländers und gegebenenfalls die Dauer der Ehe sowie andere Umstände, die auf ein tatsächliches Familienleben eines Paares hinweisen; der Grund für die Schwierigkeiten, die der Partner in dem Land haben kann, in das gegebenenfalls abgeschoben werden soll; ob der Partner bei Begründung der familiären Beziehung Kenntnis von der Straftat hatte; ob der Verbindung Kinder entstammen, und in diesem Fall deren Alter; das Interesse und das Wohl der Kinder, insbesondere der Umfang der Schwierigkeiten, auf die sie wahrscheinlich in dem Land treffen, in das der Betroffene ggfs. abgeschoben werden soll; die Intensität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland einerseits und zum Herkunftsland andererseits. Die Umstände, dass der Kläger in Deutschland geboren, niemals in der Türkei gelebt hat und die türkische Sprache nicht beherrscht, sind zwar von erheblicher Bedeutung, ein absolutes Ausweisungshindernis begründen sie jedoch nicht. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger jedenfalls beruflich bislang in keiner Weise integriert war und vor seiner Inhaftierung wirtschaftlich nicht auf eigenen Füßen stand, führen sie auch nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung, wenn man davon ausgehen kann, dass er in der Lage sein wird, alltagstaugliche Sprachkenntnisse zu erwerben.
48 
2. Die Ausweisung erweist sich auch mit Blick auf die Vorgaben der Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG vom 16.12.2008 - RFRL) nicht deshalb als rechtswidrig, insbesondere als unverhältnismäßig, weil ihre Wirkungen nicht befristet wurden.
49 
Allerdings steht einer Prüfung der Ausweisung am Maßstab der Richtlinie nicht entgegen, dass diese zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der hier im Streit befindlichen Ausweisung vom 25.05.2009 noch nicht umzusetzen war (vgl. Art. 20 Abs. 1 RFRL). Denn maßgeblich ist insoweit grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45-06 - BVerwGE 130, 20), soweit sich aus dem materiellen Recht nichts anderen ergibt. Eine gegenteilige Annahme wird auch nicht durch die vom EuGH in der Rechtssache Polat (Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06) entwickelten Grundsätze nahegelegt.
50 
Mit Blick auf den Regelungsgehalt der Rückführungsrichtlinie zeichnen sich Übergangsfälle der vorliegenden Art dadurch aus, dass der zu beurteilende Sachverhalt zwar vor Ablauf der Umsetzungsfrist gewissermaßen eröffnet wurde, als am 25.05.2009 die Ausweisung verbunden mit einer Abschiebungsandrohung erlassen wurde. Dieser Sachverhalt ist aber bis zum heutigen Zeitpunkt nicht abgeschlossen. Denn das einen zentralen Bestandteil der Rückführungsrichtlinie bildende Verfahren der Aufenthaltsbeendigung im eigentlichen Sinn, nämlich - die auf welche Art auch immer - durchzuführende Aufenthaltsbeendigung, hat noch gar nicht stattgefunden. Im Regelfall geht das Einreiseverbot nach Art. 11 RFRL erst mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung „einher“ (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA lit. a) RFRL; vgl. zu Besonderheiten des vorliegenden Falles noch im Folgenden).
51 
In einer derartigen regelhaften Fallkonstellation eines noch nicht abgeschlossenen Sachverhalts hat der Europäische Gerichtshof im Sinne einer möglichst baldigen und effektiven Anwendung der Grundprinzipien der Richtlinie ohne weiteres deren Anwendbarkeit bejaht. So hat er im Urteil vom 30.11.2009 (C-357/09 PPU Rdn. 37 ff.) in der Rechtssache Kadzoev angenommen, dass die in Art. 15 Abs. 5 und 6 RFRL vorgegebenen maximalen Haftzeiten auch für solche Inhaftierungen gelten, die vor der Umsetzung bzw. vor Ablauf der Umsetzungsfrist begonnen hatten. Im Urteil vom 28.04.2011 (C-61/11 PPU) in der Rechtssache El Dridi, der nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs eine Rückführungsentscheidung vom 08.05.2004 zugrunde lag, ging er wiederum für alle weiteren nach der Umsetzung bzw. nach Ablauf der Umsetzungsfrist vorzunehmenden Verfahrensschritte ebenfalls von der Anwendbarkeit der Richtlinie aus. Zwar hat der Europäische Gerichtshof in beiden Entscheidungen jeweils den Umstand besonders hervorgehoben, dass es dort um Freiheitsentziehungen ging, die die einschneidensten Maßnahmen im Rahmen der Anwendung der Richtlinie darstellen. Es handelt sich aber hierbei nicht um strukturelle Besonderheiten, die im Übrigen keine Geltung beanspruchen können.
52 
Wäre hiernach die Rückführungsrichtlinie grundsätzlich anzuwenden, so ist allerdings der vorliegende Fall durch die Besonderheiten gekennzeichnet, dass nach Auffassung des Senats eine Ausweisungsverfügung gar keine Rückkehrentscheidung ist und über eine Befristung erst (aber dann spätestens) von Amts wegen im Kontext der eigentlichen Aufenthaltsbeendigung zu befinden ist. Wollte man dies anders sehen, so hätte die Bundesrepublik nach Auffassung des Senats von der eingeräumten Opt-Out-Möglichkeit (vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. b RFRL) in zulässiger Weise Gebrauch gemacht (vgl. zu alledem ausführlich Senatsurteile vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris und 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
53 
Nur wenn man die hier nicht geteilte Auffassung verträte, dass bereits in der Rückkehrentscheidung selbst eine Entscheidung über die Befristung des Einreiseverbots zu treffen wäre, würde sich in aller Deutlichkeit die dann entscheidungserhebliche Frage stellen, ob hier gewissermaßen nachträglich nach den Grundsätzen der Rechtssache Polat, diese Rechtslage auch heute noch als Maßstab für die gerichtliche Beurteilung heranzuziehen wäre. Nach Auffassung des Senats wäre dieses jedoch nach dem grundsätzlichen Ausgangspunkt des Europäischen Gerichthofs in den Rechtssachen Kadzoev und El Dridi zu bejahen, da die Wirkung des Einreiseverbots aus der Natur der Sache erst Wirkung entfalten kann, wenn die Aufenthaltsbeendigung abgeschlossen wurde. Auch hier legt die Rechtsprechung des Gerichtshofs, die auf eine effektive, möglichst frühzeitige Geltung der maßgeblichen Grundsätze der Rückführungsrichtlinie ausgerichtet ist, wozu gerade auch die Einräumung einer Rückkehrperspektive für die Betroffenen gehört, eine Berücksichtigung auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nahe. Diese Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs liegt nach Überzeugung des Senats nicht zuletzt auch darin begründet, dass – anders als in der Rechtssache Polat, in der bereits gemeinschaftsrechtliche Regelungen vorhanden waren, die nur durch die Unionsbürgerrichtlinie (RL 2004/38/EG) abgelöst worden waren – hier der Komplex der Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger bislang gemeinschaftsrechtlich überhaupt nicht geregelt war.
54 
3. Die Ausweisung erweist sich auch nicht deshalb als rechtswidrig, weil der angegriffene Bescheid nicht in einem weiteren Verwaltungsverfahren überprüft worden war. Denn nach der Rechtsprechung des Senats ist das sog. „Vier-Augen-Prinzip“ des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG nicht mehr anzuwenden (vgl. zu alledem ausführlich Senatsurteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris)
II.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
56 
Die Revision wird zugelassen, weil die aufgeworfenen Fragen der Anwendung und Auslegung der Rückführungsrichtlinie Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
57 
Beschluss vom 10. Februar 2012
58 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
24 
Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
25 
Auch nach der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats maßgeblichen Sach- und Rechtslage ist die Ausweisungsentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden.
I.
26 
Da der Kläger abgeleitet von seinem ursprünglich als Arbeitnehmer beschäftigen Vater eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann sein Aufenthalt gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 (i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG) nur beendet werden, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
27 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, ebenda Rn. 73).
28 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie, zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs. C-317/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs. 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs. C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie, eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
29 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
30 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 80).
31 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
32 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
33 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention erfolgen, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010 Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
34 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
35 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 47).
36 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr bringt der Gerichtshof mit dieser Formel nur mit anderen Worten den in seiner ständigen Rechtsprechung für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelten Grundsatz zum Ausdruck, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs. C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs. C-55/94 Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ), wobei insoweit eine sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
37 
Diese in der Entscheidung angelegte und angemahnte besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung verlangt nach Auffassung des Senats auch die Berücksichtigung einer aktiven und positiven Mitarbeit des oder der Betroffenen am Resozialisierungsprozess insbesondere während des Vollzugs der Strafhaft, die aber erkennbar über ein bloßes Wohlverhalten hinausgehen muss, weshalb auch insoweit die infolge der Ausweisung eintretende mögliche Gefährdung eines in Gang gesetzten positiven Resozialisierungsprozesses (vgl. auch § 2 StVollzG) einen wichtigen Abwägungsfaktor ausmachen kann. In Fällen assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger, die im Bundesgebiet geboren und/oder hier einen ganz überwiegenden Teil ihres gesamten Lebens verbracht haben, vermag der Umstand einer konkreten Gefährdung eines positiven Resozialisierungsprozesses unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zwar assoziationsrechtlich keine strikte Rechtsgrenze einer Ausweisung auszumachen, er kann jedoch im Einzelfall von solchem Gewicht sein, dass es einer besonderen Begründung bedarf, um gleichwohl eine Ausweisung verfügen zu dürfen. Es müssen – namentlich wenn der Resozialisierungsprozess weit fortgeschritten ist und weitere gewichtige positive Integrationsfaktoren hinzukommen – besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, gleichwohl das reale Risiko eines Scheiterns des Resozialisierungsprozesses in Kauf zu nehmen.
38 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs. C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
39 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
40 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartig weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in den dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteile vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291 und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
41 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risikos gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts der vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
42 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
43 
Ausgehend hiervon stellt die Ausweisung eine nach Art. 14 ARB 1/80 zulässige und namentlich verhältnismäßige Maßnahme dar. Wie sich insbesondere aus dem Gutachten von Dr. P. vom 12.07.2010 und den nachfolgenden Beschlüssen des Amtsgerichts Wiesloch vom 16.10.2009 sowie des Landgerichts Heidelberg vom 11.11.2010 eindrücklich ablesen lässt, hat bislang eine grundlegende Auseinandersetzung des Klägers mit der von ihm begangenen Tat wie auch insgesamt mit seiner gesamten bisherigen Lebenssituation nicht stattgefunden, was jedoch unerlässlich ist, um zu einer wenigstens im Ansatz günstigeren Sozialprognose zu gelangen. Nach der ausführlich begründeten Feststellung des Gutachters liegt beim Kläger eine therapiebedürftige ausgeprägte Persönlichkeitsstörung vor. Eine Therapie ist bislang nicht durchgeführt worden, und zwar in erster Linie deshalb, weil sich der Kläger hierfür nicht in dem erforderlichen Maße geöffnet hat, was auch in seiner jüngsten, auch in der mündlichen Verhandlung bestätigten Entscheidung, sich sobald als möglich in die Türkei abschieben zu lassen, deutlich zum Ausdruck kommt. Dieses zugrunde gelegt, geht vom Kläger nach wie vor eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben anderer Mitmenschen aus, was eine Beendigung des Aufenthalts rechtfertigt.
44 
Die Ausweisung stellt in Anbetracht des erheblichen, vom Kläger unverändert ausgehenden Gefahrenpotentials auch vor dem Hintergrund, dass er im Bundesgebiet geboren wurde und niemals in der Türkei gelebt hat, eine verhältnismäßige und insbesondere mit Art. 8 EMRK vereinbare Maßnahme dar. Der Senat geht in diesem Zusammenhang zugunsten des Klägers davon aus, dass er gegenwärtig die türkische Sprache nicht beherrscht, sondern alltagstaugliche Sprachkenntnisse erst erwerben muss. Entgegen der Auffassung seines Prozessbevollmächtigten sieht der Senat auch keine unlösbaren Schwierigkeiten für den Kläger, diese Sprachkenntnisse zu erwerben. Seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung zufolge hat er immerhin zusammen mit einem in der JVA ... einsitzenden türkischen Staatsangehörigen mittlerweile begonnen, die türkische Sprache zu erlernen. Die Tatsache, dass er den Hauptschulabschluss erreicht und zuvor auch mehrere Jahre mit teilweise sogar durchschnittlichen Leistungen die Realschule besucht hat, steht der Annahme einer unzureichenden geistigen und intellektuellen Leistungsfähigkeit entgegen.
45 
Eine unverhältnismäßige Maßnahme liegt hier schon deshalb nicht vor, weil der Kläger es selbst gegenwärtig ausdrücklich wünscht, in die Türkei zurückgeführt zu werden, um dort, wie er in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, möglichst schnell und nicht erst nach Ablauf der Haftzeit im August 2017 einen Neuanfang zu versuchen. Bei einer solchen Ausgangslage wäre die Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung unzumutbar und daher unverhältnismäßig sein könnte, bereits im Ansatz verfehlt. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten, der sich einer Klagerücknahme verweigert hat, weshalb wegen der fehlenden Postulationsfähigkeit des Klägers das Verfahren weitergeführt werden musste, sieht der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht mehr verfahrenshandlungsfähig und damit prozessunfähig sein könnte, weshalb der Prozess auch nicht nach § 241 ZPO i.V.m. § 173 VwGO unterbrochen ist, ganz abgesehen davon, dass nach § 246 ZPO bei anwaltlicher Vertretung eine Unterbrechung nicht allein kraft Gesetzes eintritt. Selbst wenn es richtig sein sollte, dass es bei einer gleichzeitigen Einnahme von Ritalin und dem Konsum von Drogen, namentlich von Cannabis bei den Konsumenten zu Wahnvorstellungen, Halluzinationen und vergleichbaren Bewusstseinsstörungen kommen kann, bestehen - auch nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck - keine Anhaltspunkte dafür, dass solches beim Kläger gegenwärtig der Fall sein könnte. Die diesbezügliche Einschätzung des Prozessbevollmächtigten beruht auf Spekulation. Zwar ist es richtig, dass der Kläger nunmehr wieder mit Ritalin behandelt wird. Nach dem Bericht des Sozialinspektors O. wurde auch bei einer allerdings einzigen, am 09.02.2012 durchgeführten Urinkontrolle der Konsum von Cannabis nachgewiesen. Sämtliche Urinkontrollen danach blieben jedoch wiederum negativ. Der Kläger hat auch gegenüber dem Senat betont, dass ein weiterer Cannabiskonsum nicht stattgefunden und es sich um ein einmaliges Ereignis gehandelt hat. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat – auch mit Rücksicht auf die verstrichene Zeit – keinerlei Grundlage für die vom Prozessbevollmächtigen angestellten Vermutungen. Ob die Entscheidung des Klägers in jeder Hinsicht vernünftig ist, ist eine andere Frage. Unvernünftige Entscheidungen begründen jedoch keine Verfahrenshandlungsunfähigkeit.
46 
Der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass die gleichfalls in diesem Zusammenhang im Berufungsverfahren geäußerte Vermutung des Prozessbevollmächtigen, der Kläger könne wegen des Konsums von Drogen und der Einnahme von Ritalin entgegen der Einschätzung des Landgerichts Stuttgart im Urteil vom 05.03.2008 schuldunfähig gewesen sein, keinerlei tatsächliche Grundlage hat. Denn nach den ausdrücklichen Einlassungen des Klägers gegenüber Dr. P. (vgl. dessen Gutachten S. 24 f.) hatte er seit Abschluss des Berufsvorbereitungsjahrs im Sommer 2006 bis zur Tat kein Ritalin mehr eingenommen, sondern nur noch gekifft.
47 
Aber ungeachtet dessen folgt angesichts der erheblichen vom Kläger ausgehenden konkreten Gefahren für Leib oder Leben anderer Mitmenschen auch auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus der Tatsache der Geburt im Bundesgebiet und der fehlenden Sprachkenntnisse keine Unverhältnismäßigkeit (vgl. etwa Urteil vom 02.08.2001 - Nr. 54273/00 - [Boultif] InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - Nr. 46410/99 - [Üner] NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - Nr. 1683/04 - [Maslov II] InfAuslR 2008, 333, vom 25.03.2010 - Nr. 40601/05 - [Mutlag] InfAuslR 2010, 325, und vom 13.10.2011 - Nr. 41548/06 - [Trabelsi]). Nach dieser Rechtsprechung ist dabei von einem bestimmten, nicht notwendigerweise abschließenden Kriterien- und Prüfkatalog auszugehen, den so genannten Boultif/Üner-Kriterien. Danach sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: die Anzahl, Art und Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten; das Alter des Ausländers bei Begehung der Straftaten; der Charakter und die Dauer des Aufenthalts im Land, das der Ausländer verlassen soll; die seit Begehen der Straftaten vergangene Zeit und das Verhalten des Ausländers seit der Tat, insbesondere im Strafvollzug; die Staatsangehörigkeit aller Beteiligten; die familiäre Situation des Ausländers und gegebenenfalls die Dauer der Ehe sowie andere Umstände, die auf ein tatsächliches Familienleben eines Paares hinweisen; der Grund für die Schwierigkeiten, die der Partner in dem Land haben kann, in das gegebenenfalls abgeschoben werden soll; ob der Partner bei Begründung der familiären Beziehung Kenntnis von der Straftat hatte; ob der Verbindung Kinder entstammen, und in diesem Fall deren Alter; das Interesse und das Wohl der Kinder, insbesondere der Umfang der Schwierigkeiten, auf die sie wahrscheinlich in dem Land treffen, in das der Betroffene ggfs. abgeschoben werden soll; die Intensität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland einerseits und zum Herkunftsland andererseits. Die Umstände, dass der Kläger in Deutschland geboren, niemals in der Türkei gelebt hat und die türkische Sprache nicht beherrscht, sind zwar von erheblicher Bedeutung, ein absolutes Ausweisungshindernis begründen sie jedoch nicht. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger jedenfalls beruflich bislang in keiner Weise integriert war und vor seiner Inhaftierung wirtschaftlich nicht auf eigenen Füßen stand, führen sie auch nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung, wenn man davon ausgehen kann, dass er in der Lage sein wird, alltagstaugliche Sprachkenntnisse zu erwerben.
48 
2. Die Ausweisung erweist sich auch mit Blick auf die Vorgaben der Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG vom 16.12.2008 - RFRL) nicht deshalb als rechtswidrig, insbesondere als unverhältnismäßig, weil ihre Wirkungen nicht befristet wurden.
49 
Allerdings steht einer Prüfung der Ausweisung am Maßstab der Richtlinie nicht entgegen, dass diese zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der hier im Streit befindlichen Ausweisung vom 25.05.2009 noch nicht umzusetzen war (vgl. Art. 20 Abs. 1 RFRL). Denn maßgeblich ist insoweit grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45-06 - BVerwGE 130, 20), soweit sich aus dem materiellen Recht nichts anderen ergibt. Eine gegenteilige Annahme wird auch nicht durch die vom EuGH in der Rechtssache Polat (Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06) entwickelten Grundsätze nahegelegt.
50 
Mit Blick auf den Regelungsgehalt der Rückführungsrichtlinie zeichnen sich Übergangsfälle der vorliegenden Art dadurch aus, dass der zu beurteilende Sachverhalt zwar vor Ablauf der Umsetzungsfrist gewissermaßen eröffnet wurde, als am 25.05.2009 die Ausweisung verbunden mit einer Abschiebungsandrohung erlassen wurde. Dieser Sachverhalt ist aber bis zum heutigen Zeitpunkt nicht abgeschlossen. Denn das einen zentralen Bestandteil der Rückführungsrichtlinie bildende Verfahren der Aufenthaltsbeendigung im eigentlichen Sinn, nämlich - die auf welche Art auch immer - durchzuführende Aufenthaltsbeendigung, hat noch gar nicht stattgefunden. Im Regelfall geht das Einreiseverbot nach Art. 11 RFRL erst mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung „einher“ (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA lit. a) RFRL; vgl. zu Besonderheiten des vorliegenden Falles noch im Folgenden).
51 
In einer derartigen regelhaften Fallkonstellation eines noch nicht abgeschlossenen Sachverhalts hat der Europäische Gerichtshof im Sinne einer möglichst baldigen und effektiven Anwendung der Grundprinzipien der Richtlinie ohne weiteres deren Anwendbarkeit bejaht. So hat er im Urteil vom 30.11.2009 (C-357/09 PPU Rdn. 37 ff.) in der Rechtssache Kadzoev angenommen, dass die in Art. 15 Abs. 5 und 6 RFRL vorgegebenen maximalen Haftzeiten auch für solche Inhaftierungen gelten, die vor der Umsetzung bzw. vor Ablauf der Umsetzungsfrist begonnen hatten. Im Urteil vom 28.04.2011 (C-61/11 PPU) in der Rechtssache El Dridi, der nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs eine Rückführungsentscheidung vom 08.05.2004 zugrunde lag, ging er wiederum für alle weiteren nach der Umsetzung bzw. nach Ablauf der Umsetzungsfrist vorzunehmenden Verfahrensschritte ebenfalls von der Anwendbarkeit der Richtlinie aus. Zwar hat der Europäische Gerichtshof in beiden Entscheidungen jeweils den Umstand besonders hervorgehoben, dass es dort um Freiheitsentziehungen ging, die die einschneidensten Maßnahmen im Rahmen der Anwendung der Richtlinie darstellen. Es handelt sich aber hierbei nicht um strukturelle Besonderheiten, die im Übrigen keine Geltung beanspruchen können.
52 
Wäre hiernach die Rückführungsrichtlinie grundsätzlich anzuwenden, so ist allerdings der vorliegende Fall durch die Besonderheiten gekennzeichnet, dass nach Auffassung des Senats eine Ausweisungsverfügung gar keine Rückkehrentscheidung ist und über eine Befristung erst (aber dann spätestens) von Amts wegen im Kontext der eigentlichen Aufenthaltsbeendigung zu befinden ist. Wollte man dies anders sehen, so hätte die Bundesrepublik nach Auffassung des Senats von der eingeräumten Opt-Out-Möglichkeit (vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. b RFRL) in zulässiger Weise Gebrauch gemacht (vgl. zu alledem ausführlich Senatsurteile vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris und 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
53 
Nur wenn man die hier nicht geteilte Auffassung verträte, dass bereits in der Rückkehrentscheidung selbst eine Entscheidung über die Befristung des Einreiseverbots zu treffen wäre, würde sich in aller Deutlichkeit die dann entscheidungserhebliche Frage stellen, ob hier gewissermaßen nachträglich nach den Grundsätzen der Rechtssache Polat, diese Rechtslage auch heute noch als Maßstab für die gerichtliche Beurteilung heranzuziehen wäre. Nach Auffassung des Senats wäre dieses jedoch nach dem grundsätzlichen Ausgangspunkt des Europäischen Gerichthofs in den Rechtssachen Kadzoev und El Dridi zu bejahen, da die Wirkung des Einreiseverbots aus der Natur der Sache erst Wirkung entfalten kann, wenn die Aufenthaltsbeendigung abgeschlossen wurde. Auch hier legt die Rechtsprechung des Gerichtshofs, die auf eine effektive, möglichst frühzeitige Geltung der maßgeblichen Grundsätze der Rückführungsrichtlinie ausgerichtet ist, wozu gerade auch die Einräumung einer Rückkehrperspektive für die Betroffenen gehört, eine Berücksichtigung auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nahe. Diese Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs liegt nach Überzeugung des Senats nicht zuletzt auch darin begründet, dass – anders als in der Rechtssache Polat, in der bereits gemeinschaftsrechtliche Regelungen vorhanden waren, die nur durch die Unionsbürgerrichtlinie (RL 2004/38/EG) abgelöst worden waren – hier der Komplex der Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger bislang gemeinschaftsrechtlich überhaupt nicht geregelt war.
54 
3. Die Ausweisung erweist sich auch nicht deshalb als rechtswidrig, weil der angegriffene Bescheid nicht in einem weiteren Verwaltungsverfahren überprüft worden war. Denn nach der Rechtsprechung des Senats ist das sog. „Vier-Augen-Prinzip“ des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG nicht mehr anzuwenden (vgl. zu alledem ausführlich Senatsurteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris)
II.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
56 
Die Revision wird zugelassen, weil die aufgeworfenen Fragen der Anwendung und Auslegung der Rückführungsrichtlinie Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
57 
Beschluss vom 10. Februar 2012
58 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 29. April 2009 - 4 K 1175/08 - aufgehoben.

Der Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 27. März 2008 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich u.a. gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.
Der am ...1984 in Albstadt geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er wuchs weitgehend bei seiner mittlerweile 55 Jahre alten Mutter und seinen 4 älteren Geschwistern (2 Brüder und 2 Schwestern) in Winterlingen auf. Im ersten Grundschuljahr ging er mit seinem Vater, der wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung die Bundesrepublik Deutschland verlassen musste, vorübergehend für etwa sechs Monate in die Türkei. Im zweiten Grundschuljahr hielt er sich für acht Monate mit seiner Mutter in der Türkei auf. Ein Bruder des Klägers wurde vor längerer Zeit ausgewiesen und in die Türkei abgeschoben. Sein Vater, zu dem er seit seiner Rückkehr aus der Türkei keinen Kontakt mehr hat, lebt nach wie vor in der Türkei. Die Eltern leben seit dieser Zeit getrennt, die Ehe ist seit 1994 geschieden. Die Mutter war über viele Jahre mit Unterbrechungen als Näherin erwerbstätig. Sie bezieht nunmehr Rente und erhält ergänzend Sozialleistungen. Der Kläger besuchte von 1989 bis 1999 die Grund- und Förderschule. Einen Schulabschluss erlangte er dort nicht. Danach absolvierte er zunächst ein einjähriges Praktikumsjahr und begann anschließend im August 2000 eine Ausbildung als Metallfeinbearbeiter, die er aber schon nach 3 Monaten abbrach. In der Folgezeit ging er jeweils für kurze Zeit mehreren Gelegenheitsjobs nach und war immer wieder, wie auch zuletzt arbeitslos.
Im Januar 2003 lernte der Kläger während eines Türkeiurlaubs eine 1987 geborene türkische Staatsangehörige kennen, die er am 12.02.2003 in der Türkei heiratete. Seine Ehefrau lebt nach wie vor in der Türkei. Ein Antrag auf Ehegattennachzug wurde im April 2005 von der zuständigen Ausländerbehörde abgelehnt. Am 26.05.2006 wurde ein gemeinsames Kind in der Türkei geboren; dieses lebt bei der Mutter. Im Bundesgebiet war der Kläger zuletzt vor seiner Festnahme mit einer Freundin zusammen. Seit dem 20.03.2000 ist er im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die als Niederlassungserlaubnis fort gilt.
Der Kläger ist strafrechtlich bislang wie folgt in Erscheinung getreten:
1. Urteil des Amtsgerichts Albstadt vom 15.11.2001, rechtskräftig seit 23.11.2001, wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis; Ableistung von 20 Stunden gemeinnütziger Arbeit; Tatzeit: April 2001.
2. Urteil des Amtsgerichts Albstadt vom 21.03.2002, rechtskräftig seit 26.03.2002, wegen Hehlerei; Ableistung von 20 Stunden gemeinnütziger Arbeit; Tatzeit: Juli 2001.
3. Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 26.03.2002, rechtskräftig seit 10.06.2002, wegen Diebstahls in 3 Fällen; Jugendstrafe von 7 Monaten, deren Vollstreckung für 2 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Einbezogen wurde das Urteil des Amtsgerichts Albstadt vom 21.03.2002; letzte Tat: Oktober 2001.
4. Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 01.10.2002, rechtskräftig seit 03.03.2003, wegen Diebstahls in Tateinheit mit unbefugtem Gebrauch eines Fahrzeugs und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis; Jugendstrafe von 1 Jahr ohne Bewährung. Einbezogen wurde die Entscheidung vom 26.03.2002 des Amtsgerichts Hechingen; letzte Tat: 25.02.2002.
5. Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 22.07.2003, rechtskräftig seit 30.07.2003, wegen Sachbeschädigung und unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis; Jugendstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten ohne Bewährung. Einbezogen wurden die Entscheidungen des Amtsgerichts Hechingen vom 01.10.2002 und vom 26.03.2002; letzte Tat: 07.12.2002 Die Strafe wurde vom 24.03.2003 bis zum 12.01.2004 verbüßt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Adelsheim vom 17.12.2003 wurde der Rest der Jugendstrafe bis zum 28.12.2006 zur Bewährung ausgesetzt.
10 
6. Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 27.07.2004, rechtskräftig seit 04.08.2004, wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 2 Fällen; Jugendstrafe von 1 Jahr und 5 Monaten, deren Vollstreckung für 2 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Einbezogen wurden die Entscheidungen des Amtsgerichts Hechingen vom 22.07.2003, 01.10.2002 und 26.03.2002; letzte Tat: 13.05.2004. Die Strafaussetzung wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Hechingen vom 20.02.2006, rechtskräftig seit 14.03.2006, widerrufen.
11 
7. Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 12.07.2005, rechtskräftig seit diesem Tag, wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 2 Fällen; Freiheitsstrafe von 3 Monaten, deren Vollstreckung für 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde; letzte Tat: 31.12.2004.
12 
8. Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 10.01.2006, rechtskräftig seit 18.01.2006, wegen gefährlicher Körperverletzung; Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten ohne Bewährung. Einbezogen wurde die Entscheidung des Amtsgerichts Hechingen vom 12.07.2005; Tatzeitpunkt: 10.04.2005. Mit Beschluss des Amtsgerichts Hechingen vom 20.02.2006, rechtskräftig seit 14.03.2006, wurde die Strafaussetzung aus dem Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 27.07.2004 (Ziffer 6) widerrufen.
13 
9. Urteil des Landgerichts Hechingen vom 22.05.2006, rechtskräftig seit 11.10.2006, wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung; Freiheitsstrafe von 6 Jahren ohne Bewährung; Tatzeitpunkt: 21.12.2005.
14 
Nach der Verurteilung zu 4. und zu 6. wurde der Kläger jeweils im Juli 2003 und im August 2004 ausländerrechtlich verwarnt. Zwei bereits früher eingeleitete Ausweisungsverfahren wurden von der Behörde nicht weiter betrieben. Wegen der Straftaten unter 9. wurde er am 22.12.2005 festgenommen und befand sich bis Januar 2011 in Haft.
15 
Aufgrund der letzten Straftat wurde gegen den Kläger erneut ein Ausweisungsverfahren eingeleitet. Mit Schreiben vom 10.03.2006 wurde er zu einer beabsichtigten Ausweisung angehört. Mit Schreiben vom 23.04.2006 schilderte er zunächst seinen Werdegang und führte sodann aus, dass er mit seiner Eheschließung in der Türkei am 12.02.2003 einen Neuanfang in Deutschland gesucht habe. Nach der Ablehnung der Familienzusammenführung sei sein Leben jedoch weiter negativ verlaufen. Er habe seine Arbeitsstelle verloren und sei schließlich für 7 Wochen zu seiner Ehefrau in die Türkei gefahren. Anschließend habe er in Deutschland trotz der Unterstützung durch seine Schwestern keine Arbeit gefunden. Er bereue seine Taten und bitte, nicht aus Deutschland abgeschoben zu werden. Auch werde seine Frau im Mai 2006 ein Kind entbinden; gemeinsam würden sie auf eine neue Chance hoffen. Im Fall der Abschiebung müsse er zudem zum Militär, was er auf keinen Fall wolle.
16 
Mit Bescheid vom 27.05.2008 wies das Regierungspräsidium Tübingen - Bezirksstelle für Asyl - den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus (1.) und drohte ihm die Abschiebung direkt aus der Strafhaft heraus oder gegebenenfalls nach Ablauf eines Monats nach der Haftentlassung in die Türkei an (2.). Zur Begründung wurde ausgeführt, die Ausweisung erfolge im Hinblick auf die strafrechtlichen Verfehlungen des Klägers gleichwohl als Ermessensausweisung. Dabei werde unterstellt, dass dem Kläger der Schutz von Art. 14 ARB 1/80 zugutekomme. Insgesamt komme die Ermessensausübung auch unter Berücksichtigung dieser und weiterer einschlägiger Vorschriften sowie den persönlichen Verhältnissen zu dem Ergebnis, dass die Ausweisung insbesondere unter Berücksichtigung der letzten Verurteilung geboten sei. Die mit der letzten Verurteilung durch das Landgericht Hechingen geahndeten Straftaten seien der schweren Kriminalität zuzuordnen und der Kläger habe auch mit einer erheblichen kriminellen Energie gehandelt. Aufgrund seiner Vorstrafen und - wie im Urteil des Landgerichts bei der Strafzumessung ausgeführt - unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dem Kläger auch ein zweifacher Bewährungsbruch vorzuhalten sei, liege hier eine konkrete Wiederholungsgefahr vor. Hierfür spreche weiter, dass sich der Kläger in der Vergangenheit auch von ausländerrechtlichen Verwarnungen, einer Haftverbüßung und den gegen ihn eingeleiteten, früheren Ausweisungsverfahren nicht von weiteren Straftaten habe abhalten lassen. An dieser Beurteilung ändere auch der Umstand nichts, dass der Kläger besonderen Ausweisungsschutz genieße, denn die insoweit erforderlichen schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung lägen hier, wie ausgeführt, vor. Auch seine persönlichen Umstände rechtfertigten nicht die Annahme eines atypischen Sachverhalts. Er sei zwar hier geboren, aber in einem türkischen Familienverbund aufgewachsen, spreche nach wie vor seine Muttersprache und sei nicht nachhaltig wirtschaftlich und beruflich in der Bundesrepublik integriert. Zwar habe er den Hauptschulabschluss zwischenzeitlich in der Haft nachgeholt, sei aber bisher ohne abgeschlossene Berufsausbildung und habe jeweils nur in kurzzeitigen Arbeitsverhältnissen gestanden. Unter weiterer Berücksichtigung seiner Heirat mit seiner in der Türkei befindlichen Ehefrau, seinen mehrfachen Urlaubsreisen in die Türkei und seines Alters sei für ihn die Rückkehr in die Türkei nicht mit unzumutbaren Belastungen verbunden, zumal dort auch sein Vater und sein ausgewiesener Bruder lebten. Insgesamt verbleibe es daher auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Ermessensausweisung. Hieran ändere schließlich der Bericht der Justizvollzugsanstalt vom 29.02.2008 nichts. Dieser zeige zwar in Teilbereichen eine positive Entwicklung und ein normales, beanstandungsfreies Vollzugsverhalten, lasse aber keine Aussage über eine gelungene und abgeschlossene Nachreifung zu, die die Wiederholungsgefahr entfallen lasse. Letztlich verstoße die Ausweisung weder gegen Art. 6 GG noch gegen Art. 8 EMRK und auch nicht gegen Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG.
17 
Am 07.06.2008 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Sigmaringen und machte gelten: Er könne nach Art. 7 Satz 1 und 14 Abs. 1 ARB 1/80 i. V. m. Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG nur ausgewiesen werden, wenn er eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit des Staates stelle er indes nicht dar, unabhängig von dem für ihn bislang günstigen Haftverlauf, der auch gegen eine ausreichende Wiederholungsgefahr spreche.
18 
Der Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid entgegen.
19 
Das Verwaltungsgericht holte einen Führungsbericht der JVA Ravensburg vom 12.11.2008 und eine Ergänzung vom 01.04.2009 ein.
20 
In der mündlichen Verhandlung änderte der Beklagte die Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 27.05.2008 dahingehend ab, dass eine Abschiebung frühestens einen Monat nach Bestandskraft der Ausweisungsverfügung erfolge.
21 
Der Kläger wurde angehört und führte im Wesentlichen aus, seine Frau wohne bei seiner Mutter in der Türkei. Die Wohnung gehöre seiner Mutter. Seine Mutter pendele zwischen der Türkei und der Bundesrepublik. Die Wohnung befinde sich in ... bei Ankara; seine Mutter stamme aus diesem Ort. Zu seinem Vater habe er seit seinem 5. oder 6. Lebensjahr keinen Kontakt mehr. Sein Bruder wohne auch in diesem Ort. Diesem schreibe er in türkischer Sprache; er (der Kläger) sei zweisprachig. Hier im Bundesgebiet habe er eine eigene, selbst gemietete Wohnung gehabt, aber auch noch bei seiner Mutter gewohnt. Seine hier befindliche Freundin habe auch eine eigene Wohnung gehabt. Von der Freundin im Bundesgebiet wisse seine Frau nichts. Er habe damals noch keine Verantwortung übernehmen können. Von seiner Inhaftierung wisse seine Frau, von den Straftaten aber nur teilweise. Gegenwärtig stehe er mit seiner Frau in telefonischem Kontakt und schreibe ihr auch gelegentlich. Mit der früheren Freundin habe er seit 2 oder 2 ½ Jahren keinen Kontakt mehr. In der Zeit der Begehung seiner Straftaten habe er regelmäßig Drogen genommen und auch regelmäßig Alkohol getrunken. Angesprochen auf den letzten JVA-Bericht räumte er ein, vor etwa 3 Monaten einmal THC-positiv gewesen zu sein. Bei Kollegen sei beim Hofgang ein Joint gekreist und er habe ein paar Züge genommen. 6 bis 8 Wochen später sei bei einer weiteren Urinkontrolle wieder alles in Ordnung gewesen. Das Jointrauchen sei ein einmaliger Vorgang gewesen. Seit etwa 2 Monaten nehme er im Vollzug einmal die Woche an den Sitzungen der Anonymen Alkoholiker - Gruppe teil. Er meine aber, kein Suchtproblem zu haben. Er sei reifer geworden. Er habe es auf dem harten Weg lernen müssen und habe es nun endlich begriffen.
22 
Mit Urteil vom 29.04.2009 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab.
23 
Es führte u.a. aus: Rechtsgrundlagen der Ausweisung seien §§ 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2, 53 Nr. 1, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 sowie Satz 2 AufenthG. Im Hinblick auf den besonderen Ausweisungsschutz des im Bundesgebiet geborenen Klägers sei die Ausweisung zu Recht (nur) als Ermessensausweisung verfügt worden. Hinsichtlich der Ausweisung werde auf die umfassenden und zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 27.05.2008 verwiesen, denen das Gericht folge. Die Ermessensausübung des Regierungspräsidiums sei auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlerfrei und im Wesentlichen zutreffend auf die vom Kläger weiterhin ausgehende erhebliche Wiederholungsgefahr gestützt. Die Ausweisung sei auch unter Berücksichtigung der Anforderungen aus Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 i. V. m. Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG nicht zu beanstanden und verstoße nicht gegen Art 8 EMRK. Schließlich sei die Abschiebungsandrohung mit der in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärten Abänderung rechtmäßig. Vom Kläger gehe weiterhin eine erhebliche Wiederholungsgefahr aus.
24 
Das Urteil wurde dem Kläger am 30.09.2009 zugestellt.
25 
Auf den rechtzeitig gestellten und begründeten Antrag ließ der Senat mit Beschluss vom 30.11.2009 die Berufung zu.
26 
Am 10.12.2009 begründete der Kläger unter Stellung eines Antrags die Berufung zunächst wie folgt: Das angegriffene Urteil verletze Art. 14 ARB 1/80 und verkenne den auch hier anwendbaren besonderen Schutz nach Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Ziebell, bis zu deren Entscheidung das Berufungsverfahren geruht hatte, macht der Kläger nunmehr geltend, dass die angegriffene Ausweisungsverfügung deshalb rechtwidrig sei, weil das nicht zuletzt wegen der Stand-Still-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 weiter zu beachtende, in Art. 9 RL 64/221/EWG niedergelegte „Vier-Augen-Prinzip“ verletzt worden sei.
27 
Durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Tübingen vom 11.01.2011 wurde nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafen aus den Urteilen des Landgerichts Hechingen vom 22.05.2006 sowie des Amtsgerichts Hechingen vom 10.01.2006 bei einer Bewährungszeit von drei Jahren die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt mit der Auflage, für die Dauer von einem Jahr eine ambulante Drogentherapie nach Weisung des Bewährungshelfers zu unterziehen. Der Entscheidung lag ein kriminologisch-kriminalprognostisches Gutachten der Universität Tübingen (Dr. Reich) vom 01.12.2010 sowie befürwortende Stellungnahmen der JVA Rottenburg sowie der Staatsanwaltschaft Hechingen zugrunde.
28 
Der Kläger beantragt,
29 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 29. April 2009 - 4 K 1175/08 - zu ändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 27. Mai 2008 aufzuheben.
30 
Der Beklagte beantragt,
31 
die Berufung zurückzuweisen.
32 
Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache sei das „Vier-Augen-Prinzip“ obsolet. Auch nach der Entlassung des Klägers aus der Strafhaft könne in Anbetracht der Tatsache, dass er Intensivtäter sei, nicht davon ausgegangen werden, dass die Wiederholungsgefahr gemindert oder gar entfallen sei. Die im Verhältnis zur kriminellen Vita nur kurze Zeit der Bewährung von einem Jahr erlaube keine substantiierte Legalprognose zugunsten des Klägers, zumal er sich hinsichtlich der Vorsprachen bei der Drogenberatung in der ersten Jahreshälfte 2011 nicht immer zuverlässig erwiesen habe.
33 
Der Senat hat eine Stellungnahme des Bewährungshelfers des Klägers eingeholt. Insoweit wird auf dessen Schreiben vom 29.02.2012 verwiesen.
34 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
35 
Dem Senat liegen die Akten des Regierungspräsidiums, des Verwaltungsgerichts, die Strafvollsteckungsakten sowie die Gefangenenpersonalakten vor.

Entscheidungsgründe

 
36 
Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.
37 
Nach der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats maßgeblichen Sach- und Rechtslage kann die Ausweisungsentscheidung des Beklagten keinen Bestand mehr haben.
38 
I. Da der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann sein Aufenthalt gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 (i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG) nur beendet werden, wenn dieses aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
39 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, ebenda Rn. 73).
40 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2010 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs. C-371/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs. 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs. C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie, eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
41 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
42 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 80).
43 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
44 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
45 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention erfolgen, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010, Bozkurt, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
46 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
47 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 47).
48 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr bringt der Gerichtshof mit dieser Formel nur mit anderen Worten den in seiner ständigen Rechtsprechung für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelten Grundsatz zum Ausdruck, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs. C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs. C-55/94, Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs 36/75 ), wobei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
49 
Diese in der Entscheidung angelegte und angemahnte besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung verlangt nach Auffassung des Senats auch die Berücksichtigung einer aktiven und positiven Mitarbeit des oder der Betroffenen am Resozialisierungsprozess insbesondere während des Vollzugs der Strafhaft, die aber erkennbar über ein bloßes Wohlverhalten hinausgehen muss, weshalb auch insoweit die infolge der Ausweisung eintretende mögliche Gefährdung eines in Gang gesetzten positiven Resozialisierungsprozesses (vgl. auch § 2 StVollzG) einen wichtigen Abwägungsfaktor ausmachen kann. In Fällen assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger, die im Bundesgebiet geboren und/oder hier einen ganz überwiegenden Teil ihres gesamten Lebens verbracht haben, vermag der Umstand einer konkreten Gefährdung eines positiven Resozialisierungsprozesses unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zwar assoziationsrechtlich keine strikte Rechtsgrenze einer Ausweisung auszumachen, er kann jedoch im Einzelfall von solchem Gewicht sein, dass es einer besonderen Begründung bedarf, um gleichwohl eine Ausweisung verfügen zu dürfen. Es müssen – namentlich wenn der Resozialisierungsprozess weit fortgeschritten ist und weitere gewichtige positive Integrationsfaktoren hinzukommen – besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, gleichwohl das reale Risiko eines Scheiterns des Resozialisierungsprozesses in Kauf zu nehmen.
50 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs. C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
51 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
52 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartige weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in der dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteile vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291 und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
53 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risiko gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts des vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
54 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
55 
Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht bislang davon aus, dass einer Aussetzung der Reststrafe nach § 57 Abs. 1 und 2 StGB oder nach § 88 Abs. 1 und 2 JGG keine Bindungswirkung zukommt, was u.a. auf die unterschiedlichen Prognosemaßstäbe zurückgeführt wird (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 16.11.2000 - 9 C 6.00 - NVwZ 2001, 442; Discher, in: GK-AufenthG Vor §§ 53 ff. Rdn. 1241 ff.). Allerdings soll einer solchen Aussetzung immerhin eine gewisse Indizwirkung zukommen. Die Relativierung derartiger Aussetzungsentscheidungen auf eine bloße Indizwirkung wird jedoch den unions- und assoziationsrechtlichen Anforderungen nicht vollständig gerecht. Denn es würde sich bei einer derartigen Sichtweise ein nicht gerechtfertigter Widerspruch auftun. Der Ansatz von der bloßen Indizwirkung unterstellt, dass gleichwohl im Falle der Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung ohne weiteres ein gesellschaftliches Grundinteresse des Mitgliedstaats weiterhin tatsächlich und hinreichend schwerwiegend gefährdet und eine Beschränkung der Freizügigkeit bzw. ein Entzug des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts gerechtfertigt sein kann. Andererseits bringt jedoch die Gesellschaft des Mitgliedstaats gerade durch diese Aussetzung ihre Wertung zum Ausdruck, dass sie um des Täters und seiner Resozialisierung willen - durchaus nicht risikofrei - bereit ist, diesem ein Leben in Freiheit, wenn auch zunächst mit gewissen Auflagen, zu ermöglichen. Es kann dann schwerlich einem Grundinteresse der gesamten Gesellschaft des Mitgliedstaats entsprechen, den Betroffenen gleichwohl vom eigenen Territorium zu entfernen und ihm die Chance einer Resozialisierung in dem Land, in dem er zuletzt gelebt hat, zu nehmen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er in diesem Land längere Zeit gelebt und dort wesentliche Teile seiner Sozialisierung erfahren hat. Seine Ausweisung in ein Land, in dem er schon längere Zeit nicht mehr oder sogar niemals gelebt hat, muss regelmäßig als kontraproduktiv und einer Resozialisierung hinderlich begriffen werden. Nimmt man noch hinzu, dass nach den oben dargelegten besonderen unionsrechtlichen bzw. assoziationsrechtlichen Maßstäben erhebliche Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Begehung neuer Straftaten gestellt werden müssen, so dürfen derartige Aussetzungen auch deshalb nicht gering gewichtet und bewertet werden, weil sie von einer mit der Beurteilung von der Täterpersönlichkeiten und deren Lebensumfeld vertrauten Fachgerichtsbarkeit ausgesprochen und veranlasst werden. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn zur Vorbereitung der Aussetzungsentscheidung fachkundige Stellungnahmen oder fachwissenschaftliche Gutachten eingeholt wurden. Da andererseits den Aussetzungsentscheidungen keine ausdrücklich gesetzlich angeordnete Bindungs- oder Tatbestandswirkung zukommt, kann das Verwaltungsgericht eine solche Entscheidung ausnahmsweise unbeachtet lassen, wenn sie sich als offenkundig fehlerhaft erweist oder aber infolge aktueller Entwicklungen überholt ist und damit keine zuverlässige Prognosegrundlage mehr abgeben kann. Im Regelfall jedoch ist eine solche Aussetzungsentscheidung in der Weise zu berücksichtigen, dass die Ausweisung keinem Grundinteresse der Gesellschaft des Mitgliedstaates (mehr) entspricht.
56 
2. Ausgehend hiervon ist von Folgendem auszugehen: Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Tübingen hat mit Beschluss vom 11.01.2011 (... StVK ... + .../...) die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt mit der Auflage, dass der Kläger sich innerhalb des ersten Jahres einer Drogentherapie zu unterziehen hat. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Der Beschluss beruht auf einem kriminologisch-kriminalprognostischen Gutachten der Universität Tübingen (Dr. R.) vom 01.12.2011, das nach zwei umfangreichen Explorationen erstellt wurde. Dieses Gutachten, das sich auch umfassend mit der Aktenlage beschäftigt, erweist sich in seiner differenzierten und durchaus kritische Aspekte nicht unterdrückenden Sicht als überzeugend. Nimmt man hinzu, dass zur Vorbereitung der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer noch eine umfassende Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Rottenburg eingeholt worden war, die die wesentlichen Entwicklungsschritte, die der Kläger insbesondere im Jahre 2010 gemacht hat, deutlich macht und eine vorzeitige Freilassung befürwortet, so vermag der Senat keine Gesichtspunkte zu erkennen, die geeignet wären, die Entscheidung des Landgerichts Tübingen infrage zu stellen. Die Entscheidung des Landgerichts ist auch nicht deshalb überholt, weil der Kläger drei Termine bei der Drogenberatung nicht wahrgenommen hat. Die vom Kläger hierfür gegebene Erklärung, wonach er wegen der anstrengenden Nachtarbeit die Termine verschlafen oder vergessen habe, vermag zwar nicht völlig zu überzeugen. Eine einzelne Säumnis mag bei der für den Kläger sicherlich völlig neuen Belastungssituation in einem geregelten Arbeitsverhältnis der konkreten Art ohne weiteres verständlich sein. Eine dreimalige Säumnis innerhalb eines Zeitraums von einem knappen dreiviertel Jahr ist allerdings weniger nachvollziehbar, zumal dem Kläger klar sein musste, dass seine Bewährung auf dem Spiel stehen kann. Auch wenn dieser Regelverstoß daher nicht bagatellisiert werden darf, so kann andererseits nicht übersehen werden, dass der Bewährungshelfer in seiner Stellungnahme die aktuelle Bereitschaft des Klägers, mit ihm zusammenzuarbeiten, sehr positiv hervorgehoben und weiterhin nach über einem Jahr in Freiheit eine sehr positive Prognose abgegeben hat, wobei sicherlich auch eine Rolle gespielt hat, dass aufgrund der durchgeführten Urinkontrollen von einem Drogenkonsum nicht ausgegangen werden kann. Hinzu kommt, dass die Säumnis des Klägers der Strafvollstreckungskammer keine Veranlassung gegeben hat, die Bewährungszeit zu verlängern oder die Bewährung gar zu widerrufen. Hiervon abgesehen hat der Kläger zur Überzeugung des Senats nach seiner Haftentlassung eine positive Entwicklung durchlaufen. Ihm ist es bereits kurze Zeit nach der Entlassung gelungen, eine Beschäftigung zu finden; mittlerweile steht er in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis, mit dem er seinen Lebensunterhalt sichern kann; auch seine Wohnsituation ist geklärt. Dieses zusammengefasst ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass jedenfalls zum heutigen Zeitpunkt nach den oben dargelegten Maßstäben kein Grundinteresse der Gesellschaft mehr betroffen ist und die Ausweisung nicht mehr von Art. 14 ARB 1/80 getragen wird. Wenn es ihm gelingen sollte, seinen Sohn und seine Ehefrau nach Deutschland zu holen, so wird dies seine Situation aller Voraussicht nach weiter stabilisieren.
57 
Hat die Ausweisung keinen Bestand mehr, so war auch die unselbstständige Abschiebungsandrohung aufzuheben.
58 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
59 
Die Revision wird zugelassen, weil die aufgeworfenen Fragen zur Anwendung und Auslegung des Assoziationsrechts von grundsätzlicher Bedeutung sind (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
60 
Beschluss vom 7. März 2012
61 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
62 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
36 
Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.
37 
Nach der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats maßgeblichen Sach- und Rechtslage kann die Ausweisungsentscheidung des Beklagten keinen Bestand mehr haben.
38 
I. Da der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann sein Aufenthalt gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 (i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG) nur beendet werden, wenn dieses aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
39 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, ebenda Rn. 73).
40 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2010 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs. C-371/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs. 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs. C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie, eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
41 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
42 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 80).
43 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
44 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
45 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention erfolgen, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010, Bozkurt, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
46 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
47 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 47).
48 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr bringt der Gerichtshof mit dieser Formel nur mit anderen Worten den in seiner ständigen Rechtsprechung für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelten Grundsatz zum Ausdruck, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs. C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs. C-55/94, Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs 36/75 ), wobei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
49 
Diese in der Entscheidung angelegte und angemahnte besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung verlangt nach Auffassung des Senats auch die Berücksichtigung einer aktiven und positiven Mitarbeit des oder der Betroffenen am Resozialisierungsprozess insbesondere während des Vollzugs der Strafhaft, die aber erkennbar über ein bloßes Wohlverhalten hinausgehen muss, weshalb auch insoweit die infolge der Ausweisung eintretende mögliche Gefährdung eines in Gang gesetzten positiven Resozialisierungsprozesses (vgl. auch § 2 StVollzG) einen wichtigen Abwägungsfaktor ausmachen kann. In Fällen assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger, die im Bundesgebiet geboren und/oder hier einen ganz überwiegenden Teil ihres gesamten Lebens verbracht haben, vermag der Umstand einer konkreten Gefährdung eines positiven Resozialisierungsprozesses unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zwar assoziationsrechtlich keine strikte Rechtsgrenze einer Ausweisung auszumachen, er kann jedoch im Einzelfall von solchem Gewicht sein, dass es einer besonderen Begründung bedarf, um gleichwohl eine Ausweisung verfügen zu dürfen. Es müssen – namentlich wenn der Resozialisierungsprozess weit fortgeschritten ist und weitere gewichtige positive Integrationsfaktoren hinzukommen – besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, gleichwohl das reale Risiko eines Scheiterns des Resozialisierungsprozesses in Kauf zu nehmen.
50 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs. C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
51 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
52 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartige weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in der dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteile vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291 und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
53 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risiko gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts des vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
54 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
55 
Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht bislang davon aus, dass einer Aussetzung der Reststrafe nach § 57 Abs. 1 und 2 StGB oder nach § 88 Abs. 1 und 2 JGG keine Bindungswirkung zukommt, was u.a. auf die unterschiedlichen Prognosemaßstäbe zurückgeführt wird (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 16.11.2000 - 9 C 6.00 - NVwZ 2001, 442; Discher, in: GK-AufenthG Vor §§ 53 ff. Rdn. 1241 ff.). Allerdings soll einer solchen Aussetzung immerhin eine gewisse Indizwirkung zukommen. Die Relativierung derartiger Aussetzungsentscheidungen auf eine bloße Indizwirkung wird jedoch den unions- und assoziationsrechtlichen Anforderungen nicht vollständig gerecht. Denn es würde sich bei einer derartigen Sichtweise ein nicht gerechtfertigter Widerspruch auftun. Der Ansatz von der bloßen Indizwirkung unterstellt, dass gleichwohl im Falle der Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung ohne weiteres ein gesellschaftliches Grundinteresse des Mitgliedstaats weiterhin tatsächlich und hinreichend schwerwiegend gefährdet und eine Beschränkung der Freizügigkeit bzw. ein Entzug des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts gerechtfertigt sein kann. Andererseits bringt jedoch die Gesellschaft des Mitgliedstaats gerade durch diese Aussetzung ihre Wertung zum Ausdruck, dass sie um des Täters und seiner Resozialisierung willen - durchaus nicht risikofrei - bereit ist, diesem ein Leben in Freiheit, wenn auch zunächst mit gewissen Auflagen, zu ermöglichen. Es kann dann schwerlich einem Grundinteresse der gesamten Gesellschaft des Mitgliedstaats entsprechen, den Betroffenen gleichwohl vom eigenen Territorium zu entfernen und ihm die Chance einer Resozialisierung in dem Land, in dem er zuletzt gelebt hat, zu nehmen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er in diesem Land längere Zeit gelebt und dort wesentliche Teile seiner Sozialisierung erfahren hat. Seine Ausweisung in ein Land, in dem er schon längere Zeit nicht mehr oder sogar niemals gelebt hat, muss regelmäßig als kontraproduktiv und einer Resozialisierung hinderlich begriffen werden. Nimmt man noch hinzu, dass nach den oben dargelegten besonderen unionsrechtlichen bzw. assoziationsrechtlichen Maßstäben erhebliche Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Begehung neuer Straftaten gestellt werden müssen, so dürfen derartige Aussetzungen auch deshalb nicht gering gewichtet und bewertet werden, weil sie von einer mit der Beurteilung von der Täterpersönlichkeiten und deren Lebensumfeld vertrauten Fachgerichtsbarkeit ausgesprochen und veranlasst werden. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn zur Vorbereitung der Aussetzungsentscheidung fachkundige Stellungnahmen oder fachwissenschaftliche Gutachten eingeholt wurden. Da andererseits den Aussetzungsentscheidungen keine ausdrücklich gesetzlich angeordnete Bindungs- oder Tatbestandswirkung zukommt, kann das Verwaltungsgericht eine solche Entscheidung ausnahmsweise unbeachtet lassen, wenn sie sich als offenkundig fehlerhaft erweist oder aber infolge aktueller Entwicklungen überholt ist und damit keine zuverlässige Prognosegrundlage mehr abgeben kann. Im Regelfall jedoch ist eine solche Aussetzungsentscheidung in der Weise zu berücksichtigen, dass die Ausweisung keinem Grundinteresse der Gesellschaft des Mitgliedstaates (mehr) entspricht.
56 
2. Ausgehend hiervon ist von Folgendem auszugehen: Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Tübingen hat mit Beschluss vom 11.01.2011 (... StVK ... + .../...) die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt mit der Auflage, dass der Kläger sich innerhalb des ersten Jahres einer Drogentherapie zu unterziehen hat. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Der Beschluss beruht auf einem kriminologisch-kriminalprognostischen Gutachten der Universität Tübingen (Dr. R.) vom 01.12.2011, das nach zwei umfangreichen Explorationen erstellt wurde. Dieses Gutachten, das sich auch umfassend mit der Aktenlage beschäftigt, erweist sich in seiner differenzierten und durchaus kritische Aspekte nicht unterdrückenden Sicht als überzeugend. Nimmt man hinzu, dass zur Vorbereitung der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer noch eine umfassende Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Rottenburg eingeholt worden war, die die wesentlichen Entwicklungsschritte, die der Kläger insbesondere im Jahre 2010 gemacht hat, deutlich macht und eine vorzeitige Freilassung befürwortet, so vermag der Senat keine Gesichtspunkte zu erkennen, die geeignet wären, die Entscheidung des Landgerichts Tübingen infrage zu stellen. Die Entscheidung des Landgerichts ist auch nicht deshalb überholt, weil der Kläger drei Termine bei der Drogenberatung nicht wahrgenommen hat. Die vom Kläger hierfür gegebene Erklärung, wonach er wegen der anstrengenden Nachtarbeit die Termine verschlafen oder vergessen habe, vermag zwar nicht völlig zu überzeugen. Eine einzelne Säumnis mag bei der für den Kläger sicherlich völlig neuen Belastungssituation in einem geregelten Arbeitsverhältnis der konkreten Art ohne weiteres verständlich sein. Eine dreimalige Säumnis innerhalb eines Zeitraums von einem knappen dreiviertel Jahr ist allerdings weniger nachvollziehbar, zumal dem Kläger klar sein musste, dass seine Bewährung auf dem Spiel stehen kann. Auch wenn dieser Regelverstoß daher nicht bagatellisiert werden darf, so kann andererseits nicht übersehen werden, dass der Bewährungshelfer in seiner Stellungnahme die aktuelle Bereitschaft des Klägers, mit ihm zusammenzuarbeiten, sehr positiv hervorgehoben und weiterhin nach über einem Jahr in Freiheit eine sehr positive Prognose abgegeben hat, wobei sicherlich auch eine Rolle gespielt hat, dass aufgrund der durchgeführten Urinkontrollen von einem Drogenkonsum nicht ausgegangen werden kann. Hinzu kommt, dass die Säumnis des Klägers der Strafvollstreckungskammer keine Veranlassung gegeben hat, die Bewährungszeit zu verlängern oder die Bewährung gar zu widerrufen. Hiervon abgesehen hat der Kläger zur Überzeugung des Senats nach seiner Haftentlassung eine positive Entwicklung durchlaufen. Ihm ist es bereits kurze Zeit nach der Entlassung gelungen, eine Beschäftigung zu finden; mittlerweile steht er in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis, mit dem er seinen Lebensunterhalt sichern kann; auch seine Wohnsituation ist geklärt. Dieses zusammengefasst ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass jedenfalls zum heutigen Zeitpunkt nach den oben dargelegten Maßstäben kein Grundinteresse der Gesellschaft mehr betroffen ist und die Ausweisung nicht mehr von Art. 14 ARB 1/80 getragen wird. Wenn es ihm gelingen sollte, seinen Sohn und seine Ehefrau nach Deutschland zu holen, so wird dies seine Situation aller Voraussicht nach weiter stabilisieren.
57 
Hat die Ausweisung keinen Bestand mehr, so war auch die unselbstständige Abschiebungsandrohung aufzuheben.
58 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
59 
Die Revision wird zugelassen, weil die aufgeworfenen Fragen zur Anwendung und Auslegung des Assoziationsrechts von grundsätzlicher Bedeutung sind (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
60 
Beschluss vom 7. März 2012
61 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
62 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. März 2011 – 6 K 2480/10 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der am ...1986 in Leonberg geborene Kläger ist lediger und kinderloser türkischer Staatsangehöriger. Nach der Geburt lebte er zunächst einige Jahre bei seinen Eltern in Deutschland und wuchs dann bis zu seinem 9. Lebensjahr gemeinsam mit seinem älteren Bruder bei seiner Großmutter in der Türkei auf. In der Türkei besuchte er die 1. und 2. Klasse der Grundschule. Sein Vater, der ebenfalls türkischer Staatsangehöriger ist, hielt sich auch in dieser Zeit in Deutschland rechtmäßig als Arbeitnehmer auf. 1995 kehrte der Kläger dann zu seinen Eltern nach Sindelfingen zurück. Der Kläger besuchte in Deutschland zunächst eine Vorbereitungsklasse, dann die Grundschule und wechselte nach der 4. Klasse Grundschule auf das Gymnasium. Von dort musste er nach der 6. Klasse aufgrund unzureichender Leistungen auf die Realschule wechseln. Nachdem er dort die 6. Klasse wiederholt hatte, verließ er schließlich wegen Verhaltensauffälligkeiten und Fehlzeiten die Realschule ohne Abschluss. Im Jahre 2001 und nach dem Besuch verschiedener Schulen erreichte er den Hauptschulabschluss mit dem Notendurchschnitt von 2,3. Eine danach begonnene Lehre als Kfz-Mechaniker endete vorzeitig, weil ihm betriebsbedingt gekündigt worden war. Eine abgeschlossene Berufsausbildung kann der Kläger nicht vorweisen, da er einen Ausbildungsplatz als Industriemechaniker wegen eigenen Fehlverhaltens wieder verlor. Danach hielt er sich bis 2003 immer wieder vorübergehend in der Türkei auf. Nach seiner Rückkehr trennten sich seine Eltern; er lebte in der Folgezeit bei seiner Mutter. Er ging nach seiner Rückkehr auch nur gelegentlichen unselbständigen Erwerbstätigkeiten nach, die immer wieder von Zeiten der Arbeitslosigkeit bzw. durch Inhaftierungen unterbrochen waren. Zuletzt arbeitete er von Juni 2008 bis März 2009 bei einer Zeitarbeitsfirma, jedoch wurde das Arbeitsverhältnis wegen Arbeitsverweigerung fristlos gekündigt.
Ihm wurde am 21.05.1997 eine bis 22.02.2002 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die anschließend mehrfach verlängert wurde, zuletzt gültig bis zum 28.05.2009. Einen Verlängerungsantrag stellte er nicht.
Bereits im Alter von 12 Jahren begann der Kläger mit regelmäßigem Alkoholkonsum, wenig später mit dem zusätzlichen Konsum von Haschisch und Ecstacy sowie Kokain und Heroin. In der Zeit von Oktober 2006 bis Sommer 2007 nahm er - im Zuge einer Bewährungsauflage - an Gesprächen der Drogenberatung Sindelfingen teil, räumte dort seinen Drogenkonsum aber nur teilweise ein. Nach dem Ergebnis eines vom Landgericht Stuttgart in Auftrag gegebenen forensisch-psychiatrischen Gutachtens vom 11.11.2009 ist beim Kläger zwar von einem anhaltenden, schädlichen politoxikomanen Alkohol-und Drogenmissbrauch mit im zeitlichen Verlauf wechselndem Ausmaß auszugehen, nicht hingegen von einer Suchterkrankung im engeren Sinne mit körperlicher und/oder psychischer Abhängigkeit. Im Übrigen diagnostizierte der Gutachter beim Kläger eine dissoziale Persönlichkeitsstörung.
Der Kläger ist strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:
Am 29.09.2000 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen zu zwei Freizeitarresten und zur Erbringung von Arbeitsleistungen.
Am 17.01.2002 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen wegen gefährlicher Körperverletzung zu acht Monaten Jugendstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Am 12.03.2002 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der Verurteilung vom 17.01.2002 wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu einem Jahr Jugendstrafe, die erneut zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Am 31.08.2004 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der beiden vorgenannten Verurteilungen wegen Diebstahls und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einem Jahr und vier Monaten Jugendstrafe, deren Vollstreckung im Berufungsverfahren (vgl. Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18.11.2004) zur Bewährung ausgesetzt wurde. In diesem Zusammenhang war er bereits vorübergehend vom 10.10.2003 bis 21.11.2003 sowie vom 25.05.2004 bis 18.11.2004 in Untersuchungshaft genommen worden.
Am 25.10.2005 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der drei vorgenannten Verurteilungen wegen schweren Raubes zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten.
10 
Am 22.11.2005 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der vier vorgenannten Verurteilungen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Jugendstrafe von 2 Jahre und sechs Monaten. Der Rest der Strafe wurde bis zum 03.09.2009 zur Bewährung ausgesetzt.
11 
Von einer Ausweisung sahen die Ausländerbehörden zunächst ab, sprachen aber am 15.05.2002 (durch die Ausländerbehörde der Stadt Sindelfingen) sowie am 15.08.2006 (durch das Regierungspräsidium) eine ausländerrechtliche Verwarnung aus.
12 
Am 20.04.2009 wurde der Kläger aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Stuttgart festgenommen und verbüßte während der U-Haft auch Ersatzfreiheitsstrafen aus vorangegangenen Verurteilungen.
13 
Mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009, rechtskräftig seit dem 16.04.2010, wurde er wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Dem lag zugrunde, dass er in den Morgenstunden des 20.04.2009 zusammen mit einem Mittäter maskiert und mit einem Messer bewaffnet eine Spielothek betreten und den dort Angestellten mit einem auf ihn gerichteten Messer bedroht und zur Freigabe des Weges zur Kassenschublade veranlasst hatte. Dabei erbeuteten sie Bargeld in Höhe von mindestens 4.000,- EUR das sie allerdings auf der anschließenden Flucht größtenteils wieder verloren.
14 
Nach vorheriger Anhörung wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger mit Verfügung vom 25.06.2010 aus dem Bundesgebiet aus, drohte ihm ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise die Abschiebung in die Türkei auf seine Kosten an und wies ihn darauf hin, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf und der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Gleichzeitig wurde er darauf hingewiesen, dass seine Abschiebung für den Zeitpunkt der Haftentlassung angekündigt werde. Die Ausweisungsverfügung wurde als Ermessensausweisung auf § 55 Abs. 1 AufenthG gestützt. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass besonderer Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 bestehe, weil der Kläger eine Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 besitze. Seine Ausweisung setze daher außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstelle, eine tatsächliche, hinreichend schwere und gegenwärtige Gefährdung durch ein persönliches Verhalten voraus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Zudem setze die Ausweisung nach dem Urteil des EuGH vom 29.04.2004 einen Extremfall voraus, also die konkrete und hohe Wiederholungsgefahr weiterer schwerwiegender Straftaten. Mit ausführlicher Begründung bejahte das Regierungspräsidium eine solche Wiederholungsgefahr im Bereich der Gewaltkriminalität. Sie komme in der schweren und besonders häufigen Straffälligkeit, der hohen Rückfallgeschwindigkeit, der Ergebnislosigkeit der Hafterfahrung und der ausländerrechtlichen Verwarnungen zum Ausdruck und werde durch die fortbestehende Alkohol- und Drogenabhängigkeit verstärkt. Auch ein unterstellter beanstandungsfreier Haftvollzug lasse keinen Rückschluss auf eine fehlende Wiederholungsgefahr zu, zumal bereits eine vorherige Haftverbüßung keinerlei nachhaltige Wirkung auf sein Verhalten gehabt habe. Wegen der Schwere der von ihm begangenen Straftaten und der hohen konkreten Wiederholungsgefahr weiterer schwerer Straftaten stehe Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 einer Ausweisung nicht entgegen. Zu seinen Gunsten greife kein Ausweisungsschutz nach Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2004/38/EG ein, denn ein solcher gelte nur für Unionsbürger. Nationaler Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG greife nicht, weil der Kläger nicht im Besitz der dafür erforderlichen Aufenthaltserlaubnis sei. Unter Würdigung und Abwägung der für und gegen eine Ausweisung sprechenden Gründe und auch im Hinblick auf den Schutz nach Art. 8 EMRK und Art. 6 GG kam das Regierungspräsidium Stuttgart zu dem Ergebnis, dass eine Ausweisung wegen der durch den Kläger wiederholt begangenen schwerwiegenden Verstöße und der Wiederholungsgefahr verhältnismäßig sei.
15 
Der Kläger erhob am 06.07.2010 zum Verwaltungsgericht Stuttgart Klage und machte geltend: Er lebe seit 1 1/2 Jahrzehnten im Bundesgebiet. Sein Aufenthaltsrecht stütze sich auf Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Seine Ausweisung verstoße gegen Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 i.V.m. Art. 28 Abs. 3 lit. a) RL 2004/38/EG. Der Umstand, dass der Kläger gutachterlich als dissoziale Persönlichkeit eingeordnet worden sei, rechtfertige seine Ausweisung nicht. Die Anpassungsschwierigkeiten in der Türkei wären für ihn unlösbar. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Ausweisung wäre eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne der Sicherheit des Staates. Eine solche Gefahr stelle der Kläger nicht dar. In der Sache verdeutliche auch EuGH, Urt. v. 23.11.2010 - Rs C-145/09 , dass nach dem Maßstab des Art. 28 Abs. 3 lit. a) 2004/38/EG eine Ausweisung des Klägers ausscheide. Seine Straftat gefährde die Sicherheit des Staates nicht.
16 
Der Beklagte trat unter Berufung auf die Ausführungen in der angegriffenen Verfügung der Klage entgegen.
17 
Mit Urteil vom 28.03.2011 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und führte aus: Das Regierungspräsidium habe die Ausweisung zutreffend auf § 55 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 7 Satz 1 und 14 ARB 1/80 gestützt und den Kläger ermessensfehlerfrei aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Das Regierungspräsidium sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger eine Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 besitze, denn er sei in Deutschland geboren worden und habe über fünf Jahre bei seinem Vater, der als türkischer Arbeitnehmer dem regulären deutschen Arbeitsmarkt angehört habe, gelebt. Das Aufenthaltsrecht gelte unabhängig davon, ob der Familienangehörige selbst eine Beschäftigung ausübe oder nicht. Aufgrund dieser Rechtsstellung bestehe für den Kläger der besondere Ausweisungsschutz nach Art. 14 ARB 1/80, und er könne, selbst wenn er nach nationalem Recht einen Ist-Ausweisungstatbestand (§ 53 AufenthG) verwirklicht habe, nur auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung nach § 55 AufenthG ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen ausgewiesen werden. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägervertreters finde Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Unionsbürgerrichtlinie auf den Status des Klägers weder Anwendung noch sonst Berücksichtigung. Das Regierungspräsidium Stuttgart sei weiter mit Recht davon ausgegangen, dass Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 der Ausweisung des Klägers nicht entgegenstehe. Eine Ausweisung des Klägers komme lediglich aus spezialpräventiven Gründen in Betracht, wenn eine tatsächliche und schwerwiegende Gefährdung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit i.S.v. Art. 14 ARB 1/80 vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Das sei der Fall, wenn ein Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht bestehe, der sich bei Straftaten aus ihrer Art, Schwere und Häufigkeit ergebe, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft drohe und damit eine gewichtige Gefahr für ein wichtiges Schutzgut gegeben sei. Das Regierungspräsidium Stuttgart habe diese Voraussetzungen zutreffend bejaht. Es bestehe nach der Verurteilung vom 04.12.2009 eine erhebliche Gefahr, dass der Kläger wieder ähnlich gelagerte schwerwiegende Straftaten begehen werde. Im angefochtenen Bescheid habe das Regierungspräsidium eine umfassende Gesamtwürdigung vorgenommen und beim Kläger eine konkrete Wiederholungsgefahr ähnlich gelagerter Straftaten der Beschaffungs- und Gewaltkriminalität festgestellt. Dabei habe es sich auf die Vielzahl der seit 2000 begangenen Delikte, auf die hohe Rückfallgeschwindigkeit, auf seine Unbelehrbarkeit auch nach entsprechenden Verwarnungen und Inhaftierungen gestützt. Selbst die Tatsache, dass einer seiner Brüder im Jahre 2004 bereits wegen schwerer Straftaten aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und abgeschoben worden und ihm damit die ausländerrechtlichen Folgen von delinquentem Verhalten ganz konkret vor Augen geführt worden seien, habe ihn nicht von der Begehung von Straftaten abhalten können. Die angesichts des strafrechtlichen Werdegangs große Gefahr weiterer Gewaltkriminalität werde auch durch die vom Gutachter festgestellte dissoziale Persönlichkeitsstruktur verstärkt. Da der Kläger keine Aufenthaltserlaubnis besitze, genieße er nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG keinen besonderen Ausweisungsschutz. Das Regierungspräsidium habe das Ermessen nach § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG fehlerfrei ausgeübt. Danach seien bei der Entscheidung über die Ausweisung die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet zu berücksichtigen. In seiner Entscheidung habe das Regierungspräsidium zutreffend berücksichtigt, dass der Kläger im Bundesgebiet geboren sei und sich seit rund 1 1/2 Jahrzehnten, bis auf kurze Unterbrechung, ununterbrochen rechtmäßig hier aufgehalten habe. Das Regierungspräsidium habe ferner die Entwicklung der Lebensverhältnisse des Klägers während seines lang andauernden Aufenthalts berücksichtigt, insbesondere die Tatsache, dass er zwar den Hauptschulabschluss erreicht, aber keine Berufsausbildung abgeschlossen habe und nur gelegentlich unselbständigen Erwerbstätigkeiten nachgegangen, überwiegend aber beschäftigungslos gewesen sei. Er habe sich im Bundesgebiet keine sichere wirtschaftliche Lebensgrundlage aufgebaut. Seine fehlende Integration komme auch in beharrlichen Verstößen gegen die deutsche (Straf-) Rechtsordnung zum Ausdruck. Das Regierungspräsidium habe zutreffend die wirtschaftliche Bindung des Klägers im Bundesgebiet durch sein freies Zugangsrecht zum deutschen Arbeitsmarkt berücksichtigt. Es habe ferner das Ermessen auch im Hinblick auf die persönlichen Bindungen des Klägers, nämlich seine Beziehung zu seiner noch lebenden Mutter und seinem Onkel, pflichtgemäß ausgeübt. Die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten und mit dem Kläger in einer familiären Lebensgemeinschaft lebten, seien gemäß § 55 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG hinreichend berücksichtigt worden. Zutreffend sei erkannt worden, dass die Ausweisung mit der Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG den Kläger künftig daran hindere, die Familieneinheit in der Bundesrepublik Deutschland zu leben und dass damit ein Eingriff in Art. 6 GG vorliege. Allerdings verbiete Art. 6 GG auch einen für die Beteiligten schwerwiegenden Eingriff nicht schlechthin. Im vorliegenden Fall beruhe die Ausweisung auf einem wiederholten, schweren kriminellen Fehlverhalten des Klägers. Der staatliche Schutz der Gesellschaft vor etwaigen weiteren Beeinträchtigungen habe ebenfalls Verfassungsrang und müsse in diesem Fall wegen der konkreten Wiederholungsgefahr Vorrang genießen. Der Kläger habe die zu einem Eingriff in Art. 6 GG führenden Gründe selbst geschaffen. Die Bindung zu seinen Familienangehörigen habe ihn in der Vergangenheit nicht davon abhalten können, eine Vielzahl von Straftaten zu begehen. Die Bindung eines volljährigen erwachsenen Menschen zu seinen Verwandten sei ferner durch eine fortschreitende „Abnabelung" geprägt. Dem Kläger könne daher eine eigenverantwortliche Lebensführung zugemutet werden. Auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei gewahrt. Angesichts der Schwere der vom Kläger zuletzt begangenen Straftaten sei der Allgemeinheit das Risiko einer erneuten einschlägigen Straffälligkeit des Klägers unter dem Gesichtspunkt des vorrangigen Schutzes der Bevölkerung vor Gewaltdelikten nicht zuzumuten. Die Ausweisung sei zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks erforderlich und angemessen. Ein milderes Mittel zur Abwendung der Gefahr weiterer Beeinträchtigungen durch schwerwiegende Straftaten sei nicht ersichtlich. Die Rückkehr in seine Heimat sei dem Kläger auch zuzumuten. Zwar sei er in Deutschland geboren und aufgewachsen; trotzdem sei davon auszugehen, dass er als Sohn türkischer Staatsangehöriger die türkische Sprache mindestens in den Grundzügen beherrsche. Dafür sprächen auch sein mehrmonatiger Schulaufenthalt in der Türkei und seine kurzzeitigen Aufenthalte dort. Auch einer seiner Brüder, der bereits 2004 dorthin abgeschoben worden sei, lebe in seinem Heimatland. Die Ausweisung sei auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie vom Regierungspräsidium nicht bereits bei Erlass befristet worden sei. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sei die Frage der Befristung eines Aufenthaltsverbotes nur eines von mehreren Kriterien im Rahmen der einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung einer Ausweisung am Maßstab des Art. 8 Abs. 2 EMRK. Auch das Bundesverwaltungsgericht stelle insofern auf die Umstände des Einzelfalls ab. Angesichts des hier mit der Ausweisung verfolgten gewichtigen öffentlichen Interesses und der demgegenüber geringer wiegenden Belange des Klägers sei es nicht ermessensfehlerhaft, ihn zunächst unbefristet auszuweisen, die Frage der Befristung aber von seiner künftigen persönlichen Entwicklung abhängig zu machen und in einem gesonderten Verfahren zu prüfen. Die Ausweisung verstoße ferner nicht gegen völker- und europarechtlichen Vorschriften. Einer Ausweisung des Klägers stehe nicht das Europäische Niederlassungsabkommen (ENA) vom 13.12.1955 entgegen, denn der hier überwundene Ausweisungsschutz des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 sei weitergehend als derjenige aus Art. 3 Abs. 3 ENA. Die Ausweisung verstoße auch nicht gegen das durch Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Zwar stelle die Ausweisung einen Eingriff in Art. 8 Abs. 1 EMRK dar. Dieser sei jedoch nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt, denn die Ausweisung sei, wie dargelegt, in § 55 AufenthG gesetzlich vorgesehen, und sie stelle eine Maßnahme dar, die in einer demokratischen Grundordnung unter anderem für die öffentliche Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen notwendig sei. Die gegen die Abschiebungsandrohung gerichtete Klage habe ebenfalls keinen Erfolg.
18 
Am 01.04.2011 hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Er berief sich zunächst auf den besonderen Ausweisungsschutz des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie und darauf, dass nach den vom Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache Tsakouridis aufgestellten Grundsätzen im Falle der Ausweisung die Resozialisierung des Klägers gefährdet wäre. Nach Ergehen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 08.12.2011 in der Sache Ziebell macht der Kläger nunmehr geltend, die angegriffene Verfügung sei schon wegen der Verletzung des sog. Vier-Augen-Prinzips des Art. 9 RL 64/221/EWG aufzuheben, das mit Rücksicht auf die Standstill-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 weiter anzuwenden sei.
19 
Der Kläger beantragt,
20 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28.03.2011 - 6 K 2480/10 - zu ändern und die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.06.2010 aufzuheben.
21 
Der Beklagte beantragt,
22 
die Berufung zurückzuweisen.
23 
Er macht sich die Ausführungen im angegriffenen Urteil zu eigen und stellt insbesondere ein subjektives Recht des Klägers auf Resozialisierung infrage. Ein derartiger Rechtsanspruch würde dazu führen, dass nahezu jede Ausweisung eines straffälligen Ausländers ausgeschlossen sei. Im Übrigen seien die Überlegungen des EuGH in der Rechtssache Tsakouridis ungeachtet der nicht möglichen Anwendung der Unionsbürgerrichtlinie nicht übertragbar, weil türkische Staatsangehörige, die eine Rechtsposition nach dem ARB 1/80 inne hätten, keine Freizügigkeit innerhalb der Union genössen. Das sog. Vier-Augen-Prinzip gelte entgegen der Auffassung des Klägers nicht mehr weiter. Denn zum einen wäre die Fortgeltung mit Art. 59 ZP unvereinbar. Ungeachtet dessen sei dieses auch nicht durch die Standstill-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 aufrechterhalten, weil diese sich nur an die Mitgliedstaaten wende.
24 
Der Senat hat eine Stellungnahme der JVA Heilbronn über die Entwicklungen des Klägers im Vollzug eingeholt. Insoweit wird auf das Schreiben der JVA Heilbronn vom 23.01.2012 verwiesen.
25 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
26 
Dem Senat lagen die Ausländerakten, die Akten des Regierungspräsidiums sowie die Gefangenenpersonalakten vor.

Entscheidungsgründe

 
27 
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.06.2010 zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
I.
28 
Die mit Bescheid vom 25.06.2010 verfügte Ausweisung leidet nicht deshalb an einem unheilbaren Verfahrensfehler, weil das nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 (ABl. 56 vom 04.04.1964, S. 850) vorgesehene „Vier-Augen-Prinzip“ nicht beachtet wurde. Wie sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 08.12.2011 in der Rechtssache C-371/08 - hinreichend ersehen lässt, entfaltet diese zum 30.04.2006 aufgehobene Bestimmung keine Wirkungen mehr für den verfahrensrechtlichen Ausweisungsschutz assoziationsrechtlich privilegierter türkischer Staatsangehöriger (1.). Auch aus geltenden unionsrechtlichen Verfahrensgarantien folgt nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen (2.). Die Stillhalteklauseln gebieten keine andere Betrachtung (3.). Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens (4.).
29 
1. Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG war bei einer ausländerrechtlichen Entscheidung über die Ausweisung ein weiteres Verwaltungsverfahren durchzuführen, sofern nicht ausnahmsweise ein dringender Fall vorlag und sofern nicht im gerichtlichen Verfahren eine Zweckmäßigkeitsprüfung vorgesehen war. Diese für Angehörige der Mitgliedstaaten (vgl. zum personellen Anwendungsbereich Art. 1 dieser Richtlinie) geltende Regelung erstreckte der Europäische Gerichtshof auf die Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger (Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 65 ff.). Fehlte es an der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, so war die Ausweisung unheilbar rechtswidrig (BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - Rn. 12 ff., BVerwGE 124, 217, vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 - Rn. 14 ff., BVerwGE 124, 243 und vom 09.08.2007 - 1 C 47.06 - Rn. 23 ff., BVerwGE 129, 162).
30 
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die im Rahmen der Art. 48, 49 und 50 EGV (später Art. 39, 40, 41 EG und nunmehr Art. 45 ff. AEUV) geltenden Grundsätze soweit wie möglich auf türkische Arbeitnehmer zu übertragen sind, die die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen. Dies beruht auf den Erwägungen, dass in Art. 12 des Assoziierungsabkommens die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Artikeln 48, 49 und 50 des „Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft“ leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen, dass Art. 36 ZP die Fristen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (nunmehr und im Folgenden: Union) und der Türkei festlegt, dass der Assoziationsrat die hierfür erforderlichen Regeln vorsieht und dass der Beschluss 1/80 bezweckt, im sozialen Bereich die Regelungen zugunsten der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen zu verbessern (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 04.10.2007- Rs. C-349/06 Rn. 29, vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 61 ff., vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 42 ff. und vom 10.02.2000 - Rs. C-340/97 Rn. 42 f.). In der Rechtssache „Dörr und Ünal“ (Rn. 65 ff.) heißt es, es sei nach diesen Erwägungen geboten, die in Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG niedergelegten Grundsätze als auf türkische Arbeitnehmer, die die im Beschluss Nr. 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragbar anzusehen, und weiter:
31 
„….Um effektiv zu sein, müssen die individuellen Rechte von den türkischen Arbeitnehmern vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden können. Damit die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes gewährleistet ist, ist es unabdingbar, diesen Arbeitnehmern die Verfahrensgarantien zuzuerkennen, die den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht gewährleistet werden, und es muss ihnen somit ermöglicht werden, sich auf die in den Artikeln 8 und 9 der Richtlinie 64/221 vorgesehenen Garantien zu berufen. Diese Garantien sind nämlich, wie der Generalanwalt …ausführt, untrennbar mit den Rechten verbunden, auf die sie sich beziehen.“
32 
In der Entscheidung „Ziebell“ knüpft der Gerichtshof an die Ausführungen im Urteil „Dörr und Ünal“ an und legt dar (Rn. 58), dass
33 
„…die Grundsätze, die im Rahmen der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer betreffenden Bestimmungen des EG-Vertrags gelten, so weit wie möglich auf türkische Staatsangehörige übertragen werden, die Rechte aufgrund der Assoziation EWG-Türkei besitzen. Wie der Gerichtshof entschieden hat, muss eine solche Analogie nicht nur für die genannten Artikel des Vertrags gelten, sondern auch für die auf der Grundlage dieser Artikel erlassenen sekundärrechtlichen Vorschriften, mit denen die Artikel durchgeführt und konkretisiert werden sollen (vgl. zur Richtlinie 64/221 u.a. Urteil Dörr und Ünal)“.
34 
Durch den Terminus „Analogie“, der etwa auch in der französischen und englischen Fassung des Urteils verwendet wird, ist klargestellt, dass die Inhalte des - für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten - maßgeblichen Sekundärrechts nicht deshalb auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige angewandt werden, weil diese allgemeine Rechtsgrundsätze sind, die ggfs. auch losgelöst von der Wirksamkeit der jeweiligen Regelung noch Geltung beanspruchen können, sondern dass es sich um eine entsprechende Übertragung geltenden Rechts handelt. Eine Vorschrift kann jedoch nur solange analog angewandt werden, wie sie selbst Gültigkeit beansprucht. Mit der Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG mit Wirkung vom 30.04.2006 durch Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG entfällt deshalb - wie der Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ darlegt - die Grundlage für ihre entsprechende Anwendung.
35 
Dass aufgrund dieser Aufhebung nicht mehr „traditionell auf die in der Richtlinie 64/221/EWG festgeschriebenen Grundsätze abgestellt“ werden kann (Rn. 76) und der Richtlinie insgesamt, d.h. in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht, keine Bedeutung mehr zukommt, ist nach den Ausführungen im Urteil „Ziebell“ (insb. Rn. 77 ff.) und dem ihm zugrunde liegenden Sachverhalt hinreichend geklärt. Dem Europäischen Gerichtshof war aufgrund des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 22.07.2008 und der beigefügten Akten bekannt, dass auf die dort streitgegenständliche Ausweisungsverfügung vom 06.03.2007 das „Vier-Augen-Prinzip“ des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG nicht mehr angewandt, vielmehr gegen die Ausweisungsentscheidung direkt Klage erhoben worden ist. Das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.08.2009 (1 C 25.08 - AuAS 2009, 267) führt sogar ausdrücklich aus, dass - sollte der in Kapitel VI der Richtlinie 2004/38/EG für Unionsbürger geregelte Ausweisungsschutz nicht auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige zu übertragen sein - sich die Frage stellt, ob Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG gleichwohl weiterhin anzuwenden ist oder stattdessen die Verfahrensgarantien des Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG Anwendung finden, die das „Vier-Augen-Prinzip“ abgelöst haben (BVerwG, a.a.O., Rn. 26). Hätte der Gerichtshof dem im Verfahren „Ziebell“ nicht eingehaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ - und sei es auch mit Blick auf besondere oder allgemeine unionsrechtliche Verfahrensgarantien, die Standstillklauseln oder das Assoziationsabkommen an sich - noch irgendeine rechtliche Relevanz zu Gunsten des Klägers beigemessen, so hätte es nahegelegen, unabhängig von der konkreten Vorlagefrage hierzu Ausführungen zu machen. Die Tatsache, dass der Gerichtshof die Aufhebung der Richtlinie insgesamt besonders hervorhebt, und der Umstand, dass er den Ausweisungsschutz für türkische Staatsangehörige mit einer Rechtsposition nach dem ARB 1/80 zudem ausdrücklich auf einen anderen unionsrechtlichen Bezugsrahmen im geltenden Recht stützt, belegen, dass die Richtlinie 64/221/EWG nach Auffassung des Gerichtshofs in Gänze nicht mehr zur Konkretisierung des formellen und materiellen Ausweisungsschutzes des Klägers herangezogen werden kann. Hätte der Gerichtshof den Inhalten der Richtlinie 64/221/EWG noch irgendeine Bedeutung beigemessen, so hätte es sich im Übrigen auch aufgedrängt, für das materielle Ausweisungsrecht - etwa in Anknüpfung an die Rechtssachen „Cetinkaya“ (Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 - Rn. 44 ff.) oder „Polat“ (Urteil vom 04.10.2007 -Rs. C-349/06 - Rn. 30 ff.) - den dort erwähnten Art. 3 der Richtlinie 64/221/ EWG ausdrücklich weiterhin fruchtbar zu machen. Diesen Weg hat der Gerichthof in der Rechtssache „Ziebell“ jedoch ebenfalls nicht beschritten. An dieser Sicht vermag – entgegen der Auffassung des Klägers – auch der Umstand nichts zu ändern, dass für die Anwendung des am 21.06.1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits geschlossenen Abkommen über die Freizügigkeit (ABl. 2002 L 114, S. 6) die Richtlinie 64/221/EWG nach wie vor vorübergehend Bedeutung hat (vgl. Art. 5 Abs. 2 des Anhangs I).
36 
2. Es ist nicht entscheidungserheblich, ob sich die Verfahrensgarantien für einen assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, der sich gegen seine Ausweisung wendet, nunmehr ebenfalls aus der Richtlinie 2003/109/EG (Art. 10, Art. 12 Abs. 4), aus Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG oder aus den auch im Unionsrecht allgemeinen anerkannten Grundsätzen eines effektiven Rechtsschutzes ergeben. Denn die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens ist in keinem dieser Fälle geboten.
37 
a) Art 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG sieht vor, dass einem langfristig Aufenthaltsberechtigten in dem betroffenen Mitgliedstaat der Rechtsweg gegen seine Ausweisung offen steht. Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie normiert, dass der langfristig Aufenthaltsberechtigte Rechtsbehelfe u.a. gegen den Entzug seiner Rechtsstellung einlegen kann. Welche Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, bestimmt sich jedoch allein nach dem nationalen Recht. Ein Vorverfahren als einzuräumender Rechtsbehelf ist nach der Richtlinie nicht vorgeschrieben.
38 
b) Auch soweit man für die einem assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen einzuräumenden Verfahrensgarantien Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG heranziehen wollte, folgt hieraus nichts anderes. Die Erwägungen zu den Besonderheiten der Unionsbürgerschaft haben den Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ im Anschluss an die Ausführungen des Generalanwalts bewogen, den Schutz der Unionsbürger vor Ausweisung, wie in Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehen, nicht im Rahmen der Anwendung von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 auf die Garantien gegen die Ausweisung türkischer Staatsangehöriger zu übertragen (vgl. im Einzelnen Rn. 60 ff. und Schlussanträge des Generalanwalts vom 14.04.2011 - Rs. C-371/08 - Rn. 42 ff.). Selbst wenn man der Auffassung wäre, die Spezifika der Unionsbürgerschaft (vgl. zu deren Begriff und Inhalt auch Bergmann , Handlexikon der Europäischen Union, 4. Aufl. 2012, Stichwort „Unionsbürgerschaft“) stünden lediglich der Anwendung des materiellen Ausweisungsrechts der Richtlinie 2004/38/EG auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige entgegen und nicht der Übertragung der im gleichen Kapitel enthaltenen Verfahrensgarantien nach Art. 30 f., leidet die Ausweisungsverfügung nicht an einem Verfahrensfehler. Der Gerichtshof hat sich im Urteil „Ziebell“ nicht dazu geäußert, ob diese Bestimmungen insoweit analogiefähig sind bzw. ihnen jedenfalls allgemein geltende Grundsätze zu entnehmen sind (vgl. auch Art. 15 der Richtlinie 2004/38/EG), die in Anknüpfung allein an die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Notwendigkeit deren verfahrensrechtlichen Schutzes ihre Berechtigung haben, oder ob auch diesen ein spezifisch unionsbürgerbezogener Inhalt zukommt. Für letzteres könnte etwa Art. 31 Abs. 3 S. 2 dieser Richtlinie angeführt werden, wonach das Rechtsbehelfsverfahren gewährleistet, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 nicht unverhältnismäßig ist; auch die Bezugnahme in Art. 31 Abs. 2, letzter Spiegelstrich auf Art. 28 Abs. 3 könnte dafür sprechen. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung, denn die Verfahrensgarantien nach Art. 30 f. der Richtlinie 2004/38/EG schreiben die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bei der Ausweisung von Unionsbürgern nicht vor (diese Frage lediglich ansprechend BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.10.2011 - 2 BvR 1969/09 - juris Rn. 40), so dass der Kläger selbst bei ihrer Anwendbarkeit kein für ihn günstigeres Ergebnis herleiten könnte.
39 
Nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG müssen die Betroffenen gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können. Aus dieser Bestimmung folgt aber nicht die Verpflichtung des Mitgliedstaates, außer dem gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Ausweisungsverfügung (zusätzlich) ein behördliches Rechtsbehelfsverfahren vorzuhalten und in diesem auch die Überprüfung der Zweckmäßigkeit einer Ausweisung zu ermöglichen. Wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt („..und gegebenenfalls bei einer Behörde…“), trägt diese Bestimmung lediglich dem - heterogenen - System des Rechtsschutzes der Mitgliedstaaten Rechnung und lässt deren Berechtigung unberührt, ein Rechtsbehelfsverfahren auch noch bei einer Behörde zu eröffnen. Ein solches ist jedoch in Baden-Württemberg nicht mehr vorgesehen. Erlässt das Regierungspräsidium den Verwaltungsakt - wie dies für die Ausweisung eines in Strafhaft befindlichen Ausländers zutrifft (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AAZuVO) -, so ist hiergegen unabhängig von dem zugrundeliegenden Rechtsgebiet im Anwendungsbereich des seit 22.10.2008 geltenden § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO (GBl. 2008, 343) i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO das Vorverfahren nicht statthaft. Aufgrund vergleichbarer, wenn auch regelungstechnisch teilweise von einem anderen Ansatz ausgehender Landesgesetze entspricht es einer bundesweit anzutreffenden Rechtspraxis, ein Widerspruchsverfahren vor Erhebung einer Klage nicht mehr vorzuschreiben (vgl. z.B. auch Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO, § 16a HessAGVwGO, § 8a NdsAGVwGO). Dass die Unionsbürgerrichtlinie nicht dazu zwingt, ein dem gerichtlichen Rechtsschutz vorgeschaltetes Widerspruchsverfahren zu schaffen, folgt im Übrigen eindeutig aus ihrer Entstehungsgeschichte.
40 
Der Vorschlag der Kommission für die Unionsbürgerrichtlinie (KOM 2001/0257/endgültig, ABl. C 270 E vom 25.09.2001, S. 150) sah ursprünglich vor, dass u.a. bei der Ausweisung der Betreffende bei den Behörden oder den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen kann; ist der behördliche Weg vorgesehen, entscheidet die Behörde außer bei Dringlichkeit erst nach Stellungnahme der zuständigen Stelle des Aufnahmemitgliedstaates, vor dem es dem Betreffenden möglich sein muss, auf seinen Antrag hin seine Verteidigung vorzubringen. Diese Stelle darf nicht die Behörde sein, die befugt ist, die Ausweisungsentscheidung zu treffen (vgl. im Einzelnen den - hier verkürzt wiedergegebenen - Wortlaut des Entwurfs zu Art. 29 Abs. 1 und 2). In der Begründung des Vorschlags zu Art. 29 heißt es ausdrücklich:
41 
„Ein lückenloser Rechtsschutz schließt nicht aus, dass ein Mitgliedstaat vorsieht, dass ein Rechtsbehelf bei einer Behörde eingelegt werden kann. In diesem Fall müssen die in Art. 9 der Richtlinie 63/221/EWG genannten Objektivitätsgarantien gegeben sein, insbesondere die vorherige Stellungnahme einer anderen Behörde, als die, die die Einreiseverweigerung oder die Ausweisung verfügen soll, sowie Garantie in Bezug auf die Rechte der Verteidigung.“
42 
In dem Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 6/2004 vom 05.12.2003 (ABl. C 54 E vom 02.03.2004, S. 12) hat Art. 31 Abs. 1 bereits - mit Zustimmung der Kommission - die Fassung, wie sie in der Unionsbürgerrichtlinie vom 29.04.2004 enthalten ist (a.a.O., S. 26). Schon in dem geänderten Vorschlag der Kommission vom 15.04.2003 (KOM(2003) 199 endgültig) erhielt der Entwurf zu Art. 29 Abs. 1 die Fassung, dass „….der Betroffene bei den Gerichten und gegebenenfalls bei den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen“ kann. Durch diese Abänderung sollte klargestellt werden,
43 
„dass der Rechtsbehelf stets bei einem Gericht eingelegt werden muss und ein Rechtsbehelf bei einer Behörde nur dann ebenfalls zulässig ist, wenn der Aufnahmemitgliedstaats dies vorsieht (zum Beispiel bevor ein Rechtsbehelf bei einem Gericht eingelegt werden kann).“
44 
Diese Begründung der Kommission im geänderten Vorschlag vom 15.04.2003 (a.a.O., S. 10) zu Art. 29 Abs. 1 hat sich der „Gemeinsame Standpunkt“ vom 05.12.2003 zu Eigen gemacht (a.a.O., S 27) und ferner Art. 29 Abs. 2 des Kommissionsentwurfs mit dem dort enthaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ komplett gestrichen. Dieser ist mit Blick auf die von den Mitgliedstaaten stets vorzusehende Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts und der dort zu gewährenden Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung und der Tatsachen und Umstände, auf denen die Entscheidung über die Ausweisung beruht, für überflüssig erachtet worden (vgl. die Begründung des Rates, a.a.O., S. 29, 32).
45 
Das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene „Vier-Augen-Prinzip“, das defizitäre gerichtliche Kontrollmechanismen und eine in den Mitgliedstaaten zum Teil vorherrschende geringe Kontrolldichte der gerichtlichen Entscheidungen kompensieren sollte, wurde somit in Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG durch eine Verbesserung des gerichtlichen Rechtsschutzes ersetzt (vgl. zur bewussten Abkehr von den in Art. 8 f der Richtlinie 64/221/ EWG vorgesehenen Verfahrensregelungen auch Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2004/38/EG). Der in Deutschland dem Kläger zur Verfügung stehende gerichtliche Rechtsschutz erfüllt die Vorgaben des Art. 31 der Richtlinie.
46 
Es bleibt daher der Verfahrensautonomie des Mitgliedstaats überlassen, ob er bei einer Ausweisung eines Unionsbürgers zusätzlich zum gerichtlichen Rechtsschutz noch ein Widerspruchsverfahren vorsieht. Dass die in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG enthaltene Formulierung „..und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen zu können“ bei diesem Verständnis nur noch eine unionsrechtliche Selbstverständlichkeit wiedergibt, erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift.
47 
c) Auch die allgemeine unionsrechtliche Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs fordert nicht die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens. Selbst wenn man entgegen den Ausführungen oben unter 1.) der Auffassung wäre, der Gerichtshof habe sich im Urteil „Ziebell“ hierzu nicht der Sache nach geäußert, ist dies eindeutig.
48 
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshof hat ein türkischer Arbeitnehmer, der die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzt, einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, um diese Rechte wirksam geltend machen zu können (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn.67). Es entspricht einem allgemein anerkannten unionsrechtlichen Grundsatz, der sich aus der gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedstaaten ergibt und der in Art. 6 und 13 EMRK verankert ist, dass bei einem Eingriff in die Rechte des Betroffenen (hier: Eingriff in die Freizügigkeit des Arbeitnehmers) durch eine Behörde des Mitgliedstaats der Betroffene das Recht hat, seine Rechte vor Gericht geltend zu machen; den Mitgliedstaaten obliegt es, eine effektive richterliche Kontrolle der Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des innerstaatlichen Rechts sicherzustellen, das der Verwirklichung der eingeräumten Rechte dient (vgl. schon EuGH, Urteil vom 03.12.1992 - Rs. C-97/91 Rn.14, vom 15.10.1987 - Rs. C-222/86 Rn. 12 ff. und vom 15.05.1986 - Rs. C-222/84 Rn. 17 ff.). Zum Effektivitätsgrundsatz gehört, dass die gerichtliche Kontrolle die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung umfasst (EuGH, Urteil vom 15.10.1987 - Rs. C-222/84 Rn.15). Auch dürfen die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH, Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-279/09 Rn. 28, vom 15.04.2008 - Rs. C-268/06 Rn. 46, vom 13.03.2007 - Rs. C-432/05 Rn. 43 und vom 16.12.1976 - 33/76 Rn.5). Ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, ist unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren vor den verschiedenen nationalen Stellen sowie des Ablaufs und der Besonderheiten dieses Verfahrens zu prüfen (EuGH, Urteil vom 21.12.2002 - Rs. C-473/00 Rn. 37 und vom 14.12.1995 - Rs. C-312/93 Rn.14).
49 
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Grundsätze ist es nicht geboten, ein behördliches Vorverfahren mit einer diesem immanenten Rechtmäßigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorzuschalten, das die Vorgaben des effektiven Rechtschutzes in jeder Hinsicht erfüllt. Auch Art. 19 Abs. 4 GG fordert dies übrigens gerade nicht (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - juris Rn. 105 m.w.N.). Ein Anspruch des Einzelnen auf ein „Maximum“ an Verfahrensrechten und den unveränderten Fortbestand einer einmal eingeräumten verfahrensrechtlichen Möglichkeit besteht nicht - zumal wenn diese wie das „Vier-Augen-Prinzip“ aus einer bestimmten historischen Situation als Kompensation für eine früher weit verbreitete zu geringe gerichtliche Kontrolldichte erfolgte.
50 
d) Aus dem in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und dem „Recht auf gute Verwaltung“ nach Art. 41 GRCh (vgl. zu den dort eingeräumten Rechten Jarass, GRCh-Kommentar, 2010, Art. 41 Rn. 21 ff.) ergibt sich für den Kläger ebenfalls kein Recht auf Durchführung eines Vorverfahrens.
51 
3. Ein Widerspruchsverfahren ist ferner nicht mit Blick auf die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln nach Art. 7 ARB 2/76, Art. 13 ARB 1/80 oder Art. 41 Abs. 1 ZP einzuräumen. Selbst wenn man die Ansicht nicht teilen würde, schon aus dem Urteil „Ziebell“ ergebe sich hinreichend deutlich, der Gerichtshof halte das Fehlen eines Vorverfahrens auch unter dem Aspekt der Stillhalteklauseln nicht für problematisch, lässt sich feststellen, dass dessen Abschaffung keinen Verstoß gegen die Stillhalteklauseln darstellt.
52 
a) Der Kläger kann sich als im Bundesgebiet geborener Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers auf Art. 13 ARB 1/80 berufen. Nach dieser am 01.12.1980 in Kraft getretenen Regelung dürfen die Mitgliedstaaten für türkische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß ist, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Diese Stillhalteklausel, die unmittelbar wirkt (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62, vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 58 f. und vom 20.09.1990 - Rs. C-192/89 Rn. 26), verbietet allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 in dem entsprechenden Mitgliedstaat galten (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62), wobei den Mitgliedstaaten auch untersagt ist, nach dem Stichtag eingeführte günstigere Regelungen wieder zurückzunehmen, selbst wenn der nunmehr geltende Zustand nicht strenger ist als der am Stichtag geltende (siehe zu dieser „zeitlichen Meistbegünstigungsklausel“ EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 49 ff ). Die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 verfolgt das Ziel, günstigere Bedingungen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu schaffen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 und vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 72 ff.). Normadressat ist ausschließlich der einzelne Mitgliedstaat mit Blick auf dessen nationales Recht, nicht die Europäische Union als Vertragspartner des Assoziationsabkommens EWG/Türkei. Deren Befugnisse werden durch diese Stillhalteklausel nicht beschränkt. Vom Wortlaut her schützt das Unterlassungsgebot der Standstillklausel zwar ausschließlich den unveränderten Zugang zum Arbeitsmarkt, es entfaltet gleichwohl mittelbare aufenthaltsrechtliche Wirkungen, soweit ausländerrechtliche Maßnahmen zur Beeinträchtigung des Arbeitsmarktzugangs führen, die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels erschwert wird (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62 ff. und vom 29.04.2010 - Rs. C-92/09 Rn. 44 ff.) oder der Aufenthalt eines türkischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet beendet werden soll (vgl. auch Renner, 9. Aufl., 2011, § 4 Rn. 197). Bei der Bestimmung, wann eine Maßnahme eine „neue Beschränkung“ darstellt, orientiert sich der Gerichtshof gleichermaßen an den mit Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 ZP verfolgten Zielen und erstreckt die Tragweite der Stillhalteverpflichtung auf sämtliche neuen Hindernisse für die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen darstellen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 ff.), wobei eine solche materieller und/oder verfahrensrechtlicher Art sein kann (EuGH, Urteil vom 21.07.2011 - Rs. C-186/10 Rn. 22, vom 29.04.2010 - Rs. C-92/07 Rn. 49, vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 64 und vom 20.09.2007 - Rs. C-16/05 Rn. 69). Nach diesen Grundsätzen stellt die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens keine „neue Beschränkung“ dar.
53 
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von Art. 13 ARB 1/80 war nach dem damals geltenden § 68 VwGO und dem baden-württembergischen Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 22.03.1960 (GBl. 1960, 94) in der Fassung des Gesetzes vom 12.12.1979 (GBl. 1979, 549) auch bei der Ausweisung eines türkischen Staatsangehöriger ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Die in der vorliegenden Fallkonstellation nunmehr vorgesehene Zuständigkeit einer Mittelbehörde für den Erlass der Ausweisungsverfügung (§ 6 Nr. 1 AAZuVO) und das gesetzlich deswegen angeordnete Entfallen des Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO BW vom 14.10.2008; vgl. auch die Vorgängervorschrift § 6a AGVwGO BW vom 01.07.1999) ist keine Änderung, die geeignet wäre, die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu erschweren oder die einem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten materiellen Rechte zu beeinträchtigen. Unabhängig davon, ob das Widerspruchsverfahrens nur als Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens angesehen wird (vgl. hierzu Bader, u.a. VwGO, 5. Aufl. 2011, Vor §§ 68 ff. Rn. 49), oder ob es auch als Teil des Prozessrechts begriffen wird (i.S.e. Doppelcharakters Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, Vorb § 68 Rn. 14), ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dessen Wegfall zu einer merklichen Verschlechterung der Rechtsposition türkischer Staatsangehöriger führt. Eine rechtliche Beeinträchtigung des Betroffenen durch die Abschaffung des Vorverfahrens wird im Übrigen auch nicht in anderen rechtlichen Konstellationen außerhalb des Aufenthaltsrechts angenommen.
54 
Grund für den letztlich allein rechtspolitisch gewählten Weg eines weitgehenden Ausschluss des Vorverfahrens in Baden-Württemberg war die Erkenntnis gewesen, dass entsprechend einer evaluierten Verwaltungspraxis jedenfalls in den Fällen, in denen das Regierungspräsidium die Ausgangsentscheidung getroffen hat, die Sach- und Rechtslage vor der ersten Verwaltungsentscheidung so umfassend geprüft wird, dass sich während des Vorverfahrens regelmäßig keine neuen Aspekte ergeben. Der Wegfall des Widerspruchsverfahrens in den Fällen der Ausgangszuständigkeit der Mittelbehörden dient nicht nur deren Entlastung, sondern vor allem auch der Verfahrensbeschleunigung (vgl. näher die Begründung zum entsprechenden Gesetzentwurf der Landesregierung, LT Drs. 12/3862 vom 16.03.1999 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses vom 22.04.1999, LT Drs. 12/3976). Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens kann daher allenfalls als ambivalent begriffen werden. Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens kommt in besonderem Maße dem Interesse des von einer Ausweisung betroffenen Ausländers entgegen, eine möglichst rasche gerichtliche Klärung zu erhalten. Zwar können etwa Mängel in der Ausweisungsentscheidung leichter behoben werden, wenn die Verwaltung „einen zweiten Blick“ hierauf wirft. Der Ausländer wird jedoch nicht belastet, wenn diese Möglichkeit nicht mehr besteht. Vielmehr verbessert dies unter Umständen sogar seine Erfolgschancen bei Gericht. Als Kläger kann er auch all das bei Gericht geltend machen, was er in einem Widerspruchsverfahren vortragen könnte; das Verwaltungsgericht unterzieht die Ausweisung einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle, die insbesondere auch eine volle Überprüfung ihrer Verhältnismäßigkeit einschließt. Lediglich die Zweckmäßigkeit einer Entscheidung kann durch das Verwaltungsgericht nicht geprüft werden, was aber bei einer Gesamtbetrachtung der Wirkungen der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens nicht negativ ins Gewicht fällt. Im Übrigen kam es nach den Angaben des Vertreters des Beklagten zu Zeiten des noch bestehenden Widerspruchsverfahrens jedenfalls auf dem Gebiet des Ausländer- bzw. Aufenthaltsrechts praktisch nicht vor, dass allein aus Zweckmäßigkeitserwägungen von einer Ausweisung Abstand genommen wurde - gerade in den Fällen der Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger und den hohen Anforderungen des Art. 14 ARB 1/80 spielte dieser Gesichtspunkt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine Rolle, da er insoweit ausschließlich Rechtsvoraussetzungen und Rechtsgrenzen formuliert. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass das Unionsrecht wie auch das Assoziationsrecht für Beschränkungen der Freizügigkeit nicht zwingend eine Ermessensentscheidung verlange. Der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordere (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung, die das deutsche System von Ist- und Regelausweisung aber nicht zulasse. Nicht erforderlich sei eine behördliche Wahl zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten, ein Handlungsermessen der Ausländerbehörde. Die Ausweisung unterliege hinsichtlich der qualifizierten Gefahrenschwelle und des Verhältnismäßigkeitsprinzips voller gerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Lediglich deshalb, weil das nationale Recht neben der Ist- und Regelausweisung nur die Ermessensausweisung kennt, ist im Rahmen dieses Instrumentariums dann, wenn die Eingriffsschwelle des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht ist, gleichwohl eine Ermessensentscheidung zu treffen. National-rechtlich ist die Frage einer Überprüfung der Zweckmäßigkeit in einem weiteren Behördenverfahren gleichfalls weder in § 10 AuslG 1965 noch in den späteren Änderungen im Ausweisungsrecht vorgegeben.
55 
Abgesehen davon bedeutet die Stillhalteverpflichtung auch nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens- und -prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (EuGH, Urteil vom 18.10.2011 -Rs. C-128/09 - Rn. 52). Lässt eine Änderung des Verfahrens aber - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor, zumal wenn man gebührend in Rechnung stellt, dass im Widerspruchsverfahren auch formelle wie materielle Fehler der Ausgangsbehörde zu Lasten des Betroffenen behoben werden können (Bader, VwGO, a.a.O., § 68 Rn. 4, 7, 10; § 79 Rn. 2 ff.).
56 
b) Geht man davon aus, dass der Kläger seine Eigenschaft als Arbeitnehmer nicht verloren hat und hält daher auch den am 20.12.1976 in Kraft getretenen Art. 7 ARB 2/76 für anwendbar, so gilt nichts anderes (vgl. zur Anwendbarkeit von Art. 7 ARB 2/76 neben Art. 13 ARB 1/80 EuGH, Urteil vom 20.09.1990 -Rs. C-192/89 Rn. 18 ff.). Nach dieser Bestimmung dürfen die Mitgliedstaaten der Union und die Türkei für Arbeitnehmer, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Mit Art. 7 ARB 2/76 wird gegenüber Art. 13 ARB 1/80 insoweit nur der zeitliche Bezugspunkt für neue Beschränkungen verändert, ohne dass diese jedoch inhaltlich anders zu bestimmen wären.
57 
c) Ein Verstoß gegen die seit 01.01.1973 geltende Stillhalteklausel nach 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12.09.1963 zur Gründung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation - ZP - scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt selbstständig erwerbstätig war.
58 
4. Eine Fortgeltung des „Vier-Augen-Prinzips“ nach der Richtlinie 64/221/ EWG folgt auch nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens.
59 
Die Europäische Kommission hat in ihrer Stellungnahme vom 15.12.2006 (JURM(2006)12099) in der Rechtssache „Polat“ (C-349/06) die Auffassung vertreten, bei der Auslegung aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen des Assoziationsabkommens oder darauf gestützter Rechtsakte wie Art. 14 ARB 1/80 sei davon auszugehen, dass die Vertragsparteien in Bezug auf die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklichen wollten, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr Union) seinerzeit verwirklicht worden sei. Hieraus folge, dass die Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG durch die Unionsbürgerrichtlinie auf die Auslegung des Assoziationsabkommens und der aufgrund dessen erlassenen Rechtsakte keinen Einfluss haben könne. Der Inhalt völkerrechtlicher Verträge könne sich nämlich nicht automatisch durch eine spätere Änderung der Rechtslage eines Vertragspartners ändern. Das Wesen des Völkerrechts bestehe gerade darin, dass sich die souveränen Vertragsparteien nur selbst verpflichten können, heteronome Normsetzung komme in diesem Zusammenhang nicht in Betracht. Eine solche heteronome Normsetzung läge aber vor, wenn sich die Änderung der internen Rechtslage der Gemeinschaft unmittelbar auf die Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger, die durch völkerrechtlichen Regelungen festgelegt sei, auswirken könnte (vgl. im Einzelnen die Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 Rn. 57 ff., beziehbar unter www.migrationsrecht.net). Diese Ausführungen sind nahezu wortgleich auch in der Stellungnahme enthalten, die die Kommission am 02.12.2008 in der Rechtssache „Ziebell“ abgegeben hat (JURM(08)12077 - Rn. 32 ff.)
60 
Diese Auffassung beruht jedoch allein auf einer eigenen Interpretation des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ vom 02.06.2005 (Rs. C-136/03 - Rn.61 bis 64) durch die Kommission (vgl. insoweit Rn. 57 der Stellungnahme im Verfahren C-349/06 und Rn. 33 der Äußerung in der Rechtssache C-371/08: „Die Kommission versteht diese Rechtsprechung wie folgt:“). Der Gerichtshof hat diese Interpretation allerdings weder im Urteil „Polat“ noch in späteren Entscheidungen aufgegriffen. Aus dem Urteil in der Rechtssache „Ziebell“ und dem dort eingeschlagenen Lösungsweg (siehe hierzu oben 1.) ergibt sich sogar mit aller Deutlichkeit, dass der Gerichtshof, der für sich die Kompetenz zur Auslegung des Assoziationsrechts in Anspruch nimmt, diese Auffassung nicht teilt. Die Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 14.04.2011 im Verfahren „Ziebell“ (vgl. insb. Rn. 57) lassen ebenfalls ersehen, dass auch von dieser Seite dem dogmatischen Ansatz der Kommission insoweit keine Bedeutung beigemessen wird. Die von der Kommission befürwortete Auslegung des Urteils in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ überzeugt den Senat auch deshalb nicht, weil die Ansicht der Kommission zu dem Ergebnis führen könnte, dass in dieser Regelungsmaterie unter Umständen notwendig werdende Änderungen des Unionsrechts zum Nachteil von Unionsbürgern überhaupt nicht mehr oder nur noch um den Preis einer Diskriminierung möglich wären.
61 
Im Übrigen heißt es in der Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 ebenso wie in derjenigen vom 02.12.2008, dass „in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklicht werden sollte, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft seinerzeit verwirklicht worden sei.“ Dieses Schutzniveau für die türkischen Staatsangehörigen wird jedoch durch die Abschaffung des „Vier-Augen-Prinzips“ bei gleichzeitig verbessertem Rechtsschutz gewahrt.
62 
Nach alledem liegt im Fall des Klägers durch die Nichtbeachtung des „Vier-Augen-Prinzips“ kein unheilbarer Verfahrensfehler vor.
II.
63 
Da der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann gem. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 sein Aufenthalt nur beendet werden, wenn dieses aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
64 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 73).
65 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2010 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs C-371/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil in der Sache Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
66 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
67 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 80).
68 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
69 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
70 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken, angeordnet werden (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010, Bozkurt, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
71 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
72 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs C-467/02 Rn. 47).
73 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr wird mit dieser Formel mit anderen Worten nur der in der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelte Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs C-55/94, Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs 36/75 ), wobei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
74 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
75 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
76 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartige weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in der dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteil vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291).
77 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risiko gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts des vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
78 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
79 
2. Ausgehend hiervon erweist sich die angegriffene Ausweisungsverfügung als ermessensfehlerfrei (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
80 
Aufgrund der langjährigen kriminellen Karriere, nach dem im letzten Strafverfahren erstellten Gutachten Dr. W... vom 11.11.2009 sowie der vom Senat eingeholten Stellungnahme der JVA Heilbronn vom 23.01.2012 (Frau G...), in der im Einzelnen dargestellt wird, dass der Kläger kaum Interesse an der Aufarbeitung seiner Vergangenheit an den Tag gelegt hat, besteht für den Senat kein Zweifel, das vom Kläger nach wie vor eine erhebliche konkrete Gefahr der Begehung weiterer erheblicher und schwerer Straftaten ausgeht, wodurch das für eine Ausweisung erforderliche Grundinteresse der Gesellschaft unmittelbar berührt ist. Es ist namentlich nach der Stellungnahme der JVA Heilbronn nichts dafür ersichtlich, dass sich beim Kläger etwas Grundsätzliches gebessert haben könnte. Es fehlt hiernach jeder greifbare und glaubhafte, geschweige denn Erfolg versprechende Ansatz dafür, dass der Kläger bereit sein könnte, sich seiner kriminellen Vergangenheit zu stellen und hieran aktiv zu arbeiten. Im Gegenteil: Aus der Stellungnahme wird hinreichend deutlich, dass der Kläger - von guten Arbeitsleistungen abgesehen -sich einer Aufarbeitung der grundlegenden Problematik konsequent verweigert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die vom Beklagten angesprochene und verneinte Frage, ob ihm eine Resozialisierung im dem Land, in dem er geboren und überwiegend aufgewachsen ist, um deren Erfolg willen ermöglicht werden muss, nicht. Der Senat ist sich mit dem Regierungspräsidium Stuttgart der Tatsache bewusst, dass der Kläger, der nie wirklich längere Zeit in der Türkei gelebt hat, mit ganz erheblichen Problemen im Falle der Rückkehr konfrontiert sein wird. Andererseits geht der Senat davon aus, dass er mit Rücksicht auf seinen mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei im Kindesalter über die nötige Sprachkompetenz verfügt, um in der Türkei eine neue Basis für sein Leben finden zu können. Angesichts des von ihm ausgehenden erheblichen Gefährdungspotential für bedeutende Rechtsgüter erweist sich auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er - nicht zuletzt bedingt durch seine häufige Straffälligkeit - zu keinem Zeitpunkt über eine gesicherte und gewachsene eigenständige wirtschaftliche Grundlage verfügt hat, die Ausweisung als verhältnismäßig: Sie stellt namentlich keinen unzulässigen Eingriff in sein durch Art. 8 EMRK geschützte Privatleben dar. Der Umstand, dass im Bundesgebiet noch nahe Angehörige des immerhin bereits knapp 26 Jahre alten Klägers leben, gebietet keine andere Sicht der Dinge.
81 
Auch die Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat keine neuen Aspekte ergeben. Vielmehr wurde die Stellungnahme vom 23.01.2012 bestätigt. Insbesondere konnte der Kläger keine plausible Erklärung dafür geben, weshalb er die verschiedenen Angebote im Strafvollzug zur Aufarbeitung seiner Taten nicht wahrgenommen hatte.
III.
82 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist schon keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
83 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 - juris) in diesem Zusammenhang u.a. ausgeführt:
84 
„Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
85 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
86 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
87 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).“
88 
Ergänzend und vertiefend ist noch auszuführen: Gegen die Annahme, die Ausweisung sei keine Rückkehrentscheidung, kann auch nicht die Legaldefinition des „illegalen Aufenthalts“ in Art. 3 Nr. 2 RFRL eingewandt werden. Zwar erweckt der pauschale und undifferenzierte Verweis auf Art. 5 SDK auf den ersten Blick den Eindruck, es könnten auch Fälle gemeint sein, in denen materielle Einreise- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind und somit auch in einem solchen Fall ein illegaler Aufenthalt vorläge. Dagegen sprechen aber bereits das in Art. 6 Abs. 6 RFRL vorausgesetzte Verständnis des „legalen Aufenthalts“ und der dort vorgenommenen ausdrücklichen Abgrenzung zur „Rückkehrentscheidung“. Entscheidend für ein Verständnis im Sinne eines allein formell zu verstehenden illegalen Aufenthalts spricht die Begründung des Kommissionsentwurfs (vgl. KOM/2005/ 0391endg vom 1.9.2005). Hiernach ist der Befund eindeutig. Unter I 3 Ziffer 12 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Regelungsgegenstand der Richtlinie nicht die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung/Sicherheit sei. Unter I 4 wird zu „Kapitel II“ weiter dargelegt, die Vorschriften der Richtlinie seien auf jede Art von illegalem Aufenthalt anwendbar (z.B. Ablauf eines Visums, Ablauf eines Aufenthaltstitels, Widerruf oder Rücknahme eines Aufenthaltstitels, endgültige Ablehnung eines Asylantrags, Aberkennung des Flüchtlingsstatus, illegale Einreise). Nicht Gegenstand seien die Gründe und Verfahren für die Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts. Für dieses Verständnis spricht auch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 3 lit. b) EG. Im Übrigen entspricht der im Gesetzgebungsverfahren neu eingefügte Verweis auf Art. 5 SDK sachlich dem früheren Verweis auf Art. 5 SDÜ, der auch materielle Regelungen enthielt. Demzufolge stellen auch Widerruf, Rücknahme oder nachträgliche Befristung keine Rückkehrentscheidung dar.
89 
Ausgehend hiervon war der Beklagte unionsrechtlich nicht gehalten, von vornherein von Amts wegen eine Befristung der Ausweisung auszusprechen.
90 
Eine Befristung war auch nicht aus sonstigen Gründen der Verhältnismäßigkeit auszusprechen, namentlich um dem Kläger eine Rückkehrperspektive zu eröffnen. Zum einen bestünde eine solche im Falle des ledigen Klägers nach Erlöschen des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts ohnehin nicht. Zum anderen besteht gegenwärtig keine tatsächlich ausreichend gesicherte Grundlage für eine solche Entscheidung, da eine sachgerechte Prognose, dass überhaupt und ggf. wann der Ausweisungsanlass entfallen sein wird, nicht angestellt werden kann. Es wäre unauflöslich widersprüchlich, im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung das Vorliegen der (hohen) Ausweisungsvoraussetzungen anzunehmen und gleichzeitig eine sachgerechte Prognose anstellen zu wollen, dass diese mit hinreichender Sicherheit bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt entfallen sein werden. Daher hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch fehlerfrei vorsorglich eine Befristung abgelehnt. Wenn die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG für den Fall einer auf einer strafgerichtlichen Verurteilung beruhenden Ausweisung eine Überschreitung der Fünfjahresfrist zulässt, ohne dass dieses von bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen abhängig gemacht wird, so ist dem die Option immanent, ausnahmsweise von der Setzung einer Frist abzusehen, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine Frist sachgerecht und willkürfrei überhaupt nicht bestimmt werden kann. Zur Klarstellung weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass diese nationale Vorgabe, da es sich bei der Ausweisung schon keine Rückkehrentscheidung handelt, keine Umsetzung des Unionsrechts darstellt, weshalb insoweit auch keine Entscheidung von Amts wegen getroffen werden muss (anders für eine allein generalpräventiv begründete Ausweisung nunmehr BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11).
91 
Wollte man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie qualifizieren, so hätte der nationale Gesetzgeber hier von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht und die formellen wie materiellen Befristungsvorgaben des Art. 11 Abs. 2 RFRL ohne Verstoß gegen Unionsrecht nicht in nationales Recht umgesetzt. Die Tatsache, dass er gleichwohl das nationale Recht insoweit gegenüber der früheren Rechtslage modifiziert und auch dem Grundsatz nach bei strafgerichtlichen Verurteilungen eine Fünfjahresfrist vorgegeben hätte, die im Einzelfall überschritten werden darf, stellt kein unzulässiges teilweises Gebrauchmachen von der Opt-Out-Klausel dar, sondern nur die Wahrnehmung eines eigenständigen nationalen Gestaltungsspielraums (a.A. wohl OVGNW, Urteil vom 13.12.2011 - 12 B 19.11 - juris).
92 
Abgesehen davon könnte, wenn wie hier eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 RFRL vorliegt – nicht anders als im nationalen Recht – im Ausnahmefall die Bestimmung einer Frist vorläufig unterbleiben, sofern, wie bereits oben ausgeführt, eine solche gegenwärtig nicht bestimmt werden kann. Der Beklagte hätte daher, wie dargelegt, zu Recht von einer Bestimmung abgesehen, wenn man die vom Senat nicht geteilten Auffassung verträte, dass hier Art. 11 Abs. 2 RFRL uneingeschränkt anzuwenden wäre.
IV.
93 
Die vom Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 und 5 AufenthG. Bereits aus deren Begründung ergibt sich hinreichend deutlich, dass sie nur für den Fall des Eintritts der Unanfechtbarkeit Geltung beanspruchen soll. Im Übrigen hat der Beklagte dies in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich klargestellt.
94 
Im Zusammenhang mit dem Erlass der Abschiebungsandrohung war auch im Hinblick auf unionsrechtliche Vorgaben keine Entscheidung über die Befristung eines mit einer späteren Abschiebung einhergehenden Einreiseverbots zu treffen.
95 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11) hierzu ausgeführt:
96 
„Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
97 
Zur Klarstellung seiner Ausführungen im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 – juris Rn. 83) weist der Senat auch darauf hin, dass die oben (vgl. III.) dargestellte Einschränkung hinsichtlich strafgerichtlicher Verurteilungen auch in Bezug auf die nach einer Ausweisung ergehende Rückkehrentscheidung und das mit ihr einhergehende Einreiseverbot selbst gilt, weil die Bundesrepublik Deutschland nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AufenthG nicht nur hinsichtlich der Folgewirkungen der Ausweisung, sondern auch hinsichtlich derer einer späteren Abschiebung insoweit von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht hat, die allgemein alle Fälle einer aufgrund bzw. infolge einer strafgerichtlichen Entscheidung eintretenden Rückehrpflicht betrifft.
98 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
99 
Die Revision wird zugelassen, weil die unter III. und IV. aufgeworfenen Fragen der Anwendung und Auslegung der Rückführungsrichtlinie Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
100 
Beschluss vom 10. Februar 2012
101 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
102 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
27 
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.06.2010 zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
I.
28 
Die mit Bescheid vom 25.06.2010 verfügte Ausweisung leidet nicht deshalb an einem unheilbaren Verfahrensfehler, weil das nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 (ABl. 56 vom 04.04.1964, S. 850) vorgesehene „Vier-Augen-Prinzip“ nicht beachtet wurde. Wie sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 08.12.2011 in der Rechtssache C-371/08 - hinreichend ersehen lässt, entfaltet diese zum 30.04.2006 aufgehobene Bestimmung keine Wirkungen mehr für den verfahrensrechtlichen Ausweisungsschutz assoziationsrechtlich privilegierter türkischer Staatsangehöriger (1.). Auch aus geltenden unionsrechtlichen Verfahrensgarantien folgt nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen (2.). Die Stillhalteklauseln gebieten keine andere Betrachtung (3.). Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens (4.).
29 
1. Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG war bei einer ausländerrechtlichen Entscheidung über die Ausweisung ein weiteres Verwaltungsverfahren durchzuführen, sofern nicht ausnahmsweise ein dringender Fall vorlag und sofern nicht im gerichtlichen Verfahren eine Zweckmäßigkeitsprüfung vorgesehen war. Diese für Angehörige der Mitgliedstaaten (vgl. zum personellen Anwendungsbereich Art. 1 dieser Richtlinie) geltende Regelung erstreckte der Europäische Gerichtshof auf die Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger (Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 65 ff.). Fehlte es an der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, so war die Ausweisung unheilbar rechtswidrig (BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - Rn. 12 ff., BVerwGE 124, 217, vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 - Rn. 14 ff., BVerwGE 124, 243 und vom 09.08.2007 - 1 C 47.06 - Rn. 23 ff., BVerwGE 129, 162).
30 
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die im Rahmen der Art. 48, 49 und 50 EGV (später Art. 39, 40, 41 EG und nunmehr Art. 45 ff. AEUV) geltenden Grundsätze soweit wie möglich auf türkische Arbeitnehmer zu übertragen sind, die die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen. Dies beruht auf den Erwägungen, dass in Art. 12 des Assoziierungsabkommens die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Artikeln 48, 49 und 50 des „Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft“ leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen, dass Art. 36 ZP die Fristen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (nunmehr und im Folgenden: Union) und der Türkei festlegt, dass der Assoziationsrat die hierfür erforderlichen Regeln vorsieht und dass der Beschluss 1/80 bezweckt, im sozialen Bereich die Regelungen zugunsten der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen zu verbessern (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 04.10.2007- Rs. C-349/06 Rn. 29, vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 61 ff., vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 42 ff. und vom 10.02.2000 - Rs. C-340/97 Rn. 42 f.). In der Rechtssache „Dörr und Ünal“ (Rn. 65 ff.) heißt es, es sei nach diesen Erwägungen geboten, die in Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG niedergelegten Grundsätze als auf türkische Arbeitnehmer, die die im Beschluss Nr. 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragbar anzusehen, und weiter:
31 
„….Um effektiv zu sein, müssen die individuellen Rechte von den türkischen Arbeitnehmern vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden können. Damit die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes gewährleistet ist, ist es unabdingbar, diesen Arbeitnehmern die Verfahrensgarantien zuzuerkennen, die den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht gewährleistet werden, und es muss ihnen somit ermöglicht werden, sich auf die in den Artikeln 8 und 9 der Richtlinie 64/221 vorgesehenen Garantien zu berufen. Diese Garantien sind nämlich, wie der Generalanwalt …ausführt, untrennbar mit den Rechten verbunden, auf die sie sich beziehen.“
32 
In der Entscheidung „Ziebell“ knüpft der Gerichtshof an die Ausführungen im Urteil „Dörr und Ünal“ an und legt dar (Rn. 58), dass
33 
„…die Grundsätze, die im Rahmen der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer betreffenden Bestimmungen des EG-Vertrags gelten, so weit wie möglich auf türkische Staatsangehörige übertragen werden, die Rechte aufgrund der Assoziation EWG-Türkei besitzen. Wie der Gerichtshof entschieden hat, muss eine solche Analogie nicht nur für die genannten Artikel des Vertrags gelten, sondern auch für die auf der Grundlage dieser Artikel erlassenen sekundärrechtlichen Vorschriften, mit denen die Artikel durchgeführt und konkretisiert werden sollen (vgl. zur Richtlinie 64/221 u.a. Urteil Dörr und Ünal)“.
34 
Durch den Terminus „Analogie“, der etwa auch in der französischen und englischen Fassung des Urteils verwendet wird, ist klargestellt, dass die Inhalte des - für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten - maßgeblichen Sekundärrechts nicht deshalb auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige angewandt werden, weil diese allgemeine Rechtsgrundsätze sind, die ggfs. auch losgelöst von der Wirksamkeit der jeweiligen Regelung noch Geltung beanspruchen können, sondern dass es sich um eine entsprechende Übertragung geltenden Rechts handelt. Eine Vorschrift kann jedoch nur solange analog angewandt werden, wie sie selbst Gültigkeit beansprucht. Mit der Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG mit Wirkung vom 30.04.2006 durch Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG entfällt deshalb - wie der Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ darlegt - die Grundlage für ihre entsprechende Anwendung.
35 
Dass aufgrund dieser Aufhebung nicht mehr „traditionell auf die in der Richtlinie 64/221/EWG festgeschriebenen Grundsätze abgestellt“ werden kann (Rn. 76) und der Richtlinie insgesamt, d.h. in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht, keine Bedeutung mehr zukommt, ist nach den Ausführungen im Urteil „Ziebell“ (insb. Rn. 77 ff.) und dem ihm zugrunde liegenden Sachverhalt hinreichend geklärt. Dem Europäischen Gerichtshof war aufgrund des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 22.07.2008 und der beigefügten Akten bekannt, dass auf die dort streitgegenständliche Ausweisungsverfügung vom 06.03.2007 das „Vier-Augen-Prinzip“ des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG nicht mehr angewandt, vielmehr gegen die Ausweisungsentscheidung direkt Klage erhoben worden ist. Das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.08.2009 (1 C 25.08 - AuAS 2009, 267) führt sogar ausdrücklich aus, dass - sollte der in Kapitel VI der Richtlinie 2004/38/EG für Unionsbürger geregelte Ausweisungsschutz nicht auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige zu übertragen sein - sich die Frage stellt, ob Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG gleichwohl weiterhin anzuwenden ist oder stattdessen die Verfahrensgarantien des Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG Anwendung finden, die das „Vier-Augen-Prinzip“ abgelöst haben (BVerwG, a.a.O., Rn. 26). Hätte der Gerichtshof dem im Verfahren „Ziebell“ nicht eingehaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ - und sei es auch mit Blick auf besondere oder allgemeine unionsrechtliche Verfahrensgarantien, die Standstillklauseln oder das Assoziationsabkommen an sich - noch irgendeine rechtliche Relevanz zu Gunsten des Klägers beigemessen, so hätte es nahegelegen, unabhängig von der konkreten Vorlagefrage hierzu Ausführungen zu machen. Die Tatsache, dass der Gerichtshof die Aufhebung der Richtlinie insgesamt besonders hervorhebt, und der Umstand, dass er den Ausweisungsschutz für türkische Staatsangehörige mit einer Rechtsposition nach dem ARB 1/80 zudem ausdrücklich auf einen anderen unionsrechtlichen Bezugsrahmen im geltenden Recht stützt, belegen, dass die Richtlinie 64/221/EWG nach Auffassung des Gerichtshofs in Gänze nicht mehr zur Konkretisierung des formellen und materiellen Ausweisungsschutzes des Klägers herangezogen werden kann. Hätte der Gerichtshof den Inhalten der Richtlinie 64/221/EWG noch irgendeine Bedeutung beigemessen, so hätte es sich im Übrigen auch aufgedrängt, für das materielle Ausweisungsrecht - etwa in Anknüpfung an die Rechtssachen „Cetinkaya“ (Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 - Rn. 44 ff.) oder „Polat“ (Urteil vom 04.10.2007 -Rs. C-349/06 - Rn. 30 ff.) - den dort erwähnten Art. 3 der Richtlinie 64/221/ EWG ausdrücklich weiterhin fruchtbar zu machen. Diesen Weg hat der Gerichthof in der Rechtssache „Ziebell“ jedoch ebenfalls nicht beschritten. An dieser Sicht vermag – entgegen der Auffassung des Klägers – auch der Umstand nichts zu ändern, dass für die Anwendung des am 21.06.1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits geschlossenen Abkommen über die Freizügigkeit (ABl. 2002 L 114, S. 6) die Richtlinie 64/221/EWG nach wie vor vorübergehend Bedeutung hat (vgl. Art. 5 Abs. 2 des Anhangs I).
36 
2. Es ist nicht entscheidungserheblich, ob sich die Verfahrensgarantien für einen assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, der sich gegen seine Ausweisung wendet, nunmehr ebenfalls aus der Richtlinie 2003/109/EG (Art. 10, Art. 12 Abs. 4), aus Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG oder aus den auch im Unionsrecht allgemeinen anerkannten Grundsätzen eines effektiven Rechtsschutzes ergeben. Denn die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens ist in keinem dieser Fälle geboten.
37 
a) Art 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG sieht vor, dass einem langfristig Aufenthaltsberechtigten in dem betroffenen Mitgliedstaat der Rechtsweg gegen seine Ausweisung offen steht. Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie normiert, dass der langfristig Aufenthaltsberechtigte Rechtsbehelfe u.a. gegen den Entzug seiner Rechtsstellung einlegen kann. Welche Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, bestimmt sich jedoch allein nach dem nationalen Recht. Ein Vorverfahren als einzuräumender Rechtsbehelf ist nach der Richtlinie nicht vorgeschrieben.
38 
b) Auch soweit man für die einem assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen einzuräumenden Verfahrensgarantien Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG heranziehen wollte, folgt hieraus nichts anderes. Die Erwägungen zu den Besonderheiten der Unionsbürgerschaft haben den Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ im Anschluss an die Ausführungen des Generalanwalts bewogen, den Schutz der Unionsbürger vor Ausweisung, wie in Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehen, nicht im Rahmen der Anwendung von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 auf die Garantien gegen die Ausweisung türkischer Staatsangehöriger zu übertragen (vgl. im Einzelnen Rn. 60 ff. und Schlussanträge des Generalanwalts vom 14.04.2011 - Rs. C-371/08 - Rn. 42 ff.). Selbst wenn man der Auffassung wäre, die Spezifika der Unionsbürgerschaft (vgl. zu deren Begriff und Inhalt auch Bergmann , Handlexikon der Europäischen Union, 4. Aufl. 2012, Stichwort „Unionsbürgerschaft“) stünden lediglich der Anwendung des materiellen Ausweisungsrechts der Richtlinie 2004/38/EG auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige entgegen und nicht der Übertragung der im gleichen Kapitel enthaltenen Verfahrensgarantien nach Art. 30 f., leidet die Ausweisungsverfügung nicht an einem Verfahrensfehler. Der Gerichtshof hat sich im Urteil „Ziebell“ nicht dazu geäußert, ob diese Bestimmungen insoweit analogiefähig sind bzw. ihnen jedenfalls allgemein geltende Grundsätze zu entnehmen sind (vgl. auch Art. 15 der Richtlinie 2004/38/EG), die in Anknüpfung allein an die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Notwendigkeit deren verfahrensrechtlichen Schutzes ihre Berechtigung haben, oder ob auch diesen ein spezifisch unionsbürgerbezogener Inhalt zukommt. Für letzteres könnte etwa Art. 31 Abs. 3 S. 2 dieser Richtlinie angeführt werden, wonach das Rechtsbehelfsverfahren gewährleistet, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 nicht unverhältnismäßig ist; auch die Bezugnahme in Art. 31 Abs. 2, letzter Spiegelstrich auf Art. 28 Abs. 3 könnte dafür sprechen. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung, denn die Verfahrensgarantien nach Art. 30 f. der Richtlinie 2004/38/EG schreiben die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bei der Ausweisung von Unionsbürgern nicht vor (diese Frage lediglich ansprechend BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.10.2011 - 2 BvR 1969/09 - juris Rn. 40), so dass der Kläger selbst bei ihrer Anwendbarkeit kein für ihn günstigeres Ergebnis herleiten könnte.
39 
Nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG müssen die Betroffenen gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können. Aus dieser Bestimmung folgt aber nicht die Verpflichtung des Mitgliedstaates, außer dem gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Ausweisungsverfügung (zusätzlich) ein behördliches Rechtsbehelfsverfahren vorzuhalten und in diesem auch die Überprüfung der Zweckmäßigkeit einer Ausweisung zu ermöglichen. Wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt („..und gegebenenfalls bei einer Behörde…“), trägt diese Bestimmung lediglich dem - heterogenen - System des Rechtsschutzes der Mitgliedstaaten Rechnung und lässt deren Berechtigung unberührt, ein Rechtsbehelfsverfahren auch noch bei einer Behörde zu eröffnen. Ein solches ist jedoch in Baden-Württemberg nicht mehr vorgesehen. Erlässt das Regierungspräsidium den Verwaltungsakt - wie dies für die Ausweisung eines in Strafhaft befindlichen Ausländers zutrifft (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AAZuVO) -, so ist hiergegen unabhängig von dem zugrundeliegenden Rechtsgebiet im Anwendungsbereich des seit 22.10.2008 geltenden § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO (GBl. 2008, 343) i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO das Vorverfahren nicht statthaft. Aufgrund vergleichbarer, wenn auch regelungstechnisch teilweise von einem anderen Ansatz ausgehender Landesgesetze entspricht es einer bundesweit anzutreffenden Rechtspraxis, ein Widerspruchsverfahren vor Erhebung einer Klage nicht mehr vorzuschreiben (vgl. z.B. auch Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO, § 16a HessAGVwGO, § 8a NdsAGVwGO). Dass die Unionsbürgerrichtlinie nicht dazu zwingt, ein dem gerichtlichen Rechtsschutz vorgeschaltetes Widerspruchsverfahren zu schaffen, folgt im Übrigen eindeutig aus ihrer Entstehungsgeschichte.
40 
Der Vorschlag der Kommission für die Unionsbürgerrichtlinie (KOM 2001/0257/endgültig, ABl. C 270 E vom 25.09.2001, S. 150) sah ursprünglich vor, dass u.a. bei der Ausweisung der Betreffende bei den Behörden oder den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen kann; ist der behördliche Weg vorgesehen, entscheidet die Behörde außer bei Dringlichkeit erst nach Stellungnahme der zuständigen Stelle des Aufnahmemitgliedstaates, vor dem es dem Betreffenden möglich sein muss, auf seinen Antrag hin seine Verteidigung vorzubringen. Diese Stelle darf nicht die Behörde sein, die befugt ist, die Ausweisungsentscheidung zu treffen (vgl. im Einzelnen den - hier verkürzt wiedergegebenen - Wortlaut des Entwurfs zu Art. 29 Abs. 1 und 2). In der Begründung des Vorschlags zu Art. 29 heißt es ausdrücklich:
41 
„Ein lückenloser Rechtsschutz schließt nicht aus, dass ein Mitgliedstaat vorsieht, dass ein Rechtsbehelf bei einer Behörde eingelegt werden kann. In diesem Fall müssen die in Art. 9 der Richtlinie 63/221/EWG genannten Objektivitätsgarantien gegeben sein, insbesondere die vorherige Stellungnahme einer anderen Behörde, als die, die die Einreiseverweigerung oder die Ausweisung verfügen soll, sowie Garantie in Bezug auf die Rechte der Verteidigung.“
42 
In dem Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 6/2004 vom 05.12.2003 (ABl. C 54 E vom 02.03.2004, S. 12) hat Art. 31 Abs. 1 bereits - mit Zustimmung der Kommission - die Fassung, wie sie in der Unionsbürgerrichtlinie vom 29.04.2004 enthalten ist (a.a.O., S. 26). Schon in dem geänderten Vorschlag der Kommission vom 15.04.2003 (KOM(2003) 199 endgültig) erhielt der Entwurf zu Art. 29 Abs. 1 die Fassung, dass „….der Betroffene bei den Gerichten und gegebenenfalls bei den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen“ kann. Durch diese Abänderung sollte klargestellt werden,
43 
„dass der Rechtsbehelf stets bei einem Gericht eingelegt werden muss und ein Rechtsbehelf bei einer Behörde nur dann ebenfalls zulässig ist, wenn der Aufnahmemitgliedstaats dies vorsieht (zum Beispiel bevor ein Rechtsbehelf bei einem Gericht eingelegt werden kann).“
44 
Diese Begründung der Kommission im geänderten Vorschlag vom 15.04.2003 (a.a.O., S. 10) zu Art. 29 Abs. 1 hat sich der „Gemeinsame Standpunkt“ vom 05.12.2003 zu Eigen gemacht (a.a.O., S 27) und ferner Art. 29 Abs. 2 des Kommissionsentwurfs mit dem dort enthaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ komplett gestrichen. Dieser ist mit Blick auf die von den Mitgliedstaaten stets vorzusehende Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts und der dort zu gewährenden Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung und der Tatsachen und Umstände, auf denen die Entscheidung über die Ausweisung beruht, für überflüssig erachtet worden (vgl. die Begründung des Rates, a.a.O., S. 29, 32).
45 
Das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene „Vier-Augen-Prinzip“, das defizitäre gerichtliche Kontrollmechanismen und eine in den Mitgliedstaaten zum Teil vorherrschende geringe Kontrolldichte der gerichtlichen Entscheidungen kompensieren sollte, wurde somit in Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG durch eine Verbesserung des gerichtlichen Rechtsschutzes ersetzt (vgl. zur bewussten Abkehr von den in Art. 8 f der Richtlinie 64/221/ EWG vorgesehenen Verfahrensregelungen auch Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2004/38/EG). Der in Deutschland dem Kläger zur Verfügung stehende gerichtliche Rechtsschutz erfüllt die Vorgaben des Art. 31 der Richtlinie.
46 
Es bleibt daher der Verfahrensautonomie des Mitgliedstaats überlassen, ob er bei einer Ausweisung eines Unionsbürgers zusätzlich zum gerichtlichen Rechtsschutz noch ein Widerspruchsverfahren vorsieht. Dass die in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG enthaltene Formulierung „..und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen zu können“ bei diesem Verständnis nur noch eine unionsrechtliche Selbstverständlichkeit wiedergibt, erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift.
47 
c) Auch die allgemeine unionsrechtliche Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs fordert nicht die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens. Selbst wenn man entgegen den Ausführungen oben unter 1.) der Auffassung wäre, der Gerichtshof habe sich im Urteil „Ziebell“ hierzu nicht der Sache nach geäußert, ist dies eindeutig.
48 
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshof hat ein türkischer Arbeitnehmer, der die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzt, einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, um diese Rechte wirksam geltend machen zu können (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn.67). Es entspricht einem allgemein anerkannten unionsrechtlichen Grundsatz, der sich aus der gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedstaaten ergibt und der in Art. 6 und 13 EMRK verankert ist, dass bei einem Eingriff in die Rechte des Betroffenen (hier: Eingriff in die Freizügigkeit des Arbeitnehmers) durch eine Behörde des Mitgliedstaats der Betroffene das Recht hat, seine Rechte vor Gericht geltend zu machen; den Mitgliedstaaten obliegt es, eine effektive richterliche Kontrolle der Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des innerstaatlichen Rechts sicherzustellen, das der Verwirklichung der eingeräumten Rechte dient (vgl. schon EuGH, Urteil vom 03.12.1992 - Rs. C-97/91 Rn.14, vom 15.10.1987 - Rs. C-222/86 Rn. 12 ff. und vom 15.05.1986 - Rs. C-222/84 Rn. 17 ff.). Zum Effektivitätsgrundsatz gehört, dass die gerichtliche Kontrolle die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung umfasst (EuGH, Urteil vom 15.10.1987 - Rs. C-222/84 Rn.15). Auch dürfen die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH, Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-279/09 Rn. 28, vom 15.04.2008 - Rs. C-268/06 Rn. 46, vom 13.03.2007 - Rs. C-432/05 Rn. 43 und vom 16.12.1976 - 33/76 Rn.5). Ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, ist unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren vor den verschiedenen nationalen Stellen sowie des Ablaufs und der Besonderheiten dieses Verfahrens zu prüfen (EuGH, Urteil vom 21.12.2002 - Rs. C-473/00 Rn. 37 und vom 14.12.1995 - Rs. C-312/93 Rn.14).
49 
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Grundsätze ist es nicht geboten, ein behördliches Vorverfahren mit einer diesem immanenten Rechtmäßigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorzuschalten, das die Vorgaben des effektiven Rechtschutzes in jeder Hinsicht erfüllt. Auch Art. 19 Abs. 4 GG fordert dies übrigens gerade nicht (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - juris Rn. 105 m.w.N.). Ein Anspruch des Einzelnen auf ein „Maximum“ an Verfahrensrechten und den unveränderten Fortbestand einer einmal eingeräumten verfahrensrechtlichen Möglichkeit besteht nicht - zumal wenn diese wie das „Vier-Augen-Prinzip“ aus einer bestimmten historischen Situation als Kompensation für eine früher weit verbreitete zu geringe gerichtliche Kontrolldichte erfolgte.
50 
d) Aus dem in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und dem „Recht auf gute Verwaltung“ nach Art. 41 GRCh (vgl. zu den dort eingeräumten Rechten Jarass, GRCh-Kommentar, 2010, Art. 41 Rn. 21 ff.) ergibt sich für den Kläger ebenfalls kein Recht auf Durchführung eines Vorverfahrens.
51 
3. Ein Widerspruchsverfahren ist ferner nicht mit Blick auf die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln nach Art. 7 ARB 2/76, Art. 13 ARB 1/80 oder Art. 41 Abs. 1 ZP einzuräumen. Selbst wenn man die Ansicht nicht teilen würde, schon aus dem Urteil „Ziebell“ ergebe sich hinreichend deutlich, der Gerichtshof halte das Fehlen eines Vorverfahrens auch unter dem Aspekt der Stillhalteklauseln nicht für problematisch, lässt sich feststellen, dass dessen Abschaffung keinen Verstoß gegen die Stillhalteklauseln darstellt.
52 
a) Der Kläger kann sich als im Bundesgebiet geborener Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers auf Art. 13 ARB 1/80 berufen. Nach dieser am 01.12.1980 in Kraft getretenen Regelung dürfen die Mitgliedstaaten für türkische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß ist, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Diese Stillhalteklausel, die unmittelbar wirkt (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62, vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 58 f. und vom 20.09.1990 - Rs. C-192/89 Rn. 26), verbietet allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 in dem entsprechenden Mitgliedstaat galten (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62), wobei den Mitgliedstaaten auch untersagt ist, nach dem Stichtag eingeführte günstigere Regelungen wieder zurückzunehmen, selbst wenn der nunmehr geltende Zustand nicht strenger ist als der am Stichtag geltende (siehe zu dieser „zeitlichen Meistbegünstigungsklausel“ EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 49 ff ). Die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 verfolgt das Ziel, günstigere Bedingungen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu schaffen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 und vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 72 ff.). Normadressat ist ausschließlich der einzelne Mitgliedstaat mit Blick auf dessen nationales Recht, nicht die Europäische Union als Vertragspartner des Assoziationsabkommens EWG/Türkei. Deren Befugnisse werden durch diese Stillhalteklausel nicht beschränkt. Vom Wortlaut her schützt das Unterlassungsgebot der Standstillklausel zwar ausschließlich den unveränderten Zugang zum Arbeitsmarkt, es entfaltet gleichwohl mittelbare aufenthaltsrechtliche Wirkungen, soweit ausländerrechtliche Maßnahmen zur Beeinträchtigung des Arbeitsmarktzugangs führen, die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels erschwert wird (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62 ff. und vom 29.04.2010 - Rs. C-92/09 Rn. 44 ff.) oder der Aufenthalt eines türkischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet beendet werden soll (vgl. auch Renner, 9. Aufl., 2011, § 4 Rn. 197). Bei der Bestimmung, wann eine Maßnahme eine „neue Beschränkung“ darstellt, orientiert sich der Gerichtshof gleichermaßen an den mit Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 ZP verfolgten Zielen und erstreckt die Tragweite der Stillhalteverpflichtung auf sämtliche neuen Hindernisse für die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen darstellen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 ff.), wobei eine solche materieller und/oder verfahrensrechtlicher Art sein kann (EuGH, Urteil vom 21.07.2011 - Rs. C-186/10 Rn. 22, vom 29.04.2010 - Rs. C-92/07 Rn. 49, vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 64 und vom 20.09.2007 - Rs. C-16/05 Rn. 69). Nach diesen Grundsätzen stellt die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens keine „neue Beschränkung“ dar.
53 
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von Art. 13 ARB 1/80 war nach dem damals geltenden § 68 VwGO und dem baden-württembergischen Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 22.03.1960 (GBl. 1960, 94) in der Fassung des Gesetzes vom 12.12.1979 (GBl. 1979, 549) auch bei der Ausweisung eines türkischen Staatsangehöriger ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Die in der vorliegenden Fallkonstellation nunmehr vorgesehene Zuständigkeit einer Mittelbehörde für den Erlass der Ausweisungsverfügung (§ 6 Nr. 1 AAZuVO) und das gesetzlich deswegen angeordnete Entfallen des Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO BW vom 14.10.2008; vgl. auch die Vorgängervorschrift § 6a AGVwGO BW vom 01.07.1999) ist keine Änderung, die geeignet wäre, die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu erschweren oder die einem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten materiellen Rechte zu beeinträchtigen. Unabhängig davon, ob das Widerspruchsverfahrens nur als Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens angesehen wird (vgl. hierzu Bader, u.a. VwGO, 5. Aufl. 2011, Vor §§ 68 ff. Rn. 49), oder ob es auch als Teil des Prozessrechts begriffen wird (i.S.e. Doppelcharakters Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, Vorb § 68 Rn. 14), ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dessen Wegfall zu einer merklichen Verschlechterung der Rechtsposition türkischer Staatsangehöriger führt. Eine rechtliche Beeinträchtigung des Betroffenen durch die Abschaffung des Vorverfahrens wird im Übrigen auch nicht in anderen rechtlichen Konstellationen außerhalb des Aufenthaltsrechts angenommen.
54 
Grund für den letztlich allein rechtspolitisch gewählten Weg eines weitgehenden Ausschluss des Vorverfahrens in Baden-Württemberg war die Erkenntnis gewesen, dass entsprechend einer evaluierten Verwaltungspraxis jedenfalls in den Fällen, in denen das Regierungspräsidium die Ausgangsentscheidung getroffen hat, die Sach- und Rechtslage vor der ersten Verwaltungsentscheidung so umfassend geprüft wird, dass sich während des Vorverfahrens regelmäßig keine neuen Aspekte ergeben. Der Wegfall des Widerspruchsverfahrens in den Fällen der Ausgangszuständigkeit der Mittelbehörden dient nicht nur deren Entlastung, sondern vor allem auch der Verfahrensbeschleunigung (vgl. näher die Begründung zum entsprechenden Gesetzentwurf der Landesregierung, LT Drs. 12/3862 vom 16.03.1999 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses vom 22.04.1999, LT Drs. 12/3976). Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens kann daher allenfalls als ambivalent begriffen werden. Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens kommt in besonderem Maße dem Interesse des von einer Ausweisung betroffenen Ausländers entgegen, eine möglichst rasche gerichtliche Klärung zu erhalten. Zwar können etwa Mängel in der Ausweisungsentscheidung leichter behoben werden, wenn die Verwaltung „einen zweiten Blick“ hierauf wirft. Der Ausländer wird jedoch nicht belastet, wenn diese Möglichkeit nicht mehr besteht. Vielmehr verbessert dies unter Umständen sogar seine Erfolgschancen bei Gericht. Als Kläger kann er auch all das bei Gericht geltend machen, was er in einem Widerspruchsverfahren vortragen könnte; das Verwaltungsgericht unterzieht die Ausweisung einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle, die insbesondere auch eine volle Überprüfung ihrer Verhältnismäßigkeit einschließt. Lediglich die Zweckmäßigkeit einer Entscheidung kann durch das Verwaltungsgericht nicht geprüft werden, was aber bei einer Gesamtbetrachtung der Wirkungen der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens nicht negativ ins Gewicht fällt. Im Übrigen kam es nach den Angaben des Vertreters des Beklagten zu Zeiten des noch bestehenden Widerspruchsverfahrens jedenfalls auf dem Gebiet des Ausländer- bzw. Aufenthaltsrechts praktisch nicht vor, dass allein aus Zweckmäßigkeitserwägungen von einer Ausweisung Abstand genommen wurde - gerade in den Fällen der Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger und den hohen Anforderungen des Art. 14 ARB 1/80 spielte dieser Gesichtspunkt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine Rolle, da er insoweit ausschließlich Rechtsvoraussetzungen und Rechtsgrenzen formuliert. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass das Unionsrecht wie auch das Assoziationsrecht für Beschränkungen der Freizügigkeit nicht zwingend eine Ermessensentscheidung verlange. Der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordere (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung, die das deutsche System von Ist- und Regelausweisung aber nicht zulasse. Nicht erforderlich sei eine behördliche Wahl zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten, ein Handlungsermessen der Ausländerbehörde. Die Ausweisung unterliege hinsichtlich der qualifizierten Gefahrenschwelle und des Verhältnismäßigkeitsprinzips voller gerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Lediglich deshalb, weil das nationale Recht neben der Ist- und Regelausweisung nur die Ermessensausweisung kennt, ist im Rahmen dieses Instrumentariums dann, wenn die Eingriffsschwelle des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht ist, gleichwohl eine Ermessensentscheidung zu treffen. National-rechtlich ist die Frage einer Überprüfung der Zweckmäßigkeit in einem weiteren Behördenverfahren gleichfalls weder in § 10 AuslG 1965 noch in den späteren Änderungen im Ausweisungsrecht vorgegeben.
55 
Abgesehen davon bedeutet die Stillhalteverpflichtung auch nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens- und -prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (EuGH, Urteil vom 18.10.2011 -Rs. C-128/09 - Rn. 52). Lässt eine Änderung des Verfahrens aber - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor, zumal wenn man gebührend in Rechnung stellt, dass im Widerspruchsverfahren auch formelle wie materielle Fehler der Ausgangsbehörde zu Lasten des Betroffenen behoben werden können (Bader, VwGO, a.a.O., § 68 Rn. 4, 7, 10; § 79 Rn. 2 ff.).
56 
b) Geht man davon aus, dass der Kläger seine Eigenschaft als Arbeitnehmer nicht verloren hat und hält daher auch den am 20.12.1976 in Kraft getretenen Art. 7 ARB 2/76 für anwendbar, so gilt nichts anderes (vgl. zur Anwendbarkeit von Art. 7 ARB 2/76 neben Art. 13 ARB 1/80 EuGH, Urteil vom 20.09.1990 -Rs. C-192/89 Rn. 18 ff.). Nach dieser Bestimmung dürfen die Mitgliedstaaten der Union und die Türkei für Arbeitnehmer, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Mit Art. 7 ARB 2/76 wird gegenüber Art. 13 ARB 1/80 insoweit nur der zeitliche Bezugspunkt für neue Beschränkungen verändert, ohne dass diese jedoch inhaltlich anders zu bestimmen wären.
57 
c) Ein Verstoß gegen die seit 01.01.1973 geltende Stillhalteklausel nach 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12.09.1963 zur Gründung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation - ZP - scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt selbstständig erwerbstätig war.
58 
4. Eine Fortgeltung des „Vier-Augen-Prinzips“ nach der Richtlinie 64/221/ EWG folgt auch nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens.
59 
Die Europäische Kommission hat in ihrer Stellungnahme vom 15.12.2006 (JURM(2006)12099) in der Rechtssache „Polat“ (C-349/06) die Auffassung vertreten, bei der Auslegung aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen des Assoziationsabkommens oder darauf gestützter Rechtsakte wie Art. 14 ARB 1/80 sei davon auszugehen, dass die Vertragsparteien in Bezug auf die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklichen wollten, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr Union) seinerzeit verwirklicht worden sei. Hieraus folge, dass die Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG durch die Unionsbürgerrichtlinie auf die Auslegung des Assoziationsabkommens und der aufgrund dessen erlassenen Rechtsakte keinen Einfluss haben könne. Der Inhalt völkerrechtlicher Verträge könne sich nämlich nicht automatisch durch eine spätere Änderung der Rechtslage eines Vertragspartners ändern. Das Wesen des Völkerrechts bestehe gerade darin, dass sich die souveränen Vertragsparteien nur selbst verpflichten können, heteronome Normsetzung komme in diesem Zusammenhang nicht in Betracht. Eine solche heteronome Normsetzung läge aber vor, wenn sich die Änderung der internen Rechtslage der Gemeinschaft unmittelbar auf die Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger, die durch völkerrechtlichen Regelungen festgelegt sei, auswirken könnte (vgl. im Einzelnen die Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 Rn. 57 ff., beziehbar unter www.migrationsrecht.net). Diese Ausführungen sind nahezu wortgleich auch in der Stellungnahme enthalten, die die Kommission am 02.12.2008 in der Rechtssache „Ziebell“ abgegeben hat (JURM(08)12077 - Rn. 32 ff.)
60 
Diese Auffassung beruht jedoch allein auf einer eigenen Interpretation des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ vom 02.06.2005 (Rs. C-136/03 - Rn.61 bis 64) durch die Kommission (vgl. insoweit Rn. 57 der Stellungnahme im Verfahren C-349/06 und Rn. 33 der Äußerung in der Rechtssache C-371/08: „Die Kommission versteht diese Rechtsprechung wie folgt:“). Der Gerichtshof hat diese Interpretation allerdings weder im Urteil „Polat“ noch in späteren Entscheidungen aufgegriffen. Aus dem Urteil in der Rechtssache „Ziebell“ und dem dort eingeschlagenen Lösungsweg (siehe hierzu oben 1.) ergibt sich sogar mit aller Deutlichkeit, dass der Gerichtshof, der für sich die Kompetenz zur Auslegung des Assoziationsrechts in Anspruch nimmt, diese Auffassung nicht teilt. Die Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 14.04.2011 im Verfahren „Ziebell“ (vgl. insb. Rn. 57) lassen ebenfalls ersehen, dass auch von dieser Seite dem dogmatischen Ansatz der Kommission insoweit keine Bedeutung beigemessen wird. Die von der Kommission befürwortete Auslegung des Urteils in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ überzeugt den Senat auch deshalb nicht, weil die Ansicht der Kommission zu dem Ergebnis führen könnte, dass in dieser Regelungsmaterie unter Umständen notwendig werdende Änderungen des Unionsrechts zum Nachteil von Unionsbürgern überhaupt nicht mehr oder nur noch um den Preis einer Diskriminierung möglich wären.
61 
Im Übrigen heißt es in der Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 ebenso wie in derjenigen vom 02.12.2008, dass „in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklicht werden sollte, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft seinerzeit verwirklicht worden sei.“ Dieses Schutzniveau für die türkischen Staatsangehörigen wird jedoch durch die Abschaffung des „Vier-Augen-Prinzips“ bei gleichzeitig verbessertem Rechtsschutz gewahrt.
62 
Nach alledem liegt im Fall des Klägers durch die Nichtbeachtung des „Vier-Augen-Prinzips“ kein unheilbarer Verfahrensfehler vor.
II.
63 
Da der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann gem. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 sein Aufenthalt nur beendet werden, wenn dieses aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
64 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 73).
65 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2010 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs C-371/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil in der Sache Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
66 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
67 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 80).
68 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
69 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
70 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken, angeordnet werden (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010, Bozkurt, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
71 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
72 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs C-467/02 Rn. 47).
73 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr wird mit dieser Formel mit anderen Worten nur der in der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelte Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs C-55/94, Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs 36/75 ), wobei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
74 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
75 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
76 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartige weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in der dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteil vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291).
77 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risiko gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts des vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
78 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
79 
2. Ausgehend hiervon erweist sich die angegriffene Ausweisungsverfügung als ermessensfehlerfrei (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
80 
Aufgrund der langjährigen kriminellen Karriere, nach dem im letzten Strafverfahren erstellten Gutachten Dr. W... vom 11.11.2009 sowie der vom Senat eingeholten Stellungnahme der JVA Heilbronn vom 23.01.2012 (Frau G...), in der im Einzelnen dargestellt wird, dass der Kläger kaum Interesse an der Aufarbeitung seiner Vergangenheit an den Tag gelegt hat, besteht für den Senat kein Zweifel, das vom Kläger nach wie vor eine erhebliche konkrete Gefahr der Begehung weiterer erheblicher und schwerer Straftaten ausgeht, wodurch das für eine Ausweisung erforderliche Grundinteresse der Gesellschaft unmittelbar berührt ist. Es ist namentlich nach der Stellungnahme der JVA Heilbronn nichts dafür ersichtlich, dass sich beim Kläger etwas Grundsätzliches gebessert haben könnte. Es fehlt hiernach jeder greifbare und glaubhafte, geschweige denn Erfolg versprechende Ansatz dafür, dass der Kläger bereit sein könnte, sich seiner kriminellen Vergangenheit zu stellen und hieran aktiv zu arbeiten. Im Gegenteil: Aus der Stellungnahme wird hinreichend deutlich, dass der Kläger - von guten Arbeitsleistungen abgesehen -sich einer Aufarbeitung der grundlegenden Problematik konsequent verweigert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die vom Beklagten angesprochene und verneinte Frage, ob ihm eine Resozialisierung im dem Land, in dem er geboren und überwiegend aufgewachsen ist, um deren Erfolg willen ermöglicht werden muss, nicht. Der Senat ist sich mit dem Regierungspräsidium Stuttgart der Tatsache bewusst, dass der Kläger, der nie wirklich längere Zeit in der Türkei gelebt hat, mit ganz erheblichen Problemen im Falle der Rückkehr konfrontiert sein wird. Andererseits geht der Senat davon aus, dass er mit Rücksicht auf seinen mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei im Kindesalter über die nötige Sprachkompetenz verfügt, um in der Türkei eine neue Basis für sein Leben finden zu können. Angesichts des von ihm ausgehenden erheblichen Gefährdungspotential für bedeutende Rechtsgüter erweist sich auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er - nicht zuletzt bedingt durch seine häufige Straffälligkeit - zu keinem Zeitpunkt über eine gesicherte und gewachsene eigenständige wirtschaftliche Grundlage verfügt hat, die Ausweisung als verhältnismäßig: Sie stellt namentlich keinen unzulässigen Eingriff in sein durch Art. 8 EMRK geschützte Privatleben dar. Der Umstand, dass im Bundesgebiet noch nahe Angehörige des immerhin bereits knapp 26 Jahre alten Klägers leben, gebietet keine andere Sicht der Dinge.
81 
Auch die Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat keine neuen Aspekte ergeben. Vielmehr wurde die Stellungnahme vom 23.01.2012 bestätigt. Insbesondere konnte der Kläger keine plausible Erklärung dafür geben, weshalb er die verschiedenen Angebote im Strafvollzug zur Aufarbeitung seiner Taten nicht wahrgenommen hatte.
III.
82 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist schon keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
83 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 - juris) in diesem Zusammenhang u.a. ausgeführt:
84 
„Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
85 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
86 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
87 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).“
88 
Ergänzend und vertiefend ist noch auszuführen: Gegen die Annahme, die Ausweisung sei keine Rückkehrentscheidung, kann auch nicht die Legaldefinition des „illegalen Aufenthalts“ in Art. 3 Nr. 2 RFRL eingewandt werden. Zwar erweckt der pauschale und undifferenzierte Verweis auf Art. 5 SDK auf den ersten Blick den Eindruck, es könnten auch Fälle gemeint sein, in denen materielle Einreise- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind und somit auch in einem solchen Fall ein illegaler Aufenthalt vorläge. Dagegen sprechen aber bereits das in Art. 6 Abs. 6 RFRL vorausgesetzte Verständnis des „legalen Aufenthalts“ und der dort vorgenommenen ausdrücklichen Abgrenzung zur „Rückkehrentscheidung“. Entscheidend für ein Verständnis im Sinne eines allein formell zu verstehenden illegalen Aufenthalts spricht die Begründung des Kommissionsentwurfs (vgl. KOM/2005/ 0391endg vom 1.9.2005). Hiernach ist der Befund eindeutig. Unter I 3 Ziffer 12 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Regelungsgegenstand der Richtlinie nicht die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung/Sicherheit sei. Unter I 4 wird zu „Kapitel II“ weiter dargelegt, die Vorschriften der Richtlinie seien auf jede Art von illegalem Aufenthalt anwendbar (z.B. Ablauf eines Visums, Ablauf eines Aufenthaltstitels, Widerruf oder Rücknahme eines Aufenthaltstitels, endgültige Ablehnung eines Asylantrags, Aberkennung des Flüchtlingsstatus, illegale Einreise). Nicht Gegenstand seien die Gründe und Verfahren für die Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts. Für dieses Verständnis spricht auch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 3 lit. b) EG. Im Übrigen entspricht der im Gesetzgebungsverfahren neu eingefügte Verweis auf Art. 5 SDK sachlich dem früheren Verweis auf Art. 5 SDÜ, der auch materielle Regelungen enthielt. Demzufolge stellen auch Widerruf, Rücknahme oder nachträgliche Befristung keine Rückkehrentscheidung dar.
89 
Ausgehend hiervon war der Beklagte unionsrechtlich nicht gehalten, von vornherein von Amts wegen eine Befristung der Ausweisung auszusprechen.
90 
Eine Befristung war auch nicht aus sonstigen Gründen der Verhältnismäßigkeit auszusprechen, namentlich um dem Kläger eine Rückkehrperspektive zu eröffnen. Zum einen bestünde eine solche im Falle des ledigen Klägers nach Erlöschen des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts ohnehin nicht. Zum anderen besteht gegenwärtig keine tatsächlich ausreichend gesicherte Grundlage für eine solche Entscheidung, da eine sachgerechte Prognose, dass überhaupt und ggf. wann der Ausweisungsanlass entfallen sein wird, nicht angestellt werden kann. Es wäre unauflöslich widersprüchlich, im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung das Vorliegen der (hohen) Ausweisungsvoraussetzungen anzunehmen und gleichzeitig eine sachgerechte Prognose anstellen zu wollen, dass diese mit hinreichender Sicherheit bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt entfallen sein werden. Daher hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch fehlerfrei vorsorglich eine Befristung abgelehnt. Wenn die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG für den Fall einer auf einer strafgerichtlichen Verurteilung beruhenden Ausweisung eine Überschreitung der Fünfjahresfrist zulässt, ohne dass dieses von bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen abhängig gemacht wird, so ist dem die Option immanent, ausnahmsweise von der Setzung einer Frist abzusehen, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine Frist sachgerecht und willkürfrei überhaupt nicht bestimmt werden kann. Zur Klarstellung weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass diese nationale Vorgabe, da es sich bei der Ausweisung schon keine Rückkehrentscheidung handelt, keine Umsetzung des Unionsrechts darstellt, weshalb insoweit auch keine Entscheidung von Amts wegen getroffen werden muss (anders für eine allein generalpräventiv begründete Ausweisung nunmehr BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11).
91 
Wollte man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie qualifizieren, so hätte der nationale Gesetzgeber hier von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht und die formellen wie materiellen Befristungsvorgaben des Art. 11 Abs. 2 RFRL ohne Verstoß gegen Unionsrecht nicht in nationales Recht umgesetzt. Die Tatsache, dass er gleichwohl das nationale Recht insoweit gegenüber der früheren Rechtslage modifiziert und auch dem Grundsatz nach bei strafgerichtlichen Verurteilungen eine Fünfjahresfrist vorgegeben hätte, die im Einzelfall überschritten werden darf, stellt kein unzulässiges teilweises Gebrauchmachen von der Opt-Out-Klausel dar, sondern nur die Wahrnehmung eines eigenständigen nationalen Gestaltungsspielraums (a.A. wohl OVGNW, Urteil vom 13.12.2011 - 12 B 19.11 - juris).
92 
Abgesehen davon könnte, wenn wie hier eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 RFRL vorliegt – nicht anders als im nationalen Recht – im Ausnahmefall die Bestimmung einer Frist vorläufig unterbleiben, sofern, wie bereits oben ausgeführt, eine solche gegenwärtig nicht bestimmt werden kann. Der Beklagte hätte daher, wie dargelegt, zu Recht von einer Bestimmung abgesehen, wenn man die vom Senat nicht geteilten Auffassung verträte, dass hier Art. 11 Abs. 2 RFRL uneingeschränkt anzuwenden wäre.
IV.
93 
Die vom Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 und 5 AufenthG. Bereits aus deren Begründung ergibt sich hinreichend deutlich, dass sie nur für den Fall des Eintritts der Unanfechtbarkeit Geltung beanspruchen soll. Im Übrigen hat der Beklagte dies in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich klargestellt.
94 
Im Zusammenhang mit dem Erlass der Abschiebungsandrohung war auch im Hinblick auf unionsrechtliche Vorgaben keine Entscheidung über die Befristung eines mit einer späteren Abschiebung einhergehenden Einreiseverbots zu treffen.
95 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11) hierzu ausgeführt:
96 
„Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
97 
Zur Klarstellung seiner Ausführungen im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 – juris Rn. 83) weist der Senat auch darauf hin, dass die oben (vgl. III.) dargestellte Einschränkung hinsichtlich strafgerichtlicher Verurteilungen auch in Bezug auf die nach einer Ausweisung ergehende Rückkehrentscheidung und das mit ihr einhergehende Einreiseverbot selbst gilt, weil die Bundesrepublik Deutschland nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AufenthG nicht nur hinsichtlich der Folgewirkungen der Ausweisung, sondern auch hinsichtlich derer einer späteren Abschiebung insoweit von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht hat, die allgemein alle Fälle einer aufgrund bzw. infolge einer strafgerichtlichen Entscheidung eintretenden Rückehrpflicht betrifft.
98 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
99 
Die Revision wird zugelassen, weil die unter III. und IV. aufgeworfenen Fragen der Anwendung und Auslegung der Rückführungsrichtlinie Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
100 
Beschluss vom 10. Februar 2012
101 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
102 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 25.03.2011 - 3 K 2796/10 - geändert.

Der Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.10.2010 wird aufgehoben.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung und die Androhung der Abschiebung.
Er ist am … 1980 als jüngstes von sechs Kindern in Karlsruhe geboren und türkischer Staatsangehöriger. Seine Eltern und seine fünf älteren Schwestern leben noch heute in Deutschland. Sein Vater war bereits Mitte der 1970-er Jahre eingereist; bis zu seiner Verrentung war er als Arbeitnehmer tätig. Nach dem Besuch der Grund- und Hauptschule und einem Berufsvorbereitungsjahr erlangte der Kläger 1997 den Hauptschulabschluss. Eine Ausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur gab er Ende des zweiten Lehrjahres auf. In der Folge ging er wechselnden Tätigkeiten nach, zwischendurch war er arbeitslos. In den Jahren 2003 bis 2005 war der Kläger bei einer Firma in Karlsruhe angestellt, verlor die Arbeitsstelle jedoch wegen des Verlusts der Fahrerlaubnis. Danach war er längere Zeit arbeitslos. Ab Sommer 2008 war der Kläger als Geschäftsführer in einem Wettbüro des Ö.A. in Karlsruhe tätig. Er erhielt dafür unregelmäßige Zahlungen; die Arbeitsstelle war nicht angemeldet.
Ab dem 23.02.1996 war der Kläger im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.
Am 06.08.2001 heiratete er in der Türkei die türkische Staatsangehörige E.A., welche anschließend nach Deutschland zog. Die beiden gemeinsamen Kinder, der am 25.10.2002 geborene E. und die am 30.04.2004 geborene S. haben sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsangehörigkeit. Die Ehe wurde am 23.04.2010 geschieden. Die elterliche Sorge des Klägers ruhte zunächst aufgrund eines beim Amtsgericht Karlsruhe-Durlach geschlossenen Vergleichs vom 23.04.2010. Inzwischen hat der Kläger, welcher derzeit bei seinen Eltern wohnt, lediglich ein Umgangsrecht. Jedes zweite Wochenende, von Freitagabend bis Sonntag, und außerdem etwa die Hälfte der Schulferien verbringen die Kinder beim Kläger.
Seit 1996 ist der Kläger immer wieder im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln und wegen Straftaten wie Körperverletzung u.a. aufgefallen. Das Bundeszentralregister enthält Eintragungen ab dem Jahr 2000:
- Verurteilung vom 09.03.2000 durch das Amtsgericht Karlsruhe-Durlach wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen;
- Verurteilung durch Strafbefehl vom 04.02.2002 durch das Amtsgericht Karlsruhe wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 133 Fällen zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen;
- Verurteilung vom 30.06.2009 durch das Landgericht Karlsruhe wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und 10 Monaten.
Wegen der der Verurteilung vom 30.06.2009 zugrundeliegenden Straftat war der Kläger am 18.12.2008 in Untersuchungshaft genommen worden. Mit dem angeführten Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 30.06.2009 - 3 KLs 110 Js 41778/08 - wurden neben ihm auch die Mitangeklagten B.A., Ö.A. und E.G. der Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie der Mitangeklagte T.K. der Beihilfe zur Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Der Mitangeklagte B.A. wurde zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten, die Mitangeklagten Ö.A. sowie E.G. von drei Jahren und sechs Monaten und T.K. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde hinsichtlich T.K. zur Bewährung ausgesetzt. Die Angeklagten wurden außerdem verurteilt, an die Nebenklägerin N.G. Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,--EUR nebst Zinsen zu zahlen, wobei die seitens B.A. und dem Kläger bereits erbrachten Beträge in Höhe von 2.500,-- EUR (B.A.) bzw. 3.000,-- EUR (Kläger) auf den Schmerzensgeldbetrag anzurechnen seien. Das Urteil wurde nach Verwerfung unter anderem der Revision des Klägers am 10.12.2009 diesem gegenüber rechtskräftig.
Nach den Feststellungen im Strafurteil vom 30.06.2009 war der Kläger als Geschäftsführer in dem von Ö.A. betriebenen Wettbüro beschäftigt und hätte Anfang des Jahres 2009 als Teilhaber einsteigen sollen. B.A. war bei einer Automatenaufstellerfirma tätig und für die Wartung der im Wettbüro aufgestellten Spielautomaten zuständig. Das Opfer der Straftaten, N.G., war auf Empfehlung des B.A. seit September 2008 als Aushilfe angestellt. Nachdem am 29.11.2008 zwischen 2.00 Uhr und 2.30 Uhr in das Wettbüro eingebrochen und aus Spielautomaten und einem offenen Tresor insgesamt Bargeld in Höhe von etwa 2.500,-- EUR entwendet worden war, verdächtigten die Angeklagten die im Wettbüro angestellte N.G. und deren Freund der Beteiligung an dem Einbruch. Anlass war unter anderem, dass ein Augenzeuge etwa zum Zeitpunkt des Einbruchs ein Auto bemerkt hatte, das dem des Freundes von N.G. ähnelte. Außerdem hatte N.G. wenige Stunden nach dem Einbruch per SMS mitgeteilt, sie könne am Morgen nicht zur Arbeit erscheinen, weil ihr Schwiegervater gestorben sei, was aber - wie sich nach und nach herausstellte - tatsächlich nicht stimmte. Um N.G. zu einem Geständnis zu zwingen, brachten die fünf Angeklagten diese am 30.11.2008 gegen 12.30 Uhr dazu, mit ihnen in den Keller des Wettbüros zu gehen. Dort versetzte B.A. dieser zunächst zwei derart heftige Ohrfeigen, dass sie ein Loch im linken Trommelfell erlitt. Danach hielt B.A. ihr eine von ihm - ohne Wissen der anderen - mitgeführte, nicht ausschließbar ungeladene Schreckschusswaffe, die er zuvor mehrfach durchgeladen hatte, an die Stirn, so dass N.G. befürchtete, erschossen zu werden, und Todesangst verspürte. Unter Ausnutzung der Todesangst von N.G. versuchten die Angeklagten in den nächsten Stunden - allerdings vergeblich -, von dieser ein Geständnis zu erpressen. B.A. drückte ihr ein Kissen auf das Gesicht und tat so, als ob er dieses als Schalldämpfer verwenden würde. B.A. oder E.G. drohten später damit, N.G. mit einer Handsäge einen Finger abzusägen. Als N.G. darum bat, auf Toilette gehen zu dürfen, wurde ihr dies mit dem Hinweis verweigert, sie solle „in die Hose pissen“. Bei diesen Übergriffen und Bedrohungen leistete T.K. lediglich psychische Beihilfe, während die anderen aktiv beteiligt waren. Nachdem B.A. und E.G. zwischen 14.30 Uhr und 15.00 Uhr den Keller verlassen hatten, wurde N.G. gegen 16.00 Uhr von Ö.A., dem Kläger und T.K. freigelassen und von T.K. nach Hause gefahren. N.G. leidet noch heute erheblich unter den psychischen Folgen der Tat. Bezüglich der Strafzumessung wird in dem Urteil des Landgerichts Karlsruhe hinsichtlich des Klägers unter anderem dargelegt: Die Kammer sei davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB vorlägen, weil sich der Kläger ernsthaft darum bemüht habe, einen Ausgleich mit der Geschädigten N.G. zu erreichen, um seine Tat wieder gutzumachen. So habe er bereits am 05.02.2009 über seinen Verteidiger der anwaltlichen Vertreterin der Geschädigten einen Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 3.000,-- EUR zur Verfügung gestellt, den diese auch angenommen habe. Er habe zudem in der Hauptverhandlung ein umfassendes Geständnis abgelegt und dadurch gezeigt, dass er bereit sei, die Verantwortung für seine Tat in vollem Umfang zu übernehmen. Weiter sei die Kammer davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen der tätigen Reue im Sinne von §§ 239b Abs. 2, 239a Abs. 4 StGB vorliegen, weil der Kläger N.G. unter Verzicht auf die Weiterverfolgung des Nötigungsziels in ihren Lebenskreis habe zurückgelangen lassen. Die Kammer habe geprüft, ob die Annahme eines minderschweren Falles gemäß §§ 239b Abs. 2, 239a Abs. 2 StGB in Betracht komme. Dafür spreche, dass der Kläger bereits im Ermittlungsverfahren ein umfassendes Geständnis abgelegt und dieses in der Hauptverhandlung aufrechterhalten habe, wobei das Geständnis ersichtlich von Einsicht und Reue getragen gewesen sei. Wenn der Kläger nicht aus freien Stücken eingeräumt hätte, dass er am Vorabend der Tat die Idee gehabt habe, N.G. im Rahmen der für den kommenden Tag vorgesehenen Befragung zwei oder drei Ohrfeigen zu versetzen, hätte ihm dies nicht nachgewiesen werden können. Für einen minderschweren Fall sprächen auch die familiären Bindungen des Klägers an seine Ehefrau und seine beiden Kinder. Andererseits sei er bereits mehrfach, auch einschlägig wegen Gewaltdelikten, vorbestraft, wobei die Kammer nicht übersehen habe, dass die letzte Vorverurteilung im Jahr 2002 erfolgt sei und die letzte einschlägige Verurteilung noch länger zurückliege. Weiter spreche gegen das Vorliegen eines minderschweren Falls, dass der Kläger bereits Jugendarrest verbüßt habe, er am Vorabend Initiator der Tat und der beabsichtigten Gewaltanwendung in Form von Ohrfeigen gewesen sei, er bei der Tatbegehung verbal die Hauptrolle übernommen und - trotz eines entsprechenden Hinweises durch die Polizei am Abend des 29.11.2008, dies zu unterlassen, - Selbstjustiz geübt habe, er tateinheitlich zum Verbrechen der Geiselnahme ein Vergehen der gefährlichen Körperverletzung begangen habe und durch die Tatbegehung bei der Geschädigten N.G. nicht nur ein erheblicher körperlicher Schaden eingetreten sei, sondern vor allem massive psychische Auswirkungen vorhanden seien. Unter Abwägung aller für und gegen den Kläger sprechenden Umstände sei die Kammer davon überzeugt, dass der vorliegende Fall nicht in einem solchen Maß vom Normalfall der Geiselnahme abweiche, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens der §§ 239b Abs. 2, 239a Abs. 2 StGB angezeigt gewesen wäre. Nur unter Berücksichtigung der weiteren vertypten Strafmilderungsgründe des § 46a Nr. 1 StGB und der tätigen Reue gemäß §§ 239b Abs. 2, 239a Abs. 4 StGB sei es nach Überzeugung der Kammer möglich, das Vorliegen eines minderschweren Falles zu bejahen.
Im Anschluss an die Untersuchungshaft verbüßte der Kläger vom 10.12.2009 bis zu seiner Entlassung am 30.04.2012 Strafhaft, ab dem 12.03.2010 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bruchsal. Zwei Drittel der Strafe waren am 07.03.2012 verbüßt, Endstrafentermin wäre der 17.10.2013 gewesen. In dieser Zeit erhielt der Kläger regelmäßig Besuch von seinen Kindern - zunächst noch in Begleitung von seiner Ehefrau, später als Langzeitbesuch in Begleitung von seinen Eltern - sowie von anderen Verwandten. Er arbeitete regelmäßig und übernahm auch anstaltsinterne Hilfstätigkeiten ("Kammerschänzer" bzw. "Hilfsschänzer"). Vom 21.06.2010 bis zum 08.10.2010 nahm er an einem Qualifizierungsprogramm zur Logistikfachkraft mit sehr gutem Erfolg teil, vom 11.10.2010 bis zum 17.12.2010 besuchte er den IHK-Lehrgang EDV-Anwendungen (PC-Kurs) und schloss diesen ebenfalls erfolgreich ab. Außerdem nahm er vom 15.09.2010 bis zum 20.12.2010 an einem Anti-Gewalt-Training teil.
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Bereits mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.10.2010 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Außerdem wurde ihm die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen Staat angedroht (Ziff. 2 und 3). Zur Begründung wurde dargelegt: Es sei davon auszugehen, dass der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 innehabe. Deshalb sei seine Ausweisung nur im Ermessenswege nach § 55 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG und unter Berücksichtigung von Art. 14 ARB 1/80 denkbar. Er genieße besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, weil er eine Niederlassungserlaubnis besitze und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Dem Ausweisungsanlass komme ein besonderes Gewicht zu, weil die von ihm aufgrund von Selbstjustiz begangene Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung ausgesprochen schwer wiege. Vom Bestehen einer Wiederholungsgefahr sei auszugehen. Die vom Kläger begangene Straftat verdeutliche eindrucksvoll, dass dieser ein erhebliches Maß an krimineller Energie besitze, welches bei verständiger Würdigung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände der Tatbegehung die Grenzen der Bagatellkriminalität bei weitem überschreite. Massive körperliche und psychische Schädigungen des Opfers seien bei der Straftat billigend in Kauf genommen worden. Der gesamte Geschehensablauf unterstreiche, dass der Kläger ein ausgesprochen hohes Aggressionspotential besitze und über eine gesteigert rücksichtslose Einstellung gegenüber Dritten verfüge. Bei Verurteilungen wegen Gewalttaten, zu denen die Geiselnahme und die gefährliche Körperverletzung gehörten, seien an die Wahrscheinlichkeit weiterer Straftaten nur geringe Anforderungen zu stellen. Die Ausländerbehörden übten hier ihr Ermessen einwandfrei aus, wenn sie sich darauf stützten, dass eine Wiederholungsgefahr (im weiteren Sinne) nicht ausgeschlossen werden könne. Die Ausweisung sei auch verhältnismäßig. Der Kläger sei im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen und im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Sein langjähriger und rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland wiege deshalb im Rahmen der Prüfung der Ausweisung besonders schwer. Er könne diese jedoch im Ergebnis nicht verhindern. Die elterliche Sorge über die Kinder ruhe aus tatsächlichen Gründen. Die Ehe sei geschieden worden. Beruflich sei es dem Kläger nicht gelungen, sich im Bundesgebiet zu integrieren. Er spreche noch die Sprache seines Heimatlandes. Auch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK stünden der Ausweisung nicht entgegen. Im Übrigen könnte er auch einen Antrag auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung stellen. Dem Umstand, dass der Kläger ein Assoziationsrecht aus Art. 7 ARB 1/80 genieße, sei bereits insoweit Rechnung getragen worden, als über seine Ausweisung im Ermessenswege entschieden und keine generalpräventive Motivation zugrundegelegt worden sei. In seinem Fall liege auch eine tatsächliche und hinreichende Gefährdung vor, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.
11 
Am 15.10.2010 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage, zu deren Begründung er im Wesentlichen vortrug: Er sei im Bundesgebiet geboren. Er akzeptiere die Verurteilung wegen der Straftat als in der Sache vollauf gerechtfertigt. Er schäme sich dieser Straftat. Er habe, obzwar Haupttäter, mit dem Tatopfer schließlich Mitleid gehabt und vollumfänglich gestanden, wobei er von sich aus sogar eingeräumt habe, dass die Tat bereits am Vorabend geplant worden sei. Eine Wiederholungsgefahr sei deshalb zu verneinen. Das zeige nun auch der beanstandungsfreie Haftverlauf. Schließlich sei vermerkt, dass das Wohl seiner Kinder der Ausweisung widerspreche. Wegen des ihm zustehenden Assoziationsrechts seien zudem alle Umstände zu berücksichtigen, darunter auch die Gefahr, durch eine Ausweisung seine Resozialisierung zu gefährden. Der Kläger sei im Bundesgebiet aufgewachsen. Deutsch sei seine Muttersprache. Hier lebe seine ganze Familie. Allein und ohne ausreichende Sprachkenntnisse käme er in der Türkei nicht zurecht. Im Übrigen entbehre die Ausweisung auch der gebotenen Befristung.
12 
Das beklagte Land trat der Klage unter Verweis auf den angefochtenen Bescheid entgegen.
13 
Mit Urteil vom 25.03.2011 - 3 K 2796/10 - wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und führte aus: Prüfungsmaßstab für die angefochtene Ausweisung sei § 55 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80. Der Kläger erfülle die Voraussetzungen des Art. 7 Satz 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80, weil sein Vater dem regulären deutschen Arbeitsmarkt angehört habe. Diese Rechtsposition habe der Kläger auch nicht verloren. Weder entfalle das Recht mit Eintritt der Volljährigkeit noch durch die Verbüßung einer Untersuchungs- bzw. Strafhaft. Er könne daher nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Diese Schwelle werde hier erreicht. Hierbei fielen insbesondere die schwerwiegenden psychischen Folgen der begangenen Straftat für das Opfer ins Gewicht. Beim Kläger bestehe auch eine konkrete Wiederholungsgefahr. Bei Verurteilungen wegen Gewalttaten seien an die Wahrscheinlichkeit weiterer Straftaten nur geringe Anforderungen zu stellen, so dass es genüge, dass eine Wiederholungsgefahr nicht ausgeschlossen werden könne. Hiervon sei beim Kläger aufgrund der bei Deliktbegehung gezeigten hohen kriminellen Energie auszugehen. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Das Regierungspräsidium habe auch die von Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und Art. 8 EMRK geschützten Belange der Achtung des Privat- und Familienlebens in die Betrachtung eingestellt und abgewogen. Die Abschiebungsandrohung sowie die gesetzte Ausreisefrist begegneten ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
14 
Am 20.04.2011 hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt und diese unter Stellung eines Antrags begründet: Die angegriffene Ausweisung verkenne den maßgeblichen Gefahrenbegriff. Unzutreffend bejahe die erste Instanz eine Wiederholungsgefahr. Im Übrigen sei die Ausweisung auch verfahrensfehlerhaft ergangen, weil kein Vorverfahren durchgeführt worden sei. Die „Standstill-Klausel“ gebiete die weitere Anwendung von Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG, welcher die Beteiligung einer unabhängigen Stelle vorschreibe. Soweit von Seiten des Regierungspräsidium die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit bei dem Strafverfahren betont worden sei, rechtfertige dieser Gesichtspunkt keine Ausweisung. Schließlich seien generalpräventive Erwägungen unzulässig. Mit Schriftsatz vom 24.09.2012 wird ergänzend vorgetragen: Der Kläger sei inzwischen aufgrund eines positiven kriminalprognostischen Gutachtens aus der Haft entlassen worden. Er wohne wieder bei seinen Eltern und befinde sich in der Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, die er schon im offenen Strafvollzug begonnen habe. Diese solle im Februar 2014 abgeschlossen sein.
15 
Nachdem das Regierungspräsidiums Karlsruhe in der mündlichen Verhandlung die Sperrwirkungen der Ausweisung vom 12.10.2010 auf achtzehn Monate befristet hat, beantragt der Kläger,
16 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 25.03.2011 - 3 K 2796/10 - zu ändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.10.2010 aufzuheben,
17 
hilfsweise: das beklagte Land zu verpflichten, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG bezeichneten Wirkungen der Ausweisung auf sofort zu befristen.
18 
Das beklagte Land beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Es trägt ergänzend vor: Die Ausweisung sei nicht wegen Verstoßes gegen das "Vier-Augen-Prinzip" formell rechtswidrig. Auch in Anbetracht der Tatsache, dass die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe inzwischen - mit Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 25.04.2012 - zur Bewährung ausgesetzt worden sei, werde an der Ausweisung festgehalten. Die Anforderungen des Art. 14 ARB 1/80 seien nach wie vor gegeben. Der Kläger habe nach zahlreichen Bewährungsstrafen in seiner Jugend die zur Verurteilung gekommene schwere Straftat begangen, bei der er erneut ein massives Gewaltpotential offenbart habe. Das im geschützten Raum der JVA gezeigte beanstandungsfreie Verhalten und der Bewährungsbeschluss sowie das diesem zugrundeliegende kriminalprognostische Gutachten seien nicht geeignet, mit der erforderlichen Sicherheit zu belegen, dass eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung in einer überschaubaren Zeit nicht mehr gegeben sei. Die „Geiselnahme von Durlach“ habe großes Medienecho und eine erhebliche Betroffenheit in der Bevölkerung ausgelöst - von der enormen seelischen Verletzung des Opfers ganz zu schweigen.
21 
Mit Beschluss des Senats vom 30.05.2011 wurde auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Berufungsverfahrens angeordnet; mit Schriftsatz des beklagten Landes vom 30.01.2012 wurde es wiederangerufen.
22 
Über das Verhalten des Klägers in der Justizvollzugsanstalt wurde in einer Fortschreibung des Vollzugsplans durch die JVA Bruchsal vom 12.05.2011 unter anderem dargelegt: Bei weiterhin positivem Vollzugsverlauf werde von einer Entlassung auf Bewährung zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt ausgegangen. Der Kläger solle im September 2011 in die offene Abteilung verlegt werden. Sein Verhalten sei bislang nicht zu beanstanden gewesen. Er werde als freundlich, zugänglich und höflich beschrieben. Er habe zwar nicht am BPG-Programm, einem Behandlungsprogramm für Gewalttäter, teilgenommen, aber an einem Anti-Gewalt-Training. Seinen Angaben nach habe er lediglich bis 2005 „weiche Drogen“ konsumiert. Im Zeitraum von Juni 2010 bis September 2010 habe er seine Drogenabstinenz unter Beweis stellen können. Seine Bezugspersonen seien seine fünf älteren Schwestern sowie seine Eltern und zahlreiche weitere Familienmitglieder. Seine Ehefrau habe inzwischen das Scheidungsverfahren eingeleitet; sie habe einen neuen Freund aus Stuttgart. Er wolle den Kontakt zu seinen Kindern nicht verlieren und kämpfe um das Sorge- bzw. Umgangsrecht. In Stellungnahmen der JVA Bruchsal gegenüber der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 20.10.2011 und vom 05.01.2012 wurde ergänzend berichtet: Der Kläger habe sich im geschlossenen wie auch im offenen Vollzug vorbildlich verhalten und erfolgreich am Vollzugsziel mitgearbeitet. Am 16.06.2011 sei er in die offene Abteilung verlegt worden. Ihm sei angeraten worden, die abgebrochene Ausbildung zum Sanitärinstallateur wieder aufzunehmen. Nach dreitägigem Probearbeiten habe er eine Lehrstelle bei der Firma Sch. erhalten und zum 01.09.2011 die Ausbildung dort aufgenommen. Der Arbeitgeber sei äußerst zufrieden. Der Kläger habe auch nach Verlegung in die offene Abteilung kontinuierlich an den ambulanten Gesprächen des Vereins für Jugendhilfe Karlsruhe e.V. (Antiaggressionstraining) teilgenommen. Vollzugslockerungen seien ohne Beanstandungen beim Vater des Klägers verbracht worden. Von einer Begutachtung könne abgesehen werden. Der Kläger scheine von seiner Inhaftierung nachhaltig beeindruckt. Es werde nicht angenommen, dass er erneut strafrechtlich in Erscheinung treten werde.
23 
Zur Vorbereitung der Entscheidung über die Aussetzung der Reststrafe holte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Karlsruhe ein kriminalprognostisches Gutachten der Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie - Zentrum für Psychiatrie - Wiesloch ein. Das daraufhin erstattete Gutachten von Herrn Dr. Sp..., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, und Herrn S..., Facharzt für Psychiatrie, vom 03.03.2012 kommt zu dem Ergebnis, dass aus gutachterlicher Sicht die durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit beim Kläger nicht mehr fortbestehe. Der Kläger sei zwar mehrfach vorbestraft wegen Diebstahls-, Körperverletzungs- und Verkehrsdelikten sowie unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln. In den Jahren nach 2000 scheine es aber zu einer Stabilisierung gekommen zu sein. Mit der der Verurteilung zugrundeliegenden Straftat sei er erstmals mit einem schweren Delikt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Dabei habe es sich um ein Tatgeschehen gehandelt, welches sich in einer spezifischen Gruppendynamik abgespielt habe. Insofern komme den situativen Gegebenheiten (Empörung über die vermeintliche Untreue einer Angestellten, Dynamik der Tätergruppe) eine hohe Bedeutung bei dem deliktischen Geschehen zu. Der Kläger habe bereits bei der ersten Vernehmung durch die Polizei seine eigene Rolle bei dem Geschehen umfassend eingeräumt und im Wesentlichen nicht versucht, seinen Anteil am Tatgeschehen herunterzuspielen oder zu bagatellisieren. Es sei spürbar, dass er sich mit der Tat auseinandergesetzt habe und sich für sein damaliges Verhalten schäme. In der Gesamtwürdigung überwögen die prognostisch günstigen Aspekte bei weitem. Mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer der Landgerichts Karlsruhe vom 25.04.2012 wurde die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 30.06.2009 zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde auf vier Jahre festgesetzt; der Kläger wurde der Leitung und Aufsicht eines Bewährungshelfers unterstellt. Außerdem erhielt er die Weisung, bei seinem Vater Wohnung zu nehmen und seine Ausbildung bei der Firma Sch. in Karlsruhe fortzusetzen. Daraufhin wurde der Kläger am 30.04.2012 aus dem Strafvollzug entlassen.
24 
In einem Bericht der Bewährungshelferin vom 18.09.2012 wird ausgeführt: Der Kläger bewohne ein Zimmer im Haushalt seiner Eltern. Er befinde sich weiter bei der Firma Sch. in Ausbildung, voraussichtlich bis Frühjahr 2014. Er äußere, dass er sich dort sehr wohl fühle und ihm die Arbeit Freude mache. Die Berufsschule könnte noch besser laufen, er habe vor, viel zu lernen. Er verfüge über eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 680,-- EUR brutto. Bis zum Ende der Ausbildung sei er vom Jugendamt vorübergehend von den Unterhaltszahlungen für seine Kinder befreit. Seine Schulden beliefen sich auf rund 50.000,-- EUR, seit 2009 befinde er sich in Privatinsolvenz. Alle 14 Tage kämen die Kinder über das Wochenende von Freitag 18.00 Uhr bis Sonntag 19.00 Uhr zu ihm. Sämtliche Absprachen erfolgten mit Unterstützung des Jugendamtes. Der bisherige Bewährungsverlauf sei nicht zu beanstanden. In Gesprächen zeige sich der Kläger offen und mitteilsam.
25 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist der Kläger angehört worden; der Facharzt für Psychiatrie Herr S... vom Zentrum für Psychiatrie Wiesloch ist als Sachverständiger zur Erläuterung und Ergänzung des gegenüber dem Landgericht Karlsruhe erstatteten Gutachtens vom 03.03.2012 vernommen worden. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
26 
Dem Senat liegen die Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe über das Ausweisungsverfahren (ein Heft), ausländerrechtliche Akten der Stadt Karlsruhe (zwei Hefte), die Gefangenenpersonalakten der JVA Bruchsal (3 Hefte), die Strafakten betreffend das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 30.06.2009 - 3 KLs 110 Js 41778/08 - (8 Hefte), das Bewährungsheft des Landgerichts Karlsruhe - 15 BWL 73/12 - und Akten des Amtsgerichts Karlsruhe-Durlach über Strafverfahren wegen Körperverletzung u.a. - 1 Cs 170 Js 6911/06 - und wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung - 1 Cs 250 Js 39507/03 - sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe über das Klageverfahren - 3 K 2796/10 - vor. Diese waren ebenso wie die Akten über das Berufungsverfahren - 11 S 278/12 - Gegenstand der mündlichen Verhandlung; hierauf wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
27 
Die aufgrund der Zulassung durch das Verwaltungsgericht insgesamt statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und formell ordnungsgemäß begründete (vgl. § 124a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO) Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 25.03.2011 (3 K 2796/10) hat bereits mit dem Hauptantrag Erfolg. Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.10.2010 ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - InfAuslR 2008, 156, und vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - juris) begründet. Die darin unter Ziffer 1 verfügte Ausweisung und die Abschiebungsandrohung unter Ziffern 2 und 3 sind rechtswidrig und verletzen dadurch den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
A)
28 
Die Ausweisung ist zwar entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht formell rechtswidrig, sie ist aber wegen materieller Rechtsfehler aufzuheben.
I.
29 
Rechtsgrundlage sind hier die §§ 55 Abs. 1, 56 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19.09.1980 - ARB 1/80. Denn der Kläger hat - wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 inne, welche er auch nicht durch die mehrjährige Inhaftierung verloren hat. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil vom 25.03.2011 verwiesen.
30 
Die Tatsache, dass die Kinder des Klägers deutsche Staatsangehörige sind, begründet keinen weitergehenden unionsrechtlichen Ausweisungsschutz (vgl. hierzu EuGH, Urteile vom 05.05.2011 - Rs. C-434/09, McCarthy - InfAuslR 2011, 268, und vom 15.11.2011 - Rs. C-256/11, Dereci - InfAuslR 2012, 47; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - NVwZ-RR 2012, 412).
II.
31 
Die Entscheidung des Regierungspräsidiums ist nicht - mit Blick auf die assoziationsrechtliche Rechtsstellung des Klägers - deshalb als verfahrensfehlerhaft anzusehen, weil keine „unabhängige zweite Stelle“ eingeschaltet bzw. kein Vorverfahren durchgeführt worden ist.
32 
Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers folgt ein Anspruch auf Durchführung eines Widerspruchsverfahrens insbesondere nicht aus dem in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 normierten „Vier-Augen-Prinzip“. Denn diese Richtlinie ist gemäß Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG vom 29.04.2004 (Unionsbürgerrichtlinie) mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden. Damit ist auch deren Art. 9 nicht mehr – entsprechend – auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige anzuwenden (vgl. zur früheren Anwendung des „Vier-Augen-Prinzips“ BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - InfAuslR 2006, 110). Geltende unionsrechtliche Verfahrensgarantien begründen ebenfalls nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen. Aus den so genannten "Stillhalteklauseln" folgt keine andere Betrachtung. Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens. Im Übrigen gebietet Unionsrecht auch bei Ausweisungen von Unionsbürgern keine behördliche Kontrolle mehr nach dem "Vier-Augen-Prinzip" (vgl. stattdessen Art. 31 Abs. 1 Unionsbürgerrichtlinie; vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 10.07.2012, a.a.O.; Senatsurteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -NVwZ-RR 2012, 492).
III.
33 
Die Ausweisung ist jedoch materiell-rechtlich rechtswidrig. Der Kläger hat zwar aufgrund seiner Verurteilung durch das Landgericht Karlsruhe vom 30.06.2009 wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und 10 Monaten nach nationalem Recht den Tatbestand einer zwingenden Ausweisung nach § 53 Nr. 1 AufenthG erfüllt. Sie genügt aber nicht den besonderen Anforderungen des Art. 14 ARB 1/80 in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.
34 
1. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003, der so genannten Daueraufenthaltsrichtlinie, zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012, a.a.O.).
35 
Gemäß Art. 12 der Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. Senatsurteil vom 16.04.2012, a.a.O., m.w.N.; vgl. auch Bayer. VGH, Urteil vom 17.07.2012 - 19 B 12.417 - juris; zum Ausweisungsschutz vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2007 - C 349/06, Polat - juris). Soweit der Gerichtshof im Urteil vom 08.12.2011 in der Rechtssache Ziebell mehrmals erwähnt hat (a.a.O. Rn. 79, auch Rn. 46), dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält, wird damit keine zusätzliche Voraussetzung für die entsprechende Anwendung von Art. 12 der Richtlinie 2003/109/EG bestimmt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrundeliegende Tatsache wiedergegeben (vgl. dazu Senatsurteile vom 16.04.2012, vom 07.03.2012 und vom 10.02.2012, jew. a.a.O.).
36 
Bei der Prüfung einer entsprechenden Ausweisung ist zudem zu berücksichtigen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen sind, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann. Das bedeutet, dass Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden dürfen, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren. Eine solche Maßnahme kann daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention - um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken - angeordnet werden (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteile vom 08.12.2011, a.a.O., und vom 22.12.2010 - C-303/08, Bozkurt - NJW 2008, 2736, m.w.N.).
37 
2. Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Ausweisung bereits deshalb aus, weil vom Kläger keine relevante, d.h. mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit drohende, Gefahr der Wiederholung von einschlägigen Straftaten mehr ausgeht (a). Selbst wenn man eine entsprechende Wiederholungsgefahr noch bejaht, folgt daraus jedenfalls keine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Daueraufenthaltsrichtlinie und der angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (b).
38 
a) Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Akten und Unterlagen, insbesondere des von der Strafvollstreckungskammer im Verfahren auf Aussetzung der Reststrafe eingeholten, nachvollziehbaren und überzeugenden kriminalprognostischen Gutachtens vom 03.03.2012, der ergänzenden Erläuterungen des in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als Sachverständigen angehörten Gutachters sowie aufgrund der Angaben des Klägers zu der Überzeugung gelangt, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom Kläger nicht mehr die Gefahr der Wiederholung erheblicher Straftaten ausgeht.
39 
Bei der Prüfung, ob das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr darstellt, ist - anders als bei dem Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf das "Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“, abzustellen. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrundeliegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-482 und 493/01, Orfanopoulus und Oliveri - InfAuslR 2004, 268). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 04.10.2012 - 1 C 13.11 - juris, vom 10.07.2012, a.a.O., vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3, und vom 03.08.2004 - 1 C 30.02 - InfAuslR 2005, 18), der sich der Senat anschließt (vgl. auch Senatsurteil vom 23.10.2012 - 11 S 1470/12; einschränkend noch Senatsurteile vom 10.02.2012, a.a.O., und vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291), gelten bei Straftaten mit einer hervorgehobenen Bedeutung - wie der vorliegenden - für die im Rahmen tatrichterlicher Prognose festzustellende Wiederholungsgefahr eher geringere Anforderungen. Selbst wenn man danach einem differenzierten Wahrscheinlichkeitsmaßstab folgt, bedeutet dies aber nicht, dass bei hochrangigen Rechtsgütern bereits jede auch nur entfernte Möglichkeit eine Wiederholungsgefahr begründet (BVerwG, Urteil vom 10.07.2012, a.a.O., m.w.N.). Vielmehr müssen - wie bei Ausländern, denen besonderer Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 AufenthG zukommt (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 - InfAuslR 2005, 49, vom 11.06.1996 - 1 C 24.94 - InfAuslR 1997, 8; Senatsurteil vom 23.10.2012 - 11 S 1470/11) - Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in Zukunft eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft droht und damit von dem Betreffenden eine bedeutsame Gefahr ausgeht. Eine weitere Absenkung der maßgeblichen Erheblichkeitsschwelle in der Weise, dass die Betroffenen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hätten, dass die Begehung von Straftaten in Zukunft mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, würde diesen letztlich Unzumutbares, wenn nicht Unmögliches abverlangen.
40 
Im vorliegenden Fall kann zwar die Möglichkeit weiterer Straftaten, insbesondere von Gewaltdelikten, nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, sie erscheint aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als derart fernliegend, dass sie die in Ansehung des bestehenden Assoziationsrechts des Klägers erforderliche Erheblichkeitsschwelle nicht übersteigt.
41 
Zu Lasten des Klägers sind in diesem Zusammenhang allerdings zunächst die Schwere des begangenen Delikts und die konkrete Tatausführung zu berücksichtigen. Der Ausweisungsanlass - die begangene Straftat der Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung - ist besonders gravierend. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat in dem angefochtenen Bescheid außerdem zu Recht auf die besonderen Umstände der Straftat hingewiesen. Die Geiselnahme zog sich über dreieinhalb Stunden hin. Der Kläger und seine Mittäter haben dabei versucht, N.G. durch eine menschenunwürdige Befragung, insbesondere mit der Bedrohung, sie zu erschießen, wodurch diese in Todesangst versetzt wurde, dazu zu bringen, den angeblich unter Mitwirkung von ihr und ihrem Freund am Vortag begangenen Einbruch zu gestehen. Der Kläger selbst hatte am Vortag vorgeschlagen, N.G. zu befragen und ihr gegebenenfalls Ohrfeigen zu versetzen. Zwar hat dann der Haupttäter B.A. das Opfer geohrfeigt und nicht der Kläger. Auch hatte B.A. die Schreckschusspistole, mit der N.G. bedroht wurde, ohne Wissen der anderen mitgenommen. Die Mittäter schritten aber jedenfalls nicht gegen B.A. ein, sondern nutzten die durch dessen Vorgehen bewirkte Todesangst der N.G. weiter aus. Der Kläger bedrohte diese dann auch mit den Worten, dass sie nicht lebend aus dem Keller herauskommen würde, wenn sie die angebliche Straftat nicht zugeben würde. Nachdem B.A. den Keller verlassen hatte, befragten der Kläger, Ö.A. und T.K. das Opfer zunächst weiter, bevor sie dieses freiließen. Der Kläger nahm damit massive körperliche und psychische Schädigungen der N.G. billigend in Kauf. Wenn auch er und die verbliebenen Mittäter in der Folge von einer weiteren Tatausführung absahen, weshalb das Strafgericht von einer tätigen Reue ausgegangen ist, teilt der Senat die Einschätzung des Regierungspräsidiums, dass die Tat und die Tatumstände für ein erhebliches Maß an krimineller Energie des Klägers sprechen. Es handelt sich um eine besonders gravierende und mit einer erschreckenden Härte und Mitleidlosigkeit begangene Straftat (vgl. dazu auch das Urteil im Parallelverfahren des Ö.A. vom 23.10.2012 - 11 S 1470/11 -).
42 
Beim Kläger kommt erschwerend hinzu, dass er in der Vergangenheit bereits mehrmals wegen Gewalt- und Betäubungsmitteldelikten bestraft wurde, vor der Geiselnahme zuletzt durch Strafbefehl des Amtsgerichts Karlsruhe vom 04.02.2002 wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 133 Fällen. Bei den davor liegenden einschlägigen Verurteilungen wegen gefährlicher Körperverletzung vom 18.01.2001, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung vom 19.10.1998, sowie wegen gemeinschaftlicher Erpressung und versuchter Erpressung in Tateinheit mit Nötigung vom 28.03.1996 wurde jeweils Jugendstrafrecht angewandt.
43 
Selbst wenn man auch die lediglich im Jugendstrafregister eingetragenen Verurteilungen uneingeschränkt mit einstellt, ist aber heute davon auszugehen, dass keine Gefahr der Wiederholung entsprechender Straftaten mehr besteht. Dabei ist zunächst zu bedenken, dass die Geiselnahme inzwischen fast vier Jahre zurückliegt. Der Kläger war über drei Jahre lang in Untersuchungs- und Strafhaft, welche ihn erkennbar tief beeindruckt hat. Er hat während der Strafhaft an einem Anti-Gewalt-Training teilgenommen, diverse Aus- bzw. Weiterbildungsangebote angenommen und schließlich eine Lehre als Gas- und Wasserinstallateur begonnen, welche noch nicht abgeschlossen ist. Ausweislich des vom Kläger vorgelegten Zwischenzeugnisses seines Arbeitgebers vom 22.10.2012 ist dieser weiter sehr zufrieden mit seiner Arbeit. Er sei freundlich, pünktlich, vielseitig, flexibel und kundenorientiert. Der Kläger ist außerdem seit vielen Jahren nicht mehr drogen- oder spielsüchtig. Er hat enge Bindungen an seine Eltern, bei denen er zur Zeit wohnt, und an seine älteren Schwestern. Seine beiden Kinder, mit denen er jedes zweite Wochenende und die Hälfte der Schulferien verbringt, sind ihm sehr wichtig. Wegen seiner Schulden läuft seit mehreren Jahren ein Privatinsolvenzverfahren, aufgrund dessen damit zu rechnen ist, dass er bald schuldenfrei sein wird. Die Berichte der Justizvollzugsanstalt über sein Verhalten während der Strafhaft waren durchgehend positiv. Darin wird insbesondere geschildert, dass er als freundlich, zugänglich und höflich beschrieben werde, sich im offenen wie im geschlossenen Vollzug vorbildlich verhalten und erfolgreich am Vollzugsziel mitgearbeitet sowie am Arbeitsleben regelmäßig und verlässlich teilgenommen habe, nicht wegen Drogen aufgefallen sei und seine Drogenabstinenz auch unter Beweis habe stellen können. In einer Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft vom 20.10.2011 wird dargelegt, dass der Kläger von seiner Inhaftierung nachhaltig beeindruckt erscheine. Es werde nicht angenommen, dass er erneut straffällig werde.
44 
Auch das kriminalprognostische Gutachten vom 03.03.2012 kommt zu dem Ergebnis, dass aus gutachterlicher Sicht die durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit beim Kläger nicht mehr fortbestehe. Die Gutachter berücksichtigen dabei die Vorstrafen wegen Diebstahls-, Körperverletzungs- und Verkehrsdelikten sowie wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln, und weisen darauf hin, dass damals wohl Ansätze einer dissozialen Entwicklung bestanden haben könnten. In der Folge bis zu der Straftat Ende 2008 sei es jedoch zu einer zunehmenden Stabilisierung gekommen, die möglicherweise im Zusammenhang mit der Gründung einer Familie und der Geburt der Kinder zu sehen sei. Den bis dahin noch regelmäßigen Cannabiskonsum habe der Kläger aus eigenem Antrieb 2006 vollständig eingestellt, auch das Spielen habe er im gleichen Zeitraum beendet. Mit dem der Verurteilung zugrundeliegenden Delikt sei er erstmals mit einem schweren Delikt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Dabei habe es sich um ein Tatgeschehen gehandelt, welches sich in einer spezifischen Gruppendynamik abgespielt habe. Der Kläger habe zum damaligen Zeitpunkt einer Teilhaberschaft in dem Wettbüro entgegengesehen und sich dort in verantwortlicher Position gesehen. Er sei der festen Überzeugung gewesen, dass N.G. mit dem Einbruch in das Wettbüro zu tun gehabt habe, und habe sich subjektiv zunächst berechtigt gesehen, diese als quasi bei ihm Angestellte selbst einer diesbezüglichen Befragung zu unterziehen. Im Zuge des Geschehens sei es dann unter Mitwirkung der anderen Tatbeteiligten zu einer Dynamik gekommen, die vom Kläger in dieser Form ursprünglich gar nicht intendiert gewesen sein möge. Insgesamt sei festzuhalten, dass die Dynamik nicht ausschließlich der Initiative des Klägers anzulasten sei. Insofern komme den situativen Gegebenheiten (Empörung über die vermeintliche Untreue einer Angestellten, Dynamik der Tätergruppe) eine hohe Bedeutung bei dem deliktischen Geschehen zu. Daher knüpfe das zur Verurteilung führende Delikt nur in Teilen an die frühere Delinquenz des Klägers an, nämlich soweit der Wunsch, von den anderen durch sein Handeln Anerkennung und Geltung zu erlangen, auch eine Rolle gespielt haben möge. Der Kläger habe bereits bei der ersten Vernehmung durch die Polizei seine eigene Rolle bei dem Geschehen umfassend eingeräumt und im Wesentlichen nicht versucht, seinen Anteil am Tatgeschehen herunterzuspielen oder zu bagatellisieren. Auch habe er sich offensichtlich früh um eine partielle Wiedergutmachung gegenüber dem Opfer bemüht. Es sei spürbar, dass er sich mit der Tat auseinandergesetzt habe und sich für sein damaliges Verhalten schäme. Er habe sogar selbst angegeben, dass er der Meinung sei, mit seiner damaligen Wut auf das Opfer die Mittäter quasi „angeheizt“ zu haben. Insofern habe er Verantwortung für sein damaliges Handeln übernommen. Zusätzlich habe er die Möglichkeit genutzt, im Rahmen der Haft an einem spezifischen Gruppenprogramm für aggressive Gewalttäter teilzunehmen. Insgesamt sei beim Kläger von einer zufriedenstellenden Tataufarbeitung auszugehen, was als ein prognostisch günstiger Faktor zu werten sei. Er habe sich zudem während der Haftzeit beruflich weiter qualifiziert, um dadurch die Perspektiven für eine verbesserte soziale Integration nach einer möglichen Entlassung aus der Haft zu verbessern. Dabei sei ihm durchgängig eine hohe Arbeitsmotivation bescheinigt worden. Er habe sich außerdem bereits in umfangreichen Lockerungen bewähren können. Es sei im Rahmen der Begutachtung erkennbar gewesen, dass er ernsthaft daran interessiert sei, ein straffreies Leben zu führen und sich sozial und beruflich zu integrieren. Er verfüge über tragfähige soziale Bindungen, die sich in erster Linie auf seine Eltern und Schwestern bezögen. Spürbar sei geworden, dass er auch ein starkes Interesse an den regelmäßigen Kontakten zu seinen Kindern habe und diese nicht gefährden wolle. Die von ihm geschilderten beruflichen und sozialen Perspektiven erschienen realistisch und tragfähig. Für das Vorliegen einer erheblichen dissozialen Akzentuierung in der Persönlichkeit des Klägers fänden sich keine ausreichenden Hinweise. In der Gesamtwürdigung überwögen somit trotz der einschlägigen Vordelinquenz die prognostisch günstigen Aspekte bei weitem.
45 
Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als Sachverständiger angehörte Gutachter H. S... hat seine Prognose - nach Anhörung und Befragung des Klägers - weiter erläutert. Er hat überzeugend begründet, dass und warum gerade auch unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung des Klägers seit seiner Entlassung aus der Strafhaft nicht anzunehmen ist, dass von diesem noch eine relevante Gefahr der Begehung erheblicher Straftaten ausgeht. Zwar war ihm zum Zeitpunkt der Begutachtung nicht bekannt gewesen, dass gegen den Kläger auch wegen Vorfällen am 24.04.2003, am 24.12.2005, am 01.11.2006 und am 12.10.2008 strafrechtliche Ermittlungsverfahren bzw. Strafverfahren unter anderem wegen Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung liefen, welche eingestellt wurden. Er hat aber - nach Einsicht in die entsprechenden Akten bzw. Unterlagen - überzeugend dargelegt, dass dies im Ergebnis nicht zu einer anderen Einschätzung führt. Auf Nachfrage hat er allerdings erläutert, dass die Gefahr, dass eine Körperverletzung begangen werde, aufgrund der niedrigeren Hemmschwelle als größer einzuschätzen sei als die, dass der Kläger wieder ein schwereres Delikt wie die Geiselnahme begehen könnte. Der Gutachter hat aber deutlich gemacht, dass das Risiko der Begehung von Körperverletzungs- und Gewaltdelikten ebenfalls aufgrund der positiven Veränderungen geringer geworden sei - wenn es sich auch nicht ausschließen lasse. Für den Kläger sei maßgeblich der Wille, sein Leben zu ändern, in der Arbeit Fuß zu fassen, ein geregeltes Leben zu führen und regelmäßigen Kontakt zu seinen Kindern zu haben. Dies sei für ihn eine starke Motivation, sich nicht mehr in Situationen zu begeben, die zu körperlichen Auseinandersetzungen führen könnten.
46 
Dass der Kläger die Tat ernsthaft bereut und den festen Willen hat, den eingeschlagenen positiven Weg weiter zu gehen und nicht mehr straffällig zu werden, haben seine Angaben in der mündlichen Verhandlung glaubhaft verdeutlicht. Gerade wegen seiner starken Bindungen an seine Kinder, seine Eltern und Schwestern ist die Gefahr, dass ihm dies nicht gelingen könnte, als gering einzuschätzen. Die Bewährungshelferin berichtet über den bisherigen Bewährungsverlauf in ihrer Stellungnahme vom 18.09.2012 ebenfalls nur Positives.
47 
b) Selbst wenn man von einer - die maßgebliche Erheblichkeitsschwelle (gerade) noch übersteigenden - Wiederholungsgefahr ausginge, ist die Ausweisung hier unzulässig. Denn auch dann fehlt es an einer hinreichend schweren Gefahr für ein "Grundinteresse der Gesellschaft".
48 
Wie ausgeführt, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 08.12.2011, a.a.O., Rn. 85) bei der Entscheidung über eine Ausweisung von assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen bzw. bei der Überprüfung einer entsprechenden Entscheidung eine umfassende Abwägung der angeführten Belange vorzunehmen. Anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen ist die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abzuwägen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Der Gerichtshof betont, dass bei der Prüfung des Vorliegens einer hinreichend schweren Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft sämtliche konkreten Umstände angemessen zu berücksichtigen seien, die für die Situation des Betreffenden kennzeichnend sind. Dazu zählt er nicht nur Tatsachen, die von Relevanz für die kriminalprognostische Beurteilung sind, sondern unabhängig davon die persönlichen Umstände des Betreffenden, seine Bindungen zur Gesellschaft des Landes, in welchem er sich aufhält, die Dauer seines Aufenthalts in diesem, die familiären Verhältnisse, seine Berufstätigkeit u.a. (vgl. Urteil vom 08.12.2011. a.a.O., Rn. 85). Die Maßnahme muss für die Wahrung des Grundinteresses der Gesellschaft "unerlässlich" sein (EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O., Rn. 86), das bedeutet, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. Senatsurteil vom 10.02.2012, a.a.O., m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 10.07.2012, a.a.O.).
49 
aa) Nach diesen Grundätzen entspricht die Ausweisung hier schon deshalb nicht mehr einem Grundinteresse der Gesellschaft, weil mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Karlsruhe vom 25.04.2012 die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 30.06.2009 zur Bewährung ausgesetzt und der Kläger daraufhin am 30.04.2012 aus der Strafhaft entlassen worden ist.
50 
Nach der Rechtsprechung des Senats kommt einer Aussetzung der Reststrafe nach § 57 Abs. 1 und 2 StGB oder nach § 88 Abs. 1 und 2 JGG nicht nur eine Indizwirkung bei der Prüfung zu, ob von der Gefahr der Wiederholung von Straftaten auszugehen ist. Vielmehr hat diese bei Unionsbürgern und Assoziationsberechtigten regelmäßig zur Folge, dass eine Ausweisung ausscheiden muss (vgl. Senatsurteil vom 07.03.2012, a.a.O.). Denn mit der Aussetzung der Strafe bringt die Gesellschaft des Mitgliedstaats zum Ausdruck, dass sie um des Täters und seiner Resozialisierung willen - durchaus nicht risikofrei - bereit ist, diesem ein Leben in Freiheit, wenn auch zunächst mit gewissen Auflagen, zu ermöglichen. Es kann dann schwerlich einem Grundinteresse der gesamten Gesellschaft des Mitgliedstaats entsprechen, den Betroffenen gleichwohl vom eigenen Territorium zu entfernen und ihm die Chance einer Resozialisierung in dem Land, in dem er zuletzt gelebt hat, zu nehmen. Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn er in diesem Land längere Zeit gelebt und dort wesentliche Teile seiner Sozialisierung erfahren hat. Etwas anderes kann zwar gelten, wenn die Aussetzungsentscheidung sich als offenkundig fehlerhaft erweist oder aber infolge aktueller Entwicklungen überholt ist und damit keine zuverlässige Prognosegrundlage mehr abgeben kann. Das ist aber hier nicht der Fall. Aus den angeführten Gründen teilt der Senat vielmehr die Einschätzung des kriminalprognostischen Gutachtens vom 03.03.2012 und damit auch die dem Gutachten folgende Bewertung der Wiederholungsgefahr durch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Karlsruhe in deren Beschluss vom 25.04.2012.
51 
bb) Selbst wenn man dem Umstand, dass die Restfreiheitsstrafe aus dem Strafurteil vom 30.06.2009 zur Bewährung ausgesetzt worden ist, keine derart maßgebliche Bedeutung beimisst, scheidet eine Ausweisung hier aus. Denn die erforderliche Abwägung aller Umstände führt zu einem deutlichen Überwiegen der privaten Interessen des Klägers und der Interessen seiner Familienangehörigen, insbesondere seiner Kinder, gegenüber dem gesellschaftlichen Interesse an seiner Ausweisung.
52 
Dabei ist zunächst zu bedenken, dass selbst wenn in diesem Zusammenhang das Bestehen der Gefahr der Wiederholung weiterer Straftaten unterstellt wird, es allenfalls um eine relativ geringe, die erforderliche Erheblichkeitsschwelle gerade noch übersteigende Gefahr geht. Allerdings sind zu Lasten des Klägers unter anderem Art und Schwere der begangenen Straftat, die vor 2008, vor allem in seiner Jugend begangenen Delikte und die früher bestehende Drogen- und Spielsucht zu berücksichtigen. Für den Kläger, der sich seit seiner Geburt rechtmäßig in Deutschland aufhält, sprechen aber die bereits angeführten Umstände wie die weitgehend erreichte Resozialisierung und die dabei von ihm unternommenen Anstrengungen sowie die Tatsache, dass er eine Lehre durchführt. Seinem berechtigten Interesse an einem positiven und erfolgversprechenden Resozialisierungsverlauf in seinem „Geburtsland“ ist hier besonderes Gewicht beizumessen (vgl. zur Erforderlichkeit der Berücksichtigung eines positiven Resozialisierungsprozesses im Rahmen der Abwägung auch Senatsurteil vom 16.04.2012, a.a.O). Die insgesamt sehr erfolgversprechende Entwicklung des Klägers würde gefährdet, wenn er Deutschland verlassen müsste. Ausschlaggebend für das Überwiegen der privaten Interessen des Klägers und seiner Familie sind aber hier seine gefestigten Bindungen an seine Eltern, seine älteren Schwestern und vor allem an seine 2002 und 2004 geborenen deutschen Kinder. Dem tatsächlich gelebten regelmäßigen Umgang eines Elternteils mit einem Kind kommt eine erhebliche und weitreichende, durch Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK vermittelte Schutzwirkung zu (vgl. zu Art. 6 GG nur BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 09.01.2009 - 2 BvR 1064/08 - InfAuslR 2009, 150 und vom 22.12.2003 - 2 BvR 2108/00 - NVwZ 2004, 606, jew. m.w.N.), die durch dessen deutsche Staatsangehörigkeit noch verstärkt wird. Eine - wenn auch nur vorübergehende - Trennung hätte für die 2002 und 2004 geborenen Kinder erhebliche Auswirkungen. Die mit einer Ausweisung für den Kläger und dessen Familienangehörige, insbesondere für dessen Kinder, verbundenen Folgen sind deshalb auch mit Blick auf die Schutzwirkungen von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK als unverhältnismäßig anzusehen.
B)
53 
Unter diesen Umständen ist auch die im Bescheid vom 12.10.2010 verfügte Abschiebungsandrohung rechtswidrig und aufzuheben.
54 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
55 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
56 
Beschluss vom 26. Oktober 2012
57 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
58 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
27 
Die aufgrund der Zulassung durch das Verwaltungsgericht insgesamt statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und formell ordnungsgemäß begründete (vgl. § 124a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO) Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 25.03.2011 (3 K 2796/10) hat bereits mit dem Hauptantrag Erfolg. Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.10.2010 ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - InfAuslR 2008, 156, und vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - juris) begründet. Die darin unter Ziffer 1 verfügte Ausweisung und die Abschiebungsandrohung unter Ziffern 2 und 3 sind rechtswidrig und verletzen dadurch den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
A)
28 
Die Ausweisung ist zwar entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht formell rechtswidrig, sie ist aber wegen materieller Rechtsfehler aufzuheben.
I.
29 
Rechtsgrundlage sind hier die §§ 55 Abs. 1, 56 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19.09.1980 - ARB 1/80. Denn der Kläger hat - wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 inne, welche er auch nicht durch die mehrjährige Inhaftierung verloren hat. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil vom 25.03.2011 verwiesen.
30 
Die Tatsache, dass die Kinder des Klägers deutsche Staatsangehörige sind, begründet keinen weitergehenden unionsrechtlichen Ausweisungsschutz (vgl. hierzu EuGH, Urteile vom 05.05.2011 - Rs. C-434/09, McCarthy - InfAuslR 2011, 268, und vom 15.11.2011 - Rs. C-256/11, Dereci - InfAuslR 2012, 47; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - NVwZ-RR 2012, 412).
II.
31 
Die Entscheidung des Regierungspräsidiums ist nicht - mit Blick auf die assoziationsrechtliche Rechtsstellung des Klägers - deshalb als verfahrensfehlerhaft anzusehen, weil keine „unabhängige zweite Stelle“ eingeschaltet bzw. kein Vorverfahren durchgeführt worden ist.
32 
Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers folgt ein Anspruch auf Durchführung eines Widerspruchsverfahrens insbesondere nicht aus dem in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 normierten „Vier-Augen-Prinzip“. Denn diese Richtlinie ist gemäß Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG vom 29.04.2004 (Unionsbürgerrichtlinie) mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden. Damit ist auch deren Art. 9 nicht mehr – entsprechend – auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige anzuwenden (vgl. zur früheren Anwendung des „Vier-Augen-Prinzips“ BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - InfAuslR 2006, 110). Geltende unionsrechtliche Verfahrensgarantien begründen ebenfalls nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen. Aus den so genannten "Stillhalteklauseln" folgt keine andere Betrachtung. Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens. Im Übrigen gebietet Unionsrecht auch bei Ausweisungen von Unionsbürgern keine behördliche Kontrolle mehr nach dem "Vier-Augen-Prinzip" (vgl. stattdessen Art. 31 Abs. 1 Unionsbürgerrichtlinie; vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 10.07.2012, a.a.O.; Senatsurteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -NVwZ-RR 2012, 492).
III.
33 
Die Ausweisung ist jedoch materiell-rechtlich rechtswidrig. Der Kläger hat zwar aufgrund seiner Verurteilung durch das Landgericht Karlsruhe vom 30.06.2009 wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und 10 Monaten nach nationalem Recht den Tatbestand einer zwingenden Ausweisung nach § 53 Nr. 1 AufenthG erfüllt. Sie genügt aber nicht den besonderen Anforderungen des Art. 14 ARB 1/80 in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.
34 
1. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003, der so genannten Daueraufenthaltsrichtlinie, zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012, a.a.O.).
35 
Gemäß Art. 12 der Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. Senatsurteil vom 16.04.2012, a.a.O., m.w.N.; vgl. auch Bayer. VGH, Urteil vom 17.07.2012 - 19 B 12.417 - juris; zum Ausweisungsschutz vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2007 - C 349/06, Polat - juris). Soweit der Gerichtshof im Urteil vom 08.12.2011 in der Rechtssache Ziebell mehrmals erwähnt hat (a.a.O. Rn. 79, auch Rn. 46), dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält, wird damit keine zusätzliche Voraussetzung für die entsprechende Anwendung von Art. 12 der Richtlinie 2003/109/EG bestimmt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrundeliegende Tatsache wiedergegeben (vgl. dazu Senatsurteile vom 16.04.2012, vom 07.03.2012 und vom 10.02.2012, jew. a.a.O.).
36 
Bei der Prüfung einer entsprechenden Ausweisung ist zudem zu berücksichtigen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen sind, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann. Das bedeutet, dass Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden dürfen, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren. Eine solche Maßnahme kann daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention - um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken - angeordnet werden (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteile vom 08.12.2011, a.a.O., und vom 22.12.2010 - C-303/08, Bozkurt - NJW 2008, 2736, m.w.N.).
37 
2. Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Ausweisung bereits deshalb aus, weil vom Kläger keine relevante, d.h. mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit drohende, Gefahr der Wiederholung von einschlägigen Straftaten mehr ausgeht (a). Selbst wenn man eine entsprechende Wiederholungsgefahr noch bejaht, folgt daraus jedenfalls keine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Daueraufenthaltsrichtlinie und der angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (b).
38 
a) Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Akten und Unterlagen, insbesondere des von der Strafvollstreckungskammer im Verfahren auf Aussetzung der Reststrafe eingeholten, nachvollziehbaren und überzeugenden kriminalprognostischen Gutachtens vom 03.03.2012, der ergänzenden Erläuterungen des in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als Sachverständigen angehörten Gutachters sowie aufgrund der Angaben des Klägers zu der Überzeugung gelangt, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom Kläger nicht mehr die Gefahr der Wiederholung erheblicher Straftaten ausgeht.
39 
Bei der Prüfung, ob das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr darstellt, ist - anders als bei dem Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf das "Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“, abzustellen. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrundeliegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-482 und 493/01, Orfanopoulus und Oliveri - InfAuslR 2004, 268). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 04.10.2012 - 1 C 13.11 - juris, vom 10.07.2012, a.a.O., vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3, und vom 03.08.2004 - 1 C 30.02 - InfAuslR 2005, 18), der sich der Senat anschließt (vgl. auch Senatsurteil vom 23.10.2012 - 11 S 1470/12; einschränkend noch Senatsurteile vom 10.02.2012, a.a.O., und vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291), gelten bei Straftaten mit einer hervorgehobenen Bedeutung - wie der vorliegenden - für die im Rahmen tatrichterlicher Prognose festzustellende Wiederholungsgefahr eher geringere Anforderungen. Selbst wenn man danach einem differenzierten Wahrscheinlichkeitsmaßstab folgt, bedeutet dies aber nicht, dass bei hochrangigen Rechtsgütern bereits jede auch nur entfernte Möglichkeit eine Wiederholungsgefahr begründet (BVerwG, Urteil vom 10.07.2012, a.a.O., m.w.N.). Vielmehr müssen - wie bei Ausländern, denen besonderer Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 AufenthG zukommt (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 - InfAuslR 2005, 49, vom 11.06.1996 - 1 C 24.94 - InfAuslR 1997, 8; Senatsurteil vom 23.10.2012 - 11 S 1470/11) - Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in Zukunft eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft droht und damit von dem Betreffenden eine bedeutsame Gefahr ausgeht. Eine weitere Absenkung der maßgeblichen Erheblichkeitsschwelle in der Weise, dass die Betroffenen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hätten, dass die Begehung von Straftaten in Zukunft mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, würde diesen letztlich Unzumutbares, wenn nicht Unmögliches abverlangen.
40 
Im vorliegenden Fall kann zwar die Möglichkeit weiterer Straftaten, insbesondere von Gewaltdelikten, nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, sie erscheint aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als derart fernliegend, dass sie die in Ansehung des bestehenden Assoziationsrechts des Klägers erforderliche Erheblichkeitsschwelle nicht übersteigt.
41 
Zu Lasten des Klägers sind in diesem Zusammenhang allerdings zunächst die Schwere des begangenen Delikts und die konkrete Tatausführung zu berücksichtigen. Der Ausweisungsanlass - die begangene Straftat der Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung - ist besonders gravierend. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat in dem angefochtenen Bescheid außerdem zu Recht auf die besonderen Umstände der Straftat hingewiesen. Die Geiselnahme zog sich über dreieinhalb Stunden hin. Der Kläger und seine Mittäter haben dabei versucht, N.G. durch eine menschenunwürdige Befragung, insbesondere mit der Bedrohung, sie zu erschießen, wodurch diese in Todesangst versetzt wurde, dazu zu bringen, den angeblich unter Mitwirkung von ihr und ihrem Freund am Vortag begangenen Einbruch zu gestehen. Der Kläger selbst hatte am Vortag vorgeschlagen, N.G. zu befragen und ihr gegebenenfalls Ohrfeigen zu versetzen. Zwar hat dann der Haupttäter B.A. das Opfer geohrfeigt und nicht der Kläger. Auch hatte B.A. die Schreckschusspistole, mit der N.G. bedroht wurde, ohne Wissen der anderen mitgenommen. Die Mittäter schritten aber jedenfalls nicht gegen B.A. ein, sondern nutzten die durch dessen Vorgehen bewirkte Todesangst der N.G. weiter aus. Der Kläger bedrohte diese dann auch mit den Worten, dass sie nicht lebend aus dem Keller herauskommen würde, wenn sie die angebliche Straftat nicht zugeben würde. Nachdem B.A. den Keller verlassen hatte, befragten der Kläger, Ö.A. und T.K. das Opfer zunächst weiter, bevor sie dieses freiließen. Der Kläger nahm damit massive körperliche und psychische Schädigungen der N.G. billigend in Kauf. Wenn auch er und die verbliebenen Mittäter in der Folge von einer weiteren Tatausführung absahen, weshalb das Strafgericht von einer tätigen Reue ausgegangen ist, teilt der Senat die Einschätzung des Regierungspräsidiums, dass die Tat und die Tatumstände für ein erhebliches Maß an krimineller Energie des Klägers sprechen. Es handelt sich um eine besonders gravierende und mit einer erschreckenden Härte und Mitleidlosigkeit begangene Straftat (vgl. dazu auch das Urteil im Parallelverfahren des Ö.A. vom 23.10.2012 - 11 S 1470/11 -).
42 
Beim Kläger kommt erschwerend hinzu, dass er in der Vergangenheit bereits mehrmals wegen Gewalt- und Betäubungsmitteldelikten bestraft wurde, vor der Geiselnahme zuletzt durch Strafbefehl des Amtsgerichts Karlsruhe vom 04.02.2002 wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 133 Fällen. Bei den davor liegenden einschlägigen Verurteilungen wegen gefährlicher Körperverletzung vom 18.01.2001, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung vom 19.10.1998, sowie wegen gemeinschaftlicher Erpressung und versuchter Erpressung in Tateinheit mit Nötigung vom 28.03.1996 wurde jeweils Jugendstrafrecht angewandt.
43 
Selbst wenn man auch die lediglich im Jugendstrafregister eingetragenen Verurteilungen uneingeschränkt mit einstellt, ist aber heute davon auszugehen, dass keine Gefahr der Wiederholung entsprechender Straftaten mehr besteht. Dabei ist zunächst zu bedenken, dass die Geiselnahme inzwischen fast vier Jahre zurückliegt. Der Kläger war über drei Jahre lang in Untersuchungs- und Strafhaft, welche ihn erkennbar tief beeindruckt hat. Er hat während der Strafhaft an einem Anti-Gewalt-Training teilgenommen, diverse Aus- bzw. Weiterbildungsangebote angenommen und schließlich eine Lehre als Gas- und Wasserinstallateur begonnen, welche noch nicht abgeschlossen ist. Ausweislich des vom Kläger vorgelegten Zwischenzeugnisses seines Arbeitgebers vom 22.10.2012 ist dieser weiter sehr zufrieden mit seiner Arbeit. Er sei freundlich, pünktlich, vielseitig, flexibel und kundenorientiert. Der Kläger ist außerdem seit vielen Jahren nicht mehr drogen- oder spielsüchtig. Er hat enge Bindungen an seine Eltern, bei denen er zur Zeit wohnt, und an seine älteren Schwestern. Seine beiden Kinder, mit denen er jedes zweite Wochenende und die Hälfte der Schulferien verbringt, sind ihm sehr wichtig. Wegen seiner Schulden läuft seit mehreren Jahren ein Privatinsolvenzverfahren, aufgrund dessen damit zu rechnen ist, dass er bald schuldenfrei sein wird. Die Berichte der Justizvollzugsanstalt über sein Verhalten während der Strafhaft waren durchgehend positiv. Darin wird insbesondere geschildert, dass er als freundlich, zugänglich und höflich beschrieben werde, sich im offenen wie im geschlossenen Vollzug vorbildlich verhalten und erfolgreich am Vollzugsziel mitgearbeitet sowie am Arbeitsleben regelmäßig und verlässlich teilgenommen habe, nicht wegen Drogen aufgefallen sei und seine Drogenabstinenz auch unter Beweis habe stellen können. In einer Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft vom 20.10.2011 wird dargelegt, dass der Kläger von seiner Inhaftierung nachhaltig beeindruckt erscheine. Es werde nicht angenommen, dass er erneut straffällig werde.
44 
Auch das kriminalprognostische Gutachten vom 03.03.2012 kommt zu dem Ergebnis, dass aus gutachterlicher Sicht die durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit beim Kläger nicht mehr fortbestehe. Die Gutachter berücksichtigen dabei die Vorstrafen wegen Diebstahls-, Körperverletzungs- und Verkehrsdelikten sowie wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln, und weisen darauf hin, dass damals wohl Ansätze einer dissozialen Entwicklung bestanden haben könnten. In der Folge bis zu der Straftat Ende 2008 sei es jedoch zu einer zunehmenden Stabilisierung gekommen, die möglicherweise im Zusammenhang mit der Gründung einer Familie und der Geburt der Kinder zu sehen sei. Den bis dahin noch regelmäßigen Cannabiskonsum habe der Kläger aus eigenem Antrieb 2006 vollständig eingestellt, auch das Spielen habe er im gleichen Zeitraum beendet. Mit dem der Verurteilung zugrundeliegenden Delikt sei er erstmals mit einem schweren Delikt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Dabei habe es sich um ein Tatgeschehen gehandelt, welches sich in einer spezifischen Gruppendynamik abgespielt habe. Der Kläger habe zum damaligen Zeitpunkt einer Teilhaberschaft in dem Wettbüro entgegengesehen und sich dort in verantwortlicher Position gesehen. Er sei der festen Überzeugung gewesen, dass N.G. mit dem Einbruch in das Wettbüro zu tun gehabt habe, und habe sich subjektiv zunächst berechtigt gesehen, diese als quasi bei ihm Angestellte selbst einer diesbezüglichen Befragung zu unterziehen. Im Zuge des Geschehens sei es dann unter Mitwirkung der anderen Tatbeteiligten zu einer Dynamik gekommen, die vom Kläger in dieser Form ursprünglich gar nicht intendiert gewesen sein möge. Insgesamt sei festzuhalten, dass die Dynamik nicht ausschließlich der Initiative des Klägers anzulasten sei. Insofern komme den situativen Gegebenheiten (Empörung über die vermeintliche Untreue einer Angestellten, Dynamik der Tätergruppe) eine hohe Bedeutung bei dem deliktischen Geschehen zu. Daher knüpfe das zur Verurteilung führende Delikt nur in Teilen an die frühere Delinquenz des Klägers an, nämlich soweit der Wunsch, von den anderen durch sein Handeln Anerkennung und Geltung zu erlangen, auch eine Rolle gespielt haben möge. Der Kläger habe bereits bei der ersten Vernehmung durch die Polizei seine eigene Rolle bei dem Geschehen umfassend eingeräumt und im Wesentlichen nicht versucht, seinen Anteil am Tatgeschehen herunterzuspielen oder zu bagatellisieren. Auch habe er sich offensichtlich früh um eine partielle Wiedergutmachung gegenüber dem Opfer bemüht. Es sei spürbar, dass er sich mit der Tat auseinandergesetzt habe und sich für sein damaliges Verhalten schäme. Er habe sogar selbst angegeben, dass er der Meinung sei, mit seiner damaligen Wut auf das Opfer die Mittäter quasi „angeheizt“ zu haben. Insofern habe er Verantwortung für sein damaliges Handeln übernommen. Zusätzlich habe er die Möglichkeit genutzt, im Rahmen der Haft an einem spezifischen Gruppenprogramm für aggressive Gewalttäter teilzunehmen. Insgesamt sei beim Kläger von einer zufriedenstellenden Tataufarbeitung auszugehen, was als ein prognostisch günstiger Faktor zu werten sei. Er habe sich zudem während der Haftzeit beruflich weiter qualifiziert, um dadurch die Perspektiven für eine verbesserte soziale Integration nach einer möglichen Entlassung aus der Haft zu verbessern. Dabei sei ihm durchgängig eine hohe Arbeitsmotivation bescheinigt worden. Er habe sich außerdem bereits in umfangreichen Lockerungen bewähren können. Es sei im Rahmen der Begutachtung erkennbar gewesen, dass er ernsthaft daran interessiert sei, ein straffreies Leben zu führen und sich sozial und beruflich zu integrieren. Er verfüge über tragfähige soziale Bindungen, die sich in erster Linie auf seine Eltern und Schwestern bezögen. Spürbar sei geworden, dass er auch ein starkes Interesse an den regelmäßigen Kontakten zu seinen Kindern habe und diese nicht gefährden wolle. Die von ihm geschilderten beruflichen und sozialen Perspektiven erschienen realistisch und tragfähig. Für das Vorliegen einer erheblichen dissozialen Akzentuierung in der Persönlichkeit des Klägers fänden sich keine ausreichenden Hinweise. In der Gesamtwürdigung überwögen somit trotz der einschlägigen Vordelinquenz die prognostisch günstigen Aspekte bei weitem.
45 
Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als Sachverständiger angehörte Gutachter H. S... hat seine Prognose - nach Anhörung und Befragung des Klägers - weiter erläutert. Er hat überzeugend begründet, dass und warum gerade auch unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung des Klägers seit seiner Entlassung aus der Strafhaft nicht anzunehmen ist, dass von diesem noch eine relevante Gefahr der Begehung erheblicher Straftaten ausgeht. Zwar war ihm zum Zeitpunkt der Begutachtung nicht bekannt gewesen, dass gegen den Kläger auch wegen Vorfällen am 24.04.2003, am 24.12.2005, am 01.11.2006 und am 12.10.2008 strafrechtliche Ermittlungsverfahren bzw. Strafverfahren unter anderem wegen Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung liefen, welche eingestellt wurden. Er hat aber - nach Einsicht in die entsprechenden Akten bzw. Unterlagen - überzeugend dargelegt, dass dies im Ergebnis nicht zu einer anderen Einschätzung führt. Auf Nachfrage hat er allerdings erläutert, dass die Gefahr, dass eine Körperverletzung begangen werde, aufgrund der niedrigeren Hemmschwelle als größer einzuschätzen sei als die, dass der Kläger wieder ein schwereres Delikt wie die Geiselnahme begehen könnte. Der Gutachter hat aber deutlich gemacht, dass das Risiko der Begehung von Körperverletzungs- und Gewaltdelikten ebenfalls aufgrund der positiven Veränderungen geringer geworden sei - wenn es sich auch nicht ausschließen lasse. Für den Kläger sei maßgeblich der Wille, sein Leben zu ändern, in der Arbeit Fuß zu fassen, ein geregeltes Leben zu führen und regelmäßigen Kontakt zu seinen Kindern zu haben. Dies sei für ihn eine starke Motivation, sich nicht mehr in Situationen zu begeben, die zu körperlichen Auseinandersetzungen führen könnten.
46 
Dass der Kläger die Tat ernsthaft bereut und den festen Willen hat, den eingeschlagenen positiven Weg weiter zu gehen und nicht mehr straffällig zu werden, haben seine Angaben in der mündlichen Verhandlung glaubhaft verdeutlicht. Gerade wegen seiner starken Bindungen an seine Kinder, seine Eltern und Schwestern ist die Gefahr, dass ihm dies nicht gelingen könnte, als gering einzuschätzen. Die Bewährungshelferin berichtet über den bisherigen Bewährungsverlauf in ihrer Stellungnahme vom 18.09.2012 ebenfalls nur Positives.
47 
b) Selbst wenn man von einer - die maßgebliche Erheblichkeitsschwelle (gerade) noch übersteigenden - Wiederholungsgefahr ausginge, ist die Ausweisung hier unzulässig. Denn auch dann fehlt es an einer hinreichend schweren Gefahr für ein "Grundinteresse der Gesellschaft".
48 
Wie ausgeführt, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 08.12.2011, a.a.O., Rn. 85) bei der Entscheidung über eine Ausweisung von assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen bzw. bei der Überprüfung einer entsprechenden Entscheidung eine umfassende Abwägung der angeführten Belange vorzunehmen. Anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen ist die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abzuwägen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Der Gerichtshof betont, dass bei der Prüfung des Vorliegens einer hinreichend schweren Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft sämtliche konkreten Umstände angemessen zu berücksichtigen seien, die für die Situation des Betreffenden kennzeichnend sind. Dazu zählt er nicht nur Tatsachen, die von Relevanz für die kriminalprognostische Beurteilung sind, sondern unabhängig davon die persönlichen Umstände des Betreffenden, seine Bindungen zur Gesellschaft des Landes, in welchem er sich aufhält, die Dauer seines Aufenthalts in diesem, die familiären Verhältnisse, seine Berufstätigkeit u.a. (vgl. Urteil vom 08.12.2011. a.a.O., Rn. 85). Die Maßnahme muss für die Wahrung des Grundinteresses der Gesellschaft "unerlässlich" sein (EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O., Rn. 86), das bedeutet, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. Senatsurteil vom 10.02.2012, a.a.O., m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 10.07.2012, a.a.O.).
49 
aa) Nach diesen Grundätzen entspricht die Ausweisung hier schon deshalb nicht mehr einem Grundinteresse der Gesellschaft, weil mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Karlsruhe vom 25.04.2012 die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 30.06.2009 zur Bewährung ausgesetzt und der Kläger daraufhin am 30.04.2012 aus der Strafhaft entlassen worden ist.
50 
Nach der Rechtsprechung des Senats kommt einer Aussetzung der Reststrafe nach § 57 Abs. 1 und 2 StGB oder nach § 88 Abs. 1 und 2 JGG nicht nur eine Indizwirkung bei der Prüfung zu, ob von der Gefahr der Wiederholung von Straftaten auszugehen ist. Vielmehr hat diese bei Unionsbürgern und Assoziationsberechtigten regelmäßig zur Folge, dass eine Ausweisung ausscheiden muss (vgl. Senatsurteil vom 07.03.2012, a.a.O.). Denn mit der Aussetzung der Strafe bringt die Gesellschaft des Mitgliedstaats zum Ausdruck, dass sie um des Täters und seiner Resozialisierung willen - durchaus nicht risikofrei - bereit ist, diesem ein Leben in Freiheit, wenn auch zunächst mit gewissen Auflagen, zu ermöglichen. Es kann dann schwerlich einem Grundinteresse der gesamten Gesellschaft des Mitgliedstaats entsprechen, den Betroffenen gleichwohl vom eigenen Territorium zu entfernen und ihm die Chance einer Resozialisierung in dem Land, in dem er zuletzt gelebt hat, zu nehmen. Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn er in diesem Land längere Zeit gelebt und dort wesentliche Teile seiner Sozialisierung erfahren hat. Etwas anderes kann zwar gelten, wenn die Aussetzungsentscheidung sich als offenkundig fehlerhaft erweist oder aber infolge aktueller Entwicklungen überholt ist und damit keine zuverlässige Prognosegrundlage mehr abgeben kann. Das ist aber hier nicht der Fall. Aus den angeführten Gründen teilt der Senat vielmehr die Einschätzung des kriminalprognostischen Gutachtens vom 03.03.2012 und damit auch die dem Gutachten folgende Bewertung der Wiederholungsgefahr durch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Karlsruhe in deren Beschluss vom 25.04.2012.
51 
bb) Selbst wenn man dem Umstand, dass die Restfreiheitsstrafe aus dem Strafurteil vom 30.06.2009 zur Bewährung ausgesetzt worden ist, keine derart maßgebliche Bedeutung beimisst, scheidet eine Ausweisung hier aus. Denn die erforderliche Abwägung aller Umstände führt zu einem deutlichen Überwiegen der privaten Interessen des Klägers und der Interessen seiner Familienangehörigen, insbesondere seiner Kinder, gegenüber dem gesellschaftlichen Interesse an seiner Ausweisung.
52 
Dabei ist zunächst zu bedenken, dass selbst wenn in diesem Zusammenhang das Bestehen der Gefahr der Wiederholung weiterer Straftaten unterstellt wird, es allenfalls um eine relativ geringe, die erforderliche Erheblichkeitsschwelle gerade noch übersteigende Gefahr geht. Allerdings sind zu Lasten des Klägers unter anderem Art und Schwere der begangenen Straftat, die vor 2008, vor allem in seiner Jugend begangenen Delikte und die früher bestehende Drogen- und Spielsucht zu berücksichtigen. Für den Kläger, der sich seit seiner Geburt rechtmäßig in Deutschland aufhält, sprechen aber die bereits angeführten Umstände wie die weitgehend erreichte Resozialisierung und die dabei von ihm unternommenen Anstrengungen sowie die Tatsache, dass er eine Lehre durchführt. Seinem berechtigten Interesse an einem positiven und erfolgversprechenden Resozialisierungsverlauf in seinem „Geburtsland“ ist hier besonderes Gewicht beizumessen (vgl. zur Erforderlichkeit der Berücksichtigung eines positiven Resozialisierungsprozesses im Rahmen der Abwägung auch Senatsurteil vom 16.04.2012, a.a.O). Die insgesamt sehr erfolgversprechende Entwicklung des Klägers würde gefährdet, wenn er Deutschland verlassen müsste. Ausschlaggebend für das Überwiegen der privaten Interessen des Klägers und seiner Familie sind aber hier seine gefestigten Bindungen an seine Eltern, seine älteren Schwestern und vor allem an seine 2002 und 2004 geborenen deutschen Kinder. Dem tatsächlich gelebten regelmäßigen Umgang eines Elternteils mit einem Kind kommt eine erhebliche und weitreichende, durch Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK vermittelte Schutzwirkung zu (vgl. zu Art. 6 GG nur BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 09.01.2009 - 2 BvR 1064/08 - InfAuslR 2009, 150 und vom 22.12.2003 - 2 BvR 2108/00 - NVwZ 2004, 606, jew. m.w.N.), die durch dessen deutsche Staatsangehörigkeit noch verstärkt wird. Eine - wenn auch nur vorübergehende - Trennung hätte für die 2002 und 2004 geborenen Kinder erhebliche Auswirkungen. Die mit einer Ausweisung für den Kläger und dessen Familienangehörige, insbesondere für dessen Kinder, verbundenen Folgen sind deshalb auch mit Blick auf die Schutzwirkungen von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK als unverhältnismäßig anzusehen.
B)
53 
Unter diesen Umständen ist auch die im Bescheid vom 12.10.2010 verfügte Abschiebungsandrohung rechtswidrig und aufzuheben.
54 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
55 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
56 
Beschluss vom 26. Oktober 2012
57 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
58 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. Mai 2011 - 11 K 2967/10 - ist unwirksam, soweit damit die Verfügung unter Ziffer 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19. Juli 2010 aufgehoben worden ist.

Im Übrigen wird auf die Berufung des beklagten Landes das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. Mai 2011 - 11 K 2967/10 - geändert. Die Klage gegen die Ausweisung unter Ziffer 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19. Juli 2010 wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.
Er ist am ...1960 in Sögütlü-Sivas geboren und türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 03.01.1997 nach Deutschland ein und stellte am 09.01.1997 einen Asylantrag, zu dessen Begründung er unter anderem vortrug: 1988 sei er wegen angeblicher Mitgliedschaft in der KAWA zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. 1991 sei er auf Bewährung entlassen worden, gleich nach Istanbul verzogen und dort Mitglied der HEP/DEP geworden. 1994 habe sich die HADEP aus diesen Parteien gebildet. Er sei in den Vorstand der HADEP für den Bezirk Istanbul-Kadiköy gewählt worden. Seitdem sei er von Polizisten bedroht worden. Mitte Dezember 1996 sei er von Polizisten zu Hause abgeholt worden. Um sein Leben zu retten, habe er zugesagt, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Es gebe keine offiziellen Mitgliedsausweise der HADEP. Er habe aber eine Fotokopie seines Aufnahmeantrags und seine HADEP-Delegiertenkarte dabei, außerdem eine notariell beglaubigte Sitzungsniederschrift des HADEP-Vorstands seines Bezirks. Dort sei er als Mitglied des Vorstands genannt. Die Namensliste der Vorstandsmitglieder der HADEP müsse an die zuständigen Sicherheitsstellen des jeweiligen Stadtbezirks gemeldet werden.
Mit Bescheid vom 20.02.1997 stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und des § 53 Abs. 4 AuslG hinsichtlich der Türkei vorliegen.
Auf eine Anfrage des Bundesamts vom 24.06.1999 teilte das Auswärtige Amt mit Schreiben vom 28.02.2000 mit, es habe Nachforschungen beim HADEP-Büro des Bezirks Istanbul-Kadiköy und dessen jetzigem Vorstand angestellt. Dort habe nicht bestätigt werden können, dass der Kläger in den Jahren 1994 bis 1996 Mitglied des Vorstands gewesen sei. Vielmehr sei er nicht einmal langjährigen Mitarbeitern mit Namen bekannt gewesen. Das Bundesamt leitete deswegen am 29.03.2000 ein Rücknahmeverfahren ein und nahm mit Bescheid vom 01.03.2007 die mit Bescheid vom 20.02.1997 getroffenen Feststellungen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG vorliegen, zurück und stellte gleichzeitig fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Türkei nicht vorliegen.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hob mit rechtskräftigem Urteil vom 08.10.2007 - A 11 K 300/07 - den Bescheid des Bundesamts vom 01.03.2007 auf und führte aus: Dem Kläger sei die Flüchtlingseigenschaft nicht aufgrund unrichtiger Angaben zuerkannt worden. Er habe seine Verfolgungsfurcht sowohl auf die Bedrohung wegen seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied der HADEP als auch auf die Nichteinhaltung seiner Zusage zur Zusammenarbeit mit der Polizei gestützt. Dass letzteres unrichtig sei, mache das Bundesamt nicht geltend. Im Übrigen interpretiere das Bundesamt die in vielen anderen Auskünften des Auswärtigen Amts verwendete Formulierung „es kann nicht bestätigt werden“ auch im vorliegenden Fall irrig dahin, dass das Gegenteil erwiesen sei. Durch die Vorlage der notariell beglaubigten Protokollabschrift einer Vorstandssitzung der HADEP des Bezirks Istanbul-Kadiköy vom 29.01.1995, in der der Kläger als Vorstandsmitglied genannt werde, habe er - obwohl die Darlegungs- und Beweislast beim Bundesamt liege - nachgewiesen, dass seine Angaben bei der Anhörung am 15.01.1997 nicht unrichtig gewesen seien. Der Änderungsbescheid könne auch nicht als Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufrechterhalten werden. Seit dem Bescheid vom 20.02.1997 seien keine Änderungen der maßgeblichen Verhältnisse in der Weise eingetreten, dass Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könnten.
Der Kläger ist seit dem 21.07.1995 mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet. Seine am 23.01.1998 in das Bundesgebiet eingereiste Ehefrau ist als Asylberechtigte anerkannt; auch ist festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Er erhielt erstmals am 10.04.1997 eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die mehrmals verlängert wurde. Am 07.05.2002 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Seit dem 04.04.2006 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG. Der Kläger verfügt über einen Reiseausweis für Flüchtlinge. Seine Ehefrau hat eine Niederlassungserlaubnis. Der Kläger lebt mit ihr und seinen beiden minderjährigen Kindern in familiärer Lebensgemeinschaft. Der am 04.03.1996 geborene Sohn R. hält sich seit 14.01.2000 im Bundesgebiet auf. Ein weiteres Kind wurde am 01.09.2001 in Stuttgart geboren.
Der Kläger war im Bundesgebiet seit dem 28.05.1998 erwerbstätig. In der Zeit von 02.11.2001 bis 31.07.2007 arbeitete er bei der Firma B. Dönerproduktions- und Fleischhandels GmbH in W. Am 17.04.2007 meldete der Kläger einen Betrieb im Nebenerwerb an, den er zum 03.12.2007 aufgab. Am 03.12.2007 meldete er mit Haupterwerb ab 01.01.2008 folgende Tätigkeit an: „An- und Verkauf einschließlich Einbau von Geräten der Gastronomie, Raumausstattung, Bodenleger, Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Montage und Trockenbau“. Dieses Gewerbe wurde zum 15.07.2009 abgemeldet. Seit Mitte Dezember 2010 arbeitet er im Gastronomiebetrieb seiner Ehefrau, zunächst mit geringfügiger Beschäftigung und jedenfalls seit März 2012 mit einer monatlichen Entlohnung von 600 EUR brutto.
Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (im Folgenden: LfV) teilte unter dem 23.06.2005 auf eine Anfrage der Stadt Stuttgart nach § 73 Abs. 2 und 3 AufenthG mit, dass der Kläger am 23.07.2000 als Beisitzer in den Vorstand des PKK-nahen Mesopotamischen Kulturvereins e.V. S...-... gewählt worden sei und am 02.02.2003 als Protokollführer bei der Mitgliederversammlung des genannten Vereins fungiert habe ohne jedoch für dessen Vorstand zu kandidieren. Darüber hinaus lägen folgende Polizeierkenntnisse vor: Am 31.05.2001 sei der Kläger in S... Leiter einer Kundgebung des Mesopotamischen Kulturvereins zum Thema „Die Zeit ist reif für Demokratie und Freiheit“ gewesen. Bei der Veranstaltung seien Bilder Öcalans sowie Fahnen der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) gezeigt worden, wogegen er nicht eingeschritten sei. Außerdem habe er im Juli 2001 im Rahmen der PKK-Identitätskampagne die Selbsterklärung „Auch ich bin ein PKK’ler“ unterzeichnet.
10 
In Kenntnis dieser Aktivitäten des Klägers und mit Blick darauf, dass dem Verfassungsschutzbericht 2004 eine Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch den Mesopotamischen Kulturverein nicht zu entnehmen sei, kam das Regierungspräsidium Stuttgart in einem internen Vermerk vom 09.12.2005 zu der Einschätzung, es seien keine Ausweisungsgründe nach § 54 Nr. 5 oder 5a AufenthG gegeben. Es teilte der Stadt S... unter dem 30.05.2006 mit, die Sicherheitsüberprüfung habe ergeben, dass Regelversagungsgründe nach § 5 Abs. 4 AufenthG nicht vorlägen. Vom Kläger sei jedoch eine Erklärung des Inhalts einzufordern, dass er die PKK bzw. aus ihr hervorgegangene Organisationen und ihre Ziele nicht (mehr) unterstütze. Nachdem festgestellt worden war, dass dem Kläger bereits am 04.04.2006 eine Niederlassungserlaubnis ausgehändigt worden war, wurde es - wie sich aus einer Mail vom 17.04.2007 an die Stadt S... ergibt - seitens des Regierungspräsidiums als sinnlos erachtet, im Nachhinein noch eine Distanzierungserklärung von ihm zu verlangen - zumal eine etwaige Aufenthaltsbeendigung nur im Wege der Ausweisung möglich wäre, wofür derzeit aber keine greifbaren Anhaltspunkte vorlägen, da eine gegenwärtige Gefährlichkeit nicht nachweisbar sei.
11 
Bereits am 22.12.2004 hatten der Kläger und seine Familie bei der Stadt S... ihre Einbürgerung beantragt. Das LfV teilte unter dem 19.01.2008 die in seinem Schreiben vom 23.06.2005 genannten Erkenntnisse sowie folgende weitere Erkenntnisse mit: Der Kläger habe am 14.05.2006 in S... an einer Versammlung von KONGRA-GEL-Anhängern anlässlich der Wahl des Volksgebietsrats dieser Organisation teilgenommen. Am 25.02.2007 sei er in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins Teilnehmer einer Vortragsveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern zu dem Thema „aktuelle politische Entwicklungen im Mittleren Osten und die Position der Kurden“ gewesen. Bei einer Durchsuchung des Mesopotamischen Kulturvereins am 15.12.2004 sei eine Mitgliederliste gefunden worden (Stand 01.07.2004), auf der der Kläger vermerkt gewesen sei. Zahlreiche Bücher, Broschüren sowie plakatähnliche Druckwerke seien beschlagnahmt worden, die den KONGRA-GEL thematisierten. Mit Schreiben vom 18.11.2008 gab das LfV weiter an, am 24.02.2008 sei der Kläger in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins Teilnehmer einer Mitgliederversammlung von KONGRA-GEL-Anhängern gewesen.
12 
Mit Schreiben vom 26.02.2009 sowie ergänzt durch Schreiben vom 08.05.2009 und 10.11.2009 an den Kläger bzw. seine Ehefrau teilte die Einbürgerungsbehörde unter anderem mit, es bestünden Zweifel an der Verfassungstreue, wie die Teilnahme an den durch das LfV mitgeteilten Veranstaltungen zeige. Es fehle der Nachweis der Sprachkenntnisse für die Ehefrau. Für den Kläger komme die Einbürgerung nicht in Betracht, da derzeit dessen Ausweisung geprüft werde. Am 16.11.2009 wurden die Einbürgerungsanträge zurückgenommen.
13 
Die im Einbürgerungsverfahren übermittelten Angaben des LfV wurden mit Schreiben vom 24.01.2008 und 12.11.2008 über das Innenministerium an das Regierungspräsidium Stuttgart übersandt.
14 
Mit Schreiben vom 23.12.2009 führte das LfV weiter aus, der Kläger sei am 30.11.2008 in S... bei einer Feier von KONGRA-GEL-Anhängern zum 30. Gründungsjahrestag der PKK und am 01.02.2009 Teilnehmer einer Märtyrer-Gedenkveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern in S... gewesen.
15 
Bereits am 28.07.2009 fand bei der Ausländerbehörde der Stadt S... in Anwesenheit eines Dolmetschers eine Sicherheitsbefragung des Klägers unter Nutzung eines standardisierten Fragebogens statt. Dem ging voraus, dass das Regierungspräsidium ausweislich eines Aktenvermerks vom 03.02.2009 zur Einschätzung gelangte, „die letzte Erkenntnis ist von 2/08, dabei Teilnahme an Märtyrer-Gedenkminute; aufgrund des hohen Ausweisungsschutzes Ausweisung kaum möglich, Sicherheitsbefragung, event. Verwarnung“. Das LfV bewertete die Sicherheitsbefragung unter dem 23.12.2009 dahingehend, dass der Kläger falsche Angaben gemacht habe, da er sich tatsächlich bis 2009 an politischen Veranstaltungen von KONGRA-GEL-Anhängern beteiligt, hierauf bezogene Fragen aber verneint habe. Unter dem 04.01.2010 übermittelte das Innenministerium die Bewertung der Sicherheitsbefragung durch das LfV vom 23.12.2009 an das Regierungspräsidium Stuttgart und bat um Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Ausweisung erfüllt sind.
16 
Das Regierungspräsidium hörte mit Schreiben vom 05.05.2010 den Kläger im Rahmen der Prüfung der Ausweisung an. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 räumte der Kläger die Tätigkeit im Mesopotamischen Kulturverein, die Leitung der Kundgebung am 31.05.2001, die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung, die Teilnahme an einer Feier am 30.11.2008 sowie den Besuch einer Veranstaltung in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins am 01.02.2009 ein.
17 
Mit Verfügung vom 19.07.2010 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger aus dem Bundesgebiet aus (Ziffer 1), verpflichtete ihn, sich einmal wöchentlich beim Polizeirevier F... unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers zu melden und beschränkte seinen Aufenthalt auf das Stadtgebiet S... (Ziffer 2). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 der Verfügung wurde angeordnet. Zur Begründung führte das Regierungspräsidium aus: Der Kläger erfülle unter Zugrundelegung der durch das LfV mitgeteilten Erkenntnisse den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die PKK sei eine terroristische Vereinigung. Durch den seit dem Jahr 2006 erfolgten regelmäßigen Besuch von Veranstaltungen, Versammlungen und Demonstrationen der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen habe der Kläger seine innere Nähe und Verbundenheit mehrfach und nachhaltig zum Ausdruck gebracht. Mit der Vielzahl entsprechender Aktivitäten habe er dazu beigetragen, die Stellung der PKK in der Gesellschaft, namentlich bei kurdischen Volkszugehörigen zu fördern. Die Veranstaltungen, an denen er teilgenommen habe, seien erkennbar auch darauf ausgerichtet gewesen, die Aktionsmöglichkeiten und das Rekrutierungsfeld der Vereinigung zu festigen und zu erweitern, so dass das latente Gefahrenpotential der Vereinigung insgesamt erhalten und verstärkt worden sei. Dass ein Großteil der vom Kläger besuchten Veranstaltungen nicht verboten gewesen sei, ändere nichts daran. Soweit er behaupte, er sei eher gegen seinen Willen bei vermeintlich kulturellen Veranstaltungen Zeuge einschlägiger Meinungsäußerungen und Aktionen geworden, ohne deren Zielsetzung zu unterstützen oder zu billigen, sei dies eine reine Schutzbehauptung. Er habe auch den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 6 AufenthG erfüllt. In der Sicherheitsbefragung habe er trotz Belehrung die Fragen 5.1. und 6.1 bezüglich Kontakten zur PKK und zu ihr nahestehenden Personen verneint, obwohl er sich bis mindestens 2009 an politischen Veranstaltungen von KONGRA-GEL-Anhängern beteiligt habe. Zudem habe er bei Frage 4.2 angegeben, im Februar 1990 in ... wegen einer unerlaubten Aktion festgenommen worden zu sein. Zuvor habe er die Frage 4.1 verneint. Besonderer Ausweisungsschutz nach Art. 14 ARB 1/80 stehe ihm nicht zu, denn seine Rechtsposition nach Art. 6 ARB 1/80 sei mit Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am 17.04.2007 erloschen. Der Kläger genieße aber besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung lägen durch die Erfüllung der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG vor (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein die gesetzliche Regelvermutung beseitigender Ausnahmefall sei nicht anzunehmen. Über die Ausweisung sei nach § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG nach Ermessen zu entscheiden. Er halte sich seit 13 Jahren ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet auf, verfüge über ein Daueraufenthaltsrecht und lebe mit Ehefrau und zwei minderjährigen Kindern in familiärer Lebensgemeinschaft. Er habe aufgrund seiner zunächst unselbstständigen und später selbstständigen Tätigkeit wirtschaftliche Bindungen im Bundesgebiet. Eine soziale Integration habe nicht stattgefunden. Er beherrsche die deutsche Sprache, wenn überhaupt, nur bruchstückhaft. Es bestehe der Eindruck, dass er bis heute nur im türkischen bzw. kurdischen PKK-nahen Umfeld Bekanntschaften pflege. Eine fortgeschrittene Integration, welche die vorhandenen öffentlichen (Sicherheits-)Interessen verdrängen oder überwiegen könnte, liege nicht vor. Dies gelte umso mehr als sein Aufenthalt im Bundesgebiet dazu diene, die stetige Verbindung zur PKK aufrechtzuhalten und diese bis jetzt aktiv zu unterstützen. Seine familiäre Lebensgemeinschaft falle unter den Schutz des Art. 6 GG, jedoch genieße die rein ausländische Ehe nur einen abgeschwächten Schutz. Dies gelte entsprechend für die gemeinsamen minderjährigen Kinder. Im Falle eines rechtskräftigen Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung bzw. des Abschiebungsverbots durch das Bundesamt wären dem Kläger und seiner Familie die Fortführung der familiären Lebensgemeinschaft in der Türkei durchaus zuzumuten, zumal er erst im Alter von 37 Jahren und seine Frau im Alter von 28 Jahren in das Bundesgebiet eingereist seien. Es sei davon auszugehen, dass innerhalb der Familie türkisch oder kurdisch gesprochen werde, so dass auch die Kinder kaum Schwierigkeiten hätten, sich in der Türkei zu integrieren. Ihm würde bei einer Ausreise in die Türkei nach Wegfall der Ausreisehindernisse keine politische Verfolgung drohen. Im Hinblick darauf, dass die Abwehr terroristischer Gefahren bereits im Vorfeld konkreter gewalttätiger Aktionen zu den Grundinteressen der Gesellschaft der Bundesrepublik gehöre, sei dem öffentlichen Interesse an der Ausweisung und Beendigung des Aufenthalts gegenüber dem privaten Interesse, von der Ausweisung verschont zu bleiben, der Vorrang einzuräumen. Die Ausweisung sei in spezialpräventiver Hinsicht erforderlich, um die von ihm konkret ausgehende Gefahr weiterer Unterstützungshandlungen zu verhindern. Der bisherige Verlauf seiner Unterstützungstätigkeit und die sonstigen Umstände ließen mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten, dass er diese sonst fortsetzen werde. Die mit der Ausweisung verbundenen Nachteile, den Aufenthaltstitel zu verlieren und Meldeauflagen dulden zu müssen, stünden nicht außer Verhältnis zu den mit der Ausweisung verbundenen Zwecken. Die Ausweisung stehe mit Art. 8 EMRK in Einklang.
18 
Am 06.08.2010 erhob der Kläger Klage gegen diesen Bescheid.
19 
Während des Klageverfahrens teilte das LfV mit Schreiben vom 08.10.2010 mit, der Kläger sei bei der Veranstaltung vom 14.05.2006 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden und am 07.06.2009 habe er sich in den damaligen Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins in S... an einer Veranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern beteiligt. Unter dem 04.02.2011 gab das LfV an, zum Vorsitzenden des damaligen Volksgebietsrats sei in der Versammlung vom 14.05.2006 K. gewählt worden.
20 
Zur Begründung seiner Klage trug der Kläger unter anderem vor, an den ihm vorgehaltenen Veranstaltungen vom 07.06.2009, 01.02.2009, 24.02.2008 und an derjenigen vom 14.05.2006 habe er nicht teilgenommen, insbesondere sei er auch nicht zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden. Im Übrigen bedeute die Teilnahme an friedlichen, nicht verbotenen Demonstrationen keine Unterstützung des Terrorismus, selbst wenn auf diesen Demonstrationen die Abzeichen einer verbotenen Organisation wie der PKK gezeigt würden. Nicht jede Handlung, die sich zufällig für Bestrebungen als objektiv vorteilhaft erweise, könne als tatbestandsmäßige Unterstützung des Terrorismus verstanden werden. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass er mit der Teilnahme an den genannten Veranstaltungen die PKK habe unterstützen wollen. Im Übrigen sei die PKK strafrechtlich keine terroristische Vereinigung mehr. In der Türkei sei er 1988 wegen Mitgliedschaft in der KAWA zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach seiner Entlassung habe er sich für die kurdische Partei HADEP engagiert. Er habe in der Vergangenheit der PKK nicht angehört und gehöre ihr auch gegenwärtig nicht an.
21 
Das beklagte Land trat der Klage entgegen.
22 
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hob nach Vernehmung des Zeugen K. mit Urteil vom 23.05.2011 den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.07.2010 auf. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Es sei keine Unterstützung der PKK durch den Kläger feststellbar. Seine Teilnahme an den Veranstaltungen vom 14.05.2006, 24.02.2008, 01.02.2009 und vom 07.06.2009 sei nicht erwiesen. Die Angaben der Gewährsperson des LfV genügten nicht, weil sie nicht durch andere wichtige Gesichtspunkte gestützt oder bestätigt würden. Der Kläger habe während des gesamten Verfahrens bestritten, an diesen Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Andere Indizien als die Erkenntnisse des LfV im Hinblick auf eine Teilnahme des Klägers an den besagten Veranstaltungen gebe es nicht. Der Zeuge K. habe nicht bestätigen können, dass der Kläger Teilnehmer der Veranstaltung vom 14.05.2006 gewesen sei. Der Kläger habe aber unstreitig an den Veranstaltungen vom 04.02.2007 und 25.02.2007 im Mesopotamischen Kulturverein in S... und an einer Veranstaltung am 30.11.2008 im Kulturhaus A... in S... teilgenommen. Insoweit seien aber weder in subjektiver noch in objektiver Hinsicht Unterstützungshandlungen i.S.v. § 54 Nr. 5 AufenthG feststellbar. Unter Berücksichtigung der Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung habe es sich bei der Gedenkfeier vom 04.02.2007 nicht um eine typische Märtyrergedenkveranstaltung gehandelt, die als politische Plattform zur Herstellung eines engen ideologischen und emotionalen Zusammenhalts der PKK-Mitglieder und der PKK-Sympathisanten genutzt werde, sondern um eine Gedenkfeier, wie sie auch in den durch das Christentum geprägten Staaten eine allgemein übliche und selbstverständliche Übung sei, an die keinerlei Nachteile geknüpft werden dürften. Für das Gericht sei auch nicht erkennbar, dass die Veranstaltung vom 25.02.2007 in irgendeinem Kontext zur PKK stehe. Solches folge auch nicht aus dem vom LfV mitgeteilten Redebeitrag. Im Übrigen verkenne das beklagte Land, dass nicht jede Teilnahme an einer nicht von der PKK ausgerichteten Veranstaltung, bei der die Zustände in der Türkei kritisiert würden, zugleich eine Unterstützung der PKK darstelle. Auch die bloße Anwesenheit von PKK-Anhängern dort mache diese nicht per se zu einer PKK-Veranstaltung. Die Veranstaltung vom 30.11.2008 zum 30-jährigen Bestehen der PKK dürfte in spezifischer Weise Propagandacharakter gehabt haben. Ob bereits die subjektive Zurechenbarkeit fehle, da der Kläger lediglich wegen der Musikbeiträge die Veranstaltung aufgesucht haben wolle, könne dahingestellt bleiben. Allein durch die Teilnahme an dieser Veranstaltung sei er jedenfalls nicht in eine innere Nähe und Verbundenheit zur PKK geraten. Eine solche läge nur vor, wenn zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen der PKK feststellbar wären. Dies sei jedoch bei ihm nicht der Fall. Lägen aber lediglich Verbindungen und Kontakte zu Organisationen, die den Terrorismus unterstützten oder selbst terroristisch handelten, oder zu deren Mitgliedern vor, ohne dass der Ausländer auch als Nichtmitglied durch sein Engagement eine innere Nähe und Verbundenheit zu dieser Organisation selbst zum Ausdruck bringe, fehle es an einer Unterstützung i.S.d. § 54 Nr. 5 AufenthG. Selbst wenn ihm aber Unterstützungshandlungen für die PKK vorgehalten werden könnten, könnte die von § 54 Nr. 5 AufenthG zusätzlich geforderte gegenwärtige Gefährlichkeit vorliegend nicht festgestellt werden. Bei der Beurteilung einer gegenwärtigen Gefährlichkeit komme der allgemeinen Entwicklung des Ausländers in den letzten Jahren bis zur mündlichen Verhandlung maßgebliche Bedeutung zu, insbesondere seiner Einbindung und Vernetzung in die Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze oder selbst terroristisch handle. Dass bei dem KIäger eine Einbindung und Vernetzung in Bezug auf die PKK bestehe, sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich und den vom beklagen Land ihm vorgehaltenen Unterstützungshandlungen nicht zu entnehmen. Der Kläger habe keinerlei verantwortliche Tätigkeit im Umfeld der PKK übernommen. Im Übrigen sei die Ausweisung auch deshalb fehlerhaft, weil das Regierungspräsidium im Rahmen der Ermessensentscheidung von unzutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen sei. Es sei verkannt worden, dass der Kläger nur unter den Voraussetzungen des Art. 14 ARB 1/80 ausgewiesen werden dürfe, denn die Aufnahme seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit habe nicht zum Verlust der Rechtsstellung aus Art. 6 Abs. 1, 3. Spiegelstrich ARB 1/80 geführt. Auch sei im Rahmen der Ermessenserwägungen verkannt worden, dass die Ehefrau des Klägers anerkannter Flüchtling sei. Schließlich habe das Regierungspräsidium übersehen, dass es die Qualität der Unterstützungshandlung und die Gefährdungslage mit dem jeweils gebotenen Gewicht in die Abwägung der für und gegen eine Ausweisung sprechenden Gesichtspunkte einzustellen habe.
23 
Auf Antrag des beklagten Landes hat der Senat mit Beschluss vom 18.08.2011 - 11 S 1820/11 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, die am 15.09.2011 unter Stellung eines Antrags begründet worden ist. Es wird vorgetragen: Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Teilnahme des Klägers an den Veranstaltungen am 14.05.2006, 24.02.2008, 01.02.2009 und am 07.06.2009 nicht bewiesen sei. Es habe verkannt, dass an den Nachweis einer Mitgliedschaft bzw. Unterstützung angesichts des konspirativen Vorgehens terroristischer Vereinigungen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürften, unrealistische Anforderungen an die Verwertbarkeit von Aussagen eines Zeugen vom Hörensagen des LfV gestellt und nicht beachtet, dass es im Fall des Klägers zahlreiche Indizien für die Glaubwürdigkeit der Angaben eines Zeugen vom Hörensagen gebe. Die vorliegenden Tatsachen seien noch ausreichend aktuell i.S.v. § 54 Nr. 5, 2. HS AufenthG. Der Kläger habe auch an der Wahl des neuen Volksgebietsrats am 26.04.2009 teilgenommen. Die Ausweisung sei nicht auf eine zwangsweise Aufenthaltsbeendigung gerichtet, sondern bezwecke die Beseitigung der Legalität seines Aufenthalts im Bundesgebiet und stehe in Einklang mit Art. 21 und Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie. Allerdings sei klarzustellen, dass nicht weiter an dem in der angefochtenen Verfügung angesprochenen generalpräventiven Zweck der Ausweisung und an den dortigen Ausführungen zu einer Durchsetzung der Ausreisepflicht bzw. Abschiebung festgehalten werde. Dass ausländerrechtliche Maßnahmen gegen K. noch nicht ergangen seien, stelle die Ermessensfehlerfreiheit der Ausweisung des Klägers nicht in Frage. Die Ausweisung sei auch nicht deshalb entbehrlich, weil § 47 AufenthG eine Ermächtigung zum Erlass eines politischen Betätigungsverbots vorsehe. Die dem Kläger zuerkannte Flüchtlingseigenschaft sowie das festgestellte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK und die daraus folgende Unmöglichkeit einer Rückkehr in sein Heimatland würden nicht verkannt. Es lägen aber gravierende Ausweisungsgründe vor, die es rechtfertigten, die dem Kläger zuerkannte Rechtsstellung geringer zu gewichten. Der Kläger habe den schwerwiegenden Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG durch seine jahrelangen beharrlich und konsequent durchgeführten Unterstützungshandlungen zugunsten der terroristischen, kriminellen und verbotenen PKK sowie daraus resultierende staatssicherheitsgefährdende Aktivitäten verwirklicht und eine - mangels Distanzierung - aktuell erhöhte Gefährlichkeit seiner Person belegt. Es sei gerechtfertigt, den für ihn bestehenden und den Abschiebeverboten zugrundeliegenden Gefahrenlagen ein insoweit vermindertes Gewicht beizumessen und eine Ausweisung trotz der Tatsache zu verfügen bzw. aufrechtzuerhalten, dass der Aufenthalt in absehbarer Zeit nicht beendet werden könne. Das Sicherheitsinteresse überwiege das Interesse des Klägers und seiner Angehörigen an dem unveränderten Fortbestand seines legalen Aufenthalts.
24 
Nachdem das Regierungspräsidium Stuttgart in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit Blick auf den zum 01.03.2011 erfolgten Umzug des Klägers von S... nach R... Ziffer 2 seines Bescheids vom 19.07.2010 aufgehoben hat, haben die Beteiligten den Rechtstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
25 
Das beklagte Land beantragt nunmehr,
26 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23.05.2011 - 11 K 2967/10 - hinsichtlich Ziffer 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.07.2010 zu ändern und die Klage insoweit abzuweisen.
27 
Der Kläger beantragt,
28 
die Berufung zurückzuweisen.
29 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt unter anderem aus: Die Vorwürfe gegen ihn basierten auf Quellenangaben. Die mündlichen oder schriftlichen Quellenberichte oder Angaben der Gewährspersonen des LfV genügten in der Regel nicht für die Glaubwürdigkeit, sofern sie nicht durch andere wichtige Gesichtspunkte gestützt oder bestätigt würden. Entgegen der Behauptungen des beklagten Landes bestreite er nach wie vor ausdrücklich, an der Wahl des Volksgebietsrates am 14.05.2006 teilgenommen zu haben und zum Stellvertreter des Vorsitzenden dieses Rates gewählt worden zu sein. Er bestreite weiterhin ausdrücklich seine Teilnahme an der Versammlung am 26.04.2009, die das LfV erstmals am 17.04.2012 vorgebracht habe. Ob diese Veranstaltung überhaupt stattgefunden habe, sei offen. Mit der Bezeichnung „offen und beweisbar" in den Mitteilungen des LfV könnten die Behauptungen nicht als Tatsachen benannt werden. Seine Tätigkeit und die Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein e. V. S... könne nicht als Ausweisungsgrund gewertet werden. Laut Verfassungsschutzbericht aus dem Jahre 2004 gehe von diesem keine Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus. Das beklagte Land habe deshalb seine damaligen Tätigkeiten zu Recht nicht zum Anlass einer Ausweisung genommen und das Verfahren eingestellt. Somit sei ein „Verbrauch" der Ausweisungsgründe eingetreten. Nach dem Jahre 2004 sei er nicht mehr im Mesopotamischen Kulturverein tätig gewesen. Ihm sei auch keine Tätigkeit nach 2004 vorgehalten worden. Er sei 1988 in der Türkei wegen Mitgliedschaft in der illegalen kurdischen Organisation KAWA zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach seiner Bewährungsentlassung 1991 habe er sich bei der prokurdischen Partei HADEP engagiert. Er habe weder in seiner Vergangenheit noch in der Gegenwart der PKK angehört. Er habe diese auch nicht im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Die Organisation KAWA unterscheide sich eindeutig von der PKK. Es könne ihm nicht zugemutet werden, eine Distanzierungserklärung zu unterzeichnen oder eine Abwendungserklärung abzugeben. Er könne sich nicht zu etwas bekennen, was er in der Tat nicht gemacht habe oder was ihm nicht angelastet werden könne. Das beklagte Land habe auch nicht darlegen können, inwiefern von ihm eine konkrete Terrorgefahr ausgehe. Zwar seien zahlreiche Veranstaltungen erwähnt worden, an denen er teilgenommen haben solle. Es sei aber nicht aufgezeigt worden, inwieweit die bloße Teilnahme an diesen Veranstaltungen die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet habe.
30 
Mit Beschluss vom 17.09.2010 - 11 K 2986/10 - stellte das Verwaltungsgericht Stuttgart die aufschiebende Wirkung der Klage des Klägers gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.07.2010 wieder her. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des beklagten Landes wies der Senat mit Beschluss vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - zurück.
31 
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen K. sowie des Zeugen X. vom LfV. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
32 
Wegen des weitergehenden Vortrags und Sachverhalts wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der Akten verwiesen. Dem Senat liegen die Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart hinsichtlich des Klägers und des Zeugen K., die den Kläger betreffende Ausländerakte sowie die Einbürgerungs- und Asylakten betreffend ihn und seine Ehefrau, die Akte der Staatsanwaltschaft Stuttgart 7 Js 101646/04, die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart (A 11 K 300/07 und 11 K 2967/10) und die Akten des Senats im Beschwerdeverfahren 11 S 2374/10 vor.

Entscheidungsgründe

 
33 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und das Urteil des Verwaltungsgerichts analog § 269 Abs. 3 ZPO insoweit für unwirksam zu erklären.
34 
Im Übrigen hat die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes Erfolg. Die Ausweisung ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20) rechtmäßig und verletzt schon deshalb den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt (I.). Als anerkannter Flüchtling darf er nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden; diese Bestimmung ist unionsrechtskonform dahingehend anzuwenden, dass die Ausweisung den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) - Qualifikationsrichtlinie - QRL - entsprechen muss (II.). Die nach Art. 24 Abs. 1 QRL erforderlichen zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung liegen bei dem Kläger, der sich seit Jahren kontinuierlich als Sympathisant der PKK betätigt, nach den konkreten Umständen des Falles vor; die Ausweisung ist auch verhältnismäßig (III.). Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass er über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht verfügt, vermitteln Art. 14 ARB 1/80 oder die Standstill-Klauseln weder materiell-rechtlich noch verfahrensrechtlich einen weitergehenden Ausweisungsschutz (IV.). Die Ausweisung ist ermessensfehlerfrei (V.). Sie unterliegt auch mit Blick auf die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348, S. 98) - Rückführungsrichtlinie - RFRL - keinen Bedenken, insbesondere gebieten es weder die Rückführungsrichtlinie noch § 11 Abs. 1 AufenthG im Rahmen des hier anhängigen Verfahrens zugleich über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zu entscheiden (VI.).
I.
35 
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt.
36 
1. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Von einer Unterstützung des Terrorismus durch eine Vereinigung i.S.v. § 54 Nr. 5 AufenthG ist auszugehen, wenn die Vereinigung sich selbst terroristisch betätigt oder die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -juris Rn. 19 ff.). Dass es sich um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, muss zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 16; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 40). Die Vorschrift erfasst jede Art von Terrorismus, unabhängig davon, ob es sich um nationalen oder internationalen Terrorismus handelt (BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris Rn. 32; BT-Drs. 16/5065 - Gesetzentwurf zum Richtlinienumsetzungsgesetz 2007, S. 183 zu Nr. 42).
37 
2. Das Verwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Stuttgart sind zu Recht davon ausgegangen, dass die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen sind. Der Senat hat mit Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 41 ausgeführt:
38 
„…Die PKK ist jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - VBlBW 2011, 478 und vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris sowie Beschlüsse des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - und vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - InfAuslRAuslR 2011, 105). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie selbst ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln – wie dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen und mit Angriffen auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele – verfolgt (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris, m.w.N.; vgl. im Einzelnen zum Begriff des Terrorismus GK-AufenthG, Stand: Sept. 2011, § 54 Rn. 436 ff.). Das ist bei der PKK in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis heute der Fall. Insbesondere verzichtete die PKK auch während der Phase des 1999 ausgerufenen und 2004 wieder beendeten „Friedenskurses“ nicht auf Gewalt. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - 1 A 111/09 - InfAuslR 2011, 37) und ändert nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei (so etwa am 22.06.2010 in Istanbul, vgl. ZEIT-ONLINE vom 23.06.2010: www.zeit.de/politik/ausland/2010-06/kurden-tuerkei-politik; WELT ONLINE vom 22.06.2010 www.welt.de/politik/ausland/ article8142791/Tuerkei-Touristen-im-Fadenkreuz-kurdischen-Terrors.html; am 27. und 28.08.2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, vgl. SPIEGEL ONLINE vom 28.08.2006 www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,434039,00.html) oder der Entführung Unbeteiligter (vgl. zur Entführung von drei deutschen Staatsangehörigen am Berg Ararat am 08.07.2008 SPIEGEL ONLINE vom 09.07.2011: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,564783,00.html). Insoweit wird ergänzend auf die ausführliche und zutreffende Darstellung im angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums vom 10.06.2010 verwiesen (vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ., „Ausländerextremismus“, August 2007, S. 9 ff., sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)“, März 2007). Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP – ABl. L 116, S. 75). Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 - Inf- AuslR 2011, 40; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.2010 - 1 B 24.10 - juris; noch offengelassen im Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).“
39 
Hieran ist weiter festzuhalten. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren auch nichts Substantiiertes vorgebracht, was die Einordnung der PKK, die bis heute auf der „Terrorliste“ der EU steht (vgl. zuletzt Beschluss des Rates vom 13.03.2012 <2012/150/GASP>, ABl. L 74, 9 und vom 22.12.2011 <2011/872/GASP>, ABl. L 343, 54 und die im Anhang enthaltene Auflistung von Personen und Organisationen), als einer Organisation des internationalen Terrorismus (ebenso auch BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 35 ff.) in Frage stellen würde.
40 
3. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liegen Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger seit Jahren den internationalen Terrorismus der PKK im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15).
41 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe hierzu insgesamt BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 14 ff. sowie Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris Rn. 25 ff. - zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris Rn. 8 ff.; Senatsbeschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - juris Rn. 7 ff.; Senatsurteile vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 43 und vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris Rn. 50 ff.).
42 
Nach diesen Grundsätzen liegen hier eine Vielzahl von Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den internationalen Terrorismus seit vielen Jahren in mehrfacher Weise unterstützt, vor allem durch die Übernahme einer Vorstandsfunktion und die Mitgliedschaft in dem PKK-nahen Mesopotamische Kulturverein S... (a.) und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an unterschiedlichen PKK-nahen Aktionen und Veranstaltungen (b.). Dass einige dieser Tatsachen bereits länger zurückliegen, steht ihrer Berücksichtigung nicht entgegen; vom Kläger geht nach wie vor eine gegenwärtige Gefährlichkeit aus (c.).
43 
a. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Mesopotamische Kulturverein S... den Terrorismus unterstützt (ebenso schon zu § 86 Nr. 2 AuslG a.F VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 64, wonach der „Mesopotamische Kulturverein S... als Vorfeldorganisation der PKK bzw. KADEK anzusehen ist“; die PKK-Nähe dieses Vereins auch bejahend VGH Bad.-Württ, Urteil vom 08.07.2009 - 13 S 358/09 - zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG). Zwar enthält die Satzung des am 23.08.1997 gegründeten und am 16.06.1998 eingetragenen Vereins weder in ihrer Fassung vom 23.08.1997 noch in ihrer Neufassung extremistische Züge; bei Auflösung des Vereins geht das Vermögen an den „Kurdischen Roten Halbmond e.V.“, einer humanitären Hilfsorganisation. Auch bietet der Verein kulturelle Veranstaltungen an und die Gelegenheit zum Treffen unter Migranten vorwiegend kurdischer Herkunft. Er befasst sich ferner mit politischen Themen, wie etwa der Freilassung Öcalans und der Verbesserung dessen Haftsituation sowie der Lösung der „kurdischen Frage“, die für sich betrachtet noch nicht den Schluss einer Identifizierung oder Solidarisierung mit der PKK zulassen. In den in das Verfahren eingeführten Verfassungsschutzberichten des Landes Baden-Württemberg wird dieser Verein nicht ausdrücklich aufgeführt. Letzteres bedeutet aber allenfalls, dass von diesem keine unmittelbare Gefährdung für die Sicherheit der Bundesrepublik ausgeht. Die Berichte des LfV vom 02.08.2006 und 27.10.2009 mit den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Ergänzungen zeigen jedoch, dass der Verein seit seiner Gründung tatsächlich in erheblichem Maße auch als Plattform für die PKK fungiert, deren terroristische Ziele befürwortet und deren Gedankengut aktiv verbreitet. Hierbei handelt es sich nicht um Aktionen von Einzelpersonen oder Splittergruppen unter missbräuchlicher Ausnutzung der Vereinsstruktur, vielmehr ist der Verein insgesamt auch auf die Unterstützung der PKK ausgerichtet.
44 
Nach den vom LfV aufgelisteten Erkenntnissen organisiert der Mesopotamische Kulturverein S... alljährlich Veranstaltungen anlässlich des Jahrestags der Gründung der PKK, entweder in den eigenen Vereinsräumen (so z.B. am 26.11.2000 und 25.11.2001) oder als Großveranstaltung in gesondert angemieteten Räumlichkeiten (so etwa am 22.11.2009 in einem Kulturhaus mit ca. 1.500 Personen). Ebenso wird über Veranstaltungen zum Jahrestag der Aufnahme des bewaffneten Kampfes der PKK (15.08.) in Gestalt einer Feier in den Räumen des Vereins (14.08.2005 sowie 15.08.2008) oder durch ein vom Verein organisiertes Picknick (am 16.08.2009) und auch über Veranstaltungen zum Jahrestag des Betätigungsverbots der PKK in Deutschland berichtet. Die enge Verbindung des Vereins mit der PKK wird vor allem auch darin deutlich, dass kontinuierlich immer wieder PKK-Funktionäre aus unterschiedlichen Hierarchieebenen in den Räumen des Vereins auftreten, die sich spezifischer PKK-Themen annehmen, so etwa bei der internen Versammlung auf Gebietsebene - sog. Volksversammlung - am 16.04.2000, bei der es unter anderem um die Auswirkungen des Einmarsches türkischer Soldaten in den Nordirak auf die PKK und insbesondere die Kämpfer der ARGK (heute HPG) ging. Ähnlich im Ablauf waren etwa auch schon die Veranstaltungen vom 08.06.1997 (Bericht des PKK-Regionalleiters Baden über die Erfolge der ARGK anlässlich der Eröffnungsfeier des Vereins) oder vom 19.04.1998 (PKK-Volksversammlung mit Beiträgen des PKK-Regionalleiters Baden über die „Taktik“ der türkischen Regierung, die Moral innerhalb der PKK durch gezielte Falschinformationen hinsichtlich des Kriegsverlaufs zu untergraben). Derartige Volksversammlungen stellen ein Mittel der konspirativen Betätigung der PKK unter dem Vereinsverbot dar, um dezentrale Strukturen zur Mobilisierung der Anhänger der PKK zu schaffen (vgl. hierzu näher Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 54). Zu nennen sind weiter aus den Mitteilungen des LfV die Versammlung am 11.03.2001, die die aktuelle Lage der PKK einschließlich deren finanzieller Situation thematisierte; der Bericht eines früheren Aktivisten der ARGK am 22.04.2001 über seine Eindrücke vom dortigen Leben; die Schilderung eines ehemaligen Guerilla-Kämpfers über seine Eindrücke aus den Kandil-Bergen am 30.08.2008 oder die Ausrichtung der Volksversammlung am 14.05.2006 mit einer Rede des damaligen Leiters des PKK-CDK-Sektors Süd Muzaffer Ayata über die Funktion der Volksgebietsräte (siehe hierzu auch die Berichterstattung in der Yeni Özgur Politika vom 16.05.2006). In seinem Bericht vom 27.10.2009 führt das LfV auch aus, dass bei der Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins am 10.06.2001 die schlechte finanzielle Situation des Vereins ein Thema war und erläutert wurde, dass ein erheblicher Teil der hohen Kosten für die Renovierung die PKK übernommen habe. Hervorzuheben sind ferner - wie in den Berichten des LfV im Einzelnen dargelegt - die kontinuierlich in den Vereinsräumen stattfindenden Veranstaltungen zum Gedenken an sog. Märtyrer, d. h. vor allem für gefallene Kämpfer und Selbstmordattentäter, wobei an diesen Veranstaltungen auch Funktionäre der PKK oder CDK (letztere ist eine Nachfolgeorganisation der vom PKK-Verbot umfassten Nationalen Befreiungsfront Kurdistans - ERNK -) teilnehmen. Im Rahmen des Gedenkens an PKK-Märtyrer wird auch über die Ehrung von Frontarbeitern der PKK für ihre Tätigkeit berichtet (so für den 29.03.2009). Wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, sind solche Märtyrergedenkveranstaltungen ein wesentliches Element zur Herstellung eines engeren ideologischen und emotionalen Zusammenhalts auch von PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (vgl. hierzu Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 55 mwN). Schließlich tritt der Mesopotamische Kulturverein als Veranstalter von Demonstrationen oder Mahnwachen auf, um etwa gegen die Verhaftung von KONGRA-GEL-Funktionären oder das PKK-Verbot oder - wie in der Zeit vom 01. bis 04.05.2002 - gegen die (befürchtete) Aufnahme der KADEK als Nachfolgeorganisation der PKK in die EU-Terrorliste zu protestieren.
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Nach Überzeugung des Senats sind diese vom LfV mitgeteilten konkreten und detaillierten Erkenntnisse über den Mesopotamischen Kulturverein, die der Kläger im Übrigen im Verfahren nicht substantiiert in Frage gestellt hat, zutreffend. Er ist sich dabei dessen bewusst, dass diese Erkenntnisse zu einem erheblichen Teil auf den Angaben von „Quellen“ beruhen. Aufgrund des konkreten Verfahrens der Erkenntnisgewinnung, das der Zeuge des LfV in der mündlichen Verhandlung erläutert hat (siehe dazu näher nachfolgend b.), bestehen jedoch keine Bedenken gegen deren Verwertung - zumal diese durch andere gewichtige Tatsachen gestützt werden. Ein erheblicher Teil der Veranstaltungen wurde - wie in den Berichten des LfV kenntlich gemacht - in der „Özgur Politika“ und der „Yeni Özgur Politika“ aufgegriffen (siehe im Übrigen zur Einordnung der „Özgur Politika“ als Sprachrohr der PKK VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2011 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 63). Auch Polizeierkenntnisse werden als Beleg herangezogen. Dass der Verein die PKK unterstützt und sich mit ihren Zielen identifiziert, zeigt ferner die Auswertung der vom Senat beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Stuttgart 7 Js 101646/04. Am 09.11.2004 war in den Vereinsräumen eine ca. zwei Meter lange Fahne des KONGRA-GEL deutlich von außen sichtbar aufgehängt. Bei der Durchsuchung am 15.12.2004 hing an deren Stelle eine ERNK-Fahne. In den Räumen des Vereins wurden Propagandapublikationen in Form von Büchern, Broschüren und plakatähnlichen Druckwerken - teilweise in größeren Stückzahlen - aufgefunden. Zu nennen sind beispielsweise Plakate mit der Aufschrift „Schluss mit dem PKK-Verbot“, Transparente der PJA (Frauenorganisation der PKK) und Transparente und Fahnen der YCK (Jugendorganisation der PKK), von Abdullah Öcalan verfasste Bücher, Broschüren mit Symbolen der PKK, Kadek, KONGRA-GEL oder der ERNK sowie Publikationen, die der Verbreitung des Gedankenguts der PKK dienen, und in denen beispielsweise Selbstmorde für die PKK verherrlicht und als Heldentaten gepriesen werden. Die Auswertung der SIM-Karte des damaligen Vorsitzenden des Vereins enthielt die Telefonnummer des PKK-Funktionärs Muzaffer Ayata, der in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins verkehrt. Dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit Verfügung von 30.05.2008 das Ermittlungsverfahren gegen den damaligen Vorstandsvorsitzenden wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz nach § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO eingestellt hat, steht der Verwertung der Erkenntnisse aus der Durchsuchung nicht entgegen.
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Im Übrigen lässt sich die PKK-Nähe des Vereins auch aus dem Umstand ersehen, dass dieser jedenfalls seit dem 02.08.2004 Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ ist. Eine aktive Verbindung zwischen beiden lässt sich nicht nur daraus entnehmen, dass anlässlich der Durchsuchung der Räume des Mesopotamischen Kulturvereins am 15.12.2004 ein Flugblatt des Vorstand der YEK-KOM aufgefunden wurde, das unter anderem zu Treffen der Vorstandsvorsitzenden der jeweiligen kurdischen „nationalen“ Vereine in ganz Deutschland aufrief (siehe im Einzelnen Schreiben des Polizeipräsidiums Stuttgart - Dezernat Staatsschutz - vom 19.01.2005), oder den Berichten des LfV zufolge bei der Veranstaltung des Mesopotamischen Kulturvereins am 09.10.2000 zum Thema „Erinnerung an die Flucht aus Syrien von Öcalan am 09.10.1998 und deren Folgen“ Flugblätter der YEK-KOM verteilt wurden, sondern auch aus dem Umstand, dass Vertreter der YEK-KOM beim Verein auftreten, so deren Vorsitzender Ahmet Celik bei einer Gedenkveranstaltung des Mesopotamischen Kulturvereins am 21.10.2008 für die „Gefallenen des Kurdischen Befreiungskampfes“. Im Übrigen bestand über finanzielle Zuschüsse an den Verein eine Verbindung zwischen der YEK-KOM und dem Mesopotamischen Kulturverein schon im Jahre 2000 (siehe näher VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 -juris Rn. 63). Zur YEK-KOM hat der Senat hat in seinem Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 47 ausgeführt:
47 
„Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010 im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.“
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Zwar ist dem Arbeitsprogramm der YEK-KOM aus dem Jahre 2008 und in der Fassung vom 20.02.2011 (das jeweils aktuelle Programm ist auch auf der Homepage der YEK-KOM unter www.yekkom.com abrufbar) zu entnehmen, dass sich diese für eine friedliche demokratische Lösung der Kurdenfrage in Richtung auf eine Selbstverwaltung der Kurden innerhalb des türkischen Staates einsetzt und sich vor allem auch der allgemeinen Situation von Kurdinnen und Kurden einschließlich der Migrationsprobleme annimmt. Bei der Würdigung der - von der YEK-KOM ausdrücklich so bezeichneten - Selbstdarstellungen ist aber einzustellen, dass auch diese Organisation bestrebt ist, ein öffentliches Erscheinungsbild zu verbreiten, das so gestaltet ist, dass nicht mit Rücksicht auf eine deutliche Nähe zur PKK Exekutivmaßnahmen deutscher Behörden ausgelöst werden, und deshalb ihre Publikationen hierauf ausrichtet. Im Übrigen schließt die Verfolgung allgemeiner politischer Ziele, wie etwa die von YEK-KOM geforderte freie Benutzung der kurdischen Sprache in der Türkei, die Feststellung nicht aus, dass YEK-KOM auch die Ziele der PKK unterstützt, indem etwa die terroristischen Ziele und Aktivitäten der PKK positiv bewertet, befürwortet und verbreitet werden. Wenn insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert wird, so soll damit deren ungehinderte Betätigung in Deutschland wieder ermöglicht und damit deren auch terroristische Ziele und Aktivitäten tragende Basis verbreitert und gestärkt werden.
49 
Das auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtete Handeln der Vereinigung ist für den Kläger erkennbar gewesen (zu diesem Maßstab BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 -1 C 13.10 -juris Rn. 23) und ihm zuzurechnen. Der im Jahre 2000 dem Verein beigetretene Kläger ließ sich bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins am 23.07.2000 als Beisitzer in den Vorstand wählen und wurde nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung danach ein zweites Mal für ein Jahr in den Vorstand gewählt. Die Tatsache der Vorstandstätigkeit ist bereits mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 eingeräumt worden. Allein schon aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied ist ihm diese Unterstützung zuzurechnen, ohne dass der Frage seiner tatsächlichen inneren Einstellung weiter nachgegangen werden müsste (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - juris zu § 11 StAG). Der Kläger hat auch nach Ende seiner Vorstandstätigkeit als einfaches Mitglied des Mesopotamischen Kulturvereins dessen oben dargestellte Zielsetzung, die sich unter Berücksichtigung der Angaben des LfV bis heute nicht geändert hat, weiter unterstützt. Bei der Durchsuchung in den Räumen des Vereins am 15.12.2004 wurde eine Mitgliederliste mit Stand 01.07.2004 gefunden, die den Kläger seit dem Jahr 2000 als Mitglied ausweist. Im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 ist diese Mitgliedschaft ausdrücklich eingeräumt worden. Er unterschrieb sowohl am 02.02.2003 als auch am 17.04.2005 als Protokollführer das Protokoll der Mitgliederversammlung. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung bekundet, ab 2000 bis 2005 beim Verein ein- und ausgegangen zu sein, dies für die Zeit danach jedoch abgestritten. Der Senat ist allerdings aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme der Überzeugung, dass der Kläger auch über diesen Zeitpunkt hinaus mindestens bis Mitte 2009 aktiv am Vereinsgeschehen teilgenommen hat und sich nur unter dem Eindruck des Ausweisungsverfahrens nunmehr zurückhält (siehe nachfolgend b. und c.).
50 
b.) Der Kläger hat durch die kontinuierliche Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt. Er war bei einer Reihe von Veranstaltungen, die - wie ihm auch erkennbar gewesen ist - darauf ausgerichtet sind, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und Organisationen im politischen Umfeld zu stärken. Dies gilt insbesondere für die Teilnahme an den Wahlen zum Volksgebietsrat und die Übernahme der Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats. Diese Teilnahmen sind daher bereits für sich genommen ohne weiteres als selbstständige Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, die zum Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führen. Umso mehr gilt dies bei einer Gesamtschau aller festgestellten Aktivitäten des Klägers einschließlich seiner Vorstandsfunktion im Mesopotamischen Kulturverein.
51 
Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger am 31.05.2001 eine Kundgebung geleitet hat, bei der er gegen mit der PKK zusammenhängende Symbole nicht eingeschritten ist, und am 10.07.2001 die PKK-Selbsterklärung unterzeichnet hat (aa.), die Feier zum 30. Gründungsjahrestag der PKK am 30.11.2008 besucht (bb.) und am 04.02.2007 und 01.02.2009 an Märtyrergedenkveranstaltungen teilgenommen hat (cc.), bei Veranstaltungen von KONGRA-GEL-Anhängern am 24.02.2008 und 07.06.2009 war (dd.) sowie an den Versammlungen zur Wahl des Volksgebietsrats am 14.05.2006 und 26.04.2009 teilgenommen hat, wobei er bei der erstgenannten Versammlung zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist (ee.). Die konkreten Ausrichtungen der jeweiligen Veranstaltungen, die dem Kläger nicht verborgen bleiben konnten, lassen den Schluss zu, dass der Kläger die PKK unterstützt hat. Soweit das Regierungspräsidium dem Kläger auch den Besuch an einer Podiumsdiskussion unter Mitwirkung von Günay Aslan am 25.02.2007 vorhält, kann allerdings aus den Inhalten dieser Veranstaltung nicht geschlossen werden, dass der Kläger auch hierdurch die PKK unterstützt hat (ff.).
52 
Die Feststellungen und Würdigungen des Senats beruhen auf den sich aus den Akten ergebenden Erkenntnissen, aus der Einlassung des Klägers sowie den in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen. Hierbei handelt es sich um den Schwager des Klägers, der am 14.05.2006 zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats Stuttgart gewählt wurde, und um einen Mitarbeiter des LfV, der über Angaben einer Quelle berichtet hat. Weitere (unmittelbare) Zeugen haben dem Senat nicht zur Verfügung gestanden. Die Ehefrau des Klägers hat von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht; andere Zeugen, die sich in der Sache hätten äußern können, sind weder benannt worden noch ersichtlich. Der vernommene Mitarbeiter des LfV ist nicht der unmittelbare Führer dieser Quelle. Aus Quellenschutzgründen wurde die Identität der Quelle nicht offen gelegt. Der unmittelbare Quellenführer stand als Zeuge nicht zur Verfügung. Auch wurden - trotz Aufforderung durch das Gericht - keine schriftlichen Aufzeichnungen vorgelegt. Diese Praxis ist dem Senat aus vergleichbaren Verfahren bekannt. Bei der Würdigung der Aussagen des Mitarbeiters des LfV hat sich der Senat von folgenden in seinem Urteil vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - juris Rn. 49 § 11 satz 1 nr. 1 stag> dargestellten Überlegungen leiten lassen:
53 
„Erkenntnisse des LfV, die auf geheim gehaltenen Quellen beruhen und als Zeugenaussage vom Hörensagen in den Prozess eingeführt werden, können zwar grundsätzlich verwertet werden. Allerdings darf die in Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes auch dann nicht in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden, wenn eine Behörde sich gegenüber dem Auskunftsbegehren eines Bürgers auf Geheimhaltungsgründe beruft und sich diese Gründe gerade auch auf die allein als Beweismittel in Betracht kommenden Verwaltungsvorgänge beziehen, in denen die für das Verwaltungsverfahren und sein Ergebnis relevanten Sachverhalte dokumentiert sind (vgl. grundlegend zu dieser Problematik BVerfG, Beschluss vom 27.10.1999 - 2 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106, 121 ff.). Soweit in einem derartigen Fall die Effektivität des Rechtsschutzes von der Offenlegung der Verwaltungsvorgänge abhängt, muss das Gericht grundsätzlich die tatsächlichen Grundlagen selbst ermitteln und seine rechtliche Auffassung unabhängig von der Verwaltung, deren Entscheidung angegriffen ist, gewinnen und begründen. Ist dies wie hier nicht möglich, muss das durch die Geheimhaltung entstehende Rechtsschutzdefizit im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeglichen werden (Hamb. OVG, Urteil vom 07.04.2006 - 3 Bf 442/03 - NordÖR 2006, 466). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gerichtliche Beweiswürdigung der Angaben eines sogenannten Zeugen vom Hörensagen besonderen Anforderungen unterliegt, die aus dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten sind. Danach ist der Beweiswert seiner Angaben besonders kritisch zu prüfen. Denn das Zeugnis vom Hörensagen ist nur begrenzt zuverlässig, weil sich die jedem Personenbeweis anhaftenden Fehlerquellen im Zuge der Vermittlung der Angaben verstärken und weil das Gericht die Glaubwürdigkeit der Gewährsperson nicht selbst einschätzen kann. Das Gericht muss sich der Gefahren der beweisrechtlichen Lage, also vor allem der besonderen Richtigkeitsrisiken in Ansehung anonym gebliebener Personen, deren Wissen durch einen Zeugen vom Hörensagen eingeführt wird, sowie der sich daraus ergebenden Grenzen seiner Überzeugungsbildung bewusst sein (VGH Bad.-Württ, Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 50 und Urteil vom 27.03.1998 - 13 S 1349/96 - juris Rn. 37). Die Aussage eines Zeugen vom Hörensagen wird regelmäßig einer Entscheidung nur dann zugrunde gelegt werden können, wenn es für das Vorliegen der entsprechenden Tatsache noch andere Anhaltspunkte gibt (BVerwG, Beschluss vom 22.10.2009 - 10 B 20/09 - juris Rn. 4 und Beschluss vom 05.03.2002 - 1 B 194/01 - juris Rn. 4 mit ausdrücklichem Hinweis auf BVerfGE 57, 250, 292). Nach der zum Strafrecht entwickelten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügen die Angaben des Gewährsmanns regelmäßig nicht, wenn sie nicht durch andere, nach Überzeugung des Fachgerichts wichtige, ihrerseits beweiskräftig festgestellte Gesichtspunkte bestätigt werden (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 26.05.1981 - 2 BvR 215/81 -BVerfGE 57, 250, 292 ff.; BVerfG <2. Kammer des 2. Senats>, Beschluss vom 19.07.1995 - 2 BvR 1142/93 - NJW 1996, 448; BVerfG <1. Kammer des 2. Senats>, Beschluss vom 05.07.2006 - 2 BvR 1317/05 - NJW 2007, 204). Die strafgerichtliche Rechtsprechung und Literatur verlangt daher regelmäßig „zusätzliche Indizien von einigem Gewicht“ (vgl. näher BGH, Beschluss vom 08.05.2007 - 4 StR 591/06 - juris Rn. 2; Beschluss vom 19.06.1996 - 5 StR 220/96 - juris Rn. 3 ff; Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2008, § 250 Rn. 13; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 26. Aufl. 2009, § 46 Rn. 33 f.; Detter, Der Zeuge vom Hörensagen - eine Bestandsaufnahme, NStZ 2003, 1, 4). Diese zum Strafrecht entwickelten Prinzipien können als Ausdruck des Rechts auf faires Verfahrens auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herangezogen werden (Sodan/Ziekow, 3. Aufl. 2010 § 96 Rn. 38; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 50).“
54 
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt sich das Ergebnis der Beweisaufnahme insgesamt wie folgt dar:
55 
aa.) Nach polizeilichen Erkenntnissen war der Kläger am 31.05.2001 - und damit im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Vorstandstätigkeit - in S... Leiter einer Kundgebung des Mesopotamischen Kulturvereins zum Thema „Die Zeit ist reif für Demokratie und Freiheit“. Bei der Veranstaltung wurden Bilder Öcalans sowie Fahnen der ERNK gezeigt, wogegen der Kläger nicht einschritt. Ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz (4 Js 43599/01) stellte die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein. Der Kläger hat mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 eingeräumt, diese Kundgebung geleitet zu haben, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sich hingegen zunächst dahingehend eingelassen „nie und niemals eine Kundgebung geleitet zu haben“. Auf mehrfachen Vorhalt der aktenkundigen polizeilichen Erkenntnisse und des Schreibens vom 30.06.2010 sowohl durch den Senat als auch durch seine Prozessbevollmächtigten hat der Kläger lediglich vorgebracht, sich nicht mehr erinnern zu können. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass diese Feststellungen der Polizei zur Veranstaltung vom 31.05.2001 zutreffend sind - zumal sie durch das Schreiben vom 30.06.2010, das auf einer entsprechenden Erklärung des Klägers gegenüber seinen Anwälten basieren muss, bestätigt sind. Dieses wird insoweit durch „Erinnerungslücken“ des Klägers nicht durchgreifend in Frage gestellt. Der Kläger beruft sich in diesem Schreiben allerdings darauf, es könne ihm nicht angelastet werden, dass bei der ordnungsgemäß angemeldeten und genehmigten Kundgebung einzelne Teilnehmer die genannten Bilder und Fahnen geschwenkt hätten; die Unterbindung dieser Aktionen sei nicht seine Aufgabe, vielmehr hätten die Ordnungskräfte dafür Sorge tragen müssen, solche Vorkommnisse zu vermeiden. Die Tatsache, dass der Kläger gegen diese Symbole nicht eingeschritten ist, lässt aber vor allem mit Blick auf seine Aktivitäten im Mesopotamischen Kulturverein den Schluss dahingehend zu, dass er sich als Versammlungsleiter einer Kundgebung dieses Vereins unverkennbar mit den auf die Unterstützung der PKK gerichteten Zielen identifizierte und solidarisierte. In dieses Bild passt auch die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001, die der Kläger - allerdings mit Hinweis darauf, dies habe im Rahmen der durch Art. 5 GG gewährten Meinungsfreiheit stattgefunden - mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2006 zugestanden hat.
56 
bb.) Der Kläger nahm am 30.11.2008 an der Feier zum 30. Gründungsjahrestag der PKK im Kulturhaus A... in S... teil. Dies hat er in den Schriftsätzen seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 und 16.11.2010 eingeräumt. Wie das LfV unter dem 23.09.2009 mitgeteilt hat, hätten in der Halle unter anderem Bilder von Öcalan sowie mehreren PKK-Märtyrern und eine Fahne der früheren PKK-Propagandaorganisation ERNK gehangen. Ein Redner habe zur Geschichte der PKK referiert. Im Anschluss daran sei der getöteten Märtyrer dieser Organisation mit einer Schweigeminute gedacht worden. Während der Veranstaltung, die um 13 Uhr begonnen habe und von ca. 2.000 Personen besucht worden sei, seien Parolen wie „Hoch lebe der Führer Apo“ und „PKK“ skandiert worden. Für die Veranstaltung sei am 18. und 28.11.2008 in der Yeni Özgur Politika und am 28.11.2008 bei ROJ-TV (kurdischer TV-Sender) geworben worden. Die in der YÖP vom 28.11.2008 abgedruckte Einladung - überschrieben mit „das 30. Jahr feiern wir“ - weist als Programm verschiedene Künstler und Reden aus.
57 
Der Kläger hat den vom LfV mitgeteilten Inhalt der Veranstaltung und ihren organisatorischen Rahmen nicht bestritten. Er hat allerdings darauf verwiesen, die Veranstaltung sei ordnungsgemäß angemeldet und genehmigt worden; im Programm dieser Veranstaltung seien diverse kurdische Künstler angekündigt worden, aufgrund deren Auftritte er dort gewesen sei; dass vereinzelte Teilnehmer Fahnen geschwenkt und Parolen gerufen hätten, könne ihm nicht angelastet werden. Er habe dieser Veranstaltung - wie viele andere Leute - beigewohnt, um in den Genuss des künstlerischen Angebots zu kommen; bei dieser Veranstaltung habe er weder applaudiert noch Parolen ausgerufen, an der Schweigeminute habe er sich nicht beteiligt. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich der Kläger dahingehend eingelassen, er sei nur dahin, um die Künstler zu hören, es bedeute nicht, dass jeder, der daran teilnehme, ein PKK’ler oder für die PKK sei.
58 
Es kommt jedoch nicht darauf an, dass sich der Kläger nach seinem Vorbringen nicht aktiv an der Veranstaltung beteiligt hat und diese nicht verboten gewesen ist. Die dort aufgestellten Bilder von Öcalan und mehreren PKK-Märtyrern, die Fahnen der ERNK sowie die gehaltene Rede zur Geschichte der PKK lassen ebenso wie der Anlass der Veranstaltung keinen Zweifel an deren Ausrichtung als Propagandaveranstaltung der PKK aufkommen. Bei dieser Eindeutigkeit wäre es völlig lebensfremd anzunehmen, dass der Kläger den Charakter der Veranstaltung nicht bemerkt bzw. eigentlich missbilligt hätte. Die Person Öcalans hat nach wie vor einen Symbolgehalt für den bewaffneten Kampf der PKK gegen den türkischen Staat, wie dies hier auch schon in der optischen Ausgestaltung der Veranstaltung zum Ausdruck kommt. Erst recht mit Blick auf seine jahrelange aktive Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein, der den Jahrestag der PKK-Gründung regelmäßig begeht, ist für den Kläger der Bedeutungsgehalt der Veranstaltung eindeutig erkennbar gewesen. Indem er dieser beigewohnt hat, hat er deren Zielsetzung vielmehr nach außen erkennbar gebilligt und den emotionalen und ideologischen Zusammenhalt der PKK und der mit ihr zusammenhängenden Organisationen gestärkt (vgl. hierzu näher Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 52 ff.). Im Übrigen dienen - neben anderen „Geldquellen“ wie insbesondere Mitgliedsbeiträge und Spenden - gerade auch solche Großveranstaltungen, bei denen - wie im vorliegenden Fall - Eintrittsgelder erhoben und Umsätze erzielt werden, dazu, der PKK finanzielle Mittel zu verschaffen, die für Propagandatätigkeit, den Parteiapparat sowie für die Versorgung der Guerilla-Kämpfer und deren Ausstattung mit Waffen und Munition gebraucht werden (siehe zur Finanzierung der PKK näher Verfassungsschutzberichte Baden-Württemberg, z.B. 2008, S. 92; 2007 S. 91 f.; 2001, S. 179). Dass die einzelne Eintrittskarte relativ preiswert gewesen ist - der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung den Betrag mit 10 EUR angegeben - steht dem nicht entgegen. Auch diesem Zweck hat er zumindest durch die Zahlung der Eintrittskarte entsprochen. Dass dies für den Kläger, der aufgrund seiner Vorstandstätigkeit tiefere Einblicke in den Ablauf und Zweck solcher Veranstaltungen hatte, nicht erkennbar gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.
59 
cc.) Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass der Kläger am 04.02.2007 und 01.09.2009 an Märtyrergedenkveranstaltungen teilgenommen hat.
60 
Das LfV hat unter dem 08.10.2009 unter anderem ausgeführt, am 04.02.2007 habe in den Räumen des „Mesopotamischen Kulturvereins“ in S... ab 13 Uhr eine Versammlung von KONGRA-GEL-Anhängern stattgefunden, an der etwa 150 Personen teilgenommen hätten. Die hiervon namentlich von der Quelle erwähnten Besucher seien dem LfV aufgrund anderer Erkenntnisse als KONGRA-GEL-Anhänger bekannt. Es sei der „Sehitler“ („Märtyrer“) dieser Organisation gedacht worden. Ein Redner habe ausgeführt, die „Märtyrer“ seien „für uns“ gestorben. Sie dürften niemals vergessen werden. Ihr Andenken verpflichte „uns“ zum Einsatz für die kurdische Sache. Das sei ihnen versprochen worden und deshalb würden sich die Anwesenden auch bis zum Ende des Lebens dafür einsetzen. Zudem seien bei der Veranstaltung Fahrkarten nach Straßburg für eine dortige Demonstration am 10.02.2007 zum 8. Jahrestag des „Internationalen Komplotts“ (= Festnahme Öcalans am 15.02.1999) verkauft worden.
61 
Dass das LfV in seinem Bericht vom 27.10.2009 mit Datum vom 03.02.2007 ein „Erinnerungsfest“ für die im Kampf gefallenen Märtyrer erwähnt hat, das vom „Komitee der Märtyrer-Familien“ ausgerichtet worden sei (siehe hierzu auch die Übersetzung des entsprechenden Beitrags in der YÖP vom 06.02.2007), während eine Märtyrergedenkfeier mit Datum vom 04.02.2007 in diesem Bericht nicht genannt wird, stellt nicht in Frage, dass letztere tatsächlich stattgefunden hat. Zum einen war der 04.02.2007 ein Sonntag; es ist daher nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch der davor liegende Samstag für eine thematisch ähnliche Veranstaltung genutzt wurde. Zum anderen enthalten die Berichte des LfV (bedingt durch dessen Arbeitsweise) nicht unbedingt eine lückenlose Auflistung aller - die PKK unterstützenden - Veranstaltungen des Mesopotamischen Kulturvereins. Dies verdeutlichen etwa auch ein Abgleich der Feststellungen zu solchen Veranstaltungen im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 11.07.2002 (13 S 1111/01 - juris Rn. 63) mit den im vorliegenden Verfahren vorlegten Berichten vom 02.08.2006 und 27.10.2009, die auch Zeiträume erfassen, die Gegenstand dieses Urteils waren. Von besonderer Bedeutung ist jedoch, dass der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2010 ausdrücklich eingeräumt hat, an der Veranstaltung am 04.02.2007 teilgenommen zu haben. Der vom LfV detailreich geschilderte Ablauf ist mit diesem Schriftsatz nicht in Frage gestellt worden. Der Kläger hat darin lediglich geltend gemacht, er habe weder applaudiert noch irgendwelche Parolen gerufen. Er habe nur den gehaltenen Reden zugehört.
62 
Nach den Gründen des angefochtenen Urteils (UA S. 16) hat sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht jedoch dahingehend eingelassen, dass an diesem Tag Angehörige im Mesopotamischen Kulturverein einer Verstorbenen gedacht hätten. Die Angehörigen hätten für die Teilnehmer ein Essen ausgerichtet. Bei den Kurden sei es üblich, dass der Verstorbenen gedacht würde. Für ihn seien die Werte seines Volkes sehr wichtig. Hierzu zähle auch, der Toten zu gedenken und zu beten. Da er die Angehörigen der Verstorbenen kenne, sei er zu dieser Gedenkfeier gegangen und habe ihnen sein Beileid ausgesprochen. Er habe mit den Angehörigen zusammen gegessen und sei dann wieder gegangen. An eine bei der Veranstaltung gehaltene Rede könne er sich nicht erinnern. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger ausgeführt, er sei am 04.02.2007 zufällig im Verein gewesen und habe gesehen, dass dort Angehörige einem Toten gedacht hätten, er habe ihnen sein Beileid ausgesprochen. Er glaube, es sei ein Mann gewesen, der in der Türkei verstorben sei. Er sei nur etwa eine halbe Stunde anwesend gewesen, während dieser Zeit habe es keine Rede gegeben.
63 
Die Angaben des Klägers vor dem Verwaltungsgericht und dem Senat sind widersprüchlich und ungereimt. Nach seiner Einlassung beim Verwaltungsgericht habe es sich bei der Toten um eine Frau gehandelt; gegenüber dem Senat sprach er von einem Verstorbenen. An Einzelheiten - etwa wer der Tote gewesen sei - will er sich nach seinen Angaben vor dem Senat nicht erinnern können. Damit passt aber nicht zusammen, dass er sein angeblich spontanes Verbleiben genau auf eine halbe Stunde datierte, obwohl dieses Ereignis mehr als fünf Jahre zurückliegt. Der Senat ist auch aufgrund des vom Kläger gewonnenen Eindrucks zu der Überzeugung gelangt, dass die Art und Weise der Einlassung im gerichtlichen Verfahren allein bezweckt, den wahren Charakter der Veranstaltung zu verschleiern. Insoweit misst der Senat der früheren Äußerung im Schriftsatz vom 16.11.2010, die auch noch nicht unter dem Eindruck eines bestimmten Verlaufs des gerichtlichen Verfahrens erfolgte, besondere Bedeutung zu. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil der Kläger keine plausible Erklärung für seine nunmehr abweichende Darstellung gegeben hat.
64 
Am 01.02.2009 ist der Kläger ebenfalls Teilnehmer einer Märtyrergedenkveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern gewesen. Dabei sei - wie das LfV unter dem 23.12.2009 ausgeführt hat - eine Guerilla-Angehörige in einem Vortrag als „Heldin“ gepriesen worden, die sich aus Protest über die Isolationshaft Öcalans 2006 selbst verbrannt habe. Die Gedenkfeier habe von etwa 15 Uhr bis 16 Uhr gedauert. Ungefähr 50 Personen hätten sich hierfür in den damaligen Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins in S... versammelt. Hinsichtlich der KONGRA-GEL-Ausrichtung des Besucherkreises werde auf die Ausführungen zu der Veranstaltung vom 04.02.2007 verwiesen.
65 
Im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 ließ sich der Kläger dahingehend ein, er habe am 01.02.2009 eine in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins abgehaltene Kondolenzveranstaltung besucht. Er sei zum Zweck des Kondolierens dort gewesen. Der dort abgehaltene Vortrag könne ihm nicht angelastet werden. Aus dieser Einlassung ergibt sich aber nicht nur, dass die Tatsache der Veranstaltung nicht bestritten wird, sondern auch, dass deren konkret geschilderter Verlauf mit seinem Vortrag nicht in Abrede gestellt wird; lediglich der Ausrichtung der Veranstaltung wird entgegengetreten. Im Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16.11.2010 heißt es dann, der Kläger lasse bestreiten, an dieser Veranstaltung teilgenommen zu haben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger ausgeführt, er sei nicht bei der Veranstaltung vom 01.02.2009 gewesen. Auf Vorhalt, dass im Anwaltsschreiben vom 30.06.2010 ausdrücklich ausgeführt worden sei, er habe an dieser Veranstaltung teilgenommen, hat der Kläger zunächst überhaupt nicht geantwortet. Erst auf Frage seiner Prozessbevollmächtigten, ob er vielleicht etwas durcheinander bringe, hat er dies bejaht und sich im weiteren Verlauf der Verhandlung darauf berufen, er könne sich nicht erinnern.
66 
Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Einlassung im Schriftsatz vom 30.06.2010 zur Teilnahme an einer Veranstaltung am 01.02.2009 zutrifft. Diese Ausführungen können nur auf den entsprechenden Angaben des Klägers gegenüber seinen Rechtsanwälten beruhen und stehen mit der erstmaligen Vorhaltung der Teilnahme an dieser Veranstaltung in näherem zeitlichem Zusammenhang. Für diese Bewertung spricht ebenfalls, dass der Kläger weder im Schriftsatz vom 16.11.2010 noch zu einem späteren Zeitpunkt nachvollziehbar erklärt hat, warum er nunmehr eine andere Schilderung abgibt.
67 
Der Senat ist davon überzeugt, dass es sich bei dieser Veranstaltung vom 01.02.2009 ebenso wie bei derjenigen vom 04.02.2007 nicht um ein bloßes Gedenken an einen Toten, um ein würdevolles Abschiednehmen und Kondolieren mit einer (Trauer-) Feier gehandelt hat, sondern um Zusammenkünfte bei denen mit dem Ziel der Unterstützung des Guerillakampfes ein Heldengedenken und ein Märtyrerkult im Hinblick auf gefallene Kämpfer oder in sonstiger Weise für „die Sache“ Verstorbene betrieben werden.
68 
Die Feststellung, dass es sich - entgegen der Einlassung des Klägers - bei der Veranstaltung vom 01.02.2009 nicht um eine „normale“ Trauerfeier gehandelt hat, sondern um eine Märtyrergedenkveranstaltung zum Jahrestag einer HPG-Angehörigen, die sich am 01.02.2006 aus Protest gegen die „Isolationshaft“ von Öcalan selbst verbrannt habe, beruht auf den in der mündlichen Verhandlung übergebenen schriftlichen Ergänzungen zu den Berichten des LfV vom 27.10.2009 und 02.08.2006 sowie dem Bericht vom 15.06.2011, in denen die Gedenkveranstaltung aus Anlass des 3. Jahrestags der Selbstverbrennung der Märtyrerin Viyan Soran am 01.02.2009 aufgeführt und näher beschrieben ist, und gegen die der Kläger keine Einwendungen vorgebracht hat, sowie auf den Angaben des Zeugen vom Hörensagen des LfV.
69 
Der Senat ist sich dessen bewusst, dass der vernommene Mitarbeiter des LfV nach der Quelle und dem Quellenführer der „3. Mann“ in der Kette denkbarer Auskunftspersonen ist und daher dessen Bekundungen mit einem dem immanenten Unsicherheitsfaktor behaftet sind. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil - wie dies für den Einsatz einer Quelle des Verfassungsschutzes typisch ist - die Berichte der Quelle an den Quellenführer mündlich erfolgen, dies regelmäßig auch nicht sofort nach der Veranstaltung, über die berichtet wird, geschieht und die Erstellung der schriftlichen Fassung durch den Quellenführer dann nochmals Zeit benötigt, wobei dies üblicherweise einige Tage betragen kann. Diese Verfahrensabläufe ergeben sich aus den Bekundungen des Mitarbeiters des LfV in der Berufungsverhandlung. Sie sind dem Senat im Übrigen aus anderen Verfahren mit Quellen des LfV bekannt. Der Senat geht auch davon aus, dass der Quellenführer die Angaben der Quelle nicht in dessen Beisein auf einen Tonträger aufnimmt oder diese gar an Ort und Stelle sofort schriftlich niederlegt. Der Senat hält es ferner nicht für plausibel, dass - wie der Mitarbeiter des LfV dies in der mündlichen Verhandlung als eventuell möglich angedeutet hat - es auch sein könnte, dass die schriftliche Aufzeichnung des Quellenführers nochmals mit der Quelle abgestimmt wird. Ein solches Prozedere zur Reduktion von Fehlern ist - wie der Senat aus vergleichbaren Verfahren weiß - jedenfalls nicht üblich.
70 
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Verfassungsschutz aufgrund der ihm zugewiesenen Aufgaben gerade in der streitgegenständlichen „Szene“ auf den Einsatz von dort aktiven Quellen zur Ermittlung von Sachverhalten angewiesen ist, und die Aufrechterhaltung der Anonymität der Quelle hierbei von zentraler Bedeutung ist. Aus Gründen des Quellenschutzes hat der Zeuge des LfV nichts offenbart, was in irgendeiner Weise einen Rückschluss auf die Identität der Quelle und deren Arbeitsweise zulassen würde; die Quelle ist daher ein in jeder Hinsicht unbekannter Faktor, deren Glaubwürdigkeit vom Senat nicht selbst beurteilt werden kann. Der Zeuge hat aber im Einzelnen nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, wie durch entsprechende Lichtbildvorlagen sichergestellt ist, dass die Quelle den Kläger einwandfrei identifiziert hat, und welche Maßnahmen das LfV - auch im vorliegenden Fall - zur Überprüfung der Nachrichtenehrlichkeit von Quellen praktiziert. Er hat im Einzelnen weiter ausgeführt, dass es im konkreten Fall keine Hinweise darauf gebe, dass die Quelle jemals in irgendeiner Weise falsch berichtet hätte, was im Übrigen dazu führen würde, dass keine Erkenntnisse mehr mitgeteilt würden, die von dieser Quelle herrührten und bereits übermittelte Erkenntnisse zurückgezogen würden. Dies deckt sich mit den Fakten, die dem Senat aus anderen Fällen bekannt sind.
71 
Dies insgesamt berücksichtigend ist der Senat der Überzeugung, dass die Berichte der Quelle über die Veranstaltung vom 01.02.2009, aber auch was die über den Kläger insgesamt mitgeteilten sonstigen Erkenntnisse betrifft, zutreffend sind. Dies gilt vor allem deshalb, weil es im vorliegenden Fall besonders gewichtige Fakten gibt, die die „Quellenbekundungen“ stützen. Dass die Quelle den Kläger sicher identifizieren kann, belegt der Umstand, dass diese den Kläger als Teilnehmer der PKK-Gründungsfeierlichkeiten zum 30. Jahrestag benannt hat, einer Veranstaltung, die von ca. 2.000 Personen besucht worden ist, und der Kläger seine Anwesenheit dort zugestanden hat. Die Anwesenheit des Klägers bei der Feier zum Jahrestag der PKK-Gründung mit den dort gezeigten Bildern von Märtyrern verdeutlicht zugleich, dass dem Kläger die Beteiligung an Veranstaltungen, bei denen es (auch) um die „Erinnerung“ an Märtyrer geht, nicht fremd ist. Hinzukommt, dass der Mesopotamische Kulturverein aktenkundig seit 1997 immer wieder der Märtyrer gedenkt und besondere Feiern hierzu ausrichtet; die Veranstaltung vom 01.02.2009 passt in diese Konzeption. Dem Kläger muss schon aufgrund seiner Vorstandstätigkeit und aktiven Mitgliedschaft - nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist er in den Jahren 2000 bis 2005 im Verein ein- und ausgegangen - diese Tatsache ebenso wie der konkrete Charakter einer solchen Veranstaltung bekannt gewesen sein.
72 
Nach der Stellungnahme des LfV vom 15.06.2011 handelt es sich bei den Märtyrern vor allem um gefallene HPG-Kämpfer/Guerillas, Selbstmordattentäter oder Selbstmörder, wobei insbesondere die Selbstverbrennung als heldenhaft gelte, um auf das eigene Anliegen aufmerksam zu machen. Es gebe bei den von PKK-nahen Vereinen veranstalteten Märtyrergedenkfeiern grundsätzlich zwei unterschiedliche Arten: Zum einen diejenigen, die fest im Kalender der Organisation verankert seien und jährlich wiederkehrend um einen bestimmten Termin herum gefeiert würden, zum anderen diejenigen, die aus aktuellem Anlass oder nur in bestimmten regionalen Zusammenhängen begangen würden. Weitere Märtyrergedenkfeiern richteten sich zumeist nach den Jahrestagen von Todestagen herausragender Aktivisten oder besonderer Ereignisse, wenn z.B. mehrere Kämpfer bei einer illegalen Aktion umgekommen seien. Diese Gedenkfeiern würden meist nicht regelmäßig jedes Jahr begangen. Oft orientierten sich die PKK-nahen Vereine hier an entsprechenden Veröffentlichungen z.B. in der Yeni Özgur Politika oder daran, ob eine im Verein aktive Familie einen Märtyrer in früherer Zeit zu beklagen gehabt habe. Auch tatsächliche aktuelle Trauerfälle - weil beispielsweise ein Mitglied einer hier lebenden Familie als PKK-Guerilla gefallen sei - könnten der Anlass solcher Feiern sein. Bei der Märtyrergedenkfeier vom 01.02.2009 handele es um eine solche, die sich am Jahrestag des Todestags der herausragenden Aktivistin Leyla Welid Hüseyin bzw. Leyla Wali Hasan orientiere, einer HPG-Angehörigen mit dem Decknamen „Viyan Soran“, die sich am 01.02.2006 aus Protest gegen die „Isolationshaft“ von Öcalan selbst verbrannt habe. Für die Feier vom 04.02.2007 gelte ebenfalls, dass diese eben keine private Familienfeier sei, sondern dass das Gedenken in diesem Rahmen auch der Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls diene. Die Tatsache, dass bei Märtyrergedenkveranstaltungen häufig eine Rede mit entsprechender PKK-Propaganda gehalten werde, verdeutliche, dass die Angehörigen eines Märtyrers, aber auch andere Besucher darin bestärkt werden sollen, dass der Märtyrer das Richtige getan habe und man ihm nacheifern müsse.
73 
Der Senat teilt die Einschätzung des LfV, dass diese Veranstaltungen das Gedenken an sog. „Sehitler“ (dt: „Märtyrer“) instrumentalisieren. Die Botschaft, es sei ehrenvoll so wie die Märtyrer zu handeln, soll vermittelt werden - vor allem mit dem Ziel der Rekrutierung von Nachwuchskämpfern, aber auch um die Anhänger an die Organisation zu binden und Unterstützer für die eigene Sache zu gewinnen. Die Veranstaltungen dienen der Verherrlichung des Todes im Einsatz für die PKK und deren Ziele. Mit diesen Veranstaltungen wird ein emotionales (und auch materielles) Unterstützerfeld für die PKK geschaffen, das ständig aktualisiert und am Leben gehalten werden soll. Die Märtyrergedenkveranstaltungen sind ein wesentlichen Element zur Herstellung eines engen ideologischen und gefühlsmäßigen Zusammenhalts unter Einbeziehung auch der PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (siehe zum Märtyrerkult der PKK Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 55; auch BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris Rn. 46 ff.). Mit dem Besuch dieser Veranstaltungen am 04.02.2007 und 01.02.2009, deren Ausrichtung für den Kläger aufgrund seiner politischen Biographie zumindest ohne weiteres erkennbar gewesen ist, hat er die PKK unterstützt. Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass der Kläger allein aus geselligen Gründen zufällig in diese Veranstaltungen geraten sein könnte. Diese Bewertungen würden im Übrigen selbst dann gelten, wenn man es für denkbar halten würde, dass der Kläger im Jahre 2007 tatsächlich das „Erinnerungsfest für Märtyrer“ am 03.02. besucht hätte. Die - erkennbare - Ausrichtung dieser Veranstaltung (siehe hierzu den Bericht in der Yeni Özgur Politika vom 06.02.2007) entspricht dem vorstehend Dargelegten.
74 
dd.) Der Senat ist weiter davon überzeugt, dass der Kläger durch den Besuch von Veranstaltungen am 24.02.2008 und 07.06.2009, mit deren Ausgestaltung und Ablauf erkennbar für die Ziele der PKK geworben und ein entsprechendes Sympathieumfeld am Leben gehalten werden soll, die PKK unterstützt hat.
75 
Das LfV hat unter dem 12.11.2008 und ergänzt durch Schreiben vom 08.10.2010 mitgeteilt, am 24.02.2008 sei der Kläger in den damaligen Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins in S... Teilnehmer einer Mitgliederversammlung von KONGRA-GEL-Anhängern gewesen. Gleich zu Beginn der Veranstaltung sei zu einer Gedenkminute für die Märtyrer dieser Organisation aufgerufen wurden. Weiter habe ein Redner zu einer zahlreichen Beteiligung an den zukünftigen Demonstrationen „gegen den Einmarsch des türkischen Militärs in den Nordirak“ aufgefordert. Ein anderer Referent habe ausführlich die Ergebnisse des letzten Kongresses der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V (YEK-KOM) geschildert. Es habe sich um die Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins gehandelt, der hierzu seine Angehörigen jeweils direkt einlade. Es seien 80 Personen anwesend gewesen.
76 
Nach den Erkenntnissen des LfV habe sich der Kläger am 07.06.2009 in den damaligen Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins in S... an einer Veranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern beteiligt, bei der ein Redner die Guerilla als so stark wie nie beschrieben habe. In den vergangenen Monaten hätten Tausende von Jugendlichen ihre Bereitschaft erklärt, kämpfen zu wollen, aber man würde sie derzeit noch nicht benötigen. Die nutzlosen türkischen Luftangriffe zeigten, dass eine starke Militärmaschinerie nicht ausreiche, um die Guerilla zu besiegen. Auf die „Verhaftungswelle“ von KONGRA-GEL-Funktionären in Frankreich eingehend, habe er behauptet, die Europäer inklusive der Deutschen hätten mit der türkischen Regierung schon immer „schmutzige Geschäfte“ zu Lasten der Kurden vereinbart. Die Veranstaltung habe von ca. 14.30 Uhr bis 16.30 Uhr gedauert und sei von annähernd 100 Personen besucht worden. Zur Teilnahme sei in der YÖP vom 05.06.2009 eingeladen worden.
77 
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 16.11.2010 sowie auch vor Gericht bestritten, an diesen Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Der Senat hat jedoch aufgrund der Angaben des Zeugen vom Hörensagen des LfV und der vorliegenden gewichtigen Indiztatsachen keinen Zweifel daran, dass diese Veranstaltungen mit dem berichteten Inhalt stattgefunden haben und der Kläger bei diesen auch anwesend gewesen ist.
78 
Zwar hat der Zeuge über die bereits schriftlich übermittelten Erkenntnisse hinaus keine weiteren Details zu den Veranstaltungen vom 24.02.2008 und 07.06.2009 angegeben, insbesondere etwa zur Person des Redners hinsichtlich der Veranstaltung vom 24.02.2008 unter Hinweis auf den abgeschlossenen kleineren Kreis dieser Mitgliederversammlung und des unbedingt zu wahrenden Quellenschutzes nichts weiter preisgegeben. Unter Berücksichtigung der bereits oben dargelegten Erwägungen zur Verwertbarkeit und Würdigung der Aussagen des Zeugen vom Hörensagen sieht der Senat aber keine Hinderungsgründe, seine Überzeugungsbildung auf die „Quellenangaben“ zu stützen. Die Tatsache der Veranstaltung vom 07.06.2009 und deren Ausrichtung ergibt sich aus der veröffentlichten Anzeige in der Yeni Özgur Politika vom 05.06.2009. Danach „findet auf Einladung des Mesopotamischen Kulturvereins am Sonntag, dem 07.06.2009 eine Volksversammlung statt. Dazu sind alle progressiven Menschen eingeladen“. Die Durchführung von Volksversammlungen und Mitgliederversammlungen mit den konkret beschriebenen Abläufen entspricht einer „Tradition“ des Mesopotamischen Kulturvereins, über die auch etwa in den Yeni Özgur Politika und zuvor der Özgur Politika berichtet wurde. Dass in der Versammlung vom 24.02.2008 über die Ergebnisse des letzten Kongresses der YEK-KOM informiert wurde, begegnet vor dem Hintergrund der Mitgliedschaft des Vereins in der YEK-KOM und der tatsächlichen Verflechtung zwischen beiden (siehe dazu oben unter a.) keinen Zweifeln. Wie schon oben ausgeführt ist die Quelle auch in der Lage, den Kläger sicher zu identifizieren. Anhaltspunkte dafür, dass dies - entsprechend der Einlassung des Klägers - „alles nur böse Unterstellungen“ seien, sind nicht greifbar. Eine wesentliche Tatsache bei der Würdigung der Angaben des Zeugen vom Hörensagen ist zudem der Umstand, dass der Kläger seine Beteiligung an verschiedenen ähnlich gelagerten Veranstaltungen des Mesopotamischen Kulturvereins selbst eingeräumt hat oder durch polizeiliche Erkenntnisse feststeht, dass der Kläger Aktivitäten entfaltet hat, die zugunsten der PKK wirken, wie sein Verhalten anlässlich der Leitung der Versammlung am 31.05.2001 oder die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001.
79 
ee.) Ferner steht fest, dass der Kläger am 14.05.2006 an einer vom Mesopotamischen Kulturverein ausgerichteten Versammlung zur Wahl des Volksgebietsrats teilgenommen hat und dort zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist und am 26.04.2009 bei einer Versammlung anlässlich der Wahl des neuen Volksgebietsrats gewesen ist.
80 
Nach den Berichten des LfV habe am 14.05.2006 in der Gaststätte W. in S... von 14.00 Uhr bis 17.30 Uhr eine Versammlung mit 300 Personen stattgefunden, an der der Kläger teilgenommen habe. In der Yeni Özgür Politika seien am 03. und 11.05. 2006 Hinweise und Einladungen zu dieser Veranstaltung erschienen. Bei dieser Versammlung habe ein Redner über die politische Lage in den kurdischen Gebieten im Irak referiert und den USA vorgeworfen, die Türkei im Kampf gegen diese Organisation zu unterstützen. Bei diesem Redner habe es sich um den zwischenzeitlich wegen seiner Funktionärstätigkeit als Leiter des Sektors „Süd“ für die PKK durch das OLG Frankfurt verurteilten Muzaffer Ayata gehandelt. Dieser habe ausgeführt, dass die Volksräte unter anderem gegründet worden seien, um die „Kadros“ zu entlasten und das Volk in die Verantwortung zu nehmen. Die YÖP habe am 16.05.2006 berichtet, der Politiker und Schriftsteller Ayata habe in seiner Ansprache darauf verwiesen, dass die Kurden eine konföderative Struktur ohne staatlichen Charakter bräuchten und hierbei betont, dass die Volksräte das demokratischste völkische Modell für die Kurden seien. Nach dem Verlesen der Schriften von Öcalan über die „Demokratische Konföderation“ hätten Kommissionswahlen stattgefunden. Für die Kommissionen „Friede und Einigung“, „Auswärtige Angelegenheiten“, „Organisierung“, „Frauenkommission“, „Bildungskommission“, „Kultur und Kunst“ und „Glaubenskommission“ seien insgesamt 55 Personen gewählt worden. Zum Vorsitzenden des damaligen Volksgebietsrats sei in derselben Versammlung K. gewählt worden. Der Kläger habe an dieser Versammlung und der Wahl des Volksgebietsrats teilgenommen. Er sei zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden.
81 
Nach einem weiteren Bericht des LfV vom 17.04.2012 habe der Kläger, der zwischenzeitlich nicht mehr stellvertretender Vorsitzender des Volksgebietsrats sei, am 26.04.2009 an einer Versammlung in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins anlässlich der Wahl des neuen Volksgebietsrats teilgenommen. Der damalige PKK-Gebietsleiter S... habe erklärt, dass der vorige Volksgebietsrat zu wenig gearbeitet habe, deshalb müsse ein neuer gewählt werden. Er habe auch über die Bedeutung der Volksgebietsräte gesprochen: Bislang hätte das Volk immer die Partei für sich entscheiden lassen, nun könne es selbst entscheiden. Im Anschluss daran seien die vom Gebietsleiter vorgeschlagenen Kandidaten per Handzeichen gewählt worden.
82 
Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2010 und im gerichtlichen Verfahren bestritten, an der Wahl des Volksgebietsrats am 14.05.2006 und am 26.04.2009 teilgenommen genommen zu haben und 2006 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden zu sein. Er macht geltend, es seien Falschbeschuldigungen. Das Land Baden-Württemberg habe nur allgemeine Angaben zu dieser Veranstaltung gemacht, konkrete Angaben zu seinem Verhalten seien unterblieben, schon dies zeige, dass er nicht teilgenommen habe.
83 
Dass am 14.05.2006 und 26.04.2009 in S... Versammlungen mit dem Ziel der Wahl des Volksgebietsrats durchgeführt worden sind, ist vor allem mit Blick auf die entsprechenden Berichterstattungen in der Yeni Özgur Politika und der diese Veranstaltungen bestätigenden Aussagen des Zeugen K., der am 14.05.2006 zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist, erwiesen. Im Übrigen ist letztlich auch vom Kläger nicht mehr in Abrede gestellt worden, dass es diese Veranstaltungen und die Wahl zum Volksgebietsrat gegeben hat. Der Senat ist aufgrund der Angaben des Zeugen vom Hörensagen und der vorliegenden gewichtigen Umstände, die diese stützen, davon überzeugt, dass der Kläger an diesen Versammlungen teilgenommen hat und am 14.05.2006 zum Stellvertreter des Volksgebietsrats gewählt worden ist.
84 
Das LfV, dem die Veranstaltung vom 14.05.2006 mit der Wahl des Schwagers des Klägers, dem Zeugen K., zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats jedenfalls seit Mitte 2006 bekannt gewesen sein muss (vgl. hierzu den im Verfahren übermittelten Auszug aus dem türkischen Pressespiegel vom 16.05.2006), hat erstmals mit Bericht vom 24.01.2008 eine Teilnahme des Klägers an der Veranstaltung vom 14.05.2006 angeführt und eine Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats sogar erst unter dem 08.10.2010 angegeben. Mit Schreiben vom 17.04.2012 hat das LfV hierzu erklärt, es könne heute nicht mehr nachvollzogen werden, welche Erwägungen 2008 dazu geführt hätten, dass damals eine Wahl des Klägers zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats nicht mitgeteilt worden sei. Grundsätzlich sei es aber so, dass vor jeder Offenlegung eingestufter Erkenntnisse - und um solche handele es sich bei der Berichterstattung vom 14.05.2006 - genau geprüft werde, welche Veranstaltungsdetails ohne eine Gefährdung der Quelle offengelegt werden könnten. Dem Erstbericht von 2008 und dem Nachbericht von 2010 liege jedoch derselbe schriftliche mehrseitige Quellenbericht zugrunde (üblicherweise werde der zumeist kurz nach der Veranstaltung von der Quelle mündlich übermittelte Bericht vom Quellenführer schriftlich fixiert, dieser so genannte Quellenbericht finde dann Eingang in die Akten des LfV). Vor allem mit Blick auf diese letzten Erläuterungen steht es einer Glaubhaftigkeit der Angaben zu den dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten im Zusammenhang mit den Wahlen zum Volksgebietsrat nicht entgegen, dass diese deutlich zeitlich versetzt mitgeteilt worden sind. Der in der mündlichen Verhandlung vernommene Zeuge des LfV hat die bereits schriftlich mitgeteilten Erkenntnisse zu diesen Veranstaltungen bestätigt und ausdrücklich erklärt, dass der Kläger sowohl am 14.05.2006 als auch am 26.04.2009 bei diesen Versammlungen anwesend gewesen ist, 2006 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt und 2009 nicht wiedergewählt worden ist. Er hat ferner ausgeführt, dass bei der Wahl am 14.05.2006 alle Kandidaten vorgeschlagen wurden und dann im Paket über diese abgestimmt wurde. Diese Angaben werden durch die Aussage des Zeugen K. nicht infrage gestellt. Dieser Zeuge hat angegeben, er wisse nicht, ob der Kläger an der Veranstaltung vom 14.05.2006 teilgenommen habe. Auch auf weitere Nachfragen hat sich der Zeuge K. darauf berufen, hierzu könne er nichts sagen, das wisse er nicht. Andererseits hat er aber angegeben, dass der Kläger über die Veranstaltung Bescheid gewusst habe. Der Senat hat nach dem persönlichen Eindruck vom Zeugen K., der im Übrigen der Schwager des Klägers ist, die Überzeugung gewonnen, das dieser, was dessen Teilnahme an der Wahl zum Volksgebietsrat und die Übernahme einer Funktion als stellvertretender Vorsitzender anbelangt, offensichtlich eine eindeutige Aussage hat vermeiden wollen, um auf der einen Seite dem Kläger nicht zu schaden und auf der anderen Seite aber nicht selbst Gefahr zu laufen, wegen einer Falschaussage bestraft zu werden.
85 
Zwar hat der Kläger vorgebracht, Opfer einer Falschverdächtigung zu sein; konkrete Anhaltspunkte hierfür hat er jedoch nicht genannt. Auch mit Blick auf das ausdifferenzierte Kontrollsystems des LfV zur Überprüfung der Nachrichtenehrlichkeit sieht der Senat keinen Anlass, solches anzunehmen. Ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Quelle, die den Kläger sicher identifizieren kann, zutreffend berichtet hat, ist vor allem die Tatsache, dass die fraglichen Veranstaltungen und die Funktion des Stellvertreters des Volksgebietsrats sich in die Aktivitäten einreihen, die der politisch agierende Kläger selbst eingeräumt hat oder die aufgrund objektiver Gegebenheiten erwiesen sind. Dass der Mesopotamische Kulturverein als Ausrichter der Versammlungen aufgetreten ist (so auch die entsprechende Einlassung von K. ausweislich des Protokolls seines Sicherheitsgesprächs vom 12.04.2011), und dass sich der Kläger dort nach eigenem Vorbringen sowohl im Vorstand als auch als aktives Mitglied in der Vergangenheit engagiert hat, sind weitere Fakten, die die Angaben des Zeugen vom Hörensagen stützen.
86 
Sowohl durch die Teilnahme an den Versammlungen zur Wahl des Volksgebietsrats als auch durch die Übernahme der Funktion als Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats hat der Kläger die PKK für ihn erkennbar unterstützt.
87 
Was die Ausrichtung der Versammlung zur Wahl des Volksgebietsrats und den Volksgebietsrat selbst anbelangt, hat der Zeuge K. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, die Idee sei gewesen, dass aus allen sozialen Schichten Kurden daran teilnehmen, vergleichbar einer Art Gemeinderat, der sich der speziellen Probleme der Kurden unabhängig von ihrer Herkunft, etwa in Fragen der Integration, annehme. Der Senat ist allerdings der Überzeugung, dass dies den wahren Charakter von Volksversammlungen und Volksgebietsräten nicht zutreffend umschreibt. Wie das LfV unter dem 08.10.2010 im Einzelnen dargelegt hat, strebt die PKK mit dem Element des Volksrats (bzw. Gebietsvolksrat oder Volksgebietsrat) eine verstärkte Einbindung ihrer Anhänger in organisationsinterne Entscheidungsprozesse und somit eine erhöhte Legitimation ihrer Anliegen an. Eine Versammlung wählt den Volksrat, der sich um Belange der Kurden in einem bestimmten Gebiet kümmert. Dies und die Einrichtung zahlreicher Kommissionen, beispielsweise für Frauen, Jugend, Schulung oder Finanzen, werden seitens der PKK als Basisdemokratie dargestellt. Tatsächlich wird aber in der Praxis die vorhandene streng hierarchische Führungsstruktur nicht angetastet. Volksgebietsräte (türkisch: Halk Konseyi oder Bölge Halk Konseyi) gehören seit 2005 zum organisatorischen Rahmen der PKK und sollen deutschland- und europaweit verbreitet sein (vgl. hierzu auch die Berichterstattung in der Yeni Özgur Politika vom 16.05.2006). Dass die Volksgebietsräte erkennbar von der PKK „gesteuert“ sind, belegt schon die Tatsache, dass die Veranstaltung vom 14.05.2006 unter führender Beteiligung eines hochrangigen PKK-Funktionärs abgehalten worden ist, nämlich dem bis zu seiner Festnahme am 08.08.2006 verantwortlichen Leiter des PKK-CDK-Sektors Süd in Deutschland, der als Sektorenleiter in Deutschland von der Europaführung der PKK/CDK bestimmt und überwacht, und dessen Ausweisung vom Senat mit Urteil vom 21.07.2010 (11 S 541/10 - juris) rechtskräftig bestätigt worden ist. Auch die zentrale Rolle des Gebietsleiters der PKK bei der erneuten Veranstaltung vom 26.04.2009 unterstreicht dies. In diesen Zusammenhang ist ferner die Verlesung von Schriften Öcalans bei dem Treffen am 14.05.2006 einzuordnen, der als Symbol für die Ziele und den Kampf der PKK gilt.
88 
Der Senat geht jedoch davon aus, dass der Volksgebietsrat in S... zu keiner Zeit nennenswerte tatsächliche Aktivitäten entfaltet hat und der Kläger daher eine Funktion als Stellvertreter des Volksgebietsrats in der Praxis nicht ausgeübt hat. Dass der Volksgebietsrat „nicht mit praktischem Leben erfüllt worden ist“, beruht auf den Angaben des Zeugen K. Der Zeuge des LfV hat auf die Frage des Senats, ob die Volksgebietsräte in S... seit der ersten Wahl im Jahre 2006 jemals etwas gemacht hätten, angegeben, es sei ihm hierzu nichts bekannt geworden, und damit im Ergebnis die Angaben dieses Zeugen bestätigt.
89 
Allerdings liegt sowohl durch den Besuch dieser Versammlungen als auch durch die Übernahme der Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats ein tatbestandliches Unterstützen vor. Denn hierdurch werden die Ziele der PKK unter Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen gefördert. Volksversammlungen dienen vor allem der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Auch die (passive) Teilnahme an einer Volksversammlung drückt eine innere Nähe und Verbundenheit zur PKK aus, durch die ihre Stellung vor allem unter Landsleuten günstig beeinflusst wird, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsumfeld erweitert werden und dadurch insgesamt dazu beigetragen wird, das Gefährdungspotential der PKK zu erhöhen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 54 ff.). Erst recht gilt dies, wenn sich jemand bereit erklärt, in diesem Rahmen noch eine besondere Funktion zu übernehmen. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger all dies nicht bewusst bzw. erkennbar gewesen wäre, sind nicht ersichtlich.
90 
ff.) Der Kläger hat durch die - von ihm mit Schriftsatz vom 16.11.2010 eingeräumte - Teilnahme als Besucher einer Podiumsdiskussion am 25.02.2007 in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins unter Mitwirkung von Günay Aslan zum Thema „Aktuelle politische Entwicklungen im Mittleren Osten und die Position der Kurden“ den Tatbestand der Unterstützung nicht verwirklicht. Nach den Erkenntnissen des LfV habe der Redner im Hinblick auf den befürchteten Einmarsch des türkischen Militärs in den Irak erklärt, dass der KONGRA-GEL seinerseits Operationen gegen die Türkei vorbereite. Darüber hinaus habe er den europäischen Staaten vorgeworfen, mit der USA und Israel an einer gemeinsamen Aktion gegen Öcalan zu arbeiten.
91 
Der Kläger hat angegeben, der weithin bekannte kurdische Journalist Günay Aslan habe eine Rede zur aktuellen Entwicklung im Mittleren Osten gehalten. Da er sich für die Entwicklung in seinem Heimatland interessiere, sei er dort gewesen. Der Journalist habe von der Situation der Kurden im Nahen Osten berichtet und seine Einschätzung zur weiteren Entwicklung mitgeteilt. Er habe immer wieder betont, dass den Kurden kulturelle Rechte zustünden und sie diese einfordern dürften.
92 
Auch unter Berücksichtigung der mitgeteilten Erkenntnisse des LfV hat der Redner auf dieser Veranstaltung lediglich seine politische Überzeugung bekundet, was durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist und nicht als Anknüpfung für eine Unterstützungshandlung - und schon gar nicht bei seinen Zuhörern -in Betracht kommt. Anhaltspunkte dafür, dass der Referent auch die Anwendung terroristischer Mittel (anlässlich eines bewaffneten Kampfes) durch die PKK ausdrücklich öffentlich gebilligt oder in irgendeiner Weise befürwortet hätte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit der journalistischen Arbeit von Herrn Aslan, etwa in der Publikation der „Kandil-Eindrücke“, aus Sicht des LfV „zumindest eine kritische Distanz zu den Objekten seiner Berichterstattung fehle“ (vgl. hierzu das Schreiben vom 10.05.2012), berechtigt dies nicht zu nachteiligen Schlussfolgerungen.
93 
Dass das LfV weiter mitgeteilt hat, bei der Veranstaltung, für die in der Ausgabe der Yeni Özgur Politika vom 22.02.2007 geworben worden sei, liege eine KONGRA-GEL-Ausrichtung des Besucherkreises vor, ist vor diesem Hintergrund irrelevant.
94 
c.) Der Berücksichtigung der Vorstandstätigkeit und Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein und der Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen bzw. Durchführung entsprechender Aktivitäten steht nicht entgegen, dass diese teilweise schon länger zurückliegen.
95 
Hinsichtlich der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001 wurde von der Verfolgung wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 17.12.2002 nach § 153 StPO abgesehen. Auch das im Zusammenhang mit der Leitung der Kundgebung am 31.05.2001 stehende Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz wurde eingestellt. Das Verwertungsverbot für getilgte Strafen nach § 51 Abs. 1 BZRG kann schon deshalb nicht greifen, weil der Kläger wegen der angeführten Umstände bzw. Aktivitäten nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Im Übrigen ist weder bei Unterstützungshandlungen, die strafbar gewesen wären, aber nicht zu einer Verurteilung geführt haben, noch bei den nicht mit einer Strafe bewehrten Aktivitäten eine „fiktive Tilgung“ mit der Folge eines Verwertungsverbots nach § 51 Abs. 1 BZRG vorzunehmen (ausführlich dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 Bs 2/10 - InfAuslR 2011, 193, m.w.N.; zu den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 1491/05 - AuAS 2011, 89; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2011 - 5 N 30.08 - juris; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 63; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris - auch zum Fall einer möglichen Atypik im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
96 
Die länger zurückliegenden Tätigkeiten des Klägers sowie insbesondere seine Mitgliedschaft und seine Stellung als Vorstand im Mesopotamischen Kulturverein sind auch nicht „verbraucht“, so dass sie dem Kläger nicht mehr entgegen gehalten werden könnten. Die Niederlassungserlaubnis vom 04.04.2006 beruhte nicht auf einer vorherigen ausländerrechtlichen Prüfung, die den Schluss zuließe, die Ausländerbehörde habe in Kenntnis der Ausweisungsgründe einen Aufenthaltstitel erteilt und damit die ihr bis dahin bekannten Ausweisungsgründe verbraucht. Wie sich aus dem Vermerk auf dem Titel „Übertrag nach § 101“ ergibt, ist die Niederlassungserlaubnis allein eine gesetzliche Folge, die an den Besitz der dem Kläger am 07.05.2002 - und damit vor dem 01.01.2005 - erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis anknüpft (§ 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Soweit das Regierungspräsidium am 09.12.2005 unter Berücksichtigung der ihm bis dahin bekannten Aktivitäten zu dem Schluss kam, die Voraussetzungen für eine Ausweisung lägen nicht vor, ist dies behördenintern geblieben und kann schon deshalb keinen Anknüpfungspunkt für ein entsprechendes Vertrauen des Klägers bieten. Hinzukommt, dass der Kläger danach seine Unterstützungshandlungen unverändert fortgesetzt hat und auch insoweit keine Zäsur erkennbar wäre, die die Verwertung der früheren Aktivitäten in Frage stellen könnte.
97 
Zwar sind die letzten Unterstützungshandlungen des Klägers durch das LfV für das Jahre 2009 mitgeteilt worden. Dies steht aber der Annahme der gegenwärtigen Gefährlichkeit nicht entgegen. Es liegen keine äußerlich feststellbaren Umstände vor, aus denen geschlossen werden könnte, der Kläger habe seine innere Einstellung verändert und werde daher künftig Unterstützungshandlungen unterlassen. Der Umzug des Klägers von S... nach R... und seine Tätigkeit im Gastronomiebetrieb seiner Ehefrau geben keinen Anlass für eine solche Schlussfolgerung. Der Kläger hat jahrelang und kontinuierlich den internationalen Terrorismus in der oben festgestellten Weise unterstützt. Der Senat nimmt ihm seine Einlassung nicht ab, er habe nur den Friedenskurs der PKK begleitet und sei nie für den bewaffneten Kampf gewesen. Dagegen spricht schon, dass der Kläger auch nach dem 2004 wieder beendeten Friedenskurs einer aktiven Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein nachgegangen und weitere Unterstützungshandlungen vorgenommen hat. Hinzukommt, dass dem Kläger, der nach eigenen Angaben in den Jahren 2000 bis 2005 im „Verein“ ein- und ausgegangen ist, schon allein aufgrund der dort abgehaltenen Veranstaltungen nicht hat verborgen bleiben können, dass das proklamierte friedliche Auftreten der PKK in dieser Zeit nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft unter Anwendung von terroristischen Mitteln geändert hat. So hat es den Mitteilungen des LfV zufolge etwa auch in dieser Zeit Märtyrergedenkveranstaltungen im Mesopotamischen Kulturverein mit den diesen eigenen und oben dargestellten Zwecken gegeben. Auch haben sich Funktionäre der PKK im Verein dem Hintergrund der europaweit initiierten „Identitätskampagne“ angenommen. Was den grundsätzlichen Einwand des Klägers anbelangt, er habe in der Türkei die KAWA unterstützt, die eine ganz andere Ausrichtung gehabt habe wie die PKK, und schon dies belege, dass er diese nie habe unterstützen wollen, ideologisch und politisch sei er mit der PKK nicht einer Meinung, überzeugt dies den Senat ebenfalls nicht. Denn wie sich aus der in der mündlichen Verhandlung erörterten Auskunft des Auswärtigen Amts vom 05.01.1998 an das VG Aachen ergibt, trat die KAWA, die schon seit vielen Jahren nicht mehr aktiv ist, ebenfalls für ein „Kurdistan“ ein und bezeichnete den bewaffneten Kampf als einzige Möglichkeit, „Kurdistan“ zu befreien, und ihr militanter Ansatz verband sie vor allem mit der PKK.
98 
Das auch in der mündlichen Verhandlung festzustellende Bestreiten bzw. Verharmlosen seiner Aktivitäten spricht dafür, dass sich der Kläger allein mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und rechtfertigt vor dem Hintergrund des zurückliegenden Verhaltens die Prognose, dass der Kläger auch künftig eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung nachhaltig unterstützen wird.
99 
Soweit der Kläger der Auffassung ist, der Mesopotamische Kulturverein sei nicht verboten, er sei doch kein Terrorist, die PKK seien nur diejenigen, die „in den Bergen kämpfen“ und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach weder darauf an, dass die in Frage stehende Vereinigung verboten ist noch darauf, dass die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -juris Rn. 49 ff.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -juris Rn. 12).
II.
100 
Als Inhaber einer Niederlassungserlaubnis und anerkannter Flüchtling genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Sept. 2011, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
101 
Dieser nationalrechtliche Maßstab der schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung wird jedoch bei der Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings durch das Unionsrecht modifiziert. Eine Ausweisung eines Flüchtlings darf nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL oder denjenigen des Art. 24 Abs. 1 QRL erfolgen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Qualifikationsrichtlinie den Begriff der Ausweisung selbst nicht verwendet. Grundlage des Anspruch auf einen Aufenthaltstitel (Art. 24 QRL), den Zugang zur Beschäftigung (Art. 26 QRL) und den Zugang zu sozialen Rechten (Art. 27 bis 29 QRL, Art. 31 ff QRL) ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Nach nationalem Recht vernichtet die Ausweisung einen Aufenthaltstitel (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und sperrt eine Neuerteilung (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Ein Titel nach § 25 Abs. 5 AufenthG, der abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG erteilt werden könnte, ist nicht mit den Rechten verbunden, die z.B. Art. 26 und 28 QRL einem anerkannten Flüchtling gewähren; § 25 Abs. 5 AufenthG führt zu Leistungen nach dem AsylbLG (vgl. dessen § 1 Abs. 1 Nr. 3) und ermöglicht eine Beschäftigung nur unter eingeschränkten Voraussetzungen (vgl. § 4 Abs. 2 und 3 AufenthG). Der Wortlaut der Art. 26 ff. QRL knüpft für den Anspruch auf Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an. Da jedoch etwa die Umsetzung des Zugangs zur Beschäftigung im deutschen Recht durch die Erteilung eines bestimmten Titels erfolgt (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 2 iVm Abs. 1 Satz 4 AufenthG bzw. die hier dem Kläger erteilte Niederlassungserlaubnis), kann der einem anerkannten Flüchtling erteilte Titel auch nur unter den Voraussetzungen der Qualifikationsrichtlinie beseitigt werden.
102 
Art. 21 Abs. 3 QRL schließt die Anwendung des Art. 24 Abs. 1 QRL bei einer Ausweisung nicht generell aus (1.) Die konkreten Unterstützungshandlungen des Klägers stellen keine schwerwiegende Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik i.S.d. Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL dar (2.). Die festgestellte Unterstützung erfüllt jedoch die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 QRL, denn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.v. Art. 24 Abs. 1 QRL setzen bei einer Unterstützung des internationalen Terrorismus keine herausragenden Handlungen von außergewöhnlicher Gefährlichkeit voraus; vielmehr können auch nicht besonders hervorgehobene Beiträge eines Sympathisanten genügen, wenn sie sich durch ein hohes Maß an Kontinuität auszeichnen und damit nachhaltig das Umfeld der terroristischen Organisation prägen und beeinflussen (3.)
103 
1. Nach Art. 21 Abs. 3 QRL können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet. Gemäß Art. 21 Abs. 2 QRL kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtung untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Art. 24 Abs. 1 QRL sieht vor, dass so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel ausstellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
104 
Die Prüfung dieser Bestimmungen ist im vorliegenden Fall nicht deshalb entbehrlich, weil die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits mit Bescheid vom 20.02.1997 und damit vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Qualifikationsrichtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 QRL) und sogar noch vor deren Inkrafttreten am 30.09.2004 bzw. ihres Erlasses am 29.04.2004 erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (siehe grds. zur Geltung der Qualifikationsrichtlinie bei Altanerkennungen auch BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Auch der Umstand, dass der Ausweisungsentscheidung Handlungen des Klägers zur Unterstützung der PKK zugrunde liegen, die zeitlich vor den relevanten Daten zur Richtlinie liegen, stellt deren Heranziehung nicht in Frage. Die Ausweisungsverfügung vom 19.07.2010, die diese Aktivitäten des Klägers aufgreift, ist nach Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 ergangen. Insoweit liegt ein nicht abgeschlossener Sachverhalt vor, auf den geltendes materielles Unionsrecht anzuwenden ist.
105 
Die Tatsache, dass der Kläger über eine Niederlassungserlaubnis und damit über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfügt, der in dieser rechtlichen Qualität von Art. 24 Abs. 1 QRL nicht vorgeschrieben ist, steht der Anwendbarkeit der Qualifikationsrichtlinie als Prüfungsmaßstab der Ausweisung ebenfalls nicht entgegen. Die Ausweisungsentscheidung erschöpft sich nicht darin, nur die Niederlassungserlaubnis beseitigen zu wollen; die Ausweisung des Klägers dient nach den Erwägungen des Regierungspräsidiums vielmehr dem Zweck, die Legalität des Aufenthalts insgesamt zu beenden, den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Zukunft zu vernichten und damit eine spürbare und deutliche Beeinträchtigung der Aufenthaltsposition mit Beschränkungen des Zugangs zu sozialen Rechten, zum Arbeitsmarkt und zu Integrationsmaßnahmen herbeizuführen. Eine Ausweisung, die einen Anspruch eines anerkannten Flüchtlings auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und die damit zusammenhängenden Rechte ausschließen soll, muss aber den Anforderungen des Art. 24 Abs. 1 QRL oder des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL entsprechen (zur - lediglich indirekt angedeuteten - Frage der Beachtung der Qualifikationsrichtlinie bei der Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 14.10 - juris Rn. 20; siehe näher die Ausgangsentscheidung VG Münster, Urteil vom 26.05.2009 - 8 K 734/08 - juris Rn. 82 ff.).
106 
Nach Art. 24 Abs. 1 QRL ist der Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Flüchtlingen davon abhängig, dass keine zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen. Ist letzteres der Fall, ist der Aufenthaltstitel zu versagen, ohne dass ein Ermessen der Behörde besteht. Entsprechendes gilt nach Art. 24 Abs. 2 QRL, wenn dem Ausländer der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt ist (vgl. insoweit zur richtlinienkonformen Auslegung des 25 Abs. 3 AufenthG BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 13). Zwischen beiden Absätzen besteht nach der Richtlinie 2004/83/EG allerdings insoweit ein Unterschied, als nur in Absatz 1 hinsichtlich des Aufenthaltstitels bei einer Person, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, die Formulierung „und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ enthalten ist. Art. 21 Abs. 3 QRL eröffnet wiederum hinsichtlich des Aufenthaltstitels eines Flüchtlings dem Mitgliedstaat die Möglichkeit, die Erteilung eines Aufenthaltstitels unter der Voraussetzung des Absatz 2 abzulehnen. Diese Entscheidung steht im Ermessen des Mitgliedstaates, ebenso die dort weiter genannten Möglichkeiten des Widerrufs oder der Beendigung des Aufenthaltstitels, die in Art. 24 Abs. 1 QRL nicht ausdrücklich aufgeführt sind. Eine Ausweisung führt nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG zum Erlöschen des Aufenthaltstitels und stellt eine Beendigung des Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 QRL dar. Aus der speziellen Nennung der „Beendigung des Aufenthaltstitels“ in dieser Regelung und dem „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ in Art. 24 Abs. 1 QRL kann aber nicht geschlossen werden, dass Art. 24 Abs. 1 QRL ausschließlich für die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels gilt und eine nachträgliche Vernichtung des Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage nicht möglich wäre. Es kann vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Zweck der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn im letzterem Fall die Reaktionsmöglichkeit der Vernichtung des Titels nicht bestünde. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die inkriminierenden Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden. Für eine solche Auslegung besteht auch ein praktisches Bedürfnis. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 lit. a) und c) die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die EU-Mitgliedstaaten setzten diese Verpflichtung zu Sanktionsmaßnahmen auf der Basis des Gemeinsamen Standpunktes GASP/2001/931 bzw. Verordnung 2580/2001, zuletzt geändert durch Beschluss 2012/150/GASP vom 13.03.2012 und EU-Verordnung 213/2012 vom 13.03.2012 in EU-Recht um (vgl. Senatsurteil vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -juris Rn 52; vgl. näher auch BT-Drs. 17/9076 vom 22.03.2012 - Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zum politischen Betätigungsverbot). Gedanklich aufgegriffen ist diese Resolution aber auch mit dem Versagungsgrund in Art. 24 Abs.1 QRL, was ebenfalls dafür spricht, dass die rechtstechnische Umsetzung der Verweigerung der Legalität des Aufenthalts nicht entscheidend sein kann. Dass - gerade mit Blick auf die Bekämpfung der Unterstützung des internationalen Terrorismus - durch die Aufnahme des Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 und 2 QRL die Handlungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten erweitert werden sollten und Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL nicht als ausreichend betrachtet worden ist, verdeutlicht vor allem die Entstehungsgeschichte der Qualifikationsrichtlinie:
107 
Der - noch vor den Terroranschlägen des 11. September 2001 erarbeitete - Kommissionsentwurf vom 12.09.2001 (KOM<2001> 510 endg; Ratsdok. 13620/01; siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001 - Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen) enthielt in einem Art. 19 unter der Überschrift „Schutz vor Zurückweisung und Ausweisung“ folgende Regelung: „Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung und weisen Personen, die internationalen Schutzstatus genießen, nur in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen aus.“ Begründet wurde diese Bestimmung ausdrücklich mit folgender Überlegung: „In Übereinstimmung mit Artikel 32 und 33 der Genfer Flüchtlingskonvention bestätigt dieser Artikel, dass die Mitgliedstaaten Flüchtlinge nicht ausweisen dürfen und den Grundsatz der Nichtzurückweisung (Refoulement-Verbot) beachten müssen. Im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention wird diese Verpflichtung auch gegenüber Opfern von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung bekräftigt. Ebenso dürfen die Mitgliedstaaten Personen, denen andere Formen des subsidiären Schutzes zuerkannt wurden, nicht ausweisen und müssen auch hier nach Maßgabe der in Artikel 32 und 33 der Genfer Konvention genannten Einschränkungen nach dem Gebot der Nichtzurückweisung verfahren.“
108 
Was die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen Flüchtling anbelangt, sah die Entwurfsfassung in einem Artikel 21 Abs. 1 lediglich vor, dass sobald der Schutzstatus zuerkannt ist, die Mitgliedstaaten Flüchtlingen und begleiteten Familienangehörigen einen Aufenthaltstitel ausstellen, der mindestens 5 Jahre gültig und automatisch verlängerbar ist. Die Begründung führte hierzu aus, der vorgeschlagene Fünfjahreszeitraum stelle einen Kompromiss zwischen der Praxis in den verschiedenen Mitgliedstaaten dar, der Aufenthaltstitel unterliege den in den Beendigungs- und Ausschlussklauseln dieser Richtlinie vorgegebenen Kriterien.
109 
Während des Verfahrens, das zum Erlass der Richtlinie am 29.04.2004 führte, wurden die ursprünglichen Regelungen des Art. 19 und des Art. 21 durch den Rat entscheidend verändert. So erhielt der Vorschlag zu Art. 19 am 12.11.2002 (Rat der EU - 14083/02 -) folgende Fassung:
110 
„(1) Die Mitgliedstaaten erachten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
111 
(2) Unbeschadet des Absatzes 1 kann ein Mitgliedstaat einen Flüchtling, einen Asylbewerber oder eine Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz zurückweisen, wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass die Person
112 
a) eine Gefahr für das Land darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
113 
b) eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Landes darstellt, weil sie wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
114 
(3) Die Mitgliedstaaten können die einem Flüchtling oder einer Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.“
115 
Parallel dazu wurde der Artikel zur Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft überarbeitet und in dem oben genannten Dokument in einem Art. 14B Abs. 4 folgende Regelung vorgeschlagen:
116 
„Die Mitgliedsstaaten können einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen die von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Flüchtlingseigenschaft aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
117 
a) er ein schweres nichtpolitisches Verbrechen begangen hat oder
118 
b) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für das Land darstellt, in dem er sich aufhält.“
119 
Aus der in diesem Dokument bei Art. 14B Abs. 4 enthaltenen Fußnote und dem Dokument des Rates der EU vom 08.11.2002 - 13648/02 - ist ferner ersichtlich, dass ein Teil der Mitgliedstaaten es für vorzugswürdig erachtete, den in lit. b) geregelten Fall im Rahmen des Art. 19 des Entwurfs (Schutz vor Zurückweisung) zu lösen. Verschiedene Arbeitsfassungen entwickelten im Weiteren präzisere Vorschläge für die Inhalte von lit. a) und b), die letztlich zu der - beabsichtigten - Parallelität der Eingriffsvoraussetzungen in den nunmehrigen Regelungen in Art. 14 Abs. 4 QRL zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft im Ermessenswege und der Verhinderung des Aufenthalts bzw. Verweigerung des Aufenthaltsrechts nach Art. 21 Abs. 2 QRL führten.
120 
In einem Art. 21 der Entwurfsfassung (später Art. 24 QRL) findet sich im Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 - der Zusatz, „es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dem entgegenstehen“ zunächst nur im Absatz 2, der den Titel bei subsidiärem Schutzstatus regelt. Im Dokument des Rats der EU vom 19.06.2003 - 10576/03 - ist dieser Zusatz dann auch im Absatz 1 (jetzt in einem Art. 22 des Entwurfs) enthalten, der den Aufenthaltstitel des anerkannten Flüchtlings betrifft. In diesem Dokument ist bei der Formulierung in Absatz 2, „es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen“ als Fußnote angeführt: „Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: 'Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt'. Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds in die Präambel war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Rat der EU vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -, das Dokument enthält aber keine nähere Begründung). Wie die englischen Fassungen des Erwägungsgrunds 28 und des Art. 24 QRL verdeutlichen („national security and public order“), ist mit dem Begriff der öffentlichen Sicherheit die „nationale Sicherheit“ gemeint, was im Übrigen in der deutschen Fassung der Neufassung der Qualifikationsrichtlinie durch die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 (ABl L 337, S. 9) nunmehr klargestellt ist (vgl. insoweit den Wortlaut des Art. 24 „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ und den Erwägungsgrund 37).
121 
In den Ratsdokumenten vom 19.06.2003 - 10576/03 -, vom 17.03.2004 - 7469/04 -, vom 24.03.2004 - 7728/04 - und vom 31.03.2004 - 7944/04 - ist im Art. 22, d.h. dem späteren Art. 24, in Absatz 1 der Zusatz „unbeschadet des Art. 19 Abs. 3“ (d.h. in der Endfassung „unbeschadet des Art. 21 Abs. 3“) enthalten, ohne dass die Gründe hierfür ausdrücklich genannt wären.
122 
Die gegenüber dem Entwurf geänderten Regelungen in Art. 24 Abs. 1 und Art. 21 ebenso wie die Aufnahme des Erwägungsgrunds 28 sind jedoch eindeutig im Zusammenhang mit dem 11. September und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen. Die Überlegung, die Folgen dieser Anschläge für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Qualifikationsrichtlinie zu berücksichtigen, ist Gegenstand verschiedener Stellungnahmen gewesen (vgl. etwa die ausdrückliche Forderung in der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002) und lässt sich auch anhand weiterer Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Qualifikationsrichtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf ersehen, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 QRL und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
123 
Was das Verhältnis zwischen Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL und Art. 24 Abs. 1 QRL sowie die Bestimmung der Tatbestandsvoraussetzungen anbelangt, ist zunächst zu beachten, dass Art. 14 Abs. 4 QRL und Art. 21 Abs. 2 QRL die gleichen Eingriffsvoraussetzungen normieren und Art. 21 Abs. 2 QRL inhaltlich Art. 33 Abs. 2 GFK entspricht. Letzteres lässt sich auch aus einem Vergleich des jeweiligen englischen Wortlauts dieser Bestimmungen ersehen:
124 
Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”
125 
Auch aus den Erwägungsgründen 3, 16 und 17 der Qualifikationsrichtlinie geht hervor, dass die Genfer Konvention einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Flüchtlingen darstellt und dass die Bestimmungen der Richtlinie über die Voraussetzungen der Anerkennung als Flüchtling und über den Inhalt des Flüchtlingen zu gewährenden Schutzes erlassen wurden, um die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Genfer Konvention auf der Grundlage gemeinsamer Konzepte und Kriterien zu leiten. Die Bestimmungen der Richtlinie sind daher im Licht der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention und einschlägigen anderen Verträgen, auf die Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 EG (jetzt Art. 78 Abs. 1 AEUV) Bezug nimmt, auszulegen. Diese Auslegung muss zudem, wie dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie zu entnehmen ist, die Achtung der Grundrechte und die Befolgung der insbesondere in der Charta der Grundrechte anerkannten Grundsätze gewährleisten (siehe EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 - und C-101/09 - „B.“ und „D.“ - Rn. 77 f.).
126 
2. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Erörterung, welche Konsequenzen sich aus dem Grundrecht auf Asyl nach Art. 18 GRCh und den Anforderungen des Art. 52 GRCh (Tragweite und Auslegung der Rechte und Grundsätze) auf die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL vorgesehene Durchbrechung des Refoulementschutzes ergeben. Der Ausländer muss jedenfalls aus schwerwiegenden Gründen als Gefahr für die Sicherheit des Aufnahmelandes anzusehen sein (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 25 - zu Art. 21 Abs. 2 QRL und Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - bisher nur Pressemitteilung). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, denn von dem Kläger selbst geht mit Blick auf seine oben I. dargestellten Aktivitäten und die hieran anknüpfende Prognose keine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik aus.
127 
Zwar setzt Art. 33 Abs. 2 GK und damit auch Art. 21 Abs. 2 lit. a) QRL einen Sicherheitsbegriff voraus, der von den Staaten nach ihrem eigenen Recht festgelegt wird; denn der dem Begriff der nationalen Sicherheit immanente Charakter bedeutet, dass dieses Konzept im Völkerrecht nicht abschließend definiert werden kann (siehe näher Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie 2009, § 46 Rn 59 f., Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich um eine sehr große Gefahr handeln (Zimmermann, a.a.O. Rn. 89). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates oder des Staatenbündnisses, dessen Mitglied er ist, darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87).
128 
Der Kläger hat keine Handlungen vorgenommen, die geeignet wären, einen Schaden für die Existenz, die Bestands- und Funktionsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen. Er hat weder selbst Gewalt angewendet noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Der Kläger hat zwar durch die regelmäßige - passive - Teilnahme an den oben dargestellten Veranstaltungen, die erkennbar dazu dienen, die PKK einschließlich ihrer terroristischen Aktionen zu fördern, diese unterstützt; die PKK wendet Gewalt und Gewaltdrohungen in dem hier zu betrachtenden Zeitraum vor allem in der Türkei an, was auch erhebliche Interessen der Bundesrepublik berührt. Eine Gefährdung der inneren Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ist damit aber nicht verbunden.
129 
3. Die in Art. 24 Abs. 1 QRL verwendete Formulierung „unbeschadet des Art. 21 Abs. 3“ ist dahingehend zu verstehen, dass Art. 24 Abs. 1 QRL eine gegenüber Art. 21 Abs. 3 QRL selbstständige Möglichkeit eröffnet, einen Titel zu verweigern oder zu beseitigen. Die Fassung des Art. 24 Abs. 1 QRL mit dem dort vorgesehenen Ausschluss des Anspruchs aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ist die Reaktion des Rates auf den Umstand, dass die Unterstützung des internationalen Terrorismus nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht zwingend eine Ausnahme vom Refoulementverbot zulässt (vgl. Zimmermann, a.a.O., Rn. 82 ff. und 90 ff. mwN.), unter dem Eindruck des 11. September, der neuen Dimensionen des Terrorismus und den UN-Resolutionen vom 12. und 28.09.2001 (Nr. 1368 und 1373) die Möglichkeiten, diesen zu bekämpfen, aber erweitert werden sollten.
130 
Ob und gegebenenfalls wie die öffentliche (d.h. nationale) Sicherheit von der öffentlichen Ordnung im Einzelnen abzugrenzen sind, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, denn wie sich aus dem Erwägungsgrund 28 der Qualifikationsrichtlinie ersehen lässt, ist dieser Begriff in den Fällen erfüllt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt. Der 28. Erwägungsgrund ist integraler Bestandteil der Qualifikationsrichtlinie. Eine Begründungserwägung ist zwar nicht unmittelbar Inhalt und Gegenstand der einzelnen Regelung, da sie sonst genau an dieser Stelle getroffen worden wäre. Sie ist insbesondere kein Mittel, um eindeutige Bestimmungen, die aufgrund der Umsetzungsverpflichtung des Mitgliedstaats letztlich eine normative Wirkung haben, zu entwerten oder gar in ihr Gegenteil zu verkehren. Ihr kommt aber die Funktion einer - amtlichen - Auslegungshilfe zu (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 21.05.2007 - 4 K 2563/07 - juris Rn. 18; Funke-Kaiser, InfAuslR 2008, 90, 92 f.). Auch das Bundesministerium des Innern hat in seiner im Berufungsverfahren vorlegten Stellungnahme vom 14.05.2012 bestätigt, dass der Erwägungsgrund 28 - auf Vorschlag des Vereinigten Königreichs - gerade für die Auslegung von den Ausschlussgründen des Art. 24 QRL aufgenommen wurde. Aus der durch das Verfahren im Rat dokumentierten spezifischen Zuordnung des 28. Erwägungsgrunds zu dem Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.d. Art. 24 QRL folgt, dass eine Unterstützung einer Vereinigung des internationalen Terrorismus einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt.
131 
Was die „zwingenden Gründe“ anbelangt, so deutet der Wortlaut darauf hin, dass dieser Begriff enger zu verstehen ist als der der „schwerwiegenden Gründe“. Der Vergleich mit der englischen Fassung belegt dies („reasonable grounds“ in Art. 21 Abs. 2 QRL und „compelling reasons“ bei Art. 24 Abs. 1 QRL). Aus anderen Sprachfassungen ergibt sich kein hiervon abweichendes Bild. Die Tatsache, dass die Unionsbürgerrichtlinie und die Qualifikationsrichtlinie am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen. Auch das Schutzniveau, das durch die Qualifikationsrichtlinie für Flüchtlinge vorgesehen werden sollte, könnte dafür sprechen, dass mit dem Begriff der zwingenden Gründe keine substantiell geringeren Anforderungen verbunden sind als mit dem gleichlautenden Ausweisungsgrund nach Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG (vgl. zu dieser Überlegung auch VG Münster, Urteil vom 26.05.2009 - 8 K 734/08 - juris Rn. 94).
132 
Andererseits darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Art. 28 Abs. 3 lit a) der Richtlinie 2004/38/EG eine spezielle Regelung für langjährig sich im Mitgliedstaat aufhaltende freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger darstellt. Der Unionsgesetzgeber wollte, indem er jede Ausweisungsmaßnahme in den in Art. 28 Abs. 3 dieser Richtlinie genannten Fällen vom Vorliegen „zwingender Gründe“ der öffentlichen Sicherheit abhängig gemacht hat, einem Begriff, der erheblich enger ist als der der „schwerwiegenden Gründe“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels, die auf diesen Abs. 3 gestützten Maßnahmen ganz offensichtlich entsprechend der Ankündigung im 24. Erwägungsgrund der Richtlinie auf „außergewöhnliche Umstände“ begrenzen (EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 19 und Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -Tsakourids - Rn. 40 ff.). Eine Ausweisung eines Unionsbürgers wird nur aus zwingenden Gründen (und damit einem besonders hohen Schweregrad der Beeinträchtigung) der öffentlichen Sicherheit erlaubt, wobei letztere sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaates umfasst und als Ausnahme von einem grundlegenden Prinzip der Freizügigkeit eng zu verstehen ist (EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 - Tsakourids - Rn. 43). Im Unterschied dazu wird in Art. 24 Abs. 1 QRL auch die öffentliche Ordnung genannt und durch die Zuordnung des 28. Erwägungsgrunds zu Art. 24 QRL unionsrechtlich klargestellt, dass eine Unterstützung des internationalen Terrorismus „zwingende Gründe“ erfüllen kann. Bei einer anderen Deutung würde die Zuordnung keinen Sinn geben. Dies bedeutet andererseits auch nicht, dass jegliche Unterstützungshandlung zu Gunsten des internationalen Terrorismus schon „zwingende Gründe“ erfüllt; umgekehrt bedarf es aber auch keiner herausragenden Handlungen von außergewöhnlicher Gefährlichkeit. Dies verdeutlichen die verschiedenen „Ebenen“ der Terrorismusbekämpfung, die der Richtlinie immanent sind. Art. 12 Abs. 2 QRL führt in den dort erfassten Konstellationen zum zwingenden Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling, selbst wenn von diesem keine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgeht (siehe näher BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 25 ff.). Art. 14 Abs. 4 QRL ermächtigt in den hier geregelten Fällen zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (vgl. auch Art. 14 Abs. 5 QRL mit dem fakultativen Ausschluss unter den gleichen Voraussetzungen), wobei aufenthaltsrechtlich der gleiche Maßstab in Art. 21 Abs. 2 QRL gilt. Demgegenüber lässt Art. 24 QRL, der im Übrigen nicht nur für den Flüchtling, sondern auch für den Ausländer mit subsidiärem Schutzstatus gilt, den Status und den weiteren tatsächlichen Aufenthalt im Mitgliedstaat unangetastet und beseitigt allein die Legalität des Aufenthalts. Dies verdeutlicht, dass eine Unterstützung des internationalen Terrorismus, die nach dem individuellen Beitrag des Ausländers im Vergleich zu den von den anderen Regelungen erfassten Sachverhalten eher nicht besonders hervorgehoben und sogar unabhängig von einer strafrechtlichen Relevanz ist, ein Vorgehen nach Art. 24 QRL zulässt, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - durch ein hohes Maß an Kontinuität charakterisiert ist und nachhaltig das Umfeld der terroristischen Organisation prägt und beeinflusst. Es ist Sache der Mitgliedstaaten festzulegen, unter welchen Voraussetzungen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung anzunehmen sind (vgl. zu dieser Überlegung auch EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 23 - zu Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/28/EG). Aufgrund der Vielfältigkeit und Komplexität der Erscheinungsformen des internationalen Terrorismus (vgl. hierzu etwa Waldmann, Terrorismus - Provokation der Macht, 2. Aufl. 2005, S. 29 ff) und demzufolge der Vielfalt der in den einzelnen Mitgliedstaaten vorkommenden denkbaren Unterstützungshandlungen und deren Folgen enthält sich die Qualifikationsrichtlinie weiterer Vorgaben. Allerdings entbindet dies nicht von der unionsrechtlichen Verpflichtung (vgl. Art. 52 Abs. 1 GRCh), den Einzelfall und insbesondere das persönliche Verhalten des Betroffenen und die von ihm ausgehende tatsächliche und gegenwärtige Gefährdung umfassend zu prüfen und hierbei alle individuellen Umstände zu berücksichtigen (siehe zu diesem Grundsatz insoweit EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 34).
III.
133 
Der Ausweisung des Klägers liegen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.d. Art. 24 Abs. 1 QRL zugrunde. Sie erweist sich auch als verhältnismäßig.
134 
1. Der Kläger hat seit dem Jahr 2000 durch die oben unter I. dargelegten Handlungen die PKK unterstützt, wobei er sich zur Überzeugung des Senats seit Mitte 2009 allein aus verfahrenstaktischen Gründen zurückhält. Dabei handelt es sich zwar, was den jeweiligen einzelnen Veranstaltungsbesuch anbelangt, um eine passive Unterstützung, die als solche keinen hochrangigen Gefährdungsgrad hat. Bei einer wertenden Gesamtschau aller festgestellten Unterstützungshandlungen, d.h. auch mit Blick auf seine zweijährige Vorstandstätigkeit und langjährige aktive Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein, hat er jedoch in einer quantitativ und qualitativ erheblichen Weise eine Verbundenheit mit der PKK ausgedrückt, die ihn eindeutig seit Jahren als deren Sympathisanten ausweist. Insbesondere die Teilnahme an den Märtyrergedenkveranstaltungen und den Wahlen zum Volksgebietsrat, mit der Bereitschaft, eine Funktion im Rahmen des Volksgebietsrats zu übernehmen, zeigen eine besondere Nähe und innere Verbundenheit mit der PKK. Durch die Beteiligung wird eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, wird günstig beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsfeld werden erweitert und dadurch wird insgesamt dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen.
135 
Eine wirksame Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist wie bereits oben dargelegt eines der vorrangigen Ziele der Europäischen Union. Dies kommt nicht nur in Art. 83 Abs. 1 AEUV zum Ausdruck, sondern ist in zahlreichen Rechtsakten der Union, die sich mit der Terrorismusbekämpfung befassen, immer wieder betont worden (vgl. etwa Rahmenbeschluss vom 13.06.2002 zur Terrorismusbekämpfung, ABl. L 164, S. 3; Verordnung (EG) Nr. 2580/2002 des Rates vom 27.12.2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, ABl. L 344, S. 70). Dass gerade auch Sympathisanten als Teil der Bedrohung durch den Terrorismus angesehen werden, ergibt sich aus dem Rahmenbeschluss 2008/919/JI des Rates vom 28.11.2008 zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI zur Terrorismusbekämpfung (ABl L 330, S. 21) und insbesondere dessen 3. Erwägungsgrund. Aufgrund der ihr eigenen Ausprägung und Organisationsstrukturen erfährt die PKK ihren Rückhalt und Unterstützung vor allem durch eine aktive „Sympathisantenszene“ außerhalb der Türkei, bei der die örtlichen PKK-nahen Vereine eine zentrale Rolle spielen, etwa bei der Kommunikation unter den Anhängern, bei der Mobilisierung für Aktionen sowie bei der Vorbereitung und Durchführung von öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten (vgl. hierzu etwa Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2010, S. 106 ff.). Wie oben unter I. dargelegt, ist der Mesopotamische Kulturverein e.V. S... ein Ort, der der Verbreitung der „terroristischen Botschaft“ dient. Sympathisanten aus diesem Kreis sichern der PKK eine ihnen prinzipiell wohlgesonnene Basis, aus der der Rückhalt für die terroristischen Handlungen gewonnen werden kann, und ermöglichen ein günstiges Umfeld für die Rekrutierung von Nachwuchs für die Guerilla oder den Kader der PKK und den Erhalt von dringend benötigten finanziellen Mitteln (etwa durch die Entrichtung regelmäßiger Beiträge der Anhänger der Organisation oder Spenden). Das in den oben beschriebenen Handlungen des Klägers, insbesondere etwa in den Besuchen der Märtyrerveranstaltungen, zum Ausdruck kommende befürwortende Verständnis für den Terror, trägt zum Rückhalt für die PKK bei. Dieses vom Kläger gezeigte jahrelange kontinuierliche Auftreten als Sympathisant der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung; die Vernichtung der Legalität des Aufenthalts ist insoweit Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Im Übrigen ist es auch ein Grundinteresse der Mitgliedstaaten der Union, dass ihre Offenheit nicht missbraucht wird, um eine „Sympathisantenszene“ für den internationalen Terrorismus am Leben zu halten und zu fördern.
136 
2. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung verhältnismäßig.
137 
Der Kläger lebt als anerkannter Flüchtling seit dem Jahre 1997 mit einem Aufenthaltstitel, seit 2002 mit einem unbefristeten, im Bundesgebiet. Der Ehefrau, die seit 1998 in Deutschland ist, wurde ebenfalls der Flüchtlingsstatus zuerkannt und eine Niederlassungserlaubnis erteilt. Sie führt einen Gastronomiebetrieb. Auch die beiden minderjährigen Kinder (geboren 1996 in der Türkei und 2001 im Bundesgebiet) haben einen legalen Aufenthalt. Sie verfügen über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Ungeachtet seines langen Aufenthalts in Deutschland spricht der Kläger aber nur sehr schlecht Deutsch. Hiervon konnte sich der Senat in der mündlichen Verhandlung überzeugen. Demzufolge ist auch seine Erwerbsbiographie durch türkische Arbeitgeber gekennzeichnet, so arbeitete er in der Zeit vom 02.11.2001 bis 31.07.2007 bei der Firma B. Dönerproduktions- und Fleischhandels GmbH, die im Übrigen dem LfV im Zusammenhang mit der PKK bekannt geworden sei (siehe die Bewertung des LfV vom 13.04.2012 zum Sicherheitsgesprächs des Zeugen K. vom 12.04.2011). Heute ist er bei seiner Frau angestellt. Eine dazwischenliegende selbstständige Erwerbstätigkeit blieb ohne wirtschaftlichen Erfolg. Der Kläger verkehrt vor allem in kurdisch-stämmigen Kreisen. Die Ausweisung vernichtet die Legalität seines Aufenthalts und ist daher mit weitreichenden Folgen für das soziale Leben verbunden. Sie lässt allerdings, was für die Verhältnismäßigkeit von zentraler Bedeutung ist, die Lebensgemeinschaft mit seinen Familienangehörigen im Bundesgebiet unberührt, da keine Abschiebungsandrohung ergehen und infolge dessen auch keine Abschiebung erfolgen wird.
138 
Ein milderes Mittel, um der Gefahr zu begegnen, dass der Kläger sein die PKK unterstützendes Verhalten unverändert fortsetzt, ist nicht gegeben. Insbesondere könnte mit einem Verbot oder der Beschränkung der politischen Betätigung ein wesentliches unionspolitisches Ziel nicht erreicht werden, abgesehen davon, dass die in § 47 Abs. 1 und 2 AufenthG genannten Vorgaben die Art und Weise der Betätigung des Klägers allenfalls zum Teil erfassen. Ausgehend von den Gedanken der UN-Resolution 1373 bezweckt die Terrorismusbekämpfung unionsrechtlich unter anderem, konsequent die Legalisierung des Aufenthalts zu unterbinden und damit auch den Genuss der daran hängenden privilegierenden Maßnahmen (wie Erwerbstätigkeit, Freizügigkeit) zu verwehren - und zwar gleichgültig, ob der Ausländer als Flüchtling anerkannt oder ob ihm nur subsidiärer Schutz zuerkannt wurde (vgl. insoweit Art. 24 Abs. 1 Satz 1 mit Abs. 2 QRL). Dieses unionsrechtliche Ziel würde allein mit einer Maßnahme nach § 47 AufenthG nicht erreicht. Diese kann ggfs. die Ausweisung ergänzen, wenn der Ausländer - namentlich nach einer erfolgten Ausweisung - seine Unterstützungstätigkeit fortsetzt, sie aber nicht ersetzen. Insoweit ist eine Verbotsverfügung Teil einer ganzheitlichen Bekämpfung der Aktivitäten der ausländischen terroristischen Vereinigung der PKK (so ausdrücklich auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zu dem gegen Muzaffer Ayata verhängten politischen Betätigungsverbot, BT-Drs. 17/9076 vom 22.03.2012). Hinzukommt, dass auch national eine Anordnung nach § 47 AufenthG schon deshalb nicht gleich effektiv wäre, weil damit die Rechtsfolgen des § 54a AufenthG nicht ausgelöst werden könnten. Vergleichbare nachträgliche Nebenbestimmungen nach § 12 Abs. 2 AufenthG wären jedenfalls bei Inhabern einer Niederlassungserlaubnis nicht möglich (Renner/Dienelt, AuslR 9. Aufl. 2011, § 12 Rn. 2). Soweit in den Senatsurteilen vom 28.10.1998 (11 S 1853/98 - juris Rn. 28) und vom 10.03.1999 (11 S 1688/98 - juris Rn. 9) die Untersagung der politischen Betätigung ausdrücklich als ein milderes Mittel gegenüber der Ausweisung erachtet wurde, liegen dem rechtlich und tatsächlich andere Konstellationen zugrunde. Im Übrigen hat das Regierungspräsidium im Schriftsatz vom 18.04.2012 im Einzelnen ausgeführt, warum es im vorliegenden Fall nicht zu dieser Maßnahme greift. Diese Erwägungen hat der Kläger nicht in Frage gestellt.
139 
Gründe der Verhältnismäßigkeit gebieten es auch nicht, schon jetzt von Amts wegen über eine Befristung der Wirkungen der spezialpräventiv verfügten Ausweisung zu entscheiden. Es lässt sich derzeit nicht absehen, wann diese Gefahr in relevanter Weise gemindert sein wird. Auch familiäre Belange erfordern keine sofortige Entscheidung, denn die familiäre Lebensgemeinschaft kann im Bundesgebiet unverändert fortgeführt werden (vgl. zur Befristung noch unten VI).
IV.
140 
Art. 14 ARB 1/80 oder die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln vermitteln dem Kläger keine weitergehenden Rechte. Der Kläger hatte aufgrund seiner jahrelangen Erwerbstätigkeit bis 31.07.2007 bei der Firma B. eine Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1, 3. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben. Der Senat unterstellt zugunsten des Klägers, dass er dieses Recht nicht verloren hat. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung meldete er sich nach seiner Kündigung bei der Arbeitsverwaltung arbeitslos, wurde dort aufgrund seiner schlechten Deutschkenntnisse als schwer vermittelbar angesehen und erhielt durch das Arbeitsamt eine Fördermaßnahme zur Gründung einer selbstständigen Existenz. Der Senat geht davon aus, dass durch diese selbstständige Erwerbstätigkeit ab 01.01.2008 die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt nicht verloren ging, weil die Selbstständigkeit noch in der Gründungs- und Aufbauphase wieder aufgegeben wurde, der Kläger in eine abhängige Beschäftigung zurückkehrte und nunmehr seit Mitte Dezember 2010 im Gastronomiebetrieb seiner Ehefrau angestellt ist.
141 
Ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger kann nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt. Nach den hierzu geltenden Grundsätzen (vgl. EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08 - Ziebell -Rn. 52 ff.; Senatsurteile vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris und vom 04.05.2012 - 11 S 3/12 -) führt dieser Maßstab materiell-rechtlich nicht zu strengeren Voraussetzungen als die oben unter III. dargestellten.
142 
Auch verfahrensrechtlich hat dies keine Auswirkungen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung eines Vorverfahrens. Ein solcher folgt nicht aus dem in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 (ABl. Nr. 56, S. 850) normierten „Vier-Augen-Prinzip“. Denn die Richtlinie 64/221/EWG ist gemäß Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden. Damit ist auch deren Art. 9 nicht mehr - entsprechend - auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige anzuwenden (vgl. zur früheren Anwendung des „Vier-Augen-Prinzips“ BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - InfAuslR 2006, 110). Geltende unionsrechtliche Verfahrensgarantien begründen ebenfalls nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen. Die Stillhalteklauseln gebieten keine andere Betrachtung. Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf das Senatsurteils vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - (juris) verwiesen (im Ergebnis ebenso OVG NRW, Urteil vom 22.03.2012 - 18 A 951/09 - juris).
V.
143 
Die Ausweisung ist unter Berücksichtigung der Ergänzungen im gerichtlichen Verfahren ermessensfehlerfrei (§ 114 Satz 1 VwGO).
144 
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris Rn. 4 m.w.N.). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umständen auch andere gewichtige persönlichen Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Die vom Ausländer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits und dessen private schutzwürdige Belange andererseits sind auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 73). Diesen Anforderungen hat das Regierungspräsidium entsprochen. Es hat anlässlich seiner korrigierten Ermessenserwägungen ausschließlich eine spezialpräventive Ausweisung zugrunde gelegt und auch zu erkennen gegeben, dass es bei dem Kläger allein um die Vernichtung der Legalität des Aufenthalts geht und dass das nach dem Aufenthaltsgesetz mit einer Ausweisung regelmäßig verfolgte Ziel, die von ihm ausgehende Gefahr mit der Ausreise bzw. der zwangsweisen Verbringung ins Ausland zu bekämpfen, auf nicht absehbare Zeit nicht erreicht wird. Es hat jedenfalls aufgrund der ergänzenden Angaben in der mündlichen Verhandlung den Schutzstatus des Klägers mit dem ihm gebührenden Gewicht eingestellt und auch die Rechtsstellung und Interessen der Familienangehörigen des Klägers nicht verkannt. Auch im Übrigen sind den Ermessenserwägungen in tatsächlicher Hinsicht zutreffende Annahmen zugrunde gelegt worden; das Regierungspräsidium hat in der mündlichen Verhandlung zudem klargestellt, dass die Ausweisungsentscheidung auch für den Fall getroffen wird, dass (nur) der Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG verwirklicht ist.
VI.
145 
Der Ausweisung steht auch die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie - RFRL - (ABl EU Nr. L 348 vom 24.12.2008 S. 98) nicht entgegen.
146 
1. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen Urteilen vom 22.03.2012 (1 C 3.11 - juris Rn. 15) und vom 14.02.2012 (1 C 7.11 - juris Rn. 35) entschieden, dass die Rückführungsrichtlinie für eine Rückkehrentscheidung - so die Ausweisung denn überhaupt eine solche wäre -, die wie hier vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie (nach deren Art. 20 Abs. 1 am 24.12.2010) verfügt worden ist, nicht gilt, und zur Begründung unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Polat“ (Urteil vom 04.10.2007 - Rs. C-349/06 - 25 ff.) auf die Grundsätze der intertemporalen Rechtsgeltung verwiesen. Es hat weiter ausgeführt, dass sich etwas anderes auch nicht aus Art. 15 Abs. 5 und 6 RFRL ergebe, der auf bereits vor der Umsetzung begonnene und darüber hinaus andauernde Inhaftierungen Anwendung finde (vgl. EuGH, Urteil vom 30.11.2009 - Rs. C-357/09 PPU, Kadzoev - Rn. 38). Denn Regelungen zur Dauer der Abschiebungshaft beträfen zukünftige Auswirkungen eines noch andauernden Sachverhalts und nicht die gerichtliche Kontrolle einer Behördenentscheidung, die vor Ablauf der Umsetzungsfrist getroffen worden sei. Dies zugrunde gelegt ist die Rückführungsrichtlinie auf den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.07.2010 nicht anwendbar.
147 
Hält man hingegen an der bisherigen Rechtsprechung des Senats weiter fest, wonach die Rückführungsrichtlinie auch auf solche Sachverhalte anzuwenden ist, in denen die streitgegenständliche Behördenentscheidung schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist wirksam verfügt worden ist (siehe zur Begründung im Einzelnen Senatsurteil vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris Rn. 49 ff.; vgl. auch Verwaltungsgerichtshof Österreich in seinem Erkenntnis vom 20.03.2012 - 2011/21/0298 - , der unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 28.04.2011 in der Rechtssache „El Dridi“ die Rückführungsrichtlinie auch auf „Aufenthaltsverbote“ erstreckt hat, die bereits vor Inkrafttreten der Rückführungsrichtlinie verhängt worden sind), ist die Ausweisung gleichwohl nicht an den Vorgaben der Richtlinie messen. Sie stellt schon keine Rückkehrentscheidung dar. Unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 07.12.2001 - 11 S 897/11 -hat der Senat in seinem Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - (juris Rn. 83 - 88) ausgeführt:
148 
„…Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
149 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 -215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
150 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art. 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
151 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben …...“
152 
„Ergänzend und vertiefend ist noch auszuführen: Gegen die Annahme, die Ausweisung sei keine Rückkehrentscheidung, kann auch nicht die Legaldefinition des „illegalen Aufenthalts“ in Art. 3 Nr. 2 RFRL eingewandt werden. Zwar erweckt der pauschale und undifferenzierte Verweis auf Art. 5 SDK auf den ersten Blick den Eindruck, es könnten auch Fälle gemeint sein, in denen materielle Einreise- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind und somit auch in einem solchen Fall ein illegaler Aufenthalt vorläge. Dagegen sprechen aber bereits das in Art. 6 Abs. 6 RFRL vorausgesetzte Verständnis des „legalen Aufenthalts“ und der dort vorgenommenen ausdrücklichen Abgrenzung zur „Rückkehrentscheidung“. Entscheidend für ein Verständnis im Sinne eines allein formell zu verstehenden illegalen Aufenthalts spricht die Begründung des Kommissionsentwurfs (vgl. KOM/2005/ 0391endg vom 1.9.2005). Hiernach ist der Befund eindeutig. Unter I 3 Ziffer 12 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Regelungsgegenstand der Richtlinie nicht die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung/Sicherheit sei. Unter I 4 wird zu „Kapitel II“ weiter dargelegt, die Vorschriften der Richtlinie seien auf jede Art von illegalem Aufenthalt anwendbar (z.B. Ablauf eines Visums, Ablauf eines Aufenthaltstitels, Widerruf oder Rücknahme eines Aufenthaltstitels, endgültige Ablehnung eines Asylantrags, Aberkennung des Flüchtlingsstatus, illegale Einreise). Nicht Gegenstand seien die Gründe und Verfahren für die Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts. Für dieses Verständnis spricht auch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 3 lit. b) EG. Im Übrigen entspricht der im Gesetzgebungsverfahren neu eingefügte Verweis auf Art. 5 SDK sachlich dem früheren Verweis auf Art. 5 SDÜ, der auch materielle Regelungen enthielt. Demzufolge stellen auch Widerruf, Rücknahme oder nachträgliche Befristung keine Rückkehrentscheidung dar.“
153 
Hieran ist auch mit Blick auf neuere Veröffentlichungen festzuhalten, die die Ausweisung als Rückkehrentscheidung einordnen (Deibel, ZAR 2012, 148, 150 f.; Gutmann, InfAuslR 2012, 208, 210 f.; offengelassen: BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - juris Rn. 35; HambOVG, Beschluss vom 09.05.2012 - 4 Bs 15/12 - juris Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 22.03.2012 - 18 A 951/09 - juris Rn. 88; VG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2012 - 22 K 7443/11 - juris Rn. 102). Soweit darauf hingewiesen wird, dass eine Ausweisung zu einem Aufenthaltsverbot führe und wegen des mit ihr verbundenen Wiedereinreiseverbots eine Rückkehrentscheidung anzunehmen sei, sowie über Einreiseverbot und Befristung der Wirkungen der Ausweisung einheitlich zu entscheiden sei, sind diese Erwägungen nicht geeignet, die oben dargestellte Begründung des Senats in seinem Urteil vom 10.02.2012 infrage zu stellen (vgl. dazu, dass die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung ist auch Keßler, Asylmagazin 2012, 142, 143; GK-AufenthG, § 58 Rn. 102). Mit der Ausweisung wird dem Ausländer keine originäre Handlungspflicht auferlegt, innerhalb einer bestimmten Frist auszureisen. Dies erfolgt vielmehr erst mit der Abschiebungsandrohung (Art. 7 Abs. 1 S. 1 RFRL i.V.m. § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Da diese jedoch aufgrund der Anerkennung des Klägers als Flüchtling unterbleibt, wird dieser keiner - vollstreckbaren - Rückkehrverpflichtung unterworfen, die unter das Schutzregime der Rückführungsrichtlinie fallen würde. Insofern ist auch unionsrechtlich nicht von Amts wegen über die Befristung eines Einreiseverbots zu entscheiden.
154 
2. Jedenfalls unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles ist nicht nach den materiell-rechtlichen Vorgaben des § 11 Abs. 1 AufenthG im Rahmen des hier anhängigen Verfahrens über die Befristung zu entscheiden.
155 
Das Bundesverwaltungsgericht geht in seinem Urteil vom 14.02.2012 (1 C 7.11 - juris Rn. 28 ff.) davon aus, dass aufgrund der unionsrechtlichen Prägung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, die dieser durch das Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetz vom 26.11.2011 erfahren hat, die Interessen des Einzelnen an der zeitlichen Beschränkung der Wirkungen der Ausweisung und an einem hierauf bezogenen effektiven Rechtsschutz erheblich aufgewertet worden sind. Es erachtet es aus der Gesamtschau der Rückführungsrichtlinie sowie den Grundrechten einschließlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention für geboten, dass über die Befristung nunmehr ausschließlich im Wege einer gebundenen, der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegenden Entscheidung zu befinden ist, damit nach der abschließenden gerichtlichen Entscheidung über die Ausweisung zugleich die Dauer der Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 AufenthG feststeht und der Ausländer sich in seiner Lebensplanung darauf einstellen kann. Diese in dem genannten Urteil für die Ausweisung allein aus generalpräventiven Gründen entwickelten Grundsätze sind auf eine spezialpräventive Ausweisung übertragen worden (so nunmehr BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - bisher nur Pressemitteilung).
156 
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Ausweisung einerseits und die Befristung ihrer Wirkungen andererseits zwei getrennte Verwaltungsakte darstellen, was nicht zuletzt daraus folgt, dass die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nur auf Antrag erfolgt. Nach dem Bundesverwaltungsgericht kann ein Anspruch auf Befristung im Rechtsstreit um die Ausweisungsverfügung prozessual dadurch realisiert werden, dass in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung der Wirkungen der Ausweisung gesehen wird (BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - juris Rn. 30). Prozessual handelt es sich um zwei verschiedene Streitgegenstände. Der Streitgegenstand der Befristung wird durch den Antrag und den hierzu gehörenden Lebenssachverhalt bestimmt. Im vorliegenden Fall hat der schon im Verwaltungsverfahren und auch im gerichtlichen Verfahren stets anwaltlich vertretene Kläger zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich oder konkludent jemals ein (hilfsweises) Begehren auf Befristung der Ausweisung unterbreitet, insbesondere ist auch im Klageverfahren kein entsprechender Antrag gestellt worden. Dem Senat ist dieser selbstständige Streitgegenstand auch nicht „angewachsen“. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG normiert ausdrücklich das Erfordernis der Antragstellung. Ein entsprechender Antrag ist zu keinem Zeitpunkt bei der Behörde gestellt worden. Ein solcher ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 14.02.2012 nur bei einer allein generalpräventiv begründeten Ausweisung entbehrlich. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um eine ausschließlich spezialpräventive Ausweisung. Die im Verfahren vorgelegten Anwaltsschreiben beschränken sich auf die Darlegung, warum beim Kläger die Voraussetzungen für eine Ausweisung nicht vorliegen. Zwar könnte ein Widerspruch, der gegen die Ausweisung eingelegt wird, und mit dem zunächst die Ausgangsbehörde befasst ist (§ 72 VwGO), Anlass dazu geben, diesen so zu deuten, dass damit konkludent jedenfalls auch das Begehren der Befristung umfasst wird; in Baden-Württemberg gibt es jedoch kein Widerspruchsverfahren gegen die Ausweisung durch das Regierungspräsidium (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO BW). Ein Verpflichtungsgehren auf Befristung kann im vorliegenden Fall daher deshalb nicht unterstellt werden, weil die Notwendigkeit der vorherigen Antragstellung bei der Behörde auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts unabhängig davon, ob es sich um eine gebundene Entscheidung oder eine Ermessensentscheidung handelt, eine nicht nachholbare Sachurteilsvoraussetzung jeder Verpflichtungsklage ist (siehe hierzu etwa BVerwG, Urteile vom 16.01.1985 - 5 C 36.84 - juris Rn. 9 ff. und vom 31.08.1995 - 5 C 11.94 - juris Rn. 14 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.04.1999 - 6 S 420/97 - juris Rn. 3 f.; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 75 Rn. 25; Bader, u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, § 68 Rn. 41 und § 75 Rn. 5). Das Gewaltenteilungsprinzip gebietet es, dass der Behörde vor Erhebung der Klage die Gelegenheit gegeben wird, die begehrte Verwaltungsentscheidung zu prüfen und zu erlassen; insoweit kann auch in eine Klageerhebung nicht eine (bislang unterbliebene) Antragstellung hineininterpretiert werden. Weder der Wortlaut noch die unionsrechtliche Prägung der Vorschrift geben irgendeinen Anhaltspunkt, für die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG anderes anzunehmen und von den allgemein entwickelten und anerkannten prozessualen Grundsätzen abzuweichen.
VII.
157 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 161 Abs. 2 VwGO. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich der Meldeauflage und der räumlichen Beschränkung in Ziffer 2 des Bescheids vom 19.07.2010 für erledigt erklärt worden ist, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten dem Kläger aufzuerlegen, denn er hat durch ein in seine Sphäre fallendes Ereignis, nämlich den Umzug von S... nach R... am 01.03.2011, die Erledigung des Rechtsstreits herbeigeführt.
158 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
159 
Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, ist der Beschluss unanfechtbar.
160 
Beschluss vom 16. Mai 2012
161 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
162 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
33 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und das Urteil des Verwaltungsgerichts analog § 269 Abs. 3 ZPO insoweit für unwirksam zu erklären.
34 
Im Übrigen hat die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes Erfolg. Die Ausweisung ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20) rechtmäßig und verletzt schon deshalb den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt (I.). Als anerkannter Flüchtling darf er nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden; diese Bestimmung ist unionsrechtskonform dahingehend anzuwenden, dass die Ausweisung den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) - Qualifikationsrichtlinie - QRL - entsprechen muss (II.). Die nach Art. 24 Abs. 1 QRL erforderlichen zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung liegen bei dem Kläger, der sich seit Jahren kontinuierlich als Sympathisant der PKK betätigt, nach den konkreten Umständen des Falles vor; die Ausweisung ist auch verhältnismäßig (III.). Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass er über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht verfügt, vermitteln Art. 14 ARB 1/80 oder die Standstill-Klauseln weder materiell-rechtlich noch verfahrensrechtlich einen weitergehenden Ausweisungsschutz (IV.). Die Ausweisung ist ermessensfehlerfrei (V.). Sie unterliegt auch mit Blick auf die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348, S. 98) - Rückführungsrichtlinie - RFRL - keinen Bedenken, insbesondere gebieten es weder die Rückführungsrichtlinie noch § 11 Abs. 1 AufenthG im Rahmen des hier anhängigen Verfahrens zugleich über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zu entscheiden (VI.).
I.
35 
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt.
36 
1. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Von einer Unterstützung des Terrorismus durch eine Vereinigung i.S.v. § 54 Nr. 5 AufenthG ist auszugehen, wenn die Vereinigung sich selbst terroristisch betätigt oder die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -juris Rn. 19 ff.). Dass es sich um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, muss zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 16; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 40). Die Vorschrift erfasst jede Art von Terrorismus, unabhängig davon, ob es sich um nationalen oder internationalen Terrorismus handelt (BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris Rn. 32; BT-Drs. 16/5065 - Gesetzentwurf zum Richtlinienumsetzungsgesetz 2007, S. 183 zu Nr. 42).
37 
2. Das Verwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Stuttgart sind zu Recht davon ausgegangen, dass die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen sind. Der Senat hat mit Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 41 ausgeführt:
38 
„…Die PKK ist jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - VBlBW 2011, 478 und vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris sowie Beschlüsse des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - und vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - InfAuslRAuslR 2011, 105). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie selbst ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln – wie dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen und mit Angriffen auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele – verfolgt (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris, m.w.N.; vgl. im Einzelnen zum Begriff des Terrorismus GK-AufenthG, Stand: Sept. 2011, § 54 Rn. 436 ff.). Das ist bei der PKK in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis heute der Fall. Insbesondere verzichtete die PKK auch während der Phase des 1999 ausgerufenen und 2004 wieder beendeten „Friedenskurses“ nicht auf Gewalt. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - 1 A 111/09 - InfAuslR 2011, 37) und ändert nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei (so etwa am 22.06.2010 in Istanbul, vgl. ZEIT-ONLINE vom 23.06.2010: www.zeit.de/politik/ausland/2010-06/kurden-tuerkei-politik; WELT ONLINE vom 22.06.2010 www.welt.de/politik/ausland/ article8142791/Tuerkei-Touristen-im-Fadenkreuz-kurdischen-Terrors.html; am 27. und 28.08.2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, vgl. SPIEGEL ONLINE vom 28.08.2006 www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,434039,00.html) oder der Entführung Unbeteiligter (vgl. zur Entführung von drei deutschen Staatsangehörigen am Berg Ararat am 08.07.2008 SPIEGEL ONLINE vom 09.07.2011: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,564783,00.html). Insoweit wird ergänzend auf die ausführliche und zutreffende Darstellung im angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums vom 10.06.2010 verwiesen (vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ., „Ausländerextremismus“, August 2007, S. 9 ff., sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)“, März 2007). Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP – ABl. L 116, S. 75). Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 - Inf- AuslR 2011, 40; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.2010 - 1 B 24.10 - juris; noch offengelassen im Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).“
39 
Hieran ist weiter festzuhalten. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren auch nichts Substantiiertes vorgebracht, was die Einordnung der PKK, die bis heute auf der „Terrorliste“ der EU steht (vgl. zuletzt Beschluss des Rates vom 13.03.2012 <2012/150/GASP>, ABl. L 74, 9 und vom 22.12.2011 <2011/872/GASP>, ABl. L 343, 54 und die im Anhang enthaltene Auflistung von Personen und Organisationen), als einer Organisation des internationalen Terrorismus (ebenso auch BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 35 ff.) in Frage stellen würde.
40 
3. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liegen Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger seit Jahren den internationalen Terrorismus der PKK im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15).
41 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe hierzu insgesamt BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 14 ff. sowie Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris Rn. 25 ff. - zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris Rn. 8 ff.; Senatsbeschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - juris Rn. 7 ff.; Senatsurteile vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 43 und vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris Rn. 50 ff.).
42 
Nach diesen Grundsätzen liegen hier eine Vielzahl von Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den internationalen Terrorismus seit vielen Jahren in mehrfacher Weise unterstützt, vor allem durch die Übernahme einer Vorstandsfunktion und die Mitgliedschaft in dem PKK-nahen Mesopotamische Kulturverein S... (a.) und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an unterschiedlichen PKK-nahen Aktionen und Veranstaltungen (b.). Dass einige dieser Tatsachen bereits länger zurückliegen, steht ihrer Berücksichtigung nicht entgegen; vom Kläger geht nach wie vor eine gegenwärtige Gefährlichkeit aus (c.).
43 
a. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Mesopotamische Kulturverein S... den Terrorismus unterstützt (ebenso schon zu § 86 Nr. 2 AuslG a.F VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 64, wonach der „Mesopotamische Kulturverein S... als Vorfeldorganisation der PKK bzw. KADEK anzusehen ist“; die PKK-Nähe dieses Vereins auch bejahend VGH Bad.-Württ, Urteil vom 08.07.2009 - 13 S 358/09 - zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG). Zwar enthält die Satzung des am 23.08.1997 gegründeten und am 16.06.1998 eingetragenen Vereins weder in ihrer Fassung vom 23.08.1997 noch in ihrer Neufassung extremistische Züge; bei Auflösung des Vereins geht das Vermögen an den „Kurdischen Roten Halbmond e.V.“, einer humanitären Hilfsorganisation. Auch bietet der Verein kulturelle Veranstaltungen an und die Gelegenheit zum Treffen unter Migranten vorwiegend kurdischer Herkunft. Er befasst sich ferner mit politischen Themen, wie etwa der Freilassung Öcalans und der Verbesserung dessen Haftsituation sowie der Lösung der „kurdischen Frage“, die für sich betrachtet noch nicht den Schluss einer Identifizierung oder Solidarisierung mit der PKK zulassen. In den in das Verfahren eingeführten Verfassungsschutzberichten des Landes Baden-Württemberg wird dieser Verein nicht ausdrücklich aufgeführt. Letzteres bedeutet aber allenfalls, dass von diesem keine unmittelbare Gefährdung für die Sicherheit der Bundesrepublik ausgeht. Die Berichte des LfV vom 02.08.2006 und 27.10.2009 mit den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Ergänzungen zeigen jedoch, dass der Verein seit seiner Gründung tatsächlich in erheblichem Maße auch als Plattform für die PKK fungiert, deren terroristische Ziele befürwortet und deren Gedankengut aktiv verbreitet. Hierbei handelt es sich nicht um Aktionen von Einzelpersonen oder Splittergruppen unter missbräuchlicher Ausnutzung der Vereinsstruktur, vielmehr ist der Verein insgesamt auch auf die Unterstützung der PKK ausgerichtet.
44 
Nach den vom LfV aufgelisteten Erkenntnissen organisiert der Mesopotamische Kulturverein S... alljährlich Veranstaltungen anlässlich des Jahrestags der Gründung der PKK, entweder in den eigenen Vereinsräumen (so z.B. am 26.11.2000 und 25.11.2001) oder als Großveranstaltung in gesondert angemieteten Räumlichkeiten (so etwa am 22.11.2009 in einem Kulturhaus mit ca. 1.500 Personen). Ebenso wird über Veranstaltungen zum Jahrestag der Aufnahme des bewaffneten Kampfes der PKK (15.08.) in Gestalt einer Feier in den Räumen des Vereins (14.08.2005 sowie 15.08.2008) oder durch ein vom Verein organisiertes Picknick (am 16.08.2009) und auch über Veranstaltungen zum Jahrestag des Betätigungsverbots der PKK in Deutschland berichtet. Die enge Verbindung des Vereins mit der PKK wird vor allem auch darin deutlich, dass kontinuierlich immer wieder PKK-Funktionäre aus unterschiedlichen Hierarchieebenen in den Räumen des Vereins auftreten, die sich spezifischer PKK-Themen annehmen, so etwa bei der internen Versammlung auf Gebietsebene - sog. Volksversammlung - am 16.04.2000, bei der es unter anderem um die Auswirkungen des Einmarsches türkischer Soldaten in den Nordirak auf die PKK und insbesondere die Kämpfer der ARGK (heute HPG) ging. Ähnlich im Ablauf waren etwa auch schon die Veranstaltungen vom 08.06.1997 (Bericht des PKK-Regionalleiters Baden über die Erfolge der ARGK anlässlich der Eröffnungsfeier des Vereins) oder vom 19.04.1998 (PKK-Volksversammlung mit Beiträgen des PKK-Regionalleiters Baden über die „Taktik“ der türkischen Regierung, die Moral innerhalb der PKK durch gezielte Falschinformationen hinsichtlich des Kriegsverlaufs zu untergraben). Derartige Volksversammlungen stellen ein Mittel der konspirativen Betätigung der PKK unter dem Vereinsverbot dar, um dezentrale Strukturen zur Mobilisierung der Anhänger der PKK zu schaffen (vgl. hierzu näher Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 54). Zu nennen sind weiter aus den Mitteilungen des LfV die Versammlung am 11.03.2001, die die aktuelle Lage der PKK einschließlich deren finanzieller Situation thematisierte; der Bericht eines früheren Aktivisten der ARGK am 22.04.2001 über seine Eindrücke vom dortigen Leben; die Schilderung eines ehemaligen Guerilla-Kämpfers über seine Eindrücke aus den Kandil-Bergen am 30.08.2008 oder die Ausrichtung der Volksversammlung am 14.05.2006 mit einer Rede des damaligen Leiters des PKK-CDK-Sektors Süd Muzaffer Ayata über die Funktion der Volksgebietsräte (siehe hierzu auch die Berichterstattung in der Yeni Özgur Politika vom 16.05.2006). In seinem Bericht vom 27.10.2009 führt das LfV auch aus, dass bei der Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins am 10.06.2001 die schlechte finanzielle Situation des Vereins ein Thema war und erläutert wurde, dass ein erheblicher Teil der hohen Kosten für die Renovierung die PKK übernommen habe. Hervorzuheben sind ferner - wie in den Berichten des LfV im Einzelnen dargelegt - die kontinuierlich in den Vereinsräumen stattfindenden Veranstaltungen zum Gedenken an sog. Märtyrer, d. h. vor allem für gefallene Kämpfer und Selbstmordattentäter, wobei an diesen Veranstaltungen auch Funktionäre der PKK oder CDK (letztere ist eine Nachfolgeorganisation der vom PKK-Verbot umfassten Nationalen Befreiungsfront Kurdistans - ERNK -) teilnehmen. Im Rahmen des Gedenkens an PKK-Märtyrer wird auch über die Ehrung von Frontarbeitern der PKK für ihre Tätigkeit berichtet (so für den 29.03.2009). Wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, sind solche Märtyrergedenkveranstaltungen ein wesentliches Element zur Herstellung eines engeren ideologischen und emotionalen Zusammenhalts auch von PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (vgl. hierzu Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 55 mwN). Schließlich tritt der Mesopotamische Kulturverein als Veranstalter von Demonstrationen oder Mahnwachen auf, um etwa gegen die Verhaftung von KONGRA-GEL-Funktionären oder das PKK-Verbot oder - wie in der Zeit vom 01. bis 04.05.2002 - gegen die (befürchtete) Aufnahme der KADEK als Nachfolgeorganisation der PKK in die EU-Terrorliste zu protestieren.
45 
Nach Überzeugung des Senats sind diese vom LfV mitgeteilten konkreten und detaillierten Erkenntnisse über den Mesopotamischen Kulturverein, die der Kläger im Übrigen im Verfahren nicht substantiiert in Frage gestellt hat, zutreffend. Er ist sich dabei dessen bewusst, dass diese Erkenntnisse zu einem erheblichen Teil auf den Angaben von „Quellen“ beruhen. Aufgrund des konkreten Verfahrens der Erkenntnisgewinnung, das der Zeuge des LfV in der mündlichen Verhandlung erläutert hat (siehe dazu näher nachfolgend b.), bestehen jedoch keine Bedenken gegen deren Verwertung - zumal diese durch andere gewichtige Tatsachen gestützt werden. Ein erheblicher Teil der Veranstaltungen wurde - wie in den Berichten des LfV kenntlich gemacht - in der „Özgur Politika“ und der „Yeni Özgur Politika“ aufgegriffen (siehe im Übrigen zur Einordnung der „Özgur Politika“ als Sprachrohr der PKK VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2011 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 63). Auch Polizeierkenntnisse werden als Beleg herangezogen. Dass der Verein die PKK unterstützt und sich mit ihren Zielen identifiziert, zeigt ferner die Auswertung der vom Senat beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Stuttgart 7 Js 101646/04. Am 09.11.2004 war in den Vereinsräumen eine ca. zwei Meter lange Fahne des KONGRA-GEL deutlich von außen sichtbar aufgehängt. Bei der Durchsuchung am 15.12.2004 hing an deren Stelle eine ERNK-Fahne. In den Räumen des Vereins wurden Propagandapublikationen in Form von Büchern, Broschüren und plakatähnlichen Druckwerken - teilweise in größeren Stückzahlen - aufgefunden. Zu nennen sind beispielsweise Plakate mit der Aufschrift „Schluss mit dem PKK-Verbot“, Transparente der PJA (Frauenorganisation der PKK) und Transparente und Fahnen der YCK (Jugendorganisation der PKK), von Abdullah Öcalan verfasste Bücher, Broschüren mit Symbolen der PKK, Kadek, KONGRA-GEL oder der ERNK sowie Publikationen, die der Verbreitung des Gedankenguts der PKK dienen, und in denen beispielsweise Selbstmorde für die PKK verherrlicht und als Heldentaten gepriesen werden. Die Auswertung der SIM-Karte des damaligen Vorsitzenden des Vereins enthielt die Telefonnummer des PKK-Funktionärs Muzaffer Ayata, der in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins verkehrt. Dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit Verfügung von 30.05.2008 das Ermittlungsverfahren gegen den damaligen Vorstandsvorsitzenden wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz nach § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO eingestellt hat, steht der Verwertung der Erkenntnisse aus der Durchsuchung nicht entgegen.
46 
Im Übrigen lässt sich die PKK-Nähe des Vereins auch aus dem Umstand ersehen, dass dieser jedenfalls seit dem 02.08.2004 Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ ist. Eine aktive Verbindung zwischen beiden lässt sich nicht nur daraus entnehmen, dass anlässlich der Durchsuchung der Räume des Mesopotamischen Kulturvereins am 15.12.2004 ein Flugblatt des Vorstand der YEK-KOM aufgefunden wurde, das unter anderem zu Treffen der Vorstandsvorsitzenden der jeweiligen kurdischen „nationalen“ Vereine in ganz Deutschland aufrief (siehe im Einzelnen Schreiben des Polizeipräsidiums Stuttgart - Dezernat Staatsschutz - vom 19.01.2005), oder den Berichten des LfV zufolge bei der Veranstaltung des Mesopotamischen Kulturvereins am 09.10.2000 zum Thema „Erinnerung an die Flucht aus Syrien von Öcalan am 09.10.1998 und deren Folgen“ Flugblätter der YEK-KOM verteilt wurden, sondern auch aus dem Umstand, dass Vertreter der YEK-KOM beim Verein auftreten, so deren Vorsitzender Ahmet Celik bei einer Gedenkveranstaltung des Mesopotamischen Kulturvereins am 21.10.2008 für die „Gefallenen des Kurdischen Befreiungskampfes“. Im Übrigen bestand über finanzielle Zuschüsse an den Verein eine Verbindung zwischen der YEK-KOM und dem Mesopotamischen Kulturverein schon im Jahre 2000 (siehe näher VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 -juris Rn. 63). Zur YEK-KOM hat der Senat hat in seinem Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 47 ausgeführt:
47 
„Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010 im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.“
48 
Zwar ist dem Arbeitsprogramm der YEK-KOM aus dem Jahre 2008 und in der Fassung vom 20.02.2011 (das jeweils aktuelle Programm ist auch auf der Homepage der YEK-KOM unter www.yekkom.com abrufbar) zu entnehmen, dass sich diese für eine friedliche demokratische Lösung der Kurdenfrage in Richtung auf eine Selbstverwaltung der Kurden innerhalb des türkischen Staates einsetzt und sich vor allem auch der allgemeinen Situation von Kurdinnen und Kurden einschließlich der Migrationsprobleme annimmt. Bei der Würdigung der - von der YEK-KOM ausdrücklich so bezeichneten - Selbstdarstellungen ist aber einzustellen, dass auch diese Organisation bestrebt ist, ein öffentliches Erscheinungsbild zu verbreiten, das so gestaltet ist, dass nicht mit Rücksicht auf eine deutliche Nähe zur PKK Exekutivmaßnahmen deutscher Behörden ausgelöst werden, und deshalb ihre Publikationen hierauf ausrichtet. Im Übrigen schließt die Verfolgung allgemeiner politischer Ziele, wie etwa die von YEK-KOM geforderte freie Benutzung der kurdischen Sprache in der Türkei, die Feststellung nicht aus, dass YEK-KOM auch die Ziele der PKK unterstützt, indem etwa die terroristischen Ziele und Aktivitäten der PKK positiv bewertet, befürwortet und verbreitet werden. Wenn insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert wird, so soll damit deren ungehinderte Betätigung in Deutschland wieder ermöglicht und damit deren auch terroristische Ziele und Aktivitäten tragende Basis verbreitert und gestärkt werden.
49 
Das auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtete Handeln der Vereinigung ist für den Kläger erkennbar gewesen (zu diesem Maßstab BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 -1 C 13.10 -juris Rn. 23) und ihm zuzurechnen. Der im Jahre 2000 dem Verein beigetretene Kläger ließ sich bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins am 23.07.2000 als Beisitzer in den Vorstand wählen und wurde nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung danach ein zweites Mal für ein Jahr in den Vorstand gewählt. Die Tatsache der Vorstandstätigkeit ist bereits mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 eingeräumt worden. Allein schon aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied ist ihm diese Unterstützung zuzurechnen, ohne dass der Frage seiner tatsächlichen inneren Einstellung weiter nachgegangen werden müsste (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - juris zu § 11 StAG). Der Kläger hat auch nach Ende seiner Vorstandstätigkeit als einfaches Mitglied des Mesopotamischen Kulturvereins dessen oben dargestellte Zielsetzung, die sich unter Berücksichtigung der Angaben des LfV bis heute nicht geändert hat, weiter unterstützt. Bei der Durchsuchung in den Räumen des Vereins am 15.12.2004 wurde eine Mitgliederliste mit Stand 01.07.2004 gefunden, die den Kläger seit dem Jahr 2000 als Mitglied ausweist. Im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 ist diese Mitgliedschaft ausdrücklich eingeräumt worden. Er unterschrieb sowohl am 02.02.2003 als auch am 17.04.2005 als Protokollführer das Protokoll der Mitgliederversammlung. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung bekundet, ab 2000 bis 2005 beim Verein ein- und ausgegangen zu sein, dies für die Zeit danach jedoch abgestritten. Der Senat ist allerdings aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme der Überzeugung, dass der Kläger auch über diesen Zeitpunkt hinaus mindestens bis Mitte 2009 aktiv am Vereinsgeschehen teilgenommen hat und sich nur unter dem Eindruck des Ausweisungsverfahrens nunmehr zurückhält (siehe nachfolgend b. und c.).
50 
b.) Der Kläger hat durch die kontinuierliche Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt. Er war bei einer Reihe von Veranstaltungen, die - wie ihm auch erkennbar gewesen ist - darauf ausgerichtet sind, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und Organisationen im politischen Umfeld zu stärken. Dies gilt insbesondere für die Teilnahme an den Wahlen zum Volksgebietsrat und die Übernahme der Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats. Diese Teilnahmen sind daher bereits für sich genommen ohne weiteres als selbstständige Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, die zum Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führen. Umso mehr gilt dies bei einer Gesamtschau aller festgestellten Aktivitäten des Klägers einschließlich seiner Vorstandsfunktion im Mesopotamischen Kulturverein.
51 
Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger am 31.05.2001 eine Kundgebung geleitet hat, bei der er gegen mit der PKK zusammenhängende Symbole nicht eingeschritten ist, und am 10.07.2001 die PKK-Selbsterklärung unterzeichnet hat (aa.), die Feier zum 30. Gründungsjahrestag der PKK am 30.11.2008 besucht (bb.) und am 04.02.2007 und 01.02.2009 an Märtyrergedenkveranstaltungen teilgenommen hat (cc.), bei Veranstaltungen von KONGRA-GEL-Anhängern am 24.02.2008 und 07.06.2009 war (dd.) sowie an den Versammlungen zur Wahl des Volksgebietsrats am 14.05.2006 und 26.04.2009 teilgenommen hat, wobei er bei der erstgenannten Versammlung zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist (ee.). Die konkreten Ausrichtungen der jeweiligen Veranstaltungen, die dem Kläger nicht verborgen bleiben konnten, lassen den Schluss zu, dass der Kläger die PKK unterstützt hat. Soweit das Regierungspräsidium dem Kläger auch den Besuch an einer Podiumsdiskussion unter Mitwirkung von Günay Aslan am 25.02.2007 vorhält, kann allerdings aus den Inhalten dieser Veranstaltung nicht geschlossen werden, dass der Kläger auch hierdurch die PKK unterstützt hat (ff.).
52 
Die Feststellungen und Würdigungen des Senats beruhen auf den sich aus den Akten ergebenden Erkenntnissen, aus der Einlassung des Klägers sowie den in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen. Hierbei handelt es sich um den Schwager des Klägers, der am 14.05.2006 zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats Stuttgart gewählt wurde, und um einen Mitarbeiter des LfV, der über Angaben einer Quelle berichtet hat. Weitere (unmittelbare) Zeugen haben dem Senat nicht zur Verfügung gestanden. Die Ehefrau des Klägers hat von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht; andere Zeugen, die sich in der Sache hätten äußern können, sind weder benannt worden noch ersichtlich. Der vernommene Mitarbeiter des LfV ist nicht der unmittelbare Führer dieser Quelle. Aus Quellenschutzgründen wurde die Identität der Quelle nicht offen gelegt. Der unmittelbare Quellenführer stand als Zeuge nicht zur Verfügung. Auch wurden - trotz Aufforderung durch das Gericht - keine schriftlichen Aufzeichnungen vorgelegt. Diese Praxis ist dem Senat aus vergleichbaren Verfahren bekannt. Bei der Würdigung der Aussagen des Mitarbeiters des LfV hat sich der Senat von folgenden in seinem Urteil vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - juris Rn. 49 § 11 satz 1 nr. 1 stag> dargestellten Überlegungen leiten lassen:
53 
„Erkenntnisse des LfV, die auf geheim gehaltenen Quellen beruhen und als Zeugenaussage vom Hörensagen in den Prozess eingeführt werden, können zwar grundsätzlich verwertet werden. Allerdings darf die in Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes auch dann nicht in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden, wenn eine Behörde sich gegenüber dem Auskunftsbegehren eines Bürgers auf Geheimhaltungsgründe beruft und sich diese Gründe gerade auch auf die allein als Beweismittel in Betracht kommenden Verwaltungsvorgänge beziehen, in denen die für das Verwaltungsverfahren und sein Ergebnis relevanten Sachverhalte dokumentiert sind (vgl. grundlegend zu dieser Problematik BVerfG, Beschluss vom 27.10.1999 - 2 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106, 121 ff.). Soweit in einem derartigen Fall die Effektivität des Rechtsschutzes von der Offenlegung der Verwaltungsvorgänge abhängt, muss das Gericht grundsätzlich die tatsächlichen Grundlagen selbst ermitteln und seine rechtliche Auffassung unabhängig von der Verwaltung, deren Entscheidung angegriffen ist, gewinnen und begründen. Ist dies wie hier nicht möglich, muss das durch die Geheimhaltung entstehende Rechtsschutzdefizit im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeglichen werden (Hamb. OVG, Urteil vom 07.04.2006 - 3 Bf 442/03 - NordÖR 2006, 466). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gerichtliche Beweiswürdigung der Angaben eines sogenannten Zeugen vom Hörensagen besonderen Anforderungen unterliegt, die aus dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten sind. Danach ist der Beweiswert seiner Angaben besonders kritisch zu prüfen. Denn das Zeugnis vom Hörensagen ist nur begrenzt zuverlässig, weil sich die jedem Personenbeweis anhaftenden Fehlerquellen im Zuge der Vermittlung der Angaben verstärken und weil das Gericht die Glaubwürdigkeit der Gewährsperson nicht selbst einschätzen kann. Das Gericht muss sich der Gefahren der beweisrechtlichen Lage, also vor allem der besonderen Richtigkeitsrisiken in Ansehung anonym gebliebener Personen, deren Wissen durch einen Zeugen vom Hörensagen eingeführt wird, sowie der sich daraus ergebenden Grenzen seiner Überzeugungsbildung bewusst sein (VGH Bad.-Württ, Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 50 und Urteil vom 27.03.1998 - 13 S 1349/96 - juris Rn. 37). Die Aussage eines Zeugen vom Hörensagen wird regelmäßig einer Entscheidung nur dann zugrunde gelegt werden können, wenn es für das Vorliegen der entsprechenden Tatsache noch andere Anhaltspunkte gibt (BVerwG, Beschluss vom 22.10.2009 - 10 B 20/09 - juris Rn. 4 und Beschluss vom 05.03.2002 - 1 B 194/01 - juris Rn. 4 mit ausdrücklichem Hinweis auf BVerfGE 57, 250, 292). Nach der zum Strafrecht entwickelten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügen die Angaben des Gewährsmanns regelmäßig nicht, wenn sie nicht durch andere, nach Überzeugung des Fachgerichts wichtige, ihrerseits beweiskräftig festgestellte Gesichtspunkte bestätigt werden (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 26.05.1981 - 2 BvR 215/81 -BVerfGE 57, 250, 292 ff.; BVerfG <2. Kammer des 2. Senats>, Beschluss vom 19.07.1995 - 2 BvR 1142/93 - NJW 1996, 448; BVerfG <1. Kammer des 2. Senats>, Beschluss vom 05.07.2006 - 2 BvR 1317/05 - NJW 2007, 204). Die strafgerichtliche Rechtsprechung und Literatur verlangt daher regelmäßig „zusätzliche Indizien von einigem Gewicht“ (vgl. näher BGH, Beschluss vom 08.05.2007 - 4 StR 591/06 - juris Rn. 2; Beschluss vom 19.06.1996 - 5 StR 220/96 - juris Rn. 3 ff; Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2008, § 250 Rn. 13; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 26. Aufl. 2009, § 46 Rn. 33 f.; Detter, Der Zeuge vom Hörensagen - eine Bestandsaufnahme, NStZ 2003, 1, 4). Diese zum Strafrecht entwickelten Prinzipien können als Ausdruck des Rechts auf faires Verfahrens auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herangezogen werden (Sodan/Ziekow, 3. Aufl. 2010 § 96 Rn. 38; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 50).“
54 
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt sich das Ergebnis der Beweisaufnahme insgesamt wie folgt dar:
55 
aa.) Nach polizeilichen Erkenntnissen war der Kläger am 31.05.2001 - und damit im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Vorstandstätigkeit - in S... Leiter einer Kundgebung des Mesopotamischen Kulturvereins zum Thema „Die Zeit ist reif für Demokratie und Freiheit“. Bei der Veranstaltung wurden Bilder Öcalans sowie Fahnen der ERNK gezeigt, wogegen der Kläger nicht einschritt. Ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz (4 Js 43599/01) stellte die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein. Der Kläger hat mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 eingeräumt, diese Kundgebung geleitet zu haben, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sich hingegen zunächst dahingehend eingelassen „nie und niemals eine Kundgebung geleitet zu haben“. Auf mehrfachen Vorhalt der aktenkundigen polizeilichen Erkenntnisse und des Schreibens vom 30.06.2010 sowohl durch den Senat als auch durch seine Prozessbevollmächtigten hat der Kläger lediglich vorgebracht, sich nicht mehr erinnern zu können. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass diese Feststellungen der Polizei zur Veranstaltung vom 31.05.2001 zutreffend sind - zumal sie durch das Schreiben vom 30.06.2010, das auf einer entsprechenden Erklärung des Klägers gegenüber seinen Anwälten basieren muss, bestätigt sind. Dieses wird insoweit durch „Erinnerungslücken“ des Klägers nicht durchgreifend in Frage gestellt. Der Kläger beruft sich in diesem Schreiben allerdings darauf, es könne ihm nicht angelastet werden, dass bei der ordnungsgemäß angemeldeten und genehmigten Kundgebung einzelne Teilnehmer die genannten Bilder und Fahnen geschwenkt hätten; die Unterbindung dieser Aktionen sei nicht seine Aufgabe, vielmehr hätten die Ordnungskräfte dafür Sorge tragen müssen, solche Vorkommnisse zu vermeiden. Die Tatsache, dass der Kläger gegen diese Symbole nicht eingeschritten ist, lässt aber vor allem mit Blick auf seine Aktivitäten im Mesopotamischen Kulturverein den Schluss dahingehend zu, dass er sich als Versammlungsleiter einer Kundgebung dieses Vereins unverkennbar mit den auf die Unterstützung der PKK gerichteten Zielen identifizierte und solidarisierte. In dieses Bild passt auch die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001, die der Kläger - allerdings mit Hinweis darauf, dies habe im Rahmen der durch Art. 5 GG gewährten Meinungsfreiheit stattgefunden - mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2006 zugestanden hat.
56 
bb.) Der Kläger nahm am 30.11.2008 an der Feier zum 30. Gründungsjahrestag der PKK im Kulturhaus A... in S... teil. Dies hat er in den Schriftsätzen seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 und 16.11.2010 eingeräumt. Wie das LfV unter dem 23.09.2009 mitgeteilt hat, hätten in der Halle unter anderem Bilder von Öcalan sowie mehreren PKK-Märtyrern und eine Fahne der früheren PKK-Propagandaorganisation ERNK gehangen. Ein Redner habe zur Geschichte der PKK referiert. Im Anschluss daran sei der getöteten Märtyrer dieser Organisation mit einer Schweigeminute gedacht worden. Während der Veranstaltung, die um 13 Uhr begonnen habe und von ca. 2.000 Personen besucht worden sei, seien Parolen wie „Hoch lebe der Führer Apo“ und „PKK“ skandiert worden. Für die Veranstaltung sei am 18. und 28.11.2008 in der Yeni Özgur Politika und am 28.11.2008 bei ROJ-TV (kurdischer TV-Sender) geworben worden. Die in der YÖP vom 28.11.2008 abgedruckte Einladung - überschrieben mit „das 30. Jahr feiern wir“ - weist als Programm verschiedene Künstler und Reden aus.
57 
Der Kläger hat den vom LfV mitgeteilten Inhalt der Veranstaltung und ihren organisatorischen Rahmen nicht bestritten. Er hat allerdings darauf verwiesen, die Veranstaltung sei ordnungsgemäß angemeldet und genehmigt worden; im Programm dieser Veranstaltung seien diverse kurdische Künstler angekündigt worden, aufgrund deren Auftritte er dort gewesen sei; dass vereinzelte Teilnehmer Fahnen geschwenkt und Parolen gerufen hätten, könne ihm nicht angelastet werden. Er habe dieser Veranstaltung - wie viele andere Leute - beigewohnt, um in den Genuss des künstlerischen Angebots zu kommen; bei dieser Veranstaltung habe er weder applaudiert noch Parolen ausgerufen, an der Schweigeminute habe er sich nicht beteiligt. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich der Kläger dahingehend eingelassen, er sei nur dahin, um die Künstler zu hören, es bedeute nicht, dass jeder, der daran teilnehme, ein PKK’ler oder für die PKK sei.
58 
Es kommt jedoch nicht darauf an, dass sich der Kläger nach seinem Vorbringen nicht aktiv an der Veranstaltung beteiligt hat und diese nicht verboten gewesen ist. Die dort aufgestellten Bilder von Öcalan und mehreren PKK-Märtyrern, die Fahnen der ERNK sowie die gehaltene Rede zur Geschichte der PKK lassen ebenso wie der Anlass der Veranstaltung keinen Zweifel an deren Ausrichtung als Propagandaveranstaltung der PKK aufkommen. Bei dieser Eindeutigkeit wäre es völlig lebensfremd anzunehmen, dass der Kläger den Charakter der Veranstaltung nicht bemerkt bzw. eigentlich missbilligt hätte. Die Person Öcalans hat nach wie vor einen Symbolgehalt für den bewaffneten Kampf der PKK gegen den türkischen Staat, wie dies hier auch schon in der optischen Ausgestaltung der Veranstaltung zum Ausdruck kommt. Erst recht mit Blick auf seine jahrelange aktive Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein, der den Jahrestag der PKK-Gründung regelmäßig begeht, ist für den Kläger der Bedeutungsgehalt der Veranstaltung eindeutig erkennbar gewesen. Indem er dieser beigewohnt hat, hat er deren Zielsetzung vielmehr nach außen erkennbar gebilligt und den emotionalen und ideologischen Zusammenhalt der PKK und der mit ihr zusammenhängenden Organisationen gestärkt (vgl. hierzu näher Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 52 ff.). Im Übrigen dienen - neben anderen „Geldquellen“ wie insbesondere Mitgliedsbeiträge und Spenden - gerade auch solche Großveranstaltungen, bei denen - wie im vorliegenden Fall - Eintrittsgelder erhoben und Umsätze erzielt werden, dazu, der PKK finanzielle Mittel zu verschaffen, die für Propagandatätigkeit, den Parteiapparat sowie für die Versorgung der Guerilla-Kämpfer und deren Ausstattung mit Waffen und Munition gebraucht werden (siehe zur Finanzierung der PKK näher Verfassungsschutzberichte Baden-Württemberg, z.B. 2008, S. 92; 2007 S. 91 f.; 2001, S. 179). Dass die einzelne Eintrittskarte relativ preiswert gewesen ist - der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung den Betrag mit 10 EUR angegeben - steht dem nicht entgegen. Auch diesem Zweck hat er zumindest durch die Zahlung der Eintrittskarte entsprochen. Dass dies für den Kläger, der aufgrund seiner Vorstandstätigkeit tiefere Einblicke in den Ablauf und Zweck solcher Veranstaltungen hatte, nicht erkennbar gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.
59 
cc.) Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass der Kläger am 04.02.2007 und 01.09.2009 an Märtyrergedenkveranstaltungen teilgenommen hat.
60 
Das LfV hat unter dem 08.10.2009 unter anderem ausgeführt, am 04.02.2007 habe in den Räumen des „Mesopotamischen Kulturvereins“ in S... ab 13 Uhr eine Versammlung von KONGRA-GEL-Anhängern stattgefunden, an der etwa 150 Personen teilgenommen hätten. Die hiervon namentlich von der Quelle erwähnten Besucher seien dem LfV aufgrund anderer Erkenntnisse als KONGRA-GEL-Anhänger bekannt. Es sei der „Sehitler“ („Märtyrer“) dieser Organisation gedacht worden. Ein Redner habe ausgeführt, die „Märtyrer“ seien „für uns“ gestorben. Sie dürften niemals vergessen werden. Ihr Andenken verpflichte „uns“ zum Einsatz für die kurdische Sache. Das sei ihnen versprochen worden und deshalb würden sich die Anwesenden auch bis zum Ende des Lebens dafür einsetzen. Zudem seien bei der Veranstaltung Fahrkarten nach Straßburg für eine dortige Demonstration am 10.02.2007 zum 8. Jahrestag des „Internationalen Komplotts“ (= Festnahme Öcalans am 15.02.1999) verkauft worden.
61 
Dass das LfV in seinem Bericht vom 27.10.2009 mit Datum vom 03.02.2007 ein „Erinnerungsfest“ für die im Kampf gefallenen Märtyrer erwähnt hat, das vom „Komitee der Märtyrer-Familien“ ausgerichtet worden sei (siehe hierzu auch die Übersetzung des entsprechenden Beitrags in der YÖP vom 06.02.2007), während eine Märtyrergedenkfeier mit Datum vom 04.02.2007 in diesem Bericht nicht genannt wird, stellt nicht in Frage, dass letztere tatsächlich stattgefunden hat. Zum einen war der 04.02.2007 ein Sonntag; es ist daher nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch der davor liegende Samstag für eine thematisch ähnliche Veranstaltung genutzt wurde. Zum anderen enthalten die Berichte des LfV (bedingt durch dessen Arbeitsweise) nicht unbedingt eine lückenlose Auflistung aller - die PKK unterstützenden - Veranstaltungen des Mesopotamischen Kulturvereins. Dies verdeutlichen etwa auch ein Abgleich der Feststellungen zu solchen Veranstaltungen im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 11.07.2002 (13 S 1111/01 - juris Rn. 63) mit den im vorliegenden Verfahren vorlegten Berichten vom 02.08.2006 und 27.10.2009, die auch Zeiträume erfassen, die Gegenstand dieses Urteils waren. Von besonderer Bedeutung ist jedoch, dass der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2010 ausdrücklich eingeräumt hat, an der Veranstaltung am 04.02.2007 teilgenommen zu haben. Der vom LfV detailreich geschilderte Ablauf ist mit diesem Schriftsatz nicht in Frage gestellt worden. Der Kläger hat darin lediglich geltend gemacht, er habe weder applaudiert noch irgendwelche Parolen gerufen. Er habe nur den gehaltenen Reden zugehört.
62 
Nach den Gründen des angefochtenen Urteils (UA S. 16) hat sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht jedoch dahingehend eingelassen, dass an diesem Tag Angehörige im Mesopotamischen Kulturverein einer Verstorbenen gedacht hätten. Die Angehörigen hätten für die Teilnehmer ein Essen ausgerichtet. Bei den Kurden sei es üblich, dass der Verstorbenen gedacht würde. Für ihn seien die Werte seines Volkes sehr wichtig. Hierzu zähle auch, der Toten zu gedenken und zu beten. Da er die Angehörigen der Verstorbenen kenne, sei er zu dieser Gedenkfeier gegangen und habe ihnen sein Beileid ausgesprochen. Er habe mit den Angehörigen zusammen gegessen und sei dann wieder gegangen. An eine bei der Veranstaltung gehaltene Rede könne er sich nicht erinnern. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger ausgeführt, er sei am 04.02.2007 zufällig im Verein gewesen und habe gesehen, dass dort Angehörige einem Toten gedacht hätten, er habe ihnen sein Beileid ausgesprochen. Er glaube, es sei ein Mann gewesen, der in der Türkei verstorben sei. Er sei nur etwa eine halbe Stunde anwesend gewesen, während dieser Zeit habe es keine Rede gegeben.
63 
Die Angaben des Klägers vor dem Verwaltungsgericht und dem Senat sind widersprüchlich und ungereimt. Nach seiner Einlassung beim Verwaltungsgericht habe es sich bei der Toten um eine Frau gehandelt; gegenüber dem Senat sprach er von einem Verstorbenen. An Einzelheiten - etwa wer der Tote gewesen sei - will er sich nach seinen Angaben vor dem Senat nicht erinnern können. Damit passt aber nicht zusammen, dass er sein angeblich spontanes Verbleiben genau auf eine halbe Stunde datierte, obwohl dieses Ereignis mehr als fünf Jahre zurückliegt. Der Senat ist auch aufgrund des vom Kläger gewonnenen Eindrucks zu der Überzeugung gelangt, dass die Art und Weise der Einlassung im gerichtlichen Verfahren allein bezweckt, den wahren Charakter der Veranstaltung zu verschleiern. Insoweit misst der Senat der früheren Äußerung im Schriftsatz vom 16.11.2010, die auch noch nicht unter dem Eindruck eines bestimmten Verlaufs des gerichtlichen Verfahrens erfolgte, besondere Bedeutung zu. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil der Kläger keine plausible Erklärung für seine nunmehr abweichende Darstellung gegeben hat.
64 
Am 01.02.2009 ist der Kläger ebenfalls Teilnehmer einer Märtyrergedenkveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern gewesen. Dabei sei - wie das LfV unter dem 23.12.2009 ausgeführt hat - eine Guerilla-Angehörige in einem Vortrag als „Heldin“ gepriesen worden, die sich aus Protest über die Isolationshaft Öcalans 2006 selbst verbrannt habe. Die Gedenkfeier habe von etwa 15 Uhr bis 16 Uhr gedauert. Ungefähr 50 Personen hätten sich hierfür in den damaligen Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins in S... versammelt. Hinsichtlich der KONGRA-GEL-Ausrichtung des Besucherkreises werde auf die Ausführungen zu der Veranstaltung vom 04.02.2007 verwiesen.
65 
Im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 ließ sich der Kläger dahingehend ein, er habe am 01.02.2009 eine in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins abgehaltene Kondolenzveranstaltung besucht. Er sei zum Zweck des Kondolierens dort gewesen. Der dort abgehaltene Vortrag könne ihm nicht angelastet werden. Aus dieser Einlassung ergibt sich aber nicht nur, dass die Tatsache der Veranstaltung nicht bestritten wird, sondern auch, dass deren konkret geschilderter Verlauf mit seinem Vortrag nicht in Abrede gestellt wird; lediglich der Ausrichtung der Veranstaltung wird entgegengetreten. Im Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16.11.2010 heißt es dann, der Kläger lasse bestreiten, an dieser Veranstaltung teilgenommen zu haben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger ausgeführt, er sei nicht bei der Veranstaltung vom 01.02.2009 gewesen. Auf Vorhalt, dass im Anwaltsschreiben vom 30.06.2010 ausdrücklich ausgeführt worden sei, er habe an dieser Veranstaltung teilgenommen, hat der Kläger zunächst überhaupt nicht geantwortet. Erst auf Frage seiner Prozessbevollmächtigten, ob er vielleicht etwas durcheinander bringe, hat er dies bejaht und sich im weiteren Verlauf der Verhandlung darauf berufen, er könne sich nicht erinnern.
66 
Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Einlassung im Schriftsatz vom 30.06.2010 zur Teilnahme an einer Veranstaltung am 01.02.2009 zutrifft. Diese Ausführungen können nur auf den entsprechenden Angaben des Klägers gegenüber seinen Rechtsanwälten beruhen und stehen mit der erstmaligen Vorhaltung der Teilnahme an dieser Veranstaltung in näherem zeitlichem Zusammenhang. Für diese Bewertung spricht ebenfalls, dass der Kläger weder im Schriftsatz vom 16.11.2010 noch zu einem späteren Zeitpunkt nachvollziehbar erklärt hat, warum er nunmehr eine andere Schilderung abgibt.
67 
Der Senat ist davon überzeugt, dass es sich bei dieser Veranstaltung vom 01.02.2009 ebenso wie bei derjenigen vom 04.02.2007 nicht um ein bloßes Gedenken an einen Toten, um ein würdevolles Abschiednehmen und Kondolieren mit einer (Trauer-) Feier gehandelt hat, sondern um Zusammenkünfte bei denen mit dem Ziel der Unterstützung des Guerillakampfes ein Heldengedenken und ein Märtyrerkult im Hinblick auf gefallene Kämpfer oder in sonstiger Weise für „die Sache“ Verstorbene betrieben werden.
68 
Die Feststellung, dass es sich - entgegen der Einlassung des Klägers - bei der Veranstaltung vom 01.02.2009 nicht um eine „normale“ Trauerfeier gehandelt hat, sondern um eine Märtyrergedenkveranstaltung zum Jahrestag einer HPG-Angehörigen, die sich am 01.02.2006 aus Protest gegen die „Isolationshaft“ von Öcalan selbst verbrannt habe, beruht auf den in der mündlichen Verhandlung übergebenen schriftlichen Ergänzungen zu den Berichten des LfV vom 27.10.2009 und 02.08.2006 sowie dem Bericht vom 15.06.2011, in denen die Gedenkveranstaltung aus Anlass des 3. Jahrestags der Selbstverbrennung der Märtyrerin Viyan Soran am 01.02.2009 aufgeführt und näher beschrieben ist, und gegen die der Kläger keine Einwendungen vorgebracht hat, sowie auf den Angaben des Zeugen vom Hörensagen des LfV.
69 
Der Senat ist sich dessen bewusst, dass der vernommene Mitarbeiter des LfV nach der Quelle und dem Quellenführer der „3. Mann“ in der Kette denkbarer Auskunftspersonen ist und daher dessen Bekundungen mit einem dem immanenten Unsicherheitsfaktor behaftet sind. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil - wie dies für den Einsatz einer Quelle des Verfassungsschutzes typisch ist - die Berichte der Quelle an den Quellenführer mündlich erfolgen, dies regelmäßig auch nicht sofort nach der Veranstaltung, über die berichtet wird, geschieht und die Erstellung der schriftlichen Fassung durch den Quellenführer dann nochmals Zeit benötigt, wobei dies üblicherweise einige Tage betragen kann. Diese Verfahrensabläufe ergeben sich aus den Bekundungen des Mitarbeiters des LfV in der Berufungsverhandlung. Sie sind dem Senat im Übrigen aus anderen Verfahren mit Quellen des LfV bekannt. Der Senat geht auch davon aus, dass der Quellenführer die Angaben der Quelle nicht in dessen Beisein auf einen Tonträger aufnimmt oder diese gar an Ort und Stelle sofort schriftlich niederlegt. Der Senat hält es ferner nicht für plausibel, dass - wie der Mitarbeiter des LfV dies in der mündlichen Verhandlung als eventuell möglich angedeutet hat - es auch sein könnte, dass die schriftliche Aufzeichnung des Quellenführers nochmals mit der Quelle abgestimmt wird. Ein solches Prozedere zur Reduktion von Fehlern ist - wie der Senat aus vergleichbaren Verfahren weiß - jedenfalls nicht üblich.
70 
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Verfassungsschutz aufgrund der ihm zugewiesenen Aufgaben gerade in der streitgegenständlichen „Szene“ auf den Einsatz von dort aktiven Quellen zur Ermittlung von Sachverhalten angewiesen ist, und die Aufrechterhaltung der Anonymität der Quelle hierbei von zentraler Bedeutung ist. Aus Gründen des Quellenschutzes hat der Zeuge des LfV nichts offenbart, was in irgendeiner Weise einen Rückschluss auf die Identität der Quelle und deren Arbeitsweise zulassen würde; die Quelle ist daher ein in jeder Hinsicht unbekannter Faktor, deren Glaubwürdigkeit vom Senat nicht selbst beurteilt werden kann. Der Zeuge hat aber im Einzelnen nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, wie durch entsprechende Lichtbildvorlagen sichergestellt ist, dass die Quelle den Kläger einwandfrei identifiziert hat, und welche Maßnahmen das LfV - auch im vorliegenden Fall - zur Überprüfung der Nachrichtenehrlichkeit von Quellen praktiziert. Er hat im Einzelnen weiter ausgeführt, dass es im konkreten Fall keine Hinweise darauf gebe, dass die Quelle jemals in irgendeiner Weise falsch berichtet hätte, was im Übrigen dazu führen würde, dass keine Erkenntnisse mehr mitgeteilt würden, die von dieser Quelle herrührten und bereits übermittelte Erkenntnisse zurückgezogen würden. Dies deckt sich mit den Fakten, die dem Senat aus anderen Fällen bekannt sind.
71 
Dies insgesamt berücksichtigend ist der Senat der Überzeugung, dass die Berichte der Quelle über die Veranstaltung vom 01.02.2009, aber auch was die über den Kläger insgesamt mitgeteilten sonstigen Erkenntnisse betrifft, zutreffend sind. Dies gilt vor allem deshalb, weil es im vorliegenden Fall besonders gewichtige Fakten gibt, die die „Quellenbekundungen“ stützen. Dass die Quelle den Kläger sicher identifizieren kann, belegt der Umstand, dass diese den Kläger als Teilnehmer der PKK-Gründungsfeierlichkeiten zum 30. Jahrestag benannt hat, einer Veranstaltung, die von ca. 2.000 Personen besucht worden ist, und der Kläger seine Anwesenheit dort zugestanden hat. Die Anwesenheit des Klägers bei der Feier zum Jahrestag der PKK-Gründung mit den dort gezeigten Bildern von Märtyrern verdeutlicht zugleich, dass dem Kläger die Beteiligung an Veranstaltungen, bei denen es (auch) um die „Erinnerung“ an Märtyrer geht, nicht fremd ist. Hinzukommt, dass der Mesopotamische Kulturverein aktenkundig seit 1997 immer wieder der Märtyrer gedenkt und besondere Feiern hierzu ausrichtet; die Veranstaltung vom 01.02.2009 passt in diese Konzeption. Dem Kläger muss schon aufgrund seiner Vorstandstätigkeit und aktiven Mitgliedschaft - nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist er in den Jahren 2000 bis 2005 im Verein ein- und ausgegangen - diese Tatsache ebenso wie der konkrete Charakter einer solchen Veranstaltung bekannt gewesen sein.
72 
Nach der Stellungnahme des LfV vom 15.06.2011 handelt es sich bei den Märtyrern vor allem um gefallene HPG-Kämpfer/Guerillas, Selbstmordattentäter oder Selbstmörder, wobei insbesondere die Selbstverbrennung als heldenhaft gelte, um auf das eigene Anliegen aufmerksam zu machen. Es gebe bei den von PKK-nahen Vereinen veranstalteten Märtyrergedenkfeiern grundsätzlich zwei unterschiedliche Arten: Zum einen diejenigen, die fest im Kalender der Organisation verankert seien und jährlich wiederkehrend um einen bestimmten Termin herum gefeiert würden, zum anderen diejenigen, die aus aktuellem Anlass oder nur in bestimmten regionalen Zusammenhängen begangen würden. Weitere Märtyrergedenkfeiern richteten sich zumeist nach den Jahrestagen von Todestagen herausragender Aktivisten oder besonderer Ereignisse, wenn z.B. mehrere Kämpfer bei einer illegalen Aktion umgekommen seien. Diese Gedenkfeiern würden meist nicht regelmäßig jedes Jahr begangen. Oft orientierten sich die PKK-nahen Vereine hier an entsprechenden Veröffentlichungen z.B. in der Yeni Özgur Politika oder daran, ob eine im Verein aktive Familie einen Märtyrer in früherer Zeit zu beklagen gehabt habe. Auch tatsächliche aktuelle Trauerfälle - weil beispielsweise ein Mitglied einer hier lebenden Familie als PKK-Guerilla gefallen sei - könnten der Anlass solcher Feiern sein. Bei der Märtyrergedenkfeier vom 01.02.2009 handele es um eine solche, die sich am Jahrestag des Todestags der herausragenden Aktivistin Leyla Welid Hüseyin bzw. Leyla Wali Hasan orientiere, einer HPG-Angehörigen mit dem Decknamen „Viyan Soran“, die sich am 01.02.2006 aus Protest gegen die „Isolationshaft“ von Öcalan selbst verbrannt habe. Für die Feier vom 04.02.2007 gelte ebenfalls, dass diese eben keine private Familienfeier sei, sondern dass das Gedenken in diesem Rahmen auch der Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls diene. Die Tatsache, dass bei Märtyrergedenkveranstaltungen häufig eine Rede mit entsprechender PKK-Propaganda gehalten werde, verdeutliche, dass die Angehörigen eines Märtyrers, aber auch andere Besucher darin bestärkt werden sollen, dass der Märtyrer das Richtige getan habe und man ihm nacheifern müsse.
73 
Der Senat teilt die Einschätzung des LfV, dass diese Veranstaltungen das Gedenken an sog. „Sehitler“ (dt: „Märtyrer“) instrumentalisieren. Die Botschaft, es sei ehrenvoll so wie die Märtyrer zu handeln, soll vermittelt werden - vor allem mit dem Ziel der Rekrutierung von Nachwuchskämpfern, aber auch um die Anhänger an die Organisation zu binden und Unterstützer für die eigene Sache zu gewinnen. Die Veranstaltungen dienen der Verherrlichung des Todes im Einsatz für die PKK und deren Ziele. Mit diesen Veranstaltungen wird ein emotionales (und auch materielles) Unterstützerfeld für die PKK geschaffen, das ständig aktualisiert und am Leben gehalten werden soll. Die Märtyrergedenkveranstaltungen sind ein wesentlichen Element zur Herstellung eines engen ideologischen und gefühlsmäßigen Zusammenhalts unter Einbeziehung auch der PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (siehe zum Märtyrerkult der PKK Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 55; auch BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris Rn. 46 ff.). Mit dem Besuch dieser Veranstaltungen am 04.02.2007 und 01.02.2009, deren Ausrichtung für den Kläger aufgrund seiner politischen Biographie zumindest ohne weiteres erkennbar gewesen ist, hat er die PKK unterstützt. Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass der Kläger allein aus geselligen Gründen zufällig in diese Veranstaltungen geraten sein könnte. Diese Bewertungen würden im Übrigen selbst dann gelten, wenn man es für denkbar halten würde, dass der Kläger im Jahre 2007 tatsächlich das „Erinnerungsfest für Märtyrer“ am 03.02. besucht hätte. Die - erkennbare - Ausrichtung dieser Veranstaltung (siehe hierzu den Bericht in der Yeni Özgur Politika vom 06.02.2007) entspricht dem vorstehend Dargelegten.
74 
dd.) Der Senat ist weiter davon überzeugt, dass der Kläger durch den Besuch von Veranstaltungen am 24.02.2008 und 07.06.2009, mit deren Ausgestaltung und Ablauf erkennbar für die Ziele der PKK geworben und ein entsprechendes Sympathieumfeld am Leben gehalten werden soll, die PKK unterstützt hat.
75 
Das LfV hat unter dem 12.11.2008 und ergänzt durch Schreiben vom 08.10.2010 mitgeteilt, am 24.02.2008 sei der Kläger in den damaligen Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins in S... Teilnehmer einer Mitgliederversammlung von KONGRA-GEL-Anhängern gewesen. Gleich zu Beginn der Veranstaltung sei zu einer Gedenkminute für die Märtyrer dieser Organisation aufgerufen wurden. Weiter habe ein Redner zu einer zahlreichen Beteiligung an den zukünftigen Demonstrationen „gegen den Einmarsch des türkischen Militärs in den Nordirak“ aufgefordert. Ein anderer Referent habe ausführlich die Ergebnisse des letzten Kongresses der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V (YEK-KOM) geschildert. Es habe sich um die Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins gehandelt, der hierzu seine Angehörigen jeweils direkt einlade. Es seien 80 Personen anwesend gewesen.
76 
Nach den Erkenntnissen des LfV habe sich der Kläger am 07.06.2009 in den damaligen Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins in S... an einer Veranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern beteiligt, bei der ein Redner die Guerilla als so stark wie nie beschrieben habe. In den vergangenen Monaten hätten Tausende von Jugendlichen ihre Bereitschaft erklärt, kämpfen zu wollen, aber man würde sie derzeit noch nicht benötigen. Die nutzlosen türkischen Luftangriffe zeigten, dass eine starke Militärmaschinerie nicht ausreiche, um die Guerilla zu besiegen. Auf die „Verhaftungswelle“ von KONGRA-GEL-Funktionären in Frankreich eingehend, habe er behauptet, die Europäer inklusive der Deutschen hätten mit der türkischen Regierung schon immer „schmutzige Geschäfte“ zu Lasten der Kurden vereinbart. Die Veranstaltung habe von ca. 14.30 Uhr bis 16.30 Uhr gedauert und sei von annähernd 100 Personen besucht worden. Zur Teilnahme sei in der YÖP vom 05.06.2009 eingeladen worden.
77 
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 16.11.2010 sowie auch vor Gericht bestritten, an diesen Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Der Senat hat jedoch aufgrund der Angaben des Zeugen vom Hörensagen des LfV und der vorliegenden gewichtigen Indiztatsachen keinen Zweifel daran, dass diese Veranstaltungen mit dem berichteten Inhalt stattgefunden haben und der Kläger bei diesen auch anwesend gewesen ist.
78 
Zwar hat der Zeuge über die bereits schriftlich übermittelten Erkenntnisse hinaus keine weiteren Details zu den Veranstaltungen vom 24.02.2008 und 07.06.2009 angegeben, insbesondere etwa zur Person des Redners hinsichtlich der Veranstaltung vom 24.02.2008 unter Hinweis auf den abgeschlossenen kleineren Kreis dieser Mitgliederversammlung und des unbedingt zu wahrenden Quellenschutzes nichts weiter preisgegeben. Unter Berücksichtigung der bereits oben dargelegten Erwägungen zur Verwertbarkeit und Würdigung der Aussagen des Zeugen vom Hörensagen sieht der Senat aber keine Hinderungsgründe, seine Überzeugungsbildung auf die „Quellenangaben“ zu stützen. Die Tatsache der Veranstaltung vom 07.06.2009 und deren Ausrichtung ergibt sich aus der veröffentlichten Anzeige in der Yeni Özgur Politika vom 05.06.2009. Danach „findet auf Einladung des Mesopotamischen Kulturvereins am Sonntag, dem 07.06.2009 eine Volksversammlung statt. Dazu sind alle progressiven Menschen eingeladen“. Die Durchführung von Volksversammlungen und Mitgliederversammlungen mit den konkret beschriebenen Abläufen entspricht einer „Tradition“ des Mesopotamischen Kulturvereins, über die auch etwa in den Yeni Özgur Politika und zuvor der Özgur Politika berichtet wurde. Dass in der Versammlung vom 24.02.2008 über die Ergebnisse des letzten Kongresses der YEK-KOM informiert wurde, begegnet vor dem Hintergrund der Mitgliedschaft des Vereins in der YEK-KOM und der tatsächlichen Verflechtung zwischen beiden (siehe dazu oben unter a.) keinen Zweifeln. Wie schon oben ausgeführt ist die Quelle auch in der Lage, den Kläger sicher zu identifizieren. Anhaltspunkte dafür, dass dies - entsprechend der Einlassung des Klägers - „alles nur böse Unterstellungen“ seien, sind nicht greifbar. Eine wesentliche Tatsache bei der Würdigung der Angaben des Zeugen vom Hörensagen ist zudem der Umstand, dass der Kläger seine Beteiligung an verschiedenen ähnlich gelagerten Veranstaltungen des Mesopotamischen Kulturvereins selbst eingeräumt hat oder durch polizeiliche Erkenntnisse feststeht, dass der Kläger Aktivitäten entfaltet hat, die zugunsten der PKK wirken, wie sein Verhalten anlässlich der Leitung der Versammlung am 31.05.2001 oder die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001.
79 
ee.) Ferner steht fest, dass der Kläger am 14.05.2006 an einer vom Mesopotamischen Kulturverein ausgerichteten Versammlung zur Wahl des Volksgebietsrats teilgenommen hat und dort zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist und am 26.04.2009 bei einer Versammlung anlässlich der Wahl des neuen Volksgebietsrats gewesen ist.
80 
Nach den Berichten des LfV habe am 14.05.2006 in der Gaststätte W. in S... von 14.00 Uhr bis 17.30 Uhr eine Versammlung mit 300 Personen stattgefunden, an der der Kläger teilgenommen habe. In der Yeni Özgür Politika seien am 03. und 11.05. 2006 Hinweise und Einladungen zu dieser Veranstaltung erschienen. Bei dieser Versammlung habe ein Redner über die politische Lage in den kurdischen Gebieten im Irak referiert und den USA vorgeworfen, die Türkei im Kampf gegen diese Organisation zu unterstützen. Bei diesem Redner habe es sich um den zwischenzeitlich wegen seiner Funktionärstätigkeit als Leiter des Sektors „Süd“ für die PKK durch das OLG Frankfurt verurteilten Muzaffer Ayata gehandelt. Dieser habe ausgeführt, dass die Volksräte unter anderem gegründet worden seien, um die „Kadros“ zu entlasten und das Volk in die Verantwortung zu nehmen. Die YÖP habe am 16.05.2006 berichtet, der Politiker und Schriftsteller Ayata habe in seiner Ansprache darauf verwiesen, dass die Kurden eine konföderative Struktur ohne staatlichen Charakter bräuchten und hierbei betont, dass die Volksräte das demokratischste völkische Modell für die Kurden seien. Nach dem Verlesen der Schriften von Öcalan über die „Demokratische Konföderation“ hätten Kommissionswahlen stattgefunden. Für die Kommissionen „Friede und Einigung“, „Auswärtige Angelegenheiten“, „Organisierung“, „Frauenkommission“, „Bildungskommission“, „Kultur und Kunst“ und „Glaubenskommission“ seien insgesamt 55 Personen gewählt worden. Zum Vorsitzenden des damaligen Volksgebietsrats sei in derselben Versammlung K. gewählt worden. Der Kläger habe an dieser Versammlung und der Wahl des Volksgebietsrats teilgenommen. Er sei zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden.
81 
Nach einem weiteren Bericht des LfV vom 17.04.2012 habe der Kläger, der zwischenzeitlich nicht mehr stellvertretender Vorsitzender des Volksgebietsrats sei, am 26.04.2009 an einer Versammlung in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins anlässlich der Wahl des neuen Volksgebietsrats teilgenommen. Der damalige PKK-Gebietsleiter S... habe erklärt, dass der vorige Volksgebietsrat zu wenig gearbeitet habe, deshalb müsse ein neuer gewählt werden. Er habe auch über die Bedeutung der Volksgebietsräte gesprochen: Bislang hätte das Volk immer die Partei für sich entscheiden lassen, nun könne es selbst entscheiden. Im Anschluss daran seien die vom Gebietsleiter vorgeschlagenen Kandidaten per Handzeichen gewählt worden.
82 
Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2010 und im gerichtlichen Verfahren bestritten, an der Wahl des Volksgebietsrats am 14.05.2006 und am 26.04.2009 teilgenommen genommen zu haben und 2006 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden zu sein. Er macht geltend, es seien Falschbeschuldigungen. Das Land Baden-Württemberg habe nur allgemeine Angaben zu dieser Veranstaltung gemacht, konkrete Angaben zu seinem Verhalten seien unterblieben, schon dies zeige, dass er nicht teilgenommen habe.
83 
Dass am 14.05.2006 und 26.04.2009 in S... Versammlungen mit dem Ziel der Wahl des Volksgebietsrats durchgeführt worden sind, ist vor allem mit Blick auf die entsprechenden Berichterstattungen in der Yeni Özgur Politika und der diese Veranstaltungen bestätigenden Aussagen des Zeugen K., der am 14.05.2006 zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist, erwiesen. Im Übrigen ist letztlich auch vom Kläger nicht mehr in Abrede gestellt worden, dass es diese Veranstaltungen und die Wahl zum Volksgebietsrat gegeben hat. Der Senat ist aufgrund der Angaben des Zeugen vom Hörensagen und der vorliegenden gewichtigen Umstände, die diese stützen, davon überzeugt, dass der Kläger an diesen Versammlungen teilgenommen hat und am 14.05.2006 zum Stellvertreter des Volksgebietsrats gewählt worden ist.
84 
Das LfV, dem die Veranstaltung vom 14.05.2006 mit der Wahl des Schwagers des Klägers, dem Zeugen K., zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats jedenfalls seit Mitte 2006 bekannt gewesen sein muss (vgl. hierzu den im Verfahren übermittelten Auszug aus dem türkischen Pressespiegel vom 16.05.2006), hat erstmals mit Bericht vom 24.01.2008 eine Teilnahme des Klägers an der Veranstaltung vom 14.05.2006 angeführt und eine Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats sogar erst unter dem 08.10.2010 angegeben. Mit Schreiben vom 17.04.2012 hat das LfV hierzu erklärt, es könne heute nicht mehr nachvollzogen werden, welche Erwägungen 2008 dazu geführt hätten, dass damals eine Wahl des Klägers zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats nicht mitgeteilt worden sei. Grundsätzlich sei es aber so, dass vor jeder Offenlegung eingestufter Erkenntnisse - und um solche handele es sich bei der Berichterstattung vom 14.05.2006 - genau geprüft werde, welche Veranstaltungsdetails ohne eine Gefährdung der Quelle offengelegt werden könnten. Dem Erstbericht von 2008 und dem Nachbericht von 2010 liege jedoch derselbe schriftliche mehrseitige Quellenbericht zugrunde (üblicherweise werde der zumeist kurz nach der Veranstaltung von der Quelle mündlich übermittelte Bericht vom Quellenführer schriftlich fixiert, dieser so genannte Quellenbericht finde dann Eingang in die Akten des LfV). Vor allem mit Blick auf diese letzten Erläuterungen steht es einer Glaubhaftigkeit der Angaben zu den dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten im Zusammenhang mit den Wahlen zum Volksgebietsrat nicht entgegen, dass diese deutlich zeitlich versetzt mitgeteilt worden sind. Der in der mündlichen Verhandlung vernommene Zeuge des LfV hat die bereits schriftlich mitgeteilten Erkenntnisse zu diesen Veranstaltungen bestätigt und ausdrücklich erklärt, dass der Kläger sowohl am 14.05.2006 als auch am 26.04.2009 bei diesen Versammlungen anwesend gewesen ist, 2006 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt und 2009 nicht wiedergewählt worden ist. Er hat ferner ausgeführt, dass bei der Wahl am 14.05.2006 alle Kandidaten vorgeschlagen wurden und dann im Paket über diese abgestimmt wurde. Diese Angaben werden durch die Aussage des Zeugen K. nicht infrage gestellt. Dieser Zeuge hat angegeben, er wisse nicht, ob der Kläger an der Veranstaltung vom 14.05.2006 teilgenommen habe. Auch auf weitere Nachfragen hat sich der Zeuge K. darauf berufen, hierzu könne er nichts sagen, das wisse er nicht. Andererseits hat er aber angegeben, dass der Kläger über die Veranstaltung Bescheid gewusst habe. Der Senat hat nach dem persönlichen Eindruck vom Zeugen K., der im Übrigen der Schwager des Klägers ist, die Überzeugung gewonnen, das dieser, was dessen Teilnahme an der Wahl zum Volksgebietsrat und die Übernahme einer Funktion als stellvertretender Vorsitzender anbelangt, offensichtlich eine eindeutige Aussage hat vermeiden wollen, um auf der einen Seite dem Kläger nicht zu schaden und auf der anderen Seite aber nicht selbst Gefahr zu laufen, wegen einer Falschaussage bestraft zu werden.
85 
Zwar hat der Kläger vorgebracht, Opfer einer Falschverdächtigung zu sein; konkrete Anhaltspunkte hierfür hat er jedoch nicht genannt. Auch mit Blick auf das ausdifferenzierte Kontrollsystems des LfV zur Überprüfung der Nachrichtenehrlichkeit sieht der Senat keinen Anlass, solches anzunehmen. Ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Quelle, die den Kläger sicher identifizieren kann, zutreffend berichtet hat, ist vor allem die Tatsache, dass die fraglichen Veranstaltungen und die Funktion des Stellvertreters des Volksgebietsrats sich in die Aktivitäten einreihen, die der politisch agierende Kläger selbst eingeräumt hat oder die aufgrund objektiver Gegebenheiten erwiesen sind. Dass der Mesopotamische Kulturverein als Ausrichter der Versammlungen aufgetreten ist (so auch die entsprechende Einlassung von K. ausweislich des Protokolls seines Sicherheitsgesprächs vom 12.04.2011), und dass sich der Kläger dort nach eigenem Vorbringen sowohl im Vorstand als auch als aktives Mitglied in der Vergangenheit engagiert hat, sind weitere Fakten, die die Angaben des Zeugen vom Hörensagen stützen.
86 
Sowohl durch die Teilnahme an den Versammlungen zur Wahl des Volksgebietsrats als auch durch die Übernahme der Funktion als Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats hat der Kläger die PKK für ihn erkennbar unterstützt.
87 
Was die Ausrichtung der Versammlung zur Wahl des Volksgebietsrats und den Volksgebietsrat selbst anbelangt, hat der Zeuge K. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, die Idee sei gewesen, dass aus allen sozialen Schichten Kurden daran teilnehmen, vergleichbar einer Art Gemeinderat, der sich der speziellen Probleme der Kurden unabhängig von ihrer Herkunft, etwa in Fragen der Integration, annehme. Der Senat ist allerdings der Überzeugung, dass dies den wahren Charakter von Volksversammlungen und Volksgebietsräten nicht zutreffend umschreibt. Wie das LfV unter dem 08.10.2010 im Einzelnen dargelegt hat, strebt die PKK mit dem Element des Volksrats (bzw. Gebietsvolksrat oder Volksgebietsrat) eine verstärkte Einbindung ihrer Anhänger in organisationsinterne Entscheidungsprozesse und somit eine erhöhte Legitimation ihrer Anliegen an. Eine Versammlung wählt den Volksrat, der sich um Belange der Kurden in einem bestimmten Gebiet kümmert. Dies und die Einrichtung zahlreicher Kommissionen, beispielsweise für Frauen, Jugend, Schulung oder Finanzen, werden seitens der PKK als Basisdemokratie dargestellt. Tatsächlich wird aber in der Praxis die vorhandene streng hierarchische Führungsstruktur nicht angetastet. Volksgebietsräte (türkisch: Halk Konseyi oder Bölge Halk Konseyi) gehören seit 2005 zum organisatorischen Rahmen der PKK und sollen deutschland- und europaweit verbreitet sein (vgl. hierzu auch die Berichterstattung in der Yeni Özgur Politika vom 16.05.2006). Dass die Volksgebietsräte erkennbar von der PKK „gesteuert“ sind, belegt schon die Tatsache, dass die Veranstaltung vom 14.05.2006 unter führender Beteiligung eines hochrangigen PKK-Funktionärs abgehalten worden ist, nämlich dem bis zu seiner Festnahme am 08.08.2006 verantwortlichen Leiter des PKK-CDK-Sektors Süd in Deutschland, der als Sektorenleiter in Deutschland von der Europaführung der PKK/CDK bestimmt und überwacht, und dessen Ausweisung vom Senat mit Urteil vom 21.07.2010 (11 S 541/10 - juris) rechtskräftig bestätigt worden ist. Auch die zentrale Rolle des Gebietsleiters der PKK bei der erneuten Veranstaltung vom 26.04.2009 unterstreicht dies. In diesen Zusammenhang ist ferner die Verlesung von Schriften Öcalans bei dem Treffen am 14.05.2006 einzuordnen, der als Symbol für die Ziele und den Kampf der PKK gilt.
88 
Der Senat geht jedoch davon aus, dass der Volksgebietsrat in S... zu keiner Zeit nennenswerte tatsächliche Aktivitäten entfaltet hat und der Kläger daher eine Funktion als Stellvertreter des Volksgebietsrats in der Praxis nicht ausgeübt hat. Dass der Volksgebietsrat „nicht mit praktischem Leben erfüllt worden ist“, beruht auf den Angaben des Zeugen K. Der Zeuge des LfV hat auf die Frage des Senats, ob die Volksgebietsräte in S... seit der ersten Wahl im Jahre 2006 jemals etwas gemacht hätten, angegeben, es sei ihm hierzu nichts bekannt geworden, und damit im Ergebnis die Angaben dieses Zeugen bestätigt.
89 
Allerdings liegt sowohl durch den Besuch dieser Versammlungen als auch durch die Übernahme der Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats ein tatbestandliches Unterstützen vor. Denn hierdurch werden die Ziele der PKK unter Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen gefördert. Volksversammlungen dienen vor allem der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Auch die (passive) Teilnahme an einer Volksversammlung drückt eine innere Nähe und Verbundenheit zur PKK aus, durch die ihre Stellung vor allem unter Landsleuten günstig beeinflusst wird, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsumfeld erweitert werden und dadurch insgesamt dazu beigetragen wird, das Gefährdungspotential der PKK zu erhöhen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 54 ff.). Erst recht gilt dies, wenn sich jemand bereit erklärt, in diesem Rahmen noch eine besondere Funktion zu übernehmen. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger all dies nicht bewusst bzw. erkennbar gewesen wäre, sind nicht ersichtlich.
90 
ff.) Der Kläger hat durch die - von ihm mit Schriftsatz vom 16.11.2010 eingeräumte - Teilnahme als Besucher einer Podiumsdiskussion am 25.02.2007 in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins unter Mitwirkung von Günay Aslan zum Thema „Aktuelle politische Entwicklungen im Mittleren Osten und die Position der Kurden“ den Tatbestand der Unterstützung nicht verwirklicht. Nach den Erkenntnissen des LfV habe der Redner im Hinblick auf den befürchteten Einmarsch des türkischen Militärs in den Irak erklärt, dass der KONGRA-GEL seinerseits Operationen gegen die Türkei vorbereite. Darüber hinaus habe er den europäischen Staaten vorgeworfen, mit der USA und Israel an einer gemeinsamen Aktion gegen Öcalan zu arbeiten.
91 
Der Kläger hat angegeben, der weithin bekannte kurdische Journalist Günay Aslan habe eine Rede zur aktuellen Entwicklung im Mittleren Osten gehalten. Da er sich für die Entwicklung in seinem Heimatland interessiere, sei er dort gewesen. Der Journalist habe von der Situation der Kurden im Nahen Osten berichtet und seine Einschätzung zur weiteren Entwicklung mitgeteilt. Er habe immer wieder betont, dass den Kurden kulturelle Rechte zustünden und sie diese einfordern dürften.
92 
Auch unter Berücksichtigung der mitgeteilten Erkenntnisse des LfV hat der Redner auf dieser Veranstaltung lediglich seine politische Überzeugung bekundet, was durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist und nicht als Anknüpfung für eine Unterstützungshandlung - und schon gar nicht bei seinen Zuhörern -in Betracht kommt. Anhaltspunkte dafür, dass der Referent auch die Anwendung terroristischer Mittel (anlässlich eines bewaffneten Kampfes) durch die PKK ausdrücklich öffentlich gebilligt oder in irgendeiner Weise befürwortet hätte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit der journalistischen Arbeit von Herrn Aslan, etwa in der Publikation der „Kandil-Eindrücke“, aus Sicht des LfV „zumindest eine kritische Distanz zu den Objekten seiner Berichterstattung fehle“ (vgl. hierzu das Schreiben vom 10.05.2012), berechtigt dies nicht zu nachteiligen Schlussfolgerungen.
93 
Dass das LfV weiter mitgeteilt hat, bei der Veranstaltung, für die in der Ausgabe der Yeni Özgur Politika vom 22.02.2007 geworben worden sei, liege eine KONGRA-GEL-Ausrichtung des Besucherkreises vor, ist vor diesem Hintergrund irrelevant.
94 
c.) Der Berücksichtigung der Vorstandstätigkeit und Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein und der Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen bzw. Durchführung entsprechender Aktivitäten steht nicht entgegen, dass diese teilweise schon länger zurückliegen.
95 
Hinsichtlich der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001 wurde von der Verfolgung wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 17.12.2002 nach § 153 StPO abgesehen. Auch das im Zusammenhang mit der Leitung der Kundgebung am 31.05.2001 stehende Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz wurde eingestellt. Das Verwertungsverbot für getilgte Strafen nach § 51 Abs. 1 BZRG kann schon deshalb nicht greifen, weil der Kläger wegen der angeführten Umstände bzw. Aktivitäten nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Im Übrigen ist weder bei Unterstützungshandlungen, die strafbar gewesen wären, aber nicht zu einer Verurteilung geführt haben, noch bei den nicht mit einer Strafe bewehrten Aktivitäten eine „fiktive Tilgung“ mit der Folge eines Verwertungsverbots nach § 51 Abs. 1 BZRG vorzunehmen (ausführlich dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 Bs 2/10 - InfAuslR 2011, 193, m.w.N.; zu den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 1491/05 - AuAS 2011, 89; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2011 - 5 N 30.08 - juris; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 63; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris - auch zum Fall einer möglichen Atypik im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
96 
Die länger zurückliegenden Tätigkeiten des Klägers sowie insbesondere seine Mitgliedschaft und seine Stellung als Vorstand im Mesopotamischen Kulturverein sind auch nicht „verbraucht“, so dass sie dem Kläger nicht mehr entgegen gehalten werden könnten. Die Niederlassungserlaubnis vom 04.04.2006 beruhte nicht auf einer vorherigen ausländerrechtlichen Prüfung, die den Schluss zuließe, die Ausländerbehörde habe in Kenntnis der Ausweisungsgründe einen Aufenthaltstitel erteilt und damit die ihr bis dahin bekannten Ausweisungsgründe verbraucht. Wie sich aus dem Vermerk auf dem Titel „Übertrag nach § 101“ ergibt, ist die Niederlassungserlaubnis allein eine gesetzliche Folge, die an den Besitz der dem Kläger am 07.05.2002 - und damit vor dem 01.01.2005 - erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis anknüpft (§ 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Soweit das Regierungspräsidium am 09.12.2005 unter Berücksichtigung der ihm bis dahin bekannten Aktivitäten zu dem Schluss kam, die Voraussetzungen für eine Ausweisung lägen nicht vor, ist dies behördenintern geblieben und kann schon deshalb keinen Anknüpfungspunkt für ein entsprechendes Vertrauen des Klägers bieten. Hinzukommt, dass der Kläger danach seine Unterstützungshandlungen unverändert fortgesetzt hat und auch insoweit keine Zäsur erkennbar wäre, die die Verwertung der früheren Aktivitäten in Frage stellen könnte.
97 
Zwar sind die letzten Unterstützungshandlungen des Klägers durch das LfV für das Jahre 2009 mitgeteilt worden. Dies steht aber der Annahme der gegenwärtigen Gefährlichkeit nicht entgegen. Es liegen keine äußerlich feststellbaren Umstände vor, aus denen geschlossen werden könnte, der Kläger habe seine innere Einstellung verändert und werde daher künftig Unterstützungshandlungen unterlassen. Der Umzug des Klägers von S... nach R... und seine Tätigkeit im Gastronomiebetrieb seiner Ehefrau geben keinen Anlass für eine solche Schlussfolgerung. Der Kläger hat jahrelang und kontinuierlich den internationalen Terrorismus in der oben festgestellten Weise unterstützt. Der Senat nimmt ihm seine Einlassung nicht ab, er habe nur den Friedenskurs der PKK begleitet und sei nie für den bewaffneten Kampf gewesen. Dagegen spricht schon, dass der Kläger auch nach dem 2004 wieder beendeten Friedenskurs einer aktiven Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein nachgegangen und weitere Unterstützungshandlungen vorgenommen hat. Hinzukommt, dass dem Kläger, der nach eigenen Angaben in den Jahren 2000 bis 2005 im „Verein“ ein- und ausgegangen ist, schon allein aufgrund der dort abgehaltenen Veranstaltungen nicht hat verborgen bleiben können, dass das proklamierte friedliche Auftreten der PKK in dieser Zeit nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft unter Anwendung von terroristischen Mitteln geändert hat. So hat es den Mitteilungen des LfV zufolge etwa auch in dieser Zeit Märtyrergedenkveranstaltungen im Mesopotamischen Kulturverein mit den diesen eigenen und oben dargestellten Zwecken gegeben. Auch haben sich Funktionäre der PKK im Verein dem Hintergrund der europaweit initiierten „Identitätskampagne“ angenommen. Was den grundsätzlichen Einwand des Klägers anbelangt, er habe in der Türkei die KAWA unterstützt, die eine ganz andere Ausrichtung gehabt habe wie die PKK, und schon dies belege, dass er diese nie habe unterstützen wollen, ideologisch und politisch sei er mit der PKK nicht einer Meinung, überzeugt dies den Senat ebenfalls nicht. Denn wie sich aus der in der mündlichen Verhandlung erörterten Auskunft des Auswärtigen Amts vom 05.01.1998 an das VG Aachen ergibt, trat die KAWA, die schon seit vielen Jahren nicht mehr aktiv ist, ebenfalls für ein „Kurdistan“ ein und bezeichnete den bewaffneten Kampf als einzige Möglichkeit, „Kurdistan“ zu befreien, und ihr militanter Ansatz verband sie vor allem mit der PKK.
98 
Das auch in der mündlichen Verhandlung festzustellende Bestreiten bzw. Verharmlosen seiner Aktivitäten spricht dafür, dass sich der Kläger allein mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und rechtfertigt vor dem Hintergrund des zurückliegenden Verhaltens die Prognose, dass der Kläger auch künftig eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung nachhaltig unterstützen wird.
99 
Soweit der Kläger der Auffassung ist, der Mesopotamische Kulturverein sei nicht verboten, er sei doch kein Terrorist, die PKK seien nur diejenigen, die „in den Bergen kämpfen“ und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach weder darauf an, dass die in Frage stehende Vereinigung verboten ist noch darauf, dass die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -juris Rn. 49 ff.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -juris Rn. 12).
II.
100 
Als Inhaber einer Niederlassungserlaubnis und anerkannter Flüchtling genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Sept. 2011, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
101 
Dieser nationalrechtliche Maßstab der schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung wird jedoch bei der Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings durch das Unionsrecht modifiziert. Eine Ausweisung eines Flüchtlings darf nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL oder denjenigen des Art. 24 Abs. 1 QRL erfolgen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Qualifikationsrichtlinie den Begriff der Ausweisung selbst nicht verwendet. Grundlage des Anspruch auf einen Aufenthaltstitel (Art. 24 QRL), den Zugang zur Beschäftigung (Art. 26 QRL) und den Zugang zu sozialen Rechten (Art. 27 bis 29 QRL, Art. 31 ff QRL) ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Nach nationalem Recht vernichtet die Ausweisung einen Aufenthaltstitel (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und sperrt eine Neuerteilung (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Ein Titel nach § 25 Abs. 5 AufenthG, der abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG erteilt werden könnte, ist nicht mit den Rechten verbunden, die z.B. Art. 26 und 28 QRL einem anerkannten Flüchtling gewähren; § 25 Abs. 5 AufenthG führt zu Leistungen nach dem AsylbLG (vgl. dessen § 1 Abs. 1 Nr. 3) und ermöglicht eine Beschäftigung nur unter eingeschränkten Voraussetzungen (vgl. § 4 Abs. 2 und 3 AufenthG). Der Wortlaut der Art. 26 ff. QRL knüpft für den Anspruch auf Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an. Da jedoch etwa die Umsetzung des Zugangs zur Beschäftigung im deutschen Recht durch die Erteilung eines bestimmten Titels erfolgt (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 2 iVm Abs. 1 Satz 4 AufenthG bzw. die hier dem Kläger erteilte Niederlassungserlaubnis), kann der einem anerkannten Flüchtling erteilte Titel auch nur unter den Voraussetzungen der Qualifikationsrichtlinie beseitigt werden.
102 
Art. 21 Abs. 3 QRL schließt die Anwendung des Art. 24 Abs. 1 QRL bei einer Ausweisung nicht generell aus (1.) Die konkreten Unterstützungshandlungen des Klägers stellen keine schwerwiegende Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik i.S.d. Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL dar (2.). Die festgestellte Unterstützung erfüllt jedoch die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 QRL, denn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.v. Art. 24 Abs. 1 QRL setzen bei einer Unterstützung des internationalen Terrorismus keine herausragenden Handlungen von außergewöhnlicher Gefährlichkeit voraus; vielmehr können auch nicht besonders hervorgehobene Beiträge eines Sympathisanten genügen, wenn sie sich durch ein hohes Maß an Kontinuität auszeichnen und damit nachhaltig das Umfeld der terroristischen Organisation prägen und beeinflussen (3.)
103 
1. Nach Art. 21 Abs. 3 QRL können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet. Gemäß Art. 21 Abs. 2 QRL kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtung untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Art. 24 Abs. 1 QRL sieht vor, dass so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel ausstellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
104 
Die Prüfung dieser Bestimmungen ist im vorliegenden Fall nicht deshalb entbehrlich, weil die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits mit Bescheid vom 20.02.1997 und damit vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Qualifikationsrichtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 QRL) und sogar noch vor deren Inkrafttreten am 30.09.2004 bzw. ihres Erlasses am 29.04.2004 erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (siehe grds. zur Geltung der Qualifikationsrichtlinie bei Altanerkennungen auch BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Auch der Umstand, dass der Ausweisungsentscheidung Handlungen des Klägers zur Unterstützung der PKK zugrunde liegen, die zeitlich vor den relevanten Daten zur Richtlinie liegen, stellt deren Heranziehung nicht in Frage. Die Ausweisungsverfügung vom 19.07.2010, die diese Aktivitäten des Klägers aufgreift, ist nach Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 ergangen. Insoweit liegt ein nicht abgeschlossener Sachverhalt vor, auf den geltendes materielles Unionsrecht anzuwenden ist.
105 
Die Tatsache, dass der Kläger über eine Niederlassungserlaubnis und damit über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfügt, der in dieser rechtlichen Qualität von Art. 24 Abs. 1 QRL nicht vorgeschrieben ist, steht der Anwendbarkeit der Qualifikationsrichtlinie als Prüfungsmaßstab der Ausweisung ebenfalls nicht entgegen. Die Ausweisungsentscheidung erschöpft sich nicht darin, nur die Niederlassungserlaubnis beseitigen zu wollen; die Ausweisung des Klägers dient nach den Erwägungen des Regierungspräsidiums vielmehr dem Zweck, die Legalität des Aufenthalts insgesamt zu beenden, den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Zukunft zu vernichten und damit eine spürbare und deutliche Beeinträchtigung der Aufenthaltsposition mit Beschränkungen des Zugangs zu sozialen Rechten, zum Arbeitsmarkt und zu Integrationsmaßnahmen herbeizuführen. Eine Ausweisung, die einen Anspruch eines anerkannten Flüchtlings auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und die damit zusammenhängenden Rechte ausschließen soll, muss aber den Anforderungen des Art. 24 Abs. 1 QRL oder des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL entsprechen (zur - lediglich indirekt angedeuteten - Frage der Beachtung der Qualifikationsrichtlinie bei der Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 14.10 - juris Rn. 20; siehe näher die Ausgangsentscheidung VG Münster, Urteil vom 26.05.2009 - 8 K 734/08 - juris Rn. 82 ff.).
106 
Nach Art. 24 Abs. 1 QRL ist der Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Flüchtlingen davon abhängig, dass keine zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen. Ist letzteres der Fall, ist der Aufenthaltstitel zu versagen, ohne dass ein Ermessen der Behörde besteht. Entsprechendes gilt nach Art. 24 Abs. 2 QRL, wenn dem Ausländer der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt ist (vgl. insoweit zur richtlinienkonformen Auslegung des 25 Abs. 3 AufenthG BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 13). Zwischen beiden Absätzen besteht nach der Richtlinie 2004/83/EG allerdings insoweit ein Unterschied, als nur in Absatz 1 hinsichtlich des Aufenthaltstitels bei einer Person, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, die Formulierung „und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ enthalten ist. Art. 21 Abs. 3 QRL eröffnet wiederum hinsichtlich des Aufenthaltstitels eines Flüchtlings dem Mitgliedstaat die Möglichkeit, die Erteilung eines Aufenthaltstitels unter der Voraussetzung des Absatz 2 abzulehnen. Diese Entscheidung steht im Ermessen des Mitgliedstaates, ebenso die dort weiter genannten Möglichkeiten des Widerrufs oder der Beendigung des Aufenthaltstitels, die in Art. 24 Abs. 1 QRL nicht ausdrücklich aufgeführt sind. Eine Ausweisung führt nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG zum Erlöschen des Aufenthaltstitels und stellt eine Beendigung des Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 QRL dar. Aus der speziellen Nennung der „Beendigung des Aufenthaltstitels“ in dieser Regelung und dem „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ in Art. 24 Abs. 1 QRL kann aber nicht geschlossen werden, dass Art. 24 Abs. 1 QRL ausschließlich für die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels gilt und eine nachträgliche Vernichtung des Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage nicht möglich wäre. Es kann vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Zweck der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn im letzterem Fall die Reaktionsmöglichkeit der Vernichtung des Titels nicht bestünde. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die inkriminierenden Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden. Für eine solche Auslegung besteht auch ein praktisches Bedürfnis. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 lit. a) und c) die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die EU-Mitgliedstaaten setzten diese Verpflichtung zu Sanktionsmaßnahmen auf der Basis des Gemeinsamen Standpunktes GASP/2001/931 bzw. Verordnung 2580/2001, zuletzt geändert durch Beschluss 2012/150/GASP vom 13.03.2012 und EU-Verordnung 213/2012 vom 13.03.2012 in EU-Recht um (vgl. Senatsurteil vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -juris Rn 52; vgl. näher auch BT-Drs. 17/9076 vom 22.03.2012 - Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zum politischen Betätigungsverbot). Gedanklich aufgegriffen ist diese Resolution aber auch mit dem Versagungsgrund in Art. 24 Abs.1 QRL, was ebenfalls dafür spricht, dass die rechtstechnische Umsetzung der Verweigerung der Legalität des Aufenthalts nicht entscheidend sein kann. Dass - gerade mit Blick auf die Bekämpfung der Unterstützung des internationalen Terrorismus - durch die Aufnahme des Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 und 2 QRL die Handlungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten erweitert werden sollten und Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL nicht als ausreichend betrachtet worden ist, verdeutlicht vor allem die Entstehungsgeschichte der Qualifikationsrichtlinie:
107 
Der - noch vor den Terroranschlägen des 11. September 2001 erarbeitete - Kommissionsentwurf vom 12.09.2001 (KOM<2001> 510 endg; Ratsdok. 13620/01; siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001 - Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen) enthielt in einem Art. 19 unter der Überschrift „Schutz vor Zurückweisung und Ausweisung“ folgende Regelung: „Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung und weisen Personen, die internationalen Schutzstatus genießen, nur in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen aus.“ Begründet wurde diese Bestimmung ausdrücklich mit folgender Überlegung: „In Übereinstimmung mit Artikel 32 und 33 der Genfer Flüchtlingskonvention bestätigt dieser Artikel, dass die Mitgliedstaaten Flüchtlinge nicht ausweisen dürfen und den Grundsatz der Nichtzurückweisung (Refoulement-Verbot) beachten müssen. Im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention wird diese Verpflichtung auch gegenüber Opfern von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung bekräftigt. Ebenso dürfen die Mitgliedstaaten Personen, denen andere Formen des subsidiären Schutzes zuerkannt wurden, nicht ausweisen und müssen auch hier nach Maßgabe der in Artikel 32 und 33 der Genfer Konvention genannten Einschränkungen nach dem Gebot der Nichtzurückweisung verfahren.“
108 
Was die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen Flüchtling anbelangt, sah die Entwurfsfassung in einem Artikel 21 Abs. 1 lediglich vor, dass sobald der Schutzstatus zuerkannt ist, die Mitgliedstaaten Flüchtlingen und begleiteten Familienangehörigen einen Aufenthaltstitel ausstellen, der mindestens 5 Jahre gültig und automatisch verlängerbar ist. Die Begründung führte hierzu aus, der vorgeschlagene Fünfjahreszeitraum stelle einen Kompromiss zwischen der Praxis in den verschiedenen Mitgliedstaaten dar, der Aufenthaltstitel unterliege den in den Beendigungs- und Ausschlussklauseln dieser Richtlinie vorgegebenen Kriterien.
109 
Während des Verfahrens, das zum Erlass der Richtlinie am 29.04.2004 führte, wurden die ursprünglichen Regelungen des Art. 19 und des Art. 21 durch den Rat entscheidend verändert. So erhielt der Vorschlag zu Art. 19 am 12.11.2002 (Rat der EU - 14083/02 -) folgende Fassung:
110 
„(1) Die Mitgliedstaaten erachten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
111 
(2) Unbeschadet des Absatzes 1 kann ein Mitgliedstaat einen Flüchtling, einen Asylbewerber oder eine Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz zurückweisen, wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass die Person
112 
a) eine Gefahr für das Land darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
113 
b) eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Landes darstellt, weil sie wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
114 
(3) Die Mitgliedstaaten können die einem Flüchtling oder einer Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.“
115 
Parallel dazu wurde der Artikel zur Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft überarbeitet und in dem oben genannten Dokument in einem Art. 14B Abs. 4 folgende Regelung vorgeschlagen:
116 
„Die Mitgliedsstaaten können einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen die von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Flüchtlingseigenschaft aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
117 
a) er ein schweres nichtpolitisches Verbrechen begangen hat oder
118 
b) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für das Land darstellt, in dem er sich aufhält.“
119 
Aus der in diesem Dokument bei Art. 14B Abs. 4 enthaltenen Fußnote und dem Dokument des Rates der EU vom 08.11.2002 - 13648/02 - ist ferner ersichtlich, dass ein Teil der Mitgliedstaaten es für vorzugswürdig erachtete, den in lit. b) geregelten Fall im Rahmen des Art. 19 des Entwurfs (Schutz vor Zurückweisung) zu lösen. Verschiedene Arbeitsfassungen entwickelten im Weiteren präzisere Vorschläge für die Inhalte von lit. a) und b), die letztlich zu der - beabsichtigten - Parallelität der Eingriffsvoraussetzungen in den nunmehrigen Regelungen in Art. 14 Abs. 4 QRL zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft im Ermessenswege und der Verhinderung des Aufenthalts bzw. Verweigerung des Aufenthaltsrechts nach Art. 21 Abs. 2 QRL führten.
120 
In einem Art. 21 der Entwurfsfassung (später Art. 24 QRL) findet sich im Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 - der Zusatz, „es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dem entgegenstehen“ zunächst nur im Absatz 2, der den Titel bei subsidiärem Schutzstatus regelt. Im Dokument des Rats der EU vom 19.06.2003 - 10576/03 - ist dieser Zusatz dann auch im Absatz 1 (jetzt in einem Art. 22 des Entwurfs) enthalten, der den Aufenthaltstitel des anerkannten Flüchtlings betrifft. In diesem Dokument ist bei der Formulierung in Absatz 2, „es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen“ als Fußnote angeführt: „Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: 'Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt'. Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds in die Präambel war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Rat der EU vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -, das Dokument enthält aber keine nähere Begründung). Wie die englischen Fassungen des Erwägungsgrunds 28 und des Art. 24 QRL verdeutlichen („national security and public order“), ist mit dem Begriff der öffentlichen Sicherheit die „nationale Sicherheit“ gemeint, was im Übrigen in der deutschen Fassung der Neufassung der Qualifikationsrichtlinie durch die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 (ABl L 337, S. 9) nunmehr klargestellt ist (vgl. insoweit den Wortlaut des Art. 24 „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ und den Erwägungsgrund 37).
121 
In den Ratsdokumenten vom 19.06.2003 - 10576/03 -, vom 17.03.2004 - 7469/04 -, vom 24.03.2004 - 7728/04 - und vom 31.03.2004 - 7944/04 - ist im Art. 22, d.h. dem späteren Art. 24, in Absatz 1 der Zusatz „unbeschadet des Art. 19 Abs. 3“ (d.h. in der Endfassung „unbeschadet des Art. 21 Abs. 3“) enthalten, ohne dass die Gründe hierfür ausdrücklich genannt wären.
122 
Die gegenüber dem Entwurf geänderten Regelungen in Art. 24 Abs. 1 und Art. 21 ebenso wie die Aufnahme des Erwägungsgrunds 28 sind jedoch eindeutig im Zusammenhang mit dem 11. September und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen. Die Überlegung, die Folgen dieser Anschläge für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Qualifikationsrichtlinie zu berücksichtigen, ist Gegenstand verschiedener Stellungnahmen gewesen (vgl. etwa die ausdrückliche Forderung in der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002) und lässt sich auch anhand weiterer Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Qualifikationsrichtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf ersehen, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 QRL und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
123 
Was das Verhältnis zwischen Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL und Art. 24 Abs. 1 QRL sowie die Bestimmung der Tatbestandsvoraussetzungen anbelangt, ist zunächst zu beachten, dass Art. 14 Abs. 4 QRL und Art. 21 Abs. 2 QRL die gleichen Eingriffsvoraussetzungen normieren und Art. 21 Abs. 2 QRL inhaltlich Art. 33 Abs. 2 GFK entspricht. Letzteres lässt sich auch aus einem Vergleich des jeweiligen englischen Wortlauts dieser Bestimmungen ersehen:
124 
Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”
125 
Auch aus den Erwägungsgründen 3, 16 und 17 der Qualifikationsrichtlinie geht hervor, dass die Genfer Konvention einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Flüchtlingen darstellt und dass die Bestimmungen der Richtlinie über die Voraussetzungen der Anerkennung als Flüchtling und über den Inhalt des Flüchtlingen zu gewährenden Schutzes erlassen wurden, um die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Genfer Konvention auf der Grundlage gemeinsamer Konzepte und Kriterien zu leiten. Die Bestimmungen der Richtlinie sind daher im Licht der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention und einschlägigen anderen Verträgen, auf die Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 EG (jetzt Art. 78 Abs. 1 AEUV) Bezug nimmt, auszulegen. Diese Auslegung muss zudem, wie dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie zu entnehmen ist, die Achtung der Grundrechte und die Befolgung der insbesondere in der Charta der Grundrechte anerkannten Grundsätze gewährleisten (siehe EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 - und C-101/09 - „B.“ und „D.“ - Rn. 77 f.).
126 
2. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Erörterung, welche Konsequenzen sich aus dem Grundrecht auf Asyl nach Art. 18 GRCh und den Anforderungen des Art. 52 GRCh (Tragweite und Auslegung der Rechte und Grundsätze) auf die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL vorgesehene Durchbrechung des Refoulementschutzes ergeben. Der Ausländer muss jedenfalls aus schwerwiegenden Gründen als Gefahr für die Sicherheit des Aufnahmelandes anzusehen sein (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 25 - zu Art. 21 Abs. 2 QRL und Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - bisher nur Pressemitteilung). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, denn von dem Kläger selbst geht mit Blick auf seine oben I. dargestellten Aktivitäten und die hieran anknüpfende Prognose keine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik aus.
127 
Zwar setzt Art. 33 Abs. 2 GK und damit auch Art. 21 Abs. 2 lit. a) QRL einen Sicherheitsbegriff voraus, der von den Staaten nach ihrem eigenen Recht festgelegt wird; denn der dem Begriff der nationalen Sicherheit immanente Charakter bedeutet, dass dieses Konzept im Völkerrecht nicht abschließend definiert werden kann (siehe näher Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie 2009, § 46 Rn 59 f., Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich um eine sehr große Gefahr handeln (Zimmermann, a.a.O. Rn. 89). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates oder des Staatenbündnisses, dessen Mitglied er ist, darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87).
128 
Der Kläger hat keine Handlungen vorgenommen, die geeignet wären, einen Schaden für die Existenz, die Bestands- und Funktionsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen. Er hat weder selbst Gewalt angewendet noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Der Kläger hat zwar durch die regelmäßige - passive - Teilnahme an den oben dargestellten Veranstaltungen, die erkennbar dazu dienen, die PKK einschließlich ihrer terroristischen Aktionen zu fördern, diese unterstützt; die PKK wendet Gewalt und Gewaltdrohungen in dem hier zu betrachtenden Zeitraum vor allem in der Türkei an, was auch erhebliche Interessen der Bundesrepublik berührt. Eine Gefährdung der inneren Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ist damit aber nicht verbunden.
129 
3. Die in Art. 24 Abs. 1 QRL verwendete Formulierung „unbeschadet des Art. 21 Abs. 3“ ist dahingehend zu verstehen, dass Art. 24 Abs. 1 QRL eine gegenüber Art. 21 Abs. 3 QRL selbstständige Möglichkeit eröffnet, einen Titel zu verweigern oder zu beseitigen. Die Fassung des Art. 24 Abs. 1 QRL mit dem dort vorgesehenen Ausschluss des Anspruchs aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ist die Reaktion des Rates auf den Umstand, dass die Unterstützung des internationalen Terrorismus nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht zwingend eine Ausnahme vom Refoulementverbot zulässt (vgl. Zimmermann, a.a.O., Rn. 82 ff. und 90 ff. mwN.), unter dem Eindruck des 11. September, der neuen Dimensionen des Terrorismus und den UN-Resolutionen vom 12. und 28.09.2001 (Nr. 1368 und 1373) die Möglichkeiten, diesen zu bekämpfen, aber erweitert werden sollten.
130 
Ob und gegebenenfalls wie die öffentliche (d.h. nationale) Sicherheit von der öffentlichen Ordnung im Einzelnen abzugrenzen sind, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, denn wie sich aus dem Erwägungsgrund 28 der Qualifikationsrichtlinie ersehen lässt, ist dieser Begriff in den Fällen erfüllt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt. Der 28. Erwägungsgrund ist integraler Bestandteil der Qualifikationsrichtlinie. Eine Begründungserwägung ist zwar nicht unmittelbar Inhalt und Gegenstand der einzelnen Regelung, da sie sonst genau an dieser Stelle getroffen worden wäre. Sie ist insbesondere kein Mittel, um eindeutige Bestimmungen, die aufgrund der Umsetzungsverpflichtung des Mitgliedstaats letztlich eine normative Wirkung haben, zu entwerten oder gar in ihr Gegenteil zu verkehren. Ihr kommt aber die Funktion einer - amtlichen - Auslegungshilfe zu (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 21.05.2007 - 4 K 2563/07 - juris Rn. 18; Funke-Kaiser, InfAuslR 2008, 90, 92 f.). Auch das Bundesministerium des Innern hat in seiner im Berufungsverfahren vorlegten Stellungnahme vom 14.05.2012 bestätigt, dass der Erwägungsgrund 28 - auf Vorschlag des Vereinigten Königreichs - gerade für die Auslegung von den Ausschlussgründen des Art. 24 QRL aufgenommen wurde. Aus der durch das Verfahren im Rat dokumentierten spezifischen Zuordnung des 28. Erwägungsgrunds zu dem Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.d. Art. 24 QRL folgt, dass eine Unterstützung einer Vereinigung des internationalen Terrorismus einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt.
131 
Was die „zwingenden Gründe“ anbelangt, so deutet der Wortlaut darauf hin, dass dieser Begriff enger zu verstehen ist als der der „schwerwiegenden Gründe“. Der Vergleich mit der englischen Fassung belegt dies („reasonable grounds“ in Art. 21 Abs. 2 QRL und „compelling reasons“ bei Art. 24 Abs. 1 QRL). Aus anderen Sprachfassungen ergibt sich kein hiervon abweichendes Bild. Die Tatsache, dass die Unionsbürgerrichtlinie und die Qualifikationsrichtlinie am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen. Auch das Schutzniveau, das durch die Qualifikationsrichtlinie für Flüchtlinge vorgesehen werden sollte, könnte dafür sprechen, dass mit dem Begriff der zwingenden Gründe keine substantiell geringeren Anforderungen verbunden sind als mit dem gleichlautenden Ausweisungsgrund nach Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG (vgl. zu dieser Überlegung auch VG Münster, Urteil vom 26.05.2009 - 8 K 734/08 - juris Rn. 94).
132 
Andererseits darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Art. 28 Abs. 3 lit a) der Richtlinie 2004/38/EG eine spezielle Regelung für langjährig sich im Mitgliedstaat aufhaltende freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger darstellt. Der Unionsgesetzgeber wollte, indem er jede Ausweisungsmaßnahme in den in Art. 28 Abs. 3 dieser Richtlinie genannten Fällen vom Vorliegen „zwingender Gründe“ der öffentlichen Sicherheit abhängig gemacht hat, einem Begriff, der erheblich enger ist als der der „schwerwiegenden Gründe“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels, die auf diesen Abs. 3 gestützten Maßnahmen ganz offensichtlich entsprechend der Ankündigung im 24. Erwägungsgrund der Richtlinie auf „außergewöhnliche Umstände“ begrenzen (EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 19 und Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -Tsakourids - Rn. 40 ff.). Eine Ausweisung eines Unionsbürgers wird nur aus zwingenden Gründen (und damit einem besonders hohen Schweregrad der Beeinträchtigung) der öffentlichen Sicherheit erlaubt, wobei letztere sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaates umfasst und als Ausnahme von einem grundlegenden Prinzip der Freizügigkeit eng zu verstehen ist (EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 - Tsakourids - Rn. 43). Im Unterschied dazu wird in Art. 24 Abs. 1 QRL auch die öffentliche Ordnung genannt und durch die Zuordnung des 28. Erwägungsgrunds zu Art. 24 QRL unionsrechtlich klargestellt, dass eine Unterstützung des internationalen Terrorismus „zwingende Gründe“ erfüllen kann. Bei einer anderen Deutung würde die Zuordnung keinen Sinn geben. Dies bedeutet andererseits auch nicht, dass jegliche Unterstützungshandlung zu Gunsten des internationalen Terrorismus schon „zwingende Gründe“ erfüllt; umgekehrt bedarf es aber auch keiner herausragenden Handlungen von außergewöhnlicher Gefährlichkeit. Dies verdeutlichen die verschiedenen „Ebenen“ der Terrorismusbekämpfung, die der Richtlinie immanent sind. Art. 12 Abs. 2 QRL führt in den dort erfassten Konstellationen zum zwingenden Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling, selbst wenn von diesem keine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgeht (siehe näher BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 25 ff.). Art. 14 Abs. 4 QRL ermächtigt in den hier geregelten Fällen zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (vgl. auch Art. 14 Abs. 5 QRL mit dem fakultativen Ausschluss unter den gleichen Voraussetzungen), wobei aufenthaltsrechtlich der gleiche Maßstab in Art. 21 Abs. 2 QRL gilt. Demgegenüber lässt Art. 24 QRL, der im Übrigen nicht nur für den Flüchtling, sondern auch für den Ausländer mit subsidiärem Schutzstatus gilt, den Status und den weiteren tatsächlichen Aufenthalt im Mitgliedstaat unangetastet und beseitigt allein die Legalität des Aufenthalts. Dies verdeutlicht, dass eine Unterstützung des internationalen Terrorismus, die nach dem individuellen Beitrag des Ausländers im Vergleich zu den von den anderen Regelungen erfassten Sachverhalten eher nicht besonders hervorgehoben und sogar unabhängig von einer strafrechtlichen Relevanz ist, ein Vorgehen nach Art. 24 QRL zulässt, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - durch ein hohes Maß an Kontinuität charakterisiert ist und nachhaltig das Umfeld der terroristischen Organisation prägt und beeinflusst. Es ist Sache der Mitgliedstaaten festzulegen, unter welchen Voraussetzungen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung anzunehmen sind (vgl. zu dieser Überlegung auch EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 23 - zu Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/28/EG). Aufgrund der Vielfältigkeit und Komplexität der Erscheinungsformen des internationalen Terrorismus (vgl. hierzu etwa Waldmann, Terrorismus - Provokation der Macht, 2. Aufl. 2005, S. 29 ff) und demzufolge der Vielfalt der in den einzelnen Mitgliedstaaten vorkommenden denkbaren Unterstützungshandlungen und deren Folgen enthält sich die Qualifikationsrichtlinie weiterer Vorgaben. Allerdings entbindet dies nicht von der unionsrechtlichen Verpflichtung (vgl. Art. 52 Abs. 1 GRCh), den Einzelfall und insbesondere das persönliche Verhalten des Betroffenen und die von ihm ausgehende tatsächliche und gegenwärtige Gefährdung umfassend zu prüfen und hierbei alle individuellen Umstände zu berücksichtigen (siehe zu diesem Grundsatz insoweit EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 34).
III.
133 
Der Ausweisung des Klägers liegen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.d. Art. 24 Abs. 1 QRL zugrunde. Sie erweist sich auch als verhältnismäßig.
134 
1. Der Kläger hat seit dem Jahr 2000 durch die oben unter I. dargelegten Handlungen die PKK unterstützt, wobei er sich zur Überzeugung des Senats seit Mitte 2009 allein aus verfahrenstaktischen Gründen zurückhält. Dabei handelt es sich zwar, was den jeweiligen einzelnen Veranstaltungsbesuch anbelangt, um eine passive Unterstützung, die als solche keinen hochrangigen Gefährdungsgrad hat. Bei einer wertenden Gesamtschau aller festgestellten Unterstützungshandlungen, d.h. auch mit Blick auf seine zweijährige Vorstandstätigkeit und langjährige aktive Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein, hat er jedoch in einer quantitativ und qualitativ erheblichen Weise eine Verbundenheit mit der PKK ausgedrückt, die ihn eindeutig seit Jahren als deren Sympathisanten ausweist. Insbesondere die Teilnahme an den Märtyrergedenkveranstaltungen und den Wahlen zum Volksgebietsrat, mit der Bereitschaft, eine Funktion im Rahmen des Volksgebietsrats zu übernehmen, zeigen eine besondere Nähe und innere Verbundenheit mit der PKK. Durch die Beteiligung wird eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, wird günstig beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsfeld werden erweitert und dadurch wird insgesamt dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen.
135 
Eine wirksame Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist wie bereits oben dargelegt eines der vorrangigen Ziele der Europäischen Union. Dies kommt nicht nur in Art. 83 Abs. 1 AEUV zum Ausdruck, sondern ist in zahlreichen Rechtsakten der Union, die sich mit der Terrorismusbekämpfung befassen, immer wieder betont worden (vgl. etwa Rahmenbeschluss vom 13.06.2002 zur Terrorismusbekämpfung, ABl. L 164, S. 3; Verordnung (EG) Nr. 2580/2002 des Rates vom 27.12.2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, ABl. L 344, S. 70). Dass gerade auch Sympathisanten als Teil der Bedrohung durch den Terrorismus angesehen werden, ergibt sich aus dem Rahmenbeschluss 2008/919/JI des Rates vom 28.11.2008 zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI zur Terrorismusbekämpfung (ABl L 330, S. 21) und insbesondere dessen 3. Erwägungsgrund. Aufgrund der ihr eigenen Ausprägung und Organisationsstrukturen erfährt die PKK ihren Rückhalt und Unterstützung vor allem durch eine aktive „Sympathisantenszene“ außerhalb der Türkei, bei der die örtlichen PKK-nahen Vereine eine zentrale Rolle spielen, etwa bei der Kommunikation unter den Anhängern, bei der Mobilisierung für Aktionen sowie bei der Vorbereitung und Durchführung von öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten (vgl. hierzu etwa Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2010, S. 106 ff.). Wie oben unter I. dargelegt, ist der Mesopotamische Kulturverein e.V. S... ein Ort, der der Verbreitung der „terroristischen Botschaft“ dient. Sympathisanten aus diesem Kreis sichern der PKK eine ihnen prinzipiell wohlgesonnene Basis, aus der der Rückhalt für die terroristischen Handlungen gewonnen werden kann, und ermöglichen ein günstiges Umfeld für die Rekrutierung von Nachwuchs für die Guerilla oder den Kader der PKK und den Erhalt von dringend benötigten finanziellen Mitteln (etwa durch die Entrichtung regelmäßiger Beiträge der Anhänger der Organisation oder Spenden). Das in den oben beschriebenen Handlungen des Klägers, insbesondere etwa in den Besuchen der Märtyrerveranstaltungen, zum Ausdruck kommende befürwortende Verständnis für den Terror, trägt zum Rückhalt für die PKK bei. Dieses vom Kläger gezeigte jahrelange kontinuierliche Auftreten als Sympathisant der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung; die Vernichtung der Legalität des Aufenthalts ist insoweit Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Im Übrigen ist es auch ein Grundinteresse der Mitgliedstaaten der Union, dass ihre Offenheit nicht missbraucht wird, um eine „Sympathisantenszene“ für den internationalen Terrorismus am Leben zu halten und zu fördern.
136 
2. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung verhältnismäßig.
137 
Der Kläger lebt als anerkannter Flüchtling seit dem Jahre 1997 mit einem Aufenthaltstitel, seit 2002 mit einem unbefristeten, im Bundesgebiet. Der Ehefrau, die seit 1998 in Deutschland ist, wurde ebenfalls der Flüchtlingsstatus zuerkannt und eine Niederlassungserlaubnis erteilt. Sie führt einen Gastronomiebetrieb. Auch die beiden minderjährigen Kinder (geboren 1996 in der Türkei und 2001 im Bundesgebiet) haben einen legalen Aufenthalt. Sie verfügen über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Ungeachtet seines langen Aufenthalts in Deutschland spricht der Kläger aber nur sehr schlecht Deutsch. Hiervon konnte sich der Senat in der mündlichen Verhandlung überzeugen. Demzufolge ist auch seine Erwerbsbiographie durch türkische Arbeitgeber gekennzeichnet, so arbeitete er in der Zeit vom 02.11.2001 bis 31.07.2007 bei der Firma B. Dönerproduktions- und Fleischhandels GmbH, die im Übrigen dem LfV im Zusammenhang mit der PKK bekannt geworden sei (siehe die Bewertung des LfV vom 13.04.2012 zum Sicherheitsgesprächs des Zeugen K. vom 12.04.2011). Heute ist er bei seiner Frau angestellt. Eine dazwischenliegende selbstständige Erwerbstätigkeit blieb ohne wirtschaftlichen Erfolg. Der Kläger verkehrt vor allem in kurdisch-stämmigen Kreisen. Die Ausweisung vernichtet die Legalität seines Aufenthalts und ist daher mit weitreichenden Folgen für das soziale Leben verbunden. Sie lässt allerdings, was für die Verhältnismäßigkeit von zentraler Bedeutung ist, die Lebensgemeinschaft mit seinen Familienangehörigen im Bundesgebiet unberührt, da keine Abschiebungsandrohung ergehen und infolge dessen auch keine Abschiebung erfolgen wird.
138 
Ein milderes Mittel, um der Gefahr zu begegnen, dass der Kläger sein die PKK unterstützendes Verhalten unverändert fortsetzt, ist nicht gegeben. Insbesondere könnte mit einem Verbot oder der Beschränkung der politischen Betätigung ein wesentliches unionspolitisches Ziel nicht erreicht werden, abgesehen davon, dass die in § 47 Abs. 1 und 2 AufenthG genannten Vorgaben die Art und Weise der Betätigung des Klägers allenfalls zum Teil erfassen. Ausgehend von den Gedanken der UN-Resolution 1373 bezweckt die Terrorismusbekämpfung unionsrechtlich unter anderem, konsequent die Legalisierung des Aufenthalts zu unterbinden und damit auch den Genuss der daran hängenden privilegierenden Maßnahmen (wie Erwerbstätigkeit, Freizügigkeit) zu verwehren - und zwar gleichgültig, ob der Ausländer als Flüchtling anerkannt oder ob ihm nur subsidiärer Schutz zuerkannt wurde (vgl. insoweit Art. 24 Abs. 1 Satz 1 mit Abs. 2 QRL). Dieses unionsrechtliche Ziel würde allein mit einer Maßnahme nach § 47 AufenthG nicht erreicht. Diese kann ggfs. die Ausweisung ergänzen, wenn der Ausländer - namentlich nach einer erfolgten Ausweisung - seine Unterstützungstätigkeit fortsetzt, sie aber nicht ersetzen. Insoweit ist eine Verbotsverfügung Teil einer ganzheitlichen Bekämpfung der Aktivitäten der ausländischen terroristischen Vereinigung der PKK (so ausdrücklich auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zu dem gegen Muzaffer Ayata verhängten politischen Betätigungsverbot, BT-Drs. 17/9076 vom 22.03.2012). Hinzukommt, dass auch national eine Anordnung nach § 47 AufenthG schon deshalb nicht gleich effektiv wäre, weil damit die Rechtsfolgen des § 54a AufenthG nicht ausgelöst werden könnten. Vergleichbare nachträgliche Nebenbestimmungen nach § 12 Abs. 2 AufenthG wären jedenfalls bei Inhabern einer Niederlassungserlaubnis nicht möglich (Renner/Dienelt, AuslR 9. Aufl. 2011, § 12 Rn. 2). Soweit in den Senatsurteilen vom 28.10.1998 (11 S 1853/98 - juris Rn. 28) und vom 10.03.1999 (11 S 1688/98 - juris Rn. 9) die Untersagung der politischen Betätigung ausdrücklich als ein milderes Mittel gegenüber der Ausweisung erachtet wurde, liegen dem rechtlich und tatsächlich andere Konstellationen zugrunde. Im Übrigen hat das Regierungspräsidium im Schriftsatz vom 18.04.2012 im Einzelnen ausgeführt, warum es im vorliegenden Fall nicht zu dieser Maßnahme greift. Diese Erwägungen hat der Kläger nicht in Frage gestellt.
139 
Gründe der Verhältnismäßigkeit gebieten es auch nicht, schon jetzt von Amts wegen über eine Befristung der Wirkungen der spezialpräventiv verfügten Ausweisung zu entscheiden. Es lässt sich derzeit nicht absehen, wann diese Gefahr in relevanter Weise gemindert sein wird. Auch familiäre Belange erfordern keine sofortige Entscheidung, denn die familiäre Lebensgemeinschaft kann im Bundesgebiet unverändert fortgeführt werden (vgl. zur Befristung noch unten VI).
IV.
140 
Art. 14 ARB 1/80 oder die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln vermitteln dem Kläger keine weitergehenden Rechte. Der Kläger hatte aufgrund seiner jahrelangen Erwerbstätigkeit bis 31.07.2007 bei der Firma B. eine Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1, 3. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben. Der Senat unterstellt zugunsten des Klägers, dass er dieses Recht nicht verloren hat. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung meldete er sich nach seiner Kündigung bei der Arbeitsverwaltung arbeitslos, wurde dort aufgrund seiner schlechten Deutschkenntnisse als schwer vermittelbar angesehen und erhielt durch das Arbeitsamt eine Fördermaßnahme zur Gründung einer selbstständigen Existenz. Der Senat geht davon aus, dass durch diese selbstständige Erwerbstätigkeit ab 01.01.2008 die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt nicht verloren ging, weil die Selbstständigkeit noch in der Gründungs- und Aufbauphase wieder aufgegeben wurde, der Kläger in eine abhängige Beschäftigung zurückkehrte und nunmehr seit Mitte Dezember 2010 im Gastronomiebetrieb seiner Ehefrau angestellt ist.
141 
Ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger kann nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt. Nach den hierzu geltenden Grundsätzen (vgl. EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08 - Ziebell -Rn. 52 ff.; Senatsurteile vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris und vom 04.05.2012 - 11 S 3/12 -) führt dieser Maßstab materiell-rechtlich nicht zu strengeren Voraussetzungen als die oben unter III. dargestellten.
142 
Auch verfahrensrechtlich hat dies keine Auswirkungen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung eines Vorverfahrens. Ein solcher folgt nicht aus dem in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 (ABl. Nr. 56, S. 850) normierten „Vier-Augen-Prinzip“. Denn die Richtlinie 64/221/EWG ist gemäß Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden. Damit ist auch deren Art. 9 nicht mehr - entsprechend - auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige anzuwenden (vgl. zur früheren Anwendung des „Vier-Augen-Prinzips“ BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - InfAuslR 2006, 110). Geltende unionsrechtliche Verfahrensgarantien begründen ebenfalls nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen. Die Stillhalteklauseln gebieten keine andere Betrachtung. Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf das Senatsurteils vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - (juris) verwiesen (im Ergebnis ebenso OVG NRW, Urteil vom 22.03.2012 - 18 A 951/09 - juris).
V.
143 
Die Ausweisung ist unter Berücksichtigung der Ergänzungen im gerichtlichen Verfahren ermessensfehlerfrei (§ 114 Satz 1 VwGO).
144 
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris Rn. 4 m.w.N.). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umständen auch andere gewichtige persönlichen Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Die vom Ausländer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits und dessen private schutzwürdige Belange andererseits sind auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 73). Diesen Anforderungen hat das Regierungspräsidium entsprochen. Es hat anlässlich seiner korrigierten Ermessenserwägungen ausschließlich eine spezialpräventive Ausweisung zugrunde gelegt und auch zu erkennen gegeben, dass es bei dem Kläger allein um die Vernichtung der Legalität des Aufenthalts geht und dass das nach dem Aufenthaltsgesetz mit einer Ausweisung regelmäßig verfolgte Ziel, die von ihm ausgehende Gefahr mit der Ausreise bzw. der zwangsweisen Verbringung ins Ausland zu bekämpfen, auf nicht absehbare Zeit nicht erreicht wird. Es hat jedenfalls aufgrund der ergänzenden Angaben in der mündlichen Verhandlung den Schutzstatus des Klägers mit dem ihm gebührenden Gewicht eingestellt und auch die Rechtsstellung und Interessen der Familienangehörigen des Klägers nicht verkannt. Auch im Übrigen sind den Ermessenserwägungen in tatsächlicher Hinsicht zutreffende Annahmen zugrunde gelegt worden; das Regierungspräsidium hat in der mündlichen Verhandlung zudem klargestellt, dass die Ausweisungsentscheidung auch für den Fall getroffen wird, dass (nur) der Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG verwirklicht ist.
VI.
145 
Der Ausweisung steht auch die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie - RFRL - (ABl EU Nr. L 348 vom 24.12.2008 S. 98) nicht entgegen.
146 
1. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen Urteilen vom 22.03.2012 (1 C 3.11 - juris Rn. 15) und vom 14.02.2012 (1 C 7.11 - juris Rn. 35) entschieden, dass die Rückführungsrichtlinie für eine Rückkehrentscheidung - so die Ausweisung denn überhaupt eine solche wäre -, die wie hier vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie (nach deren Art. 20 Abs. 1 am 24.12.2010) verfügt worden ist, nicht gilt, und zur Begründung unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Polat“ (Urteil vom 04.10.2007 - Rs. C-349/06 - 25 ff.) auf die Grundsätze der intertemporalen Rechtsgeltung verwiesen. Es hat weiter ausgeführt, dass sich etwas anderes auch nicht aus Art. 15 Abs. 5 und 6 RFRL ergebe, der auf bereits vor der Umsetzung begonnene und darüber hinaus andauernde Inhaftierungen Anwendung finde (vgl. EuGH, Urteil vom 30.11.2009 - Rs. C-357/09 PPU, Kadzoev - Rn. 38). Denn Regelungen zur Dauer der Abschiebungshaft beträfen zukünftige Auswirkungen eines noch andauernden Sachverhalts und nicht die gerichtliche Kontrolle einer Behördenentscheidung, die vor Ablauf der Umsetzungsfrist getroffen worden sei. Dies zugrunde gelegt ist die Rückführungsrichtlinie auf den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.07.2010 nicht anwendbar.
147 
Hält man hingegen an der bisherigen Rechtsprechung des Senats weiter fest, wonach die Rückführungsrichtlinie auch auf solche Sachverhalte anzuwenden ist, in denen die streitgegenständliche Behördenentscheidung schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist wirksam verfügt worden ist (siehe zur Begründung im Einzelnen Senatsurteil vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris Rn. 49 ff.; vgl. auch Verwaltungsgerichtshof Österreich in seinem Erkenntnis vom 20.03.2012 - 2011/21/0298 - , der unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 28.04.2011 in der Rechtssache „El Dridi“ die Rückführungsrichtlinie auch auf „Aufenthaltsverbote“ erstreckt hat, die bereits vor Inkrafttreten der Rückführungsrichtlinie verhängt worden sind), ist die Ausweisung gleichwohl nicht an den Vorgaben der Richtlinie messen. Sie stellt schon keine Rückkehrentscheidung dar. Unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 07.12.2001 - 11 S 897/11 -hat der Senat in seinem Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - (juris Rn. 83 - 88) ausgeführt:
148 
„…Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
149 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 -215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
150 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art. 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
151 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben …...“
152 
„Ergänzend und vertiefend ist noch auszuführen: Gegen die Annahme, die Ausweisung sei keine Rückkehrentscheidung, kann auch nicht die Legaldefinition des „illegalen Aufenthalts“ in Art. 3 Nr. 2 RFRL eingewandt werden. Zwar erweckt der pauschale und undifferenzierte Verweis auf Art. 5 SDK auf den ersten Blick den Eindruck, es könnten auch Fälle gemeint sein, in denen materielle Einreise- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind und somit auch in einem solchen Fall ein illegaler Aufenthalt vorläge. Dagegen sprechen aber bereits das in Art. 6 Abs. 6 RFRL vorausgesetzte Verständnis des „legalen Aufenthalts“ und der dort vorgenommenen ausdrücklichen Abgrenzung zur „Rückkehrentscheidung“. Entscheidend für ein Verständnis im Sinne eines allein formell zu verstehenden illegalen Aufenthalts spricht die Begründung des Kommissionsentwurfs (vgl. KOM/2005/ 0391endg vom 1.9.2005). Hiernach ist der Befund eindeutig. Unter I 3 Ziffer 12 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Regelungsgegenstand der Richtlinie nicht die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung/Sicherheit sei. Unter I 4 wird zu „Kapitel II“ weiter dargelegt, die Vorschriften der Richtlinie seien auf jede Art von illegalem Aufenthalt anwendbar (z.B. Ablauf eines Visums, Ablauf eines Aufenthaltstitels, Widerruf oder Rücknahme eines Aufenthaltstitels, endgültige Ablehnung eines Asylantrags, Aberkennung des Flüchtlingsstatus, illegale Einreise). Nicht Gegenstand seien die Gründe und Verfahren für die Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts. Für dieses Verständnis spricht auch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 3 lit. b) EG. Im Übrigen entspricht der im Gesetzgebungsverfahren neu eingefügte Verweis auf Art. 5 SDK sachlich dem früheren Verweis auf Art. 5 SDÜ, der auch materielle Regelungen enthielt. Demzufolge stellen auch Widerruf, Rücknahme oder nachträgliche Befristung keine Rückkehrentscheidung dar.“
153 
Hieran ist auch mit Blick auf neuere Veröffentlichungen festzuhalten, die die Ausweisung als Rückkehrentscheidung einordnen (Deibel, ZAR 2012, 148, 150 f.; Gutmann, InfAuslR 2012, 208, 210 f.; offengelassen: BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - juris Rn. 35; HambOVG, Beschluss vom 09.05.2012 - 4 Bs 15/12 - juris Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 22.03.2012 - 18 A 951/09 - juris Rn. 88; VG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2012 - 22 K 7443/11 - juris Rn. 102). Soweit darauf hingewiesen wird, dass eine Ausweisung zu einem Aufenthaltsverbot führe und wegen des mit ihr verbundenen Wiedereinreiseverbots eine Rückkehrentscheidung anzunehmen sei, sowie über Einreiseverbot und Befristung der Wirkungen der Ausweisung einheitlich zu entscheiden sei, sind diese Erwägungen nicht geeignet, die oben dargestellte Begründung des Senats in seinem Urteil vom 10.02.2012 infrage zu stellen (vgl. dazu, dass die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung ist auch Keßler, Asylmagazin 2012, 142, 143; GK-AufenthG, § 58 Rn. 102). Mit der Ausweisung wird dem Ausländer keine originäre Handlungspflicht auferlegt, innerhalb einer bestimmten Frist auszureisen. Dies erfolgt vielmehr erst mit der Abschiebungsandrohung (Art. 7 Abs. 1 S. 1 RFRL i.V.m. § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Da diese jedoch aufgrund der Anerkennung des Klägers als Flüchtling unterbleibt, wird dieser keiner - vollstreckbaren - Rückkehrverpflichtung unterworfen, die unter das Schutzregime der Rückführungsrichtlinie fallen würde. Insofern ist auch unionsrechtlich nicht von Amts wegen über die Befristung eines Einreiseverbots zu entscheiden.
154 
2. Jedenfalls unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles ist nicht nach den materiell-rechtlichen Vorgaben des § 11 Abs. 1 AufenthG im Rahmen des hier anhängigen Verfahrens über die Befristung zu entscheiden.
155 
Das Bundesverwaltungsgericht geht in seinem Urteil vom 14.02.2012 (1 C 7.11 - juris Rn. 28 ff.) davon aus, dass aufgrund der unionsrechtlichen Prägung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, die dieser durch das Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetz vom 26.11.2011 erfahren hat, die Interessen des Einzelnen an der zeitlichen Beschränkung der Wirkungen der Ausweisung und an einem hierauf bezogenen effektiven Rechtsschutz erheblich aufgewertet worden sind. Es erachtet es aus der Gesamtschau der Rückführungsrichtlinie sowie den Grundrechten einschließlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention für geboten, dass über die Befristung nunmehr ausschließlich im Wege einer gebundenen, der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegenden Entscheidung zu befinden ist, damit nach der abschließenden gerichtlichen Entscheidung über die Ausweisung zugleich die Dauer der Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 AufenthG feststeht und der Ausländer sich in seiner Lebensplanung darauf einstellen kann. Diese in dem genannten Urteil für die Ausweisung allein aus generalpräventiven Gründen entwickelten Grundsätze sind auf eine spezialpräventive Ausweisung übertragen worden (so nunmehr BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - bisher nur Pressemitteilung).
156 
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Ausweisung einerseits und die Befristung ihrer Wirkungen andererseits zwei getrennte Verwaltungsakte darstellen, was nicht zuletzt daraus folgt, dass die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nur auf Antrag erfolgt. Nach dem Bundesverwaltungsgericht kann ein Anspruch auf Befristung im Rechtsstreit um die Ausweisungsverfügung prozessual dadurch realisiert werden, dass in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung der Wirkungen der Ausweisung gesehen wird (BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - juris Rn. 30). Prozessual handelt es sich um zwei verschiedene Streitgegenstände. Der Streitgegenstand der Befristung wird durch den Antrag und den hierzu gehörenden Lebenssachverhalt bestimmt. Im vorliegenden Fall hat der schon im Verwaltungsverfahren und auch im gerichtlichen Verfahren stets anwaltlich vertretene Kläger zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich oder konkludent jemals ein (hilfsweises) Begehren auf Befristung der Ausweisung unterbreitet, insbesondere ist auch im Klageverfahren kein entsprechender Antrag gestellt worden. Dem Senat ist dieser selbstständige Streitgegenstand auch nicht „angewachsen“. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG normiert ausdrücklich das Erfordernis der Antragstellung. Ein entsprechender Antrag ist zu keinem Zeitpunkt bei der Behörde gestellt worden. Ein solcher ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 14.02.2012 nur bei einer allein generalpräventiv begründeten Ausweisung entbehrlich. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um eine ausschließlich spezialpräventive Ausweisung. Die im Verfahren vorgelegten Anwaltsschreiben beschränken sich auf die Darlegung, warum beim Kläger die Voraussetzungen für eine Ausweisung nicht vorliegen. Zwar könnte ein Widerspruch, der gegen die Ausweisung eingelegt wird, und mit dem zunächst die Ausgangsbehörde befasst ist (§ 72 VwGO), Anlass dazu geben, diesen so zu deuten, dass damit konkludent jedenfalls auch das Begehren der Befristung umfasst wird; in Baden-Württemberg gibt es jedoch kein Widerspruchsverfahren gegen die Ausweisung durch das Regierungspräsidium (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO BW). Ein Verpflichtungsgehren auf Befristung kann im vorliegenden Fall daher deshalb nicht unterstellt werden, weil die Notwendigkeit der vorherigen Antragstellung bei der Behörde auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts unabhängig davon, ob es sich um eine gebundene Entscheidung oder eine Ermessensentscheidung handelt, eine nicht nachholbare Sachurteilsvoraussetzung jeder Verpflichtungsklage ist (siehe hierzu etwa BVerwG, Urteile vom 16.01.1985 - 5 C 36.84 - juris Rn. 9 ff. und vom 31.08.1995 - 5 C 11.94 - juris Rn. 14 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.04.1999 - 6 S 420/97 - juris Rn. 3 f.; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 75 Rn. 25; Bader, u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, § 68 Rn. 41 und § 75 Rn. 5). Das Gewaltenteilungsprinzip gebietet es, dass der Behörde vor Erhebung der Klage die Gelegenheit gegeben wird, die begehrte Verwaltungsentscheidung zu prüfen und zu erlassen; insoweit kann auch in eine Klageerhebung nicht eine (bislang unterbliebene) Antragstellung hineininterpretiert werden. Weder der Wortlaut noch die unionsrechtliche Prägung der Vorschrift geben irgendeinen Anhaltspunkt, für die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG anderes anzunehmen und von den allgemein entwickelten und anerkannten prozessualen Grundsätzen abzuweichen.
VII.
157 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 161 Abs. 2 VwGO. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich der Meldeauflage und der räumlichen Beschränkung in Ziffer 2 des Bescheids vom 19.07.2010 für erledigt erklärt worden ist, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten dem Kläger aufzuerlegen, denn er hat durch ein in seine Sphäre fallendes Ereignis, nämlich den Umzug von S... nach R... am 01.03.2011, die Erledigung des Rechtsstreits herbeigeführt.
158 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
159 
Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, ist der Beschluss unanfechtbar.
160 
Beschluss vom 16. Mai 2012
161 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
162 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Artikel 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu folgenden Fragen eingeholt:

1. a) Ist die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels an Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, auch bei der Aufhebung eines bereits erteilten Aufenthaltstitels zu beachten?

b) Ist diese daher dahingehend auszulegen, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) eines anerkannten Flüchtlings entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sind?

2. Für den Fall, dass die Fragen unter 1 zu bejahen sind:

a) Wie ist der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG mit Blick auf Gefahren auszulegen, die von der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ausgehen?

b) Können „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots nach Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht erfüllt sind?

3. Für den Fall, dass die Frage unter 1a) zu verneinen ist:

Ist die Aufhebung bzw. Beendigung des einem anerkannten Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (bzw. der gleichlautenden Nachfolgeregelung der Richtlinie 2011/95/EU) zulässig?

Gründe

 
A)
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebt seit 1989 mit seiner Ehefrau, welche ebenfalls türkische Staatsangehörige ist, und mit inzwischen acht gemeinsamen Kindern, von denen fünf die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist bis heute Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Auf seinen Asylantrag wurde er am 24.06.1993 als Asylberechtigter anerkannt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des - damals geltenden - § 51 Abs. 1 AuslG (Flüchtlingsschutz, heute § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen. Die Anerkennung wurde mit den exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland und der ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei drohenden politischen Verfolgung begründet (vgl. Urteil des VG Minden vom 08.02.1993). Der im Wesentlichen mit geänderten Verhältnissen in der Türkei begründete Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.08.2006 wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30.11.2007 aufgehoben. Seit dem 07.10.1993 ist der Kläger im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels.
Der Kläger war in den 1990er-Jahren in vielfältiger Weise für die PKK (Partiya Karkerên Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) bzw. deren Neben- oder Nachfolgeorganisationen exilpolitsch aktiv. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22.11.1993 wurden der PKK und der ENRK (Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) - einer inzwischen aufgelösten, damals in Deutschland für die PKK aktiven "Frontorganisation" - verboten, sich in Deutschland zu betätigen. Nach § 20 Vereinsgesetz macht sich unter anderem strafbar, wer diesem Verbot zuwiderhandelt (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 18 Satz 2 VereinsG). 1992 wurde der Kläger in den Vorstand des "Arbeiter- und Kulturzentrums der Kurden Bielefeld" gewählt. Der Verein wurde 1993 als Teilorganisation der PKK verboten. Im Asylverfahren gab der Kläger selbst an, er besuche alle Veranstaltungen und Demonstrationen der ERNK. Dabei sei er teilweise als Ordner eingesetzt. Diese exilpolitischen Aktivitäten setzte der Kläger auch nach seiner Asylanerkennung fort. Es kam deshalb zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Jahr 2001 beteiligte er sich an der Unterschriftenaktion im Rahmen der so genannten "Identitätskampagne" der PKK und unterzeichnete die Erklärung "Auch ich bin ein PKK'ler". Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg nahm der Kläger in den folgenden Jahren, auch nach dem Umzug seiner Familie aus dem Raum Bielefeld nach Mannheim im Jahr 2002, weiter regelmäßig an Demonstrationen und Veranstaltungen teil, bei welchen es um die Rechte der Kurden, um die PKK und/oder deren Generalsekretär Abdulah Öcalan ging, darunter auch solche mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan, so genannte "Märtyrergedenkfeiern" (Feiern zum Gedenken an gefallene PKK-Kämpfer und Selbstmordattentäter) und "Volksversammlungen".
Im Juni 2006 reiste der Kläger in den Irak. Er hielt sich dort zwei Monate lang auf und besuchte Verwandte sowie diverse Orte bzw. Stationen im Grenzgebiet zur Türkei. 2007 unternahm er mit seinem ältesten Sohn eine weitere Reise in den Irak.
Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 10.01.2007 wegen des Verdachts eines - durch Betätigung für die PKK begangenen - Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden unter anderem eine handschriftlich verfasste Spendenliste mit 16 Namen und Beträgen zwischen 100 und 1000 EUR sowie eine mit dem Computer im Jahr 2006 erstellte Spendenliste, welche in 4 Ortsbezirke unterteilt war und auf der hinter 29 der insgesamt 48 aufgeführten Namen monatliche Spenden im Zeitraum von Januar bis Mai in Höhe von 10 bis 30 EUR pro Monat vermerkt waren, aufgefunden, außerdem ein Zettel und ein Notizbuch mit Vermerken zu eingesammelten Beträgen, Ausdrucke eines Vordrucks für eine Spendenliste, 4 Zeitschriften Serxwebun, Fotos mit Abdullah Öcalan, darunter eines mit der Aufschrift "PKK" im Scheckkartenformat im Geldbeutel des Klägers, Fotos des Klägers neben bewaffneten Personen, welche von der Reise des Klägers in den Irak im Juni 2006 stammten, Flaggen bzw. Fahnen mit dem Emblem der "KKK" (Koma Komalên Kurdistan), Flaggen mit einer Abbildung von Abdullah Öcalan sowie ein Buch von Öcalan. Der Kläger wurde daraufhin mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen im Urteil hat er dem Verbot einer Betätigung für die PKK zuwidergehandelt. Die PKK bzw. die KONGRA-GEL finanzierten sich durch Beiträge für legale kurdische Vereine, monatliche Mitgliedsbeiträge der Anhänger, Verkauf von Publikationen, Einnahmen beim jährlichen „Kurdistanfestival“ und andere Feste auf örtlicher Ebene sowie Einnahmen aus der jährlich im Herbst/Winter durchgeführten „Spendenkampagne“. Bei dieser „Spendenkampagne“ setze der für Europa zuständige „Rat“ fest, welche Beträge von den einzelnen europäischen Ländern zu erbringen seien. Diese würden auf der jeweiligen Hierarchieebene Raum bzw. Gebiet aufgeschlüsselt. Dabei würden Listen der ortsansässigen Kurden verwendet und die von diesen zu erbringenden „Spenden“ nach der Höhe des jeweiligen Einkommens festgesetzt, wobei etwa ein Monatseinkommen zu erbringen sei. Die Spenden würden von so genannten „Sammelteams“ von zwei bis drei Personen eingesammelt, notfalls auch mit Gewalt eingetrieben. Im Zuge der hierarchischen Gebietsstruktur der PKK sei auch die Bundesrepublik Deutschland in mehrere Gebiete gegliedert, denen jeweils ein Gebietsverantwortlicher vorstehe, der regelmäßig nach einem Jahr ausgewechselt werde. Im Jahr 2005 sei dies bis zum Oktober im Gebiet Mannheim der Gebietsverantwortliche M.T., Deckname D., gewesen. Die Gebiete seien wiederum in Räume aufgeteilt, denen jeweils ein Raumverantwortlicher vorstehe. So sei das Gebiet Mannheim in die Räume Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Worms, Bruchsal, Karlsruhe und Germersheim aufgeteilt. Verantwortlicher im Raum Mannheim sei im Jahr 2005 eine nicht identifizierte Person namens Ma. gewesen. Der Kläger sei in den Jahren 2005 und 2006 im Raum Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen. Er sei direkt dem Raumverantwortlichen für Mannheim namens Ma. unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen M.T. gewesen. Dies schließe die Strafkammer daraus, dass er als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen M.T. zwei Rundschreiben per SMS erhalten habe, in welchen er dazu aufgefordert worden sei, als einer der "Freunde, die für die Räume verantwortlich seien, ... die Freunde, mit denen er "zusammenarbeite, zu benachrichtigen". Außerdem seien sein Vorname und seine Handynummer auf sichergestellten Notizzetteln des Gebietsverantwortlichen M.T. notiert gewesen. In der von ihm übernommenen Funktion habe sich der Kläger mit dem Sammeln und der Weiterleitung von Spenden für die PKK und gelegentlich auch mit der Verteilung der Zeitschrift Serxwebun - eines der Publikationsorgane der PKK bzw. der Nachfolgeorganisation KONGRA-GEL - befasst. Er habe in den im einzelnen aufgeführten Fällen (von insgesamt 29 Personen aus vier Bezirken des Raums Mannheim - jeweils von Januar bis Mai, teilweise auch nur bis März oder April 2006) selbst oder unter Einschaltung von Hilfspersonen Spenden für die PKK gesammelt, diese in seiner Spendenliste verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK, wahrscheinlich in Brüssel, abführen lassen. Er habe sich zudem noch am 10.01.2007 von seinem Sohn mit Hilfe des Computers einen neuen Vordruck einer Spendenliste erstellen lassen. Der Kläger habe das gegen die PKK verhängte Betätigungsverbot gekannt. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Spendenkampagnen für die PKK von großer Bedeutung seien. An ihnen und an dem Verkauf der Zeitschrift habe er mit dem Willen teilgenommen, die PKK zu fördern und die Eintreibung von Spenden und Einnahmen aus Zeitungsverkäufen an den Vorgaben der Partei auszurichten. Nach Verwerfung der Revision durch den Bundesgerichtshof wurde das Urteil am 08.04.2009 rechtskräftig.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27.03.2012 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt Mannheim begrenzt (Ziff. 2). Die Ausweisung wurde auf §§ 55, 56 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Als Ausweisungsgrund wurde § 54 Nr. 5 AufenthG herangezogen, wonach ein Ausländer in der Regel ausgewiesen wird, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder unterstützt hat oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Mit Blick auf die bestehende familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und den minderjährigen Kindern und unter Berücksichtigung seines unbefristeten Aufenthaltsrechts sowie des Status als Asylberechtigter und Flüchtling erging die Ausweisungsverfügung jedoch als Ermessensentscheidung (§§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3, 4 und 5, Satz 5 AufenthG, 55 AufenthG, Art. 6 Abs. 1 GG, 8 EMRK). Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle es sich um Vereinigungen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Aktivitäten des Klägers wie insbesondere das Eintreiben von Spenden, der Verkauf der PKK-Zeitung Serxwebun und auch die ständige Teilnahme an Veranstaltungen der PKK bzw. PKK-naher Vereine seien als Unterstützung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Dabei sei auch von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit auszugehen. Schließlich seien bis weit ins Jahr 2011 Unterstützungshandlungen nachgewiesen. Dem Interesse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet, das sich aus den bestehenden persönlichen und familiären Bindungen ergebe, werde durch Duldungen (d.h. eine Aussetzung der Abschiebung ohne Aufenthaltstitel) Rechnung getragen werden.
Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.08.2012 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde dargelegt: Der Umstand, dass der Kläger durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK verurteilt worden sei, rechtfertige ohne weiteres die Annahme einer relevanten Unterstützungstätigkeit, wenn diese Tätigkeiten nicht sogar auf eine Zugehörigkeit zur Organisation selbst hinwiesen. Des Weiteren stelle jedenfalls der regelmäßige, über Jahre erfolgte häufige Besuch der dem Kläger vorgehaltenen Veranstaltungen, insbesondere wenn es sich um so genannte Märtyrergedenkveranstaltungen und Feiern zum Jahrestag der Gründung der PKK handle, eine relevante Unterstützungstätigkeit dar. Durch das Einsammeln der Spenden und deren Weiterleitung habe der Kläger die PKK sogar in qualifizierter Weise unterstützt.
Auf den vom Kläger gestellten Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28.11.2012 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zugelassen.
Der Kläger bestreitet, dass es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung handelt. Jedenfalls habe er diese nicht unterstützt. Außerdem seien die für ihn als anerkannten Flüchtling geltenden Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, Art. 21 und Art. 24, nicht berücksichtigt worden. Eine Ausweisung setze nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie voraus, dass der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen sei. Solche wären nur zu bejahen, wenn er eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt hätte. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, auch nicht mit Blick auf seine strafrechtliche Verurteilung wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot. Dieser lägen Vorgänge aus den Jahren 2005 und 2006 zugrunde. Ob von ihm - unterstellt die vom beklagten Land behaupteten Aktivitäten träfen zu - eine aktuelle Gefährdung, ausginge, sei weder überprüft noch festgestellt worden. Die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG seien schon deshalb eindeutig nicht erfüllt, weil die danach erforderlichen „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ schwerwiegendere Gründe als die in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie genannten Gründe voraussetzten. Diesbezüglich sei zur Auslegung auf Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - abzustellen.
10 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 04.04.2013 hat der Kläger erklärt, er habe die ihm im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zur Last gelegte Straftat nicht begangen und auch nie eingeräumt. Er sei Kurde und sehe sich als "progressiver Kurde", weshalb er sich verpflichtet fühle, an Newroz-Festen, Demonstrationen und Veranstaltungen von Kurden teilzunehmen. Als Kurde möge er die PKK; er stehe hinter ihr. Er sei aber kein "PKK'ler". Zu letzteren zähle er die Personen, die in den Bergen gegen den Feind kämpfen. Veranstaltungen in Gedenken an die PKK, wie zum Beispiel zum Jahrestag ihrer Gründung, seien für ihn persönlich zwar nicht wichtig. Wenn es aber "für das Volk" wichtig sei, dass er daran teilnehme, könne es sein, dass er das auch mache. Feiern aus Anlass des Geburtstages von Öcalan seien nicht verboten und für ihn persönlich "schon wichtig". An Märtyrergedenkveranstaltungen nehme er teil, wenn es ihm danach sei. Wenn in den Räumen des kurdischen Vereins Versammlungen durchgeführt worden seien, sei er hingegangen. Es habe sich immer um erlaubte Veranstaltungen gehandelt. Als Vorstandsmitglied des kurdischen Vereins in Bielefeld Anfang der 1990-er Jahre habe er lediglich die Aufgabe gehabt, die Einkäufe für den Verein zu erledigen. Nach dem Verbot der PKK habe es deshalb bei ihm zu Hause eine Razzia gegeben und er sei auch angeklagt worden. Später habe er keine Aufgaben mehr übernommen. Nach seinem Umzug nach Mannheim 2002 sei er zwar zunächst noch Mitglied des örtlichen Kulturvereins der Kurden gewesen, nach Verlegung des Vereinssitzes in die benachbarte Stadt Ludwigshafen aber nicht mehr. Wegen der mit der Ausweisungsverfügung gegen ihn verhängten Beschränkung seines Aufenthalts auf die Stadt Mannheim sei er auch nicht mehr dorthin gegangen, früher habe er sich einmal die Woche, manchmal auch täglich, in den Vereinsräumen aufgehalten. Seine Reise in den Irak sei für ihn wie eine "Pilgerreise" gewesen. Dies habe er unter anderem deshalb so empfunden, weil dort sogar Staatsbedienstete wie Polizisten, Richter usw. kurdischer Volkszugehörigkeit seien. Mit einem Neffen sei er überall unterwegs gewesen. Bewaffnete Personen wie die, mit denen er sich auf Fotos habe ablichten lassen, gebe es dort überall.
11 
Das beklagte Land verteidigt den angegriffenen Ausweisungsbescheid. Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 21 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG stünden einer Ausweisung nicht entgegen. Der Kläger sei schließlich rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen verurteilt worden. Den Urteilsgründen des Strafurteils sei zu entnehmen, dass er in den Jahren 2005 und 2006 in Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen sei. Durch das Sammeln von Spenden habe er nicht nur die Strukturen der PKK in Deutschland gestärkt, sondern darüber hinaus auch die kämpfende PKK in der Türkei, die sich unter anderem durch die Spenden ihrer Anhänger finanziere, im Vorfeld qualifiziert unterstützt. Die Ausübung der genannten Tätigkeiten und die gehobene Funktion des Klägers im Raum Mannheim verdeutlichten seine strukturelle Einbindung in die Organisation, durch welche er das Gefährdungspotential der PKK mittrage. Dem stehe nicht entgegen, dass seine Verurteilung schon mehrere Jahre zurückliege. Selbst wenn er seither nicht mehr für das Sammeln von Spenden zuständig sei, belege doch die in den darauffolgenden Jahren weiterhin erfolgte regelmäßige Teilnahme an zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen der PKK das Fehlen der inneren und äußeren Abkehr von der PKK und deren Zielen.
B)
12 
Der Rechtsstreit ist in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO auszusetzen und es ist eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen (Art. 267 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AEUV).
I.
13 
Die für die Erörterung der Vorlagefragen maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
14 
1. Völkerrecht und Unionsrecht
15 
a) Genfer Flüchtlingskonvention
16 
(Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951; GFK)
17 
Artikel 28 - Reiseausweise
18 
1. Die vertragschließenden Staaten werden den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise ausstellen, die ihnen Reisen außerhalb dieses Gebietes gestatten, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen; …
19 
Artikel 32 - Ausweisung
20 
1. Die vertragschließenden Staaten werden einen Flüchtling, der sich rechtmäßig in ihrem Gebiet befindet, nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausweisen.
21 
Artikel 33 - Verbot der Ausweisung und Zurückweisung
22 
1. Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.
23 
2. Auf die Vergünstigung dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.
24 
b) Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ)
25 
Artikel 21
26 
(1) Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen.
27 
c) Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 304 vom 30.09.2004, S. 12; im folgenden RL 2004/83/EG bzw. "Richtlinie“)
28 
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
...
29 
in Erwägung nachstehender Gründe:
30 
...
(6) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie ist es einerseits, ein Mindestmaß an Schutz in allen Mitgliedstaaten für Personen zu gewährleisten, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass allen diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
31 
(7) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Anerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Asylbewerbern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht, einzudämmen.
32 
(22) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, “dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“ und “dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“.
...
33 
(28) Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
34 
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
35 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
36 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
37 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
38 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
39 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
40 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
41 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
42 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
43 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
44 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
45 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
46 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
47 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
48 
d) Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 337 vom 20.12.2011, S. 9, im Folgenden RL 2011/95/EU)
49 
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
50 
in Erwägung nachstehender Gründe:
51 
...
(12) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie besteht darin, einerseits zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien zur Bestimmung der Personen anwenden, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
52 
(13) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Zuerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, zwischen Mitgliedstaaten einzudämmen, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht.
...
53 
(31) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, dass die "Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und dass die "wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen".
...
54 
(37) Der Begriff der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
55 
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
56 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
57 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
58 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
59 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
60 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
61 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
62 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
63 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
64 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
65 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
66 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
67 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
68 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, und ihren Familienangehörigen einen verlängerbaren Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr und im Fall der Verlängerung mindestens zwei Jahre gültig sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
69 
e) Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77, ber. ABl. L 229 vom 29.06.2004, S. 35; im Folgenden RL 2004/38/EG)
70 
Artikel 28 - Schutz vor Ausweisung
71 
...
(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie
72 
a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder
b) minderjährig sind, es sei denn, ...
73 
2. Nationales Recht:
74 
a) Aufenthaltsgesetz (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 30.07.2004, BGBl. I 1950, in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.02.2008, BGBl. I, S. 162, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 15.02.2013, BGBl. I, S. 254; AufenthG)
75 
§ 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot
76 
(1) Ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, darf nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Wirkungen werden auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Die Frist beginnt mit der Ausreise. …
(2) ...
77 
§ 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen
78 
(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.
79 
(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat (§ 3 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes). Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
...
80 
(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann abweichend von § 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist...
81 
§ 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen
82 
(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:
83 
...
5. Ausweisung des Ausländers,
84 
§ 54 Ausweisung im Regelfall
85 
Ein Ausländer wird in der Regel ausgewiesen, wenn
1. ...
...
86 
5. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen,
87 
§ 54a Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit
88 
(1) Ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. …
89 
(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.
90 
§ 55 Ermessensausweisung
91 
(1) Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.
92 
(2) Ein Ausländer kann nach Absatz 1 insbesondere ausgewiesen werden, wenn er ...
93 
(3) Bei der Entscheidung über die Ausweisung sind zu berücksichtigen
94 
1. die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet,
2. die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen oder Lebenspartner des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft leben,
3. die in § 60a Abs. 2 und 2b genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung.
95 
§ 56 Besonderer Ausweisungsschutz
96 
(1) Ein Ausländer, der
97 
1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
1a. eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt,
2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 bis 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4. mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
5. als Asylberechtigter anerkannt ist, im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt oder einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, genießt besonderen Ausweisungsschutz. Er wird nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegen in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor. Liegen die Voraussetzungen des § 53 vor, so wird der Ausländer in der Regel ausgewiesen. Liegen die Voraussetzungen des § 54 vor, so wird über seine Ausweisung nach Ermessen entschieden.
98 
§ 60 Verbot der Abschiebung
99 
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurden.
100 
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes erfüllt.
101 
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden.
102 
§ 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
103 

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn…
...
104 
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
105 
b) Vereinsgesetz
106 
(Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 05.08.1964, BGBl. I 1964, S. 593; VereinsG)
107 
§ 18 Räumlicher Geltungsbereich von Vereinsverboten
108 
Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes keine Organisation, so richtet sich das Verbot (§ 3 Abs. 1) gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich.
109 
§ 20 Zuwiderhandlungen gegen Verbote
110 
(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit
111 
...
4. einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5. ...,
112 
wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ ….… des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist.
II.
113 
Zu den im Beschlusstenor angeführten Fragen - welche noch nicht Gegenstand von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs waren - ist eine Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV einzuholen, weil diese entscheidungserheblich sind und der Klärung bedürfen.
114 
Gemessen an den Bestimmungen des nationalen Rechts kann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen, weil die Ausweisung und die mit ihr verfügte Aufenthaltsbeschränkung sowie die Meldeauflage danach als rechtmäßig zu beurteilen sind (dazu unter 1.). Es kommt daher darauf an, ob Unionsrecht - hier Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 oder Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG - einer Ausweisung des Klägers entgegensteht (2.)
115 
1. Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Akten und Unterlagen sowie der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Sachverhalt und die nationale Rechtslage - ohne Berücksichtigung von Art. 21 oder 24 RL 2004/83/EG - derzeit (maßgeblich wäre letztlich der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Senats über das Berufungsverfahren) wie folgt zu beurteilen wären:
116 
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG sind gegeben (a). Die Ausweisung lässt sich nach nationalem Recht auch insgesamt rechtlich nicht beanstanden, insbesondere liegen keine Ermessensfehler vor (b). Danach wären die räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Klägers und die ihm gegenüber verfügte Meldeauflage ebenfalls rechtmäßig (c).
117 
a) Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG liegt vor.
118 
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris, Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, jew. m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16.02.2012 - AK 1/12 und 2/12 - juris) sind die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris) und ändert nichts an deren bislang grundsätzlich weiter bestehenden Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei. Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP - ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2012/765/GASP des Rates vom 10.12.2012, ABl. EU L 337 vom 11.12.2012, S. 50). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09, B. und D. - Slg. 2010, I-10979, = juris).
119 
Zwar hat Abdullah Öcalan im März dieses Jahres eine Waffenruhe verkündet, die das Ergebnis von Verhandlungen mit dem türkischen Geheimdienst sein soll. Diese ist dann von der PKK tatsächlich ausgerufen worden. Inzwischen hat nach Medienberichten der Abzug von PKK-Kämpfern aus der Türkei bereits begonnen; er soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. Allein deshalb kann aber noch nicht angenommen werden, die PKK wäre nicht mehr als terroristische Organisation anzusehen. Schließlich gab es auch in der Vergangenheit entsprechende Erklärungen, die zu keiner wesentlichen Änderung auf Dauer geführt haben. So wurde ein 1999 ausgerufener „Friedenskurs“ 2004 wieder beendet. Selbst in der Zwischenzeit hatte die PKK nicht auf Gewalt verzichtet.
120 
Der Senat ist auch der Überzeugung, dass der Kläger die PKK unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die von ihm ausgeübten Aktivitäten zur Unterstützung haben dabei sicherlich unterschiedliches Gewicht und unterschiedliche Qualität. Von besonderer Bedeutung ist das "Sammeln" bzw. "Eintreiben" und das Weiterleiten von Spenden für die PKK aus vier Bezirken des Raums Mannheim in den Jahren 2005 und 2006. Der Senat folgt insoweit den Feststellungen des Landgerichts Karlsruhe im Strafurteil vom 03.12.2008. Danach war der Kläger zwar nicht in einer Führungsposition, etwa als Gebiets- oder Raumverantwortlicher, für die PKK aktiv, er hatte aber jedenfalls eine besondere Stellung inne, welche einen aktiven Einsatz auch nach außen hin erforderte. Schließlich mussten die Spenden regelmäßig einkassiert und gegebenenfalls eingefordert werden. Die Spendenkampagnen sind für die PKK von großer Bedeutung, was dem Kläger bekannt war. Hinzu kommt der Verkauf der PKK-Zeitschrift Serxwebun. Länger zurück liegen die Aktivitäten des Klägers in Bielefeld als Vorstandsmitglied eines später verbotenen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre. Diese sowie die regelmäßige Teilnahme an diversen PKK-nahen Veranstaltungen, auf welche sich der Kläger auch in seinen Asylverfahren berufen hat, zeigen aber, dass er seit seiner Einreise nach Deutschland durchgehend für die PKK aktiv war. Auch der bloße Besuch der angeführten Feiern bzw. Versammlungen mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan sowie so genannte "Märtyrergedenkfeiern" und "Volksversammlungen" (vgl. zu letzteren genauer Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - a.a.O.) fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger. Diese Veranstaltungen haben schon von ihrem Anlass bzw. ihrer Thematik her für die Besucher erkennbar den Charakter einer Propagandaveranstaltung für die PKK und werden auch entsprechend inszeniert. Die durch eine Teilnahme an solchen besonderen Veranstaltungen ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung und Ansehen in der Gesellschaft, namentlich unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, damit ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Sie kann daher - auch in Ansehung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit - als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung anzusehen sein (vgl. dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - sowie Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, jew. a.a.O. und m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.01.2013 - 11 S 1581/12 - juris). Davon ist hier in Anbetracht der Vielzahl von einschlägigen Veranstaltungen, die der Kläger im Laufe von mittlerweile über zwei Jahrzehnten besucht hat, auszugehen. Er hat in der mündlichen Verhandlung zudem deutlich gemacht, dass es ihm tatsächlich darum geht, die PKK zu unterstützen, und dass er sich verpflichtet fühlt, an entsprechenden Veranstaltungen teilzunehmen. Soweit er vorgetragen hat, er sei kein "PKK'ler", das seien doch nur die Kämpfer in den Bergen, und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach nicht darauf an, ob die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre oder ob die Veranstaltung, um deren Besuch es geht, verboten wurde (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O., m.w.N.). Abgesehen davon hat sich der Kläger unter anderem wegen des Einsammelns und Weiterleitens von Spenden für die PKK sogar strafbar gemacht.
121 
Vor dem Hintergrund der langjährigen Aktivitäten des Klägers kann auch nicht allein aus der Tatsache, dass er inzwischen weniger - und seit Ergehen der Ausweisungsverfügung am 27.03.2012 kaum mehr - an entsprechenden Veranstaltungen teilnimmt, geschlossen werden, dass er nicht mehr als Unterstützer der PKK anzusehen wäre. Es ist im Gegenteil bezeichnend, dass er selbst nach der Durchsuchung seiner Wohnung wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz am 10.01.2007 und während des daran anschließenden Strafverfahrens und selbst noch nach Hinweis durch das Regierungspräsidium in einem Schreiben vom 09.10.2009, dass seine Ausweisung geprüft werde, weiter PKK-nahe Veranstaltungen besucht hat. Seit Erlass des Ausweisungsbescheids vom 27.03.2012 ist zudem sein Aufenthalt aufgrund der darin unter Ziffer 2 verfügten sofort vollziehbaren Anordnung auf den Stadtbezirk Mannheims beschränkt. Dies ist seinen Angaben nach auch der Grund dafür, dass er nicht einmal mehr den kurdischen Verein in Ludwigshafen besucht. In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass der Kläger sich lediglich mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und seine Aktivitäten andernfalls zumindest mit dem Besuch von Veranstaltungen der geschilderten Art fortsetzen bzw. wieder aufgreifen würde. Es ist daher davon auszugehen, dass er auch künftig die PKK nachhaltig unterstützen wird.
122 
b) Die Ausweisung ist - bei einer Beurteilung rein nach nationalem Recht - auch im Übrigen rechtmäßig.
123 
Unter anderem wegen seiner Rechtsstellung als anerkannter Asylbewerber und als Flüchtling sowie der bestehenden familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern deutscher Staatsangehörigkeit (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 und 5 AufenthG) genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier in Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, nicht gegeben. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§§ 56 Abs. 1 Satz 5, 55 AufenthG). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung insbesondere als verhältnismäßig anzusehen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Kläger Deutschland nicht - als Folge der Ausweisung - verlassen müsste, sondern jedenfalls weiter geduldet würde.
124 
c) Damit liegen auch die Voraussetzungen für Maßnahmen zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit nach § 54a Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG vor. Die Verpflichtung des Klägers unter Ziffer 2 des Bescheids vom 27.03.2012, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, beruht auf § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG; die Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim folgt aus § 54a Abs. 2 AufenthG.
125 
2. Es ist aber weiter zu prüfen, ob - und gegebenenfalls in welcher Weise - die nach nationalem Recht bei der Ausweisung eines Flüchtlings geltenden Voraussetzungen durch vorrangiges Unionsrecht modifiziert werden. Das würde hier bedeuten, dass der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG mit Blick auf Unionsrecht gegebenenfalls abweichend - unionsrechtskonform - auszulegen ist.
126 
Vorab ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass die Ausweisung des Klägers nicht an Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation zu messen ist. Da der Kläger nie einer Arbeit nachgegangen ist, hat er auch keine Rechtsstellung nach Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses erworben.
127 
Als unionsrechtlicher Prüfungsmaßstab für die Ausweisung des Klägers als anerkannter Flüchtling kommen die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bzw. die entsprechenden Nachfolgevorschriften der Richtlinie 2011/95/EU in Betracht. Der Senat ist der Überzeugung, dass die Voraussetzungen des - auf die Ausweisung anzuwendenden - Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind (dazu unter a). Deshalb stellen sich die Vorlagefragen (b).
128 
a) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG ist auch bei der Ausweisung eines Flüchtlings nach deutschem Recht anwendbar (aa). Dessen Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor (bb).
129 
aa) Gemäß Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG achten die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Nach Absatz 2 der Regelung kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Gemäß Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
130 
Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gilt auch für Fälle, in denen der einem Flüchtling erteilte Aufenthaltstitel vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 RL 2004/83/EG) oder sogar vor deren Inkrafttreten am 20.10.2004 erteilt worden ist. Art. 21 RL 2004/83/EG enthält - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 RL 2004/83/EG bezüglich Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie gestellt werden - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass dessen Anwendbarkeit bei bereits erteilten Aufenthaltstiteln ausgeschlossen wäre. Auf die Frage, ob bereits auf die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, welche am 09.01.2012 in Kraft getreten ist (vgl. dazu deren Art. 41 Abs. 1), abzustellen ist, kommt es nicht an, weil Art. 21 unverändert geblieben ist (soweit im Folgenden auf Art. 21 RL 2004/83/EG abgestellt wird, gelten die entsprechenden Ausführungen daher ebenso bezüglich Art. 21 RL 2011/95/EU).
131 
Eine Ausweisung nach deutschem Recht führt nicht zwingend zu einer Abschiebung des Betreffenden und damit auch nicht zu einer "Zurückweisung" im Sinne des Art. 21 Abs. 1 und 2 RL 2004/83/EG, sie kann daher nicht unmittelbar gegen den in Absatz 1 angeführten Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass er unter anderem wegen der familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern, von denen einige die deutsche Staatsangehörigkeit haben, (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK) und wegen seines Status als anerkannter Asylbewerber und Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) nicht abgeschoben werden darf und soll.
132 
Auf eine Ausweisung finden jedoch die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG über die Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln bei Flüchtlingen Anwendung. Dies folgt daraus, dass nach nationalem Recht (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) eine Ausweisung ohne Weiteres das Erlöschen des dem Betreffenden erteilten Aufenthaltstitels, hier der Niederlassungserlaubnis des Klägers, zur Folge hat. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG wird diesem auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein (neuer) Aufenthaltstitel erteilt (vgl. auch § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Sie hat außerdem Folgen für den Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten, die nach deutschem Recht in der Regel an das Bestehen eines Titels (vgl. §§ 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 AufenthG, 4 Abs. 2 und 3 AufenthG) und nicht wie nach Art. 26 ff. RL 2004/83/EG an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft anknüpfen. Das beklagte Land geht im Übrigen davon aus, dass dem Kläger - sollte die Ausweisung rechtskräftig werden - jedenfalls vorerst kein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, sondern dass er lediglich einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, also auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung hat. Diese lässt die Ausreisepflicht unberührt (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Aus alledem folgt nach Auffassung des Senats, dass die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht der Beendigung eines Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gleichzustellen ist.
133 
bb) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG lässt jedoch im vorliegenden Fall nicht die Beendigung des Aufenthaltstitels - und damit in letzter Konsequenz auch nicht eine Ausweisung - zu. Erforderlich wäre danach, dass "Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet". Dieser Verweis auf den zweiten Absatz bedeutet, dass die Aufhebung bzw. die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels voraussetzt, dass eine Zurückweisung des betreffenden Flüchtlings nicht nach völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt wäre (siehe dazu den Vorbehalt des Einleitungssatzes "sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist") und dass die in den Buchstaben a oder b des Art. 21 Abs. 2 RL der Richtlinie genannten Gefahren gegeben sind (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris). Hier fehlt es schon am Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder b RL 2004/83/EG.
134 
Diese entsprechen im Wesentlichen den in Art. 33 Abs. 2 GFK enthaltenen Voraussetzungen für eine Durchbrechung des völkerrechtlichen Refoulement-Verbots (vgl. dazu Battjes in: Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, Ch. IV.3. Council Directive 2004/83/EC, Art. 21 Rn. 11). Art. 33 Abs. 1 GFK untersagt die Ausweisung oder Zurückweisung eines Flüchtlings über die Grenzen von Gebieten, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach Absatz 2 kann sich auf die Vergünstigung jedoch ein Flüchtling nicht berufen, "der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde". Die Parallelen zwischen den Ausnahmetatbeständen beider Vorschriften zeigen, dass nicht nur eine Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG, sondern auch die Versagung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels nur unter den Voraussetzungen zulässig ist, welche auch die Zurückschiebung eines Flüchtlings in das "Verfolgerland" ermöglichen würden, also nur bei "schwerwiegenden Gründen". Im Übrigen finden sich die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG auch in Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten einem Flüchtling die ihm zuerkannte Rechtsstellung (als Flüchtling) wieder aberkennen, beenden oder ihre Verlängerung ablehnen (Abs. 4), gegebenenfalls die Rechtsstellung von vornherein nicht zuerkennen (Abs. 5), wenn eine der angeführten Gefahren gegeben ist. Auch dies verdeutlicht, dass es sich um besonders gravierende Gefahren handeln muss. Zurückweisung und Ausschluss vom bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus können nur "ultima ratio" sein (vgl. zu Art. 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl 2012, § 37 Rn. 54; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 17.12 - juris). Bei der Gefahr für die Allgemeinheit gelten nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und in Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2004/83/EG mit dem Erfordernis der Verurteilung des Betreffenden wegen "eines besonders schweren Verbrechens" - jedenfalls dem Wortlaut nach - sogar höhere Anforderungen als gemäß Art. 33 Abs. 2, 2. Alternative GFK, wonach eine Verurteilung wegen "eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens" genügt.
135 
Offen bleiben kann hier, ob der Umstand, dass in der deutschen Fassung des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und des Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG nicht "schwerwiegende Gründe" wie in Art. 33 Abs. 2 GFK, sondern lediglich "stichhaltige Gründe" gefordert werden, bedeutet, dass ein geringeres Maß an Überzeugungsgewissheit erforderlich ist (vgl. dazu die englischen Fassungen dieser Bestimmungen: Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”). Mit Blick auf Art. 33 GFK, welcher zwingende Vorgaben für das Refoulement-Verbot und seine Ausnahmen enthält und in Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG aufgegriffen wird, dürften allerdings nicht nur an das Ausmaß der Gefahr, sondern auch an deren Nachweis insgesamt dieselben Anforderungen zu stellen sein wie im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GFK (a.A. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Letztlich kommt es aber hier auf diese Frage nicht an.
136 
Denn selbst wenn man insofern von einer Absenkung des erforderlichen Beweismaßes ausginge, sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht erfüllt. Der vom Kläger begangene Verstoß gegen das Vereinsgesetz, der zu seiner Verurteilung mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen geführt hat, ist ersichtlich nicht als "besonders schwere Straftat" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG anzusehen. Es bestehen aber auch keine "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie bzw. dass er aus "schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes" anzusehen ist im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GFK.
137 
Bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GFK, Art. 14 Abs. 4 und Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten - in bestimmten Grenzen - den Begriff der "Sicherheit" nach dem jeweiligen eigenen Recht selbst definieren, weil auf die Sicherheit des eigenen Staates abzustellen ist und diese im Völkerrecht nicht abschließend festgelegt werden kann (vgl. dazu und zum folgenden: Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich jedenfalls um eine sehr große Gefahr handeln (Marx, a.a.O., § 35 Rn. 182, § 37 Rn. 51, § 54 Rn. 4, m.w.N.). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87). Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 60 Abs. 8 AufenthG von der Möglichkeit der Verweigerung bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus Gebrauch gemacht (vgl. auch § 3 Abs. 4 AsylVfG). Die diesbezügliche Rechtsprechung kann daher zur Auslegung der Voraussetzungen herangezogen werden.
138 
Danach kann die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des Ausweisungstatbestands des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht ausreichen; vielmehr muss sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Stichhaltige bzw. schwerwiegende Gründe liegen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetzt. Vielmehr müssen bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigen, das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK zurücktreten zu lassen. Das ist typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine terroristische Vereinigung bzw. eine Vereinigung, welche den Terrorismus unterstützt, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt. Das kann sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintritt oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mitträgt. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend ist, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lässt sich nicht ab- strakt beantworten, sondern hängt von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt wird (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 30.03.1999 - 9 C 31.98 - juris, zu § 51 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990; Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.).
139 
Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine Aufhebung des Aufenthaltstitels des Klägers und damit seine Ausweisung nicht unter Verweis auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG rechtfertigen. Es bedarf schon genauerer Prüfung, ob tatsächlich noch von einer Gefahr für die (innere und äußere) Sicherheit des deutschen Staates durch Unterstützung der PKK auszugehen sein kann, obwohl diese in den letzten Jahren terroristische Mittel fast überwiegend nur in der Türkei angewandt hat. Abgesehen davon hat der Kläger aber jedenfalls weder selbst Gewalt ausgeübt noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Wie dargelegt, hat er zwar die PKK Anfang der 1990-er Jahre durch die Übernahme einer Vorstandstätigkeit in einem PKK-nahen Verein in Bielefeld, in den Jahren 2005 sowie 2006 durch das Einsammeln von Spenden und das Verkaufen von Zeitschriften sowie ständig durch den Besuch von PKK-nahen Veranstaltungen unterstützt. Der Senat geht aber davon aus, dass der Kläger 2005 und 2006 lediglich vorübergehend wieder eine wichtigere Funktion übernommen hat und nicht weitreichend und vor allem nicht über einen längeren Zeitraum in die Hierarchieebenen der PKK eingebunden war. Schließlich war er nach den Feststellungen im Strafurteil vom 03.12.2008 selbst in der Zeit des Einsammelns von Spenden lediglich unterhalb des Raumverantwortlichen aktiv. Er kann daher nicht - jedenfalls nicht mehr - als ein "Funktionär" der PKK angesehen werden. Bezeichnend ist auch, dass es trotz der dem Senat aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannten engen Überwachung der örtlichen kurdischen Vereine und ihres Umfelds durch das Landesamt für Verfassungsschutz - abgesehen von der Teilnahme an Veranstaltungen - keinerlei Hinweise auf weitere Aktivitäten des Klägers für die PKK bzw. ihr Umfeld gibt. Vor allem in Anbetracht der verstrichenen Zeit seit seiner Betätigung als Spendensammler 2005 und 2006 kann daher derzeit nicht (mehr) von einer gegenwärtigen Gefährdung der Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ausgegangen werden.
140 
b) Damit bedürfen die Vorlagefragen der Klärung durch den Europäischen Gerichtshof. Da die Voraussetzungen für die in Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG eingeräumte Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung der einem Flüchtling erteilten Aufenthaltserlaubnis hier nicht vorliegen, sind zunächst der Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie (aa, Vorlagefragen 1) und gegebenenfalls dessen Voraussetzungen (bb, Vorlagefragen 2) zu klären. Sollte die Regelung keine Anwendung finden auf die Aufhebung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels, stellt sich die Frage, ob eine solche unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist (cc, Vorlagefrage 3).
141 
aa) Vorlagefragen 1
142 
Mit diesen beiden Fragen soll geklärt werden, ob die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels auch bei der Beendigung von Aufenthaltstiteln - und damit für die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht - Anwendung findet, und ob diese gegebenenfalls dahingehend auszulegen ist, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels einer betreffenden Person entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegeben sind.
143 
Zunächst ist festzustellen, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch auf Fälle Anwendung findet, in denen die Flüchtlingsanerkennung vor Geltung dieser Vorschrift erfolgt ist (vgl. dazu oben 2 a) aa)). Derzeit ist noch nicht auf die Neufassung des Art. 24 - in der Fassung der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - abzustellen. Denn diese gilt gemäß Art. 41 Abs. 2 RL 2011/95/EU erst ab dem 22.12.2013. Letztlich kommt es darauf hier aber nicht entscheidend an. Die Vorlagefragen stellen sich ebenso unter Geltung der Richtlinie 2011/95/EU. Denn die beiden Fassungen des ersten Unterabsatzes unterscheiden sich lediglich dadurch, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG an die Zuerkennung des "Schutzstatus" und die geänderte Fassung der Richtlinie 2011/95/EU an die Zuerkennung des "internationalen Schutzes" anknüpft und dass in der älteren Fassung auf die Personen abgestellt wird, denen die "Flüchtlingseigenschaft" zuerkannt worden ist, während in der neuen der Begriff "Flüchtlingseigenschaft" durch "Flüchtlingsstatus" ersetzt wurde. Die materiellen Anforderungen haben sich damit nicht geändert. Abgesehen davon sind in der deutschen Fassung offensichtlich nur Übersetzungsungenauigkeiten beseitigt worden: Der letzte Halbsatz des Absatz 1 Unterabsatz 1 (ebenso in Absatz 3) in der Veröffentlichung in deutscher Sprache (ABl. L 304 vom 30.09.2004, S. 12, in der Fassung der Berichtigung, ABl. L 204 vom 05.08.2005, S. 24) lautete "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen" statt - wie in der neuen Fassung - "es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen" (so aber schon in der englischen Fassung 2004: "unless reasons of compelling national security or public order otherwise reqire", ebenso z.B. in der spanischen, der französischen, der italienischen und der niederländischen Fassung).
144 
Art. 24 RL 2004/83/EG enthält keine ausdrückliche Bestimmung über die Beendigung oder Aufhebung von Aufenthaltstiteln. Dessen Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus (RL 2004/83/EG) - bzw. des internationalen Schutzes (RL 2011/95/EU) - und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel auszustellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (RL 2004/83/EG) - bzw. der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung (RL 2011/95/EU) - dem entgegenstehen. Unterabsatz 2 enthält Regelungen für Familienangehörige, Absatz 2 eine Absatz 1 Unterabsatz 1 entsprechende Verpflichtung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, mit dem Unterschied, dass nicht auf - den nicht für diesen Personenkreis geltenden - Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG verwiesen wird und dass der Aufenthaltstitel eine Geltungsdauer von lediglich einem Jahr enthalten muss. Die Vorschrift bezweckt neben der "Gewährleistung eines Mindestmaßes an Schutz" für "Personen, die tatsächlich Schutz benötigen", die Sicherstellung, dass diesen "ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird" (Erwägungsgrund 6 der RL 2004/83/EG, 12 der RL 2011/95/EU). Dazu gehört die Sicherung des Aufenthaltsstatus von Personen mit internationalem Schutz. Außerdem zielt die Richtlinie auf eine weitgehende Angleichung der Stellung von Flüchtlingen und von Personen mit subsidiärem Schutzstatus (vgl. Erwägungsgrund 7 der RL 2004/83/EG, 13 der RL 2011/95/EU).
145 
Der Senat ist der Auffassung, dass aus der in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG normierten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, anerkannten Flüchtlingen einen mindestens drei Jahre gültigen Aufenthaltstitel zu erteilen, auch das Verbot abzuleiten ist, diesen Aufenthaltstitel bzw. einen bereits bestehenden wieder aufzuheben, ohne dass einer der normierten Gründe gegeben ist, bei deren Vorliegen bereits die Erteilung abgelehnt werden kann. Neben den in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie angeführten zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gehört dazu der Tatbestand des Art. 21 Abs. 3, auf welchen mit dem Vorbehalt des Art. 24 Abs. 1 Unterabsatz 1 „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ explizit verwiesen wird.
146 
Für eine entsprechende Anwendung spricht mit Blick auf das Ziel der Sicherstellung eines "Mindestniveaus von Leistungen" für anerkannte Flüchtlinge schon die grundsätzliche Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Vor allem ist zu bedenken, dass es - neben Art. 21 Abs. 3 RL der Richtlinie - bei bereits erteiltem Titel die Möglichkeit der Aufhebung bzw. Beendigung des Aufenthaltstitels bei Vorliegen der Ausschlusstatbestände der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" geben muss. Schließlich kann es vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Ziel der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn es im letzteren Fall keine Möglichkeit der Aufhebung eines bereits erteilten Titels gäbe. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die maßgeblichen Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden.
147 
Etwas anderes würde zwar gelten, wenn "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" immer voraussetzen würden, dass auch die Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG gegeben sind, also nur einen Unterfall der "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Betreffende eine Gefahr für die Sicherheit oder die Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt," bildeten. Denn dann bestünde kein Bedürfnis für eine entsprechende Auslegung, weil der Aufenthaltstitel gegebenenfalls aufgrund der Ermächtigung in Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie aufgehoben werden könnte. Die Beantwortung der Fragen unter 1 kann daher auch davon abhängen, wie die Fragen unter 2 zur Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie beantwortet werden. Abgesehen davon, dass der Senat der Auffassung ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG hier keine höhere Gefahrenschwelle voraussetzt als der der "stichhaltigen bzw. schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK (vgl. dazu unten zu Vorlagefragen 2), zeigt schon die Verwendung des Begriffs "öffentliche Ordnung", dass die Ausschlussgründe des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG weiter reichen als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie (vgl. dazu genauer unten im Folgenden).
148 
bb) Vorlagefragen 2
149 
Sollte der Europäische Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen, dass die unter 1 angeführten Vorlagefragen zu bejahen sind, stellen sich die unter 2 aufgelisteten zur Auslegung des in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung".
150 
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG ohnehin in den Fällen des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie nicht greifen kann, weil danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie abgelehnt werden kann. Dies wird mit der Einschränkung in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG "unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3" klargestellt. Die Nennung einer weiteren Ausnahme - der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" - dürfte aber wenig Sinn machen, wenn deren Voraussetzungen enger wären als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie. Dafür, dass die Ablehnung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 eher möglich sein soll als nach Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie, sprechen auch Inhalt und Zielsetzung der jeweiligen Regelungen. Bei Art. 21 RL 2004/83/EG geht es primär um den Schutz eines bereits anerkannten Flüchtlings vor Zurückweisung, also einer möglichen Überstellung in das Land, aus dem er wegen Verfolgung geflüchtet ist. Eine solche soll nur - ausnahmsweise - unter den in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie angeführten, Art. 33 Abs. 2 GFK nachgebildeten, Voraussetzungen möglich sein. Dass dann - nach Absatz 3 der Vorschrift - auch der Aufenthaltstitel aufgehoben bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt werden kann, ist lediglich eine folgerichtige Konsequenz der Ausnahmen vom Refoulement-Verbot. Hingegen zielt Art. 24 RL 2004/83/EG auf die Gewährleistung eines Aufenthaltstitels von drei (Abs. 1) bzw. einem Jahr (Abs. 2) für Personen mit zuerkanntem internationalem Schutz. Mit dieser Regelung wurde das erste Mal ein Anspruch anerkannter Flüchtlinge auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels festgelegt. Die Ausnahmen von der Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" erinnern an die des Art. 32 Abs. 1 GFK (vgl. auch Battjes, a.a.O., Art. 24 Rn. 6), nach welchem aus "Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Ausweisung eines Flüchtlings, der sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Staates aufhält, zulässig sein kann. "Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" können im Übrigen auch der Verpflichtung zur Erteilung eines Reiseausweises an Flüchtlinge nach Art. 28 Abs. 1 GFK entgegenstehen. Die mit dem Aufenthaltsstatus - oder auch mit der Frage der Erteilung eines Reiseausweises - verbundenen Fragen sind aber bei weitem nicht von einer derart existentiellen Bedeutung für den Flüchtling wie die, ob er sogar zurückgewiesen werden kann. In der Regel wird bei einem anerkannten Flüchtling allein eine bei Versagung eines Aufenthaltstitels folgende Illegalität des Aufenthalts nicht zu einer Abschiebung führen. Eine solche kommt allenfalls in wenigen Ausnahmefällen und nur in einen aufnahmebereiten Drittstaat in Betracht, welcher seinerseits aber das Refoulement-Verbot zu beachten hat. Dies zeigt auch der vorliegende Fall. Wie ausgeführt, soll und kann auch der Kläger nicht abgeschoben werden. Selbst wenn sein Aufenthaltstitel erlöschen und er derzeit keinen Anspruch auf Erteilung eines anderen Titels haben sollte, müsste er Deutschland nicht verlassen. Er hat nach nationalem Recht einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 AufenthG).
151 
Dafür, dass die Möglichkeiten der Versagung eines Aufenthaltstitel durch die Aufnahme des zusätzlichen Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie bestehenden Ausnahmetatbestände hinaus erweitert werden sollten, sprechen auch die Entstehungsgeschichte des Art. 24 der Richtlinie und deren Erwägungsgrund 28 (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). In der ersten Fassung des - noch vor den Terroranschlägen des 11.09.2001 erarbeiteten - Kommissionsentwurfs vom 12.09.2001 (KOM [2001] 510 endg; Ratsdok. 2001/027 (CNS); siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001) war lediglich die Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels, also ohne explizit geregelte Ausschlussgründe, vorgesehen. Der Vorbehalt "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen" wurde erst später, und zwar zunächst bei der Regelung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, in Absatz 2 (vgl. Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 -, damals Art. 21), dann auch für Absatz 1 Unterabsatz 1 (Ratsdokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -, dort Art. 22), vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang wurde in einer Fußnote zu der entsprechenden Formulierung in Absatz 2 angeführt: Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: "Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt". Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Ratsdokument vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -). Ab 2002 findet sich zudem der Vorbehalt hinsichtlich Art. 21 Abs. 3 (damals 19 Abs. 3; vgl. nur Art. 21 in der Fassung des Ratsdokuments vom 19.12.2002 - 15627/02 -; vgl. auch Dokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -). Die Absätze 2 und 3 des Art. 21 (damals Art. 19) waren bereits kurz zuvor vorgeschlagen worden (vgl. Ratsdokument vom 08.11.2002 - 13468/02 -).
152 
Die geschilderten Ergänzungen und Abänderungen der Richtlinie dürften vor dem Hintergrund der Terroranschläge des 11.09.2001 und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen sein. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 Buchst. a und c die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die Berücksichtigung der Folgen der Anschläge vom 11.09.2001 für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Richtlinie 2004/83/EG wurde zum Beispiel in einer Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002 ausdrücklich gefordert (ABl. EU C 278 vom 14.11.2002, S. 44). Mit diesem Ziel dürften auch weitere Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Richtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf erfolgt sein, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 RL 2004/83/EG und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 (entspricht Erwägungsgrund 31 der RL 2011/95/EU) auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
153 
Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass im Falle von Handlungen zur Unterstützung terroristischer Vereinigungen der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bereits bei Aktivitäten eines niedrigeren Profils mit einem geringeren Gefährdungspotential erfüllt sein kann als dies für die Annahme des Tatbestands der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" in Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie vorausgesetzt wird.
154 
Dabei wäre zunächst zu klären, ob in Anbetracht der Entstehungsgeschichte und mit Blick auf den Zweck der Regelungen nicht sogar anzunehmen ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe" für sich genommen - also ohne diesen in Beziehung zu setzen zu dem Schutzgut, um das es geht - trotz des dagegen sprechenden Wortlauts eine niedrigere Gefahrenschwelle erfordert als der der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG (vgl. dazu Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.; a.A. BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris, unter Verweis auf das Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Die Tatsache, dass die Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, und die Richtlinie 2004/83/EG am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar auf den ersten Blick nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen und entsprechend hohe Anforderungen zu stellen (vgl. zu Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG: EuGH, Urteile vom 23.11.2010 - C-145/09, Tsakouridis - Slg. 2010, I-11979, = juris, und vom 22.05.2012 - C-348/09 I. - juris). Dagegen sprechen aber schon die Unterschiede hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen, der jeweils verfolgten Ziele und der betroffenen Personen. Zudem stellt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG lediglich auf die öffentliche Sicherheit ab, während Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG als Schutzgut neben der öffentlichen Sicherheit auch die Ordnung anführt (vgl. dazu auch Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris). Vor allem geht es um unterschiedlich gravierende Eingriffe. Erlaubt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden," eine Ausweisung, führt das Vorliegen "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 RL 2004/83/EG lediglich zu der für die Betroffenen wesentlich weniger einschneidenden Rechtsfolge der Verweigerung oder des Entzugs des Aufenthaltstitels. Nach Auffassung des Senats ist der Begriff der zwingenden Gründe daher eigenständig und nicht durch Übernahme von Grundsätzen der Unionsbürgerrichtlinie zu entwickeln.
155 
Ungeachtet des Vorgesagten spricht vieles dafür, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" bzw. der "nationalen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG umfassender bzw. weiter zu verstehen ist als der der "Sicherheit des Mitgliedstaats" oder "der Sicherheit des Landes, in dem sich der Betreffende befindet" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK, mit anderen Worten, dass die bedrohten öffentlichen Interessen, die im Falle des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegen die Erteilung oder Aufrechterhaltung des Aufenthaltstitels streiten, von geringerem Gewicht sein können als dies Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie erfordert.
156 
Jedenfalls werden aber die Voraussetzungen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" deshalb eher zu bejahen sein, weil das geschützte Rechtsgut "öffentliche Sicherheit oder Ordnung" allein mit Blick auf die "öffentliche Ordnung" einen weiteren Anwendungsbereich hat als die Sicherheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder auch die Allgemeinheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG (welcher wiederum voraussetzt, dass der Betreffende wegen eine besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde). Dies folgt insbesondere auch aus dem Erwägungsgrund 28, welcher, wie ausgeführt, im Zusammenhang mit der Einfügung des auch in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/83/EG enthaltenen - für Flüchtlinge, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, geltenden - Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" gefasst wurde (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). Wenn danach "der Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auch für die Fälle gilt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt", soll es in diesen Fällen der Unterstützung des internationalen Terrorismus jedenfalls für die Frage der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr darauf ankommen, ob die Sicherheit des Mitgliedstaats in dem Sinne gefährdet ist, dass der Betreffende auch zurückgewiesen bzw. von vornherein von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen werden könnte (Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG, Art. 33 Abs. 2 GFK). Einer genauen Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals der öffentlichen bzw. nationalen Sicherheit von dem der öffentlichen Ordnung bedarf es daher mit Blick auf den Erwägungsgrund 28 der Richtlinie hier nicht. Eine entsprechend weitere Auslegung liegt im Übrigen nicht nur im (Sicherheits-)Interesse des Staates, in welchem sich der Betreffende aufhält, sondern auch in dem der anderen Mitgliedstaaten. Schließlich können sich gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen.
157 
Der Senat verkennt allerdings nicht, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch dahingehend verstanden werden könnte, dass bei Vorliegen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausnahmslos untersagt wird, während Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis ins Ermessen stellt. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Voraussetzungen für die Erfüllung des Ausschlussgrundes der "stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr für den Mitgliedstaat" eher anzunehmen sind als die der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG, könnte dann in der Einführung des Ausschlussgrundes des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG insofern eine Verschärfung zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus gesehen werden, als danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwingend ausgeschlossen wäre (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Zum einen erscheint es aber zweifelhaft, ob die Normierung einer Ausnahme ("es sei denn") von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Folge haben kann - und auch hier hat -, dass den Mitgliedstaaten damit die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen des Ausschlussgrundes gänzlich - und ohne jeden Ermessensspielraum - untersagt wird. Es spricht mehr dafür, dass darin die bloße Einschränkung der Verpflichtung des Mitgliedstaats bzw. des daraus folgenden Anspruchs eines betroffenen Flüchtlings zu sehen ist. Zum anderen erscheint eine solche Auslegung vor allem vor dem Hintergrund fernliegend, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" aus den angeführten Gründen weiter zu verstehen ist als die in den Ausschlussgründen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie genannten Schutzgüter.
158 
Von der Beantwortung der angeführten Fragen hängt ab, ob die Ausweisung des Klägers - und damit auch die gegen ihn aus Sicherheitsgründen verhängte Meldepflicht und die räumliche Beschränkung - wegen entgegenstehenden Unionsrechts als rechtswidrig anzusehen und daher aufzuheben ist. Teilt man das dargelegte weitere Verständnis des Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 2004/83/EG, wäre die Vorlagefrage 2a) zu bejahen. Denn dann könnte dieser Ausschlussgrund erfüllt sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots des Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht vorliegen. „Zwingend“ dürften die Gründe dabei immer dann sein, wenn die für die bloße Verweigerung der Legalität des Aufenthalts maßgeblichen Gründe bezogen auf die Folgen für den Betroffenen verhältnismäßig im engeren Sinn und für die Erreichung dieses Zwecks aus der Sicht der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unerlässlich sind, das heißt mit anderen Worten, wenn auf die Herbeiführung der Rechtsfolge - hier die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels - unter keinen Umständen verzichtet werden kann.
159 
Für den vorliegenden Fall würde dies nach Auffassung des Senats bedeuten, dass wegen des Vorliegens "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" kein Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG besteht, mit der Folge, dass diese Regelung einer Ausweisung nicht entgegensteht. Abgesehen davon, dass beim Kläger nicht ausgeschlossen erscheint, dass er die PKK weiter durch hervorgehobenere Unterstützungshandlungen wie das Einsammeln von Spenden, das Verteilen von Zeitschriften oder die Übernahme anderer Aufgaben unterstützt, ist jedenfalls damit zu rechnen, dass er auch in Zukunft regelmäßig Veranstaltungen besucht, welche in einer besonderen Nähe zur PKK stehen. Zwar hat die letztgenannte Form der Unterstützung für sich genommen keinen besonders hohen Gefährdungsgrad. Mit einer Beteiligung an entsprechenden Veranstaltungen wird aber eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Wie ausgeführt, werden dadurch deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflusst und ihre Aktionsmöglichkeiten sowie ihr Rekrutierungsfeld erweitert. Insgesamt wird damit dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Die vom Kläger über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichem Ausmaß - von der Übernahme der Funktion des Vorstands eines später als Teilorganisation der PKK verbotenen örtlichen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre über das Einsammeln von Spenden 2005 und 2006 bis zur ständigen (bloßen) Teilnahme an unzähligen PKK-nahen Veranstaltungen - vorgenommene Unterstützung der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beseitigung der Legalität des Aufenthalts Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist. Mit einer Aufenthaltserlaubnis könnte sich der Betreffende hingegen im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 SDÜ frei im Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten bewegen und sich auch in anderen Mitgliedstaaten bis zu drei Monate (innerhalb von sechs Monaten) aufhalten. Nach nationalem Recht ist die Ausweisung, die zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führt, zudem Voraussetzung für weitere unter Sicherheitsaspekten wichtige Maßnahmen, wie die des § 54a AufenthG "zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der Sicherheit", insbesondere die Verpflichtung, sich regelmäßig bei der örtlich zuständigen Polizeidienstelle zu melden, (Abs. 1) und die Beschränkung des Aufenthalts auf den Bezirk der Ausländerbehörde (Abs. 2).
160 
Wegen der danach gegebenen individuellen Gefährdung durch den Kläger kann die Frage offen bleiben, ob bei der Prüfung "zwingender Gründe" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch generalpräventive Aspekte - wie die durch die Verweigerung eines Aufenthaltstitels bzw. dessen Aufhebung oder Beendigung gegebenenfalls erzielte abschreckende Wirkung - zu berücksichtigen sind. Die Ausweisung des Klägers (und das Erlöschen seines Aufenthaltstitels als Voraussetzung für die in § 54a Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte vollziehbare Ausreisepflicht) ist hier nach Auffassung des Senats schon deshalb als unerlässlich anzusehen, weil sie Grundlage der ihm gegenüber im Bescheid vom 27.03.2012 verfügten Meldepflicht und der räumlichen Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim ist. Mit diesen Maßnahmen werden die Möglichkeiten des Klägers, die PKK weiter zu unterstützen, effektiv eingeschränkt. So liegt schon der nächste kurdische Verein, welcher einige der PKK-nahen Veranstaltungen ausgerichtet hat, zu deren regelmäßigen Besuch sich der Kläger seinen Angaben nach verpflichtet fühlt, außerhalb des Bezirks der Stadt Mannheim. Die mit der Ausweisung und dem Erlöschen der Niederlassungserlaubnis verbundenen Einschränkungen und Nachteile für den Kläger sind andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls hier nicht als derart gravierend anzusehen, dass darauf verzichtet werden könnte bzw. müsste.
161 
cc) Vorlagefrage 3
162 
Geht man davon aus, dass die Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG in Fällen der Beendigung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung findet, stellt sich die Frage, ob die Regelung des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie als abschließend zu verstehen ist mit der Folge, dass die Aufhebung oder Beendigung des einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels unionsrechtlich nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist. Dann wäre der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Satz 2 AufenthG entsprechend auszulegen. Die Ausweisung des Klägers wäre als rechtswidrig anzusehen.
163 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindestens 18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Asylberechtigten und Ausländern, denen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt worden ist, wird die Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erteilt. Subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes wird die Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erteilt, bei Verlängerung für zwei weitere Jahre. Ausländern, die die Voraussetzungen des § 25 Absatz 3 erfüllen, wird die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr erteilt. Die Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 1 und Absatz 4b werden jeweils für ein Jahr, Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 3 jeweils für zwei Jahre erteilt und verlängert; in begründeten Einzelfällen ist eine längere Geltungsdauer zulässig.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis darf nicht verlängert werden, wenn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen sind.

(3) Einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, ist eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
sein Lebensunterhalt überwiegend gesichert ist,
4.
er über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
§ 9 Absatz 2 Satz 2 bis 6, § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 finden entsprechend Anwendung; von der Voraussetzung in Satz 1 Nummer 3 wird auch abgesehen, wenn der Ausländer die Regelaltersgrenze nach § 35 Satz 2 oder § 235 Absatz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erreicht hat. Abweichend von Satz 1 und 2 ist einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn
1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit drei Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
er die deutsche Sprache beherrscht,
4.
sein Lebensunterhalt weit überwiegend gesichert ist und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
In den Fällen des Satzes 3 finden § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 entsprechend Anwendung. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für einen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4 besitzt, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme vor.

(4) Im Übrigen kann einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 9 Abs. 2 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend. Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens wird abweichend von § 55 Abs. 3 des Asylgesetzes auf die Frist angerechnet. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Artikel 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu folgenden Fragen eingeholt:

1. a) Ist die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels an Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, auch bei der Aufhebung eines bereits erteilten Aufenthaltstitels zu beachten?

b) Ist diese daher dahingehend auszulegen, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) eines anerkannten Flüchtlings entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sind?

2. Für den Fall, dass die Fragen unter 1 zu bejahen sind:

a) Wie ist der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG mit Blick auf Gefahren auszulegen, die von der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ausgehen?

b) Können „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots nach Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht erfüllt sind?

3. Für den Fall, dass die Frage unter 1a) zu verneinen ist:

Ist die Aufhebung bzw. Beendigung des einem anerkannten Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (bzw. der gleichlautenden Nachfolgeregelung der Richtlinie 2011/95/EU) zulässig?

Gründe

 
A)
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebt seit 1989 mit seiner Ehefrau, welche ebenfalls türkische Staatsangehörige ist, und mit inzwischen acht gemeinsamen Kindern, von denen fünf die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist bis heute Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Auf seinen Asylantrag wurde er am 24.06.1993 als Asylberechtigter anerkannt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des - damals geltenden - § 51 Abs. 1 AuslG (Flüchtlingsschutz, heute § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen. Die Anerkennung wurde mit den exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland und der ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei drohenden politischen Verfolgung begründet (vgl. Urteil des VG Minden vom 08.02.1993). Der im Wesentlichen mit geänderten Verhältnissen in der Türkei begründete Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.08.2006 wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30.11.2007 aufgehoben. Seit dem 07.10.1993 ist der Kläger im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels.
Der Kläger war in den 1990er-Jahren in vielfältiger Weise für die PKK (Partiya Karkerên Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) bzw. deren Neben- oder Nachfolgeorganisationen exilpolitsch aktiv. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22.11.1993 wurden der PKK und der ENRK (Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) - einer inzwischen aufgelösten, damals in Deutschland für die PKK aktiven "Frontorganisation" - verboten, sich in Deutschland zu betätigen. Nach § 20 Vereinsgesetz macht sich unter anderem strafbar, wer diesem Verbot zuwiderhandelt (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 18 Satz 2 VereinsG). 1992 wurde der Kläger in den Vorstand des "Arbeiter- und Kulturzentrums der Kurden Bielefeld" gewählt. Der Verein wurde 1993 als Teilorganisation der PKK verboten. Im Asylverfahren gab der Kläger selbst an, er besuche alle Veranstaltungen und Demonstrationen der ERNK. Dabei sei er teilweise als Ordner eingesetzt. Diese exilpolitischen Aktivitäten setzte der Kläger auch nach seiner Asylanerkennung fort. Es kam deshalb zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Jahr 2001 beteiligte er sich an der Unterschriftenaktion im Rahmen der so genannten "Identitätskampagne" der PKK und unterzeichnete die Erklärung "Auch ich bin ein PKK'ler". Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg nahm der Kläger in den folgenden Jahren, auch nach dem Umzug seiner Familie aus dem Raum Bielefeld nach Mannheim im Jahr 2002, weiter regelmäßig an Demonstrationen und Veranstaltungen teil, bei welchen es um die Rechte der Kurden, um die PKK und/oder deren Generalsekretär Abdulah Öcalan ging, darunter auch solche mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan, so genannte "Märtyrergedenkfeiern" (Feiern zum Gedenken an gefallene PKK-Kämpfer und Selbstmordattentäter) und "Volksversammlungen".
Im Juni 2006 reiste der Kläger in den Irak. Er hielt sich dort zwei Monate lang auf und besuchte Verwandte sowie diverse Orte bzw. Stationen im Grenzgebiet zur Türkei. 2007 unternahm er mit seinem ältesten Sohn eine weitere Reise in den Irak.
Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 10.01.2007 wegen des Verdachts eines - durch Betätigung für die PKK begangenen - Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden unter anderem eine handschriftlich verfasste Spendenliste mit 16 Namen und Beträgen zwischen 100 und 1000 EUR sowie eine mit dem Computer im Jahr 2006 erstellte Spendenliste, welche in 4 Ortsbezirke unterteilt war und auf der hinter 29 der insgesamt 48 aufgeführten Namen monatliche Spenden im Zeitraum von Januar bis Mai in Höhe von 10 bis 30 EUR pro Monat vermerkt waren, aufgefunden, außerdem ein Zettel und ein Notizbuch mit Vermerken zu eingesammelten Beträgen, Ausdrucke eines Vordrucks für eine Spendenliste, 4 Zeitschriften Serxwebun, Fotos mit Abdullah Öcalan, darunter eines mit der Aufschrift "PKK" im Scheckkartenformat im Geldbeutel des Klägers, Fotos des Klägers neben bewaffneten Personen, welche von der Reise des Klägers in den Irak im Juni 2006 stammten, Flaggen bzw. Fahnen mit dem Emblem der "KKK" (Koma Komalên Kurdistan), Flaggen mit einer Abbildung von Abdullah Öcalan sowie ein Buch von Öcalan. Der Kläger wurde daraufhin mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen im Urteil hat er dem Verbot einer Betätigung für die PKK zuwidergehandelt. Die PKK bzw. die KONGRA-GEL finanzierten sich durch Beiträge für legale kurdische Vereine, monatliche Mitgliedsbeiträge der Anhänger, Verkauf von Publikationen, Einnahmen beim jährlichen „Kurdistanfestival“ und andere Feste auf örtlicher Ebene sowie Einnahmen aus der jährlich im Herbst/Winter durchgeführten „Spendenkampagne“. Bei dieser „Spendenkampagne“ setze der für Europa zuständige „Rat“ fest, welche Beträge von den einzelnen europäischen Ländern zu erbringen seien. Diese würden auf der jeweiligen Hierarchieebene Raum bzw. Gebiet aufgeschlüsselt. Dabei würden Listen der ortsansässigen Kurden verwendet und die von diesen zu erbringenden „Spenden“ nach der Höhe des jeweiligen Einkommens festgesetzt, wobei etwa ein Monatseinkommen zu erbringen sei. Die Spenden würden von so genannten „Sammelteams“ von zwei bis drei Personen eingesammelt, notfalls auch mit Gewalt eingetrieben. Im Zuge der hierarchischen Gebietsstruktur der PKK sei auch die Bundesrepublik Deutschland in mehrere Gebiete gegliedert, denen jeweils ein Gebietsverantwortlicher vorstehe, der regelmäßig nach einem Jahr ausgewechselt werde. Im Jahr 2005 sei dies bis zum Oktober im Gebiet Mannheim der Gebietsverantwortliche M.T., Deckname D., gewesen. Die Gebiete seien wiederum in Räume aufgeteilt, denen jeweils ein Raumverantwortlicher vorstehe. So sei das Gebiet Mannheim in die Räume Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Worms, Bruchsal, Karlsruhe und Germersheim aufgeteilt. Verantwortlicher im Raum Mannheim sei im Jahr 2005 eine nicht identifizierte Person namens Ma. gewesen. Der Kläger sei in den Jahren 2005 und 2006 im Raum Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen. Er sei direkt dem Raumverantwortlichen für Mannheim namens Ma. unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen M.T. gewesen. Dies schließe die Strafkammer daraus, dass er als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen M.T. zwei Rundschreiben per SMS erhalten habe, in welchen er dazu aufgefordert worden sei, als einer der "Freunde, die für die Räume verantwortlich seien, ... die Freunde, mit denen er "zusammenarbeite, zu benachrichtigen". Außerdem seien sein Vorname und seine Handynummer auf sichergestellten Notizzetteln des Gebietsverantwortlichen M.T. notiert gewesen. In der von ihm übernommenen Funktion habe sich der Kläger mit dem Sammeln und der Weiterleitung von Spenden für die PKK und gelegentlich auch mit der Verteilung der Zeitschrift Serxwebun - eines der Publikationsorgane der PKK bzw. der Nachfolgeorganisation KONGRA-GEL - befasst. Er habe in den im einzelnen aufgeführten Fällen (von insgesamt 29 Personen aus vier Bezirken des Raums Mannheim - jeweils von Januar bis Mai, teilweise auch nur bis März oder April 2006) selbst oder unter Einschaltung von Hilfspersonen Spenden für die PKK gesammelt, diese in seiner Spendenliste verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK, wahrscheinlich in Brüssel, abführen lassen. Er habe sich zudem noch am 10.01.2007 von seinem Sohn mit Hilfe des Computers einen neuen Vordruck einer Spendenliste erstellen lassen. Der Kläger habe das gegen die PKK verhängte Betätigungsverbot gekannt. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Spendenkampagnen für die PKK von großer Bedeutung seien. An ihnen und an dem Verkauf der Zeitschrift habe er mit dem Willen teilgenommen, die PKK zu fördern und die Eintreibung von Spenden und Einnahmen aus Zeitungsverkäufen an den Vorgaben der Partei auszurichten. Nach Verwerfung der Revision durch den Bundesgerichtshof wurde das Urteil am 08.04.2009 rechtskräftig.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27.03.2012 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt Mannheim begrenzt (Ziff. 2). Die Ausweisung wurde auf §§ 55, 56 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Als Ausweisungsgrund wurde § 54 Nr. 5 AufenthG herangezogen, wonach ein Ausländer in der Regel ausgewiesen wird, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder unterstützt hat oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Mit Blick auf die bestehende familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und den minderjährigen Kindern und unter Berücksichtigung seines unbefristeten Aufenthaltsrechts sowie des Status als Asylberechtigter und Flüchtling erging die Ausweisungsverfügung jedoch als Ermessensentscheidung (§§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3, 4 und 5, Satz 5 AufenthG, 55 AufenthG, Art. 6 Abs. 1 GG, 8 EMRK). Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle es sich um Vereinigungen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Aktivitäten des Klägers wie insbesondere das Eintreiben von Spenden, der Verkauf der PKK-Zeitung Serxwebun und auch die ständige Teilnahme an Veranstaltungen der PKK bzw. PKK-naher Vereine seien als Unterstützung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Dabei sei auch von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit auszugehen. Schließlich seien bis weit ins Jahr 2011 Unterstützungshandlungen nachgewiesen. Dem Interesse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet, das sich aus den bestehenden persönlichen und familiären Bindungen ergebe, werde durch Duldungen (d.h. eine Aussetzung der Abschiebung ohne Aufenthaltstitel) Rechnung getragen werden.
Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.08.2012 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde dargelegt: Der Umstand, dass der Kläger durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK verurteilt worden sei, rechtfertige ohne weiteres die Annahme einer relevanten Unterstützungstätigkeit, wenn diese Tätigkeiten nicht sogar auf eine Zugehörigkeit zur Organisation selbst hinwiesen. Des Weiteren stelle jedenfalls der regelmäßige, über Jahre erfolgte häufige Besuch der dem Kläger vorgehaltenen Veranstaltungen, insbesondere wenn es sich um so genannte Märtyrergedenkveranstaltungen und Feiern zum Jahrestag der Gründung der PKK handle, eine relevante Unterstützungstätigkeit dar. Durch das Einsammeln der Spenden und deren Weiterleitung habe der Kläger die PKK sogar in qualifizierter Weise unterstützt.
Auf den vom Kläger gestellten Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28.11.2012 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zugelassen.
Der Kläger bestreitet, dass es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung handelt. Jedenfalls habe er diese nicht unterstützt. Außerdem seien die für ihn als anerkannten Flüchtling geltenden Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, Art. 21 und Art. 24, nicht berücksichtigt worden. Eine Ausweisung setze nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie voraus, dass der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen sei. Solche wären nur zu bejahen, wenn er eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt hätte. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, auch nicht mit Blick auf seine strafrechtliche Verurteilung wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot. Dieser lägen Vorgänge aus den Jahren 2005 und 2006 zugrunde. Ob von ihm - unterstellt die vom beklagten Land behaupteten Aktivitäten träfen zu - eine aktuelle Gefährdung, ausginge, sei weder überprüft noch festgestellt worden. Die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG seien schon deshalb eindeutig nicht erfüllt, weil die danach erforderlichen „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ schwerwiegendere Gründe als die in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie genannten Gründe voraussetzten. Diesbezüglich sei zur Auslegung auf Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - abzustellen.
10 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 04.04.2013 hat der Kläger erklärt, er habe die ihm im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zur Last gelegte Straftat nicht begangen und auch nie eingeräumt. Er sei Kurde und sehe sich als "progressiver Kurde", weshalb er sich verpflichtet fühle, an Newroz-Festen, Demonstrationen und Veranstaltungen von Kurden teilzunehmen. Als Kurde möge er die PKK; er stehe hinter ihr. Er sei aber kein "PKK'ler". Zu letzteren zähle er die Personen, die in den Bergen gegen den Feind kämpfen. Veranstaltungen in Gedenken an die PKK, wie zum Beispiel zum Jahrestag ihrer Gründung, seien für ihn persönlich zwar nicht wichtig. Wenn es aber "für das Volk" wichtig sei, dass er daran teilnehme, könne es sein, dass er das auch mache. Feiern aus Anlass des Geburtstages von Öcalan seien nicht verboten und für ihn persönlich "schon wichtig". An Märtyrergedenkveranstaltungen nehme er teil, wenn es ihm danach sei. Wenn in den Räumen des kurdischen Vereins Versammlungen durchgeführt worden seien, sei er hingegangen. Es habe sich immer um erlaubte Veranstaltungen gehandelt. Als Vorstandsmitglied des kurdischen Vereins in Bielefeld Anfang der 1990-er Jahre habe er lediglich die Aufgabe gehabt, die Einkäufe für den Verein zu erledigen. Nach dem Verbot der PKK habe es deshalb bei ihm zu Hause eine Razzia gegeben und er sei auch angeklagt worden. Später habe er keine Aufgaben mehr übernommen. Nach seinem Umzug nach Mannheim 2002 sei er zwar zunächst noch Mitglied des örtlichen Kulturvereins der Kurden gewesen, nach Verlegung des Vereinssitzes in die benachbarte Stadt Ludwigshafen aber nicht mehr. Wegen der mit der Ausweisungsverfügung gegen ihn verhängten Beschränkung seines Aufenthalts auf die Stadt Mannheim sei er auch nicht mehr dorthin gegangen, früher habe er sich einmal die Woche, manchmal auch täglich, in den Vereinsräumen aufgehalten. Seine Reise in den Irak sei für ihn wie eine "Pilgerreise" gewesen. Dies habe er unter anderem deshalb so empfunden, weil dort sogar Staatsbedienstete wie Polizisten, Richter usw. kurdischer Volkszugehörigkeit seien. Mit einem Neffen sei er überall unterwegs gewesen. Bewaffnete Personen wie die, mit denen er sich auf Fotos habe ablichten lassen, gebe es dort überall.
11 
Das beklagte Land verteidigt den angegriffenen Ausweisungsbescheid. Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 21 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG stünden einer Ausweisung nicht entgegen. Der Kläger sei schließlich rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen verurteilt worden. Den Urteilsgründen des Strafurteils sei zu entnehmen, dass er in den Jahren 2005 und 2006 in Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen sei. Durch das Sammeln von Spenden habe er nicht nur die Strukturen der PKK in Deutschland gestärkt, sondern darüber hinaus auch die kämpfende PKK in der Türkei, die sich unter anderem durch die Spenden ihrer Anhänger finanziere, im Vorfeld qualifiziert unterstützt. Die Ausübung der genannten Tätigkeiten und die gehobene Funktion des Klägers im Raum Mannheim verdeutlichten seine strukturelle Einbindung in die Organisation, durch welche er das Gefährdungspotential der PKK mittrage. Dem stehe nicht entgegen, dass seine Verurteilung schon mehrere Jahre zurückliege. Selbst wenn er seither nicht mehr für das Sammeln von Spenden zuständig sei, belege doch die in den darauffolgenden Jahren weiterhin erfolgte regelmäßige Teilnahme an zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen der PKK das Fehlen der inneren und äußeren Abkehr von der PKK und deren Zielen.
B)
12 
Der Rechtsstreit ist in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO auszusetzen und es ist eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen (Art. 267 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AEUV).
I.
13 
Die für die Erörterung der Vorlagefragen maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
14 
1. Völkerrecht und Unionsrecht
15 
a) Genfer Flüchtlingskonvention
16 
(Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951; GFK)
17 
Artikel 28 - Reiseausweise
18 
1. Die vertragschließenden Staaten werden den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise ausstellen, die ihnen Reisen außerhalb dieses Gebietes gestatten, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen; …
19 
Artikel 32 - Ausweisung
20 
1. Die vertragschließenden Staaten werden einen Flüchtling, der sich rechtmäßig in ihrem Gebiet befindet, nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausweisen.
21 
Artikel 33 - Verbot der Ausweisung und Zurückweisung
22 
1. Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.
23 
2. Auf die Vergünstigung dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.
24 
b) Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ)
25 
Artikel 21
26 
(1) Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen.
27 
c) Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 304 vom 30.09.2004, S. 12; im folgenden RL 2004/83/EG bzw. "Richtlinie“)
28 
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
...
29 
in Erwägung nachstehender Gründe:
30 
...
(6) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie ist es einerseits, ein Mindestmaß an Schutz in allen Mitgliedstaaten für Personen zu gewährleisten, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass allen diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
31 
(7) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Anerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Asylbewerbern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht, einzudämmen.
32 
(22) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, “dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“ und “dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“.
...
33 
(28) Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
34 
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
35 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
36 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
37 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
38 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
39 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
40 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
41 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
42 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
43 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
44 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
45 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
46 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
47 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
48 
d) Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 337 vom 20.12.2011, S. 9, im Folgenden RL 2011/95/EU)
49 
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
50 
in Erwägung nachstehender Gründe:
51 
...
(12) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie besteht darin, einerseits zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien zur Bestimmung der Personen anwenden, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
52 
(13) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Zuerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, zwischen Mitgliedstaaten einzudämmen, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht.
...
53 
(31) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, dass die "Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und dass die "wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen".
...
54 
(37) Der Begriff der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
55 
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
56 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
57 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
58 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
59 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
60 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
61 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
62 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
63 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
64 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
65 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
66 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
67 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
68 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, und ihren Familienangehörigen einen verlängerbaren Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr und im Fall der Verlängerung mindestens zwei Jahre gültig sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
69 
e) Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77, ber. ABl. L 229 vom 29.06.2004, S. 35; im Folgenden RL 2004/38/EG)
70 
Artikel 28 - Schutz vor Ausweisung
71 
...
(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie
72 
a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder
b) minderjährig sind, es sei denn, ...
73 
2. Nationales Recht:
74 
a) Aufenthaltsgesetz (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 30.07.2004, BGBl. I 1950, in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.02.2008, BGBl. I, S. 162, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 15.02.2013, BGBl. I, S. 254; AufenthG)
75 
§ 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot
76 
(1) Ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, darf nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Wirkungen werden auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Die Frist beginnt mit der Ausreise. …
(2) ...
77 
§ 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen
78 
(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.
79 
(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat (§ 3 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes). Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
...
80 
(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann abweichend von § 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist...
81 
§ 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen
82 
(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:
83 
...
5. Ausweisung des Ausländers,
84 
§ 54 Ausweisung im Regelfall
85 
Ein Ausländer wird in der Regel ausgewiesen, wenn
1. ...
...
86 
5. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen,
87 
§ 54a Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit
88 
(1) Ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. …
89 
(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.
90 
§ 55 Ermessensausweisung
91 
(1) Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.
92 
(2) Ein Ausländer kann nach Absatz 1 insbesondere ausgewiesen werden, wenn er ...
93 
(3) Bei der Entscheidung über die Ausweisung sind zu berücksichtigen
94 
1. die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet,
2. die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen oder Lebenspartner des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft leben,
3. die in § 60a Abs. 2 und 2b genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung.
95 
§ 56 Besonderer Ausweisungsschutz
96 
(1) Ein Ausländer, der
97 
1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
1a. eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt,
2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 bis 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4. mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
5. als Asylberechtigter anerkannt ist, im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt oder einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, genießt besonderen Ausweisungsschutz. Er wird nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegen in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor. Liegen die Voraussetzungen des § 53 vor, so wird der Ausländer in der Regel ausgewiesen. Liegen die Voraussetzungen des § 54 vor, so wird über seine Ausweisung nach Ermessen entschieden.
98 
§ 60 Verbot der Abschiebung
99 
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurden.
100 
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes erfüllt.
101 
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden.
102 
§ 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
103 

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn…
...
104 
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
105 
b) Vereinsgesetz
106 
(Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 05.08.1964, BGBl. I 1964, S. 593; VereinsG)
107 
§ 18 Räumlicher Geltungsbereich von Vereinsverboten
108 
Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes keine Organisation, so richtet sich das Verbot (§ 3 Abs. 1) gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich.
109 
§ 20 Zuwiderhandlungen gegen Verbote
110 
(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit
111 
...
4. einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5. ...,
112 
wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ ….… des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist.
II.
113 
Zu den im Beschlusstenor angeführten Fragen - welche noch nicht Gegenstand von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs waren - ist eine Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV einzuholen, weil diese entscheidungserheblich sind und der Klärung bedürfen.
114 
Gemessen an den Bestimmungen des nationalen Rechts kann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen, weil die Ausweisung und die mit ihr verfügte Aufenthaltsbeschränkung sowie die Meldeauflage danach als rechtmäßig zu beurteilen sind (dazu unter 1.). Es kommt daher darauf an, ob Unionsrecht - hier Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 oder Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG - einer Ausweisung des Klägers entgegensteht (2.)
115 
1. Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Akten und Unterlagen sowie der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Sachverhalt und die nationale Rechtslage - ohne Berücksichtigung von Art. 21 oder 24 RL 2004/83/EG - derzeit (maßgeblich wäre letztlich der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Senats über das Berufungsverfahren) wie folgt zu beurteilen wären:
116 
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG sind gegeben (a). Die Ausweisung lässt sich nach nationalem Recht auch insgesamt rechtlich nicht beanstanden, insbesondere liegen keine Ermessensfehler vor (b). Danach wären die räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Klägers und die ihm gegenüber verfügte Meldeauflage ebenfalls rechtmäßig (c).
117 
a) Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG liegt vor.
118 
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris, Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, jew. m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16.02.2012 - AK 1/12 und 2/12 - juris) sind die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris) und ändert nichts an deren bislang grundsätzlich weiter bestehenden Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei. Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP - ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2012/765/GASP des Rates vom 10.12.2012, ABl. EU L 337 vom 11.12.2012, S. 50). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09, B. und D. - Slg. 2010, I-10979, = juris).
119 
Zwar hat Abdullah Öcalan im März dieses Jahres eine Waffenruhe verkündet, die das Ergebnis von Verhandlungen mit dem türkischen Geheimdienst sein soll. Diese ist dann von der PKK tatsächlich ausgerufen worden. Inzwischen hat nach Medienberichten der Abzug von PKK-Kämpfern aus der Türkei bereits begonnen; er soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. Allein deshalb kann aber noch nicht angenommen werden, die PKK wäre nicht mehr als terroristische Organisation anzusehen. Schließlich gab es auch in der Vergangenheit entsprechende Erklärungen, die zu keiner wesentlichen Änderung auf Dauer geführt haben. So wurde ein 1999 ausgerufener „Friedenskurs“ 2004 wieder beendet. Selbst in der Zwischenzeit hatte die PKK nicht auf Gewalt verzichtet.
120 
Der Senat ist auch der Überzeugung, dass der Kläger die PKK unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die von ihm ausgeübten Aktivitäten zur Unterstützung haben dabei sicherlich unterschiedliches Gewicht und unterschiedliche Qualität. Von besonderer Bedeutung ist das "Sammeln" bzw. "Eintreiben" und das Weiterleiten von Spenden für die PKK aus vier Bezirken des Raums Mannheim in den Jahren 2005 und 2006. Der Senat folgt insoweit den Feststellungen des Landgerichts Karlsruhe im Strafurteil vom 03.12.2008. Danach war der Kläger zwar nicht in einer Führungsposition, etwa als Gebiets- oder Raumverantwortlicher, für die PKK aktiv, er hatte aber jedenfalls eine besondere Stellung inne, welche einen aktiven Einsatz auch nach außen hin erforderte. Schließlich mussten die Spenden regelmäßig einkassiert und gegebenenfalls eingefordert werden. Die Spendenkampagnen sind für die PKK von großer Bedeutung, was dem Kläger bekannt war. Hinzu kommt der Verkauf der PKK-Zeitschrift Serxwebun. Länger zurück liegen die Aktivitäten des Klägers in Bielefeld als Vorstandsmitglied eines später verbotenen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre. Diese sowie die regelmäßige Teilnahme an diversen PKK-nahen Veranstaltungen, auf welche sich der Kläger auch in seinen Asylverfahren berufen hat, zeigen aber, dass er seit seiner Einreise nach Deutschland durchgehend für die PKK aktiv war. Auch der bloße Besuch der angeführten Feiern bzw. Versammlungen mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan sowie so genannte "Märtyrergedenkfeiern" und "Volksversammlungen" (vgl. zu letzteren genauer Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - a.a.O.) fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger. Diese Veranstaltungen haben schon von ihrem Anlass bzw. ihrer Thematik her für die Besucher erkennbar den Charakter einer Propagandaveranstaltung für die PKK und werden auch entsprechend inszeniert. Die durch eine Teilnahme an solchen besonderen Veranstaltungen ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung und Ansehen in der Gesellschaft, namentlich unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, damit ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Sie kann daher - auch in Ansehung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit - als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung anzusehen sein (vgl. dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - sowie Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, jew. a.a.O. und m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.01.2013 - 11 S 1581/12 - juris). Davon ist hier in Anbetracht der Vielzahl von einschlägigen Veranstaltungen, die der Kläger im Laufe von mittlerweile über zwei Jahrzehnten besucht hat, auszugehen. Er hat in der mündlichen Verhandlung zudem deutlich gemacht, dass es ihm tatsächlich darum geht, die PKK zu unterstützen, und dass er sich verpflichtet fühlt, an entsprechenden Veranstaltungen teilzunehmen. Soweit er vorgetragen hat, er sei kein "PKK'ler", das seien doch nur die Kämpfer in den Bergen, und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach nicht darauf an, ob die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre oder ob die Veranstaltung, um deren Besuch es geht, verboten wurde (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O., m.w.N.). Abgesehen davon hat sich der Kläger unter anderem wegen des Einsammelns und Weiterleitens von Spenden für die PKK sogar strafbar gemacht.
121 
Vor dem Hintergrund der langjährigen Aktivitäten des Klägers kann auch nicht allein aus der Tatsache, dass er inzwischen weniger - und seit Ergehen der Ausweisungsverfügung am 27.03.2012 kaum mehr - an entsprechenden Veranstaltungen teilnimmt, geschlossen werden, dass er nicht mehr als Unterstützer der PKK anzusehen wäre. Es ist im Gegenteil bezeichnend, dass er selbst nach der Durchsuchung seiner Wohnung wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz am 10.01.2007 und während des daran anschließenden Strafverfahrens und selbst noch nach Hinweis durch das Regierungspräsidium in einem Schreiben vom 09.10.2009, dass seine Ausweisung geprüft werde, weiter PKK-nahe Veranstaltungen besucht hat. Seit Erlass des Ausweisungsbescheids vom 27.03.2012 ist zudem sein Aufenthalt aufgrund der darin unter Ziffer 2 verfügten sofort vollziehbaren Anordnung auf den Stadtbezirk Mannheims beschränkt. Dies ist seinen Angaben nach auch der Grund dafür, dass er nicht einmal mehr den kurdischen Verein in Ludwigshafen besucht. In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass der Kläger sich lediglich mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und seine Aktivitäten andernfalls zumindest mit dem Besuch von Veranstaltungen der geschilderten Art fortsetzen bzw. wieder aufgreifen würde. Es ist daher davon auszugehen, dass er auch künftig die PKK nachhaltig unterstützen wird.
122 
b) Die Ausweisung ist - bei einer Beurteilung rein nach nationalem Recht - auch im Übrigen rechtmäßig.
123 
Unter anderem wegen seiner Rechtsstellung als anerkannter Asylbewerber und als Flüchtling sowie der bestehenden familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern deutscher Staatsangehörigkeit (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 und 5 AufenthG) genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier in Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, nicht gegeben. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§§ 56 Abs. 1 Satz 5, 55 AufenthG). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung insbesondere als verhältnismäßig anzusehen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Kläger Deutschland nicht - als Folge der Ausweisung - verlassen müsste, sondern jedenfalls weiter geduldet würde.
124 
c) Damit liegen auch die Voraussetzungen für Maßnahmen zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit nach § 54a Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG vor. Die Verpflichtung des Klägers unter Ziffer 2 des Bescheids vom 27.03.2012, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, beruht auf § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG; die Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim folgt aus § 54a Abs. 2 AufenthG.
125 
2. Es ist aber weiter zu prüfen, ob - und gegebenenfalls in welcher Weise - die nach nationalem Recht bei der Ausweisung eines Flüchtlings geltenden Voraussetzungen durch vorrangiges Unionsrecht modifiziert werden. Das würde hier bedeuten, dass der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG mit Blick auf Unionsrecht gegebenenfalls abweichend - unionsrechtskonform - auszulegen ist.
126 
Vorab ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass die Ausweisung des Klägers nicht an Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation zu messen ist. Da der Kläger nie einer Arbeit nachgegangen ist, hat er auch keine Rechtsstellung nach Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses erworben.
127 
Als unionsrechtlicher Prüfungsmaßstab für die Ausweisung des Klägers als anerkannter Flüchtling kommen die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bzw. die entsprechenden Nachfolgevorschriften der Richtlinie 2011/95/EU in Betracht. Der Senat ist der Überzeugung, dass die Voraussetzungen des - auf die Ausweisung anzuwendenden - Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind (dazu unter a). Deshalb stellen sich die Vorlagefragen (b).
128 
a) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG ist auch bei der Ausweisung eines Flüchtlings nach deutschem Recht anwendbar (aa). Dessen Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor (bb).
129 
aa) Gemäß Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG achten die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Nach Absatz 2 der Regelung kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Gemäß Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
130 
Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gilt auch für Fälle, in denen der einem Flüchtling erteilte Aufenthaltstitel vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 RL 2004/83/EG) oder sogar vor deren Inkrafttreten am 20.10.2004 erteilt worden ist. Art. 21 RL 2004/83/EG enthält - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 RL 2004/83/EG bezüglich Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie gestellt werden - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass dessen Anwendbarkeit bei bereits erteilten Aufenthaltstiteln ausgeschlossen wäre. Auf die Frage, ob bereits auf die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, welche am 09.01.2012 in Kraft getreten ist (vgl. dazu deren Art. 41 Abs. 1), abzustellen ist, kommt es nicht an, weil Art. 21 unverändert geblieben ist (soweit im Folgenden auf Art. 21 RL 2004/83/EG abgestellt wird, gelten die entsprechenden Ausführungen daher ebenso bezüglich Art. 21 RL 2011/95/EU).
131 
Eine Ausweisung nach deutschem Recht führt nicht zwingend zu einer Abschiebung des Betreffenden und damit auch nicht zu einer "Zurückweisung" im Sinne des Art. 21 Abs. 1 und 2 RL 2004/83/EG, sie kann daher nicht unmittelbar gegen den in Absatz 1 angeführten Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass er unter anderem wegen der familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern, von denen einige die deutsche Staatsangehörigkeit haben, (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK) und wegen seines Status als anerkannter Asylbewerber und Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) nicht abgeschoben werden darf und soll.
132 
Auf eine Ausweisung finden jedoch die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG über die Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln bei Flüchtlingen Anwendung. Dies folgt daraus, dass nach nationalem Recht (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) eine Ausweisung ohne Weiteres das Erlöschen des dem Betreffenden erteilten Aufenthaltstitels, hier der Niederlassungserlaubnis des Klägers, zur Folge hat. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG wird diesem auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein (neuer) Aufenthaltstitel erteilt (vgl. auch § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Sie hat außerdem Folgen für den Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten, die nach deutschem Recht in der Regel an das Bestehen eines Titels (vgl. §§ 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 AufenthG, 4 Abs. 2 und 3 AufenthG) und nicht wie nach Art. 26 ff. RL 2004/83/EG an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft anknüpfen. Das beklagte Land geht im Übrigen davon aus, dass dem Kläger - sollte die Ausweisung rechtskräftig werden - jedenfalls vorerst kein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, sondern dass er lediglich einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, also auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung hat. Diese lässt die Ausreisepflicht unberührt (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Aus alledem folgt nach Auffassung des Senats, dass die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht der Beendigung eines Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gleichzustellen ist.
133 
bb) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG lässt jedoch im vorliegenden Fall nicht die Beendigung des Aufenthaltstitels - und damit in letzter Konsequenz auch nicht eine Ausweisung - zu. Erforderlich wäre danach, dass "Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet". Dieser Verweis auf den zweiten Absatz bedeutet, dass die Aufhebung bzw. die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels voraussetzt, dass eine Zurückweisung des betreffenden Flüchtlings nicht nach völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt wäre (siehe dazu den Vorbehalt des Einleitungssatzes "sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist") und dass die in den Buchstaben a oder b des Art. 21 Abs. 2 RL der Richtlinie genannten Gefahren gegeben sind (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris). Hier fehlt es schon am Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder b RL 2004/83/EG.
134 
Diese entsprechen im Wesentlichen den in Art. 33 Abs. 2 GFK enthaltenen Voraussetzungen für eine Durchbrechung des völkerrechtlichen Refoulement-Verbots (vgl. dazu Battjes in: Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, Ch. IV.3. Council Directive 2004/83/EC, Art. 21 Rn. 11). Art. 33 Abs. 1 GFK untersagt die Ausweisung oder Zurückweisung eines Flüchtlings über die Grenzen von Gebieten, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach Absatz 2 kann sich auf die Vergünstigung jedoch ein Flüchtling nicht berufen, "der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde". Die Parallelen zwischen den Ausnahmetatbeständen beider Vorschriften zeigen, dass nicht nur eine Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG, sondern auch die Versagung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels nur unter den Voraussetzungen zulässig ist, welche auch die Zurückschiebung eines Flüchtlings in das "Verfolgerland" ermöglichen würden, also nur bei "schwerwiegenden Gründen". Im Übrigen finden sich die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG auch in Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten einem Flüchtling die ihm zuerkannte Rechtsstellung (als Flüchtling) wieder aberkennen, beenden oder ihre Verlängerung ablehnen (Abs. 4), gegebenenfalls die Rechtsstellung von vornherein nicht zuerkennen (Abs. 5), wenn eine der angeführten Gefahren gegeben ist. Auch dies verdeutlicht, dass es sich um besonders gravierende Gefahren handeln muss. Zurückweisung und Ausschluss vom bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus können nur "ultima ratio" sein (vgl. zu Art. 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl 2012, § 37 Rn. 54; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 17.12 - juris). Bei der Gefahr für die Allgemeinheit gelten nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und in Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2004/83/EG mit dem Erfordernis der Verurteilung des Betreffenden wegen "eines besonders schweren Verbrechens" - jedenfalls dem Wortlaut nach - sogar höhere Anforderungen als gemäß Art. 33 Abs. 2, 2. Alternative GFK, wonach eine Verurteilung wegen "eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens" genügt.
135 
Offen bleiben kann hier, ob der Umstand, dass in der deutschen Fassung des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und des Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG nicht "schwerwiegende Gründe" wie in Art. 33 Abs. 2 GFK, sondern lediglich "stichhaltige Gründe" gefordert werden, bedeutet, dass ein geringeres Maß an Überzeugungsgewissheit erforderlich ist (vgl. dazu die englischen Fassungen dieser Bestimmungen: Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”). Mit Blick auf Art. 33 GFK, welcher zwingende Vorgaben für das Refoulement-Verbot und seine Ausnahmen enthält und in Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG aufgegriffen wird, dürften allerdings nicht nur an das Ausmaß der Gefahr, sondern auch an deren Nachweis insgesamt dieselben Anforderungen zu stellen sein wie im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GFK (a.A. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Letztlich kommt es aber hier auf diese Frage nicht an.
136 
Denn selbst wenn man insofern von einer Absenkung des erforderlichen Beweismaßes ausginge, sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht erfüllt. Der vom Kläger begangene Verstoß gegen das Vereinsgesetz, der zu seiner Verurteilung mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen geführt hat, ist ersichtlich nicht als "besonders schwere Straftat" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG anzusehen. Es bestehen aber auch keine "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie bzw. dass er aus "schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes" anzusehen ist im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GFK.
137 
Bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GFK, Art. 14 Abs. 4 und Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten - in bestimmten Grenzen - den Begriff der "Sicherheit" nach dem jeweiligen eigenen Recht selbst definieren, weil auf die Sicherheit des eigenen Staates abzustellen ist und diese im Völkerrecht nicht abschließend festgelegt werden kann (vgl. dazu und zum folgenden: Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich jedenfalls um eine sehr große Gefahr handeln (Marx, a.a.O., § 35 Rn. 182, § 37 Rn. 51, § 54 Rn. 4, m.w.N.). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87). Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 60 Abs. 8 AufenthG von der Möglichkeit der Verweigerung bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus Gebrauch gemacht (vgl. auch § 3 Abs. 4 AsylVfG). Die diesbezügliche Rechtsprechung kann daher zur Auslegung der Voraussetzungen herangezogen werden.
138 
Danach kann die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des Ausweisungstatbestands des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht ausreichen; vielmehr muss sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Stichhaltige bzw. schwerwiegende Gründe liegen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetzt. Vielmehr müssen bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigen, das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK zurücktreten zu lassen. Das ist typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine terroristische Vereinigung bzw. eine Vereinigung, welche den Terrorismus unterstützt, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt. Das kann sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintritt oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mitträgt. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend ist, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lässt sich nicht ab- strakt beantworten, sondern hängt von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt wird (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 30.03.1999 - 9 C 31.98 - juris, zu § 51 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990; Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.).
139 
Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine Aufhebung des Aufenthaltstitels des Klägers und damit seine Ausweisung nicht unter Verweis auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG rechtfertigen. Es bedarf schon genauerer Prüfung, ob tatsächlich noch von einer Gefahr für die (innere und äußere) Sicherheit des deutschen Staates durch Unterstützung der PKK auszugehen sein kann, obwohl diese in den letzten Jahren terroristische Mittel fast überwiegend nur in der Türkei angewandt hat. Abgesehen davon hat der Kläger aber jedenfalls weder selbst Gewalt ausgeübt noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Wie dargelegt, hat er zwar die PKK Anfang der 1990-er Jahre durch die Übernahme einer Vorstandstätigkeit in einem PKK-nahen Verein in Bielefeld, in den Jahren 2005 sowie 2006 durch das Einsammeln von Spenden und das Verkaufen von Zeitschriften sowie ständig durch den Besuch von PKK-nahen Veranstaltungen unterstützt. Der Senat geht aber davon aus, dass der Kläger 2005 und 2006 lediglich vorübergehend wieder eine wichtigere Funktion übernommen hat und nicht weitreichend und vor allem nicht über einen längeren Zeitraum in die Hierarchieebenen der PKK eingebunden war. Schließlich war er nach den Feststellungen im Strafurteil vom 03.12.2008 selbst in der Zeit des Einsammelns von Spenden lediglich unterhalb des Raumverantwortlichen aktiv. Er kann daher nicht - jedenfalls nicht mehr - als ein "Funktionär" der PKK angesehen werden. Bezeichnend ist auch, dass es trotz der dem Senat aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannten engen Überwachung der örtlichen kurdischen Vereine und ihres Umfelds durch das Landesamt für Verfassungsschutz - abgesehen von der Teilnahme an Veranstaltungen - keinerlei Hinweise auf weitere Aktivitäten des Klägers für die PKK bzw. ihr Umfeld gibt. Vor allem in Anbetracht der verstrichenen Zeit seit seiner Betätigung als Spendensammler 2005 und 2006 kann daher derzeit nicht (mehr) von einer gegenwärtigen Gefährdung der Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ausgegangen werden.
140 
b) Damit bedürfen die Vorlagefragen der Klärung durch den Europäischen Gerichtshof. Da die Voraussetzungen für die in Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG eingeräumte Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung der einem Flüchtling erteilten Aufenthaltserlaubnis hier nicht vorliegen, sind zunächst der Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie (aa, Vorlagefragen 1) und gegebenenfalls dessen Voraussetzungen (bb, Vorlagefragen 2) zu klären. Sollte die Regelung keine Anwendung finden auf die Aufhebung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels, stellt sich die Frage, ob eine solche unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist (cc, Vorlagefrage 3).
141 
aa) Vorlagefragen 1
142 
Mit diesen beiden Fragen soll geklärt werden, ob die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels auch bei der Beendigung von Aufenthaltstiteln - und damit für die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht - Anwendung findet, und ob diese gegebenenfalls dahingehend auszulegen ist, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels einer betreffenden Person entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegeben sind.
143 
Zunächst ist festzustellen, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch auf Fälle Anwendung findet, in denen die Flüchtlingsanerkennung vor Geltung dieser Vorschrift erfolgt ist (vgl. dazu oben 2 a) aa)). Derzeit ist noch nicht auf die Neufassung des Art. 24 - in der Fassung der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - abzustellen. Denn diese gilt gemäß Art. 41 Abs. 2 RL 2011/95/EU erst ab dem 22.12.2013. Letztlich kommt es darauf hier aber nicht entscheidend an. Die Vorlagefragen stellen sich ebenso unter Geltung der Richtlinie 2011/95/EU. Denn die beiden Fassungen des ersten Unterabsatzes unterscheiden sich lediglich dadurch, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG an die Zuerkennung des "Schutzstatus" und die geänderte Fassung der Richtlinie 2011/95/EU an die Zuerkennung des "internationalen Schutzes" anknüpft und dass in der älteren Fassung auf die Personen abgestellt wird, denen die "Flüchtlingseigenschaft" zuerkannt worden ist, während in der neuen der Begriff "Flüchtlingseigenschaft" durch "Flüchtlingsstatus" ersetzt wurde. Die materiellen Anforderungen haben sich damit nicht geändert. Abgesehen davon sind in der deutschen Fassung offensichtlich nur Übersetzungsungenauigkeiten beseitigt worden: Der letzte Halbsatz des Absatz 1 Unterabsatz 1 (ebenso in Absatz 3) in der Veröffentlichung in deutscher Sprache (ABl. L 304 vom 30.09.2004, S. 12, in der Fassung der Berichtigung, ABl. L 204 vom 05.08.2005, S. 24) lautete "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen" statt - wie in der neuen Fassung - "es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen" (so aber schon in der englischen Fassung 2004: "unless reasons of compelling national security or public order otherwise reqire", ebenso z.B. in der spanischen, der französischen, der italienischen und der niederländischen Fassung).
144 
Art. 24 RL 2004/83/EG enthält keine ausdrückliche Bestimmung über die Beendigung oder Aufhebung von Aufenthaltstiteln. Dessen Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus (RL 2004/83/EG) - bzw. des internationalen Schutzes (RL 2011/95/EU) - und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel auszustellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (RL 2004/83/EG) - bzw. der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung (RL 2011/95/EU) - dem entgegenstehen. Unterabsatz 2 enthält Regelungen für Familienangehörige, Absatz 2 eine Absatz 1 Unterabsatz 1 entsprechende Verpflichtung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, mit dem Unterschied, dass nicht auf - den nicht für diesen Personenkreis geltenden - Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG verwiesen wird und dass der Aufenthaltstitel eine Geltungsdauer von lediglich einem Jahr enthalten muss. Die Vorschrift bezweckt neben der "Gewährleistung eines Mindestmaßes an Schutz" für "Personen, die tatsächlich Schutz benötigen", die Sicherstellung, dass diesen "ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird" (Erwägungsgrund 6 der RL 2004/83/EG, 12 der RL 2011/95/EU). Dazu gehört die Sicherung des Aufenthaltsstatus von Personen mit internationalem Schutz. Außerdem zielt die Richtlinie auf eine weitgehende Angleichung der Stellung von Flüchtlingen und von Personen mit subsidiärem Schutzstatus (vgl. Erwägungsgrund 7 der RL 2004/83/EG, 13 der RL 2011/95/EU).
145 
Der Senat ist der Auffassung, dass aus der in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG normierten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, anerkannten Flüchtlingen einen mindestens drei Jahre gültigen Aufenthaltstitel zu erteilen, auch das Verbot abzuleiten ist, diesen Aufenthaltstitel bzw. einen bereits bestehenden wieder aufzuheben, ohne dass einer der normierten Gründe gegeben ist, bei deren Vorliegen bereits die Erteilung abgelehnt werden kann. Neben den in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie angeführten zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gehört dazu der Tatbestand des Art. 21 Abs. 3, auf welchen mit dem Vorbehalt des Art. 24 Abs. 1 Unterabsatz 1 „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ explizit verwiesen wird.
146 
Für eine entsprechende Anwendung spricht mit Blick auf das Ziel der Sicherstellung eines "Mindestniveaus von Leistungen" für anerkannte Flüchtlinge schon die grundsätzliche Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Vor allem ist zu bedenken, dass es - neben Art. 21 Abs. 3 RL der Richtlinie - bei bereits erteiltem Titel die Möglichkeit der Aufhebung bzw. Beendigung des Aufenthaltstitels bei Vorliegen der Ausschlusstatbestände der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" geben muss. Schließlich kann es vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Ziel der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn es im letzteren Fall keine Möglichkeit der Aufhebung eines bereits erteilten Titels gäbe. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die maßgeblichen Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden.
147 
Etwas anderes würde zwar gelten, wenn "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" immer voraussetzen würden, dass auch die Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG gegeben sind, also nur einen Unterfall der "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Betreffende eine Gefahr für die Sicherheit oder die Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt," bildeten. Denn dann bestünde kein Bedürfnis für eine entsprechende Auslegung, weil der Aufenthaltstitel gegebenenfalls aufgrund der Ermächtigung in Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie aufgehoben werden könnte. Die Beantwortung der Fragen unter 1 kann daher auch davon abhängen, wie die Fragen unter 2 zur Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie beantwortet werden. Abgesehen davon, dass der Senat der Auffassung ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG hier keine höhere Gefahrenschwelle voraussetzt als der der "stichhaltigen bzw. schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK (vgl. dazu unten zu Vorlagefragen 2), zeigt schon die Verwendung des Begriffs "öffentliche Ordnung", dass die Ausschlussgründe des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG weiter reichen als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie (vgl. dazu genauer unten im Folgenden).
148 
bb) Vorlagefragen 2
149 
Sollte der Europäische Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen, dass die unter 1 angeführten Vorlagefragen zu bejahen sind, stellen sich die unter 2 aufgelisteten zur Auslegung des in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung".
150 
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG ohnehin in den Fällen des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie nicht greifen kann, weil danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie abgelehnt werden kann. Dies wird mit der Einschränkung in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG "unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3" klargestellt. Die Nennung einer weiteren Ausnahme - der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" - dürfte aber wenig Sinn machen, wenn deren Voraussetzungen enger wären als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie. Dafür, dass die Ablehnung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 eher möglich sein soll als nach Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie, sprechen auch Inhalt und Zielsetzung der jeweiligen Regelungen. Bei Art. 21 RL 2004/83/EG geht es primär um den Schutz eines bereits anerkannten Flüchtlings vor Zurückweisung, also einer möglichen Überstellung in das Land, aus dem er wegen Verfolgung geflüchtet ist. Eine solche soll nur - ausnahmsweise - unter den in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie angeführten, Art. 33 Abs. 2 GFK nachgebildeten, Voraussetzungen möglich sein. Dass dann - nach Absatz 3 der Vorschrift - auch der Aufenthaltstitel aufgehoben bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt werden kann, ist lediglich eine folgerichtige Konsequenz der Ausnahmen vom Refoulement-Verbot. Hingegen zielt Art. 24 RL 2004/83/EG auf die Gewährleistung eines Aufenthaltstitels von drei (Abs. 1) bzw. einem Jahr (Abs. 2) für Personen mit zuerkanntem internationalem Schutz. Mit dieser Regelung wurde das erste Mal ein Anspruch anerkannter Flüchtlinge auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels festgelegt. Die Ausnahmen von der Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" erinnern an die des Art. 32 Abs. 1 GFK (vgl. auch Battjes, a.a.O., Art. 24 Rn. 6), nach welchem aus "Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Ausweisung eines Flüchtlings, der sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Staates aufhält, zulässig sein kann. "Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" können im Übrigen auch der Verpflichtung zur Erteilung eines Reiseausweises an Flüchtlinge nach Art. 28 Abs. 1 GFK entgegenstehen. Die mit dem Aufenthaltsstatus - oder auch mit der Frage der Erteilung eines Reiseausweises - verbundenen Fragen sind aber bei weitem nicht von einer derart existentiellen Bedeutung für den Flüchtling wie die, ob er sogar zurückgewiesen werden kann. In der Regel wird bei einem anerkannten Flüchtling allein eine bei Versagung eines Aufenthaltstitels folgende Illegalität des Aufenthalts nicht zu einer Abschiebung führen. Eine solche kommt allenfalls in wenigen Ausnahmefällen und nur in einen aufnahmebereiten Drittstaat in Betracht, welcher seinerseits aber das Refoulement-Verbot zu beachten hat. Dies zeigt auch der vorliegende Fall. Wie ausgeführt, soll und kann auch der Kläger nicht abgeschoben werden. Selbst wenn sein Aufenthaltstitel erlöschen und er derzeit keinen Anspruch auf Erteilung eines anderen Titels haben sollte, müsste er Deutschland nicht verlassen. Er hat nach nationalem Recht einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 AufenthG).
151 
Dafür, dass die Möglichkeiten der Versagung eines Aufenthaltstitel durch die Aufnahme des zusätzlichen Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie bestehenden Ausnahmetatbestände hinaus erweitert werden sollten, sprechen auch die Entstehungsgeschichte des Art. 24 der Richtlinie und deren Erwägungsgrund 28 (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). In der ersten Fassung des - noch vor den Terroranschlägen des 11.09.2001 erarbeiteten - Kommissionsentwurfs vom 12.09.2001 (KOM [2001] 510 endg; Ratsdok. 2001/027 (CNS); siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001) war lediglich die Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels, also ohne explizit geregelte Ausschlussgründe, vorgesehen. Der Vorbehalt "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen" wurde erst später, und zwar zunächst bei der Regelung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, in Absatz 2 (vgl. Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 -, damals Art. 21), dann auch für Absatz 1 Unterabsatz 1 (Ratsdokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -, dort Art. 22), vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang wurde in einer Fußnote zu der entsprechenden Formulierung in Absatz 2 angeführt: Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: "Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt". Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Ratsdokument vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -). Ab 2002 findet sich zudem der Vorbehalt hinsichtlich Art. 21 Abs. 3 (damals 19 Abs. 3; vgl. nur Art. 21 in der Fassung des Ratsdokuments vom 19.12.2002 - 15627/02 -; vgl. auch Dokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -). Die Absätze 2 und 3 des Art. 21 (damals Art. 19) waren bereits kurz zuvor vorgeschlagen worden (vgl. Ratsdokument vom 08.11.2002 - 13468/02 -).
152 
Die geschilderten Ergänzungen und Abänderungen der Richtlinie dürften vor dem Hintergrund der Terroranschläge des 11.09.2001 und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen sein. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 Buchst. a und c die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die Berücksichtigung der Folgen der Anschläge vom 11.09.2001 für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Richtlinie 2004/83/EG wurde zum Beispiel in einer Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002 ausdrücklich gefordert (ABl. EU C 278 vom 14.11.2002, S. 44). Mit diesem Ziel dürften auch weitere Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Richtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf erfolgt sein, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 RL 2004/83/EG und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 (entspricht Erwägungsgrund 31 der RL 2011/95/EU) auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
153 
Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass im Falle von Handlungen zur Unterstützung terroristischer Vereinigungen der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bereits bei Aktivitäten eines niedrigeren Profils mit einem geringeren Gefährdungspotential erfüllt sein kann als dies für die Annahme des Tatbestands der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" in Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie vorausgesetzt wird.
154 
Dabei wäre zunächst zu klären, ob in Anbetracht der Entstehungsgeschichte und mit Blick auf den Zweck der Regelungen nicht sogar anzunehmen ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe" für sich genommen - also ohne diesen in Beziehung zu setzen zu dem Schutzgut, um das es geht - trotz des dagegen sprechenden Wortlauts eine niedrigere Gefahrenschwelle erfordert als der der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG (vgl. dazu Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.; a.A. BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris, unter Verweis auf das Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Die Tatsache, dass die Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, und die Richtlinie 2004/83/EG am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar auf den ersten Blick nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen und entsprechend hohe Anforderungen zu stellen (vgl. zu Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG: EuGH, Urteile vom 23.11.2010 - C-145/09, Tsakouridis - Slg. 2010, I-11979, = juris, und vom 22.05.2012 - C-348/09 I. - juris). Dagegen sprechen aber schon die Unterschiede hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen, der jeweils verfolgten Ziele und der betroffenen Personen. Zudem stellt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG lediglich auf die öffentliche Sicherheit ab, während Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG als Schutzgut neben der öffentlichen Sicherheit auch die Ordnung anführt (vgl. dazu auch Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris). Vor allem geht es um unterschiedlich gravierende Eingriffe. Erlaubt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden," eine Ausweisung, führt das Vorliegen "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 RL 2004/83/EG lediglich zu der für die Betroffenen wesentlich weniger einschneidenden Rechtsfolge der Verweigerung oder des Entzugs des Aufenthaltstitels. Nach Auffassung des Senats ist der Begriff der zwingenden Gründe daher eigenständig und nicht durch Übernahme von Grundsätzen der Unionsbürgerrichtlinie zu entwickeln.
155 
Ungeachtet des Vorgesagten spricht vieles dafür, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" bzw. der "nationalen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG umfassender bzw. weiter zu verstehen ist als der der "Sicherheit des Mitgliedstaats" oder "der Sicherheit des Landes, in dem sich der Betreffende befindet" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK, mit anderen Worten, dass die bedrohten öffentlichen Interessen, die im Falle des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegen die Erteilung oder Aufrechterhaltung des Aufenthaltstitels streiten, von geringerem Gewicht sein können als dies Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie erfordert.
156 
Jedenfalls werden aber die Voraussetzungen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" deshalb eher zu bejahen sein, weil das geschützte Rechtsgut "öffentliche Sicherheit oder Ordnung" allein mit Blick auf die "öffentliche Ordnung" einen weiteren Anwendungsbereich hat als die Sicherheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder auch die Allgemeinheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG (welcher wiederum voraussetzt, dass der Betreffende wegen eine besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde). Dies folgt insbesondere auch aus dem Erwägungsgrund 28, welcher, wie ausgeführt, im Zusammenhang mit der Einfügung des auch in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/83/EG enthaltenen - für Flüchtlinge, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, geltenden - Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" gefasst wurde (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). Wenn danach "der Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auch für die Fälle gilt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt", soll es in diesen Fällen der Unterstützung des internationalen Terrorismus jedenfalls für die Frage der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr darauf ankommen, ob die Sicherheit des Mitgliedstaats in dem Sinne gefährdet ist, dass der Betreffende auch zurückgewiesen bzw. von vornherein von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen werden könnte (Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG, Art. 33 Abs. 2 GFK). Einer genauen Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals der öffentlichen bzw. nationalen Sicherheit von dem der öffentlichen Ordnung bedarf es daher mit Blick auf den Erwägungsgrund 28 der Richtlinie hier nicht. Eine entsprechend weitere Auslegung liegt im Übrigen nicht nur im (Sicherheits-)Interesse des Staates, in welchem sich der Betreffende aufhält, sondern auch in dem der anderen Mitgliedstaaten. Schließlich können sich gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen.
157 
Der Senat verkennt allerdings nicht, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch dahingehend verstanden werden könnte, dass bei Vorliegen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausnahmslos untersagt wird, während Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis ins Ermessen stellt. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Voraussetzungen für die Erfüllung des Ausschlussgrundes der "stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr für den Mitgliedstaat" eher anzunehmen sind als die der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG, könnte dann in der Einführung des Ausschlussgrundes des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG insofern eine Verschärfung zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus gesehen werden, als danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwingend ausgeschlossen wäre (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Zum einen erscheint es aber zweifelhaft, ob die Normierung einer Ausnahme ("es sei denn") von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Folge haben kann - und auch hier hat -, dass den Mitgliedstaaten damit die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen des Ausschlussgrundes gänzlich - und ohne jeden Ermessensspielraum - untersagt wird. Es spricht mehr dafür, dass darin die bloße Einschränkung der Verpflichtung des Mitgliedstaats bzw. des daraus folgenden Anspruchs eines betroffenen Flüchtlings zu sehen ist. Zum anderen erscheint eine solche Auslegung vor allem vor dem Hintergrund fernliegend, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" aus den angeführten Gründen weiter zu verstehen ist als die in den Ausschlussgründen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie genannten Schutzgüter.
158 
Von der Beantwortung der angeführten Fragen hängt ab, ob die Ausweisung des Klägers - und damit auch die gegen ihn aus Sicherheitsgründen verhängte Meldepflicht und die räumliche Beschränkung - wegen entgegenstehenden Unionsrechts als rechtswidrig anzusehen und daher aufzuheben ist. Teilt man das dargelegte weitere Verständnis des Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 2004/83/EG, wäre die Vorlagefrage 2a) zu bejahen. Denn dann könnte dieser Ausschlussgrund erfüllt sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots des Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht vorliegen. „Zwingend“ dürften die Gründe dabei immer dann sein, wenn die für die bloße Verweigerung der Legalität des Aufenthalts maßgeblichen Gründe bezogen auf die Folgen für den Betroffenen verhältnismäßig im engeren Sinn und für die Erreichung dieses Zwecks aus der Sicht der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unerlässlich sind, das heißt mit anderen Worten, wenn auf die Herbeiführung der Rechtsfolge - hier die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels - unter keinen Umständen verzichtet werden kann.
159 
Für den vorliegenden Fall würde dies nach Auffassung des Senats bedeuten, dass wegen des Vorliegens "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" kein Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG besteht, mit der Folge, dass diese Regelung einer Ausweisung nicht entgegensteht. Abgesehen davon, dass beim Kläger nicht ausgeschlossen erscheint, dass er die PKK weiter durch hervorgehobenere Unterstützungshandlungen wie das Einsammeln von Spenden, das Verteilen von Zeitschriften oder die Übernahme anderer Aufgaben unterstützt, ist jedenfalls damit zu rechnen, dass er auch in Zukunft regelmäßig Veranstaltungen besucht, welche in einer besonderen Nähe zur PKK stehen. Zwar hat die letztgenannte Form der Unterstützung für sich genommen keinen besonders hohen Gefährdungsgrad. Mit einer Beteiligung an entsprechenden Veranstaltungen wird aber eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Wie ausgeführt, werden dadurch deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflusst und ihre Aktionsmöglichkeiten sowie ihr Rekrutierungsfeld erweitert. Insgesamt wird damit dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Die vom Kläger über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichem Ausmaß - von der Übernahme der Funktion des Vorstands eines später als Teilorganisation der PKK verbotenen örtlichen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre über das Einsammeln von Spenden 2005 und 2006 bis zur ständigen (bloßen) Teilnahme an unzähligen PKK-nahen Veranstaltungen - vorgenommene Unterstützung der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beseitigung der Legalität des Aufenthalts Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist. Mit einer Aufenthaltserlaubnis könnte sich der Betreffende hingegen im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 SDÜ frei im Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten bewegen und sich auch in anderen Mitgliedstaaten bis zu drei Monate (innerhalb von sechs Monaten) aufhalten. Nach nationalem Recht ist die Ausweisung, die zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führt, zudem Voraussetzung für weitere unter Sicherheitsaspekten wichtige Maßnahmen, wie die des § 54a AufenthG "zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der Sicherheit", insbesondere die Verpflichtung, sich regelmäßig bei der örtlich zuständigen Polizeidienstelle zu melden, (Abs. 1) und die Beschränkung des Aufenthalts auf den Bezirk der Ausländerbehörde (Abs. 2).
160 
Wegen der danach gegebenen individuellen Gefährdung durch den Kläger kann die Frage offen bleiben, ob bei der Prüfung "zwingender Gründe" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch generalpräventive Aspekte - wie die durch die Verweigerung eines Aufenthaltstitels bzw. dessen Aufhebung oder Beendigung gegebenenfalls erzielte abschreckende Wirkung - zu berücksichtigen sind. Die Ausweisung des Klägers (und das Erlöschen seines Aufenthaltstitels als Voraussetzung für die in § 54a Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte vollziehbare Ausreisepflicht) ist hier nach Auffassung des Senats schon deshalb als unerlässlich anzusehen, weil sie Grundlage der ihm gegenüber im Bescheid vom 27.03.2012 verfügten Meldepflicht und der räumlichen Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim ist. Mit diesen Maßnahmen werden die Möglichkeiten des Klägers, die PKK weiter zu unterstützen, effektiv eingeschränkt. So liegt schon der nächste kurdische Verein, welcher einige der PKK-nahen Veranstaltungen ausgerichtet hat, zu deren regelmäßigen Besuch sich der Kläger seinen Angaben nach verpflichtet fühlt, außerhalb des Bezirks der Stadt Mannheim. Die mit der Ausweisung und dem Erlöschen der Niederlassungserlaubnis verbundenen Einschränkungen und Nachteile für den Kläger sind andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls hier nicht als derart gravierend anzusehen, dass darauf verzichtet werden könnte bzw. müsste.
161 
cc) Vorlagefrage 3
162 
Geht man davon aus, dass die Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG in Fällen der Beendigung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung findet, stellt sich die Frage, ob die Regelung des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie als abschließend zu verstehen ist mit der Folge, dass die Aufhebung oder Beendigung des einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels unionsrechtlich nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist. Dann wäre der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Satz 2 AufenthG entsprechend auszulegen. Die Ausweisung des Klägers wäre als rechtswidrig anzusehen.
163 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindestens 18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Asylberechtigten und Ausländern, denen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt worden ist, wird die Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erteilt. Subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes wird die Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erteilt, bei Verlängerung für zwei weitere Jahre. Ausländern, die die Voraussetzungen des § 25 Absatz 3 erfüllen, wird die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr erteilt. Die Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 1 und Absatz 4b werden jeweils für ein Jahr, Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 3 jeweils für zwei Jahre erteilt und verlängert; in begründeten Einzelfällen ist eine längere Geltungsdauer zulässig.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis darf nicht verlängert werden, wenn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen sind.

(3) Einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, ist eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
sein Lebensunterhalt überwiegend gesichert ist,
4.
er über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
§ 9 Absatz 2 Satz 2 bis 6, § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 finden entsprechend Anwendung; von der Voraussetzung in Satz 1 Nummer 3 wird auch abgesehen, wenn der Ausländer die Regelaltersgrenze nach § 35 Satz 2 oder § 235 Absatz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erreicht hat. Abweichend von Satz 1 und 2 ist einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn
1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit drei Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
er die deutsche Sprache beherrscht,
4.
sein Lebensunterhalt weit überwiegend gesichert ist und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
In den Fällen des Satzes 3 finden § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 entsprechend Anwendung. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für einen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4 besitzt, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme vor.

(4) Im Übrigen kann einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 9 Abs. 2 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend. Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens wird abweichend von § 55 Abs. 3 des Asylgesetzes auf die Frist angerechnet. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Artikel 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu folgenden Fragen eingeholt:

1. a) Ist die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels an Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, auch bei der Aufhebung eines bereits erteilten Aufenthaltstitels zu beachten?

b) Ist diese daher dahingehend auszulegen, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) eines anerkannten Flüchtlings entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sind?

2. Für den Fall, dass die Fragen unter 1 zu bejahen sind:

a) Wie ist der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG mit Blick auf Gefahren auszulegen, die von der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ausgehen?

b) Können „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots nach Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht erfüllt sind?

3. Für den Fall, dass die Frage unter 1a) zu verneinen ist:

Ist die Aufhebung bzw. Beendigung des einem anerkannten Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (bzw. der gleichlautenden Nachfolgeregelung der Richtlinie 2011/95/EU) zulässig?

Gründe

 
A)
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebt seit 1989 mit seiner Ehefrau, welche ebenfalls türkische Staatsangehörige ist, und mit inzwischen acht gemeinsamen Kindern, von denen fünf die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist bis heute Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Auf seinen Asylantrag wurde er am 24.06.1993 als Asylberechtigter anerkannt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des - damals geltenden - § 51 Abs. 1 AuslG (Flüchtlingsschutz, heute § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen. Die Anerkennung wurde mit den exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland und der ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei drohenden politischen Verfolgung begründet (vgl. Urteil des VG Minden vom 08.02.1993). Der im Wesentlichen mit geänderten Verhältnissen in der Türkei begründete Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.08.2006 wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30.11.2007 aufgehoben. Seit dem 07.10.1993 ist der Kläger im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels.
Der Kläger war in den 1990er-Jahren in vielfältiger Weise für die PKK (Partiya Karkerên Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) bzw. deren Neben- oder Nachfolgeorganisationen exilpolitsch aktiv. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22.11.1993 wurden der PKK und der ENRK (Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) - einer inzwischen aufgelösten, damals in Deutschland für die PKK aktiven "Frontorganisation" - verboten, sich in Deutschland zu betätigen. Nach § 20 Vereinsgesetz macht sich unter anderem strafbar, wer diesem Verbot zuwiderhandelt (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 18 Satz 2 VereinsG). 1992 wurde der Kläger in den Vorstand des "Arbeiter- und Kulturzentrums der Kurden Bielefeld" gewählt. Der Verein wurde 1993 als Teilorganisation der PKK verboten. Im Asylverfahren gab der Kläger selbst an, er besuche alle Veranstaltungen und Demonstrationen der ERNK. Dabei sei er teilweise als Ordner eingesetzt. Diese exilpolitischen Aktivitäten setzte der Kläger auch nach seiner Asylanerkennung fort. Es kam deshalb zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Jahr 2001 beteiligte er sich an der Unterschriftenaktion im Rahmen der so genannten "Identitätskampagne" der PKK und unterzeichnete die Erklärung "Auch ich bin ein PKK'ler". Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg nahm der Kläger in den folgenden Jahren, auch nach dem Umzug seiner Familie aus dem Raum Bielefeld nach Mannheim im Jahr 2002, weiter regelmäßig an Demonstrationen und Veranstaltungen teil, bei welchen es um die Rechte der Kurden, um die PKK und/oder deren Generalsekretär Abdulah Öcalan ging, darunter auch solche mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan, so genannte "Märtyrergedenkfeiern" (Feiern zum Gedenken an gefallene PKK-Kämpfer und Selbstmordattentäter) und "Volksversammlungen".
Im Juni 2006 reiste der Kläger in den Irak. Er hielt sich dort zwei Monate lang auf und besuchte Verwandte sowie diverse Orte bzw. Stationen im Grenzgebiet zur Türkei. 2007 unternahm er mit seinem ältesten Sohn eine weitere Reise in den Irak.
Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 10.01.2007 wegen des Verdachts eines - durch Betätigung für die PKK begangenen - Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden unter anderem eine handschriftlich verfasste Spendenliste mit 16 Namen und Beträgen zwischen 100 und 1000 EUR sowie eine mit dem Computer im Jahr 2006 erstellte Spendenliste, welche in 4 Ortsbezirke unterteilt war und auf der hinter 29 der insgesamt 48 aufgeführten Namen monatliche Spenden im Zeitraum von Januar bis Mai in Höhe von 10 bis 30 EUR pro Monat vermerkt waren, aufgefunden, außerdem ein Zettel und ein Notizbuch mit Vermerken zu eingesammelten Beträgen, Ausdrucke eines Vordrucks für eine Spendenliste, 4 Zeitschriften Serxwebun, Fotos mit Abdullah Öcalan, darunter eines mit der Aufschrift "PKK" im Scheckkartenformat im Geldbeutel des Klägers, Fotos des Klägers neben bewaffneten Personen, welche von der Reise des Klägers in den Irak im Juni 2006 stammten, Flaggen bzw. Fahnen mit dem Emblem der "KKK" (Koma Komalên Kurdistan), Flaggen mit einer Abbildung von Abdullah Öcalan sowie ein Buch von Öcalan. Der Kläger wurde daraufhin mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen im Urteil hat er dem Verbot einer Betätigung für die PKK zuwidergehandelt. Die PKK bzw. die KONGRA-GEL finanzierten sich durch Beiträge für legale kurdische Vereine, monatliche Mitgliedsbeiträge der Anhänger, Verkauf von Publikationen, Einnahmen beim jährlichen „Kurdistanfestival“ und andere Feste auf örtlicher Ebene sowie Einnahmen aus der jährlich im Herbst/Winter durchgeführten „Spendenkampagne“. Bei dieser „Spendenkampagne“ setze der für Europa zuständige „Rat“ fest, welche Beträge von den einzelnen europäischen Ländern zu erbringen seien. Diese würden auf der jeweiligen Hierarchieebene Raum bzw. Gebiet aufgeschlüsselt. Dabei würden Listen der ortsansässigen Kurden verwendet und die von diesen zu erbringenden „Spenden“ nach der Höhe des jeweiligen Einkommens festgesetzt, wobei etwa ein Monatseinkommen zu erbringen sei. Die Spenden würden von so genannten „Sammelteams“ von zwei bis drei Personen eingesammelt, notfalls auch mit Gewalt eingetrieben. Im Zuge der hierarchischen Gebietsstruktur der PKK sei auch die Bundesrepublik Deutschland in mehrere Gebiete gegliedert, denen jeweils ein Gebietsverantwortlicher vorstehe, der regelmäßig nach einem Jahr ausgewechselt werde. Im Jahr 2005 sei dies bis zum Oktober im Gebiet Mannheim der Gebietsverantwortliche M.T., Deckname D., gewesen. Die Gebiete seien wiederum in Räume aufgeteilt, denen jeweils ein Raumverantwortlicher vorstehe. So sei das Gebiet Mannheim in die Räume Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Worms, Bruchsal, Karlsruhe und Germersheim aufgeteilt. Verantwortlicher im Raum Mannheim sei im Jahr 2005 eine nicht identifizierte Person namens Ma. gewesen. Der Kläger sei in den Jahren 2005 und 2006 im Raum Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen. Er sei direkt dem Raumverantwortlichen für Mannheim namens Ma. unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen M.T. gewesen. Dies schließe die Strafkammer daraus, dass er als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen M.T. zwei Rundschreiben per SMS erhalten habe, in welchen er dazu aufgefordert worden sei, als einer der "Freunde, die für die Räume verantwortlich seien, ... die Freunde, mit denen er "zusammenarbeite, zu benachrichtigen". Außerdem seien sein Vorname und seine Handynummer auf sichergestellten Notizzetteln des Gebietsverantwortlichen M.T. notiert gewesen. In der von ihm übernommenen Funktion habe sich der Kläger mit dem Sammeln und der Weiterleitung von Spenden für die PKK und gelegentlich auch mit der Verteilung der Zeitschrift Serxwebun - eines der Publikationsorgane der PKK bzw. der Nachfolgeorganisation KONGRA-GEL - befasst. Er habe in den im einzelnen aufgeführten Fällen (von insgesamt 29 Personen aus vier Bezirken des Raums Mannheim - jeweils von Januar bis Mai, teilweise auch nur bis März oder April 2006) selbst oder unter Einschaltung von Hilfspersonen Spenden für die PKK gesammelt, diese in seiner Spendenliste verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK, wahrscheinlich in Brüssel, abführen lassen. Er habe sich zudem noch am 10.01.2007 von seinem Sohn mit Hilfe des Computers einen neuen Vordruck einer Spendenliste erstellen lassen. Der Kläger habe das gegen die PKK verhängte Betätigungsverbot gekannt. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Spendenkampagnen für die PKK von großer Bedeutung seien. An ihnen und an dem Verkauf der Zeitschrift habe er mit dem Willen teilgenommen, die PKK zu fördern und die Eintreibung von Spenden und Einnahmen aus Zeitungsverkäufen an den Vorgaben der Partei auszurichten. Nach Verwerfung der Revision durch den Bundesgerichtshof wurde das Urteil am 08.04.2009 rechtskräftig.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27.03.2012 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt Mannheim begrenzt (Ziff. 2). Die Ausweisung wurde auf §§ 55, 56 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Als Ausweisungsgrund wurde § 54 Nr. 5 AufenthG herangezogen, wonach ein Ausländer in der Regel ausgewiesen wird, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder unterstützt hat oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Mit Blick auf die bestehende familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und den minderjährigen Kindern und unter Berücksichtigung seines unbefristeten Aufenthaltsrechts sowie des Status als Asylberechtigter und Flüchtling erging die Ausweisungsverfügung jedoch als Ermessensentscheidung (§§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3, 4 und 5, Satz 5 AufenthG, 55 AufenthG, Art. 6 Abs. 1 GG, 8 EMRK). Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle es sich um Vereinigungen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Aktivitäten des Klägers wie insbesondere das Eintreiben von Spenden, der Verkauf der PKK-Zeitung Serxwebun und auch die ständige Teilnahme an Veranstaltungen der PKK bzw. PKK-naher Vereine seien als Unterstützung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Dabei sei auch von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit auszugehen. Schließlich seien bis weit ins Jahr 2011 Unterstützungshandlungen nachgewiesen. Dem Interesse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet, das sich aus den bestehenden persönlichen und familiären Bindungen ergebe, werde durch Duldungen (d.h. eine Aussetzung der Abschiebung ohne Aufenthaltstitel) Rechnung getragen werden.
Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.08.2012 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde dargelegt: Der Umstand, dass der Kläger durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK verurteilt worden sei, rechtfertige ohne weiteres die Annahme einer relevanten Unterstützungstätigkeit, wenn diese Tätigkeiten nicht sogar auf eine Zugehörigkeit zur Organisation selbst hinwiesen. Des Weiteren stelle jedenfalls der regelmäßige, über Jahre erfolgte häufige Besuch der dem Kläger vorgehaltenen Veranstaltungen, insbesondere wenn es sich um so genannte Märtyrergedenkveranstaltungen und Feiern zum Jahrestag der Gründung der PKK handle, eine relevante Unterstützungstätigkeit dar. Durch das Einsammeln der Spenden und deren Weiterleitung habe der Kläger die PKK sogar in qualifizierter Weise unterstützt.
Auf den vom Kläger gestellten Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28.11.2012 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zugelassen.
Der Kläger bestreitet, dass es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung handelt. Jedenfalls habe er diese nicht unterstützt. Außerdem seien die für ihn als anerkannten Flüchtling geltenden Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, Art. 21 und Art. 24, nicht berücksichtigt worden. Eine Ausweisung setze nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie voraus, dass der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen sei. Solche wären nur zu bejahen, wenn er eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt hätte. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, auch nicht mit Blick auf seine strafrechtliche Verurteilung wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot. Dieser lägen Vorgänge aus den Jahren 2005 und 2006 zugrunde. Ob von ihm - unterstellt die vom beklagten Land behaupteten Aktivitäten träfen zu - eine aktuelle Gefährdung, ausginge, sei weder überprüft noch festgestellt worden. Die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG seien schon deshalb eindeutig nicht erfüllt, weil die danach erforderlichen „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ schwerwiegendere Gründe als die in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie genannten Gründe voraussetzten. Diesbezüglich sei zur Auslegung auf Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - abzustellen.
10 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 04.04.2013 hat der Kläger erklärt, er habe die ihm im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zur Last gelegte Straftat nicht begangen und auch nie eingeräumt. Er sei Kurde und sehe sich als "progressiver Kurde", weshalb er sich verpflichtet fühle, an Newroz-Festen, Demonstrationen und Veranstaltungen von Kurden teilzunehmen. Als Kurde möge er die PKK; er stehe hinter ihr. Er sei aber kein "PKK'ler". Zu letzteren zähle er die Personen, die in den Bergen gegen den Feind kämpfen. Veranstaltungen in Gedenken an die PKK, wie zum Beispiel zum Jahrestag ihrer Gründung, seien für ihn persönlich zwar nicht wichtig. Wenn es aber "für das Volk" wichtig sei, dass er daran teilnehme, könne es sein, dass er das auch mache. Feiern aus Anlass des Geburtstages von Öcalan seien nicht verboten und für ihn persönlich "schon wichtig". An Märtyrergedenkveranstaltungen nehme er teil, wenn es ihm danach sei. Wenn in den Räumen des kurdischen Vereins Versammlungen durchgeführt worden seien, sei er hingegangen. Es habe sich immer um erlaubte Veranstaltungen gehandelt. Als Vorstandsmitglied des kurdischen Vereins in Bielefeld Anfang der 1990-er Jahre habe er lediglich die Aufgabe gehabt, die Einkäufe für den Verein zu erledigen. Nach dem Verbot der PKK habe es deshalb bei ihm zu Hause eine Razzia gegeben und er sei auch angeklagt worden. Später habe er keine Aufgaben mehr übernommen. Nach seinem Umzug nach Mannheim 2002 sei er zwar zunächst noch Mitglied des örtlichen Kulturvereins der Kurden gewesen, nach Verlegung des Vereinssitzes in die benachbarte Stadt Ludwigshafen aber nicht mehr. Wegen der mit der Ausweisungsverfügung gegen ihn verhängten Beschränkung seines Aufenthalts auf die Stadt Mannheim sei er auch nicht mehr dorthin gegangen, früher habe er sich einmal die Woche, manchmal auch täglich, in den Vereinsräumen aufgehalten. Seine Reise in den Irak sei für ihn wie eine "Pilgerreise" gewesen. Dies habe er unter anderem deshalb so empfunden, weil dort sogar Staatsbedienstete wie Polizisten, Richter usw. kurdischer Volkszugehörigkeit seien. Mit einem Neffen sei er überall unterwegs gewesen. Bewaffnete Personen wie die, mit denen er sich auf Fotos habe ablichten lassen, gebe es dort überall.
11 
Das beklagte Land verteidigt den angegriffenen Ausweisungsbescheid. Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 21 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG stünden einer Ausweisung nicht entgegen. Der Kläger sei schließlich rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen verurteilt worden. Den Urteilsgründen des Strafurteils sei zu entnehmen, dass er in den Jahren 2005 und 2006 in Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen sei. Durch das Sammeln von Spenden habe er nicht nur die Strukturen der PKK in Deutschland gestärkt, sondern darüber hinaus auch die kämpfende PKK in der Türkei, die sich unter anderem durch die Spenden ihrer Anhänger finanziere, im Vorfeld qualifiziert unterstützt. Die Ausübung der genannten Tätigkeiten und die gehobene Funktion des Klägers im Raum Mannheim verdeutlichten seine strukturelle Einbindung in die Organisation, durch welche er das Gefährdungspotential der PKK mittrage. Dem stehe nicht entgegen, dass seine Verurteilung schon mehrere Jahre zurückliege. Selbst wenn er seither nicht mehr für das Sammeln von Spenden zuständig sei, belege doch die in den darauffolgenden Jahren weiterhin erfolgte regelmäßige Teilnahme an zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen der PKK das Fehlen der inneren und äußeren Abkehr von der PKK und deren Zielen.
B)
12 
Der Rechtsstreit ist in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO auszusetzen und es ist eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen (Art. 267 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AEUV).
I.
13 
Die für die Erörterung der Vorlagefragen maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
14 
1. Völkerrecht und Unionsrecht
15 
a) Genfer Flüchtlingskonvention
16 
(Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951; GFK)
17 
Artikel 28 - Reiseausweise
18 
1. Die vertragschließenden Staaten werden den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise ausstellen, die ihnen Reisen außerhalb dieses Gebietes gestatten, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen; …
19 
Artikel 32 - Ausweisung
20 
1. Die vertragschließenden Staaten werden einen Flüchtling, der sich rechtmäßig in ihrem Gebiet befindet, nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausweisen.
21 
Artikel 33 - Verbot der Ausweisung und Zurückweisung
22 
1. Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.
23 
2. Auf die Vergünstigung dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.
24 
b) Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ)
25 
Artikel 21
26 
(1) Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen.
27 
c) Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 304 vom 30.09.2004, S. 12; im folgenden RL 2004/83/EG bzw. "Richtlinie“)
28 
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
...
29 
in Erwägung nachstehender Gründe:
30 
...
(6) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie ist es einerseits, ein Mindestmaß an Schutz in allen Mitgliedstaaten für Personen zu gewährleisten, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass allen diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
31 
(7) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Anerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Asylbewerbern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht, einzudämmen.
32 
(22) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, “dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“ und “dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“.
...
33 
(28) Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
34 
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
35 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
36 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
37 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
38 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
39 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
40 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
41 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
42 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
43 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
44 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
45 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
46 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
47 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
48 
d) Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 337 vom 20.12.2011, S. 9, im Folgenden RL 2011/95/EU)
49 
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
50 
in Erwägung nachstehender Gründe:
51 
...
(12) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie besteht darin, einerseits zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien zur Bestimmung der Personen anwenden, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
52 
(13) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Zuerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, zwischen Mitgliedstaaten einzudämmen, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht.
...
53 
(31) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, dass die "Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und dass die "wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen".
...
54 
(37) Der Begriff der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
55 
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
56 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
57 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
58 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
59 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
60 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
61 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
62 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
63 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
64 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
65 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
66 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
67 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
68 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, und ihren Familienangehörigen einen verlängerbaren Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr und im Fall der Verlängerung mindestens zwei Jahre gültig sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
69 
e) Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77, ber. ABl. L 229 vom 29.06.2004, S. 35; im Folgenden RL 2004/38/EG)
70 
Artikel 28 - Schutz vor Ausweisung
71 
...
(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie
72 
a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder
b) minderjährig sind, es sei denn, ...
73 
2. Nationales Recht:
74 
a) Aufenthaltsgesetz (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 30.07.2004, BGBl. I 1950, in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.02.2008, BGBl. I, S. 162, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 15.02.2013, BGBl. I, S. 254; AufenthG)
75 
§ 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot
76 
(1) Ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, darf nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Wirkungen werden auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Die Frist beginnt mit der Ausreise. …
(2) ...
77 
§ 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen
78 
(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.
79 
(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat (§ 3 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes). Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
...
80 
(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann abweichend von § 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist...
81 
§ 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen
82 
(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:
83 
...
5. Ausweisung des Ausländers,
84 
§ 54 Ausweisung im Regelfall
85 
Ein Ausländer wird in der Regel ausgewiesen, wenn
1. ...
...
86 
5. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen,
87 
§ 54a Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit
88 
(1) Ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. …
89 
(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.
90 
§ 55 Ermessensausweisung
91 
(1) Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.
92 
(2) Ein Ausländer kann nach Absatz 1 insbesondere ausgewiesen werden, wenn er ...
93 
(3) Bei der Entscheidung über die Ausweisung sind zu berücksichtigen
94 
1. die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet,
2. die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen oder Lebenspartner des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft leben,
3. die in § 60a Abs. 2 und 2b genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung.
95 
§ 56 Besonderer Ausweisungsschutz
96 
(1) Ein Ausländer, der
97 
1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
1a. eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt,
2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 bis 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4. mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
5. als Asylberechtigter anerkannt ist, im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt oder einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, genießt besonderen Ausweisungsschutz. Er wird nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegen in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor. Liegen die Voraussetzungen des § 53 vor, so wird der Ausländer in der Regel ausgewiesen. Liegen die Voraussetzungen des § 54 vor, so wird über seine Ausweisung nach Ermessen entschieden.
98 
§ 60 Verbot der Abschiebung
99 
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurden.
100 
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes erfüllt.
101 
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden.
102 
§ 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
103 

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn…
...
104 
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
105 
b) Vereinsgesetz
106 
(Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 05.08.1964, BGBl. I 1964, S. 593; VereinsG)
107 
§ 18 Räumlicher Geltungsbereich von Vereinsverboten
108 
Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes keine Organisation, so richtet sich das Verbot (§ 3 Abs. 1) gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich.
109 
§ 20 Zuwiderhandlungen gegen Verbote
110 
(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit
111 
...
4. einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5. ...,
112 
wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ ….… des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist.
II.
113 
Zu den im Beschlusstenor angeführten Fragen - welche noch nicht Gegenstand von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs waren - ist eine Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV einzuholen, weil diese entscheidungserheblich sind und der Klärung bedürfen.
114 
Gemessen an den Bestimmungen des nationalen Rechts kann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen, weil die Ausweisung und die mit ihr verfügte Aufenthaltsbeschränkung sowie die Meldeauflage danach als rechtmäßig zu beurteilen sind (dazu unter 1.). Es kommt daher darauf an, ob Unionsrecht - hier Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 oder Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG - einer Ausweisung des Klägers entgegensteht (2.)
115 
1. Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Akten und Unterlagen sowie der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Sachverhalt und die nationale Rechtslage - ohne Berücksichtigung von Art. 21 oder 24 RL 2004/83/EG - derzeit (maßgeblich wäre letztlich der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Senats über das Berufungsverfahren) wie folgt zu beurteilen wären:
116 
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG sind gegeben (a). Die Ausweisung lässt sich nach nationalem Recht auch insgesamt rechtlich nicht beanstanden, insbesondere liegen keine Ermessensfehler vor (b). Danach wären die räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Klägers und die ihm gegenüber verfügte Meldeauflage ebenfalls rechtmäßig (c).
117 
a) Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG liegt vor.
118 
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris, Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, jew. m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16.02.2012 - AK 1/12 und 2/12 - juris) sind die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris) und ändert nichts an deren bislang grundsätzlich weiter bestehenden Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei. Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP - ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2012/765/GASP des Rates vom 10.12.2012, ABl. EU L 337 vom 11.12.2012, S. 50). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09, B. und D. - Slg. 2010, I-10979, = juris).
119 
Zwar hat Abdullah Öcalan im März dieses Jahres eine Waffenruhe verkündet, die das Ergebnis von Verhandlungen mit dem türkischen Geheimdienst sein soll. Diese ist dann von der PKK tatsächlich ausgerufen worden. Inzwischen hat nach Medienberichten der Abzug von PKK-Kämpfern aus der Türkei bereits begonnen; er soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. Allein deshalb kann aber noch nicht angenommen werden, die PKK wäre nicht mehr als terroristische Organisation anzusehen. Schließlich gab es auch in der Vergangenheit entsprechende Erklärungen, die zu keiner wesentlichen Änderung auf Dauer geführt haben. So wurde ein 1999 ausgerufener „Friedenskurs“ 2004 wieder beendet. Selbst in der Zwischenzeit hatte die PKK nicht auf Gewalt verzichtet.
120 
Der Senat ist auch der Überzeugung, dass der Kläger die PKK unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die von ihm ausgeübten Aktivitäten zur Unterstützung haben dabei sicherlich unterschiedliches Gewicht und unterschiedliche Qualität. Von besonderer Bedeutung ist das "Sammeln" bzw. "Eintreiben" und das Weiterleiten von Spenden für die PKK aus vier Bezirken des Raums Mannheim in den Jahren 2005 und 2006. Der Senat folgt insoweit den Feststellungen des Landgerichts Karlsruhe im Strafurteil vom 03.12.2008. Danach war der Kläger zwar nicht in einer Führungsposition, etwa als Gebiets- oder Raumverantwortlicher, für die PKK aktiv, er hatte aber jedenfalls eine besondere Stellung inne, welche einen aktiven Einsatz auch nach außen hin erforderte. Schließlich mussten die Spenden regelmäßig einkassiert und gegebenenfalls eingefordert werden. Die Spendenkampagnen sind für die PKK von großer Bedeutung, was dem Kläger bekannt war. Hinzu kommt der Verkauf der PKK-Zeitschrift Serxwebun. Länger zurück liegen die Aktivitäten des Klägers in Bielefeld als Vorstandsmitglied eines später verbotenen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre. Diese sowie die regelmäßige Teilnahme an diversen PKK-nahen Veranstaltungen, auf welche sich der Kläger auch in seinen Asylverfahren berufen hat, zeigen aber, dass er seit seiner Einreise nach Deutschland durchgehend für die PKK aktiv war. Auch der bloße Besuch der angeführten Feiern bzw. Versammlungen mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan sowie so genannte "Märtyrergedenkfeiern" und "Volksversammlungen" (vgl. zu letzteren genauer Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - a.a.O.) fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger. Diese Veranstaltungen haben schon von ihrem Anlass bzw. ihrer Thematik her für die Besucher erkennbar den Charakter einer Propagandaveranstaltung für die PKK und werden auch entsprechend inszeniert. Die durch eine Teilnahme an solchen besonderen Veranstaltungen ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung und Ansehen in der Gesellschaft, namentlich unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, damit ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Sie kann daher - auch in Ansehung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit - als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung anzusehen sein (vgl. dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - sowie Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, jew. a.a.O. und m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.01.2013 - 11 S 1581/12 - juris). Davon ist hier in Anbetracht der Vielzahl von einschlägigen Veranstaltungen, die der Kläger im Laufe von mittlerweile über zwei Jahrzehnten besucht hat, auszugehen. Er hat in der mündlichen Verhandlung zudem deutlich gemacht, dass es ihm tatsächlich darum geht, die PKK zu unterstützen, und dass er sich verpflichtet fühlt, an entsprechenden Veranstaltungen teilzunehmen. Soweit er vorgetragen hat, er sei kein "PKK'ler", das seien doch nur die Kämpfer in den Bergen, und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach nicht darauf an, ob die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre oder ob die Veranstaltung, um deren Besuch es geht, verboten wurde (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O., m.w.N.). Abgesehen davon hat sich der Kläger unter anderem wegen des Einsammelns und Weiterleitens von Spenden für die PKK sogar strafbar gemacht.
121 
Vor dem Hintergrund der langjährigen Aktivitäten des Klägers kann auch nicht allein aus der Tatsache, dass er inzwischen weniger - und seit Ergehen der Ausweisungsverfügung am 27.03.2012 kaum mehr - an entsprechenden Veranstaltungen teilnimmt, geschlossen werden, dass er nicht mehr als Unterstützer der PKK anzusehen wäre. Es ist im Gegenteil bezeichnend, dass er selbst nach der Durchsuchung seiner Wohnung wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz am 10.01.2007 und während des daran anschließenden Strafverfahrens und selbst noch nach Hinweis durch das Regierungspräsidium in einem Schreiben vom 09.10.2009, dass seine Ausweisung geprüft werde, weiter PKK-nahe Veranstaltungen besucht hat. Seit Erlass des Ausweisungsbescheids vom 27.03.2012 ist zudem sein Aufenthalt aufgrund der darin unter Ziffer 2 verfügten sofort vollziehbaren Anordnung auf den Stadtbezirk Mannheims beschränkt. Dies ist seinen Angaben nach auch der Grund dafür, dass er nicht einmal mehr den kurdischen Verein in Ludwigshafen besucht. In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass der Kläger sich lediglich mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und seine Aktivitäten andernfalls zumindest mit dem Besuch von Veranstaltungen der geschilderten Art fortsetzen bzw. wieder aufgreifen würde. Es ist daher davon auszugehen, dass er auch künftig die PKK nachhaltig unterstützen wird.
122 
b) Die Ausweisung ist - bei einer Beurteilung rein nach nationalem Recht - auch im Übrigen rechtmäßig.
123 
Unter anderem wegen seiner Rechtsstellung als anerkannter Asylbewerber und als Flüchtling sowie der bestehenden familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern deutscher Staatsangehörigkeit (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 und 5 AufenthG) genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier in Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, nicht gegeben. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§§ 56 Abs. 1 Satz 5, 55 AufenthG). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung insbesondere als verhältnismäßig anzusehen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Kläger Deutschland nicht - als Folge der Ausweisung - verlassen müsste, sondern jedenfalls weiter geduldet würde.
124 
c) Damit liegen auch die Voraussetzungen für Maßnahmen zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit nach § 54a Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG vor. Die Verpflichtung des Klägers unter Ziffer 2 des Bescheids vom 27.03.2012, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, beruht auf § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG; die Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim folgt aus § 54a Abs. 2 AufenthG.
125 
2. Es ist aber weiter zu prüfen, ob - und gegebenenfalls in welcher Weise - die nach nationalem Recht bei der Ausweisung eines Flüchtlings geltenden Voraussetzungen durch vorrangiges Unionsrecht modifiziert werden. Das würde hier bedeuten, dass der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG mit Blick auf Unionsrecht gegebenenfalls abweichend - unionsrechtskonform - auszulegen ist.
126 
Vorab ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass die Ausweisung des Klägers nicht an Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation zu messen ist. Da der Kläger nie einer Arbeit nachgegangen ist, hat er auch keine Rechtsstellung nach Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses erworben.
127 
Als unionsrechtlicher Prüfungsmaßstab für die Ausweisung des Klägers als anerkannter Flüchtling kommen die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bzw. die entsprechenden Nachfolgevorschriften der Richtlinie 2011/95/EU in Betracht. Der Senat ist der Überzeugung, dass die Voraussetzungen des - auf die Ausweisung anzuwendenden - Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind (dazu unter a). Deshalb stellen sich die Vorlagefragen (b).
128 
a) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG ist auch bei der Ausweisung eines Flüchtlings nach deutschem Recht anwendbar (aa). Dessen Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor (bb).
129 
aa) Gemäß Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG achten die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Nach Absatz 2 der Regelung kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Gemäß Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
130 
Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gilt auch für Fälle, in denen der einem Flüchtling erteilte Aufenthaltstitel vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 RL 2004/83/EG) oder sogar vor deren Inkrafttreten am 20.10.2004 erteilt worden ist. Art. 21 RL 2004/83/EG enthält - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 RL 2004/83/EG bezüglich Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie gestellt werden - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass dessen Anwendbarkeit bei bereits erteilten Aufenthaltstiteln ausgeschlossen wäre. Auf die Frage, ob bereits auf die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, welche am 09.01.2012 in Kraft getreten ist (vgl. dazu deren Art. 41 Abs. 1), abzustellen ist, kommt es nicht an, weil Art. 21 unverändert geblieben ist (soweit im Folgenden auf Art. 21 RL 2004/83/EG abgestellt wird, gelten die entsprechenden Ausführungen daher ebenso bezüglich Art. 21 RL 2011/95/EU).
131 
Eine Ausweisung nach deutschem Recht führt nicht zwingend zu einer Abschiebung des Betreffenden und damit auch nicht zu einer "Zurückweisung" im Sinne des Art. 21 Abs. 1 und 2 RL 2004/83/EG, sie kann daher nicht unmittelbar gegen den in Absatz 1 angeführten Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass er unter anderem wegen der familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern, von denen einige die deutsche Staatsangehörigkeit haben, (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK) und wegen seines Status als anerkannter Asylbewerber und Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) nicht abgeschoben werden darf und soll.
132 
Auf eine Ausweisung finden jedoch die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG über die Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln bei Flüchtlingen Anwendung. Dies folgt daraus, dass nach nationalem Recht (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) eine Ausweisung ohne Weiteres das Erlöschen des dem Betreffenden erteilten Aufenthaltstitels, hier der Niederlassungserlaubnis des Klägers, zur Folge hat. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG wird diesem auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein (neuer) Aufenthaltstitel erteilt (vgl. auch § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Sie hat außerdem Folgen für den Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten, die nach deutschem Recht in der Regel an das Bestehen eines Titels (vgl. §§ 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 AufenthG, 4 Abs. 2 und 3 AufenthG) und nicht wie nach Art. 26 ff. RL 2004/83/EG an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft anknüpfen. Das beklagte Land geht im Übrigen davon aus, dass dem Kläger - sollte die Ausweisung rechtskräftig werden - jedenfalls vorerst kein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, sondern dass er lediglich einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, also auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung hat. Diese lässt die Ausreisepflicht unberührt (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Aus alledem folgt nach Auffassung des Senats, dass die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht der Beendigung eines Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gleichzustellen ist.
133 
bb) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG lässt jedoch im vorliegenden Fall nicht die Beendigung des Aufenthaltstitels - und damit in letzter Konsequenz auch nicht eine Ausweisung - zu. Erforderlich wäre danach, dass "Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet". Dieser Verweis auf den zweiten Absatz bedeutet, dass die Aufhebung bzw. die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels voraussetzt, dass eine Zurückweisung des betreffenden Flüchtlings nicht nach völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt wäre (siehe dazu den Vorbehalt des Einleitungssatzes "sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist") und dass die in den Buchstaben a oder b des Art. 21 Abs. 2 RL der Richtlinie genannten Gefahren gegeben sind (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris). Hier fehlt es schon am Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder b RL 2004/83/EG.
134 
Diese entsprechen im Wesentlichen den in Art. 33 Abs. 2 GFK enthaltenen Voraussetzungen für eine Durchbrechung des völkerrechtlichen Refoulement-Verbots (vgl. dazu Battjes in: Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, Ch. IV.3. Council Directive 2004/83/EC, Art. 21 Rn. 11). Art. 33 Abs. 1 GFK untersagt die Ausweisung oder Zurückweisung eines Flüchtlings über die Grenzen von Gebieten, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach Absatz 2 kann sich auf die Vergünstigung jedoch ein Flüchtling nicht berufen, "der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde". Die Parallelen zwischen den Ausnahmetatbeständen beider Vorschriften zeigen, dass nicht nur eine Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG, sondern auch die Versagung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels nur unter den Voraussetzungen zulässig ist, welche auch die Zurückschiebung eines Flüchtlings in das "Verfolgerland" ermöglichen würden, also nur bei "schwerwiegenden Gründen". Im Übrigen finden sich die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG auch in Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten einem Flüchtling die ihm zuerkannte Rechtsstellung (als Flüchtling) wieder aberkennen, beenden oder ihre Verlängerung ablehnen (Abs. 4), gegebenenfalls die Rechtsstellung von vornherein nicht zuerkennen (Abs. 5), wenn eine der angeführten Gefahren gegeben ist. Auch dies verdeutlicht, dass es sich um besonders gravierende Gefahren handeln muss. Zurückweisung und Ausschluss vom bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus können nur "ultima ratio" sein (vgl. zu Art. 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl 2012, § 37 Rn. 54; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 17.12 - juris). Bei der Gefahr für die Allgemeinheit gelten nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und in Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2004/83/EG mit dem Erfordernis der Verurteilung des Betreffenden wegen "eines besonders schweren Verbrechens" - jedenfalls dem Wortlaut nach - sogar höhere Anforderungen als gemäß Art. 33 Abs. 2, 2. Alternative GFK, wonach eine Verurteilung wegen "eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens" genügt.
135 
Offen bleiben kann hier, ob der Umstand, dass in der deutschen Fassung des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und des Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG nicht "schwerwiegende Gründe" wie in Art. 33 Abs. 2 GFK, sondern lediglich "stichhaltige Gründe" gefordert werden, bedeutet, dass ein geringeres Maß an Überzeugungsgewissheit erforderlich ist (vgl. dazu die englischen Fassungen dieser Bestimmungen: Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”). Mit Blick auf Art. 33 GFK, welcher zwingende Vorgaben für das Refoulement-Verbot und seine Ausnahmen enthält und in Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG aufgegriffen wird, dürften allerdings nicht nur an das Ausmaß der Gefahr, sondern auch an deren Nachweis insgesamt dieselben Anforderungen zu stellen sein wie im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GFK (a.A. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Letztlich kommt es aber hier auf diese Frage nicht an.
136 
Denn selbst wenn man insofern von einer Absenkung des erforderlichen Beweismaßes ausginge, sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht erfüllt. Der vom Kläger begangene Verstoß gegen das Vereinsgesetz, der zu seiner Verurteilung mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen geführt hat, ist ersichtlich nicht als "besonders schwere Straftat" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG anzusehen. Es bestehen aber auch keine "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie bzw. dass er aus "schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes" anzusehen ist im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GFK.
137 
Bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GFK, Art. 14 Abs. 4 und Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten - in bestimmten Grenzen - den Begriff der "Sicherheit" nach dem jeweiligen eigenen Recht selbst definieren, weil auf die Sicherheit des eigenen Staates abzustellen ist und diese im Völkerrecht nicht abschließend festgelegt werden kann (vgl. dazu und zum folgenden: Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich jedenfalls um eine sehr große Gefahr handeln (Marx, a.a.O., § 35 Rn. 182, § 37 Rn. 51, § 54 Rn. 4, m.w.N.). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87). Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 60 Abs. 8 AufenthG von der Möglichkeit der Verweigerung bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus Gebrauch gemacht (vgl. auch § 3 Abs. 4 AsylVfG). Die diesbezügliche Rechtsprechung kann daher zur Auslegung der Voraussetzungen herangezogen werden.
138 
Danach kann die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des Ausweisungstatbestands des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht ausreichen; vielmehr muss sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Stichhaltige bzw. schwerwiegende Gründe liegen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetzt. Vielmehr müssen bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigen, das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK zurücktreten zu lassen. Das ist typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine terroristische Vereinigung bzw. eine Vereinigung, welche den Terrorismus unterstützt, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt. Das kann sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintritt oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mitträgt. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend ist, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lässt sich nicht ab- strakt beantworten, sondern hängt von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt wird (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 30.03.1999 - 9 C 31.98 - juris, zu § 51 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990; Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.).
139 
Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine Aufhebung des Aufenthaltstitels des Klägers und damit seine Ausweisung nicht unter Verweis auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG rechtfertigen. Es bedarf schon genauerer Prüfung, ob tatsächlich noch von einer Gefahr für die (innere und äußere) Sicherheit des deutschen Staates durch Unterstützung der PKK auszugehen sein kann, obwohl diese in den letzten Jahren terroristische Mittel fast überwiegend nur in der Türkei angewandt hat. Abgesehen davon hat der Kläger aber jedenfalls weder selbst Gewalt ausgeübt noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Wie dargelegt, hat er zwar die PKK Anfang der 1990-er Jahre durch die Übernahme einer Vorstandstätigkeit in einem PKK-nahen Verein in Bielefeld, in den Jahren 2005 sowie 2006 durch das Einsammeln von Spenden und das Verkaufen von Zeitschriften sowie ständig durch den Besuch von PKK-nahen Veranstaltungen unterstützt. Der Senat geht aber davon aus, dass der Kläger 2005 und 2006 lediglich vorübergehend wieder eine wichtigere Funktion übernommen hat und nicht weitreichend und vor allem nicht über einen längeren Zeitraum in die Hierarchieebenen der PKK eingebunden war. Schließlich war er nach den Feststellungen im Strafurteil vom 03.12.2008 selbst in der Zeit des Einsammelns von Spenden lediglich unterhalb des Raumverantwortlichen aktiv. Er kann daher nicht - jedenfalls nicht mehr - als ein "Funktionär" der PKK angesehen werden. Bezeichnend ist auch, dass es trotz der dem Senat aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannten engen Überwachung der örtlichen kurdischen Vereine und ihres Umfelds durch das Landesamt für Verfassungsschutz - abgesehen von der Teilnahme an Veranstaltungen - keinerlei Hinweise auf weitere Aktivitäten des Klägers für die PKK bzw. ihr Umfeld gibt. Vor allem in Anbetracht der verstrichenen Zeit seit seiner Betätigung als Spendensammler 2005 und 2006 kann daher derzeit nicht (mehr) von einer gegenwärtigen Gefährdung der Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ausgegangen werden.
140 
b) Damit bedürfen die Vorlagefragen der Klärung durch den Europäischen Gerichtshof. Da die Voraussetzungen für die in Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG eingeräumte Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung der einem Flüchtling erteilten Aufenthaltserlaubnis hier nicht vorliegen, sind zunächst der Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie (aa, Vorlagefragen 1) und gegebenenfalls dessen Voraussetzungen (bb, Vorlagefragen 2) zu klären. Sollte die Regelung keine Anwendung finden auf die Aufhebung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels, stellt sich die Frage, ob eine solche unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist (cc, Vorlagefrage 3).
141 
aa) Vorlagefragen 1
142 
Mit diesen beiden Fragen soll geklärt werden, ob die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels auch bei der Beendigung von Aufenthaltstiteln - und damit für die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht - Anwendung findet, und ob diese gegebenenfalls dahingehend auszulegen ist, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels einer betreffenden Person entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegeben sind.
143 
Zunächst ist festzustellen, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch auf Fälle Anwendung findet, in denen die Flüchtlingsanerkennung vor Geltung dieser Vorschrift erfolgt ist (vgl. dazu oben 2 a) aa)). Derzeit ist noch nicht auf die Neufassung des Art. 24 - in der Fassung der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - abzustellen. Denn diese gilt gemäß Art. 41 Abs. 2 RL 2011/95/EU erst ab dem 22.12.2013. Letztlich kommt es darauf hier aber nicht entscheidend an. Die Vorlagefragen stellen sich ebenso unter Geltung der Richtlinie 2011/95/EU. Denn die beiden Fassungen des ersten Unterabsatzes unterscheiden sich lediglich dadurch, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG an die Zuerkennung des "Schutzstatus" und die geänderte Fassung der Richtlinie 2011/95/EU an die Zuerkennung des "internationalen Schutzes" anknüpft und dass in der älteren Fassung auf die Personen abgestellt wird, denen die "Flüchtlingseigenschaft" zuerkannt worden ist, während in der neuen der Begriff "Flüchtlingseigenschaft" durch "Flüchtlingsstatus" ersetzt wurde. Die materiellen Anforderungen haben sich damit nicht geändert. Abgesehen davon sind in der deutschen Fassung offensichtlich nur Übersetzungsungenauigkeiten beseitigt worden: Der letzte Halbsatz des Absatz 1 Unterabsatz 1 (ebenso in Absatz 3) in der Veröffentlichung in deutscher Sprache (ABl. L 304 vom 30.09.2004, S. 12, in der Fassung der Berichtigung, ABl. L 204 vom 05.08.2005, S. 24) lautete "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen" statt - wie in der neuen Fassung - "es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen" (so aber schon in der englischen Fassung 2004: "unless reasons of compelling national security or public order otherwise reqire", ebenso z.B. in der spanischen, der französischen, der italienischen und der niederländischen Fassung).
144 
Art. 24 RL 2004/83/EG enthält keine ausdrückliche Bestimmung über die Beendigung oder Aufhebung von Aufenthaltstiteln. Dessen Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus (RL 2004/83/EG) - bzw. des internationalen Schutzes (RL 2011/95/EU) - und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel auszustellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (RL 2004/83/EG) - bzw. der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung (RL 2011/95/EU) - dem entgegenstehen. Unterabsatz 2 enthält Regelungen für Familienangehörige, Absatz 2 eine Absatz 1 Unterabsatz 1 entsprechende Verpflichtung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, mit dem Unterschied, dass nicht auf - den nicht für diesen Personenkreis geltenden - Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG verwiesen wird und dass der Aufenthaltstitel eine Geltungsdauer von lediglich einem Jahr enthalten muss. Die Vorschrift bezweckt neben der "Gewährleistung eines Mindestmaßes an Schutz" für "Personen, die tatsächlich Schutz benötigen", die Sicherstellung, dass diesen "ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird" (Erwägungsgrund 6 der RL 2004/83/EG, 12 der RL 2011/95/EU). Dazu gehört die Sicherung des Aufenthaltsstatus von Personen mit internationalem Schutz. Außerdem zielt die Richtlinie auf eine weitgehende Angleichung der Stellung von Flüchtlingen und von Personen mit subsidiärem Schutzstatus (vgl. Erwägungsgrund 7 der RL 2004/83/EG, 13 der RL 2011/95/EU).
145 
Der Senat ist der Auffassung, dass aus der in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG normierten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, anerkannten Flüchtlingen einen mindestens drei Jahre gültigen Aufenthaltstitel zu erteilen, auch das Verbot abzuleiten ist, diesen Aufenthaltstitel bzw. einen bereits bestehenden wieder aufzuheben, ohne dass einer der normierten Gründe gegeben ist, bei deren Vorliegen bereits die Erteilung abgelehnt werden kann. Neben den in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie angeführten zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gehört dazu der Tatbestand des Art. 21 Abs. 3, auf welchen mit dem Vorbehalt des Art. 24 Abs. 1 Unterabsatz 1 „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ explizit verwiesen wird.
146 
Für eine entsprechende Anwendung spricht mit Blick auf das Ziel der Sicherstellung eines "Mindestniveaus von Leistungen" für anerkannte Flüchtlinge schon die grundsätzliche Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Vor allem ist zu bedenken, dass es - neben Art. 21 Abs. 3 RL der Richtlinie - bei bereits erteiltem Titel die Möglichkeit der Aufhebung bzw. Beendigung des Aufenthaltstitels bei Vorliegen der Ausschlusstatbestände der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" geben muss. Schließlich kann es vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Ziel der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn es im letzteren Fall keine Möglichkeit der Aufhebung eines bereits erteilten Titels gäbe. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die maßgeblichen Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden.
147 
Etwas anderes würde zwar gelten, wenn "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" immer voraussetzen würden, dass auch die Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG gegeben sind, also nur einen Unterfall der "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Betreffende eine Gefahr für die Sicherheit oder die Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt," bildeten. Denn dann bestünde kein Bedürfnis für eine entsprechende Auslegung, weil der Aufenthaltstitel gegebenenfalls aufgrund der Ermächtigung in Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie aufgehoben werden könnte. Die Beantwortung der Fragen unter 1 kann daher auch davon abhängen, wie die Fragen unter 2 zur Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie beantwortet werden. Abgesehen davon, dass der Senat der Auffassung ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG hier keine höhere Gefahrenschwelle voraussetzt als der der "stichhaltigen bzw. schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK (vgl. dazu unten zu Vorlagefragen 2), zeigt schon die Verwendung des Begriffs "öffentliche Ordnung", dass die Ausschlussgründe des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG weiter reichen als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie (vgl. dazu genauer unten im Folgenden).
148 
bb) Vorlagefragen 2
149 
Sollte der Europäische Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen, dass die unter 1 angeführten Vorlagefragen zu bejahen sind, stellen sich die unter 2 aufgelisteten zur Auslegung des in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung".
150 
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG ohnehin in den Fällen des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie nicht greifen kann, weil danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie abgelehnt werden kann. Dies wird mit der Einschränkung in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG "unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3" klargestellt. Die Nennung einer weiteren Ausnahme - der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" - dürfte aber wenig Sinn machen, wenn deren Voraussetzungen enger wären als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie. Dafür, dass die Ablehnung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 eher möglich sein soll als nach Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie, sprechen auch Inhalt und Zielsetzung der jeweiligen Regelungen. Bei Art. 21 RL 2004/83/EG geht es primär um den Schutz eines bereits anerkannten Flüchtlings vor Zurückweisung, also einer möglichen Überstellung in das Land, aus dem er wegen Verfolgung geflüchtet ist. Eine solche soll nur - ausnahmsweise - unter den in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie angeführten, Art. 33 Abs. 2 GFK nachgebildeten, Voraussetzungen möglich sein. Dass dann - nach Absatz 3 der Vorschrift - auch der Aufenthaltstitel aufgehoben bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt werden kann, ist lediglich eine folgerichtige Konsequenz der Ausnahmen vom Refoulement-Verbot. Hingegen zielt Art. 24 RL 2004/83/EG auf die Gewährleistung eines Aufenthaltstitels von drei (Abs. 1) bzw. einem Jahr (Abs. 2) für Personen mit zuerkanntem internationalem Schutz. Mit dieser Regelung wurde das erste Mal ein Anspruch anerkannter Flüchtlinge auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels festgelegt. Die Ausnahmen von der Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" erinnern an die des Art. 32 Abs. 1 GFK (vgl. auch Battjes, a.a.O., Art. 24 Rn. 6), nach welchem aus "Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Ausweisung eines Flüchtlings, der sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Staates aufhält, zulässig sein kann. "Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" können im Übrigen auch der Verpflichtung zur Erteilung eines Reiseausweises an Flüchtlinge nach Art. 28 Abs. 1 GFK entgegenstehen. Die mit dem Aufenthaltsstatus - oder auch mit der Frage der Erteilung eines Reiseausweises - verbundenen Fragen sind aber bei weitem nicht von einer derart existentiellen Bedeutung für den Flüchtling wie die, ob er sogar zurückgewiesen werden kann. In der Regel wird bei einem anerkannten Flüchtling allein eine bei Versagung eines Aufenthaltstitels folgende Illegalität des Aufenthalts nicht zu einer Abschiebung führen. Eine solche kommt allenfalls in wenigen Ausnahmefällen und nur in einen aufnahmebereiten Drittstaat in Betracht, welcher seinerseits aber das Refoulement-Verbot zu beachten hat. Dies zeigt auch der vorliegende Fall. Wie ausgeführt, soll und kann auch der Kläger nicht abgeschoben werden. Selbst wenn sein Aufenthaltstitel erlöschen und er derzeit keinen Anspruch auf Erteilung eines anderen Titels haben sollte, müsste er Deutschland nicht verlassen. Er hat nach nationalem Recht einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 AufenthG).
151 
Dafür, dass die Möglichkeiten der Versagung eines Aufenthaltstitel durch die Aufnahme des zusätzlichen Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie bestehenden Ausnahmetatbestände hinaus erweitert werden sollten, sprechen auch die Entstehungsgeschichte des Art. 24 der Richtlinie und deren Erwägungsgrund 28 (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). In der ersten Fassung des - noch vor den Terroranschlägen des 11.09.2001 erarbeiteten - Kommissionsentwurfs vom 12.09.2001 (KOM [2001] 510 endg; Ratsdok. 2001/027 (CNS); siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001) war lediglich die Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels, also ohne explizit geregelte Ausschlussgründe, vorgesehen. Der Vorbehalt "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen" wurde erst später, und zwar zunächst bei der Regelung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, in Absatz 2 (vgl. Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 -, damals Art. 21), dann auch für Absatz 1 Unterabsatz 1 (Ratsdokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -, dort Art. 22), vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang wurde in einer Fußnote zu der entsprechenden Formulierung in Absatz 2 angeführt: Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: "Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt". Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Ratsdokument vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -). Ab 2002 findet sich zudem der Vorbehalt hinsichtlich Art. 21 Abs. 3 (damals 19 Abs. 3; vgl. nur Art. 21 in der Fassung des Ratsdokuments vom 19.12.2002 - 15627/02 -; vgl. auch Dokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -). Die Absätze 2 und 3 des Art. 21 (damals Art. 19) waren bereits kurz zuvor vorgeschlagen worden (vgl. Ratsdokument vom 08.11.2002 - 13468/02 -).
152 
Die geschilderten Ergänzungen und Abänderungen der Richtlinie dürften vor dem Hintergrund der Terroranschläge des 11.09.2001 und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen sein. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 Buchst. a und c die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die Berücksichtigung der Folgen der Anschläge vom 11.09.2001 für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Richtlinie 2004/83/EG wurde zum Beispiel in einer Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002 ausdrücklich gefordert (ABl. EU C 278 vom 14.11.2002, S. 44). Mit diesem Ziel dürften auch weitere Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Richtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf erfolgt sein, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 RL 2004/83/EG und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 (entspricht Erwägungsgrund 31 der RL 2011/95/EU) auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
153 
Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass im Falle von Handlungen zur Unterstützung terroristischer Vereinigungen der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bereits bei Aktivitäten eines niedrigeren Profils mit einem geringeren Gefährdungspotential erfüllt sein kann als dies für die Annahme des Tatbestands der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" in Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie vorausgesetzt wird.
154 
Dabei wäre zunächst zu klären, ob in Anbetracht der Entstehungsgeschichte und mit Blick auf den Zweck der Regelungen nicht sogar anzunehmen ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe" für sich genommen - also ohne diesen in Beziehung zu setzen zu dem Schutzgut, um das es geht - trotz des dagegen sprechenden Wortlauts eine niedrigere Gefahrenschwelle erfordert als der der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG (vgl. dazu Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.; a.A. BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris, unter Verweis auf das Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Die Tatsache, dass die Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, und die Richtlinie 2004/83/EG am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar auf den ersten Blick nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen und entsprechend hohe Anforderungen zu stellen (vgl. zu Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG: EuGH, Urteile vom 23.11.2010 - C-145/09, Tsakouridis - Slg. 2010, I-11979, = juris, und vom 22.05.2012 - C-348/09 I. - juris). Dagegen sprechen aber schon die Unterschiede hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen, der jeweils verfolgten Ziele und der betroffenen Personen. Zudem stellt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG lediglich auf die öffentliche Sicherheit ab, während Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG als Schutzgut neben der öffentlichen Sicherheit auch die Ordnung anführt (vgl. dazu auch Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris). Vor allem geht es um unterschiedlich gravierende Eingriffe. Erlaubt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden," eine Ausweisung, führt das Vorliegen "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 RL 2004/83/EG lediglich zu der für die Betroffenen wesentlich weniger einschneidenden Rechtsfolge der Verweigerung oder des Entzugs des Aufenthaltstitels. Nach Auffassung des Senats ist der Begriff der zwingenden Gründe daher eigenständig und nicht durch Übernahme von Grundsätzen der Unionsbürgerrichtlinie zu entwickeln.
155 
Ungeachtet des Vorgesagten spricht vieles dafür, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" bzw. der "nationalen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG umfassender bzw. weiter zu verstehen ist als der der "Sicherheit des Mitgliedstaats" oder "der Sicherheit des Landes, in dem sich der Betreffende befindet" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK, mit anderen Worten, dass die bedrohten öffentlichen Interessen, die im Falle des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegen die Erteilung oder Aufrechterhaltung des Aufenthaltstitels streiten, von geringerem Gewicht sein können als dies Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie erfordert.
156 
Jedenfalls werden aber die Voraussetzungen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" deshalb eher zu bejahen sein, weil das geschützte Rechtsgut "öffentliche Sicherheit oder Ordnung" allein mit Blick auf die "öffentliche Ordnung" einen weiteren Anwendungsbereich hat als die Sicherheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder auch die Allgemeinheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG (welcher wiederum voraussetzt, dass der Betreffende wegen eine besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde). Dies folgt insbesondere auch aus dem Erwägungsgrund 28, welcher, wie ausgeführt, im Zusammenhang mit der Einfügung des auch in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/83/EG enthaltenen - für Flüchtlinge, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, geltenden - Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" gefasst wurde (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). Wenn danach "der Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auch für die Fälle gilt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt", soll es in diesen Fällen der Unterstützung des internationalen Terrorismus jedenfalls für die Frage der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr darauf ankommen, ob die Sicherheit des Mitgliedstaats in dem Sinne gefährdet ist, dass der Betreffende auch zurückgewiesen bzw. von vornherein von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen werden könnte (Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG, Art. 33 Abs. 2 GFK). Einer genauen Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals der öffentlichen bzw. nationalen Sicherheit von dem der öffentlichen Ordnung bedarf es daher mit Blick auf den Erwägungsgrund 28 der Richtlinie hier nicht. Eine entsprechend weitere Auslegung liegt im Übrigen nicht nur im (Sicherheits-)Interesse des Staates, in welchem sich der Betreffende aufhält, sondern auch in dem der anderen Mitgliedstaaten. Schließlich können sich gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen.
157 
Der Senat verkennt allerdings nicht, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch dahingehend verstanden werden könnte, dass bei Vorliegen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausnahmslos untersagt wird, während Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis ins Ermessen stellt. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Voraussetzungen für die Erfüllung des Ausschlussgrundes der "stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr für den Mitgliedstaat" eher anzunehmen sind als die der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG, könnte dann in der Einführung des Ausschlussgrundes des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG insofern eine Verschärfung zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus gesehen werden, als danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwingend ausgeschlossen wäre (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Zum einen erscheint es aber zweifelhaft, ob die Normierung einer Ausnahme ("es sei denn") von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Folge haben kann - und auch hier hat -, dass den Mitgliedstaaten damit die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen des Ausschlussgrundes gänzlich - und ohne jeden Ermessensspielraum - untersagt wird. Es spricht mehr dafür, dass darin die bloße Einschränkung der Verpflichtung des Mitgliedstaats bzw. des daraus folgenden Anspruchs eines betroffenen Flüchtlings zu sehen ist. Zum anderen erscheint eine solche Auslegung vor allem vor dem Hintergrund fernliegend, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" aus den angeführten Gründen weiter zu verstehen ist als die in den Ausschlussgründen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie genannten Schutzgüter.
158 
Von der Beantwortung der angeführten Fragen hängt ab, ob die Ausweisung des Klägers - und damit auch die gegen ihn aus Sicherheitsgründen verhängte Meldepflicht und die räumliche Beschränkung - wegen entgegenstehenden Unionsrechts als rechtswidrig anzusehen und daher aufzuheben ist. Teilt man das dargelegte weitere Verständnis des Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 2004/83/EG, wäre die Vorlagefrage 2a) zu bejahen. Denn dann könnte dieser Ausschlussgrund erfüllt sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots des Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht vorliegen. „Zwingend“ dürften die Gründe dabei immer dann sein, wenn die für die bloße Verweigerung der Legalität des Aufenthalts maßgeblichen Gründe bezogen auf die Folgen für den Betroffenen verhältnismäßig im engeren Sinn und für die Erreichung dieses Zwecks aus der Sicht der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unerlässlich sind, das heißt mit anderen Worten, wenn auf die Herbeiführung der Rechtsfolge - hier die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels - unter keinen Umständen verzichtet werden kann.
159 
Für den vorliegenden Fall würde dies nach Auffassung des Senats bedeuten, dass wegen des Vorliegens "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" kein Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG besteht, mit der Folge, dass diese Regelung einer Ausweisung nicht entgegensteht. Abgesehen davon, dass beim Kläger nicht ausgeschlossen erscheint, dass er die PKK weiter durch hervorgehobenere Unterstützungshandlungen wie das Einsammeln von Spenden, das Verteilen von Zeitschriften oder die Übernahme anderer Aufgaben unterstützt, ist jedenfalls damit zu rechnen, dass er auch in Zukunft regelmäßig Veranstaltungen besucht, welche in einer besonderen Nähe zur PKK stehen. Zwar hat die letztgenannte Form der Unterstützung für sich genommen keinen besonders hohen Gefährdungsgrad. Mit einer Beteiligung an entsprechenden Veranstaltungen wird aber eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Wie ausgeführt, werden dadurch deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflusst und ihre Aktionsmöglichkeiten sowie ihr Rekrutierungsfeld erweitert. Insgesamt wird damit dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Die vom Kläger über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichem Ausmaß - von der Übernahme der Funktion des Vorstands eines später als Teilorganisation der PKK verbotenen örtlichen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre über das Einsammeln von Spenden 2005 und 2006 bis zur ständigen (bloßen) Teilnahme an unzähligen PKK-nahen Veranstaltungen - vorgenommene Unterstützung der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beseitigung der Legalität des Aufenthalts Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist. Mit einer Aufenthaltserlaubnis könnte sich der Betreffende hingegen im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 SDÜ frei im Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten bewegen und sich auch in anderen Mitgliedstaaten bis zu drei Monate (innerhalb von sechs Monaten) aufhalten. Nach nationalem Recht ist die Ausweisung, die zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führt, zudem Voraussetzung für weitere unter Sicherheitsaspekten wichtige Maßnahmen, wie die des § 54a AufenthG "zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der Sicherheit", insbesondere die Verpflichtung, sich regelmäßig bei der örtlich zuständigen Polizeidienstelle zu melden, (Abs. 1) und die Beschränkung des Aufenthalts auf den Bezirk der Ausländerbehörde (Abs. 2).
160 
Wegen der danach gegebenen individuellen Gefährdung durch den Kläger kann die Frage offen bleiben, ob bei der Prüfung "zwingender Gründe" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch generalpräventive Aspekte - wie die durch die Verweigerung eines Aufenthaltstitels bzw. dessen Aufhebung oder Beendigung gegebenenfalls erzielte abschreckende Wirkung - zu berücksichtigen sind. Die Ausweisung des Klägers (und das Erlöschen seines Aufenthaltstitels als Voraussetzung für die in § 54a Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte vollziehbare Ausreisepflicht) ist hier nach Auffassung des Senats schon deshalb als unerlässlich anzusehen, weil sie Grundlage der ihm gegenüber im Bescheid vom 27.03.2012 verfügten Meldepflicht und der räumlichen Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim ist. Mit diesen Maßnahmen werden die Möglichkeiten des Klägers, die PKK weiter zu unterstützen, effektiv eingeschränkt. So liegt schon der nächste kurdische Verein, welcher einige der PKK-nahen Veranstaltungen ausgerichtet hat, zu deren regelmäßigen Besuch sich der Kläger seinen Angaben nach verpflichtet fühlt, außerhalb des Bezirks der Stadt Mannheim. Die mit der Ausweisung und dem Erlöschen der Niederlassungserlaubnis verbundenen Einschränkungen und Nachteile für den Kläger sind andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls hier nicht als derart gravierend anzusehen, dass darauf verzichtet werden könnte bzw. müsste.
161 
cc) Vorlagefrage 3
162 
Geht man davon aus, dass die Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG in Fällen der Beendigung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung findet, stellt sich die Frage, ob die Regelung des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie als abschließend zu verstehen ist mit der Folge, dass die Aufhebung oder Beendigung des einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels unionsrechtlich nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist. Dann wäre der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Satz 2 AufenthG entsprechend auszulegen. Die Ausweisung des Klägers wäre als rechtswidrig anzusehen.
163 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindestens 18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Asylberechtigten und Ausländern, denen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt worden ist, wird die Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erteilt. Subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes wird die Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erteilt, bei Verlängerung für zwei weitere Jahre. Ausländern, die die Voraussetzungen des § 25 Absatz 3 erfüllen, wird die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr erteilt. Die Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 1 und Absatz 4b werden jeweils für ein Jahr, Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 3 jeweils für zwei Jahre erteilt und verlängert; in begründeten Einzelfällen ist eine längere Geltungsdauer zulässig.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis darf nicht verlängert werden, wenn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen sind.

(3) Einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, ist eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
sein Lebensunterhalt überwiegend gesichert ist,
4.
er über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
§ 9 Absatz 2 Satz 2 bis 6, § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 finden entsprechend Anwendung; von der Voraussetzung in Satz 1 Nummer 3 wird auch abgesehen, wenn der Ausländer die Regelaltersgrenze nach § 35 Satz 2 oder § 235 Absatz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erreicht hat. Abweichend von Satz 1 und 2 ist einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn
1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit drei Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
er die deutsche Sprache beherrscht,
4.
sein Lebensunterhalt weit überwiegend gesichert ist und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
In den Fällen des Satzes 3 finden § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 entsprechend Anwendung. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für einen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4 besitzt, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme vor.

(4) Im Übrigen kann einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 9 Abs. 2 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend. Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens wird abweichend von § 55 Abs. 3 des Asylgesetzes auf die Frist angerechnet. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindestens 18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Asylberechtigten und Ausländern, denen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt worden ist, wird die Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erteilt. Subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes wird die Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erteilt, bei Verlängerung für zwei weitere Jahre. Ausländern, die die Voraussetzungen des § 25 Absatz 3 erfüllen, wird die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr erteilt. Die Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 1 und Absatz 4b werden jeweils für ein Jahr, Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 3 jeweils für zwei Jahre erteilt und verlängert; in begründeten Einzelfällen ist eine längere Geltungsdauer zulässig.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis darf nicht verlängert werden, wenn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen sind.

(3) Einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, ist eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
sein Lebensunterhalt überwiegend gesichert ist,
4.
er über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
§ 9 Absatz 2 Satz 2 bis 6, § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 finden entsprechend Anwendung; von der Voraussetzung in Satz 1 Nummer 3 wird auch abgesehen, wenn der Ausländer die Regelaltersgrenze nach § 35 Satz 2 oder § 235 Absatz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erreicht hat. Abweichend von Satz 1 und 2 ist einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn
1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit drei Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
er die deutsche Sprache beherrscht,
4.
sein Lebensunterhalt weit überwiegend gesichert ist und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
In den Fällen des Satzes 3 finden § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 entsprechend Anwendung. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für einen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4 besitzt, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme vor.

(4) Im Übrigen kann einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 9 Abs. 2 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend. Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens wird abweichend von § 55 Abs. 3 des Asylgesetzes auf die Frist angerechnet. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.

(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.

(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.

(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.

(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.

(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Artikel 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu folgenden Fragen eingeholt:

1. a) Ist die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels an Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, auch bei der Aufhebung eines bereits erteilten Aufenthaltstitels zu beachten?

b) Ist diese daher dahingehend auszulegen, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) eines anerkannten Flüchtlings entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sind?

2. Für den Fall, dass die Fragen unter 1 zu bejahen sind:

a) Wie ist der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG mit Blick auf Gefahren auszulegen, die von der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ausgehen?

b) Können „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots nach Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht erfüllt sind?

3. Für den Fall, dass die Frage unter 1a) zu verneinen ist:

Ist die Aufhebung bzw. Beendigung des einem anerkannten Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (bzw. der gleichlautenden Nachfolgeregelung der Richtlinie 2011/95/EU) zulässig?

Gründe

 
A)
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebt seit 1989 mit seiner Ehefrau, welche ebenfalls türkische Staatsangehörige ist, und mit inzwischen acht gemeinsamen Kindern, von denen fünf die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist bis heute Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Auf seinen Asylantrag wurde er am 24.06.1993 als Asylberechtigter anerkannt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des - damals geltenden - § 51 Abs. 1 AuslG (Flüchtlingsschutz, heute § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen. Die Anerkennung wurde mit den exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland und der ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei drohenden politischen Verfolgung begründet (vgl. Urteil des VG Minden vom 08.02.1993). Der im Wesentlichen mit geänderten Verhältnissen in der Türkei begründete Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.08.2006 wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30.11.2007 aufgehoben. Seit dem 07.10.1993 ist der Kläger im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels.
Der Kläger war in den 1990er-Jahren in vielfältiger Weise für die PKK (Partiya Karkerên Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) bzw. deren Neben- oder Nachfolgeorganisationen exilpolitsch aktiv. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22.11.1993 wurden der PKK und der ENRK (Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) - einer inzwischen aufgelösten, damals in Deutschland für die PKK aktiven "Frontorganisation" - verboten, sich in Deutschland zu betätigen. Nach § 20 Vereinsgesetz macht sich unter anderem strafbar, wer diesem Verbot zuwiderhandelt (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 18 Satz 2 VereinsG). 1992 wurde der Kläger in den Vorstand des "Arbeiter- und Kulturzentrums der Kurden Bielefeld" gewählt. Der Verein wurde 1993 als Teilorganisation der PKK verboten. Im Asylverfahren gab der Kläger selbst an, er besuche alle Veranstaltungen und Demonstrationen der ERNK. Dabei sei er teilweise als Ordner eingesetzt. Diese exilpolitischen Aktivitäten setzte der Kläger auch nach seiner Asylanerkennung fort. Es kam deshalb zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Jahr 2001 beteiligte er sich an der Unterschriftenaktion im Rahmen der so genannten "Identitätskampagne" der PKK und unterzeichnete die Erklärung "Auch ich bin ein PKK'ler". Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg nahm der Kläger in den folgenden Jahren, auch nach dem Umzug seiner Familie aus dem Raum Bielefeld nach Mannheim im Jahr 2002, weiter regelmäßig an Demonstrationen und Veranstaltungen teil, bei welchen es um die Rechte der Kurden, um die PKK und/oder deren Generalsekretär Abdulah Öcalan ging, darunter auch solche mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan, so genannte "Märtyrergedenkfeiern" (Feiern zum Gedenken an gefallene PKK-Kämpfer und Selbstmordattentäter) und "Volksversammlungen".
Im Juni 2006 reiste der Kläger in den Irak. Er hielt sich dort zwei Monate lang auf und besuchte Verwandte sowie diverse Orte bzw. Stationen im Grenzgebiet zur Türkei. 2007 unternahm er mit seinem ältesten Sohn eine weitere Reise in den Irak.
Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 10.01.2007 wegen des Verdachts eines - durch Betätigung für die PKK begangenen - Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden unter anderem eine handschriftlich verfasste Spendenliste mit 16 Namen und Beträgen zwischen 100 und 1000 EUR sowie eine mit dem Computer im Jahr 2006 erstellte Spendenliste, welche in 4 Ortsbezirke unterteilt war und auf der hinter 29 der insgesamt 48 aufgeführten Namen monatliche Spenden im Zeitraum von Januar bis Mai in Höhe von 10 bis 30 EUR pro Monat vermerkt waren, aufgefunden, außerdem ein Zettel und ein Notizbuch mit Vermerken zu eingesammelten Beträgen, Ausdrucke eines Vordrucks für eine Spendenliste, 4 Zeitschriften Serxwebun, Fotos mit Abdullah Öcalan, darunter eines mit der Aufschrift "PKK" im Scheckkartenformat im Geldbeutel des Klägers, Fotos des Klägers neben bewaffneten Personen, welche von der Reise des Klägers in den Irak im Juni 2006 stammten, Flaggen bzw. Fahnen mit dem Emblem der "KKK" (Koma Komalên Kurdistan), Flaggen mit einer Abbildung von Abdullah Öcalan sowie ein Buch von Öcalan. Der Kläger wurde daraufhin mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen im Urteil hat er dem Verbot einer Betätigung für die PKK zuwidergehandelt. Die PKK bzw. die KONGRA-GEL finanzierten sich durch Beiträge für legale kurdische Vereine, monatliche Mitgliedsbeiträge der Anhänger, Verkauf von Publikationen, Einnahmen beim jährlichen „Kurdistanfestival“ und andere Feste auf örtlicher Ebene sowie Einnahmen aus der jährlich im Herbst/Winter durchgeführten „Spendenkampagne“. Bei dieser „Spendenkampagne“ setze der für Europa zuständige „Rat“ fest, welche Beträge von den einzelnen europäischen Ländern zu erbringen seien. Diese würden auf der jeweiligen Hierarchieebene Raum bzw. Gebiet aufgeschlüsselt. Dabei würden Listen der ortsansässigen Kurden verwendet und die von diesen zu erbringenden „Spenden“ nach der Höhe des jeweiligen Einkommens festgesetzt, wobei etwa ein Monatseinkommen zu erbringen sei. Die Spenden würden von so genannten „Sammelteams“ von zwei bis drei Personen eingesammelt, notfalls auch mit Gewalt eingetrieben. Im Zuge der hierarchischen Gebietsstruktur der PKK sei auch die Bundesrepublik Deutschland in mehrere Gebiete gegliedert, denen jeweils ein Gebietsverantwortlicher vorstehe, der regelmäßig nach einem Jahr ausgewechselt werde. Im Jahr 2005 sei dies bis zum Oktober im Gebiet Mannheim der Gebietsverantwortliche M.T., Deckname D., gewesen. Die Gebiete seien wiederum in Räume aufgeteilt, denen jeweils ein Raumverantwortlicher vorstehe. So sei das Gebiet Mannheim in die Räume Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Worms, Bruchsal, Karlsruhe und Germersheim aufgeteilt. Verantwortlicher im Raum Mannheim sei im Jahr 2005 eine nicht identifizierte Person namens Ma. gewesen. Der Kläger sei in den Jahren 2005 und 2006 im Raum Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen. Er sei direkt dem Raumverantwortlichen für Mannheim namens Ma. unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen M.T. gewesen. Dies schließe die Strafkammer daraus, dass er als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen M.T. zwei Rundschreiben per SMS erhalten habe, in welchen er dazu aufgefordert worden sei, als einer der "Freunde, die für die Räume verantwortlich seien, ... die Freunde, mit denen er "zusammenarbeite, zu benachrichtigen". Außerdem seien sein Vorname und seine Handynummer auf sichergestellten Notizzetteln des Gebietsverantwortlichen M.T. notiert gewesen. In der von ihm übernommenen Funktion habe sich der Kläger mit dem Sammeln und der Weiterleitung von Spenden für die PKK und gelegentlich auch mit der Verteilung der Zeitschrift Serxwebun - eines der Publikationsorgane der PKK bzw. der Nachfolgeorganisation KONGRA-GEL - befasst. Er habe in den im einzelnen aufgeführten Fällen (von insgesamt 29 Personen aus vier Bezirken des Raums Mannheim - jeweils von Januar bis Mai, teilweise auch nur bis März oder April 2006) selbst oder unter Einschaltung von Hilfspersonen Spenden für die PKK gesammelt, diese in seiner Spendenliste verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK, wahrscheinlich in Brüssel, abführen lassen. Er habe sich zudem noch am 10.01.2007 von seinem Sohn mit Hilfe des Computers einen neuen Vordruck einer Spendenliste erstellen lassen. Der Kläger habe das gegen die PKK verhängte Betätigungsverbot gekannt. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Spendenkampagnen für die PKK von großer Bedeutung seien. An ihnen und an dem Verkauf der Zeitschrift habe er mit dem Willen teilgenommen, die PKK zu fördern und die Eintreibung von Spenden und Einnahmen aus Zeitungsverkäufen an den Vorgaben der Partei auszurichten. Nach Verwerfung der Revision durch den Bundesgerichtshof wurde das Urteil am 08.04.2009 rechtskräftig.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27.03.2012 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt Mannheim begrenzt (Ziff. 2). Die Ausweisung wurde auf §§ 55, 56 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Als Ausweisungsgrund wurde § 54 Nr. 5 AufenthG herangezogen, wonach ein Ausländer in der Regel ausgewiesen wird, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder unterstützt hat oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Mit Blick auf die bestehende familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und den minderjährigen Kindern und unter Berücksichtigung seines unbefristeten Aufenthaltsrechts sowie des Status als Asylberechtigter und Flüchtling erging die Ausweisungsverfügung jedoch als Ermessensentscheidung (§§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3, 4 und 5, Satz 5 AufenthG, 55 AufenthG, Art. 6 Abs. 1 GG, 8 EMRK). Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle es sich um Vereinigungen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Aktivitäten des Klägers wie insbesondere das Eintreiben von Spenden, der Verkauf der PKK-Zeitung Serxwebun und auch die ständige Teilnahme an Veranstaltungen der PKK bzw. PKK-naher Vereine seien als Unterstützung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Dabei sei auch von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit auszugehen. Schließlich seien bis weit ins Jahr 2011 Unterstützungshandlungen nachgewiesen. Dem Interesse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet, das sich aus den bestehenden persönlichen und familiären Bindungen ergebe, werde durch Duldungen (d.h. eine Aussetzung der Abschiebung ohne Aufenthaltstitel) Rechnung getragen werden.
Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.08.2012 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde dargelegt: Der Umstand, dass der Kläger durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK verurteilt worden sei, rechtfertige ohne weiteres die Annahme einer relevanten Unterstützungstätigkeit, wenn diese Tätigkeiten nicht sogar auf eine Zugehörigkeit zur Organisation selbst hinwiesen. Des Weiteren stelle jedenfalls der regelmäßige, über Jahre erfolgte häufige Besuch der dem Kläger vorgehaltenen Veranstaltungen, insbesondere wenn es sich um so genannte Märtyrergedenkveranstaltungen und Feiern zum Jahrestag der Gründung der PKK handle, eine relevante Unterstützungstätigkeit dar. Durch das Einsammeln der Spenden und deren Weiterleitung habe der Kläger die PKK sogar in qualifizierter Weise unterstützt.
Auf den vom Kläger gestellten Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28.11.2012 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zugelassen.
Der Kläger bestreitet, dass es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung handelt. Jedenfalls habe er diese nicht unterstützt. Außerdem seien die für ihn als anerkannten Flüchtling geltenden Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, Art. 21 und Art. 24, nicht berücksichtigt worden. Eine Ausweisung setze nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie voraus, dass der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen sei. Solche wären nur zu bejahen, wenn er eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt hätte. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, auch nicht mit Blick auf seine strafrechtliche Verurteilung wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot. Dieser lägen Vorgänge aus den Jahren 2005 und 2006 zugrunde. Ob von ihm - unterstellt die vom beklagten Land behaupteten Aktivitäten träfen zu - eine aktuelle Gefährdung, ausginge, sei weder überprüft noch festgestellt worden. Die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG seien schon deshalb eindeutig nicht erfüllt, weil die danach erforderlichen „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ schwerwiegendere Gründe als die in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie genannten Gründe voraussetzten. Diesbezüglich sei zur Auslegung auf Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - abzustellen.
10 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 04.04.2013 hat der Kläger erklärt, er habe die ihm im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zur Last gelegte Straftat nicht begangen und auch nie eingeräumt. Er sei Kurde und sehe sich als "progressiver Kurde", weshalb er sich verpflichtet fühle, an Newroz-Festen, Demonstrationen und Veranstaltungen von Kurden teilzunehmen. Als Kurde möge er die PKK; er stehe hinter ihr. Er sei aber kein "PKK'ler". Zu letzteren zähle er die Personen, die in den Bergen gegen den Feind kämpfen. Veranstaltungen in Gedenken an die PKK, wie zum Beispiel zum Jahrestag ihrer Gründung, seien für ihn persönlich zwar nicht wichtig. Wenn es aber "für das Volk" wichtig sei, dass er daran teilnehme, könne es sein, dass er das auch mache. Feiern aus Anlass des Geburtstages von Öcalan seien nicht verboten und für ihn persönlich "schon wichtig". An Märtyrergedenkveranstaltungen nehme er teil, wenn es ihm danach sei. Wenn in den Räumen des kurdischen Vereins Versammlungen durchgeführt worden seien, sei er hingegangen. Es habe sich immer um erlaubte Veranstaltungen gehandelt. Als Vorstandsmitglied des kurdischen Vereins in Bielefeld Anfang der 1990-er Jahre habe er lediglich die Aufgabe gehabt, die Einkäufe für den Verein zu erledigen. Nach dem Verbot der PKK habe es deshalb bei ihm zu Hause eine Razzia gegeben und er sei auch angeklagt worden. Später habe er keine Aufgaben mehr übernommen. Nach seinem Umzug nach Mannheim 2002 sei er zwar zunächst noch Mitglied des örtlichen Kulturvereins der Kurden gewesen, nach Verlegung des Vereinssitzes in die benachbarte Stadt Ludwigshafen aber nicht mehr. Wegen der mit der Ausweisungsverfügung gegen ihn verhängten Beschränkung seines Aufenthalts auf die Stadt Mannheim sei er auch nicht mehr dorthin gegangen, früher habe er sich einmal die Woche, manchmal auch täglich, in den Vereinsräumen aufgehalten. Seine Reise in den Irak sei für ihn wie eine "Pilgerreise" gewesen. Dies habe er unter anderem deshalb so empfunden, weil dort sogar Staatsbedienstete wie Polizisten, Richter usw. kurdischer Volkszugehörigkeit seien. Mit einem Neffen sei er überall unterwegs gewesen. Bewaffnete Personen wie die, mit denen er sich auf Fotos habe ablichten lassen, gebe es dort überall.
11 
Das beklagte Land verteidigt den angegriffenen Ausweisungsbescheid. Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 21 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG stünden einer Ausweisung nicht entgegen. Der Kläger sei schließlich rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen verurteilt worden. Den Urteilsgründen des Strafurteils sei zu entnehmen, dass er in den Jahren 2005 und 2006 in Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen sei. Durch das Sammeln von Spenden habe er nicht nur die Strukturen der PKK in Deutschland gestärkt, sondern darüber hinaus auch die kämpfende PKK in der Türkei, die sich unter anderem durch die Spenden ihrer Anhänger finanziere, im Vorfeld qualifiziert unterstützt. Die Ausübung der genannten Tätigkeiten und die gehobene Funktion des Klägers im Raum Mannheim verdeutlichten seine strukturelle Einbindung in die Organisation, durch welche er das Gefährdungspotential der PKK mittrage. Dem stehe nicht entgegen, dass seine Verurteilung schon mehrere Jahre zurückliege. Selbst wenn er seither nicht mehr für das Sammeln von Spenden zuständig sei, belege doch die in den darauffolgenden Jahren weiterhin erfolgte regelmäßige Teilnahme an zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen der PKK das Fehlen der inneren und äußeren Abkehr von der PKK und deren Zielen.
B)
12 
Der Rechtsstreit ist in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO auszusetzen und es ist eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen (Art. 267 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AEUV).
I.
13 
Die für die Erörterung der Vorlagefragen maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
14 
1. Völkerrecht und Unionsrecht
15 
a) Genfer Flüchtlingskonvention
16 
(Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951; GFK)
17 
Artikel 28 - Reiseausweise
18 
1. Die vertragschließenden Staaten werden den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise ausstellen, die ihnen Reisen außerhalb dieses Gebietes gestatten, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen; …
19 
Artikel 32 - Ausweisung
20 
1. Die vertragschließenden Staaten werden einen Flüchtling, der sich rechtmäßig in ihrem Gebiet befindet, nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausweisen.
21 
Artikel 33 - Verbot der Ausweisung und Zurückweisung
22 
1. Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.
23 
2. Auf die Vergünstigung dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.
24 
b) Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ)
25 
Artikel 21
26 
(1) Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen.
27 
c) Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 304 vom 30.09.2004, S. 12; im folgenden RL 2004/83/EG bzw. "Richtlinie“)
28 
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
...
29 
in Erwägung nachstehender Gründe:
30 
...
(6) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie ist es einerseits, ein Mindestmaß an Schutz in allen Mitgliedstaaten für Personen zu gewährleisten, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass allen diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
31 
(7) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Anerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Asylbewerbern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht, einzudämmen.
32 
(22) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, “dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“ und “dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“.
...
33 
(28) Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
34 
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
35 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
36 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
37 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
38 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
39 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
40 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
41 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
42 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
43 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
44 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
45 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
46 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
47 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
48 
d) Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 337 vom 20.12.2011, S. 9, im Folgenden RL 2011/95/EU)
49 
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
50 
in Erwägung nachstehender Gründe:
51 
...
(12) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie besteht darin, einerseits zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien zur Bestimmung der Personen anwenden, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
52 
(13) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Zuerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, zwischen Mitgliedstaaten einzudämmen, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht.
...
53 
(31) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, dass die "Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und dass die "wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen".
...
54 
(37) Der Begriff der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
55 
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
56 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
57 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
58 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
59 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
60 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
61 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
62 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
63 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
64 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
65 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
66 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
67 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
68 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, und ihren Familienangehörigen einen verlängerbaren Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr und im Fall der Verlängerung mindestens zwei Jahre gültig sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
69 
e) Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77, ber. ABl. L 229 vom 29.06.2004, S. 35; im Folgenden RL 2004/38/EG)
70 
Artikel 28 - Schutz vor Ausweisung
71 
...
(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie
72 
a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder
b) minderjährig sind, es sei denn, ...
73 
2. Nationales Recht:
74 
a) Aufenthaltsgesetz (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 30.07.2004, BGBl. I 1950, in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.02.2008, BGBl. I, S. 162, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 15.02.2013, BGBl. I, S. 254; AufenthG)
75 
§ 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot
76 
(1) Ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, darf nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Wirkungen werden auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Die Frist beginnt mit der Ausreise. …
(2) ...
77 
§ 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen
78 
(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.
79 
(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat (§ 3 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes). Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
...
80 
(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann abweichend von § 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist...
81 
§ 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen
82 
(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:
83 
...
5. Ausweisung des Ausländers,
84 
§ 54 Ausweisung im Regelfall
85 
Ein Ausländer wird in der Regel ausgewiesen, wenn
1. ...
...
86 
5. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen,
87 
§ 54a Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit
88 
(1) Ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. …
89 
(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.
90 
§ 55 Ermessensausweisung
91 
(1) Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.
92 
(2) Ein Ausländer kann nach Absatz 1 insbesondere ausgewiesen werden, wenn er ...
93 
(3) Bei der Entscheidung über die Ausweisung sind zu berücksichtigen
94 
1. die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet,
2. die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen oder Lebenspartner des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft leben,
3. die in § 60a Abs. 2 und 2b genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung.
95 
§ 56 Besonderer Ausweisungsschutz
96 
(1) Ein Ausländer, der
97 
1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
1a. eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt,
2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 bis 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4. mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
5. als Asylberechtigter anerkannt ist, im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt oder einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, genießt besonderen Ausweisungsschutz. Er wird nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegen in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor. Liegen die Voraussetzungen des § 53 vor, so wird der Ausländer in der Regel ausgewiesen. Liegen die Voraussetzungen des § 54 vor, so wird über seine Ausweisung nach Ermessen entschieden.
98 
§ 60 Verbot der Abschiebung
99 
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurden.
100 
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes erfüllt.
101 
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden.
102 
§ 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
103 

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn…
...
104 
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
105 
b) Vereinsgesetz
106 
(Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 05.08.1964, BGBl. I 1964, S. 593; VereinsG)
107 
§ 18 Räumlicher Geltungsbereich von Vereinsverboten
108 
Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes keine Organisation, so richtet sich das Verbot (§ 3 Abs. 1) gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich.
109 
§ 20 Zuwiderhandlungen gegen Verbote
110 
(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit
111 
...
4. einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5. ...,
112 
wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ ….… des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist.
II.
113 
Zu den im Beschlusstenor angeführten Fragen - welche noch nicht Gegenstand von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs waren - ist eine Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV einzuholen, weil diese entscheidungserheblich sind und der Klärung bedürfen.
114 
Gemessen an den Bestimmungen des nationalen Rechts kann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen, weil die Ausweisung und die mit ihr verfügte Aufenthaltsbeschränkung sowie die Meldeauflage danach als rechtmäßig zu beurteilen sind (dazu unter 1.). Es kommt daher darauf an, ob Unionsrecht - hier Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 oder Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG - einer Ausweisung des Klägers entgegensteht (2.)
115 
1. Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Akten und Unterlagen sowie der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Sachverhalt und die nationale Rechtslage - ohne Berücksichtigung von Art. 21 oder 24 RL 2004/83/EG - derzeit (maßgeblich wäre letztlich der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Senats über das Berufungsverfahren) wie folgt zu beurteilen wären:
116 
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG sind gegeben (a). Die Ausweisung lässt sich nach nationalem Recht auch insgesamt rechtlich nicht beanstanden, insbesondere liegen keine Ermessensfehler vor (b). Danach wären die räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Klägers und die ihm gegenüber verfügte Meldeauflage ebenfalls rechtmäßig (c).
117 
a) Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG liegt vor.
118 
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris, Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, jew. m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16.02.2012 - AK 1/12 und 2/12 - juris) sind die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris) und ändert nichts an deren bislang grundsätzlich weiter bestehenden Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei. Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP - ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2012/765/GASP des Rates vom 10.12.2012, ABl. EU L 337 vom 11.12.2012, S. 50). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09, B. und D. - Slg. 2010, I-10979, = juris).
119 
Zwar hat Abdullah Öcalan im März dieses Jahres eine Waffenruhe verkündet, die das Ergebnis von Verhandlungen mit dem türkischen Geheimdienst sein soll. Diese ist dann von der PKK tatsächlich ausgerufen worden. Inzwischen hat nach Medienberichten der Abzug von PKK-Kämpfern aus der Türkei bereits begonnen; er soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. Allein deshalb kann aber noch nicht angenommen werden, die PKK wäre nicht mehr als terroristische Organisation anzusehen. Schließlich gab es auch in der Vergangenheit entsprechende Erklärungen, die zu keiner wesentlichen Änderung auf Dauer geführt haben. So wurde ein 1999 ausgerufener „Friedenskurs“ 2004 wieder beendet. Selbst in der Zwischenzeit hatte die PKK nicht auf Gewalt verzichtet.
120 
Der Senat ist auch der Überzeugung, dass der Kläger die PKK unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die von ihm ausgeübten Aktivitäten zur Unterstützung haben dabei sicherlich unterschiedliches Gewicht und unterschiedliche Qualität. Von besonderer Bedeutung ist das "Sammeln" bzw. "Eintreiben" und das Weiterleiten von Spenden für die PKK aus vier Bezirken des Raums Mannheim in den Jahren 2005 und 2006. Der Senat folgt insoweit den Feststellungen des Landgerichts Karlsruhe im Strafurteil vom 03.12.2008. Danach war der Kläger zwar nicht in einer Führungsposition, etwa als Gebiets- oder Raumverantwortlicher, für die PKK aktiv, er hatte aber jedenfalls eine besondere Stellung inne, welche einen aktiven Einsatz auch nach außen hin erforderte. Schließlich mussten die Spenden regelmäßig einkassiert und gegebenenfalls eingefordert werden. Die Spendenkampagnen sind für die PKK von großer Bedeutung, was dem Kläger bekannt war. Hinzu kommt der Verkauf der PKK-Zeitschrift Serxwebun. Länger zurück liegen die Aktivitäten des Klägers in Bielefeld als Vorstandsmitglied eines später verbotenen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre. Diese sowie die regelmäßige Teilnahme an diversen PKK-nahen Veranstaltungen, auf welche sich der Kläger auch in seinen Asylverfahren berufen hat, zeigen aber, dass er seit seiner Einreise nach Deutschland durchgehend für die PKK aktiv war. Auch der bloße Besuch der angeführten Feiern bzw. Versammlungen mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan sowie so genannte "Märtyrergedenkfeiern" und "Volksversammlungen" (vgl. zu letzteren genauer Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - a.a.O.) fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger. Diese Veranstaltungen haben schon von ihrem Anlass bzw. ihrer Thematik her für die Besucher erkennbar den Charakter einer Propagandaveranstaltung für die PKK und werden auch entsprechend inszeniert. Die durch eine Teilnahme an solchen besonderen Veranstaltungen ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung und Ansehen in der Gesellschaft, namentlich unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, damit ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Sie kann daher - auch in Ansehung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit - als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung anzusehen sein (vgl. dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - sowie Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, jew. a.a.O. und m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.01.2013 - 11 S 1581/12 - juris). Davon ist hier in Anbetracht der Vielzahl von einschlägigen Veranstaltungen, die der Kläger im Laufe von mittlerweile über zwei Jahrzehnten besucht hat, auszugehen. Er hat in der mündlichen Verhandlung zudem deutlich gemacht, dass es ihm tatsächlich darum geht, die PKK zu unterstützen, und dass er sich verpflichtet fühlt, an entsprechenden Veranstaltungen teilzunehmen. Soweit er vorgetragen hat, er sei kein "PKK'ler", das seien doch nur die Kämpfer in den Bergen, und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach nicht darauf an, ob die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre oder ob die Veranstaltung, um deren Besuch es geht, verboten wurde (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O., m.w.N.). Abgesehen davon hat sich der Kläger unter anderem wegen des Einsammelns und Weiterleitens von Spenden für die PKK sogar strafbar gemacht.
121 
Vor dem Hintergrund der langjährigen Aktivitäten des Klägers kann auch nicht allein aus der Tatsache, dass er inzwischen weniger - und seit Ergehen der Ausweisungsverfügung am 27.03.2012 kaum mehr - an entsprechenden Veranstaltungen teilnimmt, geschlossen werden, dass er nicht mehr als Unterstützer der PKK anzusehen wäre. Es ist im Gegenteil bezeichnend, dass er selbst nach der Durchsuchung seiner Wohnung wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz am 10.01.2007 und während des daran anschließenden Strafverfahrens und selbst noch nach Hinweis durch das Regierungspräsidium in einem Schreiben vom 09.10.2009, dass seine Ausweisung geprüft werde, weiter PKK-nahe Veranstaltungen besucht hat. Seit Erlass des Ausweisungsbescheids vom 27.03.2012 ist zudem sein Aufenthalt aufgrund der darin unter Ziffer 2 verfügten sofort vollziehbaren Anordnung auf den Stadtbezirk Mannheims beschränkt. Dies ist seinen Angaben nach auch der Grund dafür, dass er nicht einmal mehr den kurdischen Verein in Ludwigshafen besucht. In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass der Kläger sich lediglich mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und seine Aktivitäten andernfalls zumindest mit dem Besuch von Veranstaltungen der geschilderten Art fortsetzen bzw. wieder aufgreifen würde. Es ist daher davon auszugehen, dass er auch künftig die PKK nachhaltig unterstützen wird.
122 
b) Die Ausweisung ist - bei einer Beurteilung rein nach nationalem Recht - auch im Übrigen rechtmäßig.
123 
Unter anderem wegen seiner Rechtsstellung als anerkannter Asylbewerber und als Flüchtling sowie der bestehenden familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern deutscher Staatsangehörigkeit (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 und 5 AufenthG) genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier in Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, nicht gegeben. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§§ 56 Abs. 1 Satz 5, 55 AufenthG). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung insbesondere als verhältnismäßig anzusehen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Kläger Deutschland nicht - als Folge der Ausweisung - verlassen müsste, sondern jedenfalls weiter geduldet würde.
124 
c) Damit liegen auch die Voraussetzungen für Maßnahmen zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit nach § 54a Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG vor. Die Verpflichtung des Klägers unter Ziffer 2 des Bescheids vom 27.03.2012, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, beruht auf § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG; die Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim folgt aus § 54a Abs. 2 AufenthG.
125 
2. Es ist aber weiter zu prüfen, ob - und gegebenenfalls in welcher Weise - die nach nationalem Recht bei der Ausweisung eines Flüchtlings geltenden Voraussetzungen durch vorrangiges Unionsrecht modifiziert werden. Das würde hier bedeuten, dass der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG mit Blick auf Unionsrecht gegebenenfalls abweichend - unionsrechtskonform - auszulegen ist.
126 
Vorab ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass die Ausweisung des Klägers nicht an Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation zu messen ist. Da der Kläger nie einer Arbeit nachgegangen ist, hat er auch keine Rechtsstellung nach Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses erworben.
127 
Als unionsrechtlicher Prüfungsmaßstab für die Ausweisung des Klägers als anerkannter Flüchtling kommen die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bzw. die entsprechenden Nachfolgevorschriften der Richtlinie 2011/95/EU in Betracht. Der Senat ist der Überzeugung, dass die Voraussetzungen des - auf die Ausweisung anzuwendenden - Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind (dazu unter a). Deshalb stellen sich die Vorlagefragen (b).
128 
a) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG ist auch bei der Ausweisung eines Flüchtlings nach deutschem Recht anwendbar (aa). Dessen Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor (bb).
129 
aa) Gemäß Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG achten die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Nach Absatz 2 der Regelung kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Gemäß Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
130 
Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gilt auch für Fälle, in denen der einem Flüchtling erteilte Aufenthaltstitel vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 RL 2004/83/EG) oder sogar vor deren Inkrafttreten am 20.10.2004 erteilt worden ist. Art. 21 RL 2004/83/EG enthält - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 RL 2004/83/EG bezüglich Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie gestellt werden - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass dessen Anwendbarkeit bei bereits erteilten Aufenthaltstiteln ausgeschlossen wäre. Auf die Frage, ob bereits auf die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, welche am 09.01.2012 in Kraft getreten ist (vgl. dazu deren Art. 41 Abs. 1), abzustellen ist, kommt es nicht an, weil Art. 21 unverändert geblieben ist (soweit im Folgenden auf Art. 21 RL 2004/83/EG abgestellt wird, gelten die entsprechenden Ausführungen daher ebenso bezüglich Art. 21 RL 2011/95/EU).
131 
Eine Ausweisung nach deutschem Recht führt nicht zwingend zu einer Abschiebung des Betreffenden und damit auch nicht zu einer "Zurückweisung" im Sinne des Art. 21 Abs. 1 und 2 RL 2004/83/EG, sie kann daher nicht unmittelbar gegen den in Absatz 1 angeführten Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass er unter anderem wegen der familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern, von denen einige die deutsche Staatsangehörigkeit haben, (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK) und wegen seines Status als anerkannter Asylbewerber und Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) nicht abgeschoben werden darf und soll.
132 
Auf eine Ausweisung finden jedoch die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG über die Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln bei Flüchtlingen Anwendung. Dies folgt daraus, dass nach nationalem Recht (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) eine Ausweisung ohne Weiteres das Erlöschen des dem Betreffenden erteilten Aufenthaltstitels, hier der Niederlassungserlaubnis des Klägers, zur Folge hat. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG wird diesem auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein (neuer) Aufenthaltstitel erteilt (vgl. auch § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Sie hat außerdem Folgen für den Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten, die nach deutschem Recht in der Regel an das Bestehen eines Titels (vgl. §§ 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 AufenthG, 4 Abs. 2 und 3 AufenthG) und nicht wie nach Art. 26 ff. RL 2004/83/EG an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft anknüpfen. Das beklagte Land geht im Übrigen davon aus, dass dem Kläger - sollte die Ausweisung rechtskräftig werden - jedenfalls vorerst kein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, sondern dass er lediglich einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, also auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung hat. Diese lässt die Ausreisepflicht unberührt (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Aus alledem folgt nach Auffassung des Senats, dass die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht der Beendigung eines Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gleichzustellen ist.
133 
bb) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG lässt jedoch im vorliegenden Fall nicht die Beendigung des Aufenthaltstitels - und damit in letzter Konsequenz auch nicht eine Ausweisung - zu. Erforderlich wäre danach, dass "Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet". Dieser Verweis auf den zweiten Absatz bedeutet, dass die Aufhebung bzw. die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels voraussetzt, dass eine Zurückweisung des betreffenden Flüchtlings nicht nach völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt wäre (siehe dazu den Vorbehalt des Einleitungssatzes "sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist") und dass die in den Buchstaben a oder b des Art. 21 Abs. 2 RL der Richtlinie genannten Gefahren gegeben sind (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris). Hier fehlt es schon am Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder b RL 2004/83/EG.
134 
Diese entsprechen im Wesentlichen den in Art. 33 Abs. 2 GFK enthaltenen Voraussetzungen für eine Durchbrechung des völkerrechtlichen Refoulement-Verbots (vgl. dazu Battjes in: Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, Ch. IV.3. Council Directive 2004/83/EC, Art. 21 Rn. 11). Art. 33 Abs. 1 GFK untersagt die Ausweisung oder Zurückweisung eines Flüchtlings über die Grenzen von Gebieten, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach Absatz 2 kann sich auf die Vergünstigung jedoch ein Flüchtling nicht berufen, "der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde". Die Parallelen zwischen den Ausnahmetatbeständen beider Vorschriften zeigen, dass nicht nur eine Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG, sondern auch die Versagung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels nur unter den Voraussetzungen zulässig ist, welche auch die Zurückschiebung eines Flüchtlings in das "Verfolgerland" ermöglichen würden, also nur bei "schwerwiegenden Gründen". Im Übrigen finden sich die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG auch in Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten einem Flüchtling die ihm zuerkannte Rechtsstellung (als Flüchtling) wieder aberkennen, beenden oder ihre Verlängerung ablehnen (Abs. 4), gegebenenfalls die Rechtsstellung von vornherein nicht zuerkennen (Abs. 5), wenn eine der angeführten Gefahren gegeben ist. Auch dies verdeutlicht, dass es sich um besonders gravierende Gefahren handeln muss. Zurückweisung und Ausschluss vom bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus können nur "ultima ratio" sein (vgl. zu Art. 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl 2012, § 37 Rn. 54; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 17.12 - juris). Bei der Gefahr für die Allgemeinheit gelten nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und in Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2004/83/EG mit dem Erfordernis der Verurteilung des Betreffenden wegen "eines besonders schweren Verbrechens" - jedenfalls dem Wortlaut nach - sogar höhere Anforderungen als gemäß Art. 33 Abs. 2, 2. Alternative GFK, wonach eine Verurteilung wegen "eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens" genügt.
135 
Offen bleiben kann hier, ob der Umstand, dass in der deutschen Fassung des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und des Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG nicht "schwerwiegende Gründe" wie in Art. 33 Abs. 2 GFK, sondern lediglich "stichhaltige Gründe" gefordert werden, bedeutet, dass ein geringeres Maß an Überzeugungsgewissheit erforderlich ist (vgl. dazu die englischen Fassungen dieser Bestimmungen: Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”). Mit Blick auf Art. 33 GFK, welcher zwingende Vorgaben für das Refoulement-Verbot und seine Ausnahmen enthält und in Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG aufgegriffen wird, dürften allerdings nicht nur an das Ausmaß der Gefahr, sondern auch an deren Nachweis insgesamt dieselben Anforderungen zu stellen sein wie im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GFK (a.A. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Letztlich kommt es aber hier auf diese Frage nicht an.
136 
Denn selbst wenn man insofern von einer Absenkung des erforderlichen Beweismaßes ausginge, sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht erfüllt. Der vom Kläger begangene Verstoß gegen das Vereinsgesetz, der zu seiner Verurteilung mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen geführt hat, ist ersichtlich nicht als "besonders schwere Straftat" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG anzusehen. Es bestehen aber auch keine "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie bzw. dass er aus "schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes" anzusehen ist im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GFK.
137 
Bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GFK, Art. 14 Abs. 4 und Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten - in bestimmten Grenzen - den Begriff der "Sicherheit" nach dem jeweiligen eigenen Recht selbst definieren, weil auf die Sicherheit des eigenen Staates abzustellen ist und diese im Völkerrecht nicht abschließend festgelegt werden kann (vgl. dazu und zum folgenden: Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich jedenfalls um eine sehr große Gefahr handeln (Marx, a.a.O., § 35 Rn. 182, § 37 Rn. 51, § 54 Rn. 4, m.w.N.). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87). Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 60 Abs. 8 AufenthG von der Möglichkeit der Verweigerung bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus Gebrauch gemacht (vgl. auch § 3 Abs. 4 AsylVfG). Die diesbezügliche Rechtsprechung kann daher zur Auslegung der Voraussetzungen herangezogen werden.
138 
Danach kann die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des Ausweisungstatbestands des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht ausreichen; vielmehr muss sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Stichhaltige bzw. schwerwiegende Gründe liegen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetzt. Vielmehr müssen bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigen, das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK zurücktreten zu lassen. Das ist typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine terroristische Vereinigung bzw. eine Vereinigung, welche den Terrorismus unterstützt, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt. Das kann sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintritt oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mitträgt. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend ist, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lässt sich nicht ab- strakt beantworten, sondern hängt von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt wird (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 30.03.1999 - 9 C 31.98 - juris, zu § 51 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990; Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.).
139 
Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine Aufhebung des Aufenthaltstitels des Klägers und damit seine Ausweisung nicht unter Verweis auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG rechtfertigen. Es bedarf schon genauerer Prüfung, ob tatsächlich noch von einer Gefahr für die (innere und äußere) Sicherheit des deutschen Staates durch Unterstützung der PKK auszugehen sein kann, obwohl diese in den letzten Jahren terroristische Mittel fast überwiegend nur in der Türkei angewandt hat. Abgesehen davon hat der Kläger aber jedenfalls weder selbst Gewalt ausgeübt noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Wie dargelegt, hat er zwar die PKK Anfang der 1990-er Jahre durch die Übernahme einer Vorstandstätigkeit in einem PKK-nahen Verein in Bielefeld, in den Jahren 2005 sowie 2006 durch das Einsammeln von Spenden und das Verkaufen von Zeitschriften sowie ständig durch den Besuch von PKK-nahen Veranstaltungen unterstützt. Der Senat geht aber davon aus, dass der Kläger 2005 und 2006 lediglich vorübergehend wieder eine wichtigere Funktion übernommen hat und nicht weitreichend und vor allem nicht über einen längeren Zeitraum in die Hierarchieebenen der PKK eingebunden war. Schließlich war er nach den Feststellungen im Strafurteil vom 03.12.2008 selbst in der Zeit des Einsammelns von Spenden lediglich unterhalb des Raumverantwortlichen aktiv. Er kann daher nicht - jedenfalls nicht mehr - als ein "Funktionär" der PKK angesehen werden. Bezeichnend ist auch, dass es trotz der dem Senat aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannten engen Überwachung der örtlichen kurdischen Vereine und ihres Umfelds durch das Landesamt für Verfassungsschutz - abgesehen von der Teilnahme an Veranstaltungen - keinerlei Hinweise auf weitere Aktivitäten des Klägers für die PKK bzw. ihr Umfeld gibt. Vor allem in Anbetracht der verstrichenen Zeit seit seiner Betätigung als Spendensammler 2005 und 2006 kann daher derzeit nicht (mehr) von einer gegenwärtigen Gefährdung der Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ausgegangen werden.
140 
b) Damit bedürfen die Vorlagefragen der Klärung durch den Europäischen Gerichtshof. Da die Voraussetzungen für die in Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG eingeräumte Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung der einem Flüchtling erteilten Aufenthaltserlaubnis hier nicht vorliegen, sind zunächst der Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie (aa, Vorlagefragen 1) und gegebenenfalls dessen Voraussetzungen (bb, Vorlagefragen 2) zu klären. Sollte die Regelung keine Anwendung finden auf die Aufhebung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels, stellt sich die Frage, ob eine solche unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist (cc, Vorlagefrage 3).
141 
aa) Vorlagefragen 1
142 
Mit diesen beiden Fragen soll geklärt werden, ob die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels auch bei der Beendigung von Aufenthaltstiteln - und damit für die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht - Anwendung findet, und ob diese gegebenenfalls dahingehend auszulegen ist, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels einer betreffenden Person entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegeben sind.
143 
Zunächst ist festzustellen, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch auf Fälle Anwendung findet, in denen die Flüchtlingsanerkennung vor Geltung dieser Vorschrift erfolgt ist (vgl. dazu oben 2 a) aa)). Derzeit ist noch nicht auf die Neufassung des Art. 24 - in der Fassung der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - abzustellen. Denn diese gilt gemäß Art. 41 Abs. 2 RL 2011/95/EU erst ab dem 22.12.2013. Letztlich kommt es darauf hier aber nicht entscheidend an. Die Vorlagefragen stellen sich ebenso unter Geltung der Richtlinie 2011/95/EU. Denn die beiden Fassungen des ersten Unterabsatzes unterscheiden sich lediglich dadurch, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG an die Zuerkennung des "Schutzstatus" und die geänderte Fassung der Richtlinie 2011/95/EU an die Zuerkennung des "internationalen Schutzes" anknüpft und dass in der älteren Fassung auf die Personen abgestellt wird, denen die "Flüchtlingseigenschaft" zuerkannt worden ist, während in der neuen der Begriff "Flüchtlingseigenschaft" durch "Flüchtlingsstatus" ersetzt wurde. Die materiellen Anforderungen haben sich damit nicht geändert. Abgesehen davon sind in der deutschen Fassung offensichtlich nur Übersetzungsungenauigkeiten beseitigt worden: Der letzte Halbsatz des Absatz 1 Unterabsatz 1 (ebenso in Absatz 3) in der Veröffentlichung in deutscher Sprache (ABl. L 304 vom 30.09.2004, S. 12, in der Fassung der Berichtigung, ABl. L 204 vom 05.08.2005, S. 24) lautete "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen" statt - wie in der neuen Fassung - "es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen" (so aber schon in der englischen Fassung 2004: "unless reasons of compelling national security or public order otherwise reqire", ebenso z.B. in der spanischen, der französischen, der italienischen und der niederländischen Fassung).
144 
Art. 24 RL 2004/83/EG enthält keine ausdrückliche Bestimmung über die Beendigung oder Aufhebung von Aufenthaltstiteln. Dessen Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus (RL 2004/83/EG) - bzw. des internationalen Schutzes (RL 2011/95/EU) - und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel auszustellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (RL 2004/83/EG) - bzw. der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung (RL 2011/95/EU) - dem entgegenstehen. Unterabsatz 2 enthält Regelungen für Familienangehörige, Absatz 2 eine Absatz 1 Unterabsatz 1 entsprechende Verpflichtung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, mit dem Unterschied, dass nicht auf - den nicht für diesen Personenkreis geltenden - Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG verwiesen wird und dass der Aufenthaltstitel eine Geltungsdauer von lediglich einem Jahr enthalten muss. Die Vorschrift bezweckt neben der "Gewährleistung eines Mindestmaßes an Schutz" für "Personen, die tatsächlich Schutz benötigen", die Sicherstellung, dass diesen "ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird" (Erwägungsgrund 6 der RL 2004/83/EG, 12 der RL 2011/95/EU). Dazu gehört die Sicherung des Aufenthaltsstatus von Personen mit internationalem Schutz. Außerdem zielt die Richtlinie auf eine weitgehende Angleichung der Stellung von Flüchtlingen und von Personen mit subsidiärem Schutzstatus (vgl. Erwägungsgrund 7 der RL 2004/83/EG, 13 der RL 2011/95/EU).
145 
Der Senat ist der Auffassung, dass aus der in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG normierten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, anerkannten Flüchtlingen einen mindestens drei Jahre gültigen Aufenthaltstitel zu erteilen, auch das Verbot abzuleiten ist, diesen Aufenthaltstitel bzw. einen bereits bestehenden wieder aufzuheben, ohne dass einer der normierten Gründe gegeben ist, bei deren Vorliegen bereits die Erteilung abgelehnt werden kann. Neben den in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie angeführten zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gehört dazu der Tatbestand des Art. 21 Abs. 3, auf welchen mit dem Vorbehalt des Art. 24 Abs. 1 Unterabsatz 1 „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ explizit verwiesen wird.
146 
Für eine entsprechende Anwendung spricht mit Blick auf das Ziel der Sicherstellung eines "Mindestniveaus von Leistungen" für anerkannte Flüchtlinge schon die grundsätzliche Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Vor allem ist zu bedenken, dass es - neben Art. 21 Abs. 3 RL der Richtlinie - bei bereits erteiltem Titel die Möglichkeit der Aufhebung bzw. Beendigung des Aufenthaltstitels bei Vorliegen der Ausschlusstatbestände der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" geben muss. Schließlich kann es vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Ziel der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn es im letzteren Fall keine Möglichkeit der Aufhebung eines bereits erteilten Titels gäbe. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die maßgeblichen Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden.
147 
Etwas anderes würde zwar gelten, wenn "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" immer voraussetzen würden, dass auch die Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG gegeben sind, also nur einen Unterfall der "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Betreffende eine Gefahr für die Sicherheit oder die Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt," bildeten. Denn dann bestünde kein Bedürfnis für eine entsprechende Auslegung, weil der Aufenthaltstitel gegebenenfalls aufgrund der Ermächtigung in Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie aufgehoben werden könnte. Die Beantwortung der Fragen unter 1 kann daher auch davon abhängen, wie die Fragen unter 2 zur Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie beantwortet werden. Abgesehen davon, dass der Senat der Auffassung ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG hier keine höhere Gefahrenschwelle voraussetzt als der der "stichhaltigen bzw. schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK (vgl. dazu unten zu Vorlagefragen 2), zeigt schon die Verwendung des Begriffs "öffentliche Ordnung", dass die Ausschlussgründe des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG weiter reichen als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie (vgl. dazu genauer unten im Folgenden).
148 
bb) Vorlagefragen 2
149 
Sollte der Europäische Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen, dass die unter 1 angeführten Vorlagefragen zu bejahen sind, stellen sich die unter 2 aufgelisteten zur Auslegung des in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung".
150 
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG ohnehin in den Fällen des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie nicht greifen kann, weil danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie abgelehnt werden kann. Dies wird mit der Einschränkung in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG "unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3" klargestellt. Die Nennung einer weiteren Ausnahme - der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" - dürfte aber wenig Sinn machen, wenn deren Voraussetzungen enger wären als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie. Dafür, dass die Ablehnung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 eher möglich sein soll als nach Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie, sprechen auch Inhalt und Zielsetzung der jeweiligen Regelungen. Bei Art. 21 RL 2004/83/EG geht es primär um den Schutz eines bereits anerkannten Flüchtlings vor Zurückweisung, also einer möglichen Überstellung in das Land, aus dem er wegen Verfolgung geflüchtet ist. Eine solche soll nur - ausnahmsweise - unter den in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie angeführten, Art. 33 Abs. 2 GFK nachgebildeten, Voraussetzungen möglich sein. Dass dann - nach Absatz 3 der Vorschrift - auch der Aufenthaltstitel aufgehoben bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt werden kann, ist lediglich eine folgerichtige Konsequenz der Ausnahmen vom Refoulement-Verbot. Hingegen zielt Art. 24 RL 2004/83/EG auf die Gewährleistung eines Aufenthaltstitels von drei (Abs. 1) bzw. einem Jahr (Abs. 2) für Personen mit zuerkanntem internationalem Schutz. Mit dieser Regelung wurde das erste Mal ein Anspruch anerkannter Flüchtlinge auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels festgelegt. Die Ausnahmen von der Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" erinnern an die des Art. 32 Abs. 1 GFK (vgl. auch Battjes, a.a.O., Art. 24 Rn. 6), nach welchem aus "Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Ausweisung eines Flüchtlings, der sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Staates aufhält, zulässig sein kann. "Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" können im Übrigen auch der Verpflichtung zur Erteilung eines Reiseausweises an Flüchtlinge nach Art. 28 Abs. 1 GFK entgegenstehen. Die mit dem Aufenthaltsstatus - oder auch mit der Frage der Erteilung eines Reiseausweises - verbundenen Fragen sind aber bei weitem nicht von einer derart existentiellen Bedeutung für den Flüchtling wie die, ob er sogar zurückgewiesen werden kann. In der Regel wird bei einem anerkannten Flüchtling allein eine bei Versagung eines Aufenthaltstitels folgende Illegalität des Aufenthalts nicht zu einer Abschiebung führen. Eine solche kommt allenfalls in wenigen Ausnahmefällen und nur in einen aufnahmebereiten Drittstaat in Betracht, welcher seinerseits aber das Refoulement-Verbot zu beachten hat. Dies zeigt auch der vorliegende Fall. Wie ausgeführt, soll und kann auch der Kläger nicht abgeschoben werden. Selbst wenn sein Aufenthaltstitel erlöschen und er derzeit keinen Anspruch auf Erteilung eines anderen Titels haben sollte, müsste er Deutschland nicht verlassen. Er hat nach nationalem Recht einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 AufenthG).
151 
Dafür, dass die Möglichkeiten der Versagung eines Aufenthaltstitel durch die Aufnahme des zusätzlichen Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie bestehenden Ausnahmetatbestände hinaus erweitert werden sollten, sprechen auch die Entstehungsgeschichte des Art. 24 der Richtlinie und deren Erwägungsgrund 28 (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). In der ersten Fassung des - noch vor den Terroranschlägen des 11.09.2001 erarbeiteten - Kommissionsentwurfs vom 12.09.2001 (KOM [2001] 510 endg; Ratsdok. 2001/027 (CNS); siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001) war lediglich die Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels, also ohne explizit geregelte Ausschlussgründe, vorgesehen. Der Vorbehalt "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen" wurde erst später, und zwar zunächst bei der Regelung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, in Absatz 2 (vgl. Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 -, damals Art. 21), dann auch für Absatz 1 Unterabsatz 1 (Ratsdokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -, dort Art. 22), vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang wurde in einer Fußnote zu der entsprechenden Formulierung in Absatz 2 angeführt: Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: "Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt". Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Ratsdokument vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -). Ab 2002 findet sich zudem der Vorbehalt hinsichtlich Art. 21 Abs. 3 (damals 19 Abs. 3; vgl. nur Art. 21 in der Fassung des Ratsdokuments vom 19.12.2002 - 15627/02 -; vgl. auch Dokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -). Die Absätze 2 und 3 des Art. 21 (damals Art. 19) waren bereits kurz zuvor vorgeschlagen worden (vgl. Ratsdokument vom 08.11.2002 - 13468/02 -).
152 
Die geschilderten Ergänzungen und Abänderungen der Richtlinie dürften vor dem Hintergrund der Terroranschläge des 11.09.2001 und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen sein. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 Buchst. a und c die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die Berücksichtigung der Folgen der Anschläge vom 11.09.2001 für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Richtlinie 2004/83/EG wurde zum Beispiel in einer Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002 ausdrücklich gefordert (ABl. EU C 278 vom 14.11.2002, S. 44). Mit diesem Ziel dürften auch weitere Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Richtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf erfolgt sein, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 RL 2004/83/EG und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 (entspricht Erwägungsgrund 31 der RL 2011/95/EU) auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
153 
Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass im Falle von Handlungen zur Unterstützung terroristischer Vereinigungen der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bereits bei Aktivitäten eines niedrigeren Profils mit einem geringeren Gefährdungspotential erfüllt sein kann als dies für die Annahme des Tatbestands der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" in Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie vorausgesetzt wird.
154 
Dabei wäre zunächst zu klären, ob in Anbetracht der Entstehungsgeschichte und mit Blick auf den Zweck der Regelungen nicht sogar anzunehmen ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe" für sich genommen - also ohne diesen in Beziehung zu setzen zu dem Schutzgut, um das es geht - trotz des dagegen sprechenden Wortlauts eine niedrigere Gefahrenschwelle erfordert als der der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG (vgl. dazu Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.; a.A. BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris, unter Verweis auf das Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Die Tatsache, dass die Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, und die Richtlinie 2004/83/EG am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar auf den ersten Blick nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen und entsprechend hohe Anforderungen zu stellen (vgl. zu Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG: EuGH, Urteile vom 23.11.2010 - C-145/09, Tsakouridis - Slg. 2010, I-11979, = juris, und vom 22.05.2012 - C-348/09 I. - juris). Dagegen sprechen aber schon die Unterschiede hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen, der jeweils verfolgten Ziele und der betroffenen Personen. Zudem stellt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG lediglich auf die öffentliche Sicherheit ab, während Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG als Schutzgut neben der öffentlichen Sicherheit auch die Ordnung anführt (vgl. dazu auch Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris). Vor allem geht es um unterschiedlich gravierende Eingriffe. Erlaubt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden," eine Ausweisung, führt das Vorliegen "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 RL 2004/83/EG lediglich zu der für die Betroffenen wesentlich weniger einschneidenden Rechtsfolge der Verweigerung oder des Entzugs des Aufenthaltstitels. Nach Auffassung des Senats ist der Begriff der zwingenden Gründe daher eigenständig und nicht durch Übernahme von Grundsätzen der Unionsbürgerrichtlinie zu entwickeln.
155 
Ungeachtet des Vorgesagten spricht vieles dafür, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" bzw. der "nationalen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG umfassender bzw. weiter zu verstehen ist als der der "Sicherheit des Mitgliedstaats" oder "der Sicherheit des Landes, in dem sich der Betreffende befindet" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK, mit anderen Worten, dass die bedrohten öffentlichen Interessen, die im Falle des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegen die Erteilung oder Aufrechterhaltung des Aufenthaltstitels streiten, von geringerem Gewicht sein können als dies Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie erfordert.
156 
Jedenfalls werden aber die Voraussetzungen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" deshalb eher zu bejahen sein, weil das geschützte Rechtsgut "öffentliche Sicherheit oder Ordnung" allein mit Blick auf die "öffentliche Ordnung" einen weiteren Anwendungsbereich hat als die Sicherheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder auch die Allgemeinheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG (welcher wiederum voraussetzt, dass der Betreffende wegen eine besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde). Dies folgt insbesondere auch aus dem Erwägungsgrund 28, welcher, wie ausgeführt, im Zusammenhang mit der Einfügung des auch in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/83/EG enthaltenen - für Flüchtlinge, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, geltenden - Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" gefasst wurde (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). Wenn danach "der Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auch für die Fälle gilt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt", soll es in diesen Fällen der Unterstützung des internationalen Terrorismus jedenfalls für die Frage der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr darauf ankommen, ob die Sicherheit des Mitgliedstaats in dem Sinne gefährdet ist, dass der Betreffende auch zurückgewiesen bzw. von vornherein von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen werden könnte (Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG, Art. 33 Abs. 2 GFK). Einer genauen Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals der öffentlichen bzw. nationalen Sicherheit von dem der öffentlichen Ordnung bedarf es daher mit Blick auf den Erwägungsgrund 28 der Richtlinie hier nicht. Eine entsprechend weitere Auslegung liegt im Übrigen nicht nur im (Sicherheits-)Interesse des Staates, in welchem sich der Betreffende aufhält, sondern auch in dem der anderen Mitgliedstaaten. Schließlich können sich gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen.
157 
Der Senat verkennt allerdings nicht, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch dahingehend verstanden werden könnte, dass bei Vorliegen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausnahmslos untersagt wird, während Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis ins Ermessen stellt. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Voraussetzungen für die Erfüllung des Ausschlussgrundes der "stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr für den Mitgliedstaat" eher anzunehmen sind als die der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG, könnte dann in der Einführung des Ausschlussgrundes des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG insofern eine Verschärfung zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus gesehen werden, als danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwingend ausgeschlossen wäre (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Zum einen erscheint es aber zweifelhaft, ob die Normierung einer Ausnahme ("es sei denn") von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Folge haben kann - und auch hier hat -, dass den Mitgliedstaaten damit die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen des Ausschlussgrundes gänzlich - und ohne jeden Ermessensspielraum - untersagt wird. Es spricht mehr dafür, dass darin die bloße Einschränkung der Verpflichtung des Mitgliedstaats bzw. des daraus folgenden Anspruchs eines betroffenen Flüchtlings zu sehen ist. Zum anderen erscheint eine solche Auslegung vor allem vor dem Hintergrund fernliegend, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" aus den angeführten Gründen weiter zu verstehen ist als die in den Ausschlussgründen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie genannten Schutzgüter.
158 
Von der Beantwortung der angeführten Fragen hängt ab, ob die Ausweisung des Klägers - und damit auch die gegen ihn aus Sicherheitsgründen verhängte Meldepflicht und die räumliche Beschränkung - wegen entgegenstehenden Unionsrechts als rechtswidrig anzusehen und daher aufzuheben ist. Teilt man das dargelegte weitere Verständnis des Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 2004/83/EG, wäre die Vorlagefrage 2a) zu bejahen. Denn dann könnte dieser Ausschlussgrund erfüllt sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots des Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht vorliegen. „Zwingend“ dürften die Gründe dabei immer dann sein, wenn die für die bloße Verweigerung der Legalität des Aufenthalts maßgeblichen Gründe bezogen auf die Folgen für den Betroffenen verhältnismäßig im engeren Sinn und für die Erreichung dieses Zwecks aus der Sicht der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unerlässlich sind, das heißt mit anderen Worten, wenn auf die Herbeiführung der Rechtsfolge - hier die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels - unter keinen Umständen verzichtet werden kann.
159 
Für den vorliegenden Fall würde dies nach Auffassung des Senats bedeuten, dass wegen des Vorliegens "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" kein Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG besteht, mit der Folge, dass diese Regelung einer Ausweisung nicht entgegensteht. Abgesehen davon, dass beim Kläger nicht ausgeschlossen erscheint, dass er die PKK weiter durch hervorgehobenere Unterstützungshandlungen wie das Einsammeln von Spenden, das Verteilen von Zeitschriften oder die Übernahme anderer Aufgaben unterstützt, ist jedenfalls damit zu rechnen, dass er auch in Zukunft regelmäßig Veranstaltungen besucht, welche in einer besonderen Nähe zur PKK stehen. Zwar hat die letztgenannte Form der Unterstützung für sich genommen keinen besonders hohen Gefährdungsgrad. Mit einer Beteiligung an entsprechenden Veranstaltungen wird aber eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Wie ausgeführt, werden dadurch deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflusst und ihre Aktionsmöglichkeiten sowie ihr Rekrutierungsfeld erweitert. Insgesamt wird damit dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Die vom Kläger über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichem Ausmaß - von der Übernahme der Funktion des Vorstands eines später als Teilorganisation der PKK verbotenen örtlichen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre über das Einsammeln von Spenden 2005 und 2006 bis zur ständigen (bloßen) Teilnahme an unzähligen PKK-nahen Veranstaltungen - vorgenommene Unterstützung der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beseitigung der Legalität des Aufenthalts Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist. Mit einer Aufenthaltserlaubnis könnte sich der Betreffende hingegen im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 SDÜ frei im Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten bewegen und sich auch in anderen Mitgliedstaaten bis zu drei Monate (innerhalb von sechs Monaten) aufhalten. Nach nationalem Recht ist die Ausweisung, die zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führt, zudem Voraussetzung für weitere unter Sicherheitsaspekten wichtige Maßnahmen, wie die des § 54a AufenthG "zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der Sicherheit", insbesondere die Verpflichtung, sich regelmäßig bei der örtlich zuständigen Polizeidienstelle zu melden, (Abs. 1) und die Beschränkung des Aufenthalts auf den Bezirk der Ausländerbehörde (Abs. 2).
160 
Wegen der danach gegebenen individuellen Gefährdung durch den Kläger kann die Frage offen bleiben, ob bei der Prüfung "zwingender Gründe" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch generalpräventive Aspekte - wie die durch die Verweigerung eines Aufenthaltstitels bzw. dessen Aufhebung oder Beendigung gegebenenfalls erzielte abschreckende Wirkung - zu berücksichtigen sind. Die Ausweisung des Klägers (und das Erlöschen seines Aufenthaltstitels als Voraussetzung für die in § 54a Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte vollziehbare Ausreisepflicht) ist hier nach Auffassung des Senats schon deshalb als unerlässlich anzusehen, weil sie Grundlage der ihm gegenüber im Bescheid vom 27.03.2012 verfügten Meldepflicht und der räumlichen Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim ist. Mit diesen Maßnahmen werden die Möglichkeiten des Klägers, die PKK weiter zu unterstützen, effektiv eingeschränkt. So liegt schon der nächste kurdische Verein, welcher einige der PKK-nahen Veranstaltungen ausgerichtet hat, zu deren regelmäßigen Besuch sich der Kläger seinen Angaben nach verpflichtet fühlt, außerhalb des Bezirks der Stadt Mannheim. Die mit der Ausweisung und dem Erlöschen der Niederlassungserlaubnis verbundenen Einschränkungen und Nachteile für den Kläger sind andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls hier nicht als derart gravierend anzusehen, dass darauf verzichtet werden könnte bzw. müsste.
161 
cc) Vorlagefrage 3
162 
Geht man davon aus, dass die Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG in Fällen der Beendigung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung findet, stellt sich die Frage, ob die Regelung des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie als abschließend zu verstehen ist mit der Folge, dass die Aufhebung oder Beendigung des einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels unionsrechtlich nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist. Dann wäre der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Satz 2 AufenthG entsprechend auszulegen. Die Ausweisung des Klägers wäre als rechtswidrig anzusehen.
163 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 214/10
vom
28. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. September 2010
einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 7. August 2009 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu der Begründung der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten im Hinblick auf seine Tätigkeit als Führungsfunktionär der DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi = Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front) als Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung innerhalb der DHKP-C verurteilt. Es hat dabei ausdrücklich offen gelassen, ob die DHKP-C insgesamt, also auch jenseits der "mit der Planung und Ausführung von Anschlägen betrauten Kader(n)" und des engeren Funktionärskörpers einschließlich der "Führungsverantwortlichen innerhalb der europäischen Rückfront", als eine solche Vereinigung anzusehen ist. Hierzu hätte angesichts der Feststellungen im angefochtenen Urteil keine Veranlassung bestanden. Diese belegen, dass die DHKP-C als solche eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Tot- schlag zu begehen (§ 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB). Anhaltspunkte dafür, dass insoweit zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren ist, sind den Feststellungen in Ansehung der Struktur der Vereinigung nicht zu entnehmen. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört. Auch die Listung der DHKP-C als terroristische Vereinigung (Ratsbeschlüsse 2002/460/EG vom 17. Juni 2002 und zuletzt vom 28. Juni 2007 - 2007/445/EG - zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der VO (EG) 2580/2001 vom 27. Dezember 2001) enthält keine Einschränkung auf einen bestimmten Personenkreis innerhalb der Organisation.
Becker Pfister von Lienen Sost-Scheible Schäfer

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Artikel 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu folgenden Fragen eingeholt:

1. a) Ist die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels an Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, auch bei der Aufhebung eines bereits erteilten Aufenthaltstitels zu beachten?

b) Ist diese daher dahingehend auszulegen, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) eines anerkannten Flüchtlings entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sind?

2. Für den Fall, dass die Fragen unter 1 zu bejahen sind:

a) Wie ist der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG mit Blick auf Gefahren auszulegen, die von der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ausgehen?

b) Können „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots nach Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht erfüllt sind?

3. Für den Fall, dass die Frage unter 1a) zu verneinen ist:

Ist die Aufhebung bzw. Beendigung des einem anerkannten Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (bzw. der gleichlautenden Nachfolgeregelung der Richtlinie 2011/95/EU) zulässig?

Gründe

 
A)
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebt seit 1989 mit seiner Ehefrau, welche ebenfalls türkische Staatsangehörige ist, und mit inzwischen acht gemeinsamen Kindern, von denen fünf die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist bis heute Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Auf seinen Asylantrag wurde er am 24.06.1993 als Asylberechtigter anerkannt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des - damals geltenden - § 51 Abs. 1 AuslG (Flüchtlingsschutz, heute § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen. Die Anerkennung wurde mit den exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland und der ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei drohenden politischen Verfolgung begründet (vgl. Urteil des VG Minden vom 08.02.1993). Der im Wesentlichen mit geänderten Verhältnissen in der Türkei begründete Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.08.2006 wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30.11.2007 aufgehoben. Seit dem 07.10.1993 ist der Kläger im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels.
Der Kläger war in den 1990er-Jahren in vielfältiger Weise für die PKK (Partiya Karkerên Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) bzw. deren Neben- oder Nachfolgeorganisationen exilpolitsch aktiv. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22.11.1993 wurden der PKK und der ENRK (Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) - einer inzwischen aufgelösten, damals in Deutschland für die PKK aktiven "Frontorganisation" - verboten, sich in Deutschland zu betätigen. Nach § 20 Vereinsgesetz macht sich unter anderem strafbar, wer diesem Verbot zuwiderhandelt (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 18 Satz 2 VereinsG). 1992 wurde der Kläger in den Vorstand des "Arbeiter- und Kulturzentrums der Kurden Bielefeld" gewählt. Der Verein wurde 1993 als Teilorganisation der PKK verboten. Im Asylverfahren gab der Kläger selbst an, er besuche alle Veranstaltungen und Demonstrationen der ERNK. Dabei sei er teilweise als Ordner eingesetzt. Diese exilpolitischen Aktivitäten setzte der Kläger auch nach seiner Asylanerkennung fort. Es kam deshalb zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Jahr 2001 beteiligte er sich an der Unterschriftenaktion im Rahmen der so genannten "Identitätskampagne" der PKK und unterzeichnete die Erklärung "Auch ich bin ein PKK'ler". Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg nahm der Kläger in den folgenden Jahren, auch nach dem Umzug seiner Familie aus dem Raum Bielefeld nach Mannheim im Jahr 2002, weiter regelmäßig an Demonstrationen und Veranstaltungen teil, bei welchen es um die Rechte der Kurden, um die PKK und/oder deren Generalsekretär Abdulah Öcalan ging, darunter auch solche mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan, so genannte "Märtyrergedenkfeiern" (Feiern zum Gedenken an gefallene PKK-Kämpfer und Selbstmordattentäter) und "Volksversammlungen".
Im Juni 2006 reiste der Kläger in den Irak. Er hielt sich dort zwei Monate lang auf und besuchte Verwandte sowie diverse Orte bzw. Stationen im Grenzgebiet zur Türkei. 2007 unternahm er mit seinem ältesten Sohn eine weitere Reise in den Irak.
Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 10.01.2007 wegen des Verdachts eines - durch Betätigung für die PKK begangenen - Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden unter anderem eine handschriftlich verfasste Spendenliste mit 16 Namen und Beträgen zwischen 100 und 1000 EUR sowie eine mit dem Computer im Jahr 2006 erstellte Spendenliste, welche in 4 Ortsbezirke unterteilt war und auf der hinter 29 der insgesamt 48 aufgeführten Namen monatliche Spenden im Zeitraum von Januar bis Mai in Höhe von 10 bis 30 EUR pro Monat vermerkt waren, aufgefunden, außerdem ein Zettel und ein Notizbuch mit Vermerken zu eingesammelten Beträgen, Ausdrucke eines Vordrucks für eine Spendenliste, 4 Zeitschriften Serxwebun, Fotos mit Abdullah Öcalan, darunter eines mit der Aufschrift "PKK" im Scheckkartenformat im Geldbeutel des Klägers, Fotos des Klägers neben bewaffneten Personen, welche von der Reise des Klägers in den Irak im Juni 2006 stammten, Flaggen bzw. Fahnen mit dem Emblem der "KKK" (Koma Komalên Kurdistan), Flaggen mit einer Abbildung von Abdullah Öcalan sowie ein Buch von Öcalan. Der Kläger wurde daraufhin mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen im Urteil hat er dem Verbot einer Betätigung für die PKK zuwidergehandelt. Die PKK bzw. die KONGRA-GEL finanzierten sich durch Beiträge für legale kurdische Vereine, monatliche Mitgliedsbeiträge der Anhänger, Verkauf von Publikationen, Einnahmen beim jährlichen „Kurdistanfestival“ und andere Feste auf örtlicher Ebene sowie Einnahmen aus der jährlich im Herbst/Winter durchgeführten „Spendenkampagne“. Bei dieser „Spendenkampagne“ setze der für Europa zuständige „Rat“ fest, welche Beträge von den einzelnen europäischen Ländern zu erbringen seien. Diese würden auf der jeweiligen Hierarchieebene Raum bzw. Gebiet aufgeschlüsselt. Dabei würden Listen der ortsansässigen Kurden verwendet und die von diesen zu erbringenden „Spenden“ nach der Höhe des jeweiligen Einkommens festgesetzt, wobei etwa ein Monatseinkommen zu erbringen sei. Die Spenden würden von so genannten „Sammelteams“ von zwei bis drei Personen eingesammelt, notfalls auch mit Gewalt eingetrieben. Im Zuge der hierarchischen Gebietsstruktur der PKK sei auch die Bundesrepublik Deutschland in mehrere Gebiete gegliedert, denen jeweils ein Gebietsverantwortlicher vorstehe, der regelmäßig nach einem Jahr ausgewechselt werde. Im Jahr 2005 sei dies bis zum Oktober im Gebiet Mannheim der Gebietsverantwortliche M.T., Deckname D., gewesen. Die Gebiete seien wiederum in Räume aufgeteilt, denen jeweils ein Raumverantwortlicher vorstehe. So sei das Gebiet Mannheim in die Räume Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Worms, Bruchsal, Karlsruhe und Germersheim aufgeteilt. Verantwortlicher im Raum Mannheim sei im Jahr 2005 eine nicht identifizierte Person namens Ma. gewesen. Der Kläger sei in den Jahren 2005 und 2006 im Raum Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen. Er sei direkt dem Raumverantwortlichen für Mannheim namens Ma. unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen M.T. gewesen. Dies schließe die Strafkammer daraus, dass er als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen M.T. zwei Rundschreiben per SMS erhalten habe, in welchen er dazu aufgefordert worden sei, als einer der "Freunde, die für die Räume verantwortlich seien, ... die Freunde, mit denen er "zusammenarbeite, zu benachrichtigen". Außerdem seien sein Vorname und seine Handynummer auf sichergestellten Notizzetteln des Gebietsverantwortlichen M.T. notiert gewesen. In der von ihm übernommenen Funktion habe sich der Kläger mit dem Sammeln und der Weiterleitung von Spenden für die PKK und gelegentlich auch mit der Verteilung der Zeitschrift Serxwebun - eines der Publikationsorgane der PKK bzw. der Nachfolgeorganisation KONGRA-GEL - befasst. Er habe in den im einzelnen aufgeführten Fällen (von insgesamt 29 Personen aus vier Bezirken des Raums Mannheim - jeweils von Januar bis Mai, teilweise auch nur bis März oder April 2006) selbst oder unter Einschaltung von Hilfspersonen Spenden für die PKK gesammelt, diese in seiner Spendenliste verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK, wahrscheinlich in Brüssel, abführen lassen. Er habe sich zudem noch am 10.01.2007 von seinem Sohn mit Hilfe des Computers einen neuen Vordruck einer Spendenliste erstellen lassen. Der Kläger habe das gegen die PKK verhängte Betätigungsverbot gekannt. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Spendenkampagnen für die PKK von großer Bedeutung seien. An ihnen und an dem Verkauf der Zeitschrift habe er mit dem Willen teilgenommen, die PKK zu fördern und die Eintreibung von Spenden und Einnahmen aus Zeitungsverkäufen an den Vorgaben der Partei auszurichten. Nach Verwerfung der Revision durch den Bundesgerichtshof wurde das Urteil am 08.04.2009 rechtskräftig.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27.03.2012 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt Mannheim begrenzt (Ziff. 2). Die Ausweisung wurde auf §§ 55, 56 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Als Ausweisungsgrund wurde § 54 Nr. 5 AufenthG herangezogen, wonach ein Ausländer in der Regel ausgewiesen wird, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder unterstützt hat oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Mit Blick auf die bestehende familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und den minderjährigen Kindern und unter Berücksichtigung seines unbefristeten Aufenthaltsrechts sowie des Status als Asylberechtigter und Flüchtling erging die Ausweisungsverfügung jedoch als Ermessensentscheidung (§§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3, 4 und 5, Satz 5 AufenthG, 55 AufenthG, Art. 6 Abs. 1 GG, 8 EMRK). Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle es sich um Vereinigungen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Aktivitäten des Klägers wie insbesondere das Eintreiben von Spenden, der Verkauf der PKK-Zeitung Serxwebun und auch die ständige Teilnahme an Veranstaltungen der PKK bzw. PKK-naher Vereine seien als Unterstützung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Dabei sei auch von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit auszugehen. Schließlich seien bis weit ins Jahr 2011 Unterstützungshandlungen nachgewiesen. Dem Interesse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet, das sich aus den bestehenden persönlichen und familiären Bindungen ergebe, werde durch Duldungen (d.h. eine Aussetzung der Abschiebung ohne Aufenthaltstitel) Rechnung getragen werden.
Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.08.2012 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde dargelegt: Der Umstand, dass der Kläger durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK verurteilt worden sei, rechtfertige ohne weiteres die Annahme einer relevanten Unterstützungstätigkeit, wenn diese Tätigkeiten nicht sogar auf eine Zugehörigkeit zur Organisation selbst hinwiesen. Des Weiteren stelle jedenfalls der regelmäßige, über Jahre erfolgte häufige Besuch der dem Kläger vorgehaltenen Veranstaltungen, insbesondere wenn es sich um so genannte Märtyrergedenkveranstaltungen und Feiern zum Jahrestag der Gründung der PKK handle, eine relevante Unterstützungstätigkeit dar. Durch das Einsammeln der Spenden und deren Weiterleitung habe der Kläger die PKK sogar in qualifizierter Weise unterstützt.
Auf den vom Kläger gestellten Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28.11.2012 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zugelassen.
Der Kläger bestreitet, dass es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung handelt. Jedenfalls habe er diese nicht unterstützt. Außerdem seien die für ihn als anerkannten Flüchtling geltenden Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, Art. 21 und Art. 24, nicht berücksichtigt worden. Eine Ausweisung setze nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie voraus, dass der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen sei. Solche wären nur zu bejahen, wenn er eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt hätte. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, auch nicht mit Blick auf seine strafrechtliche Verurteilung wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot. Dieser lägen Vorgänge aus den Jahren 2005 und 2006 zugrunde. Ob von ihm - unterstellt die vom beklagten Land behaupteten Aktivitäten träfen zu - eine aktuelle Gefährdung, ausginge, sei weder überprüft noch festgestellt worden. Die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG seien schon deshalb eindeutig nicht erfüllt, weil die danach erforderlichen „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ schwerwiegendere Gründe als die in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie genannten Gründe voraussetzten. Diesbezüglich sei zur Auslegung auf Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - abzustellen.
10 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 04.04.2013 hat der Kläger erklärt, er habe die ihm im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zur Last gelegte Straftat nicht begangen und auch nie eingeräumt. Er sei Kurde und sehe sich als "progressiver Kurde", weshalb er sich verpflichtet fühle, an Newroz-Festen, Demonstrationen und Veranstaltungen von Kurden teilzunehmen. Als Kurde möge er die PKK; er stehe hinter ihr. Er sei aber kein "PKK'ler". Zu letzteren zähle er die Personen, die in den Bergen gegen den Feind kämpfen. Veranstaltungen in Gedenken an die PKK, wie zum Beispiel zum Jahrestag ihrer Gründung, seien für ihn persönlich zwar nicht wichtig. Wenn es aber "für das Volk" wichtig sei, dass er daran teilnehme, könne es sein, dass er das auch mache. Feiern aus Anlass des Geburtstages von Öcalan seien nicht verboten und für ihn persönlich "schon wichtig". An Märtyrergedenkveranstaltungen nehme er teil, wenn es ihm danach sei. Wenn in den Räumen des kurdischen Vereins Versammlungen durchgeführt worden seien, sei er hingegangen. Es habe sich immer um erlaubte Veranstaltungen gehandelt. Als Vorstandsmitglied des kurdischen Vereins in Bielefeld Anfang der 1990-er Jahre habe er lediglich die Aufgabe gehabt, die Einkäufe für den Verein zu erledigen. Nach dem Verbot der PKK habe es deshalb bei ihm zu Hause eine Razzia gegeben und er sei auch angeklagt worden. Später habe er keine Aufgaben mehr übernommen. Nach seinem Umzug nach Mannheim 2002 sei er zwar zunächst noch Mitglied des örtlichen Kulturvereins der Kurden gewesen, nach Verlegung des Vereinssitzes in die benachbarte Stadt Ludwigshafen aber nicht mehr. Wegen der mit der Ausweisungsverfügung gegen ihn verhängten Beschränkung seines Aufenthalts auf die Stadt Mannheim sei er auch nicht mehr dorthin gegangen, früher habe er sich einmal die Woche, manchmal auch täglich, in den Vereinsräumen aufgehalten. Seine Reise in den Irak sei für ihn wie eine "Pilgerreise" gewesen. Dies habe er unter anderem deshalb so empfunden, weil dort sogar Staatsbedienstete wie Polizisten, Richter usw. kurdischer Volkszugehörigkeit seien. Mit einem Neffen sei er überall unterwegs gewesen. Bewaffnete Personen wie die, mit denen er sich auf Fotos habe ablichten lassen, gebe es dort überall.
11 
Das beklagte Land verteidigt den angegriffenen Ausweisungsbescheid. Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 21 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG stünden einer Ausweisung nicht entgegen. Der Kläger sei schließlich rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen verurteilt worden. Den Urteilsgründen des Strafurteils sei zu entnehmen, dass er in den Jahren 2005 und 2006 in Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen sei. Durch das Sammeln von Spenden habe er nicht nur die Strukturen der PKK in Deutschland gestärkt, sondern darüber hinaus auch die kämpfende PKK in der Türkei, die sich unter anderem durch die Spenden ihrer Anhänger finanziere, im Vorfeld qualifiziert unterstützt. Die Ausübung der genannten Tätigkeiten und die gehobene Funktion des Klägers im Raum Mannheim verdeutlichten seine strukturelle Einbindung in die Organisation, durch welche er das Gefährdungspotential der PKK mittrage. Dem stehe nicht entgegen, dass seine Verurteilung schon mehrere Jahre zurückliege. Selbst wenn er seither nicht mehr für das Sammeln von Spenden zuständig sei, belege doch die in den darauffolgenden Jahren weiterhin erfolgte regelmäßige Teilnahme an zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen der PKK das Fehlen der inneren und äußeren Abkehr von der PKK und deren Zielen.
B)
12 
Der Rechtsstreit ist in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO auszusetzen und es ist eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen (Art. 267 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AEUV).
I.
13 
Die für die Erörterung der Vorlagefragen maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
14 
1. Völkerrecht und Unionsrecht
15 
a) Genfer Flüchtlingskonvention
16 
(Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951; GFK)
17 
Artikel 28 - Reiseausweise
18 
1. Die vertragschließenden Staaten werden den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise ausstellen, die ihnen Reisen außerhalb dieses Gebietes gestatten, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen; …
19 
Artikel 32 - Ausweisung
20 
1. Die vertragschließenden Staaten werden einen Flüchtling, der sich rechtmäßig in ihrem Gebiet befindet, nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausweisen.
21 
Artikel 33 - Verbot der Ausweisung und Zurückweisung
22 
1. Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.
23 
2. Auf die Vergünstigung dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.
24 
b) Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ)
25 
Artikel 21
26 
(1) Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen.
27 
c) Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 304 vom 30.09.2004, S. 12; im folgenden RL 2004/83/EG bzw. "Richtlinie“)
28 
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
...
29 
in Erwägung nachstehender Gründe:
30 
...
(6) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie ist es einerseits, ein Mindestmaß an Schutz in allen Mitgliedstaaten für Personen zu gewährleisten, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass allen diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
31 
(7) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Anerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Asylbewerbern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht, einzudämmen.
32 
(22) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, “dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“ und “dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“.
...
33 
(28) Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
34 
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
35 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
36 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
37 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
38 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
39 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
40 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
41 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
42 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
43 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
44 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
45 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
46 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
47 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
48 
d) Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 337 vom 20.12.2011, S. 9, im Folgenden RL 2011/95/EU)
49 
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
50 
in Erwägung nachstehender Gründe:
51 
...
(12) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie besteht darin, einerseits zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien zur Bestimmung der Personen anwenden, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
52 
(13) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Zuerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, zwischen Mitgliedstaaten einzudämmen, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht.
...
53 
(31) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, dass die "Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und dass die "wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen".
...
54 
(37) Der Begriff der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
55 
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
56 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
57 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
58 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
59 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
60 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
61 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
62 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
63 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
64 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
65 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
66 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
67 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
68 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, und ihren Familienangehörigen einen verlängerbaren Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr und im Fall der Verlängerung mindestens zwei Jahre gültig sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
69 
e) Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77, ber. ABl. L 229 vom 29.06.2004, S. 35; im Folgenden RL 2004/38/EG)
70 
Artikel 28 - Schutz vor Ausweisung
71 
...
(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie
72 
a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder
b) minderjährig sind, es sei denn, ...
73 
2. Nationales Recht:
74 
a) Aufenthaltsgesetz (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 30.07.2004, BGBl. I 1950, in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.02.2008, BGBl. I, S. 162, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 15.02.2013, BGBl. I, S. 254; AufenthG)
75 
§ 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot
76 
(1) Ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, darf nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Wirkungen werden auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Die Frist beginnt mit der Ausreise. …
(2) ...
77 
§ 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen
78 
(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.
79 
(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat (§ 3 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes). Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
...
80 
(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann abweichend von § 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist...
81 
§ 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen
82 
(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:
83 
...
5. Ausweisung des Ausländers,
84 
§ 54 Ausweisung im Regelfall
85 
Ein Ausländer wird in der Regel ausgewiesen, wenn
1. ...
...
86 
5. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen,
87 
§ 54a Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit
88 
(1) Ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. …
89 
(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.
90 
§ 55 Ermessensausweisung
91 
(1) Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.
92 
(2) Ein Ausländer kann nach Absatz 1 insbesondere ausgewiesen werden, wenn er ...
93 
(3) Bei der Entscheidung über die Ausweisung sind zu berücksichtigen
94 
1. die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet,
2. die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen oder Lebenspartner des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft leben,
3. die in § 60a Abs. 2 und 2b genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung.
95 
§ 56 Besonderer Ausweisungsschutz
96 
(1) Ein Ausländer, der
97 
1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
1a. eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt,
2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 bis 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4. mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
5. als Asylberechtigter anerkannt ist, im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt oder einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, genießt besonderen Ausweisungsschutz. Er wird nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegen in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor. Liegen die Voraussetzungen des § 53 vor, so wird der Ausländer in der Regel ausgewiesen. Liegen die Voraussetzungen des § 54 vor, so wird über seine Ausweisung nach Ermessen entschieden.
98 
§ 60 Verbot der Abschiebung
99 
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurden.
100 
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes erfüllt.
101 
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden.
102 
§ 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
103 

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn…
...
104 
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
105 
b) Vereinsgesetz
106 
(Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 05.08.1964, BGBl. I 1964, S. 593; VereinsG)
107 
§ 18 Räumlicher Geltungsbereich von Vereinsverboten
108 
Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes keine Organisation, so richtet sich das Verbot (§ 3 Abs. 1) gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich.
109 
§ 20 Zuwiderhandlungen gegen Verbote
110 
(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit
111 
...
4. einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5. ...,
112 
wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ ….… des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist.
II.
113 
Zu den im Beschlusstenor angeführten Fragen - welche noch nicht Gegenstand von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs waren - ist eine Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV einzuholen, weil diese entscheidungserheblich sind und der Klärung bedürfen.
114 
Gemessen an den Bestimmungen des nationalen Rechts kann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen, weil die Ausweisung und die mit ihr verfügte Aufenthaltsbeschränkung sowie die Meldeauflage danach als rechtmäßig zu beurteilen sind (dazu unter 1.). Es kommt daher darauf an, ob Unionsrecht - hier Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 oder Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG - einer Ausweisung des Klägers entgegensteht (2.)
115 
1. Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Akten und Unterlagen sowie der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Sachverhalt und die nationale Rechtslage - ohne Berücksichtigung von Art. 21 oder 24 RL 2004/83/EG - derzeit (maßgeblich wäre letztlich der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Senats über das Berufungsverfahren) wie folgt zu beurteilen wären:
116 
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG sind gegeben (a). Die Ausweisung lässt sich nach nationalem Recht auch insgesamt rechtlich nicht beanstanden, insbesondere liegen keine Ermessensfehler vor (b). Danach wären die räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Klägers und die ihm gegenüber verfügte Meldeauflage ebenfalls rechtmäßig (c).
117 
a) Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG liegt vor.
118 
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris, Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, jew. m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16.02.2012 - AK 1/12 und 2/12 - juris) sind die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris) und ändert nichts an deren bislang grundsätzlich weiter bestehenden Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei. Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP - ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2012/765/GASP des Rates vom 10.12.2012, ABl. EU L 337 vom 11.12.2012, S. 50). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09, B. und D. - Slg. 2010, I-10979, = juris).
119 
Zwar hat Abdullah Öcalan im März dieses Jahres eine Waffenruhe verkündet, die das Ergebnis von Verhandlungen mit dem türkischen Geheimdienst sein soll. Diese ist dann von der PKK tatsächlich ausgerufen worden. Inzwischen hat nach Medienberichten der Abzug von PKK-Kämpfern aus der Türkei bereits begonnen; er soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. Allein deshalb kann aber noch nicht angenommen werden, die PKK wäre nicht mehr als terroristische Organisation anzusehen. Schließlich gab es auch in der Vergangenheit entsprechende Erklärungen, die zu keiner wesentlichen Änderung auf Dauer geführt haben. So wurde ein 1999 ausgerufener „Friedenskurs“ 2004 wieder beendet. Selbst in der Zwischenzeit hatte die PKK nicht auf Gewalt verzichtet.
120 
Der Senat ist auch der Überzeugung, dass der Kläger die PKK unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die von ihm ausgeübten Aktivitäten zur Unterstützung haben dabei sicherlich unterschiedliches Gewicht und unterschiedliche Qualität. Von besonderer Bedeutung ist das "Sammeln" bzw. "Eintreiben" und das Weiterleiten von Spenden für die PKK aus vier Bezirken des Raums Mannheim in den Jahren 2005 und 2006. Der Senat folgt insoweit den Feststellungen des Landgerichts Karlsruhe im Strafurteil vom 03.12.2008. Danach war der Kläger zwar nicht in einer Führungsposition, etwa als Gebiets- oder Raumverantwortlicher, für die PKK aktiv, er hatte aber jedenfalls eine besondere Stellung inne, welche einen aktiven Einsatz auch nach außen hin erforderte. Schließlich mussten die Spenden regelmäßig einkassiert und gegebenenfalls eingefordert werden. Die Spendenkampagnen sind für die PKK von großer Bedeutung, was dem Kläger bekannt war. Hinzu kommt der Verkauf der PKK-Zeitschrift Serxwebun. Länger zurück liegen die Aktivitäten des Klägers in Bielefeld als Vorstandsmitglied eines später verbotenen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre. Diese sowie die regelmäßige Teilnahme an diversen PKK-nahen Veranstaltungen, auf welche sich der Kläger auch in seinen Asylverfahren berufen hat, zeigen aber, dass er seit seiner Einreise nach Deutschland durchgehend für die PKK aktiv war. Auch der bloße Besuch der angeführten Feiern bzw. Versammlungen mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan sowie so genannte "Märtyrergedenkfeiern" und "Volksversammlungen" (vgl. zu letzteren genauer Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - a.a.O.) fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger. Diese Veranstaltungen haben schon von ihrem Anlass bzw. ihrer Thematik her für die Besucher erkennbar den Charakter einer Propagandaveranstaltung für die PKK und werden auch entsprechend inszeniert. Die durch eine Teilnahme an solchen besonderen Veranstaltungen ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung und Ansehen in der Gesellschaft, namentlich unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, damit ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Sie kann daher - auch in Ansehung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit - als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung anzusehen sein (vgl. dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - sowie Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, jew. a.a.O. und m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.01.2013 - 11 S 1581/12 - juris). Davon ist hier in Anbetracht der Vielzahl von einschlägigen Veranstaltungen, die der Kläger im Laufe von mittlerweile über zwei Jahrzehnten besucht hat, auszugehen. Er hat in der mündlichen Verhandlung zudem deutlich gemacht, dass es ihm tatsächlich darum geht, die PKK zu unterstützen, und dass er sich verpflichtet fühlt, an entsprechenden Veranstaltungen teilzunehmen. Soweit er vorgetragen hat, er sei kein "PKK'ler", das seien doch nur die Kämpfer in den Bergen, und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach nicht darauf an, ob die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre oder ob die Veranstaltung, um deren Besuch es geht, verboten wurde (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O., m.w.N.). Abgesehen davon hat sich der Kläger unter anderem wegen des Einsammelns und Weiterleitens von Spenden für die PKK sogar strafbar gemacht.
121 
Vor dem Hintergrund der langjährigen Aktivitäten des Klägers kann auch nicht allein aus der Tatsache, dass er inzwischen weniger - und seit Ergehen der Ausweisungsverfügung am 27.03.2012 kaum mehr - an entsprechenden Veranstaltungen teilnimmt, geschlossen werden, dass er nicht mehr als Unterstützer der PKK anzusehen wäre. Es ist im Gegenteil bezeichnend, dass er selbst nach der Durchsuchung seiner Wohnung wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz am 10.01.2007 und während des daran anschließenden Strafverfahrens und selbst noch nach Hinweis durch das Regierungspräsidium in einem Schreiben vom 09.10.2009, dass seine Ausweisung geprüft werde, weiter PKK-nahe Veranstaltungen besucht hat. Seit Erlass des Ausweisungsbescheids vom 27.03.2012 ist zudem sein Aufenthalt aufgrund der darin unter Ziffer 2 verfügten sofort vollziehbaren Anordnung auf den Stadtbezirk Mannheims beschränkt. Dies ist seinen Angaben nach auch der Grund dafür, dass er nicht einmal mehr den kurdischen Verein in Ludwigshafen besucht. In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass der Kläger sich lediglich mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und seine Aktivitäten andernfalls zumindest mit dem Besuch von Veranstaltungen der geschilderten Art fortsetzen bzw. wieder aufgreifen würde. Es ist daher davon auszugehen, dass er auch künftig die PKK nachhaltig unterstützen wird.
122 
b) Die Ausweisung ist - bei einer Beurteilung rein nach nationalem Recht - auch im Übrigen rechtmäßig.
123 
Unter anderem wegen seiner Rechtsstellung als anerkannter Asylbewerber und als Flüchtling sowie der bestehenden familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern deutscher Staatsangehörigkeit (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 und 5 AufenthG) genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier in Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, nicht gegeben. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§§ 56 Abs. 1 Satz 5, 55 AufenthG). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung insbesondere als verhältnismäßig anzusehen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Kläger Deutschland nicht - als Folge der Ausweisung - verlassen müsste, sondern jedenfalls weiter geduldet würde.
124 
c) Damit liegen auch die Voraussetzungen für Maßnahmen zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit nach § 54a Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG vor. Die Verpflichtung des Klägers unter Ziffer 2 des Bescheids vom 27.03.2012, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, beruht auf § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG; die Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim folgt aus § 54a Abs. 2 AufenthG.
125 
2. Es ist aber weiter zu prüfen, ob - und gegebenenfalls in welcher Weise - die nach nationalem Recht bei der Ausweisung eines Flüchtlings geltenden Voraussetzungen durch vorrangiges Unionsrecht modifiziert werden. Das würde hier bedeuten, dass der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG mit Blick auf Unionsrecht gegebenenfalls abweichend - unionsrechtskonform - auszulegen ist.
126 
Vorab ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass die Ausweisung des Klägers nicht an Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation zu messen ist. Da der Kläger nie einer Arbeit nachgegangen ist, hat er auch keine Rechtsstellung nach Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses erworben.
127 
Als unionsrechtlicher Prüfungsmaßstab für die Ausweisung des Klägers als anerkannter Flüchtling kommen die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bzw. die entsprechenden Nachfolgevorschriften der Richtlinie 2011/95/EU in Betracht. Der Senat ist der Überzeugung, dass die Voraussetzungen des - auf die Ausweisung anzuwendenden - Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind (dazu unter a). Deshalb stellen sich die Vorlagefragen (b).
128 
a) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG ist auch bei der Ausweisung eines Flüchtlings nach deutschem Recht anwendbar (aa). Dessen Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor (bb).
129 
aa) Gemäß Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG achten die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Nach Absatz 2 der Regelung kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Gemäß Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
130 
Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gilt auch für Fälle, in denen der einem Flüchtling erteilte Aufenthaltstitel vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 RL 2004/83/EG) oder sogar vor deren Inkrafttreten am 20.10.2004 erteilt worden ist. Art. 21 RL 2004/83/EG enthält - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 RL 2004/83/EG bezüglich Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie gestellt werden - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass dessen Anwendbarkeit bei bereits erteilten Aufenthaltstiteln ausgeschlossen wäre. Auf die Frage, ob bereits auf die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, welche am 09.01.2012 in Kraft getreten ist (vgl. dazu deren Art. 41 Abs. 1), abzustellen ist, kommt es nicht an, weil Art. 21 unverändert geblieben ist (soweit im Folgenden auf Art. 21 RL 2004/83/EG abgestellt wird, gelten die entsprechenden Ausführungen daher ebenso bezüglich Art. 21 RL 2011/95/EU).
131 
Eine Ausweisung nach deutschem Recht führt nicht zwingend zu einer Abschiebung des Betreffenden und damit auch nicht zu einer "Zurückweisung" im Sinne des Art. 21 Abs. 1 und 2 RL 2004/83/EG, sie kann daher nicht unmittelbar gegen den in Absatz 1 angeführten Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass er unter anderem wegen der familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern, von denen einige die deutsche Staatsangehörigkeit haben, (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK) und wegen seines Status als anerkannter Asylbewerber und Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) nicht abgeschoben werden darf und soll.
132 
Auf eine Ausweisung finden jedoch die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG über die Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln bei Flüchtlingen Anwendung. Dies folgt daraus, dass nach nationalem Recht (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) eine Ausweisung ohne Weiteres das Erlöschen des dem Betreffenden erteilten Aufenthaltstitels, hier der Niederlassungserlaubnis des Klägers, zur Folge hat. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG wird diesem auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein (neuer) Aufenthaltstitel erteilt (vgl. auch § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Sie hat außerdem Folgen für den Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten, die nach deutschem Recht in der Regel an das Bestehen eines Titels (vgl. §§ 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 AufenthG, 4 Abs. 2 und 3 AufenthG) und nicht wie nach Art. 26 ff. RL 2004/83/EG an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft anknüpfen. Das beklagte Land geht im Übrigen davon aus, dass dem Kläger - sollte die Ausweisung rechtskräftig werden - jedenfalls vorerst kein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, sondern dass er lediglich einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, also auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung hat. Diese lässt die Ausreisepflicht unberührt (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Aus alledem folgt nach Auffassung des Senats, dass die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht der Beendigung eines Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gleichzustellen ist.
133 
bb) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG lässt jedoch im vorliegenden Fall nicht die Beendigung des Aufenthaltstitels - und damit in letzter Konsequenz auch nicht eine Ausweisung - zu. Erforderlich wäre danach, dass "Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet". Dieser Verweis auf den zweiten Absatz bedeutet, dass die Aufhebung bzw. die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels voraussetzt, dass eine Zurückweisung des betreffenden Flüchtlings nicht nach völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt wäre (siehe dazu den Vorbehalt des Einleitungssatzes "sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist") und dass die in den Buchstaben a oder b des Art. 21 Abs. 2 RL der Richtlinie genannten Gefahren gegeben sind (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris). Hier fehlt es schon am Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder b RL 2004/83/EG.
134 
Diese entsprechen im Wesentlichen den in Art. 33 Abs. 2 GFK enthaltenen Voraussetzungen für eine Durchbrechung des völkerrechtlichen Refoulement-Verbots (vgl. dazu Battjes in: Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, Ch. IV.3. Council Directive 2004/83/EC, Art. 21 Rn. 11). Art. 33 Abs. 1 GFK untersagt die Ausweisung oder Zurückweisung eines Flüchtlings über die Grenzen von Gebieten, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach Absatz 2 kann sich auf die Vergünstigung jedoch ein Flüchtling nicht berufen, "der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde". Die Parallelen zwischen den Ausnahmetatbeständen beider Vorschriften zeigen, dass nicht nur eine Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG, sondern auch die Versagung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels nur unter den Voraussetzungen zulässig ist, welche auch die Zurückschiebung eines Flüchtlings in das "Verfolgerland" ermöglichen würden, also nur bei "schwerwiegenden Gründen". Im Übrigen finden sich die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG auch in Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten einem Flüchtling die ihm zuerkannte Rechtsstellung (als Flüchtling) wieder aberkennen, beenden oder ihre Verlängerung ablehnen (Abs. 4), gegebenenfalls die Rechtsstellung von vornherein nicht zuerkennen (Abs. 5), wenn eine der angeführten Gefahren gegeben ist. Auch dies verdeutlicht, dass es sich um besonders gravierende Gefahren handeln muss. Zurückweisung und Ausschluss vom bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus können nur "ultima ratio" sein (vgl. zu Art. 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl 2012, § 37 Rn. 54; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 17.12 - juris). Bei der Gefahr für die Allgemeinheit gelten nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und in Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2004/83/EG mit dem Erfordernis der Verurteilung des Betreffenden wegen "eines besonders schweren Verbrechens" - jedenfalls dem Wortlaut nach - sogar höhere Anforderungen als gemäß Art. 33 Abs. 2, 2. Alternative GFK, wonach eine Verurteilung wegen "eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens" genügt.
135 
Offen bleiben kann hier, ob der Umstand, dass in der deutschen Fassung des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und des Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG nicht "schwerwiegende Gründe" wie in Art. 33 Abs. 2 GFK, sondern lediglich "stichhaltige Gründe" gefordert werden, bedeutet, dass ein geringeres Maß an Überzeugungsgewissheit erforderlich ist (vgl. dazu die englischen Fassungen dieser Bestimmungen: Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”). Mit Blick auf Art. 33 GFK, welcher zwingende Vorgaben für das Refoulement-Verbot und seine Ausnahmen enthält und in Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG aufgegriffen wird, dürften allerdings nicht nur an das Ausmaß der Gefahr, sondern auch an deren Nachweis insgesamt dieselben Anforderungen zu stellen sein wie im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GFK (a.A. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Letztlich kommt es aber hier auf diese Frage nicht an.
136 
Denn selbst wenn man insofern von einer Absenkung des erforderlichen Beweismaßes ausginge, sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht erfüllt. Der vom Kläger begangene Verstoß gegen das Vereinsgesetz, der zu seiner Verurteilung mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen geführt hat, ist ersichtlich nicht als "besonders schwere Straftat" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG anzusehen. Es bestehen aber auch keine "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie bzw. dass er aus "schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes" anzusehen ist im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GFK.
137 
Bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GFK, Art. 14 Abs. 4 und Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten - in bestimmten Grenzen - den Begriff der "Sicherheit" nach dem jeweiligen eigenen Recht selbst definieren, weil auf die Sicherheit des eigenen Staates abzustellen ist und diese im Völkerrecht nicht abschließend festgelegt werden kann (vgl. dazu und zum folgenden: Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich jedenfalls um eine sehr große Gefahr handeln (Marx, a.a.O., § 35 Rn. 182, § 37 Rn. 51, § 54 Rn. 4, m.w.N.). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87). Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 60 Abs. 8 AufenthG von der Möglichkeit der Verweigerung bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus Gebrauch gemacht (vgl. auch § 3 Abs. 4 AsylVfG). Die diesbezügliche Rechtsprechung kann daher zur Auslegung der Voraussetzungen herangezogen werden.
138 
Danach kann die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des Ausweisungstatbestands des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht ausreichen; vielmehr muss sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Stichhaltige bzw. schwerwiegende Gründe liegen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetzt. Vielmehr müssen bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigen, das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK zurücktreten zu lassen. Das ist typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine terroristische Vereinigung bzw. eine Vereinigung, welche den Terrorismus unterstützt, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt. Das kann sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintritt oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mitträgt. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend ist, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lässt sich nicht ab- strakt beantworten, sondern hängt von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt wird (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 30.03.1999 - 9 C 31.98 - juris, zu § 51 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990; Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.).
139 
Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine Aufhebung des Aufenthaltstitels des Klägers und damit seine Ausweisung nicht unter Verweis auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG rechtfertigen. Es bedarf schon genauerer Prüfung, ob tatsächlich noch von einer Gefahr für die (innere und äußere) Sicherheit des deutschen Staates durch Unterstützung der PKK auszugehen sein kann, obwohl diese in den letzten Jahren terroristische Mittel fast überwiegend nur in der Türkei angewandt hat. Abgesehen davon hat der Kläger aber jedenfalls weder selbst Gewalt ausgeübt noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Wie dargelegt, hat er zwar die PKK Anfang der 1990-er Jahre durch die Übernahme einer Vorstandstätigkeit in einem PKK-nahen Verein in Bielefeld, in den Jahren 2005 sowie 2006 durch das Einsammeln von Spenden und das Verkaufen von Zeitschriften sowie ständig durch den Besuch von PKK-nahen Veranstaltungen unterstützt. Der Senat geht aber davon aus, dass der Kläger 2005 und 2006 lediglich vorübergehend wieder eine wichtigere Funktion übernommen hat und nicht weitreichend und vor allem nicht über einen längeren Zeitraum in die Hierarchieebenen der PKK eingebunden war. Schließlich war er nach den Feststellungen im Strafurteil vom 03.12.2008 selbst in der Zeit des Einsammelns von Spenden lediglich unterhalb des Raumverantwortlichen aktiv. Er kann daher nicht - jedenfalls nicht mehr - als ein "Funktionär" der PKK angesehen werden. Bezeichnend ist auch, dass es trotz der dem Senat aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannten engen Überwachung der örtlichen kurdischen Vereine und ihres Umfelds durch das Landesamt für Verfassungsschutz - abgesehen von der Teilnahme an Veranstaltungen - keinerlei Hinweise auf weitere Aktivitäten des Klägers für die PKK bzw. ihr Umfeld gibt. Vor allem in Anbetracht der verstrichenen Zeit seit seiner Betätigung als Spendensammler 2005 und 2006 kann daher derzeit nicht (mehr) von einer gegenwärtigen Gefährdung der Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ausgegangen werden.
140 
b) Damit bedürfen die Vorlagefragen der Klärung durch den Europäischen Gerichtshof. Da die Voraussetzungen für die in Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG eingeräumte Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung der einem Flüchtling erteilten Aufenthaltserlaubnis hier nicht vorliegen, sind zunächst der Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie (aa, Vorlagefragen 1) und gegebenenfalls dessen Voraussetzungen (bb, Vorlagefragen 2) zu klären. Sollte die Regelung keine Anwendung finden auf die Aufhebung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels, stellt sich die Frage, ob eine solche unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist (cc, Vorlagefrage 3).
141 
aa) Vorlagefragen 1
142 
Mit diesen beiden Fragen soll geklärt werden, ob die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels auch bei der Beendigung von Aufenthaltstiteln - und damit für die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht - Anwendung findet, und ob diese gegebenenfalls dahingehend auszulegen ist, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels einer betreffenden Person entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegeben sind.
143 
Zunächst ist festzustellen, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch auf Fälle Anwendung findet, in denen die Flüchtlingsanerkennung vor Geltung dieser Vorschrift erfolgt ist (vgl. dazu oben 2 a) aa)). Derzeit ist noch nicht auf die Neufassung des Art. 24 - in der Fassung der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - abzustellen. Denn diese gilt gemäß Art. 41 Abs. 2 RL 2011/95/EU erst ab dem 22.12.2013. Letztlich kommt es darauf hier aber nicht entscheidend an. Die Vorlagefragen stellen sich ebenso unter Geltung der Richtlinie 2011/95/EU. Denn die beiden Fassungen des ersten Unterabsatzes unterscheiden sich lediglich dadurch, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG an die Zuerkennung des "Schutzstatus" und die geänderte Fassung der Richtlinie 2011/95/EU an die Zuerkennung des "internationalen Schutzes" anknüpft und dass in der älteren Fassung auf die Personen abgestellt wird, denen die "Flüchtlingseigenschaft" zuerkannt worden ist, während in der neuen der Begriff "Flüchtlingseigenschaft" durch "Flüchtlingsstatus" ersetzt wurde. Die materiellen Anforderungen haben sich damit nicht geändert. Abgesehen davon sind in der deutschen Fassung offensichtlich nur Übersetzungsungenauigkeiten beseitigt worden: Der letzte Halbsatz des Absatz 1 Unterabsatz 1 (ebenso in Absatz 3) in der Veröffentlichung in deutscher Sprache (ABl. L 304 vom 30.09.2004, S. 12, in der Fassung der Berichtigung, ABl. L 204 vom 05.08.2005, S. 24) lautete "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen" statt - wie in der neuen Fassung - "es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen" (so aber schon in der englischen Fassung 2004: "unless reasons of compelling national security or public order otherwise reqire", ebenso z.B. in der spanischen, der französischen, der italienischen und der niederländischen Fassung).
144 
Art. 24 RL 2004/83/EG enthält keine ausdrückliche Bestimmung über die Beendigung oder Aufhebung von Aufenthaltstiteln. Dessen Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus (RL 2004/83/EG) - bzw. des internationalen Schutzes (RL 2011/95/EU) - und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel auszustellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (RL 2004/83/EG) - bzw. der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung (RL 2011/95/EU) - dem entgegenstehen. Unterabsatz 2 enthält Regelungen für Familienangehörige, Absatz 2 eine Absatz 1 Unterabsatz 1 entsprechende Verpflichtung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, mit dem Unterschied, dass nicht auf - den nicht für diesen Personenkreis geltenden - Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG verwiesen wird und dass der Aufenthaltstitel eine Geltungsdauer von lediglich einem Jahr enthalten muss. Die Vorschrift bezweckt neben der "Gewährleistung eines Mindestmaßes an Schutz" für "Personen, die tatsächlich Schutz benötigen", die Sicherstellung, dass diesen "ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird" (Erwägungsgrund 6 der RL 2004/83/EG, 12 der RL 2011/95/EU). Dazu gehört die Sicherung des Aufenthaltsstatus von Personen mit internationalem Schutz. Außerdem zielt die Richtlinie auf eine weitgehende Angleichung der Stellung von Flüchtlingen und von Personen mit subsidiärem Schutzstatus (vgl. Erwägungsgrund 7 der RL 2004/83/EG, 13 der RL 2011/95/EU).
145 
Der Senat ist der Auffassung, dass aus der in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG normierten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, anerkannten Flüchtlingen einen mindestens drei Jahre gültigen Aufenthaltstitel zu erteilen, auch das Verbot abzuleiten ist, diesen Aufenthaltstitel bzw. einen bereits bestehenden wieder aufzuheben, ohne dass einer der normierten Gründe gegeben ist, bei deren Vorliegen bereits die Erteilung abgelehnt werden kann. Neben den in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie angeführten zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gehört dazu der Tatbestand des Art. 21 Abs. 3, auf welchen mit dem Vorbehalt des Art. 24 Abs. 1 Unterabsatz 1 „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ explizit verwiesen wird.
146 
Für eine entsprechende Anwendung spricht mit Blick auf das Ziel der Sicherstellung eines "Mindestniveaus von Leistungen" für anerkannte Flüchtlinge schon die grundsätzliche Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Vor allem ist zu bedenken, dass es - neben Art. 21 Abs. 3 RL der Richtlinie - bei bereits erteiltem Titel die Möglichkeit der Aufhebung bzw. Beendigung des Aufenthaltstitels bei Vorliegen der Ausschlusstatbestände der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" geben muss. Schließlich kann es vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Ziel der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn es im letzteren Fall keine Möglichkeit der Aufhebung eines bereits erteilten Titels gäbe. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die maßgeblichen Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden.
147 
Etwas anderes würde zwar gelten, wenn "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" immer voraussetzen würden, dass auch die Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG gegeben sind, also nur einen Unterfall der "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Betreffende eine Gefahr für die Sicherheit oder die Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt," bildeten. Denn dann bestünde kein Bedürfnis für eine entsprechende Auslegung, weil der Aufenthaltstitel gegebenenfalls aufgrund der Ermächtigung in Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie aufgehoben werden könnte. Die Beantwortung der Fragen unter 1 kann daher auch davon abhängen, wie die Fragen unter 2 zur Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie beantwortet werden. Abgesehen davon, dass der Senat der Auffassung ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG hier keine höhere Gefahrenschwelle voraussetzt als der der "stichhaltigen bzw. schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK (vgl. dazu unten zu Vorlagefragen 2), zeigt schon die Verwendung des Begriffs "öffentliche Ordnung", dass die Ausschlussgründe des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG weiter reichen als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie (vgl. dazu genauer unten im Folgenden).
148 
bb) Vorlagefragen 2
149 
Sollte der Europäische Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen, dass die unter 1 angeführten Vorlagefragen zu bejahen sind, stellen sich die unter 2 aufgelisteten zur Auslegung des in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung".
150 
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG ohnehin in den Fällen des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie nicht greifen kann, weil danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie abgelehnt werden kann. Dies wird mit der Einschränkung in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG "unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3" klargestellt. Die Nennung einer weiteren Ausnahme - der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" - dürfte aber wenig Sinn machen, wenn deren Voraussetzungen enger wären als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie. Dafür, dass die Ablehnung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 eher möglich sein soll als nach Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie, sprechen auch Inhalt und Zielsetzung der jeweiligen Regelungen. Bei Art. 21 RL 2004/83/EG geht es primär um den Schutz eines bereits anerkannten Flüchtlings vor Zurückweisung, also einer möglichen Überstellung in das Land, aus dem er wegen Verfolgung geflüchtet ist. Eine solche soll nur - ausnahmsweise - unter den in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie angeführten, Art. 33 Abs. 2 GFK nachgebildeten, Voraussetzungen möglich sein. Dass dann - nach Absatz 3 der Vorschrift - auch der Aufenthaltstitel aufgehoben bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt werden kann, ist lediglich eine folgerichtige Konsequenz der Ausnahmen vom Refoulement-Verbot. Hingegen zielt Art. 24 RL 2004/83/EG auf die Gewährleistung eines Aufenthaltstitels von drei (Abs. 1) bzw. einem Jahr (Abs. 2) für Personen mit zuerkanntem internationalem Schutz. Mit dieser Regelung wurde das erste Mal ein Anspruch anerkannter Flüchtlinge auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels festgelegt. Die Ausnahmen von der Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" erinnern an die des Art. 32 Abs. 1 GFK (vgl. auch Battjes, a.a.O., Art. 24 Rn. 6), nach welchem aus "Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Ausweisung eines Flüchtlings, der sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Staates aufhält, zulässig sein kann. "Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" können im Übrigen auch der Verpflichtung zur Erteilung eines Reiseausweises an Flüchtlinge nach Art. 28 Abs. 1 GFK entgegenstehen. Die mit dem Aufenthaltsstatus - oder auch mit der Frage der Erteilung eines Reiseausweises - verbundenen Fragen sind aber bei weitem nicht von einer derart existentiellen Bedeutung für den Flüchtling wie die, ob er sogar zurückgewiesen werden kann. In der Regel wird bei einem anerkannten Flüchtling allein eine bei Versagung eines Aufenthaltstitels folgende Illegalität des Aufenthalts nicht zu einer Abschiebung führen. Eine solche kommt allenfalls in wenigen Ausnahmefällen und nur in einen aufnahmebereiten Drittstaat in Betracht, welcher seinerseits aber das Refoulement-Verbot zu beachten hat. Dies zeigt auch der vorliegende Fall. Wie ausgeführt, soll und kann auch der Kläger nicht abgeschoben werden. Selbst wenn sein Aufenthaltstitel erlöschen und er derzeit keinen Anspruch auf Erteilung eines anderen Titels haben sollte, müsste er Deutschland nicht verlassen. Er hat nach nationalem Recht einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 AufenthG).
151 
Dafür, dass die Möglichkeiten der Versagung eines Aufenthaltstitel durch die Aufnahme des zusätzlichen Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie bestehenden Ausnahmetatbestände hinaus erweitert werden sollten, sprechen auch die Entstehungsgeschichte des Art. 24 der Richtlinie und deren Erwägungsgrund 28 (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). In der ersten Fassung des - noch vor den Terroranschlägen des 11.09.2001 erarbeiteten - Kommissionsentwurfs vom 12.09.2001 (KOM [2001] 510 endg; Ratsdok. 2001/027 (CNS); siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001) war lediglich die Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels, also ohne explizit geregelte Ausschlussgründe, vorgesehen. Der Vorbehalt "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen" wurde erst später, und zwar zunächst bei der Regelung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, in Absatz 2 (vgl. Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 -, damals Art. 21), dann auch für Absatz 1 Unterabsatz 1 (Ratsdokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -, dort Art. 22), vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang wurde in einer Fußnote zu der entsprechenden Formulierung in Absatz 2 angeführt: Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: "Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt". Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Ratsdokument vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -). Ab 2002 findet sich zudem der Vorbehalt hinsichtlich Art. 21 Abs. 3 (damals 19 Abs. 3; vgl. nur Art. 21 in der Fassung des Ratsdokuments vom 19.12.2002 - 15627/02 -; vgl. auch Dokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -). Die Absätze 2 und 3 des Art. 21 (damals Art. 19) waren bereits kurz zuvor vorgeschlagen worden (vgl. Ratsdokument vom 08.11.2002 - 13468/02 -).
152 
Die geschilderten Ergänzungen und Abänderungen der Richtlinie dürften vor dem Hintergrund der Terroranschläge des 11.09.2001 und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen sein. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 Buchst. a und c die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die Berücksichtigung der Folgen der Anschläge vom 11.09.2001 für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Richtlinie 2004/83/EG wurde zum Beispiel in einer Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002 ausdrücklich gefordert (ABl. EU C 278 vom 14.11.2002, S. 44). Mit diesem Ziel dürften auch weitere Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Richtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf erfolgt sein, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 RL 2004/83/EG und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 (entspricht Erwägungsgrund 31 der RL 2011/95/EU) auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
153 
Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass im Falle von Handlungen zur Unterstützung terroristischer Vereinigungen der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bereits bei Aktivitäten eines niedrigeren Profils mit einem geringeren Gefährdungspotential erfüllt sein kann als dies für die Annahme des Tatbestands der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" in Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie vorausgesetzt wird.
154 
Dabei wäre zunächst zu klären, ob in Anbetracht der Entstehungsgeschichte und mit Blick auf den Zweck der Regelungen nicht sogar anzunehmen ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe" für sich genommen - also ohne diesen in Beziehung zu setzen zu dem Schutzgut, um das es geht - trotz des dagegen sprechenden Wortlauts eine niedrigere Gefahrenschwelle erfordert als der der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG (vgl. dazu Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.; a.A. BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris, unter Verweis auf das Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Die Tatsache, dass die Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, und die Richtlinie 2004/83/EG am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar auf den ersten Blick nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen und entsprechend hohe Anforderungen zu stellen (vgl. zu Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG: EuGH, Urteile vom 23.11.2010 - C-145/09, Tsakouridis - Slg. 2010, I-11979, = juris, und vom 22.05.2012 - C-348/09 I. - juris). Dagegen sprechen aber schon die Unterschiede hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen, der jeweils verfolgten Ziele und der betroffenen Personen. Zudem stellt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG lediglich auf die öffentliche Sicherheit ab, während Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG als Schutzgut neben der öffentlichen Sicherheit auch die Ordnung anführt (vgl. dazu auch Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris). Vor allem geht es um unterschiedlich gravierende Eingriffe. Erlaubt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden," eine Ausweisung, führt das Vorliegen "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 RL 2004/83/EG lediglich zu der für die Betroffenen wesentlich weniger einschneidenden Rechtsfolge der Verweigerung oder des Entzugs des Aufenthaltstitels. Nach Auffassung des Senats ist der Begriff der zwingenden Gründe daher eigenständig und nicht durch Übernahme von Grundsätzen der Unionsbürgerrichtlinie zu entwickeln.
155 
Ungeachtet des Vorgesagten spricht vieles dafür, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" bzw. der "nationalen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG umfassender bzw. weiter zu verstehen ist als der der "Sicherheit des Mitgliedstaats" oder "der Sicherheit des Landes, in dem sich der Betreffende befindet" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK, mit anderen Worten, dass die bedrohten öffentlichen Interessen, die im Falle des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegen die Erteilung oder Aufrechterhaltung des Aufenthaltstitels streiten, von geringerem Gewicht sein können als dies Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie erfordert.
156 
Jedenfalls werden aber die Voraussetzungen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" deshalb eher zu bejahen sein, weil das geschützte Rechtsgut "öffentliche Sicherheit oder Ordnung" allein mit Blick auf die "öffentliche Ordnung" einen weiteren Anwendungsbereich hat als die Sicherheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder auch die Allgemeinheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG (welcher wiederum voraussetzt, dass der Betreffende wegen eine besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde). Dies folgt insbesondere auch aus dem Erwägungsgrund 28, welcher, wie ausgeführt, im Zusammenhang mit der Einfügung des auch in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/83/EG enthaltenen - für Flüchtlinge, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, geltenden - Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" gefasst wurde (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). Wenn danach "der Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auch für die Fälle gilt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt", soll es in diesen Fällen der Unterstützung des internationalen Terrorismus jedenfalls für die Frage der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr darauf ankommen, ob die Sicherheit des Mitgliedstaats in dem Sinne gefährdet ist, dass der Betreffende auch zurückgewiesen bzw. von vornherein von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen werden könnte (Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG, Art. 33 Abs. 2 GFK). Einer genauen Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals der öffentlichen bzw. nationalen Sicherheit von dem der öffentlichen Ordnung bedarf es daher mit Blick auf den Erwägungsgrund 28 der Richtlinie hier nicht. Eine entsprechend weitere Auslegung liegt im Übrigen nicht nur im (Sicherheits-)Interesse des Staates, in welchem sich der Betreffende aufhält, sondern auch in dem der anderen Mitgliedstaaten. Schließlich können sich gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen.
157 
Der Senat verkennt allerdings nicht, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch dahingehend verstanden werden könnte, dass bei Vorliegen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausnahmslos untersagt wird, während Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis ins Ermessen stellt. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Voraussetzungen für die Erfüllung des Ausschlussgrundes der "stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr für den Mitgliedstaat" eher anzunehmen sind als die der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG, könnte dann in der Einführung des Ausschlussgrundes des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG insofern eine Verschärfung zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus gesehen werden, als danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwingend ausgeschlossen wäre (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Zum einen erscheint es aber zweifelhaft, ob die Normierung einer Ausnahme ("es sei denn") von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Folge haben kann - und auch hier hat -, dass den Mitgliedstaaten damit die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen des Ausschlussgrundes gänzlich - und ohne jeden Ermessensspielraum - untersagt wird. Es spricht mehr dafür, dass darin die bloße Einschränkung der Verpflichtung des Mitgliedstaats bzw. des daraus folgenden Anspruchs eines betroffenen Flüchtlings zu sehen ist. Zum anderen erscheint eine solche Auslegung vor allem vor dem Hintergrund fernliegend, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" aus den angeführten Gründen weiter zu verstehen ist als die in den Ausschlussgründen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie genannten Schutzgüter.
158 
Von der Beantwortung der angeführten Fragen hängt ab, ob die Ausweisung des Klägers - und damit auch die gegen ihn aus Sicherheitsgründen verhängte Meldepflicht und die räumliche Beschränkung - wegen entgegenstehenden Unionsrechts als rechtswidrig anzusehen und daher aufzuheben ist. Teilt man das dargelegte weitere Verständnis des Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 2004/83/EG, wäre die Vorlagefrage 2a) zu bejahen. Denn dann könnte dieser Ausschlussgrund erfüllt sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots des Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht vorliegen. „Zwingend“ dürften die Gründe dabei immer dann sein, wenn die für die bloße Verweigerung der Legalität des Aufenthalts maßgeblichen Gründe bezogen auf die Folgen für den Betroffenen verhältnismäßig im engeren Sinn und für die Erreichung dieses Zwecks aus der Sicht der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unerlässlich sind, das heißt mit anderen Worten, wenn auf die Herbeiführung der Rechtsfolge - hier die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels - unter keinen Umständen verzichtet werden kann.
159 
Für den vorliegenden Fall würde dies nach Auffassung des Senats bedeuten, dass wegen des Vorliegens "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" kein Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG besteht, mit der Folge, dass diese Regelung einer Ausweisung nicht entgegensteht. Abgesehen davon, dass beim Kläger nicht ausgeschlossen erscheint, dass er die PKK weiter durch hervorgehobenere Unterstützungshandlungen wie das Einsammeln von Spenden, das Verteilen von Zeitschriften oder die Übernahme anderer Aufgaben unterstützt, ist jedenfalls damit zu rechnen, dass er auch in Zukunft regelmäßig Veranstaltungen besucht, welche in einer besonderen Nähe zur PKK stehen. Zwar hat die letztgenannte Form der Unterstützung für sich genommen keinen besonders hohen Gefährdungsgrad. Mit einer Beteiligung an entsprechenden Veranstaltungen wird aber eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Wie ausgeführt, werden dadurch deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflusst und ihre Aktionsmöglichkeiten sowie ihr Rekrutierungsfeld erweitert. Insgesamt wird damit dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Die vom Kläger über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichem Ausmaß - von der Übernahme der Funktion des Vorstands eines später als Teilorganisation der PKK verbotenen örtlichen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre über das Einsammeln von Spenden 2005 und 2006 bis zur ständigen (bloßen) Teilnahme an unzähligen PKK-nahen Veranstaltungen - vorgenommene Unterstützung der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beseitigung der Legalität des Aufenthalts Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist. Mit einer Aufenthaltserlaubnis könnte sich der Betreffende hingegen im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 SDÜ frei im Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten bewegen und sich auch in anderen Mitgliedstaaten bis zu drei Monate (innerhalb von sechs Monaten) aufhalten. Nach nationalem Recht ist die Ausweisung, die zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führt, zudem Voraussetzung für weitere unter Sicherheitsaspekten wichtige Maßnahmen, wie die des § 54a AufenthG "zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der Sicherheit", insbesondere die Verpflichtung, sich regelmäßig bei der örtlich zuständigen Polizeidienstelle zu melden, (Abs. 1) und die Beschränkung des Aufenthalts auf den Bezirk der Ausländerbehörde (Abs. 2).
160 
Wegen der danach gegebenen individuellen Gefährdung durch den Kläger kann die Frage offen bleiben, ob bei der Prüfung "zwingender Gründe" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch generalpräventive Aspekte - wie die durch die Verweigerung eines Aufenthaltstitels bzw. dessen Aufhebung oder Beendigung gegebenenfalls erzielte abschreckende Wirkung - zu berücksichtigen sind. Die Ausweisung des Klägers (und das Erlöschen seines Aufenthaltstitels als Voraussetzung für die in § 54a Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte vollziehbare Ausreisepflicht) ist hier nach Auffassung des Senats schon deshalb als unerlässlich anzusehen, weil sie Grundlage der ihm gegenüber im Bescheid vom 27.03.2012 verfügten Meldepflicht und der räumlichen Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim ist. Mit diesen Maßnahmen werden die Möglichkeiten des Klägers, die PKK weiter zu unterstützen, effektiv eingeschränkt. So liegt schon der nächste kurdische Verein, welcher einige der PKK-nahen Veranstaltungen ausgerichtet hat, zu deren regelmäßigen Besuch sich der Kläger seinen Angaben nach verpflichtet fühlt, außerhalb des Bezirks der Stadt Mannheim. Die mit der Ausweisung und dem Erlöschen der Niederlassungserlaubnis verbundenen Einschränkungen und Nachteile für den Kläger sind andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls hier nicht als derart gravierend anzusehen, dass darauf verzichtet werden könnte bzw. müsste.
161 
cc) Vorlagefrage 3
162 
Geht man davon aus, dass die Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG in Fällen der Beendigung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung findet, stellt sich die Frage, ob die Regelung des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie als abschließend zu verstehen ist mit der Folge, dass die Aufhebung oder Beendigung des einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels unionsrechtlich nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist. Dann wäre der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Satz 2 AufenthG entsprechend auszulegen. Die Ausweisung des Klägers wäre als rechtswidrig anzusehen.
163 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers ist räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt. Von der räumlichen Beschränkung nach Satz 1 kann abgewichen werden, wenn der Ausländer zur Ausübung einer Beschäftigung ohne Prüfung nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 berechtigt ist oder wenn dies zum Zwecke des Schulbesuchs, der betrieblichen Aus- und Weiterbildung oder des Studiums an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung erforderlich ist. Das Gleiche gilt, wenn dies der Aufrechterhaltung der Familieneinheit dient.

(1a) In den Fällen des § 60a Abs. 2a wird der Aufenthalt auf den Bezirk der zuletzt zuständigen Ausländerbehörde im Inland beschränkt. Der Ausländer muss sich nach der Einreise unverzüglich dorthin begeben. Ist eine solche Behörde nicht feststellbar, gilt § 15a entsprechend.

(1b) Die räumliche Beschränkung nach den Absätzen 1 und 1a erlischt, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält.

(1c) Eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers kann unabhängig von den Absätzen 1 bis 1b angeordnet werden, wenn

1.
der Ausländer wegen einer Straftat, mit Ausnahme solcher Straftaten, deren Tatbestand nur von Ausländern verwirklicht werden kann, rechtskräftig verurteilt worden ist,
2.
Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat, oder
3.
konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung gegen den Ausländer bevorstehen.
Eine räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde soll angeordnet werden, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(1d) Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist, ist verpflichtet, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Soweit die Ausländerbehörde nichts anderes angeordnet hat, ist das der Wohnort, an dem der Ausländer zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gewohnt hat. Die Ausländerbehörde kann die Wohnsitzauflage von Amts wegen oder auf Antrag des Ausländers ändern; hierbei sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht zu berücksichtigen. Der Ausländer kann den durch die Wohnsitzauflage festgelegten Ort ohne Erlaubnis vorübergehend verlassen.

(1e) Auflagen können zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht angeordnet werden, wenn konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung unmittelbar bevorstehen. Insbesondere kann ein Ausländer verpflichtet werden, sich einmal wöchentlich oder in einem längeren Intervall bei der für den Aufenthaltsort des Ausländers zuständigen Ausländerbehörde zu melden.

(1f) Weitere Bedingungen und Auflagen können angeordnet werden.

(2) Die Länder können Ausreiseeinrichtungen für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer schaffen. In den Ausreiseeinrichtungen soll durch Betreuung und Beratung die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden.

(1) Der Aufenthaltstitel wird für das Bundesgebiet erteilt. Seine Gültigkeit nach den Vorschriften des Schengener Durchführungsübereinkommens für den Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien bleibt unberührt.

(2) Das Visum und die Aufenthaltserlaubnis können mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können, auch nachträglich, mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Insbesondere kann die Aufenthaltserlaubnis mit einer räumlichen Beschränkung versehen werden, wenn ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 oder 1a besteht und dies erforderlich ist, um den Ausländer aus einem Umfeld zu lösen, welches die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten begünstigt.

(3) Ein Ausländer hat den Teil des Bundesgebiets, in dem er sich ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde einer räumlichen Beschränkung zuwider aufhält, unverzüglich zu verlassen.

(4) Der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden.

(5) Die Ausländerbehörde kann dem Ausländer das Verlassen des auf der Grundlage dieses Gesetzes beschränkten Aufenthaltsbereichs erlauben. Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn hieran ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Der Ausländer kann Termine bei Behörden und Gerichten, bei denen sein persönliches Erscheinen erforderlich ist, ohne Erlaubnis wahrnehmen.

(1) Die Niederlassungserlaubnis ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel. Sie kann nur in den durch dieses Gesetz ausdrücklich zugelassenen Fällen mit einer Nebenbestimmung versehen werden. § 47 bleibt unberührt.

(2) Einem Ausländer ist die Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er seit fünf Jahren die Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
sein Lebensunterhalt gesichert ist,
3.
er mindestens 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet hat oder Aufwendungen für einen Anspruch auf vergleichbare Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens nachweist; berufliche Ausfallzeiten auf Grund von Kinderbetreuung oder häuslicher Pflege werden entsprechend angerechnet,
4.
Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unter Berücksichtigung der Schwere oder der Art des Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder der vom Ausländer ausgehenden Gefahr unter Berücksichtigung der Dauer des bisherigen Aufenthalts und dem Bestehen von Bindungen im Bundesgebiet nicht entgegenstehen,
5.
ihm die Beschäftigung erlaubt ist, sofern er Arbeitnehmer ist,
6.
er im Besitz der sonstigen für eine dauernde Ausübung seiner Erwerbstätigkeit erforderlichen Erlaubnisse ist,
7.
er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
8.
er über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt und
9.
er über ausreichenden Wohnraum für sich und seine mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen verfügt.
Die Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 7 und 8 sind nachgewiesen, wenn ein Integrationskurs erfolgreich abgeschlossen wurde. Von diesen Voraussetzungen wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann. Im Übrigen kann zur Vermeidung einer Härte von den Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 7 und 8 abgesehen werden. Ferner wird davon abgesehen, wenn der Ausländer sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann und er nach § 44 Abs. 3 Nr. 2 keinen Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs hatte oder er nach § 44a Abs. 2 Nr. 3 nicht zur Teilnahme am Integrationskurs verpflichtet war. Darüber hinaus wird von den Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 abgesehen, wenn der Ausländer diese aus den in Satz 3 genannten Gründen nicht erfüllen kann.

(3) Bei Ehegatten, die in ehelicher Lebensgemeinschaft leben, genügt es, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3, 5 und 6 durch einen Ehegatten erfüllt werden. Von der Voraussetzung nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 wird abgesehen, wenn sich der Ausländer in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder einem Hochschulabschluss führt. Satz 1 gilt in den Fällen des § 26 Abs. 4 entsprechend.

(4) Auf die für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis erforderlichen Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis werden folgende Zeiten angerechnet:

1.
die Zeit des früheren Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis, wenn der Ausländer zum Zeitpunkt seiner Ausreise im Besitz einer Niederlassungserlaubnis war, abzüglich der Zeit der dazwischen liegenden Aufenthalte außerhalb des Bundesgebiets, die zum Erlöschen der Niederlassungserlaubnis führten; angerechnet werden höchstens vier Jahre,
2.
höchstens sechs Monate für jeden Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets, der nicht zum Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis führte,
3.
die Zeit eines rechtmäßigen Aufenthalts zum Zweck des Studiums oder der Berufsausbildung im Bundesgebiet zur Hälfte.

(1) Der Aufenthaltstitel wird für das Bundesgebiet erteilt. Seine Gültigkeit nach den Vorschriften des Schengener Durchführungsübereinkommens für den Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien bleibt unberührt.

(2) Das Visum und die Aufenthaltserlaubnis können mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können, auch nachträglich, mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Insbesondere kann die Aufenthaltserlaubnis mit einer räumlichen Beschränkung versehen werden, wenn ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 oder 1a besteht und dies erforderlich ist, um den Ausländer aus einem Umfeld zu lösen, welches die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten begünstigt.

(3) Ein Ausländer hat den Teil des Bundesgebiets, in dem er sich ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde einer räumlichen Beschränkung zuwider aufhält, unverzüglich zu verlassen.

(4) Der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden.

(5) Die Ausländerbehörde kann dem Ausländer das Verlassen des auf der Grundlage dieses Gesetzes beschränkten Aufenthaltsbereichs erlauben. Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn hieran ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Der Ausländer kann Termine bei Behörden und Gerichten, bei denen sein persönliches Erscheinen erforderlich ist, ohne Erlaubnis wahrnehmen.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Der Aufenthaltstitel wird für das Bundesgebiet erteilt. Seine Gültigkeit nach den Vorschriften des Schengener Durchführungsübereinkommens für den Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien bleibt unberührt.

(2) Das Visum und die Aufenthaltserlaubnis können mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können, auch nachträglich, mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Insbesondere kann die Aufenthaltserlaubnis mit einer räumlichen Beschränkung versehen werden, wenn ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 oder 1a besteht und dies erforderlich ist, um den Ausländer aus einem Umfeld zu lösen, welches die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten begünstigt.

(3) Ein Ausländer hat den Teil des Bundesgebiets, in dem er sich ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde einer räumlichen Beschränkung zuwider aufhält, unverzüglich zu verlassen.

(4) Der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden.

(5) Die Ausländerbehörde kann dem Ausländer das Verlassen des auf der Grundlage dieses Gesetzes beschränkten Aufenthaltsbereichs erlauben. Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn hieran ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Der Ausländer kann Termine bei Behörden und Gerichten, bei denen sein persönliches Erscheinen erforderlich ist, ohne Erlaubnis wahrnehmen.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2011 - 11 K 2424/10 - ist unwirksam, soweit damit Ziffer 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10. Juni 2010 aufgehoben worden ist.

Im Übrigen wird auf die Berufung des beklagten Landes das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2011 - 11 K 2424/10 - geändert. Die Klage gegen Ziffern 1 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10. Juni 2010 wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der am ... in .../Türkei geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 19.12.1995 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung trug er unter anderem vor, er und seine Ehefrau hätten in der Türkei die PKK unterstützt. So hätten sie z.B. Uniformen gewaschen und den Guerillas ab und zu Lebensmittel gegeben. Sie seien deshalb verfolgt worden. Auf die vom Kläger gegen den seinen Asylantrag ablehnenden Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge – heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – (im Folgenden: Bundesamt) vom 21.03.1996 erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 01.07.1998 die Bundesrepublik Deutschland festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. In der Folge erhielt der Kläger befristete Aufenthaltsbefugnisse bzw. Aufenthaltserlaubnisse, erstmals zum 01.09.1998. Zuletzt wurde ihm am 13.09.2006 eine bis zum 12.09.2007 geltende Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt.
Der Kläger ist mit der am ... geborenen M... A..., geb. G..., verheiratet. Sie haben sieben gemeinsame Kinder: B... (* ...1988), Ex ... (* ...1990), C... (* ...1992), K... (* ...1993), E... (* ...1996), M... (* ...1998) und A... A... (* ...2005). Mit Bescheid des Bundesamts vom 09.07.1996 wurden die Ehefrau des Klägers und die fünf älteren Kinder, mit denen diese am 28.05.1996 nach Deutschland eingereist war, als Asylberechtigte anerkannt. Bezüglich M..., C..., K... ... und E... wurden die Asylanerkennungen mit Bescheid des Bundesamts vom 02.03.2007 widerrufen. Die Ehefrau und die fünf älteren Kinder sind im Besitz einer Niederlassungserlaubnis, M... ist Inhaber einer bis zum 07.01.2014 befristeten Aufenthaltserlaubnis. Der jüngste Sohn A... ist deutscher Staatsangehöriger.
Bis auf einen Zeitraum vom 24.04.2006 bis zum 01.03.2007, in welchem der Kläger in L... gewohnt hatte, war er durchgehend mit Hauptwohnsitz in H... gemeldet. Er und seine Familie bezogen zunächst (ergänzende) Sozialleistungen. In den ersten Jahren war er gelegentlich geringfügig beschäftigt, danach bei wechselnden Arbeitgebern, überwiegend in H... Er war wie folgt tätig: vom 01.07.2002 bis zum 30.11.2002 bei einer Gebäudereinigung, vom 13.03.2004 bis zum 31.03.2005 bei C.M.A. Télécafé, vom 01.04.2005 bis zum 31.01.2006 bei M.S.A. Télécafé, dann - nach Bezug von Arbeitslosengeld II in der Zeit vom 01.05.2005 bis zum 30.04.2006 - vom 01.04.2006 bis zum 15.06.2006 bei einer Vertriebs GmbH in W..., vom 17.07.2006 bis zum 31.07.2006 bei B... K., Abbruch und Demontage, vom 01.08.2006 bis zum 31.01.2007 bei M... K., Abbruch und Demontage, beide in L... und vom 01.04.2007 bis zum 31.05.2009 als Fahrer bei Ü.S. Paletten-Depot in H... Seit dem 01.07.2009 ist der Kläger bei einer Gebäudereinigung tätig.
Am 25.01.1997 wurde der Kläger in einer Sitzung der Mitglieder des Vereins „Kurd... V... e.V.“, H..., - als Zuständiger für die Bücherei - in den Vorstand gewählt. Die Mitglieder des Vereins „Gebetshaus E... ... ...“, H..., wählten ihn am 12.12.1998 als zweiten Vertreter für den Bereich Sport und am 19.05.2002 als zweiten Vorsitzenden in den Vorstand. Mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.03.1998 - KLs 71 Js 1603/96 - wurde der Kläger wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot zu einer Geldstrafe von 35 Tagesätzen zu je 15,-- DM verurteilt. Am 16.02.1999 wurde er aus Anlass der Besetzung des griechischen Generalkonsulats in Stuttgart (nach der Festnahme von Öcalan) gemeinsam mit 176 anderen Kurden einen Tag lang in „Vorbeugewahrsam“ nach § 28 PolG genommen. In einem gegen ihn wegen der Selbsterklärung „Auch ich bin ein PKK´ler“ eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 30.05.2003 von der Verfolgung abgesehen (§ 153 Abs. 1 Satz 2 StPO).
Mit Bescheid vom 16.04.2007 widerrief das Bundesamt die mit Bescheid vom 27.08.1998 getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Die dagegen vom Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage - A 17 K 480/07 - wurde von ihm am 25.09.2007 zurückgenommen.
Bereits am 17.07.2007 hatte der Kläger (zum wiederholten Mal) die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis beantragt. Unter anderem im Hinblick auf ein Schreiben des Ministeriums des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz vom 13.11.2006, mit welchem die damals zuständige Ausländerbehörde der Stadt L... über die Wahl des Klägers in den Vorstand des Kurd... V... e.V. am 25.01.1997 und zum stellvertretenden Vorstandsmitglied des Gebetshauses „E... ...“ am 12.12.1998 sowie über diverse exilpolitische Aktivitäten des Klägers informiert worden war, forderte die Ausländerbehörde der Stadt H... den Kläger auf, an einer sog. Sicherheitsbefragung gemäß §§ 54 Nr. 6 i.V.m. § 82 Abs. 4 AufenthG teilzunehmen. Bei der daraufhin am 08.08.2007 durchgeführten Befragung verneinte der Kläger die Frage, ob er bestimmte Gruppen oder Organisationen, darunter die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) alias KADEK alias KONGRA-GEL, unterstütze oder für diese tätig geworden sei. Die Zusatzfrage, welcher Art diese Unterstützungshandlungen oder Tätigkeiten (z.B. Spenden) gewesen seien, beantwortete er sinngemäß wie folgt: Er sei nur Kurde; die PKK und die KONGRA-GEL interessierten ihn nicht. Er sei auch nicht Mitglied in einem kurdischen Verein.
Mit Schreiben des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg an das Innenministerium Baden-Württemberg vom 26.02.2008 und an das Regierungspräsidium Stuttgart vom 18.11.2008 wurde mitgeteilt, dass der Kläger dem Landesamt im Zusammenhang mit der im November 1993 verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – welche 2002 in „Freiheit- und Demokratiekongress Kurdistans“ (KADEK) und 2003 in „Volkskongress Kurdistans“ (KONGRA-GEL) umbenannt worden sei – bekannt geworden sei. Neben den Vorstandstätigkeiten in den PKK-nahen Vereinen „Kurd... V...“ und „E... ... - ...“ in H... lägen folgende Erkenntnisse vor: Der Kläger habe an einer Vielzahl von Versammlungen, Demonstrationen oder Feiern von KADEK bzw. KONRAG-GEL-Anhängern teilgenommen, so am 06.04.2003 in H... an einer Versammlung anlässlich des Geburtstags von Abdullah Öcalan, am 05.02.2005 an einer Solidaritätsdemonstration für den am 22.01.2005 in Nürnberg festgenommenen stellvertretenden Vorsitzenden dieser Organisation, R... K..., am 03.04.2005 an einer Versammlung anlässlich des Geburtstags von Öcalan, am 27.11.2005 in I... (bei H...) an einer Veranstaltung zum 27. Gründungsjahrestag der PKK, am 17.12.2005 an einer Versammlung in H..., am 28.01.2006 an einer Demonstration in Mannheim, am 11.02.2006 an einer Demonstration von KONGRA-GEL-Anhängern anlässlich des 7. Jahrestages der Festnahme Öcalans in Straßburg/Frankreich, am 16.02.2007 an einer Demonstration zu den Haftbedingungen Öcalans sowie zuvor stattgefundenen Exekutivmaßnahmen der deutschen und französischen Behörden gegen mutmaßliche KONGRA-GEL-Strukturen in H..., am 27.10.2007 an einer weiteren Demonstration in H..., am 24.11.2007 an einer Versammlung anlässlich einer Feier zum Parteigründungstag der PKK in H..., am 30.03.2008 an einer weiteren Versammlung von KONGRA-GEL-Anhängern und am 18.05.2008 an einer Märtyrer-Veranstaltung in H...
Nachdem das Regierungspräsidiums Stuttgart den Kläger mit Schreiben vom 20.08.2008 unter anderem auf die Möglichkeit einer Ausweisung hingewiesen hatte, erklärte der Kläger in einem Schreiben vom 26.08.2008, er wolle zunächst feststellen, dass er kein Terrorist und kein Verbrecher sei, sondern ein einfacher Arbeiter. Jede Veranstaltung und Demonstration, an der er teilgenommen habe, sei bei den Behörden angemeldet und genehmigt gewesen. Die Vereine, in deren Vorstand er gewählt worden sei, seien Kulturvereine von Kurden für Kurden. Sicher habe auch er, als er noch in der Türkei gelebt habe, die PKK unterstützt, aber eher mit humanitären als mit militärischen Mitteln. Seit die PKK als terroristische Vereinigung gelte, habe er diese Hilfe komplett eingestellt. Er unterstütze als Kurde die kurdische Sache. Er distanziere sich aber von jeder kriminellen Handlung, die im Namen des kurdischen Volkes begangen werde, somit auch von der PKK als terroristischer Vereinigung.
10 
Am 10.02.2009 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart (Untätigkeits-) Klage gegen die Stadt H... mit dem Antrag, diese zu verpflichten, ihm eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen (8 K 487/09). Diese Klage wurde 25.05.2009 zurückgenommen; stattdessen erhob er Klage gegen das Land Baden-Württemberg (11 K 2004/09).
11 
Mit Schreiben vom 09.04.2009 und vom 01.02.2010 berichtete das Landesamt für Verfassungsschutz, es seien noch die folgenden gerichtsverwertbaren Erkenntnisse angefallen: Ausweislich eines Fotos und eines Zeitungsartikels in der der KONGRA-GEL nahestehenden türkischen Tageszeitung „Yeni Özgür Politika“ vom ...2008 habe er am ...2008 an einer Märtyrer-Gedenkveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern in H... und außerdem am 17.08.2008 anlässlich des 24. Jahrestags der Gründung des militärischen Arms der PKK an einem Grillfest von KONGRA-GEL-Anhängern bei Bad Wimpfen sowie am 25.10.2008 an einer Demonstration gegen die angebliche Misshandlung von Öcalan in H... teilgenommen. Am 23.11.2008 und am 27.11.2009 sei der Kläger in I... (bei H...) Teilnehmer von Versammlungen zur Feier des 30. bzw. 31. Gründungsjahrestages der PKK gewesen, am 20.03.2009 habe er an der „Newroz“-Veranstaltung in H... teilgenommen.
12 
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland spätestens innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise innerhalb der Ausreisefrist wurde ihm die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, angedroht (Ziff. 2). Außerdem wurde sein Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis abgelehnt (Ziff. 3). Der Kläger wurde verpflichtet, sich einmal wöchentlich unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers bei dem Polizeirevier H... zu melden. Sein Aufenthalt sei bis zu seiner Ausreise bzw. Abschiebung auf das Stadtgebiet des Stadtkreises H... beschränkt (Ziff. 4). Die sofortige Vollziehung der Ausweisung unter Ziffer 1 des Bescheids und der Meldeauflage sowie der Aufenthaltsbeschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids wurde angeordnet (Ziff. 5). In den Gründen des Bescheids wurde im Wesentlichen dargelegt: Die Voraussetzungen der Ausweisungstatbestände des § 55 AufenthG i.V.m. §§ 54 Nr. 5, Nr. 5a und Nr. 6 AufenthG seien gegeben. Der Kläger sei nicht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats/EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) privilegiert. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 und/oder des Art. 7 ARB 1/80 lägen nicht vor. Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG sei erfüllt. Die PKK sei als eine terroristische Vereinigung zu qualifizieren. Der Kläger habe diese tatbestandsmäßig im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Er sei bereits vor seiner Einreise ins Bundesgebiet 1995 fünf bis sechs Jahre in der Türkei für die PKK tätig gewesen. Bereits Anfang 1996 habe er an einer verbotenen und gewalttätigen PKK-Demonstration in Dortmund teilgenommen und sei deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Außerdem habe er im Jahr 1999 an der Besetzung des griechischen Generalkonsulats in Stuttgart anlässlich der Gefangennahme des PKK-Führers Öcalan teilgenommen und zudem im Jahr 2001 die PKK-Selbsterklärung unterzeichnet. Hinzu kämen die ab 1997 bis zumindest 2002 ausgeübten Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen. In der Folge habe er kontinuierlich ab dem Jahr 2003 bis Ende des Jahres 2009 an zahlreichen politisch-extremistischen und auch gewaltbereiten Veranstaltungen der PKK alias KADEK alias KONGRA-GEL aktiv teilgenommen. Die vorliegenden Erkenntnisse und Tatsachen rechtfertigten in ihrer wertenden Gesamtbetrachtung die Schlussfolgerung, dass er der PKK „angehöre“. Zudem seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5a und 6 AufenthG erfüllt. Da der Kläger und seine Ehefrau mit ihrem minderjährigen deutschen Kind A... A... in familiärer Lebensgemeinschaft lebten, genieße er allerdings besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG. Seine Ausweisung sei daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zulässig. Solche lägen jedoch in den Fällen des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG, also auch hier, vor. Im vorliegenden Fall seien auch keine besonderen Umstände gegeben, die zur Annahme eines Ausnahmefalls führen könnten. Nach dem Grundsatz der Herabstufung sei daher gemäß § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden. Hierbei seien nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sämtliche für und gegen die Ausweisung sprechenden Gründe in die Entscheidung einzubeziehen, zu gewichten und gegeneinander abzuwägen und zu prüfen, ob die Ausweisung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sei. Im Ergebnis überwiege das öffentliche Interesse an der Ausweisung das private Interesse des Klägers an einem weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Es bestehe ein gewichtiges öffentliches Sicherheitsinteresse, die vom Kläger persönlich ausgehende nicht unerhebliche und extremistische Gefahr für höchste Rechtsgüter durch seine Ausweisung mit dem Entzug seines Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet abzuwehren. Zudem verfolge die Ausweisung general- und spezialpräventive Zwecke. Außerdem sei von einer gesteigerten Wiederholungsgefahr auszugehen. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und schutzwürdige persönliche, wirtschaftliche und sonstige Bindungen des Klägers im Bundesgebiet hätten Berücksichtigung gefunden. Auch seien die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen des Klägers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebten, gemäß § 55 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG bedacht worden. Es handle sich um eine schutzwürdige Ehe im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG. Auch seien die Interessen der Kinder, insbesondere des jüngsten deutschen Kindes, an der Fortsetzung der familiären Lebensgemeinschaft in Deutschland zu berücksichtigen. Bei der Gewichtung und Abwägung des jeweiligen Interesses habe jedoch der Schutz der Ehe und Familie hinter das höher einzuschätzende Sicherheitsinteresse des Staates und seiner Bevölkerung vor Unterstützungshandlungen für terroristische Vereinigungen zurückzutreten. Die Ausweisungsentscheidung stehe auch mit Art. 8 EMRK im Einklang. Der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis sei abzulehnen, weil dieser bereits die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG entgegenstehe. Aufgrund der Ausweisungsverfügung, deren sofortige Vollziehung angeordnet worden sei, sei der Kläger nach §§ 50 Abs. 1 und 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Gemäß § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliege er der gesetzlichen Verpflichtung, sich einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Gemäß § 54a Abs. 2 AufenthG sei sein Aufenthalt kraft Gesetzes auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt.
13 
Mit am 01.07.2010 beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingegangenem Schriftsatz vom 28.06.2010 machte der Kläger den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 im Wege der Klageänderung bzw. -erweiterung zum Gegenstand des bereits anhängigen Verfahrens 11 K 2004/09. In der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2010 wurde die Klage insoweit abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 11 K 2424/10 fortgesetzt, als sie auf Anfechtung von Ziffern 1, 2 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidium Stuttgart vom 10.06.2010 gerichtet ist. Im Übrigen (bezüglich der Niederlassungserlaubnis) ist nach entsprechenden Anträgen der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.
14 
Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen vorgetragen: Obwohl der Kläger offensichtlich seit Jahren intensiv und engmaschig vom Verfassungsschutz beobachtet werde, könne das beklagte Land nicht einen konkreten Anhaltspunkt für eine objektive oder subjektive Unterstützungsleistung des Klägers benennen außer der schlichten Teilnahme an diversen, wohl gemerkt angemeldeten und erlaubten Versammlungen. Weder aus der Tatsache, dass er an diversen Kundgebungen teilnehme, noch daraus, dass er eine Zeitlang und bis 2002 in kurdischen Kulturvereinen in den Vorstand gewählt worden sei, habe er jemals einen Hehl gemacht. Er könne nicht für die Äußerungen irgendwelcher Redner auf irgendwelchen Veranstaltungen im Sinne einer Sippenhaft verantwortlich gemacht werden. Insgesamt bemühe sich das Land geradezu krampfhaft, eine über ein Jahrzehnt zurückliegende strafrechtliche Verurteilung und sogar ein von der Staatsanwaltschaft eingestelltes Ermittlungsverfahren, welches ebenfalls Jahre zurückliege, zur Begründung eines vermeintlichen Versagungsgrundes heranzuziehen. Tatsache sei, dass er weder Mitglied einer terroristischen Vereinigung sei noch eine solche unterstützt habe. Insoweit werde auf seine Erklärung vom 26.08.2008 Bezug genommen. Obwohl es nicht darauf ankomme, werde bestritten, dass die PKK eine terroristische Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG sei. Die Aufnahme einer Vereinigung in die EU-Terrorliste entbinde weder Behörden noch Gerichte von der eigenständigen Prüfung. Eine Ausweisung könne zudem nur erfolgen, wenn vom Ausländer persönlich eine Gefahr für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgehe. Er habe lediglich sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und Information wahrgenommen. Dass er sich einen eigenen Staat wünsche und auch das Recht habe, als Kurde seine Auffassung kundzutun, dürfte auf der Hand liegen. Die Entscheidung verstoße im Übrigen gegen Art. 6 GG.
15 
Das Regierungspräsidium Stuttgart trat der Klage entgegen. Zur Begründung verwies es auf den angefochtenen Bescheid. Entgegen dem Vortrag des Klägers habe dieser nachweisbar im dargelegten Umfang an Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen. Seine Teilnahme an den Veranstaltungen der PKK alias KONGRA-GEL vom 06.04.2003 bis zum 27.11.2009 sei durch offene und gerichtsverwertbare Tatsachen des Landesamts für Verfassungsschutz belegt, die vor Gericht durch einen Zeugen vom Hörensagen nachgewiesen werden könnten. Die PKK/KADEK/KONGRA-GEL sei auch als terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG einzustufen. Dass das „Gebetshaus E... ... - ... e.V.“ in H..., in dessen Vorstand der Kläger in den Jahren 1998 und 2002 gewählt worden sei, der PKK nahestehe, folge aus einem beigefügten Bericht des Bundeskriminalamts, Stand 11/2006. Die PKK-Nähe des Vereins Kurdx ... V... e.V.“ in H..., in dessen Vorstand der Kläger 1997 gewählt worden sei, ergebe sich aus Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz. Unerheblich sei, dass die Wahl des Klägers in den Vorstand der genannten Vereinigungen bereits 1997, 1998 und 2002 erfolgt sei, da die Annahme einer Unterstützung der PKK durch den Kläger auf einer wertenden Gesamtbetrachtung beruhe und maßgeblich auch auf die bereits zu Beginn seines Aufenthalts in der Bundesrepublik erfolgten Tätigkeiten im Funktionärsstatus abzustellen sei, denen sich in den folgenden Jahren weitere politische Aktivitäten für die PKK angeschlossen hätten, und die sich bis in die Gegenwart fortsetzten. Selbst wenn es nur um die „bloße Teilnahme“ an Veranstaltungen und Demonstrationen gehen würde, könnte auch diese unter bestimmten Voraussetzungen eine Vorfeldunterstützung des Internationalen Terrorismus darstellen. Die Versammlungen und Demonstrationen, an denen der Kläger teilgenommen habe, hätten entgegen seinem Vorbringen auch keinen „legalen und friedlichen“, sondern einen politisch-militanten Grundcharakter. Die Ausweisung verstoße auch nicht im Hinblick auf die eheliche Lebensgemeinschaft mit der Ehefrau des Klägers und mit den minderjährigen Kindern gegen Art. 6 GG. An dem Übergewicht des öffentlichen Interesses vermöge ein mögliches Abschiebungshindernis aufgrund familiärer Belange nichts zu ändern. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei nicht ausgeschlossen, dass auch unter Berücksichtigung selbst eines strikten Abschiebungsverbotes - nach § 60 Abs. 1 AufenthG - und bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Duldung eine Ausweisung ermessensfehlerfrei ausgesprochen werden könne. Die Behörde habe dann das Abschiebungsverbot in die Ermessenserwägungen einzustellen. In Anwendung dieser Grundsätze werde ergänzend vorgetragen, dass zwar die Familienschutzvorschriften des Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG gewähren und einer Abschiebung entgegenstehen könnten. Selbst wenn von einem solchen Abschiebungshindernis ausgegangen werde, führe dies aber nicht zur Unzulässigkeit der Ausweisung, sondern sei gemäß seiner Bedeutung zu werten und in die Ermessenserwägungen einzustellen. Im Ergebnis könne von einem Überwiegen des staatlichen Sicherheitsinteresses ausgegangen werden, so dass die Ausweisung des Klägers trotz eines - möglichen - Abschiebungshindernisses nicht unverhältnismäßig sei.
16 
Auf einen am 01.07.2010 vom Kläger gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO stellte das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 19.11.2010 - 11 K 2430/10 - die aufschiebende Wirkung der Klage - 11 K 2424/10 - gegen die Ziffern 1, 2 und 3 im Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 wieder her. Bezüglich Ziffer 4 des Bescheids wurde der Antrag abgelehnt.
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Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 - 11 K 2424/10 - wurden die Ziffern 1, 2 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen wird im Wesentlichen dargelegt: Alle Vorgänge vor 2002 lägen derart weit in der Vergangenheit, dass sich aus ihnen eine gegenwärtige Gefährlichkeit nicht ablesen lasse. In der Zeit nach 2002 habe der Kläger lediglich an 13 Versammlungen, Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen - was er auch nicht bestritten habe. Im angefochtenen Bescheid seien allerdings keinerlei Ausführungen dazu enthalten, was der Kläger bei den Veranstaltungen konkret gemacht haben solle. Allein seine Anwesenheit könne noch nicht als Unterstützungshandlung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG gewertet werden, von der auf eine gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers geschlossen werden dürfe. Der Kläger erfülle aber auch nicht den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 6 AufenthG. Zwar dürfte die Beantwortung zahlreicher Fragen zur Nähe zur PKK durch den Kläger anlässlich des mit ihm durchgeführten Sicherheitsgesprächs am 08.08.2007 falsch gewesen sein. Es gebe keine gesetzlich angeordnete Rechtspflicht, an einer Sicherheitsbefragung aktiv teilzunehmen. Der Kläger hätte daher vor Beginn des Sicherheitsgesprächs auf diese Freiwilligkeit hingewiesen werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei das Ergebnis rechtlich nicht verwertbar. Damit erwiesen sich auch die Abschiebungsandrohung und die unter Ziffer 4 des Bescheids angeordneten Überwachungsmaßnahmen als rechtswidrig.
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Am 14.03.2011 hat das beklagte Land die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen das am 21.02.2011 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt und diese mit am 19.04.2011 eingegangenem Schriftsatz begründet. Ergänzend wird unter anderem dargelegt: Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass es nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2005 für die Annahme einer Unterstützungshandlung nach § 54 Nr. 5 AufenthG genügen könne, wenn der Betreffende an einschlägigen Versammlungen und Kundgebungen teilnehme. In diesem Zusammenhang sei vorab richtig zu stellen, dass der Kläger ab dem Jahr 2002 nicht lediglich an 13, sondern an 18 bzw. 19 Versammlungen, Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen habe. Die jeweiligen Veranstaltungen seien terrorgeneigt und politisch-militant orientiert gewesen, woraus sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts das objektiv Vorteilhafte der Teilnahme des Klägers an den Veranstaltungen ohne weiteres ergebe. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Aufteilung der Gesamtaktivitäten des Klägers in solche vor und solche nach dem Jahr 2002 unter Außerachtlassung der älteren Aktivitäten sei rechtlich nicht haltbar. Im Übrigen habe der Kläger nach den aktuellen sicherheitsrelevanten Stellungnahmen des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.12.2010 und vom 18.04.2011 noch am 28.02.2010 an einer „Volksversammlung“ mit qualitativ hochstehendem Gefährdungspotential teilgenommen. Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a und Nr. 6 AufenthG seien ebenfalls gegeben. Die Ausweisungsentscheidung sei auch ermessensfehlerfrei erfolgt. Die familiären Bindungen des Klägers seien im Rahmen der Ermessensausübung vollständig berücksichtigt worden. Im Falle des Klägers sei davon auszugehen, dass aus familiären Gründen ein Abschiebungsverbot bestehe, weshalb es bei ihm nicht um eine Beendigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik gehe. Eine Ausweisung sei gleichwohl möglich.
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Nachdem das Regierungspräsidium Stuttgart in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Abschiebungsandrohung unter Ziffer 2 des Bescheids vom 10.06.2010 aufgehoben hat, haben die Beteiligten den Rechtstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
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Das beklagte Land beantragt,
21 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 - 11 K 2424/10 - zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen Ziffern 1 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 richtet.
22 
Der Kläger beantragt,
23 
die Berufung zurückzuweisen.
24 
Zur Begründung wird auf das bisherige Vorbringen Bezug genommen und ergänzend unter anderem vorgetragen: Er habe eine Rechtsstellung nach Art. 6 ARB 1/80 inne. In der Zeit vom 01.04.2007 bis einschließlich Mai 2009 sei er durchgehend bei demselben Arbeitgeber in L... tätig gewesen. M... K. habe den Betrieb von B... K. übernommen. Nach einmonatiger Arbeitslosigkeit habe er dann zum 01.07.2009 seine Tätigkeit bei einer Gebäudereinigungsfirma angetreten, bei der er heute noch beschäftigt sei. Er lebe weiter mit seiner Ehefrau und seinen Kindern zusammen, auch mit den volljährigen. Die minderjährigen Kinder befänden sich noch in der allgemeinen Schulausbildung. Die Tochter K... nehme seit dem 22.11.2011 an einem Berufsvorbereitungslehrgang teil. C... habe eine Ausbildungsstelle zur Kauffrau im Einzelhandel und arbeite seit einigen Jahren in Nebentätigkeit bei einem Schnellimbiss.
25 
In weiteren Stellungnahmen des Landesamts für Verfassungsschutz an das Regierungspräsidium vom 17.12.2010, vom 18.04.2011 und vom 12.09.2011 wird mitgeteilt: Wie bereits am 17.12.2005 und am 30.03.2008 habe der Kläger auch am 28.02.2010 an einer „Volksversammlung“ in den Räumlichkeiten des PKK-nahen Vereins „Kurd... G...“ H... – dem Nachfolgeverein des „Kurd... V...“ – teilgenommen. Volksversammlungen gehörten zum organisatorischen Rahmen der PKK. Dabei bestehe der Teilnehmerkreis zu annähernd 100 % aus PKK-Anhängern. Sie dienten in erster Linie der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Am 20.11.2010 habe sich der Kläger außerdem an einer „Kurdistan Solidaritätsdemonstration“ in H... beteiligt, bei der Transparente/Plakate mit den Aufschriften „Freiheit für Öcalan - Frieden für Kurdistan“ u.ä. skandiert worden seien.
26 
In der mündlichen Verhandlung sind der Kläger und – informatorisch – Herr I.V. vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg angehört worden. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Die Vertreterin des beklagten Landes hat in der mündlichen Verhandlung ein Schreiben des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.12.2011 übergeben, in welchem erklärt wird, dass der Kläger bis auf Weiteres eine Duldung aus familiären Gründen erhalte.
27 
Dem Senat liegen die ausländerrechtlichen Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart (5 Hefte) und der Stadt H... (2 Hefte), die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart über Asylverfahren des Klägers (A 3 K 12680/98 und A 17 K 480/07), bezüglich Klagen wegen Niederlassungserlaubnis gegen die Stadt H... (8 K 487/09), wegen Niederlassungserlaubnis u.a. gegen das beklagte Land (11 K 2004/09, mit Beiakte) und wegen Ausweisung u.a. gegen das beklagte Land (11 K 2424/10, 2 Bände) sowie über das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hinsichtlich des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 (11 K 2430/10) vor. Der Inhalt dieser Akten ist ebenso wie der Inhalt der Gerichtsakten zum vorliegenden Verfahren (11 S 897/11) Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen; hierauf wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Soweit die Beteiligten - nach Aufhebung der Abschiebungsandrohung unter Ziffer 2 des Bescheids vom 10.06.2010 in der mündlichen Verhandlung - den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit unwirksam (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entspr.).
29 
Im Übrigen ist die aufgrund der Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage gegen die Ausweisung unter Ziffer 1 (dazu unter A) und die Meldeauflage sowie die Aufenthaltsbeschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 (B) abweisen müssen. Denn diese Verfügungen sind zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20) rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
A.
30 
Rechtsgrundlage der Ausweisung ist § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG (I.). Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG liegen vor (II.), die Ausweisungsentscheidung lässt sich auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden (III.).
I.
31 
Das Regierungspräsidium hat diese rechtsfehlerfrei auf § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob als Rechtsgrundlage daneben § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5a oder Nr. 6 AufenthG herangezogen werden könnten.
32 
Diese Regelungen sind hier uneingeschränkt anwendbar.
33 
1. Aus der Tatsache, dass der Kläger Vater eines minderjährigen deutschen Kindes – dem am ...2005 geborenen A... A... – ist, folgt nicht, dass er wie ein Unionsbürger oder nach unionsrechtlichen Grundsätzen zu behandeln wäre.
34 
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 08.03.2011 in der Rechtssache Ruiz Zambrano (C-34/09 - InfAuslR 2011, 179) entschieden, dass dem drittstaatsangehörigen Vater eines minderjährigen Kindes mit der Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates, dem er Unterhalt gewährt, unmittelbar aus der Unionsbürgerschaft (des Kindes) nach Art. 20 AEUV ein Aufenthalts- und Arbeitsanspruch zustehen kann. Ausschlaggebend war ausweislich der Gründe der Umstand, dass die Kinder, welche Unionsbürger waren, bei einer „Verweigerung von Aufenthalt und Arbeitserlaubnis“ ihrer drittstaatsangehörigen Eltern gezwungen gewesen wären, das Unionsgebiet zu verlassen. Art. 20 AEUV sei daher dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehre, einem Drittstaatsangehörigen, der seinen minderjährigen Kindern, die Unionsbürger sind, Unterhalt gewährt, den Aufenthalt im Wohnsitzstaat und eine Arbeitserlaubnis zu verweigern, da derartige Entscheidungen diesen Kindern den tatsächlichen Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleihe, verwehren würden. Folge eines entsprechenden Aufenthaltsrechts wäre eine allenfalls eingeschränkte Anwendbarkeit der Ausweisungsvorschriften der §§ 53 ff. AufenthG (vgl. dazu Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291; allgemein zum Urteil des EuGH vom 08.03.2011: OVG NRW, Beschluss vom 29.04.2011 - 18 B 377/11 -; Hess. VGH, Beschluss vom 27.10.2011 - 6 D 1633/11 - juris). Wie auch inzwischen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 05.05.2011 in der Rechtssache McCarthy (C-434/09 - InfAuslR 2011, 268) und vom 15.11.2011 in der Rechtssache Dereci (C-256/11 - juris) deutlich machen, ist ein Aufenthaltsanspruch des Drittstaatsangehörigen aus der Unionsbürgerschaft seines Kindes – oder auch seines Ehepartners – aber nur abzuleiten, wenn der betreffende Unionsbürger andernfalls zwingend das Unionsgebiet verlassen müsste (weitergehend noch Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - a.a.O., und Beschluss des Senats vom 12.05.2011 - 11 S 765/11 - NVwZ 2011, 1213). Vorliegend kann aber das jüngste deutsche Kind des Klägers zusammen mit dessen Ehefrau, welche im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, in Deutschland bleiben und wäre daher nicht gezwungen, das Unionsgebiet zu verlassen. Ob gegebenenfalls eine Trennung des Klägers von seiner Familie, insbesondere seinem minderjährigen deutschen Kind zulässig ist, ist somit keine unionsrechtliche Fragestellung, sondern nach den allgemeinen Maßstäben (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 8 EMRK) zu beantworten.
35 
2. Eine nur beschränkte Anwendbarkeit der Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG folgt hier auch nicht aus dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: ARB 1/80; vgl. insbesondere Art. 14 ARB 1/80). Der Kläger verfügt über kein Aufenthaltsrecht gemäß der - hier allein in Betracht kommenden - Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80.
36 
Nach dem gestuften Regelungssystem des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 kann im Rahmen der ersten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 1) ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht bei einjähriger Beschäftigung nur zum Zwecke der Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses bei dem gleichen Arbeitgeber erworben werden. Im Rahmen der zweiten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 2) wird nach dreijähriger ordnungsgemäßer Beschäftigung das Recht erworben, Stellenangebote eines anderen Arbeitgebers im gleichen Beruf zu akzeptieren. Erst im Rahmen der dritten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 3), d.h. nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung, erwirbt der türkische Arbeitnehmer gemäß Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht nur das Recht, auf ein bereits existierendes Stellenangebot einzugehen, sondern auch das unbedingte Recht, Arbeit zu suchen und jede beliebige Beschäftigung aufzunehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 23.01.1997 - C-171/95 - [Tetik] InfAuslR 1997, 146). Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 berühren Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche. Entsprechendes gilt auch bei einem „unverschuldeten Arbeitgeberwechsel“ (vgl. Renner, AufenthG, 9. Aufl. 2011, § 4 AufenthG Rn. 124 f.), und zwar selbst dann, wenn keine Unterbrechung der Beschäftigung eingetreten ist. Voraussetzung ist nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 allerdings, dass die Zeiten der unverschuldeten Arbeitslosigkeit „von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind“, das bedeutet, dass sich der Betreffende arbeitslos gemeldet und der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestanden hat.
37 
Nach diesen Grundsätzen verfügt der Kläger nicht über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht. Seine Arbeitstätigkeit in einer Gebäudereinigung im Jahr 2002 war zu kurz, um zum Erwerb von Ansprüchen nach dem ARB 1/80 zu führen. Selbst wenn man die sozialversicherungsfreien (Neben-)Tätigkeiten in einem Internetcafé in H... vom 13.03.2004 bis zum 31.01.2006 und die Tätigkeit bei einer Vertriebs GmbH vom 01.04.2006 bis zum 15.06.2006 insgesamt anerkennen und die damaligen Unterbrechungen durch – ordnungsgemäß festgestellte – Arbeitslosigkeit sowie den Wechsel der Arbeitgeber wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit als unschädlich ansehen würde, wäre der Kläger danach zum 15.06.2006 maximal 2 Jahre 3 Monate und 2 Tage ordnungsgemäß beschäftigt gewesen. Die damit allenfalls erreichte Rechtsposition nach dem ersten Spiegelstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 wäre durch die anschließende beschäftigungslose Zeit bis zur Aufnahme einer Arbeit bei einem Abbruchunternehmen in L... unterbrochen gewesen. Denn ausweislich der vorliegenden Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung (vgl. den vom Kläger mit Schriftsatz vom 30.06.2011 vorgelegten Versicherungsverlauf vom 06.06.2011) war er in dieser Zeit nicht arbeitslos gemeldet. Letztlich kommt es aber darauf nicht an. Selbst wenn man – trotz des Betriebsinhaberwechsels – die anschließende Beschäftigung bei den Abbruchunternehmen in L... vom 17.07.2006 bis zum 31.01.2007 hinzurechnen würde, wäre der Kläger seit dem 13.03.2004 noch keine drei Jahre beschäftigt gewesen, hätte also nur die Rechtsposition der ersten Stufe des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht gehabt. Diese hätte er durch die anschließende Kündigung und die folgende zweimonatige Arbeitslosigkeit aber wieder verloren gehabt. Denn diese Kündigung erfolgte nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung durch ihn. Da seine Kinder sich geweigert hätten, zu ihm nach L... zu ziehen, habe er wieder zu seiner Familie ziehen wollen.
38 
Im Anschluss war der Kläger zwar noch vom 02.04.2007 bis zum 31.05.2009 als Fahrer bei einer Firma in H... beschäftigt und ist seit dem 01.07.2009 bei einer Gebäudereinigung angestellt. Die Beschäftigungszeiten als Fahrer können aber schon deshalb nicht mehr zum Erreichen eines Rechts nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 führen, weil der Kläger seinen Angaben nach zwar entlassen wurde, sich aber nicht unmittelbar anschließend bei der Arbeitsverwaltung gemeldet hat. Abgesehen davon war er seit dem 13.09.2007 nicht mehr „ordnungsgemäß beschäftigt“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Denn seine letzte Aufenthaltserlaubnis lief am 12.09.2007 aus und galt lediglich aufgrund seines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis als fortbestehend (§ 81 Abs. 4 AufenthG). Grundsätzlich setzt aber eine „ordnungsgemäße Beschäftigung“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt voraus (vgl. nur EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], NVwZ 1991, 255). Keine gesicherte, sondern nur eine vorläufige verfahrenssichernde Rechtsstellung hat ein türkischer Arbeitnehmer während des Zeitraums, in dem sein Widerspruch oder seine Klage aufschiebende Wirkung gegen eine die Erteilung oder die Verlängerung eines Aufenthaltstitels ablehnende behördliche Entscheidung entfaltet (vgl. EuGH, Urteil vom 16.12.1992 - C-237/91 - [Kus], InfAuslR 1993, 41). Dies gilt auch in Bezug auf die Titelfunktion des § 81 Abs. 4 AufenthG (vgl. Renner, a.a.O., § 4 AufenthG, Rn. 117 m.w.N.). Etwas anderes folgt hier auch nicht daraus, dass über die am 25.05.2009 gegen das Land Baden-Württemberg erhobene Klage des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (11 K 2004/09) noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Zwar können Zeiten der Arbeitstätigkeit, in denen der Betreffende lediglich über ein fiktives Aufenthaltsrecht verfügt hat, später - rückwirkend - doch wieder als Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung zu berücksichtigen sein, wenn in der Folge eine positive behördliche oder gerichtliche Entscheidung getroffen wird. Denn dann werden die zurückliegenden Beschäftigungszeiten anrechnungsfähig (EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], a.a.O.), und zwar gegebenenfalls selbst dann, wenn während kurzer Zeiträume kein Aufenthaltstitel und auch keine Fiktionswirkung bestand, etwa weil der Betreffende eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erst kurz nach Ablauf der geltenden Aufenthaltserlaubnis beantragt hatte (EuGH, Urteil vom 16.03.2000 - C-329/97 - [Ergat], InfAuslR 2000, 217). Diese Fragen können hier jedoch dahingestellt bleiben. Denn es ist wegen des vom Kläger verwirklichten Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 5 AufenthG (dazu unten) offensichtlich, dass er keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Niederlassungserlaubnis oder auf Verlängerung der früher bestehenden Aufenthaltserlaubnis hat (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 AufenthG). Abgesehen davon kommt es darauf auch deshalb nicht an, weil die Fiktionswirkung entsprechend § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG jedenfalls mit Bekanntgabe der Ausweisung vom 10.06.2010 – und damit vor Ablauf eines Jahres seit Beginn der Tätigkeit am 01.07.2009 und Erreichen einer Position nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 – erloschen ist. Zwar kommt der vom Kläger gegen die Ausweisung erhobenen Klage aufschiebende Wirkung zu, weil das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19.11.2010 - 11 K 2430/10 - auch insoweit die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt hat. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lassen jedoch Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit unter anderem der Ausweisung unberührt, solange diese nicht unanfechtbar aufgehoben worden ist.
II.
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Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG sind erfüllt.
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Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Die Zugehörigkeit zu einer entsprechenden Vereinigung oder ihre Unterstützung muss danach nicht erwiesen sein, es genügt das Vorliegen von Tatsachen, die die entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen. Dass es sich dabei um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, muss hingegen feststehen (Bay.VGH, Urteil vom 22.02.2010 - 19 B 09.929 - juris, bestätigt mit Urteil des BVerwG vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -).
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1. Zunächst sind das Verwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Stuttgart zu Recht davon ausgegangen, dass die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen sind (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - VBlBW 2011, 478, und vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris sowie Beschlüsse des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - und vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - InfAuslRAuslR 2011, 105). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie selbst ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln – wie dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen und mit Angriffen auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele – verfolgt (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris, m.w.N.; vgl. im Einzelnen zum Begriff des Terrorismus GK-AufenthG, Stand: Sept. 2011, § 54 Rn. 436 ff.). Das ist bei der PKK in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis heute der Fall. Insbesondere verzichtete die PKK auch während der Phase des 1999 ausgerufenen und 2004 wieder beendeten „Friedenskurses“ nicht auf Gewalt. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - 1 A 111/09 - InfAuslR 2011, 37) und ändert nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei (so etwa am 22.06.2010 in Istanbul, vgl. ZEIT-ONLINE vom 23.06.2010: www.zeit.de/politik/ausland/2010-06/kurden-tuerkei-politik; WELT ONLINE vom 22.06.2010 www.welt.de/politik/ausland/ article8142791/Tuerkei-Touristen-im-Fadenkreuz-kurdischen-Terrors.html; am 27. und 28.08 2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, vgl. SPIEGEL ONLINE vom 28.08.2006 www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,434039,00.html) oder der Entführung Unbeteiligter (vgl. zur Entführung von drei deutschen Staatsangehörigen am Berg Ararat am 08.07.2008 SPIEGEL ONLINE vom 09.07.2011: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,564783,00.html). Insoweit wird ergänzend auf die ausführliche und zutreffende Darstellung im angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums vom 10.06.2010 verwiesen (vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ., „Ausländerextremismus“, August 2007, S. 9 ff., sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)“, März 2007). Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP – ABl. L 116, S. 75). Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 - InfAuslR 2011, 40; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.2010 - 1 B 24.10 - juris; noch offengelassen im Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).
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2. Ob der Kläger der PKK „angehört“ im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, kann hier offen bleiben. Denn aus den vorliegenden Tatsachen ist jedenfalls die Folgerung gerechtfertigt, dass er diese seit vielen Jahren in mehrfacher Weise unterstützt hat und weiter unterstützt.
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Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -BVerwGE 123, 114 - zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O., m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O.; Urteile des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris und vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.).
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Nach diesen Grundsätzen liegen hier eine Vielzahl von Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen (a) und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten PKK-nahen Aktionen und Veranstaltungen (b). Dabei sind entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch die länger zurückliegenden Tatsachen noch zu berücksichtigen (c).
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a) Zunächst steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die kurdischen Vereine in H..., in denen der Kläger Vorstandsmitglied war, den Terrorismus unterstützen. Dabei zu berücksichtigen, dass - wie dargelegt - bereits jede Tätigkeit als tatbestandliches Unterstützen anzusehen ist, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der betreffenden Vereinigung, hier der PKK, auswirkt.
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aa) Der Verein „Kurd... V...“ e.V. wurde in den 1990-er Jahren gegründet und im Jahr 2000 wieder aufgelöst. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich deutlich gemacht, dass er in dem im Anschluss gegründeten „Kurd... K...“ und in dem derzeit bestehenden Verein „Kurd... G...“ Nachfolgevereine des Vereins Kurdx ... V...“ sieht. Es handle sich um „den Verein“, in welchem er bis heute Mitglied sei und mit seinen Familienangehörigen jedes Wochenende verbringe. Er hat damit die entsprechende Einschätzung des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, die in der mündlichen Verhandlung von dem angehörten Mitarbeiter I.V. weiter erläutert worden ist, bestätigt. Der Kläger ist in einer Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 in den Vorstand des Vereins „K... V...“ gewählt worden und war als solcher für die Bücherei des Vereins zuständig. Darauf hat er sich auch in seinem Asylverfahren berufen und geltend gemacht, dass ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei Verfolgung drohe (Schriftsatz vom 01.07.1997 zum Verfahren A 3 K 12680/98).
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Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder – nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM – für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010“ im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.
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Hinzu kommen die Veranstaltungen, die vom Verein „Kurd... V...“ durchgeführt wurden, so zum Beispiel aus der Zeit, in der der Kläger Vorstandsmitglied war, eine Demonstration zum Newroz-Fest am 20.03.1998. In einem Bericht der Stadt H... vom 29.04.1998 über diese Demonstration wird dargelegt, dass Fahnen mit Symbolen der PKK gezeigt worden seien. Nach Einschätzung der Polizei und der Stadt H... habe nicht das Thema „Newroz-Fest“ im Vordergrund gestanden, sondern das Thema „Politische Lösung der kurdischen Frage und Aufhebung des Verbots der PKK“. Wie sich außerdem einem Bescheid der Stadt H... vom 14.05.1998 über das Verbot einer für den 17.05.1998 im Schlachthof in H... geplanten Veranstaltung entnehmen lässt, wurde zu dieser angeblichen „Folkloreveranstaltung“ mit Flugblättern der ENRK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans, eine Organisation der PKK) eingeladen. In den Räumen des Vereins wurde dafür mit einem Aushang mit dem Text „Sieg im Frieden, Freiheit im Leben, Volksversammlung wird stattfinden. Ort = Schlachthof“ geworben. Herr I.V. vom Landesamt für Verfassungsschutz hat zudem in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren überzeugend dargelegt, dass „der Verein“ in H... – derzeit die „Kurd... G...“ – seit Jahren durch regelmäßige PKK-Veranstaltungen auffalle. Er rufe immer wieder zu Veranstaltungen und zu Kundgebungen auf, die inhaltlich die PKK, Abdullah Öcalan als PKK-Führer u.ä zum Thema hätten. Insofern trete der Verein immer wieder aktiv auf und führe diese Kundgebungen durch. Bei den Veranstaltungen würden PKK-Slogans skandiert, es werde die Freilassung Öcalans und die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert und die Türkei werde als terroristischer Staat bezeichnet. Das alles seien für das Landesamt für Verfassungsschutz Indizien, um die entsprechende Veranstaltung – anders als normale kulturelle Veranstaltungen von Kurden – als „PKK-nah“ anzusehen. Schließlich existierten auch zahlreiche andere kurdische Vereine, die vom Verfassungsschutz nicht als „PKK-nah“ eingestuft würden, etwa solche, die dem Dachverband der KOMKAR (Verband der Vereine aus Kurdistan) angehörten. Es gebe also eine Alternative. Der Verein in H... wie auch andere PKK-nahe Vereine fielen dadurch auf, dass sie sich stets und immer wieder PKK-spezifischen Themen annähmen. Das ziehe sich seit den 1980er-Jahren wie ein „roter Faden“ durch die Betätigung des Vereins.
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bb) Dass sich auch der Verein „Gebetshaus E... ... - I... ... e.V., H...“ – in dessen Vorstand der Kläger erstmals im Dezember 1998 (als stellvertretendes Vorstandsmitglied) und erneut im Mai 2002 (als 2. Vorsitzender des Vorstands) gewählt worden war – der PKK verbunden gefühlt hat, folgt bereits aus dem Formular zur Anmeldung des Vereins am 29.04.1998 bei der Stadt H... Darin wird ausgeführt, „Wir glauben, dass die kurdische Sache unter Führung der PKK gelöst wird“ und „Abgrenzung zum Kurd... V... e.V. durch Schwerpunkt Religion“. Auch wird als Zweck des Vereins angegeben „Versammlung von allen Kurden, auch revolutionäre Kurden, unter einem Dach“. Außerdem verdeutlicht die vorliegende Stellungnahme des Bundeskriminalamts, Stand 11/2006, „Religiöse Vereinigungen innerhalb der PKK“ die Anbindung auch dieses Vereins an die PKK. Danach sei im Zuge des 4. Parteikongresses der PKK im Dezember 1990 die Gründung der Union der patriotischen Gläubigen aus Kurdistan (kurz: YOWK, ab 1991 YDK), einem Dachverband von Muslimen, beschlossen worden. 1993 sei die Umbenennung in „Islamischer Bund Kurdistans - HIK“ bzw. „Islamische Bewegung Kurdistans - KIH“ erfolgt. Die regionale Aufteilung sei in drei Funktionsbereiche, darunter eine Föderation in Süddeutschland mit Sitz in Heilbronn, erfolgt. Im Mai 2005 sei eine erneute Umbenennung, diesmal in „Islamische Gesellschaft Kurdistans - CIK“ beschlossen worden. Nach Auffassung des Bundesamts für Verfassungsschutz sei die CIK/HIK eine Massenorganisation der PKK, über die muslimische Kurden an die PKK gebunden werden sollen. In der Herbstausgabe der Baweri, dem seit 1995 erscheinenden Publikationsorgan der CIK/HIK, werde diese als eine religiös-politische Kampfesbewegung bezeichnet, die den nationalen Befreiungskampf Kurdistans unterstütze. In diesem Rahmen rufe sie regelmäßig zu Spenden oder Kampagnen auf, wie beispielsweise zur Sammlung von Spenden für kurdische Bedürftige und Waisen oder der Opferkampagne. Zu den der CIK/HIK angehörenden Moschen gehöre u.a. die „Mizgevta E... ...“ in H... ... Die Anbindung der CIK/HIK an die PKK und deren Abhängigkeit von der Organisation werde auch durch verschiedene Asservate belegt. In einem Fazit heißt es, die PKK unterhalte eine Vielzahl von Organisationen, mit deren Hilfe sie ihren Einfluss auf alle Lebensbereiche auszudehnen versuche. In ihrem Bestreben, auch die religiösen Gruppierungen der Kurden in ihren Strukturen einzubinden, habe sie die Gruppe der Muslime durch die CIK/HIK an ihre Organisation angebunden. Die Verlautbarungen führender Parteikader sowie die Organisationsbeschlüsse belegten die strukturelle Anbindung an die CDK (Nachfolgeorganisation der YDK) und damit an eine in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegte Organisation.
50 
Ist danach davon auszugehen, dass beide ausländerrechtlichen Vereine, in deren Vorstand der Kläger gewählt war, die PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen unterstützt haben, so ist dem Kläger diese Unterstützung bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied zuzurechnen, ohne dass der Frage seiner tatsächlichen inneren Einstellung weiter nachgegangen werden müsste (vgl. zu § 11 StAG: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - VBlBW 2009, 29, m.w.N). Davon abgesehen greift § 54 Nr. 5 AufenthG auch in Fällen, in denen der Betreffende einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, hier dem Verein „Kurdx... V...“ und der „E... ...“, d.h. es kommt auch deshalb nicht darauf an, ob und in welchem Umfang er persönlich Unterstützung geleistet hat.
51 
b) Hinzu kommt, dass schon allein wegen der Teilnahme des Klägers an diversen PKK-nahen Veranstaltungen davon auszugehen ist, dass er die PKK unterstützt hat und bis heute unterstützt. Denn er war bei einer Reihe von Veranstaltungen, die geeignet sind, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und Organisationen im politischen Umfeld zu stärken. Diese Teilnahmen sind daher bereits für sich genommen ohne Weiteres als selbstständige Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, die zum Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führen. Umso mehr gilt dies bei einer Gesamtschau aller festgestellten Aktivitäten des Klägers einschließlich der Vorstandstätigkeiten in den Vereinen.
52 
Zu den Veranstaltungen, deren Besuch als Unterstützung der PKK anzusehen ist, gehören insbesondere die Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK. Nach den Mitteilungen des Landesamts für Verfassungsschutz hat der Kläger in den Jahren 2005, 2007, 2008 und 2009, jeweils in I... bei H..., den 27., 29., 30. und den 31. Gründungsjahrestag der PKK mitgefeiert. Dies wurde von ihm in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt. Nach den Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz seien bei diesen Feiern Fahnen der KONGRA-GEL bzw. der KCK oder der KKK und Bilder Öcalans aufgehängt gewesen bzw. entrollt worden (27.11.2005, 23.11.2008 und 27.11.2009), Filme über das Leben des Öcalan (27.11.2005 und 23.11.2008) oder die Guerilla (27.11.2009) vorgeführt und jeweils Reden über die PKK gehalten worden – zum Beispiel mit einem Überblick über die Entwicklung der PKK seit deren Gründung (23.11.2008). Regelmäßig werde die Bedeutung der PKK für die Kurden in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hervorgehoben. Zudem werde regelmäßig die PKK-Guerilla positiv herausgestellt, wenn nicht gar glorifiziert, indem zum Beispiel - wie im Jahr 2009 - ein Film über diese gezeigt werde (vgl. Bericht des LfV vom 17.12.2010). Solche Veranstaltungen haben in spezifischer Weise Propagandacharakter und dienen erkennbar der Förderung und Stärkung der PKK. Mit dem Besuch zeigt der Teilnehmer seine Anhängerschaft und fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger (vgl. Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -). Typisch für PKK-nahe Veranstaltungen ist auch der Personenkult um den in der Türkei inhaftierten PKK-Vorsitzenden Öcalan. Seiner Person kommt nach wie vor ein Symbolgehalt auch für den bewaffneten Kampf der PKK gegen den Staat zu (BVerwG, Beschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - a.a.O.). Es ist daher auch bezeichnend, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Fragen zu dem vom Landesamt für Verfassungsschutz geschilderten Ablauf der Veranstaltung zum 31. Gründungsjahrestag der PKK am 27.11.2009 und nach dem Hinweis darauf, dass dort auch ein Film über den Guerilla-Kampf und Öcalan vorgeführt worden sei, entgegnete: Man brauche ihm nicht zu sagen, dass in diesem Saal ein Bild von Öcalan angebracht gewesen sei; Öcalan sei in seinem Herzen.
53 
Ebenso als Unterstützung der PKK zu werten ist der Besuch einer Veranstaltung am 17.08.2008 anlässlich des 24. Jahrestages der Gründung des militärischen Arms der PKK, bei welchem in einer Rede Öcalan und die PKK gewürdigt worden seien.
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Besonders ins Gewicht fallen auch die vom Kläger nicht in Abrede gestellten Besuche bei so genannten Volksversammlungen in den Räumlichkeiten des „Kurd... K...“ bzw. der „Kurd... G... H...“ am 17.12.2005, 30.03.2008 und am 28.02.2010. Den vorliegenden Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz (vgl. vor allem Bericht vom 17.12.2010) lässt sich entnehmen, dass es – anders als bei Vereinsversammlungen, die sich schwerpunktmäßig mit Vereinsthemen beschäftigten – bei Volksversammlungen thematisch im Wesentlichen um den mit einem Betätigungsverbot belegten und deshalb streng konspirativ arbeitenden Teil der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen gehe. Demgemäß dienten Volksversammlungen in erster Linie der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Meist halte ein hochrangiger PKK-Funktionär eine „emotionalisierende“ Rede, die durchaus ein bis zwei Stunden dauern könne. Dabei würden die Zuhörer über alle Aspekte, die die PKK beträfen, ausführlich informiert, insbesondere über Verlautbarungen, Haftbedingungen und Gesundheitszustand des PKK-Führers Öcalan, Anweisungen der Organisation, Lageentwicklung in der Türkei, in Deutschland und in Europa und aktuelle Kampagnen. Sie würden außerdem unter Hinweis auf die angebliche patriotische Verpflichtung zur Teilnahme an entsprechenden Aktionen aufgerufen. Häufig legten in Volksversammlungen Frontarbeiter und Aktivisten Rechenschaft gegenüber höherrangigen Funktionären ab und übten dabei gegebenenfalls – bei Schlechterfüllung ihrer Pflichten – entsprechende Selbstkritik. Bei der Versammlung am 28.02.2010 sei nach einer Gedenkminute für die verstorbenen „PKK-Märtyrer“ die aktuelle Lage in der Türkei thematisiert und ein Bericht des Volksgebietsrats verlesen worden. Anschließend hätten die Vertreter verschiedener Kommissionen (Justiz, Außenkontakte u.ä.) des Volksgebietsrats über ihre Arbeit berichtet. Danach seien der Leiter des Volksgebietsrats und die Vertreter dieser Kommissionen neu gewählt worden. Eine Ausnahme gelte für zwei Kommissionen: Die „Vereinskommission“ bestehe „automatisch“ aus dem Vorstand der „Kurd... G...“. Die „Organisationskommission“ verfüge über 25 „Frontarbeiter“; diese Aktivisten hätten gute Arbeit geleistet.
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Hinzu kommt die Teilnahme des Klägers an Treffen, bei denen der gefallenen und verstorbenen PKK-Kämpfer oder -Aktivisten gedacht wird (18.05.2008 und ...2008). Wie dem Senat aus einer Reihe anderer Verfahren bekannt ist, sind gerade auch solche Märtyrergedenkveranstaltungen ein wesentliches Element zur Herstellung eines engeren ideologischen und emotionalen Zusammenhalts der PKK-Mitglieder und PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vgl. zum Märtyrerkult bei der PKK auch BVerwG, Beschluss vom 24.02.1010 - 6 A 7.08 - a.a.O.).
56 
Bezeichnend ist der Besuch von Versammlungen anlässlich des Geburtstages von Öcalan (06.04.2003, 03.04.2005). Auch hat der Kläger ausweislich der Feststellungen des Landesamts für Verfassungsschutz an mehreren Demonstrationen zu verschiedenen Anlässen (05.02.2005, 28.01.2006, 16.02.2007, 27.10.2007, 25.10.2008, 20.11.2010) teilgenommen, bei denen jeweils Rufe wie „ Es lebe Öcalan“, „Hoch leben Apo“ oder „PKK“ skandiert und „Freiheit für Öcalan“ gefordert wurde. Bei einer „Kurdistan-Solidaritätsdemonstration“ in H... am 20.11.2010 seien auch Parolen wie „Die PKK ist das Volk, das Volk ist hier“ gerufen und Plakate bzw. Transparente mit der Aufschrift „Freiheit für Öcalan – Frieden für Kurdistan“ mitgeführt worden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt, an dieser Veranstaltung vom 20.11.2010 teilgenommen zu haben, und darüber hinaus erklärt, er nehme an (allen) „offiziell genehmigten Demonstrationen“ teil. Es sei um die Freiheit der Kurden gegangen.
57 
Tatsächlich ist bei der Teilnahme an Demonstrationen besonders zu beachten, dass nicht unverhältnismäßig in das Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.; Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.). Zum einen können aber auch Aktivitäten, die dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen, das Tatbestandsmerkmal des Unterstützens im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllen (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.). Zum anderen ging es bei diesen Demonstrationen nicht nur um Themen, die nicht ausschließlich von der PKK besetzt sind – wie die Forderung eines unabhängigen Kurdistans, die Kritik am Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen die kurdisches Zivilbevölkerung, die Anmahnung der Einhaltung von Menschenrechten, oder auch die Kritik an Haftbedingung politischer Gefangener einschließlich Öcalans – sondern um die Bekundung der Anhängerschaft zu Öcalan und der PKK durch entsprechende Parolen und Transparente. Damit bestand eine klare politisch-ideologische Verbindung zur PKK und ihren Zielen bzw. ihren Mitteln zur Durchsetzung dieser Ziele, zu denen auch der Terror zählte und zählt. Dies war und ist auch für den Kläger erkennbar. Er hat dazu in der mündlichen Verhandlung erklärt, es sei ihm egal, welche Parolen gerufen und welche Transparente getragen würden; er selbst habe weder Parolen gerufen noch Plakate getragen. Wie ausgeführt, kommt es darauf jedoch nicht an. Auch überzeugt die Erklärung des Klägers nicht, er habe die Plakate bzw. Transparente nicht lesen können, weil er dann von vorne gegen die Demonstration hätte laufen müssen. Jedenfalls konnte ihm die Solidarisierung mit der PKK schon vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen bei ähnlichen Veranstaltungen und den offensichtlich eindeutigen Parolen nicht entgehen, so dass ihm diese zuzurechnen ist.
58 
Vor dem Hintergrund des Charakters und der Vielzahl der vom Kläger besuchten anderen Veranstaltungen, wie den Volksversammlungen, den Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK und dem Geburtstag von Öcalan sowie den Märtyrergedenkfeiern, ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Urteil, es wären zusätzliche Erkenntnisse darüber erforderlich, was der Kläger bei den Veranstaltungen getan habe, unzutreffend. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts waren bereits zum Zeitpunkt von dessen Entscheidung mehr als 13 Beteiligungen des Klägers an Veranstaltungen bekannt. Inzwischen sind es 20, die vom Landesamt für Verfassungsschutz benannt worden sind. Wie ausgeführt, kommt es zudem auf Anlass und Charakter der betreffenden Veranstaltungen an. In Anbetracht des konkreten Falles ist jedenfalls der Hinweis des Verwaltungsgerichts unverständlich, man könne einer Versammlung oder Veranstaltung auch „kopfschüttelnd“ zu Informationszwecken beiwohnen, ohne eine „unterstützende Haltung“ durch Applaus, Rufen von Parolen, Tragen von Schildern oder Transparenten einzunehmen. Dabei wird verkannt, dass bereits die regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen wie den angeführten, welche erkennbar auch dazu dienen, die PKK einschließlich ihrer terroristischen Aktionen zu fördern, eine Unterstützung der PKK darstellt. Die durch die – auch rein passive – Teilnahme ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung in der Gesellschaft, hier insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.).
59 
Soweit der Kläger vorträgt, die Vereine, bei denen er Mitglied gewesen und auch heute noch Mitglied sei und in deren Vorstand er gewesen sei, seien nicht verboten gewesen, er sei doch kein Terrorist und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach weder darauf an, dass die in Frage stehende Vereinigung verboten ist noch darauf, dass die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.).
60 
In Anbetracht der bereits zur Überzeugung des Senats festgestellten Umstände kommt weiteren länger zurückliegenden Tatsachen wie etwa der Ingewahrsamnahme des Klägers anlässlich der Besetzung des griechischen Generalkonsulats nach der Festnahme von Öcalan am 16.02.1999 und der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung im Jahr 2001 nur noch eine das Gesamtbild abrundende Bedeutung zu.
61 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger im Übrigen keinen Zweifel an seiner Verehrung von Abdullah Öcalan und seiner Anhängerschaft zur PKK gelassen. Er hat deutlich gemacht, dass er auf Veranstaltungen wie die angeführten, auch solche zur Feier des Gründungsjahrestages der PKK, weiter gehen werde, solange diese nicht verboten seien. Seiner Meinung nach trete die PKK – wie auch er selbst – für die Freiheit der Kurden ein und sei nicht terroristisch. Wenn man die PKK als terroristisch ansähe, wäre er auch ein Terrorist. Soweit der Kläger mehrmals darauf hingewiesen hat, dass er aber kein „Vertreter“ der PKK sei, verkennt er, dass es darauf nicht ankommt.
62 
c) Die hiernach maßgeblichen Umstände – die Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeiten in den Vereinen „Kurd... V...“ und „E... ...“ und die beschriebenen Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen – sind auch noch zu berücksichtigen, soweit sie bereits länger zurückliegen.
63 
Das Verwertungsverbot für getilgte Strafen nach § 51 Abs. 1 BZRG kann schon deshalb nicht greifen, weil der Kläger wegen der angeführten Umstände bzw. Aktivitäten nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Ob seine Teilnahme an einer Demonstration der PKK in Dortmund am 16.03.1996 noch berücksichtigt werden könnte, obwohl die deswegen gegen den Kläger mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.03.1998 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot verhängte Geldstrafe bereits aus dem Bundeszentralregister getilgt ist, kann hier offen bleiben. Denn auf diese Tat kommt es in Anbetracht der Vielzahl von sonstigen maßgeblichen Tatsachen – wie die Teilnahme an den angeführten Veranstaltungen 2002 bis 2010 und die Vorstandstätigkeit sowie die Mitgliedschaft in den kurdischen Vereinen in H... – hier nicht an. Jedenfalls ist weder bei Unterstützungshandlungen, die strafbar gewesen wären, aber nicht zu einer Verurteilung geführt haben, noch bei den nicht mit einer Strafe bewehrten Aktivitäten eine „fiktive Tilgung“ mit der Folge eines Verwertungsverbots nach § 51 Abs. 1 BZRG vorzunehmen (ausführlich dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 Bs 2/10 - InfAuslR 2011, 193, m.w.N.; zu den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 1491/05 - AuAS 2011, 89; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2011 - 5 N 30.08 - juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 -, juris – auch zum Fall einer möglichen Atypik im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
64 
Die länger zurückliegenden Tätigkeiten des Klägers sowie insbesondere seine Stellung als Vorstand in den Vereinen sind auch nicht aus anderen Gründen nicht mehr „verwertbar“. Insbesondere bestehen keinerlei Anhaltspunkte für einen „Verbrauch“, etwa weil die Ausländerbehörde dem Kläger in Kenntnis der Ausweisungsgründe einen Aufenthaltstitel erteilt hätte (vgl. dazu GK-AufenthG, a.a.O., § 5 AufenthG Rn. 106 ff., m.w.N.). Soweit im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14.02.2011 die Aktivitäten des Klägers und seine Tätigkeiten in den Vereinsvorständen in solche bis zum Jahr 2002 und solche danach aufgeteilt und nur die neueren berücksichtigt worden sind, ist diese Aufteilung nicht nachvollziehbar. Da der Kläger noch im Mai Jahr 2002 als 2. Vorsitzender in den Vorstand des Vereins „E... ...“ gewählt wurde und diese Funktion danach mindestens ein Jahr lang - so seinen eigenen Angaben nach -, ausweislich des Vereinsregisters sogar bis zur Löschung des Vereins im Jahr 2007 innehatte, hätte diese Vorstandsmitgliedschaft ohnehin mit einbezogen werden müssen. Jedenfalls fehlt es schon in Anbetracht der bis heute andauernden Aktivitäten des Klägers in und für PKK-nahe Vereine in H... bzw. für die PKK und seiner fortdauernden Mitgliedschaft in den Nachfolgevereinen des Vereins „Kurd... V...“ an einer Zäsur, die zur Folge haben könnte, dass frühere Unterstützungshandlungen nicht mehr berücksichtigt werden könnten.
65 
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die des § 54 Nr. 5a AufenthG) grundsätzlich weder vom Wortlaut noch nach deren Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefährdung voraussetzt. Eine “gegenwärtige Gefährlichkeit“ muss nur dann festgestellt werden, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind (ausführlich dazu Urteile des Senats vom 25.05.2011- 11 S 308/11 - und vom 21.04.2010 - 11 S 200/11 - jew. a.a.O.). Wegen der fortdauernden Unterstützungshandlungen des Klägers und seiner ständigen Präsenz bei lokalen PKK-Veranstaltungen liegt eine solche im Übrigen hier eindeutig vor.
III.
66 
Die Entscheidung, den Kläger wegen des Vorliegens des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG auszuweisen, lässt sich rechtlich nicht beanstanden.
67 
1. Das Regierungspräsidiums ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 55 AufenthG über die Ausweisung zu entscheiden hat.
68 
a) Offen bleiben kann, ob schon deshalb Ermessen auszuüben ist, weil eine Ausnahme von der Regel des § 54 AufenthG gegeben ist. Allerdings geht das Regierungspräsidium zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst davon aus, dass der Kläger jedenfalls derzeit „aus familiären Gründen“ (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK), und zwar vor allem im Hinblick auf sein jüngstes, noch minderjähriges Kind A..., welches die deutsche Staatsangehörigkeit hat, nicht abgeschoben werden kann. Mit Schreiben vom 02.12.2011 hat das dafür zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe erklärt, dass dem Kläger daher eine Duldung erteilt werde. Das Vorliegen eines Duldungsgrundes oder eines Abschiebungsverbots führt zwar nicht zur Unzulässigkeit einer Ausweisung, kann aber atypische Umstände in Bezug auf den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG begründen (so zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG: Beschluss des Senats vom 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - InfAuslR 2011, 19; Urteil des Senats vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - a.a.O., m.w.N.¸ vgl. zur Atypik auch GK-AufenthG, a.a.O., § 54 AufenthG Rn. 50 ff., 124 ff.) mit der Folge, dass der Betreffende nur nach Ermessen ausgewiesen werden kann. Ob deshalb oder aus anderen Gründen von einer Atypik auszugehen ist, bedarf hier aber keiner anschließenden Klärung.
69 
b) Denn die Entscheidung über die Ausweisung des Klägers hat bereits mit Blick auf den dem Kläger zustehenden besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG nach Ermessen zu erfolgen.
70 
Zwar liegen die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG unstreitig nicht vor, weil der Kläger nicht „im Besitz“ einer Niederlassungserlaubnis ist. Weil er mit seinem jüngsten, am ...2005 geborenen deutschen Sohn A... in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, kommt ihm aber nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG besonderer Ausweisungsschutz zu. Er kann daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen solche Gründe in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 AufenthG vor. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ist in Fällen, in denen die Voraussetzungen des § 54 AufenthG vorliegen, nach Ermessen über die Ausweisung zu entscheiden.
71 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Sept. 2011, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Hartnäckigkeit und Unbelehrbarkeit, mit der der Kläger trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter an PKK-nahen Veranstaltungen teilgenommen hat, und der in der mündlichen Verhandlung von ihm demonstrierten tiefen Verehrung von Öcalan und Anhängerschaft zur PKK ist damit zu rechnen, dass der Kläger weiter die PKK unterstützt.
72 
2. Die danach erforderliche Ermessensentscheidung ist vom Regierungspräsidium in rechtlich nicht zu beanstandender Weise getroffen worden (§ 114 Satz 1 VwGO).
73 
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris, m.w.N.). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umstände auch andere gewichtige persönlichen Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Im Übrigen sind bei der nach § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG zur Ermessensausweisung herabgestuften Regelausweisung die vom Ausländer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits und dessen private schutzwürdige Belange andererseits auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367, Beschluss vom 21.01.2011 - 1 B 17.10, 1 PKH 8/10 - juris, vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - NVwZ 2007, 1300).
74 
Danach sind hier zugunsten des Klägers in erster Linie seine Familie bzw. seine familiären Bindungen zu berücksichtigen. Seine Ehefrau und fast alle Kinder sind im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Nicht nur der jüngste Sohn A... ist deutscher Staatsgenhöriger; vielmehr hat sich nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat inzwischen auch seine älteste Tochter einbürgern lassen, bei einer anderen laufe derzeit das Einbürgerungsverfahren. Der Kläger hat berichtet, noch mit allen Kindern in einem Haushalt zu leben. Diesen Umständen, denen sicherlich eine aufenthaltsrechtlich erhebliche und weitreichende, durch Art. 6 Abs. 1 Abs. 2 GG und Art. 8 EMRK vermittelte Schutzwirkung zukommt, hat das Regierungspräsidium Stuttgart jedoch hinreichend Rechnung getragen. Im Rahmen der von ihm angestellten und in späteren Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung ergänzten umfassenden Ermessenserwägungen hat es auch alle anderen relevanten Belange eingestellt und zutreffend gewichtet.
75 
Zwar hat das Regierungspräsidium in der Ausgangsentscheidung noch angenommen, dass der Kläger auch tatsächlich ausreisen müsse. Es hat aber später allein darauf abgestellt, dass er mit Rücksicht auf seine familiäre Situation nicht abgeschoben werden könne. Im Hinblick darauf ist dem Kläger inzwischen die Duldung aus familiären Gründen erteilt worden. In der mündlichen Verhandlung ist zudem die im Bescheid vom 10.06.2010 verfügte Abschiebungsandrohung aufgehoben worden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger bis auf Weiteres – das bedeutet jedenfalls solange seinen familiären Belangen insbesondere im Hinblick auf das jüngste deutsche Kind keine geringere Bedeutung einzuräumen ist oder sich andere maßgebliche Umstände ändern – zumindest geduldet wird und seine Familie nicht verlassen muss. Die Ausweisung ist damit schon deshalb auch im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK als verhältnismäßig anzusehen.
76 
Die Entscheidung, den Kläger auszuweisen, begegnet auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil sich das in erster Linie mit einer Ausweisung verfolgte Ziel, die von dem betreffenden Ausländer ausgehende (Wiederholungs-) Gefahr mit der Ausreise zu bannen, hier bis auf Weiteres nicht verwirklichen lässt. Denn immerhin wird mit der Ausweisung zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst bzw. der Erlass entsprechender Überwachungsmaßnahmen ermöglicht (Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.; vgl. auch Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O., ebenso Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 - InfAuslR 2005, 49).
77 
Auch die sonstigen Ermessenserwägungen des Regierungspräsidiums sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vertreterin des beklagten Landes hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Ausweisungsverfügung selbstständig tragend auf den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt sei und dass für diese schon allein die angestellten spezialpräventiven Erwägungen ausschlaggebend seien. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Klägers und schutzwürdige persönliche wirtschaftliche und sonstige Bindungen (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG) wurden eingestellt und zutreffend gewürdigt. Dabei durfte zu Lasten des Klägers berücksichtigt werden, dass dieser nur sehr schlecht Deutsch spricht, lediglich wechselnden und unqualifizierten Berufstätigkeiten nachgegangen ist und offensichtlich bis heute nur im Umfeld seiner kurdischen Landsleute und „des Vereins“ Umgang und Bekanntschaften pflegt.
78 
Beim Kläger handelt es sich zwar um keine führende Persönlichkeit in der PKK. Angesichts seiner jahrelangen Unterstützung der PKK, der beschriebenen Hartnäckigkeit, mit der er trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter einschlägige Veranstaltungen besucht hat, und der deshalb weiter bestehenden gegenwärtigen Gefährlichkeit im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erweist sich die Ausweisung aber auch in Ansehung des langjährigen Aufenthalts des Klägers und insbesondere seiner familiären Bindungen nicht als unverhältnismäßig, und zwar selbst dann, wenn der Kläger nicht weiter geduldet würde (vgl. dazu auch die vom EGMR entwickelten sog. „Boultif/Üner-Kriterien, mit denen die Verhältnismäßigkeitsprüfung plausibel und operationabel gemacht werden kann; vgl. Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 - [Boultif] InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - 46410/99 - [Üner] NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - 1683/04 - [Maslov II] InfAuslR 2008, 333, vom 25.03.2010 - 40601/05 - [Mutlag] InfAuslR 2010, 325, und vom 13.10.2011 - 41548/06 - [Trabelsi]).
IV.
79 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
80 
Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht odernicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
81 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/ Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
82 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
83 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).
84 
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
85 
Die hier vom Senat allein zu beurteilende Ausweisungsverfügung bleibt nach dem Vorgesagten aber hiervon unberührt.
B)
86 
Die Klage gegen die die Meldeauflage sowie die räumliche Beschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids vom 10.06.2010 ist vom Verwaltungsgericht zu Recht als zulässig angesehen worden. Beide Verfügungen stellen die gesetzlichen Pflichten des § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. § 54a Abs. 2 AufenthG konkretisierende Regelungen dar (ebenso Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.).
87 
Die Klage ist jedoch auch insoweit unbegründet. Zwar setzen beide Maßnahmen voraus, dass die Ausweisung sofort vollziehbar ist (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 29.11.2010 - 11 S 2481/10 - juris). Dementsprechend wurde auch unter Ziffer 5 des Bescheids vom 10.06.2011 die sofortige Vollziehung angeordnet, weshalb zum Zeitpunkt ihres Erlasses die Verfügung unter dem hier zu behandelnden Aspekt nicht zu beanstanden war. Allerdings wurde mit Beschluss des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 19.11.2010 (11 K 2430/10 - juris) unter anderem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausweisung wiederhergestellt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung nunmehr allein wegen der fehlenden Vollziehbarkeit der Ausweisung vorübergehend als rechtswidrig anzusehen wären. Denn mit Eintritt der Rechtskraft des Senatsurteils wäre die Erlassvoraussetzung der Vollziehbarkeit wieder erfüllt. Namentlich müsste in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden in einem von den Beteiligten angestrengten Revisionsverfahren das Bundesverwaltungsgericht, dessen Entscheidung mit ihrem Erlass notwendigerweise rechtkräftig wird, die Klage gegen die auf § 54a AufenthG gestützten Maßnahmen als unbegründet abweisen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung galt bzw. gilt lediglich vorläufig – bis zum Eintritt der Bestands- bzw. Rechtskraft der Ausweisung. Dies legt ein Verständnis der aufschiebenden Wirkung nahe, nach welchem auch die Folgemaßnahmen nach § 54a AufenthG vom Wiedereintritt der aufschiebenden Wirkung bis zur Rechtskraft der Entscheidung bezüglich der Ausweisung in ihrer Wirksamkeit nur vorläufig suspendiert sind, selbst wenn die aufschiebende Wirkung insoweit nicht ausdrücklich angeordnet wurde (ebenso zu vergleichbaren verwaltungsverfahrensrechtlichen Konstellationen Kopp/ Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 80 Rn. 31; Bader, VwGO, 5. Aufl. 2011, § 80 Rn. 23). Schließlich würden die Meldepflicht und die räumliche Beschränkung nach § 54a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG auch ohne Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt, wie sie hier erfolgt ist, unmittelbar mit der Vollziehbarkeit der Ausweisung kraft Gesetzes (wieder) eintreten. Weitergehende Rechtswirkungen müssen der aufschiebenden Wirkung im Interesse des Betroffenen, insbesondere aus Gründen effektiver Rechtsschutzgewährung, nicht beigemessen werden.
88 
In Anbetracht der Rechtmäßigkeit der Ausweisung und der aktuell bestehenden Gefahr weiterer Unterstützung der PKK durch den Kläger lassen sich die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden; sie verstoßen insbesondere nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
89 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, 161 Abs. 2 VwGO.
90 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
91 
Beschluss
92 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
93 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
28 
Soweit die Beteiligten - nach Aufhebung der Abschiebungsandrohung unter Ziffer 2 des Bescheids vom 10.06.2010 in der mündlichen Verhandlung - den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit unwirksam (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entspr.).
29 
Im Übrigen ist die aufgrund der Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage gegen die Ausweisung unter Ziffer 1 (dazu unter A) und die Meldeauflage sowie die Aufenthaltsbeschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 (B) abweisen müssen. Denn diese Verfügungen sind zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20) rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
A.
30 
Rechtsgrundlage der Ausweisung ist § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG (I.). Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG liegen vor (II.), die Ausweisungsentscheidung lässt sich auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden (III.).
I.
31 
Das Regierungspräsidium hat diese rechtsfehlerfrei auf § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob als Rechtsgrundlage daneben § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5a oder Nr. 6 AufenthG herangezogen werden könnten.
32 
Diese Regelungen sind hier uneingeschränkt anwendbar.
33 
1. Aus der Tatsache, dass der Kläger Vater eines minderjährigen deutschen Kindes – dem am ...2005 geborenen A... A... – ist, folgt nicht, dass er wie ein Unionsbürger oder nach unionsrechtlichen Grundsätzen zu behandeln wäre.
34 
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 08.03.2011 in der Rechtssache Ruiz Zambrano (C-34/09 - InfAuslR 2011, 179) entschieden, dass dem drittstaatsangehörigen Vater eines minderjährigen Kindes mit der Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates, dem er Unterhalt gewährt, unmittelbar aus der Unionsbürgerschaft (des Kindes) nach Art. 20 AEUV ein Aufenthalts- und Arbeitsanspruch zustehen kann. Ausschlaggebend war ausweislich der Gründe der Umstand, dass die Kinder, welche Unionsbürger waren, bei einer „Verweigerung von Aufenthalt und Arbeitserlaubnis“ ihrer drittstaatsangehörigen Eltern gezwungen gewesen wären, das Unionsgebiet zu verlassen. Art. 20 AEUV sei daher dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehre, einem Drittstaatsangehörigen, der seinen minderjährigen Kindern, die Unionsbürger sind, Unterhalt gewährt, den Aufenthalt im Wohnsitzstaat und eine Arbeitserlaubnis zu verweigern, da derartige Entscheidungen diesen Kindern den tatsächlichen Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleihe, verwehren würden. Folge eines entsprechenden Aufenthaltsrechts wäre eine allenfalls eingeschränkte Anwendbarkeit der Ausweisungsvorschriften der §§ 53 ff. AufenthG (vgl. dazu Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291; allgemein zum Urteil des EuGH vom 08.03.2011: OVG NRW, Beschluss vom 29.04.2011 - 18 B 377/11 -; Hess. VGH, Beschluss vom 27.10.2011 - 6 D 1633/11 - juris). Wie auch inzwischen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 05.05.2011 in der Rechtssache McCarthy (C-434/09 - InfAuslR 2011, 268) und vom 15.11.2011 in der Rechtssache Dereci (C-256/11 - juris) deutlich machen, ist ein Aufenthaltsanspruch des Drittstaatsangehörigen aus der Unionsbürgerschaft seines Kindes – oder auch seines Ehepartners – aber nur abzuleiten, wenn der betreffende Unionsbürger andernfalls zwingend das Unionsgebiet verlassen müsste (weitergehend noch Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - a.a.O., und Beschluss des Senats vom 12.05.2011 - 11 S 765/11 - NVwZ 2011, 1213). Vorliegend kann aber das jüngste deutsche Kind des Klägers zusammen mit dessen Ehefrau, welche im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, in Deutschland bleiben und wäre daher nicht gezwungen, das Unionsgebiet zu verlassen. Ob gegebenenfalls eine Trennung des Klägers von seiner Familie, insbesondere seinem minderjährigen deutschen Kind zulässig ist, ist somit keine unionsrechtliche Fragestellung, sondern nach den allgemeinen Maßstäben (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 8 EMRK) zu beantworten.
35 
2. Eine nur beschränkte Anwendbarkeit der Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG folgt hier auch nicht aus dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: ARB 1/80; vgl. insbesondere Art. 14 ARB 1/80). Der Kläger verfügt über kein Aufenthaltsrecht gemäß der - hier allein in Betracht kommenden - Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80.
36 
Nach dem gestuften Regelungssystem des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 kann im Rahmen der ersten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 1) ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht bei einjähriger Beschäftigung nur zum Zwecke der Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses bei dem gleichen Arbeitgeber erworben werden. Im Rahmen der zweiten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 2) wird nach dreijähriger ordnungsgemäßer Beschäftigung das Recht erworben, Stellenangebote eines anderen Arbeitgebers im gleichen Beruf zu akzeptieren. Erst im Rahmen der dritten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 3), d.h. nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung, erwirbt der türkische Arbeitnehmer gemäß Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht nur das Recht, auf ein bereits existierendes Stellenangebot einzugehen, sondern auch das unbedingte Recht, Arbeit zu suchen und jede beliebige Beschäftigung aufzunehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 23.01.1997 - C-171/95 - [Tetik] InfAuslR 1997, 146). Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 berühren Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche. Entsprechendes gilt auch bei einem „unverschuldeten Arbeitgeberwechsel“ (vgl. Renner, AufenthG, 9. Aufl. 2011, § 4 AufenthG Rn. 124 f.), und zwar selbst dann, wenn keine Unterbrechung der Beschäftigung eingetreten ist. Voraussetzung ist nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 allerdings, dass die Zeiten der unverschuldeten Arbeitslosigkeit „von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind“, das bedeutet, dass sich der Betreffende arbeitslos gemeldet und der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestanden hat.
37 
Nach diesen Grundsätzen verfügt der Kläger nicht über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht. Seine Arbeitstätigkeit in einer Gebäudereinigung im Jahr 2002 war zu kurz, um zum Erwerb von Ansprüchen nach dem ARB 1/80 zu führen. Selbst wenn man die sozialversicherungsfreien (Neben-)Tätigkeiten in einem Internetcafé in H... vom 13.03.2004 bis zum 31.01.2006 und die Tätigkeit bei einer Vertriebs GmbH vom 01.04.2006 bis zum 15.06.2006 insgesamt anerkennen und die damaligen Unterbrechungen durch – ordnungsgemäß festgestellte – Arbeitslosigkeit sowie den Wechsel der Arbeitgeber wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit als unschädlich ansehen würde, wäre der Kläger danach zum 15.06.2006 maximal 2 Jahre 3 Monate und 2 Tage ordnungsgemäß beschäftigt gewesen. Die damit allenfalls erreichte Rechtsposition nach dem ersten Spiegelstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 wäre durch die anschließende beschäftigungslose Zeit bis zur Aufnahme einer Arbeit bei einem Abbruchunternehmen in L... unterbrochen gewesen. Denn ausweislich der vorliegenden Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung (vgl. den vom Kläger mit Schriftsatz vom 30.06.2011 vorgelegten Versicherungsverlauf vom 06.06.2011) war er in dieser Zeit nicht arbeitslos gemeldet. Letztlich kommt es aber darauf nicht an. Selbst wenn man – trotz des Betriebsinhaberwechsels – die anschließende Beschäftigung bei den Abbruchunternehmen in L... vom 17.07.2006 bis zum 31.01.2007 hinzurechnen würde, wäre der Kläger seit dem 13.03.2004 noch keine drei Jahre beschäftigt gewesen, hätte also nur die Rechtsposition der ersten Stufe des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht gehabt. Diese hätte er durch die anschließende Kündigung und die folgende zweimonatige Arbeitslosigkeit aber wieder verloren gehabt. Denn diese Kündigung erfolgte nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung durch ihn. Da seine Kinder sich geweigert hätten, zu ihm nach L... zu ziehen, habe er wieder zu seiner Familie ziehen wollen.
38 
Im Anschluss war der Kläger zwar noch vom 02.04.2007 bis zum 31.05.2009 als Fahrer bei einer Firma in H... beschäftigt und ist seit dem 01.07.2009 bei einer Gebäudereinigung angestellt. Die Beschäftigungszeiten als Fahrer können aber schon deshalb nicht mehr zum Erreichen eines Rechts nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 führen, weil der Kläger seinen Angaben nach zwar entlassen wurde, sich aber nicht unmittelbar anschließend bei der Arbeitsverwaltung gemeldet hat. Abgesehen davon war er seit dem 13.09.2007 nicht mehr „ordnungsgemäß beschäftigt“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Denn seine letzte Aufenthaltserlaubnis lief am 12.09.2007 aus und galt lediglich aufgrund seines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis als fortbestehend (§ 81 Abs. 4 AufenthG). Grundsätzlich setzt aber eine „ordnungsgemäße Beschäftigung“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt voraus (vgl. nur EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], NVwZ 1991, 255). Keine gesicherte, sondern nur eine vorläufige verfahrenssichernde Rechtsstellung hat ein türkischer Arbeitnehmer während des Zeitraums, in dem sein Widerspruch oder seine Klage aufschiebende Wirkung gegen eine die Erteilung oder die Verlängerung eines Aufenthaltstitels ablehnende behördliche Entscheidung entfaltet (vgl. EuGH, Urteil vom 16.12.1992 - C-237/91 - [Kus], InfAuslR 1993, 41). Dies gilt auch in Bezug auf die Titelfunktion des § 81 Abs. 4 AufenthG (vgl. Renner, a.a.O., § 4 AufenthG, Rn. 117 m.w.N.). Etwas anderes folgt hier auch nicht daraus, dass über die am 25.05.2009 gegen das Land Baden-Württemberg erhobene Klage des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (11 K 2004/09) noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Zwar können Zeiten der Arbeitstätigkeit, in denen der Betreffende lediglich über ein fiktives Aufenthaltsrecht verfügt hat, später - rückwirkend - doch wieder als Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung zu berücksichtigen sein, wenn in der Folge eine positive behördliche oder gerichtliche Entscheidung getroffen wird. Denn dann werden die zurückliegenden Beschäftigungszeiten anrechnungsfähig (EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], a.a.O.), und zwar gegebenenfalls selbst dann, wenn während kurzer Zeiträume kein Aufenthaltstitel und auch keine Fiktionswirkung bestand, etwa weil der Betreffende eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erst kurz nach Ablauf der geltenden Aufenthaltserlaubnis beantragt hatte (EuGH, Urteil vom 16.03.2000 - C-329/97 - [Ergat], InfAuslR 2000, 217). Diese Fragen können hier jedoch dahingestellt bleiben. Denn es ist wegen des vom Kläger verwirklichten Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 5 AufenthG (dazu unten) offensichtlich, dass er keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Niederlassungserlaubnis oder auf Verlängerung der früher bestehenden Aufenthaltserlaubnis hat (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 AufenthG). Abgesehen davon kommt es darauf auch deshalb nicht an, weil die Fiktionswirkung entsprechend § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG jedenfalls mit Bekanntgabe der Ausweisung vom 10.06.2010 – und damit vor Ablauf eines Jahres seit Beginn der Tätigkeit am 01.07.2009 und Erreichen einer Position nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 – erloschen ist. Zwar kommt der vom Kläger gegen die Ausweisung erhobenen Klage aufschiebende Wirkung zu, weil das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19.11.2010 - 11 K 2430/10 - auch insoweit die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt hat. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lassen jedoch Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit unter anderem der Ausweisung unberührt, solange diese nicht unanfechtbar aufgehoben worden ist.
II.
39 
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG sind erfüllt.
40 
Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Die Zugehörigkeit zu einer entsprechenden Vereinigung oder ihre Unterstützung muss danach nicht erwiesen sein, es genügt das Vorliegen von Tatsachen, die die entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen. Dass es sich dabei um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, muss hingegen feststehen (Bay.VGH, Urteil vom 22.02.2010 - 19 B 09.929 - juris, bestätigt mit Urteil des BVerwG vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -).
41 
1. Zunächst sind das Verwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Stuttgart zu Recht davon ausgegangen, dass die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen sind (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - VBlBW 2011, 478, und vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris sowie Beschlüsse des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - und vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - InfAuslRAuslR 2011, 105). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie selbst ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln – wie dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen und mit Angriffen auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele – verfolgt (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris, m.w.N.; vgl. im Einzelnen zum Begriff des Terrorismus GK-AufenthG, Stand: Sept. 2011, § 54 Rn. 436 ff.). Das ist bei der PKK in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis heute der Fall. Insbesondere verzichtete die PKK auch während der Phase des 1999 ausgerufenen und 2004 wieder beendeten „Friedenskurses“ nicht auf Gewalt. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - 1 A 111/09 - InfAuslR 2011, 37) und ändert nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei (so etwa am 22.06.2010 in Istanbul, vgl. ZEIT-ONLINE vom 23.06.2010: www.zeit.de/politik/ausland/2010-06/kurden-tuerkei-politik; WELT ONLINE vom 22.06.2010 www.welt.de/politik/ausland/ article8142791/Tuerkei-Touristen-im-Fadenkreuz-kurdischen-Terrors.html; am 27. und 28.08 2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, vgl. SPIEGEL ONLINE vom 28.08.2006 www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,434039,00.html) oder der Entführung Unbeteiligter (vgl. zur Entführung von drei deutschen Staatsangehörigen am Berg Ararat am 08.07.2008 SPIEGEL ONLINE vom 09.07.2011: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,564783,00.html). Insoweit wird ergänzend auf die ausführliche und zutreffende Darstellung im angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums vom 10.06.2010 verwiesen (vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ., „Ausländerextremismus“, August 2007, S. 9 ff., sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)“, März 2007). Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP – ABl. L 116, S. 75). Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 - InfAuslR 2011, 40; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.2010 - 1 B 24.10 - juris; noch offengelassen im Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).
42 
2. Ob der Kläger der PKK „angehört“ im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, kann hier offen bleiben. Denn aus den vorliegenden Tatsachen ist jedenfalls die Folgerung gerechtfertigt, dass er diese seit vielen Jahren in mehrfacher Weise unterstützt hat und weiter unterstützt.
43 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -BVerwGE 123, 114 - zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O., m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O.; Urteile des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris und vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.).
44 
Nach diesen Grundsätzen liegen hier eine Vielzahl von Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen (a) und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten PKK-nahen Aktionen und Veranstaltungen (b). Dabei sind entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch die länger zurückliegenden Tatsachen noch zu berücksichtigen (c).
45 
a) Zunächst steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die kurdischen Vereine in H..., in denen der Kläger Vorstandsmitglied war, den Terrorismus unterstützen. Dabei zu berücksichtigen, dass - wie dargelegt - bereits jede Tätigkeit als tatbestandliches Unterstützen anzusehen ist, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der betreffenden Vereinigung, hier der PKK, auswirkt.
46 
aa) Der Verein „Kurd... V...“ e.V. wurde in den 1990-er Jahren gegründet und im Jahr 2000 wieder aufgelöst. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich deutlich gemacht, dass er in dem im Anschluss gegründeten „Kurd... K...“ und in dem derzeit bestehenden Verein „Kurd... G...“ Nachfolgevereine des Vereins Kurdx ... V...“ sieht. Es handle sich um „den Verein“, in welchem er bis heute Mitglied sei und mit seinen Familienangehörigen jedes Wochenende verbringe. Er hat damit die entsprechende Einschätzung des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, die in der mündlichen Verhandlung von dem angehörten Mitarbeiter I.V. weiter erläutert worden ist, bestätigt. Der Kläger ist in einer Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 in den Vorstand des Vereins „K... V...“ gewählt worden und war als solcher für die Bücherei des Vereins zuständig. Darauf hat er sich auch in seinem Asylverfahren berufen und geltend gemacht, dass ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei Verfolgung drohe (Schriftsatz vom 01.07.1997 zum Verfahren A 3 K 12680/98).
47 
Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder – nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM – für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010“ im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.
48 
Hinzu kommen die Veranstaltungen, die vom Verein „Kurd... V...“ durchgeführt wurden, so zum Beispiel aus der Zeit, in der der Kläger Vorstandsmitglied war, eine Demonstration zum Newroz-Fest am 20.03.1998. In einem Bericht der Stadt H... vom 29.04.1998 über diese Demonstration wird dargelegt, dass Fahnen mit Symbolen der PKK gezeigt worden seien. Nach Einschätzung der Polizei und der Stadt H... habe nicht das Thema „Newroz-Fest“ im Vordergrund gestanden, sondern das Thema „Politische Lösung der kurdischen Frage und Aufhebung des Verbots der PKK“. Wie sich außerdem einem Bescheid der Stadt H... vom 14.05.1998 über das Verbot einer für den 17.05.1998 im Schlachthof in H... geplanten Veranstaltung entnehmen lässt, wurde zu dieser angeblichen „Folkloreveranstaltung“ mit Flugblättern der ENRK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans, eine Organisation der PKK) eingeladen. In den Räumen des Vereins wurde dafür mit einem Aushang mit dem Text „Sieg im Frieden, Freiheit im Leben, Volksversammlung wird stattfinden. Ort = Schlachthof“ geworben. Herr I.V. vom Landesamt für Verfassungsschutz hat zudem in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren überzeugend dargelegt, dass „der Verein“ in H... – derzeit die „Kurd... G...“ – seit Jahren durch regelmäßige PKK-Veranstaltungen auffalle. Er rufe immer wieder zu Veranstaltungen und zu Kundgebungen auf, die inhaltlich die PKK, Abdullah Öcalan als PKK-Führer u.ä zum Thema hätten. Insofern trete der Verein immer wieder aktiv auf und führe diese Kundgebungen durch. Bei den Veranstaltungen würden PKK-Slogans skandiert, es werde die Freilassung Öcalans und die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert und die Türkei werde als terroristischer Staat bezeichnet. Das alles seien für das Landesamt für Verfassungsschutz Indizien, um die entsprechende Veranstaltung – anders als normale kulturelle Veranstaltungen von Kurden – als „PKK-nah“ anzusehen. Schließlich existierten auch zahlreiche andere kurdische Vereine, die vom Verfassungsschutz nicht als „PKK-nah“ eingestuft würden, etwa solche, die dem Dachverband der KOMKAR (Verband der Vereine aus Kurdistan) angehörten. Es gebe also eine Alternative. Der Verein in H... wie auch andere PKK-nahe Vereine fielen dadurch auf, dass sie sich stets und immer wieder PKK-spezifischen Themen annähmen. Das ziehe sich seit den 1980er-Jahren wie ein „roter Faden“ durch die Betätigung des Vereins.
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bb) Dass sich auch der Verein „Gebetshaus E... ... - I... ... e.V., H...“ – in dessen Vorstand der Kläger erstmals im Dezember 1998 (als stellvertretendes Vorstandsmitglied) und erneut im Mai 2002 (als 2. Vorsitzender des Vorstands) gewählt worden war – der PKK verbunden gefühlt hat, folgt bereits aus dem Formular zur Anmeldung des Vereins am 29.04.1998 bei der Stadt H... Darin wird ausgeführt, „Wir glauben, dass die kurdische Sache unter Führung der PKK gelöst wird“ und „Abgrenzung zum Kurd... V... e.V. durch Schwerpunkt Religion“. Auch wird als Zweck des Vereins angegeben „Versammlung von allen Kurden, auch revolutionäre Kurden, unter einem Dach“. Außerdem verdeutlicht die vorliegende Stellungnahme des Bundeskriminalamts, Stand 11/2006, „Religiöse Vereinigungen innerhalb der PKK“ die Anbindung auch dieses Vereins an die PKK. Danach sei im Zuge des 4. Parteikongresses der PKK im Dezember 1990 die Gründung der Union der patriotischen Gläubigen aus Kurdistan (kurz: YOWK, ab 1991 YDK), einem Dachverband von Muslimen, beschlossen worden. 1993 sei die Umbenennung in „Islamischer Bund Kurdistans - HIK“ bzw. „Islamische Bewegung Kurdistans - KIH“ erfolgt. Die regionale Aufteilung sei in drei Funktionsbereiche, darunter eine Föderation in Süddeutschland mit Sitz in Heilbronn, erfolgt. Im Mai 2005 sei eine erneute Umbenennung, diesmal in „Islamische Gesellschaft Kurdistans - CIK“ beschlossen worden. Nach Auffassung des Bundesamts für Verfassungsschutz sei die CIK/HIK eine Massenorganisation der PKK, über die muslimische Kurden an die PKK gebunden werden sollen. In der Herbstausgabe der Baweri, dem seit 1995 erscheinenden Publikationsorgan der CIK/HIK, werde diese als eine religiös-politische Kampfesbewegung bezeichnet, die den nationalen Befreiungskampf Kurdistans unterstütze. In diesem Rahmen rufe sie regelmäßig zu Spenden oder Kampagnen auf, wie beispielsweise zur Sammlung von Spenden für kurdische Bedürftige und Waisen oder der Opferkampagne. Zu den der CIK/HIK angehörenden Moschen gehöre u.a. die „Mizgevta E... ...“ in H... ... Die Anbindung der CIK/HIK an die PKK und deren Abhängigkeit von der Organisation werde auch durch verschiedene Asservate belegt. In einem Fazit heißt es, die PKK unterhalte eine Vielzahl von Organisationen, mit deren Hilfe sie ihren Einfluss auf alle Lebensbereiche auszudehnen versuche. In ihrem Bestreben, auch die religiösen Gruppierungen der Kurden in ihren Strukturen einzubinden, habe sie die Gruppe der Muslime durch die CIK/HIK an ihre Organisation angebunden. Die Verlautbarungen führender Parteikader sowie die Organisationsbeschlüsse belegten die strukturelle Anbindung an die CDK (Nachfolgeorganisation der YDK) und damit an eine in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegte Organisation.
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Ist danach davon auszugehen, dass beide ausländerrechtlichen Vereine, in deren Vorstand der Kläger gewählt war, die PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen unterstützt haben, so ist dem Kläger diese Unterstützung bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied zuzurechnen, ohne dass der Frage seiner tatsächlichen inneren Einstellung weiter nachgegangen werden müsste (vgl. zu § 11 StAG: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - VBlBW 2009, 29, m.w.N). Davon abgesehen greift § 54 Nr. 5 AufenthG auch in Fällen, in denen der Betreffende einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, hier dem Verein „Kurdx... V...“ und der „E... ...“, d.h. es kommt auch deshalb nicht darauf an, ob und in welchem Umfang er persönlich Unterstützung geleistet hat.
51 
b) Hinzu kommt, dass schon allein wegen der Teilnahme des Klägers an diversen PKK-nahen Veranstaltungen davon auszugehen ist, dass er die PKK unterstützt hat und bis heute unterstützt. Denn er war bei einer Reihe von Veranstaltungen, die geeignet sind, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und Organisationen im politischen Umfeld zu stärken. Diese Teilnahmen sind daher bereits für sich genommen ohne Weiteres als selbstständige Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, die zum Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führen. Umso mehr gilt dies bei einer Gesamtschau aller festgestellten Aktivitäten des Klägers einschließlich der Vorstandstätigkeiten in den Vereinen.
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Zu den Veranstaltungen, deren Besuch als Unterstützung der PKK anzusehen ist, gehören insbesondere die Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK. Nach den Mitteilungen des Landesamts für Verfassungsschutz hat der Kläger in den Jahren 2005, 2007, 2008 und 2009, jeweils in I... bei H..., den 27., 29., 30. und den 31. Gründungsjahrestag der PKK mitgefeiert. Dies wurde von ihm in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt. Nach den Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz seien bei diesen Feiern Fahnen der KONGRA-GEL bzw. der KCK oder der KKK und Bilder Öcalans aufgehängt gewesen bzw. entrollt worden (27.11.2005, 23.11.2008 und 27.11.2009), Filme über das Leben des Öcalan (27.11.2005 und 23.11.2008) oder die Guerilla (27.11.2009) vorgeführt und jeweils Reden über die PKK gehalten worden – zum Beispiel mit einem Überblick über die Entwicklung der PKK seit deren Gründung (23.11.2008). Regelmäßig werde die Bedeutung der PKK für die Kurden in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hervorgehoben. Zudem werde regelmäßig die PKK-Guerilla positiv herausgestellt, wenn nicht gar glorifiziert, indem zum Beispiel - wie im Jahr 2009 - ein Film über diese gezeigt werde (vgl. Bericht des LfV vom 17.12.2010). Solche Veranstaltungen haben in spezifischer Weise Propagandacharakter und dienen erkennbar der Förderung und Stärkung der PKK. Mit dem Besuch zeigt der Teilnehmer seine Anhängerschaft und fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger (vgl. Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -). Typisch für PKK-nahe Veranstaltungen ist auch der Personenkult um den in der Türkei inhaftierten PKK-Vorsitzenden Öcalan. Seiner Person kommt nach wie vor ein Symbolgehalt auch für den bewaffneten Kampf der PKK gegen den Staat zu (BVerwG, Beschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - a.a.O.). Es ist daher auch bezeichnend, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Fragen zu dem vom Landesamt für Verfassungsschutz geschilderten Ablauf der Veranstaltung zum 31. Gründungsjahrestag der PKK am 27.11.2009 und nach dem Hinweis darauf, dass dort auch ein Film über den Guerilla-Kampf und Öcalan vorgeführt worden sei, entgegnete: Man brauche ihm nicht zu sagen, dass in diesem Saal ein Bild von Öcalan angebracht gewesen sei; Öcalan sei in seinem Herzen.
53 
Ebenso als Unterstützung der PKK zu werten ist der Besuch einer Veranstaltung am 17.08.2008 anlässlich des 24. Jahrestages der Gründung des militärischen Arms der PKK, bei welchem in einer Rede Öcalan und die PKK gewürdigt worden seien.
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Besonders ins Gewicht fallen auch die vom Kläger nicht in Abrede gestellten Besuche bei so genannten Volksversammlungen in den Räumlichkeiten des „Kurd... K...“ bzw. der „Kurd... G... H...“ am 17.12.2005, 30.03.2008 und am 28.02.2010. Den vorliegenden Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz (vgl. vor allem Bericht vom 17.12.2010) lässt sich entnehmen, dass es – anders als bei Vereinsversammlungen, die sich schwerpunktmäßig mit Vereinsthemen beschäftigten – bei Volksversammlungen thematisch im Wesentlichen um den mit einem Betätigungsverbot belegten und deshalb streng konspirativ arbeitenden Teil der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen gehe. Demgemäß dienten Volksversammlungen in erster Linie der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Meist halte ein hochrangiger PKK-Funktionär eine „emotionalisierende“ Rede, die durchaus ein bis zwei Stunden dauern könne. Dabei würden die Zuhörer über alle Aspekte, die die PKK beträfen, ausführlich informiert, insbesondere über Verlautbarungen, Haftbedingungen und Gesundheitszustand des PKK-Führers Öcalan, Anweisungen der Organisation, Lageentwicklung in der Türkei, in Deutschland und in Europa und aktuelle Kampagnen. Sie würden außerdem unter Hinweis auf die angebliche patriotische Verpflichtung zur Teilnahme an entsprechenden Aktionen aufgerufen. Häufig legten in Volksversammlungen Frontarbeiter und Aktivisten Rechenschaft gegenüber höherrangigen Funktionären ab und übten dabei gegebenenfalls – bei Schlechterfüllung ihrer Pflichten – entsprechende Selbstkritik. Bei der Versammlung am 28.02.2010 sei nach einer Gedenkminute für die verstorbenen „PKK-Märtyrer“ die aktuelle Lage in der Türkei thematisiert und ein Bericht des Volksgebietsrats verlesen worden. Anschließend hätten die Vertreter verschiedener Kommissionen (Justiz, Außenkontakte u.ä.) des Volksgebietsrats über ihre Arbeit berichtet. Danach seien der Leiter des Volksgebietsrats und die Vertreter dieser Kommissionen neu gewählt worden. Eine Ausnahme gelte für zwei Kommissionen: Die „Vereinskommission“ bestehe „automatisch“ aus dem Vorstand der „Kurd... G...“. Die „Organisationskommission“ verfüge über 25 „Frontarbeiter“; diese Aktivisten hätten gute Arbeit geleistet.
55 
Hinzu kommt die Teilnahme des Klägers an Treffen, bei denen der gefallenen und verstorbenen PKK-Kämpfer oder -Aktivisten gedacht wird (18.05.2008 und ...2008). Wie dem Senat aus einer Reihe anderer Verfahren bekannt ist, sind gerade auch solche Märtyrergedenkveranstaltungen ein wesentliches Element zur Herstellung eines engeren ideologischen und emotionalen Zusammenhalts der PKK-Mitglieder und PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vgl. zum Märtyrerkult bei der PKK auch BVerwG, Beschluss vom 24.02.1010 - 6 A 7.08 - a.a.O.).
56 
Bezeichnend ist der Besuch von Versammlungen anlässlich des Geburtstages von Öcalan (06.04.2003, 03.04.2005). Auch hat der Kläger ausweislich der Feststellungen des Landesamts für Verfassungsschutz an mehreren Demonstrationen zu verschiedenen Anlässen (05.02.2005, 28.01.2006, 16.02.2007, 27.10.2007, 25.10.2008, 20.11.2010) teilgenommen, bei denen jeweils Rufe wie „ Es lebe Öcalan“, „Hoch leben Apo“ oder „PKK“ skandiert und „Freiheit für Öcalan“ gefordert wurde. Bei einer „Kurdistan-Solidaritätsdemonstration“ in H... am 20.11.2010 seien auch Parolen wie „Die PKK ist das Volk, das Volk ist hier“ gerufen und Plakate bzw. Transparente mit der Aufschrift „Freiheit für Öcalan – Frieden für Kurdistan“ mitgeführt worden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt, an dieser Veranstaltung vom 20.11.2010 teilgenommen zu haben, und darüber hinaus erklärt, er nehme an (allen) „offiziell genehmigten Demonstrationen“ teil. Es sei um die Freiheit der Kurden gegangen.
57 
Tatsächlich ist bei der Teilnahme an Demonstrationen besonders zu beachten, dass nicht unverhältnismäßig in das Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.; Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.). Zum einen können aber auch Aktivitäten, die dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen, das Tatbestandsmerkmal des Unterstützens im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllen (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.). Zum anderen ging es bei diesen Demonstrationen nicht nur um Themen, die nicht ausschließlich von der PKK besetzt sind – wie die Forderung eines unabhängigen Kurdistans, die Kritik am Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen die kurdisches Zivilbevölkerung, die Anmahnung der Einhaltung von Menschenrechten, oder auch die Kritik an Haftbedingung politischer Gefangener einschließlich Öcalans – sondern um die Bekundung der Anhängerschaft zu Öcalan und der PKK durch entsprechende Parolen und Transparente. Damit bestand eine klare politisch-ideologische Verbindung zur PKK und ihren Zielen bzw. ihren Mitteln zur Durchsetzung dieser Ziele, zu denen auch der Terror zählte und zählt. Dies war und ist auch für den Kläger erkennbar. Er hat dazu in der mündlichen Verhandlung erklärt, es sei ihm egal, welche Parolen gerufen und welche Transparente getragen würden; er selbst habe weder Parolen gerufen noch Plakate getragen. Wie ausgeführt, kommt es darauf jedoch nicht an. Auch überzeugt die Erklärung des Klägers nicht, er habe die Plakate bzw. Transparente nicht lesen können, weil er dann von vorne gegen die Demonstration hätte laufen müssen. Jedenfalls konnte ihm die Solidarisierung mit der PKK schon vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen bei ähnlichen Veranstaltungen und den offensichtlich eindeutigen Parolen nicht entgehen, so dass ihm diese zuzurechnen ist.
58 
Vor dem Hintergrund des Charakters und der Vielzahl der vom Kläger besuchten anderen Veranstaltungen, wie den Volksversammlungen, den Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK und dem Geburtstag von Öcalan sowie den Märtyrergedenkfeiern, ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Urteil, es wären zusätzliche Erkenntnisse darüber erforderlich, was der Kläger bei den Veranstaltungen getan habe, unzutreffend. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts waren bereits zum Zeitpunkt von dessen Entscheidung mehr als 13 Beteiligungen des Klägers an Veranstaltungen bekannt. Inzwischen sind es 20, die vom Landesamt für Verfassungsschutz benannt worden sind. Wie ausgeführt, kommt es zudem auf Anlass und Charakter der betreffenden Veranstaltungen an. In Anbetracht des konkreten Falles ist jedenfalls der Hinweis des Verwaltungsgerichts unverständlich, man könne einer Versammlung oder Veranstaltung auch „kopfschüttelnd“ zu Informationszwecken beiwohnen, ohne eine „unterstützende Haltung“ durch Applaus, Rufen von Parolen, Tragen von Schildern oder Transparenten einzunehmen. Dabei wird verkannt, dass bereits die regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen wie den angeführten, welche erkennbar auch dazu dienen, die PKK einschließlich ihrer terroristischen Aktionen zu fördern, eine Unterstützung der PKK darstellt. Die durch die – auch rein passive – Teilnahme ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung in der Gesellschaft, hier insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.).
59 
Soweit der Kläger vorträgt, die Vereine, bei denen er Mitglied gewesen und auch heute noch Mitglied sei und in deren Vorstand er gewesen sei, seien nicht verboten gewesen, er sei doch kein Terrorist und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach weder darauf an, dass die in Frage stehende Vereinigung verboten ist noch darauf, dass die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.).
60 
In Anbetracht der bereits zur Überzeugung des Senats festgestellten Umstände kommt weiteren länger zurückliegenden Tatsachen wie etwa der Ingewahrsamnahme des Klägers anlässlich der Besetzung des griechischen Generalkonsulats nach der Festnahme von Öcalan am 16.02.1999 und der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung im Jahr 2001 nur noch eine das Gesamtbild abrundende Bedeutung zu.
61 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger im Übrigen keinen Zweifel an seiner Verehrung von Abdullah Öcalan und seiner Anhängerschaft zur PKK gelassen. Er hat deutlich gemacht, dass er auf Veranstaltungen wie die angeführten, auch solche zur Feier des Gründungsjahrestages der PKK, weiter gehen werde, solange diese nicht verboten seien. Seiner Meinung nach trete die PKK – wie auch er selbst – für die Freiheit der Kurden ein und sei nicht terroristisch. Wenn man die PKK als terroristisch ansähe, wäre er auch ein Terrorist. Soweit der Kläger mehrmals darauf hingewiesen hat, dass er aber kein „Vertreter“ der PKK sei, verkennt er, dass es darauf nicht ankommt.
62 
c) Die hiernach maßgeblichen Umstände – die Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeiten in den Vereinen „Kurd... V...“ und „E... ...“ und die beschriebenen Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen – sind auch noch zu berücksichtigen, soweit sie bereits länger zurückliegen.
63 
Das Verwertungsverbot für getilgte Strafen nach § 51 Abs. 1 BZRG kann schon deshalb nicht greifen, weil der Kläger wegen der angeführten Umstände bzw. Aktivitäten nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Ob seine Teilnahme an einer Demonstration der PKK in Dortmund am 16.03.1996 noch berücksichtigt werden könnte, obwohl die deswegen gegen den Kläger mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.03.1998 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot verhängte Geldstrafe bereits aus dem Bundeszentralregister getilgt ist, kann hier offen bleiben. Denn auf diese Tat kommt es in Anbetracht der Vielzahl von sonstigen maßgeblichen Tatsachen – wie die Teilnahme an den angeführten Veranstaltungen 2002 bis 2010 und die Vorstandstätigkeit sowie die Mitgliedschaft in den kurdischen Vereinen in H... – hier nicht an. Jedenfalls ist weder bei Unterstützungshandlungen, die strafbar gewesen wären, aber nicht zu einer Verurteilung geführt haben, noch bei den nicht mit einer Strafe bewehrten Aktivitäten eine „fiktive Tilgung“ mit der Folge eines Verwertungsverbots nach § 51 Abs. 1 BZRG vorzunehmen (ausführlich dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 Bs 2/10 - InfAuslR 2011, 193, m.w.N.; zu den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 1491/05 - AuAS 2011, 89; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2011 - 5 N 30.08 - juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 -, juris – auch zum Fall einer möglichen Atypik im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
64 
Die länger zurückliegenden Tätigkeiten des Klägers sowie insbesondere seine Stellung als Vorstand in den Vereinen sind auch nicht aus anderen Gründen nicht mehr „verwertbar“. Insbesondere bestehen keinerlei Anhaltspunkte für einen „Verbrauch“, etwa weil die Ausländerbehörde dem Kläger in Kenntnis der Ausweisungsgründe einen Aufenthaltstitel erteilt hätte (vgl. dazu GK-AufenthG, a.a.O., § 5 AufenthG Rn. 106 ff., m.w.N.). Soweit im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14.02.2011 die Aktivitäten des Klägers und seine Tätigkeiten in den Vereinsvorständen in solche bis zum Jahr 2002 und solche danach aufgeteilt und nur die neueren berücksichtigt worden sind, ist diese Aufteilung nicht nachvollziehbar. Da der Kläger noch im Mai Jahr 2002 als 2. Vorsitzender in den Vorstand des Vereins „E... ...“ gewählt wurde und diese Funktion danach mindestens ein Jahr lang - so seinen eigenen Angaben nach -, ausweislich des Vereinsregisters sogar bis zur Löschung des Vereins im Jahr 2007 innehatte, hätte diese Vorstandsmitgliedschaft ohnehin mit einbezogen werden müssen. Jedenfalls fehlt es schon in Anbetracht der bis heute andauernden Aktivitäten des Klägers in und für PKK-nahe Vereine in H... bzw. für die PKK und seiner fortdauernden Mitgliedschaft in den Nachfolgevereinen des Vereins „Kurd... V...“ an einer Zäsur, die zur Folge haben könnte, dass frühere Unterstützungshandlungen nicht mehr berücksichtigt werden könnten.
65 
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die des § 54 Nr. 5a AufenthG) grundsätzlich weder vom Wortlaut noch nach deren Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefährdung voraussetzt. Eine “gegenwärtige Gefährlichkeit“ muss nur dann festgestellt werden, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind (ausführlich dazu Urteile des Senats vom 25.05.2011- 11 S 308/11 - und vom 21.04.2010 - 11 S 200/11 - jew. a.a.O.). Wegen der fortdauernden Unterstützungshandlungen des Klägers und seiner ständigen Präsenz bei lokalen PKK-Veranstaltungen liegt eine solche im Übrigen hier eindeutig vor.
III.
66 
Die Entscheidung, den Kläger wegen des Vorliegens des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG auszuweisen, lässt sich rechtlich nicht beanstanden.
67 
1. Das Regierungspräsidiums ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 55 AufenthG über die Ausweisung zu entscheiden hat.
68 
a) Offen bleiben kann, ob schon deshalb Ermessen auszuüben ist, weil eine Ausnahme von der Regel des § 54 AufenthG gegeben ist. Allerdings geht das Regierungspräsidium zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst davon aus, dass der Kläger jedenfalls derzeit „aus familiären Gründen“ (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK), und zwar vor allem im Hinblick auf sein jüngstes, noch minderjähriges Kind A..., welches die deutsche Staatsangehörigkeit hat, nicht abgeschoben werden kann. Mit Schreiben vom 02.12.2011 hat das dafür zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe erklärt, dass dem Kläger daher eine Duldung erteilt werde. Das Vorliegen eines Duldungsgrundes oder eines Abschiebungsverbots führt zwar nicht zur Unzulässigkeit einer Ausweisung, kann aber atypische Umstände in Bezug auf den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG begründen (so zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG: Beschluss des Senats vom 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - InfAuslR 2011, 19; Urteil des Senats vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - a.a.O., m.w.N.¸ vgl. zur Atypik auch GK-AufenthG, a.a.O., § 54 AufenthG Rn. 50 ff., 124 ff.) mit der Folge, dass der Betreffende nur nach Ermessen ausgewiesen werden kann. Ob deshalb oder aus anderen Gründen von einer Atypik auszugehen ist, bedarf hier aber keiner anschließenden Klärung.
69 
b) Denn die Entscheidung über die Ausweisung des Klägers hat bereits mit Blick auf den dem Kläger zustehenden besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG nach Ermessen zu erfolgen.
70 
Zwar liegen die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG unstreitig nicht vor, weil der Kläger nicht „im Besitz“ einer Niederlassungserlaubnis ist. Weil er mit seinem jüngsten, am ...2005 geborenen deutschen Sohn A... in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, kommt ihm aber nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG besonderer Ausweisungsschutz zu. Er kann daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen solche Gründe in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 AufenthG vor. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ist in Fällen, in denen die Voraussetzungen des § 54 AufenthG vorliegen, nach Ermessen über die Ausweisung zu entscheiden.
71 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Sept. 2011, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Hartnäckigkeit und Unbelehrbarkeit, mit der der Kläger trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter an PKK-nahen Veranstaltungen teilgenommen hat, und der in der mündlichen Verhandlung von ihm demonstrierten tiefen Verehrung von Öcalan und Anhängerschaft zur PKK ist damit zu rechnen, dass der Kläger weiter die PKK unterstützt.
72 
2. Die danach erforderliche Ermessensentscheidung ist vom Regierungspräsidium in rechtlich nicht zu beanstandender Weise getroffen worden (§ 114 Satz 1 VwGO).
73 
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris, m.w.N.). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umstände auch andere gewichtige persönlichen Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Im Übrigen sind bei der nach § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG zur Ermessensausweisung herabgestuften Regelausweisung die vom Ausländer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits und dessen private schutzwürdige Belange andererseits auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367, Beschluss vom 21.01.2011 - 1 B 17.10, 1 PKH 8/10 - juris, vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - NVwZ 2007, 1300).
74 
Danach sind hier zugunsten des Klägers in erster Linie seine Familie bzw. seine familiären Bindungen zu berücksichtigen. Seine Ehefrau und fast alle Kinder sind im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Nicht nur der jüngste Sohn A... ist deutscher Staatsgenhöriger; vielmehr hat sich nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat inzwischen auch seine älteste Tochter einbürgern lassen, bei einer anderen laufe derzeit das Einbürgerungsverfahren. Der Kläger hat berichtet, noch mit allen Kindern in einem Haushalt zu leben. Diesen Umständen, denen sicherlich eine aufenthaltsrechtlich erhebliche und weitreichende, durch Art. 6 Abs. 1 Abs. 2 GG und Art. 8 EMRK vermittelte Schutzwirkung zukommt, hat das Regierungspräsidium Stuttgart jedoch hinreichend Rechnung getragen. Im Rahmen der von ihm angestellten und in späteren Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung ergänzten umfassenden Ermessenserwägungen hat es auch alle anderen relevanten Belange eingestellt und zutreffend gewichtet.
75 
Zwar hat das Regierungspräsidium in der Ausgangsentscheidung noch angenommen, dass der Kläger auch tatsächlich ausreisen müsse. Es hat aber später allein darauf abgestellt, dass er mit Rücksicht auf seine familiäre Situation nicht abgeschoben werden könne. Im Hinblick darauf ist dem Kläger inzwischen die Duldung aus familiären Gründen erteilt worden. In der mündlichen Verhandlung ist zudem die im Bescheid vom 10.06.2010 verfügte Abschiebungsandrohung aufgehoben worden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger bis auf Weiteres – das bedeutet jedenfalls solange seinen familiären Belangen insbesondere im Hinblick auf das jüngste deutsche Kind keine geringere Bedeutung einzuräumen ist oder sich andere maßgebliche Umstände ändern – zumindest geduldet wird und seine Familie nicht verlassen muss. Die Ausweisung ist damit schon deshalb auch im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK als verhältnismäßig anzusehen.
76 
Die Entscheidung, den Kläger auszuweisen, begegnet auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil sich das in erster Linie mit einer Ausweisung verfolgte Ziel, die von dem betreffenden Ausländer ausgehende (Wiederholungs-) Gefahr mit der Ausreise zu bannen, hier bis auf Weiteres nicht verwirklichen lässt. Denn immerhin wird mit der Ausweisung zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst bzw. der Erlass entsprechender Überwachungsmaßnahmen ermöglicht (Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.; vgl. auch Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O., ebenso Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 - InfAuslR 2005, 49).
77 
Auch die sonstigen Ermessenserwägungen des Regierungspräsidiums sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vertreterin des beklagten Landes hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Ausweisungsverfügung selbstständig tragend auf den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt sei und dass für diese schon allein die angestellten spezialpräventiven Erwägungen ausschlaggebend seien. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Klägers und schutzwürdige persönliche wirtschaftliche und sonstige Bindungen (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG) wurden eingestellt und zutreffend gewürdigt. Dabei durfte zu Lasten des Klägers berücksichtigt werden, dass dieser nur sehr schlecht Deutsch spricht, lediglich wechselnden und unqualifizierten Berufstätigkeiten nachgegangen ist und offensichtlich bis heute nur im Umfeld seiner kurdischen Landsleute und „des Vereins“ Umgang und Bekanntschaften pflegt.
78 
Beim Kläger handelt es sich zwar um keine führende Persönlichkeit in der PKK. Angesichts seiner jahrelangen Unterstützung der PKK, der beschriebenen Hartnäckigkeit, mit der er trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter einschlägige Veranstaltungen besucht hat, und der deshalb weiter bestehenden gegenwärtigen Gefährlichkeit im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erweist sich die Ausweisung aber auch in Ansehung des langjährigen Aufenthalts des Klägers und insbesondere seiner familiären Bindungen nicht als unverhältnismäßig, und zwar selbst dann, wenn der Kläger nicht weiter geduldet würde (vgl. dazu auch die vom EGMR entwickelten sog. „Boultif/Üner-Kriterien, mit denen die Verhältnismäßigkeitsprüfung plausibel und operationabel gemacht werden kann; vgl. Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 - [Boultif] InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - 46410/99 - [Üner] NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - 1683/04 - [Maslov II] InfAuslR 2008, 333, vom 25.03.2010 - 40601/05 - [Mutlag] InfAuslR 2010, 325, und vom 13.10.2011 - 41548/06 - [Trabelsi]).
IV.
79 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
80 
Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht odernicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
81 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/ Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
82 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
83 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).
84 
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
85 
Die hier vom Senat allein zu beurteilende Ausweisungsverfügung bleibt nach dem Vorgesagten aber hiervon unberührt.
B)
86 
Die Klage gegen die die Meldeauflage sowie die räumliche Beschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids vom 10.06.2010 ist vom Verwaltungsgericht zu Recht als zulässig angesehen worden. Beide Verfügungen stellen die gesetzlichen Pflichten des § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. § 54a Abs. 2 AufenthG konkretisierende Regelungen dar (ebenso Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.).
87 
Die Klage ist jedoch auch insoweit unbegründet. Zwar setzen beide Maßnahmen voraus, dass die Ausweisung sofort vollziehbar ist (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 29.11.2010 - 11 S 2481/10 - juris). Dementsprechend wurde auch unter Ziffer 5 des Bescheids vom 10.06.2011 die sofortige Vollziehung angeordnet, weshalb zum Zeitpunkt ihres Erlasses die Verfügung unter dem hier zu behandelnden Aspekt nicht zu beanstanden war. Allerdings wurde mit Beschluss des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 19.11.2010 (11 K 2430/10 - juris) unter anderem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausweisung wiederhergestellt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung nunmehr allein wegen der fehlenden Vollziehbarkeit der Ausweisung vorübergehend als rechtswidrig anzusehen wären. Denn mit Eintritt der Rechtskraft des Senatsurteils wäre die Erlassvoraussetzung der Vollziehbarkeit wieder erfüllt. Namentlich müsste in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden in einem von den Beteiligten angestrengten Revisionsverfahren das Bundesverwaltungsgericht, dessen Entscheidung mit ihrem Erlass notwendigerweise rechtkräftig wird, die Klage gegen die auf § 54a AufenthG gestützten Maßnahmen als unbegründet abweisen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung galt bzw. gilt lediglich vorläufig – bis zum Eintritt der Bestands- bzw. Rechtskraft der Ausweisung. Dies legt ein Verständnis der aufschiebenden Wirkung nahe, nach welchem auch die Folgemaßnahmen nach § 54a AufenthG vom Wiedereintritt der aufschiebenden Wirkung bis zur Rechtskraft der Entscheidung bezüglich der Ausweisung in ihrer Wirksamkeit nur vorläufig suspendiert sind, selbst wenn die aufschiebende Wirkung insoweit nicht ausdrücklich angeordnet wurde (ebenso zu vergleichbaren verwaltungsverfahrensrechtlichen Konstellationen Kopp/ Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 80 Rn. 31; Bader, VwGO, 5. Aufl. 2011, § 80 Rn. 23). Schließlich würden die Meldepflicht und die räumliche Beschränkung nach § 54a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG auch ohne Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt, wie sie hier erfolgt ist, unmittelbar mit der Vollziehbarkeit der Ausweisung kraft Gesetzes (wieder) eintreten. Weitergehende Rechtswirkungen müssen der aufschiebenden Wirkung im Interesse des Betroffenen, insbesondere aus Gründen effektiver Rechtsschutzgewährung, nicht beigemessen werden.
88 
In Anbetracht der Rechtmäßigkeit der Ausweisung und der aktuell bestehenden Gefahr weiterer Unterstützung der PKK durch den Kläger lassen sich die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden; sie verstoßen insbesondere nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
89 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, 161 Abs. 2 VwGO.
90 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
91 
Beschluss
92 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
93 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. April 2011 - 8 K 219/11 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das beklagte Land verpflichtet wird, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von vier Jahren und sechs Monaten ab dem 27. Juli 2012 zu befristen. Der Bescheid vom 27. Juli 2012 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung.
Er ist am ...1985 in Skopje/Mazedonien geboren und mazedonischer Staatsangehöriger sowie Angehöriger der Volksgruppe der Roma. Seine Eltern hielten sich mit ihm erstmals ab dem 28.08.1989 in der Bundesrepublik Deutschland auf und führten erfolglos ein Asylverfahren durch. Nachdem sie zwischendurch unbekannten Aufenthalts waren, reisten der Kläger und seine Eltern sowie sein am 15.01.1991 in Mazedonien geborener Bruder im Oktober 1992 erneut ein und stellten Asyl- bzw. Asylfolgeanträge, welche abgelehnt wurden. Im Dezember 1994 verließ die Familie das Bundesgebiet. Nach der Wiedereinreise am 30.11.1998 gestellte Asylfolgeanträge wurden mit - seit 19.06.1999 bestandskräftigem - Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 11.12.1998 abgelehnt.
In der Folge erhielt der Kläger zunächst Duldungen. Die Ehe seiner Eltern wurde 1999 geschieden. Sein Vater ist im Besitz einer Niederlassungserlaubnis, seine Mutter und sein Bruder erhielten Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen.
Der Kläger hat die Hauptschule abgeschlossen und ein Berufsvorbereitungsjahr absolviert. Nach Ausbildung zum Bäcker in den Jahren 2004 bis 2006 war er bis zu einer Inhaftierung im Juni 2009 als Bäcker angestellt.
Am 24.11.2003 erkannte der Kläger die Vaterschaft für den am 15.11.2003 in Ostfildern geborenen deutschen Staatsangehörigen A.R. an. Daraufhin wurde ihm am 07.06.2004 eine - zunächst bis 06.09.2004 befristete - Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft mit seinem Sohn erteilt, zum 28.06.2004 meldete er sich unter der Adresse seines Sohnes und dessen Mutter Annett R. an. In der Folge wurde die Aufenthaltserlaubnis mehrmals verlängert, zuletzt mit Geltung bis zum 02.09.2008.
Am 23.07.2008 beantragte der Kläger die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass er bereits zum 29.06.2006 zu seinem Vater gezogen war und damit die familiäre Lebensgemeinschaft mit seinem Sohn und dessen Mutter beendet hatte, beschränkte er auf Vorschlag der Ausländerbehörde am 02.06.2009 seinen Antrag auf eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.
Seit 1999 ist der Kläger immer wieder im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln und wegen Straftaten wie Diebstahl, Erschleichen von Leistungen, Körperverletzung u.a. aufgefallen. Das Bundeszentralregister enthält (Stand: 06.08.2012) noch Eintragungen ab dem Jahr 2005:
- Verurteilung vom 22.07.2005 durch das Amtsgericht Esslingen wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen;
- Verurteilung vom 31.05.2007 durch das Amtsgericht Stuttgart wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen;
- Verurteilung vom 13.09.2007 durch das Amtsgericht Stuttgart - Bad Cannstatt wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen;
- Verurteilung vom 10.06.2008 durch das Amtsgericht Stuttgart wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten; die Vollstreckung der Strafe wurde zunächst zur Bewährung ausgesetzt, die Aussetzung später aber widerrufen; die Strafvollstreckung ist erledigt seit dem 24.09.2009;
- Verurteilung vom 02.02.2009 durch das Amtsgericht Waiblingen wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen;
- Verurteilung vom 11.02.2009 durch das Amtsgericht Stuttgart - Bad Cannstatt wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen;
- Verurteilung vom 13.02.2009 durch das Amtsgericht Stuttgart - Bad Cannstatt wegen Erschleichens von Leistungen mit geringwertigem Schaden in drei Fällen zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen;
- nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe durch Beschluss des Amtsgericht Waiblingen vom 23.04.2009 von einer Geldstrafe von 125 Tagessätzen (unter Einbeziehung der Entscheidungen des Amtsgerichts Stuttgart - Bad Cannstatt vom 13.02.2009 und vom 11.02.2009 sowie des Amtsgerichts Waiblingen vom 02.02.2009);
- Verurteilung vom 15.10.2009 durch das Amtsgericht Stuttgart wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten; die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt;
- nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe durch Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 10.02.2010 von einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten und zwei Wochen (unter Einbeziehung der Entscheidung des Amtsgerichts Waiblingen vom 02.02.2009, des Amtsgerichts Stuttgart - Bad Cannstatt vom 13.02.2009 und vom 11.02.2009 und des Amtsgerichts Stuttgart vom 15.10.2009); die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zunächst zur Bewährung ausgesetzt; die Strafaussetzung später aber widerrufen;
- Verurteilung vom 26.02.2010 durch das Amtsgericht Stuttgart - Bad Cannstatt wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten.
Vom 28.06.2009 bis zum 24.09.2009 verbüßte der Kläger die im Urteil des Amtsgericht Stuttgart vom 10.06.2008 verhängte Freiheitsstrafe, vom 18.08.2010 bis zum 26.11.2010 die im Urteil des Amtsgericht Stuttgart - Bad Cannstatt vom 26.02.2010 festgesetzte Strafe.
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Das Regierungspräsidium Stuttgart wies den Kläger mit Schreiben vom 10.11.2010 darauf hin, dass seine Ausweisung und Abschiebung geprüft werde. Er erklärte dazu mit Schreiben vom 20.12.2010: Er wolle sein Leben wieder in den Griff bekommen und sei deshalb auch auf der Suche nach einem Arbeitsplatz. Er bitte um eine nochmalige Chance.
11 
Die frühere Lebensgefährtin des Klägers schilderte auf Anfrage des Regierungspräsidiums in einem Schreiben vom 21.11.2010, der Kläger habe seinen Sohn vor etwa drei Jahren das letzte Mal gesehen. Er habe noch nie Interesse an einem Kontakt zu seinem Sohn gehabt. Sie vermute, dass er diesen nur benutzt habe, um eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland zu haben. Mit einem Umgang des Klägers mit seinem Sohn sei sie nicht einverstanden, weil ein Kontakt für ihren Sohn eher schädlich wäre. Der Kläger habe insgesamt nur etwa ein halbes Jahr lang Unterhalt für seinen Sohn gezahlt; danach habe sie keinerlei Unterstützung mehr von ihm erhalten.
12 
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 03.01.2011 wurde der Kläger aus dem Bundesgebiet ausgewiesen (Ziff. 1). Außerdem wurde sein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt (Ziff. 2) und er wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland bis zum 10.02.2011 zu verlassen; für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise wurde ihm die Abschiebung angedroht (Ziff. 3). Zur Begründung wurde dargelegt: Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 1 AufenthG für eine Regelausweisung lägen vor, weil der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts Stuttgart - Bad Cannstatt vom 26.02.2010 wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, welche nicht zur Bewährung ausgesetzt worden sei, verurteilt worden sei. Er genieße keinen besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Insbesondere sei er nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Selbst wenn dem Kläger der besondere Ausweisungsschutz des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG zur Seite stehen würde, würde dies die Ausweisung nicht hindern. Er könnte dann zwar nach § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Solche lägen aber vor, weil die von ihm begangenen zahlreichen Straftaten allein wegen deren Häufigkeit schwer wögen. Dies gelte auch - sozusagen isoliert betrachtet - für die letzte Verurteilung, bei welcher die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden sei. In seinem Fall bestehe auch eine konkrete Wiederholungsgefahr ähnlich gelagerter schwerer Straftaten. Dabei sei zunächst die hohe Zahl der Verurteilungen sowie der eingestellten Strafverfahren auffallend. Sämtliche Vorverurteilungen hätten ihm nicht zur Warnung dienen können. Die Rückfallgeschwindigkeit sei hoch. Beispielsweise sei er nur wenige Wochen nach der Verurteilung am 15.10.2009 erneut straffällig geworden. Die zuletzt abgeurteilte Straftat habe er innerhalb einer Bewährungszeit begangen. Selbst eine drohende Strafvollstreckung habe ihn nicht von einer weiteren kriminellen Handlung abhalten können. Er sei vom 28.06.2009 bis zum 24.09.2009 inhaftiert gewesen und nur drei Monate später erneut straffällig geworden. Eine echte Einsicht und Reue sei nicht erkennbar. Hinzutrete, dass er offensichtlich ein ungelöstes Drogenproblem habe. Ihm könne heute keinesfalls eine günstige Sozialprognose gestellt werden. Aus all diesen Gründen habe das herausragende öffentliche Interesse an der Erhaltung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung im Vergleich zu dem dem Kläger zur Seite stehenden - hilfsweise unterstellten - Schutz des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ein deutliches Übergewicht. Im Übrigen sei in der Rechtsprechung geklärt, dass nach einer strafgerichtlichen Verurteilung generalpräventive Ausweisungsgründe schwer wögen, wenn sehr häufiges straffälliges Verhalten vorliege und deshalb ein dringendes Bedürfnis dafür bestehe, über eine etwaige strafrechtliche Sanktion hinaus durch die Ausweisung andere Ausländer von ähnlichen Straftaten abzuhalten. Davon sei hier auszugehen. Für den Fall des Vorliegens des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG sei außerdem über die Ausweisung nach Ermessen zu entscheiden. Eine Ermessensentscheidung müsste unabhängig davon ohnehin getroffen werden, weil die Ausweisung in das Grundrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 GG und in das Achtungsgebot aus Art. 8 EMRK eingreife. Dabei seien die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet zu berücksichtigen. Der Kläger habe sich insgesamt etwas mehr als zwölf Jahre im Bundesgebiet aufgehalten. Seit Juni 2004 sei sein Aufenthalt rechtmäßig. Die von ihm begangenen Straftaten ließen jedoch eine hohe Missachtung der Rechtsordnung erkennen, die eine hohe und konkrete Wiederholungsgefahr weiterer Straftaten begründe. Damit habe das herausragende öffentliche Interesse an der Erhaltung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung im Vergleich zur Dauer seines Aufenthalts deutliches Übergewicht. Der Kläger habe zwar erfolgreich eine Ausbildung zum Bäcker abgeschlossen und auch als solcher gearbeitet, doch weitere Integrationsleistungen wie Aufbau einer eigenen Existenzgrundlage, eigener Wohnraum oder ähnliches seien nicht erkennbar. Ganz entscheidend gegen eine abgeschlossene Integration sprächen die ausgesprochen häufigen Straftaten. Er habe sich auch nicht derart lange in der Bundesrepublik aufgehalten, dass von einer Verwurzelung in Deutschland und einer damit einhergehenden Entwurzelung in seinem Heimatstaat auszugehen sei, zumal er als Kind insgesamt etwa neun Jahre im heutigen Mazedonien gelebt habe und die Kindeszeit prägend sei. Dabei werde nicht übersehen, dass er sicherlich nach erfolgter Abschiebung in Mazedonien zunächst Schwierigkeiten haben werde, sich an die dortigen Lebensverhältnisse zu gewöhnen; doch seien diese Schwierigkeiten nicht unüberwindbar. Insbesondere sei davon auszugehen, dass er seine Muttersprache noch beherrsche. Persönliche schutzwürdige Bindungen im Bundesgebiet lägen zwar vor, denn seine Eltern, ein Bruder sowie sein Sohn lebten hier. Seit März 2006 lebe er mit seinem Vater in Stuttgart zusammen. Diese hinderten jedoch eine Ausweisung hier nicht. Bezüglich des Verhältnisses zu seinem Sohn sei zu berücksichtigen, dass er zu diesem seit drei Jahren keinen Kontakt mehr gehabt und lediglich für die Dauer von sechs Monaten Unterhalt geleistet habe. Ein Sorgerecht besitze er nicht. Die Ausweisung stehe auch im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und verstoße nicht gegen Art. 8 EMRK. Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis sei abzulehnen. Die Abschiebungsandrohung beruhe auf § 59 AufenthG.
13 
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 21.01.2011 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage; das beklagte Land trat der Klage entgegen.
14 
Anträge des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren wurden vom Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 11.02.2011 - 8 K 222/11 - abgelehnt; die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Senatsbeschlüssen vom 15.03.2011 - 11 S 547/11 - und - 11 S 548/11 - zurückgewiesen. Mit weiterem Senatsbeschluss vom 15.03.2011 - 11 S 549/11 - wurde die Beschwerde des Klägers gegen die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.02.2011 - 8 K 219/11 - erfolgte Ablehnung seines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren zurückgewiesen.
15 
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.04.2011 - 8 K 219/11 -wurde die Klage des Klägers abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, der Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 03.01.2011 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Zur Begründung wird auf die vorangegangenen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts und des Senats in den Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren verwiesen.
16 
Auf einen entsprechenden Antrag des Klägers hin wurde diesem mit Beschluss des Amtsgerichts Esslingen - Familiengericht - vom 06.05.2011 betreuter Umgang mit seinem Sohn eingeräumt, bestimmt, dass zur Anbahnung des Umgangs am 29.06.2011 beim örtlichen Kinderschutzbund ein Eltern-Erstgespräch und dass ab Mitte Juli alle 14 Tage ein vom Kinderschutzbund betreuter Umgang für zwei Stunden stattfinde. Die Beschwerde der Mutter des Kindes gegen diesen Beschluss wurde vom Oberlandesgerichts Stuttgart am 19.08.2011 zurückgewiesen. Mit Schreiben an das Regierungspräsidium vom 05.10.2011 teilte der Kinderschutzbund Esslingen mit, dass der Kläger zum Eltern-Erstgespräch gekommen sei, weitere Gespräche hätten nicht stattgefunden.
17 
Gegen das am 29.04.2011 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.04.2011 hat der Kläger am 27.05.2011 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Mit Senatsbeschluss vom 16.08.2011 - 11 S 1656/11 -, zugestellt am 29.08.2011, ist die Berufung zugelassen worden, soweit mit dem Urteil die Klage des Klägers gegen die unter Ziffer 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 03.01.2011 verfügte Ausweisung abgewiesen worden ist. Im Übrigen ist der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt worden. Mit am 22. und 23.09.2012 eingegangenen Schriftsätzen hat der Kläger die Berufung unter Stellung eines Antrags begründet.
18 
Nachdem mit Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 29.03.2011 die in dessen Gesamtstrafenbeschluss vom 10.02.2010 gewährte Aussetzung der Freiheitstrafe von sechs Monaten und zwei Wochen zur Bewährung widerrufen worden war, wurde der Kläger am 27.09.2011 in Haft genommen.
19 
Zwei strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Erschleichens von Leistungen (am 03.04.2010 und am 05.02.2011) wurden von der Staatsanwaltschaft Stuttgart nach § 154 StPO, ein weiteres Verfahren wegen Unterschlagung eines Kraftfahrzeugs, Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Wohnungseinbruchdiebstahls u.a. (am 07.08.2011 und am 08.08.2011) nach §§ 153b ff. StPO eingestellt. Ein Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 22.07.2010, mit welchem der Kläger wegen Urkundenfälschung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden war, wurde nach Rücknahme der zunächst sowohl vom Kläger als auch von der Staatsanwaltschaft Heilbronn eingelegten Berufungen am 09.10.2012 rechtskräftig.
20 
Ein am 24.11.2011 gestellter Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bezüglich der bevorstehenden Abschiebung nach § 123 VwGO wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.11.2011 - 8 K 4179/11 - abgelehnt; die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Senatsbeschluss vom 08.12.2011 - 11 S 3155/11 - zurückgewiesen.
21 
Am 15.12.2011 wurde der Kläger aus der Haft nach Mazedonien abgeschoben. Nach seiner Wiedereinreise in das Bundesgebiet am 26.06.2012 - mit gefälschten bulgarischen Papieren - wurde er wegen des Vorwurfs der Urkundenfälschung u.a. festgenommen. Mit - seit dem 31.08.2012 rechtskräftigem -Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 23.08.2012 wurde er wegen unerlaubter Einreise nach Abschiebung in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt nach Abschiebung in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt ohne Pass in Tateinheit mit Urkundenfälschung in Tateinheit mit Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Bis zum 06.09.2012 verbüßte er die Reststrafe aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 10.02.2010, am 07.09.2012 begann der Vollzug der vom Amtsgericht Rosenheim verhängten viermonatigen Freiheitsstrafe.
22 
Bereits mit Bescheid vom 27.07.2012 ergänzte das Regierungspräsidium Stuttgart die Ausweisung vom 03.01.2011 dahingehend, dass deren Wirkungen auf vier Jahre und sechs Monate nach erfolgter Ausreise oder erneuter Abschiebung befristet wurden, wobei der Bezugspunkt für die Berechnung der Frist eine zukünftige Ausreise bzw. Abschiebung nach der Wiedereinreise sei (Ziff. 1). Zudem wurden die Wirkungen der bereits durchgeführten Abschiebung auf den 01.08.2012 befristet (Ziff. 2). Zur Begründung wurde unter anderem dargelegt: Der Kläger sei seiner Ausreisepflicht nicht nachgekommen, weshalb er am 15.12.2011 abgeschoben worden sei. Am 26.06.2012 sei er wieder eingereist. Die ursprünglich beabsichtigte Eheschließung sei bislang nicht realisiert worden. Soweit das Verhältnis zu seinem heute achtjährigen deutschen Kind betroffen sei, habe das Familiengericht Esslingen am 06.05.2011 die Durchführung eines betreuten Umgangs angeordnet. Ein Umgang zwischen Vater und Kind habe aber - auch wegen des Widerstands der Kindesmutter - nicht stattgefunden. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 AufenthG für eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung und der durchgeführten Abschiebung lägen vor. Zwar fordere diese nationale Vorschrift, dass eine Befristung nur auf Antrag erfolge, welcher bis heute nicht gestellt worden sei, doch gehe das Bundesverwaltungsgericht inzwischen davon aus, dass ein solcher nicht erforderlich sei. Da die Abschiebung aus der Haft erfolgt sei, habe der Kläger zumindest nach der Inhaftierung ab dem 27.09.2011 auch keine Möglichkeit mehr gehabt, die Abschiebung zu vermeiden. Dieser Gesichtspunkt rechtfertige die kurze Frist bezüglich der Wirkungen der Abschiebung bis zum 01.08.2012. Soweit dagegen die Ausweisung betroffen sei, müsse bei dieser eine Prognose darüber getroffen werden, wann der spezialpräventive Ausweisungszweck voraussichtlich erreicht sei, also keine Wiederholungsgefahr mehr bestehe. Gleichfalls sei insbesondere der generalpräventive Ausweisungszweck zu würdigen. Auch die Befristungsentscheidung sei insoweit eine ordnungsrechtliche Maßnahme. Dieser ordnungsrechtliche Gesichtspunkt müsse mit dem privaten Interesse des Klägers an einer baldigen erlaubten Wiedereinreisemöglichkeit nach erfolgter Abschiebung abgewogen werden. Dabei seien insbesondere neu eingetretene positive oder negative Umstände zu beachten. Das Regierungspräsidium orientiere sich an Art. 11 Abs. 2 Rückführungsrichtlinie (RFRL), nach welcher die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt werde und grundsätzlich nicht fünf Jahre überschreite. Sie könne jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstelle. Die vom Regierungspräsidium in Ziffer 1 des Bescheids verfügte Frist betrage mit der erzwungenen Abwesenheit vom Bundesgebiet vom 15.12.2011 bis zum 27.06.2012 ziemlich genau die fünf Jahre, die in Art. 11 Abs. 2 RFRL genannt seien. Diese Orientierung sei hier insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil sich das Regierungspräsidium im Fall des Klägers in einem „unauflösbaren Dilemma“ befinde. Denn nach wie vor bestehe eine aktuelle hohe und konkrete Wiederholungsgefahr weiterer Straftaten und der Zeitpunkt, ab welchem diese Wiederholungsgefahr nicht mehr vorliege, könne nur schwer prognostiziert und bestimmt werden. Besonders zu berücksichtigen sei der Umstand, dass der Kläger ausgesprochen häufig und selbst nach erfolgter Ausweisung straffällig geworden sei. Auch handle es sich bei der anlässlich der Wiedereinreise begangenen unerlaubten Einreise sowie der Urkundenfälschung um nicht unerhebliche Straftaten. Daraus sei ersichtlich, dass mit der Frist von vier Jahren und sechs Monaten nach zukünftiger Ausreise sogar ein gewisses Risiko in Kauf genommen werde. Deshalb fordere das Achtungsgebot aus Art. 8 EMRK nicht, die Frist kürzer zu bestimmen.
23 
Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger unter anderem vor: Bei der Ausweisung sei die Beziehung zu seinem Sohn nicht hinreichend berücksichtigt worden. Zwar sei zutreffend, dass er aufgrund seiner Abschiebung nach Mazedonien das Umgangsrecht mit seinem deutschen Kind zunächst nicht optimal habe wahrnehmen können. Er wolle aber den Kontakt zu diesem herstellen. Auch beabsichtige er weiter, seine Verlobte zu heiraten. Die Eheschließung sei vom beklagten Land vor seiner Abschiebung im Dezember 2011 allein dadurch verhindert worden, dass keine Duldung erteilt worden sei. In Mazedonien habe er ausschließlich von dem Geld gelebt, welches sein Vater und sein Bruder ihm geschickt hätten. Er habe dort keinen festen Wohnsitz gehabt; er sei nur "notdürftig" bei seiner Tante und bei seinem Onkel untergekommen. Später habe er keinerlei finanzielle Unterstützung mehr erhalten. Er wolle jetzt mit seinem Sohn in Deutschland zusammenleben. Mit der vom Regierungspräsidium im Bescheid vom 27.07.2012 verfügten Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf vier Jahre und sechs Monate nach erfolgter Ausreise oder erneuter Abschiebung sei er daher nicht einverstanden, vielmehr begehre er hilfsweise eine Befristung "auf null Tage".
24 
Der Kläger beantragt zuletzt,
25 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.04.2011 - 8 K 219/11 - zu ändern und die unter Ziffer 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 03.01.2011 verfügte Ausweisung in der Fassung des Bescheids vom 27.07.2012 aufzuheben,
26 
hilfsweise: das beklagte Land zu verpflichten, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG angeführten Wirkungen der Ausweisung auf sofort zu befristen.
27 
Das beklagte Land beantragt,
28 
die Berufung zurückzuweisen
29 
Es verweist zur Begründung auf die Bescheide vom 03.01.2011 und vom 27.07.2012. Das Kindeswohl gebiete es hier nicht, trotz der im Falle des Klägers gegebenen hohen Gefahr der Wiederholung von Straftaten von einer Ausweisung abzusehen. Bei der Ausübung des Ermessens seien alle denkbaren Gesichtspunkte und Umstände wie Dauer des Aufenthalts usw. in den Blick genommen, eingestellt und gewürdigt worden.
30 
In einem am 25.07.2012 durchgeführten Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vor der Berichterstatterin ist der Kläger angehört worden. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
31 
Dem Senat liegen die Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart über das Ausweisungsverfahren (insgesamt zwei Hefte), die ausländerrechtlichen Akten der Landeshauptstadt Stuttgart (vier Hefte) und die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart bezüglich des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - 8 K 222/11 - und bezüglich des Klageverfahrens - 8 K 219/11 - vor. Diese sind ebenso wie der Inhalt der Gerichtsakten des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg über das Berufungsverfahren - 11 S 2307/11 - sowie über die Beschwerdeverfahren - 11 S 547/11, 11 S 548/11, 11 S 549/11 und 11 S 3155/11 - Gegenstand der Entscheidung; hierauf wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
32 
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).
33 
Die - nach teilweiser Zulassung durch den Senat - statthafte Berufung des Klägers richtet sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.04.2011, soweit damit (auch) seine Klage gegen die Ausweisung unter Ziffer 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 03.01.2011 abgewiesen worden ist. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründet worden (vgl. § 124a Abs. 6 und Abs. 3 VwGO). Aufgrund der im Berufungsverfahren - mit dem hilfsweise gestellten Verpflichtungsantrag - erfolgten, zulässigen Einbeziehung der unter Ziffer 1 des Ergänzungsbescheids vom 27.07.2012 verfügten Befristung der Wirkungen der Ausweisung ist diese ebenfalls Gegenstand des Verfahrens. Darin liegt insbesondere keine Klageänderung im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - juris). Abgesehen davon hat das beklagte Land in diesem Ergänzungsbescheid explizit darauf hingewiesen, dass die Befristungsentscheidung in dem anhängigen Berufungsverfahren wegen Ausweisung rechtlich überprüft werde, und sich in der Folge sachlich darauf eingelassen. Sollte von einer Klageänderung auszugehen sein, wäre diese daher wegen Einwilligung des beklagten Landes als zulässig anzusehen (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 VwGO).
34 
Die Berufung ist aber nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringen Umfang begründet. Die Klage des Klägers gegen die Ausweisung ist vom Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen worden (dazu unter I.). Denn diese Verfügung - in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 27.07.2012 -ist auch zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - InfAuslR 2008, 156 und vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - juris) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sein - hilfsweise - gestellter Antrag auf Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen der Ausweisung "auf sofort" hat zu einem geringen Teil Erfolg (II.). Die unter Ziffer 1 des Ergänzungsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 27.07.2012 erfolgte Befristung auf vier Jahre und sechs Monate ist insoweit rechtswidrig als der Beginn der Frist danach eine erneute Ausreise oder Abschiebung des Klägers voraussetzt. Er hat aber keinen Anspruch auf eine weitergehende Befristung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
35 
Die Ausweisung ist rechtsfehlerfrei. Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 1 AufenthG liegen vor (1.). Der Kläger genießt keinen besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG (2.). Die Entscheidung des Regierungspräsidiums, den Kläger auszuweisen, ist verhältnismäßig und lässt sich auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden (3.). Auch verstößt die Ausweisung nicht gegen § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG (4.).
36 
1. Rechtsgrundlage der Ausweisung ist § 54 Nr. 1 AufenthG. Diese Regelung ist hier uneingeschränkt anwendbar. Insbesondere folgt nicht etwa allein aus dem Umstand, dass der Kläger Vater eines deutschen Staatsangehörigen - des am 15.11.2003 geborenen A.R. - ist, dass besondere unionsrechtliche Anforderungen zu beachten wären (vgl. hierzu EuGH, Urteile vom 05.05.2011 - Rs. C-434/09 InfAuslR 2011, 268 und vom 15.11.2011 - Rs. C-256/11 InfAuslR 2012, 47; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -NVwZ-RR 2012, 412).
37 
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Abs. 1 AufenthG sind unstreitig erfüllt. Danach wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren oder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Das ist hier allein schon wegen der Verurteilung des Klägers durch das Amtsgerichts Stuttgart - Bad Cannstatt vom 26.02.2010 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten der Fall. Inzwischen ist zudem das Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 22.07.2010, mit welchem er wegen Urkundenfälschung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden war, rechtskräftig. Außerdem erfolgte mit dem Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 23.08.2012 - wegen unerlaubter Einreise nach Abschiebung u.a. - eine weitere Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe.
38 
2. Dem Kläger kommt kein besonderer Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG zu.
39 
Auf § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG kann er sich nicht berufen, weil er bereits seit dem 03.09.2008 nicht mehr im Besitz eines Aufenthaltstitels ist. Sein Antrag auf Verlängerung der zuvor bestehenden Aufenthaltserlaubnis ist unter Ziffer 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart 03.01.2011 abgelehnt worden; diese Entscheidung ist inzwischen bestandskräftig. Die zunächst gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG (in der damals geltenden Fassung, welche § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG n.F. entspricht) eingetretene Fiktionswirkung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist daher zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats jedenfalls bereits beendet. Abgesehen davon hat das Regierungspräsidium zu Recht ausgeführt, dass Zeiten der Fiktionswirkung nicht dem (tatsächlichen) Besitz einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG gleichgestellt werden können, wenn später die Erteilung des Titels unanfechtbar abgelehnt wurde (vgl. Senatsurteil vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - InfAuslR 2012, 1, m.w.N.).
40 
Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Der Kläger lebt nicht mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft. Zwar kann regelmäßiger Umgang mit einem deutschen Kind für die Annahme dieses Ausweisungsschutzes ausreichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.01.2009 - 2 BvR 1064/08 - NVwZ 2009, 387 ff.). Einen solchen hat der Kläger mit seinem Sohn jedoch seit vielen Jahren nicht mehr.
41 
3. Danach ist der Kläger gemäß § 54 Nr. 1 AufenthG "in der Regel auszuweisen". Selbst wenn man - mit dem Regierungspräsidium - zugunsten des Klägers annimmt, dass wegen der zumindest noch bis zur Abschiebung des Klägers im Dezember 2011 bestehenden Bindungen in bzw. an Deutschland mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK von einer Ausnahme vom Regelfall auszugehen ist und daher die Ausweisung im Ermessen steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - InfAuslR 2008, 116), erweist sich diese als rechtmäßig. Die Ermessenserwägungen des Regierungspräsidiums im Bescheid vom 03.01.2011, welche in der Folge mehrmals, unter anderem im Bescheid über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung und der Abschiebung vom 27.07.2012, ergänzt und aktualisiert worden sind, lassen sich rechtlich nicht beanstanden.
42 
Bei der Entscheidung, ob eine im Ermessen der Ausländerbehörde stehende Ausweisung tatsächlich verfügt wird, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die in § 55 Abs. 3 AufenthG aufgeführten, nämlich die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts, die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige oder Lebenspartner des Ausländer, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft leben und die in § 60a Abs. 2 und 2b AufenthG genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung. Dabei sind der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Grundrechte des Betroffenen zu beachten, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG). Liegt ein Eingriff in diese Rechte vor, ist ohnehin eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris, m.w.N.; Urteil vom 22.10.2009 - 1 C 26.08 - InfAuslR 2010, 91). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umständen auch andere gewichtige persönliche Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK darf eine Behörde in die Ausübung des Rechts aus Art. 8 Abs. 1 EMRK nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Die Frage, ob der durch eine Ausweisung bewirkte Eingriff im konkreten Einzelfall in diesem Sinne „notwendig“, insbesondere verhältnismäßig ist, ist anhand einer Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Ausweisung eines straffällig gewordenen Ausländers mit seinem Interesse an der Aufrechterhaltung seiner faktisch gewachsenen und von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten privaten und familiären Bindungen im Bundesgebiet zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für ist dabei von einem bestimmten, nicht notwendigerweise abschließenden Kriterien- und Prüfkatalog auszugehen, den so genannten Boultif/Üner-Kriterien Menschenrechte (vgl. zu den Kriterien im Einzelnen: EGMR, Urteile vom 02.08.2001 - Nr. 54273/00 InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - Nr. 46410/99 <Üner> NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - Nr. 1683/03 InfAuslR 2008, 333, vom 25.03.2010 - Nr. 40601/05 InfAuslR 2010, 325, und vom 13.10.2011 - Nr. 41548/06 juris).
43 
Nach diesen Grundsätzen ist die Ausweisung des Klägers rechtmäßig. Sie ist in Ansehung der von diesem ausgehenden Gefahr der Begehung erneuter Straftaten (a) trotz des damit verbundenen Eingriffs in sein Privatleben als gerechtfertigt bzw. als verhältnismäßig zu beurteilen (b) und auch im Übrigen ermessensfehlerfrei erfolgt (c).
44 
a) Zunächst ist das Regierungspräsidium in den Bescheiden vom 03.01.2011 und vom 27.07.2012 zu Recht davon ausgegangen, dass weiterhin die erhebliche Gefahr der Begehung erneuter Straftaten durch den Kläger besteht, welche ein öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründet.
45 
Der Kläger hat sich über einen langen Zeitraum hinweg unter anderem wegen Betäubungsmitteldelikten immer wieder strafbar gemacht. Ausweislich der vom Senat zum Verfahren eingeholten Auskunft des Bundesamts für Justiz aus dem Zentralregister enthielt dieses am 06.08.2012 insgesamt neun Eintragungen über strafgerichtliche Verurteilungen. Die älteste betrifft das Urteil des Amtsgerichts Esslingen vom 22.07.2005 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln. Danach folgen Verurteilungen wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln vom 31.05.2007, unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in zwei Fällen vom 13.09.2007, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vom 10.06.2008, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln vom 02.02.2009, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis vom 11.02.2009, Erschleichens von Leistungen mit geringwertigem Schaden in drei Fällen vom 13.02.2009, gefährlicher Körperverletzung vom 15.10.2009 und wegen Diebstahls vom 26.02.2010.
46 
In Anbetracht dieser im Zeitraum zwischen Juli 2005 und Februar 2010 erfolgten Verurteilungen kann hier offen bleiben, ob - und gegebenenfalls inwieweit - frühere strafgerichtliche Entscheidungen, die nicht im Bundeszentral-, sondern lediglich im Erziehungsregister eingetragen sind, bei der Ausweisung zu berücksichtigen wären (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 23.09.2009 - 1 B 16.09 - InfAuslR 2009, 447; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.05.2009 - 13 S 116/09 - VBlBW 2010, 77; Saarl. OVG, Urteil vom 12.10.2011 - 1 A 246/11 -juris). Denn bereits die im Bundeszentralregister aufgeführten strafgerichtlichen Entscheidungen begründen die Annahme eines besonderen öffentlichen Interesses an einer Ausweisung des Klägers.
47 
Zwar handelt es sich bei den zugrundeliegenden Straftaten nicht um außerordentlich gravierende Delikte. Bei der gefährlichen Körperverletzung ist das Amtsgericht von einem minder schweren Fall ausgegangen. Die Hartnäckigkeit, mit der der Kläger allein zwischen 2005 und Februar 2010 immer wieder straffällig geworden ist, belegt aber eine besonders hohe Wiederholungsgefahr. Zu den angeführten und im Bundeszentralregister eingetragenen Straftaten kommt zudem noch eine Vielzahl von nach §§ 153b ff. StPO bzw. §§ 31a, 37, 38 BtMG eingestellten Verfahren, zuletzt wegen Erschleichens von Leistungen (am 03.04.2010 und am 05.02.2011) und wegen Unterschlagung eines Kraftfahrzeugs, Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Wohnungseinbruchdiebstahls (am 07.08.2011 und am 08.08.2011). Mit - erst seit dem 09.10.2012 rechtskräftigem - Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 22.07.2010 wurde der Kläger zudem wegen Urkundenfälschung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Vom 28.06.2009 bis zum 24.09.2009, vom 18.08.2010 bis zum 26.11.2010 und zuletzt vom 27.09.2011 bis zu seiner Abschiebung nach Mazedonien am 15.12.2011 verbüßte er Freiheitsstrafen. Weder diese Freiheitsstrafen noch andere Vorverurteilungen, laufende Ermittlungsverfahren oder der drohende Widerruf von Aussetzungen der Vollstreckung von Freiheitsstrafen zur Bewährung hielten ihn von der Begehung weiterer Straftaten ab. Auch die möglichen ausländerrechtlichen Konsequenzen waren ihm offensichtlich keine Warnung. Selbst nach Bekanntgabe des Bescheids vom 03.01.2011, mit welchem der Kläger nicht nur ausgewiesen, sondern auch sein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und ihm die Abschiebung angedroht worden war, wurden gegen ihn die angeführten weiteren Ermittlungsverfahren - wegen einer am 05.02.2011 begangenen "Beförderungserschleichung" und wegen des Verdachts des Wohnungseinbruchdiebstahls, der Unterschlagung eines Kraftfahrzeugs u.a. am 07. bzw. 08.08.2011 - eingeleitet. Die "Rückfallgeschwindigkeit" war danach außerordentlich hoch. In den Jahren 2009 bis 2011 gelang es dem Kläger letztlich nur in Zeiten, in welchen er sich in Haft befand, mehrere Monate lang strafrechtlich unauffällig zu bleiben.
48 
Vor diesem Hintergrund war bereits zum Zeitpunkt der Ausweisung und ist auch weiter jederzeit mit der Begehung erneuter Straftaten zu rechnen. Davon gehen auch die Strafgerichte aus. Bereits im Urteil des Amtsgerichts Stuttgart - Bad Cannstatt vom 26.02.2010, mit welchem der Kläger wegen des Diebstahls von drei Flaschen Parfum zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt wurde, wurde die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt, weil dem Kläger keine positive Sozialprognose gestellt werden könne. Im Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 29.03.2011 - mit welchem die Aussetzung der im Beschluss vom 10.02.2010 gewährten Strafaussetzung zur Bewährung bezüglich der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten und zwei Wochen widerrufen wurde - wird dargelegt, die Freiheitsstrafe sei zur Einwirkung auf den Kläger und zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich. Auch in den erst nach Wiedereinreise des Klägers ergangenen bzw. rechtskräftig gewordenen Urteilen des Amtsgerichts Heilbronn vom 22.07.2010 und des Amtsgerichts Rosenheim vom 23.08.2012 wurde keine Aussetzung der Freiheitsstrafen zur Bewährung gewährt.
49 
Anhaltspunkte dafür, dass sich die Einstellung des Klägers inzwischen maßgeblich geändert haben könnte und die Gefahr der erneuten Begehung von Straftaten gesunken wäre, bestehen nicht. Der Kläger hat sich weder mit seinen Straftaten auseinandergesetzt noch mit seinem (früheren) Drogenkonsum. Ernsthafte Reue oder Einsicht sind weder vorgetragen noch erkennbar. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, dass allein die erfolgte Abschiebung des Klägers im Dezember 2011 zu einer solchen Zäsur geführt haben könnte, dass die Wiederholungsgefahr jetzt anders zu beurteilen wäre. Dagegen spricht schon der Umstand, dass er inzwischen weitere Straftaten begangen hat. Er ist am 26.06.2012 unerlaubt und mit gefälschten bulgarischen Personalpapieren wieder nach Deutschland eingereist, weshalb er mit dem bereits angeführten Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 23.08.2012 zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt wurde. Es ist auch nicht anzunehmen, dass der Wunsch des Klägers, Kontakt zu seinem Sohn zu bekommen und zu halten sowie die Beziehung zu seiner Verlobten wieder aufzunehmen, ihn von der Begehung weiterer Straftaten abhalten würde. Schließlich hatten in der Vergangenheit weder die Beziehung zu seiner Verlobten noch die Vaterschaft entsprechende Auswirkungen.
50 
Bei dieser Sachlage - vor allem in Anbetracht von Anzahl sowie Art und Gewicht der vom Kläger begangenen Straftaten, seines früheren Drogenkonsums, der außerordentlich hohen "Rückfallgeschwindigkeit", der bislang gezeigten Uneinsichtigkeit und der bis heute fehlenden Tataufarbeitung - ist auch der Senat der Überzeugung, dass vom Kläger weiter eine erhebliche Gefahr der Begehung von diversen Straftaten, darunter Eigentums-, Betäubungsmittel- und auch Gewaltdelikten ausgeht. Das Regierungspräsidium hat daher zu Recht ein erhebliches öffentliches Interesse an seiner Ausweisung angenommen.
51 
b) Mit Blick auf das danach vom Kläger immer noch ausgehende Gefahrenpotential stellt die Ausweisung hier trotz seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland und seiner in dieser Zeit gewachsenen persönlichen Bindungen eine verhältnismäßige und insbesondere mit Art. 8 EMRK und Art. 2 Abs. 1 GG vereinbare Maßnahme dar.
52 
Allerdings hat die Ausweisung gravierende Folgen für den Kläger. Dieser besitzt zwar nach rechtskräftiger Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Ziffer 2 des Bescheids vom 03.01.2011 ohnehin kein Aufenthaltsrecht in Deutschland mehr. Die Ausweisung führt aber - ebenso wie eine Zurück- oder Abschiebung - gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22.11.2011, BGBl. I S. 2258 - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz 2011) zu einer Wiedereinreisesperre sowie einem Aufenthaltsverbot und sie steht gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG - in der Regel - der Erteilung eines neuen Titels entgegen (vgl. zum ganzen Renner, AuslR, 9. Aufl. 2011, Vor §§ 53-56 Rn 1 ff.). Die entsprechenden, durch die am 15.12.2011 erfolgte Abschiebung des Klägers nach Mazedonien ebenfalls nach § 11 Satz 1 und 2 AufenthG eingetretenen Wirkungen sind unter Ziffer 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 27.07.2012 bereits auf den 01.08.2012 befristet worden und damit beendet. Hingegen ist die Frist bezüglich der Ausweisung auf vier Jahre und sechs Monaten festgesetzt worden (Ziffer 1 des Bescheids, vgl. zum Beginn der Frist unten II.). Dies bedeutet für den Kläger, dass er - jedenfalls bei unveränderter Sachlage - in den nächsten Jahren nicht mehr ohne Weiteres nach Deutschland einreisen und sich hier aufhalten kann. Die Ausweisung hat daher noch weitgehendere Folgen für seine familiären und sozialen Bindungen zu in Deutschland lebenden Personen - insbesondere zu Eltern und Bruder, zu seiner Verlobten und zu seinem am 15.11.2003 geborenen Sohn - als es allein der fehlende Aufenthaltstitel und die erfolgte Abschiebung haben.
53 
Der Kläger hat sich bereits - wenn auch nicht ununterbrochen - von 1989 bis 1994 und erneut von 1998 bis zu seiner Abschiebung am 15.12.2011 in Deutschland aufgehalten. Vom 07.06.2004 bis zum 02.09.2008 war er im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, im Anschluss galt sein Aufenthalt bis zur Ablehnung seines Verlängerungsantrags mit Bescheid vom 03.01.2011 als erlaubt. Er hat eine Lehre als Bäcker abschlossen und war bis Juni 2009 als Bäcker tätig. Die Eltern des Klägers und sein Bruder leben in Deutschland. Zuletzt wohnte er bei seinem Vater. Der Kläger ist - oder war jedenfalls - außerdem mit einer deutschen Staatsangehörigen verlobt; beide wollten noch vor der Abschiebung des Klägers im Dezember 2011 heiraten. Nach der Abschiebung bestand offensichtlich kein enger Kontakt mehr; der Kläger hat aber im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vor der Berichterstatterin am 25.07.2012 erläutert, dass er vor allem deshalb Ende Juni 2012 erneut eingereist sei, um die Beziehung wieder aufzunehmen. Seinen Sohn hat der Kläger zwar nach seinem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung mit der Mutter des Sohnes offensichtlich jahrelang nicht mehr gesehen; er hat aber kurz vor seiner erneuten Inhaftierung am 27.09.2011 ein (betreutes) Umgangsrecht erstritten, zu dessen Anbahnung beim Kinderschutzbund bereits ein Eltern-Erstgespräch stattgefunden hatte. Im Erörterungstermin am 25.07.2012 hat er dargelegt, dass ihm an einer Beziehung zu seinem Sohn gelegen sei. Er habe die Mutter angeschrieben und gebeten, einen normalen Kontakt zu ermöglichen.
54 
Da der Kläger danach nicht in einer familiären Lebensgemeinschaft mit seinem Sohn lebt und er auch seit Jahren keinen unmittelbaren Kontakt zu seinem Sohn mehr hatte, kann er sich nicht mit Erfolg auf Art. 6 Abs. 1 GG berufen und auch nicht auf das in Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Recht auf Achtung des Familienlebens (vgl. dazu ausführlich Senatsbeschluss vom 16.08.2011 im Verfahren auf Zulassung der Berufung - 11 S 1656/11 - m.w.N.; BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 - InfAuslR 2007, 275; EGMR, Urteil vom 11.07.2000 - 29192/95 InfAuslR 2000, 473). Die Ausweisung greift aber in sein Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EMRK und in sein durch Art. 2 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein. Da der Kläger inzwischen über kein Aufenthaltsrecht mehr verfügt und bereits abgeschoben wurde, kann seinen Bindungen nicht mehr dasselbe Gewicht beigemessen werden wie zu Zeiten, in denen er sich rechtmäßig hier aufgehalten hat. Selbst wenn man insoweit aber zu seinen Gunsten auf den Zeitpunkt der Ausweisung abstellen würde, ist der Eingriff in sein Privatleben hier auch in Ansehung der früheren Bindungen in Deutschland und der für ihn mit einem Leben in Mazedonien verbundenen Schwierigkeiten wegen der Schwere der begangenen Straftaten und der besonders hohen Wiederholungsgefahr als - mit Blick auf das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG - verfassungsrechtlich gerechtfertigt bzw. als gerechtfertigt im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und insbesondere als verhältnismäßig anzusehen.
55 
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger offensichtlich nur in den ersten drei bis vier Lebensjahren näheren Kontakt zu seinem Kind A.R. hatte. Im Beschluss des Amtsgerichts Esslingen vom 06.05.2011, mit welchem ihm ein betreuter Umgang eingeräumt wurde, wird ausgeführt, dass die Mutter des Kindes und der Kläger sich getrennt hätten, als A.R. drei Jahre alt gewesen sei. Eine kurze Zeit danach habe die Kindsmutter noch die Eltern des Klägers und den Kläger besucht. Danach hätten keinerlei Kontakte mehr stattgefunden. Der Kläger habe auch nach eigenen Angaben seinen Sohn nicht mehr besucht, keinen telefonischen Kontakt zu ihm gehabt, ihm keine Karten geschickt und auch keine Geschenke gemacht. Ausweislich der vorliegenden Unterlagen hat der Kläger zudem viele Jahre keinen - oder zu wenig - Unterhalt geleistet. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass die Mutter des Kindes schon früher gegen einen Umgang des Klägers mit A.R. gewesen sein und diesen verhindert haben sollte, fällt doch auf, dass der Kläger sich erstmals nach Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und Ausweisung im Bescheid vom 03.01.2011 ernsthaft um einen Umgang mit seinem Sohn bemüht hat. Im dem danach von ihm angestrengten gerichtlichen Verfahren wegen Umgangs wurde davon ausgegangen, dass der Sohn den Kläger erst kennenlernen müsse; er sei "neugierig" auf ihn. Tatsächlich ist es dann offensichtlich nicht mehr zu einem Treffen gekommen.
56 
Soweit sich der Kläger auf sein Verlöbnis mit einer deutschen Staatsangehörigen beruft, kann offen bleiben, ob diese Beziehung noch besteht. Allerdings hat er nach seiner Abschiebung im Dezember 2011 offensichtlich kaum mehr Kontakt zu seiner Verlobten gehabt; insbesondere ist es nicht zu der zunächst für Februar 2012 angekündigten Heirat gekommen. Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass beide weiterhin die Absicht haben, einander zu heiraten, steht dies einer Ausweisung hier in Ansehung der vom Kläger ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ebenso wenig entgegen wie die Beziehung des Klägers zu seinen Eltern, seinem Bruder und zu in Deutschland lebenden Freunden und Bekannten.
57 
Dem Kläger ist ein Leben in Mazedonien auch zuzumuten. Er lebte nicht seit seiner Geburt, sondern erst seit November 1998 - also seit seinem 14. Lebensjahr - bis zu seiner Abschiebung am 15.12.2011 durchgehend in Deutschland. Obwohl er sich mit seinen Eltern bereits zuvor - mit Unterbrechungen vom 28.08.1989 bis November 1994 - in Deutschland aufgehalten hat, hat er jedenfalls einen wesentlichen Teil seiner Kindheit noch im heutigen Mazedonien verbracht. Von Dezember 2011 bis zu seiner unerlaubten Wiedereinreise am 26.06.2012 hat er sich wieder dort aufgehalten. Er hat in Mazedonien Verwandte. Zwar hat er vorgetragen, er habe nicht mehr länger bei seiner Tante wohnen dürften, bei der er nach seiner Abschiebung zunächst drei Monate lang gelebt habe. Er habe dann ohne Papiere, welche man ihm beim Versuch einer Ausreise nach Serbien abgenommen habe, und in ständiger Angst vor willkürlichen Verhaftungen wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma "auf der Straße leben" müssen. Tatsächlich haben Roma in Mazedonien mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Auch kann zwangsweise zurückgeführten mazedonischen Straftätern oder Asylbewerbern für die Dauer von einem Jahr der Pass entzogen werden. Dies kann unter anderem zur Verweigerung einer Ausreise des Betreffenden aus Mazedonien führen (vgl. AA an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 06.08.2012). Ohne Papiere kann es außerdem zu Problemen beim Zugang zu Sozialhilfe- und Gesundheitsfürsorgeleistungen kommen (vgl. a.i. Mazedonien-Report 2012). Im Falle des 27-jährigen Klägers ist aber nicht zu erwarten, dass er ein Leben unterhalb des Existenzminimums führen müsste. Zudem könnte er sich gegebenenfalls zumindest vorübergehend von seinen im Bundesgebiet lebenden Eltern und seinem Bruder unterstützen lassen. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere nicht vom Bestehen eines Abschiebungsverbots auszugehen.
58 
c) Die Ausweisung ist ermessensfehlerfrei erfolgt.
59 
Das Regierungspräsidium hat die im Bescheid vom 03.01.2011 angeführten Ermessenserwägungen in mehreren Schriftsätzen, im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vor der Berichterstatterin am 25.07.2012 und im Bescheid vom 27.07.2012 ergänzt und alle nach Erlass der Ausweisungsverfügung eingetretenen Tatsachen und Umstände, insbesondere auch das dem Kläger eingeräumte Umgangsrecht mit seinem Sohn und das Verlöbnis mit einer deutschen Staatsangehörigen berücksichtigt. Bei der umfassenden Abwägung wurden alle für die Ausweisungsentscheidung relevanten Umstände eingestellt und rechtsfehlerfrei abgewogen.
60 
Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid vom 03.01.2011, im Falle des Klägers liege keine "abgeschlossene Integration in deutsche Lebensverhältnisse" vor, begründen hier keinen Ermessensfehler. Allerdings kann diese - mehrfach verwendete - Formulierung Anlass zu Missverständnissen sein. Schließlich ist der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK unter anderem bei Ausländern eröffnet, die - wie der Kläger jedenfalls früher - wegen ihres langjährigen (rechtmäßigen) Aufenthalts in Deutschland und einer erfolgreichen Schul- sowie Berufsausbildung als "verwurzelt" anzusehen sind. Allein der Umstand, dass der Betreffende Straftaten begangen hat, bedeutet nicht, dass er sich nicht mehr auf den Schutz des Privatlebens berufen könnte. Vielmehr sind die Straftaten gegebenenfalls bei der nach Art. 8 Abs. 2 EMRK erforderlichen Abwägung aller Umstände entsprechend zu gewichten (vgl. dazu Senatsurteil vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - InfAuslR 2012, 1, m.w.N.). Davon ist das Regierungspräsidium im angegriffenen Bescheid aber auch ausgegangen.
61 
Ein Ermessensfehler folgt hier auch nicht daraus, dass das Regierungspräsidium im Bescheid vom 03.01.2011 zudem darauf verwiesen hat, dass bei sehr häufigem straffälligen Verhalten ein dringendes Bedürfnis dafür bestehe, durch die Ausweisung andere Ausländer von ähnlichen Straftaten abzuhalten. Denn es durfte die Ausweisung des Klägers ergänzend auch mit dem Aspekt der Generalprävention begründen. Dabei kommt es hier nicht auf die Frage an, ob eine Ausweisung von in Deutschland "nachhaltig verwurzelten“ Ausländern noch (allein) tragend generalpräventiv begründet werden kann (einschränkend Senatsurteil vom 18.03.2011 - 11 S 2/11 - InfAuslR 2011, 293; a.A. im Revisionsverfahren bezüglich dieses Urteils: BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - InfAuslR 2012, 255). Denn jedenfalls ist hier der Aspekt der Abschreckung anderer potentieller Straftäter vom Regierungspräsidium lediglich ergänzend - neben der bestehenden großen Gefahr der Begehung erneuter Straftaten durch den Kläger - herangezogen worden. Dies lässt sich nicht beanstanden.
62 
4. Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bezüglich der Abschiebung im Dezember 2011 - 11 S 3155/11 - weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Regelung des § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG der Ausweisung hier nicht entgegensteht. Danach darf ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, nur im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft abgeschoben werden. Diese Vorschrift dient der Wahrung des staatlichen Strafverfolgungsinteresses und nicht dem Schutz des Betreffenden vor einer Ausweisung oder Abschiebung (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 08.12.2011 - 11 S 3155/11 - AuAS 2012, 38). Auf die Frage, ob sich der Kläger gegenüber seiner Ausweisung mit Erfolg auf das Fehlen eines nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderlichen Einvernehmens berufen könnte, kommt es hier schon deshalb nicht an, weil derzeit keine entsprechenden Verfahren mehr offen sind. Soweit strafrechtliche Ermittlungsverfahren nicht eingestellt worden sind, haben sie zu Anklagen geführt, über welche inzwischen in allen Fällen rechtskräftig entschieden worden ist.
II.
63 
Der Hilfsantrag des Klägers, mit welchem dieser die Befristung der in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf sofort begehrt, hat lediglich teilweise Erfolg. Die vom Regierungspräsidium unter Ziffer 1 des Bescheids vom 27.07.2012 verfügte Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf vier Jahre und sechs Monate nach (erneuter) Ausreise bzw. Abschiebung ist insoweit rechtswidrig, als danach die Frist erst mit einer erneuten Ausreise oder Abschiebung und nicht bereits mit dem Erlass des Bescheids zu laufen beginnt. Der Kläger hat einen Anspruch auf entsprechende Änderung der Befristungsentscheidung; er hat jedoch keinen Anspruch auf eine weitergehende Befristung oder gar auf die von ihm begehrte Fristsetzung "auf sofort".
64 
Nach § 11 Abs. 1 AufenthG - in der hier maßgeblichen Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 - darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten (Satz 1). Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt (Satz 2). Die in den Sätzen 1 und 2 (des § 11 Abs. 1 AufenthG) bezeichneten Wirkungen werden gemäß Satz 3 auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (Satz 4). Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist (Satz 5). Die Frist beginnt mit der Ausreise (Satz 6). Nach § 11 Abs. 1 Satz 7 AufenthG erfolgt keine Befristung, wenn ein Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde.
65 
Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - juris) hat - infolge der Änderung von § 11 AufenthG durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 - ein Ausländer einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit Erlass einer Ausweisung zugleich deren in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannte Wirkungen befristet. Dabei genügt für den nach dem Wortlaut des § 11 Absatz 1 Satz 3 AufenthG erforderlichen Antrag jede Willensbekundung des Antragstellers, mit welcher sich dieser gegen eine Ausweisung wendet. Der Betreffende kann dann gegebenenfalls zugleich mit Anfechtung der Ausweisung - hilfsweise - seinen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung gerichtlich durchsetzen (so schon BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - InfAuslR 2012, 255). Erachtet das Gericht die Ausweisung für rechtmäßig, hat es auf den Hilfsantrag des Betroffenen hin die Befristungsentscheidung der Ausländerbehörde vollumfänglich zu überprüfen. Hat eine Ausländerbehörde eine zu lange Frist festgesetzt oder fehlt eine behördliche Befristungsentscheidung, hat es über die konkrete Dauer einer angemessenen Frist selbst zu befinden und die Ausländerbehörde zu einer entsprechenden Befristung zu verpflichten (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 10.07.2012, a.a.O., m.w.N.).
66 
Zur Wahrung der Rechtseinheitlichkeit folgt der Senat unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung (vgl. zum Antragserfordernis Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - DVBl. 2012, 1170; vgl. auch Urteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - NVwZ-RR 2012, 412) dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach ist auch hier davon auszugehen, dass es für die an sich nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG erforderliche Stellung eines Antrags auf Befristung genügt, dass sich der Kläger gegen die Ausweisung selbst gewandt hat.
67 
2. Die im vorliegenden Fall mit Blick auf das angeführte das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.07.2012 (- 1 C 19.11 - juris) vom Regierungspräsidium unter Ziffer 1 des Bescheids vom 27.07.2012 erfolgte Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf vier Jahre und sechs Monate nach erfolgter Ausreise oder erneuter Abschiebung ist lediglich hinsichtlich des Fristbeginns rechtswidrig.
68 
Die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Höchstfrist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) und den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen. Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen (BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - juris, m.w.N.).
69 
Nach diesen Grundsätzen lässt sich die vom Regierungspräsidium verfügte Frist im Grundsatz rechtlich nicht beanstanden. Auch der Senat erachtet eine Frist von vier Jahren und sechs Monaten - allerdings gerechnet ab dem 27.07.2012 - als angemessen.
70 
Dabei kann hier letztlich offen bleiben, ob bei der Bemessung der Frist zwingend die Zeiten "anzurechnen" sind, die der Kläger bereits nach seiner Abschiebung am 15.12.2011 bis zu seiner Wiedereinreise am 27.06.2012 außerhalb des Bundesgebiets verbracht hat. Zwar wäre dann insgesamt die in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannte Höchstfrist von fünf Jahren um 12 Tage überschritten; von dieser kann hier aber abgewichen werden.
71 
Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums kann die Zulässigkeit einer Überschreitung der Frist von fünf Jahren im Fall des Klägers allerdings nicht damit begründet werden, dass von diesem eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe (§ 11 Abs. 1 Satz 4, 2. Alt. AufenthG, vgl., auch Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie -, ABl EU Nr. L 348 vom 24.12.2008 S. 98). Denn eine solche kann wohl nur bei gravierenderen Straftaten angenommen werden. Die Grenze von fünf Jahren ist hier aber jedenfalls deshalb nicht zwingend, weil der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist (§ 11 Abs. 1 Satz 4, 1. Alt. AufenthG). Eine andere Beurteilung folgt nicht aus der Rückführungsrichtlinie. Nach deren Art. 11 Abs. 1 gehen Rückkehrentscheidungen mit einem Einreiseverbot einher. Gemäß Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Zum einen stellt eine Ausweisung nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteile vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - DVBl. 2012, 1170 und vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, jew. m.w.N.) aber keine Rückkehrentscheidung in diesem Sinne dar, so dass die Rückführungsrichtlinie schon deshalb insoweit nicht anzuwenden ist. Zum anderen bestimmt Art. 2 Abs. 2 Buchstabe b der Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten beschließen können, diese unter anderem nicht auf solche Drittstaatsangehörigen anzuwenden, die nach einzelstaatlichem Recht aufgrund einer strafrechtlichen Sanktion oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sind. Von dieser "opt-out-Möglichkeit" hat der Gesetzgeber bezüglich der Dauer der für ein Einreiseverbot zu bestimmenden Frist explizit Gebrauch gemacht. In der Begründung zum Entwurf des Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 (Bundestags-Drucks. 17/2740, S. 4, 21) wird zur Änderung von § 11 AufenthG ausgeführt: "Die in dem neuen Satz 4 vorgesehenen Ausnahmen von der regelmäßigen Höchstfrist von 5 Jahren beruhen auf Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b – gegenüber verurteilten Straftätern wird der Anwendungsbereich der Richtlinie insoweit eingeschränkt – und Artikel 11 Absatz 2 Satz 2 (schwerwiegende Gefahr für die Sicherheit und Ordnung) der Rückführungsrichtlinie. Eine strafrechtliche Verurteilung im Sinne der Ausnahme erfordert das Zugrundeliegen schwerwiegender Straftaten."
72 
Insbesondere in Anbetracht der hohen Wiederholungsgefahr, der "Rückfallgeschwindigkeit" und der erneuten Straffälligkeit des Klägers erachtet der Senat die Frist von vier Jahren und sechs Monaten ab dem 27.07.2012 auch unter Berücksichtigung des nach seiner Abschiebung bereits außerhalb des Bundesgebiets verbrachen Zeitraums und im Hinblick auf die familiären und persönlichen Bindungen des Klägers im Bundesgebiet für erforderlich, aber auch ausreichend. Es bleibt dem Kläger unbenommen, bei einer wesentlichen Änderung der maßgeblichen Sachlage, etwa seiner persönlichen Verhältnisse, einen Antrag auf weitergehende Befristung zu stellen.
73 
Die Befristungsentscheidung des Regierungspräsidiums ist jedoch rechtswidrig, soweit der Lauf der Frist danach eine erneute Ausreise oder Abschiebung des Klägers voraussetzt. § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG bestimmt zwar ausdrücklich, dass die Frist (erst) mit der Ausreise beginnt - wobei darunter sowohl die freiwillige als auch die erzwungene Ausreise fallen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.01.2012 - 1 C 1.11 - InfAuslR 2012, 173). Eine solche liegt hier aber schon in der am 15.12.2011 durchgeführten Abschiebung des Klägers nach Mazedonien. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass diese aufgrund der Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und der mit dieser verbundenen Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 03.01.2011 erfolgte und keinen Vollzug der Ausweisung bzw. einer von dieser abhängigen Abschiebungsandrohung darstellte. Denn der Kläger ist damit jedenfalls unter Geltung der Ausweisungsentscheidung vom 03.01.2011 ausgereist im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG. Die Ausweisung entfaltete zu diesem Zeitpunkt bereits die Sperrwirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG. Dann kann der Beginn der Frist auch nach (unerlaubter) Wiedereinreise nicht mehr von einer vorhergehenden - zweiten - Ausreise abhängig gemacht werden (vgl. auch Renner, a.a.O., § 11 Rn. 25; Hamb.OVG, Beschluss vom 15.08.1991 - Bs VII 67/91 -InfAuslR 1992, 250). Es ist Sache des beklagten Landes, durch einen zeitnahen Vollzug der Ausreisepflicht das mit der Ausweisung verbundene Einreiseverbot effektiv durchzusetzen.
74 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Soweit der Kläger mit seinem Hilfsantrag teilweise Erfolg hat, handelt es sich um ein geringfügiges Obsiegen, so dass ihm trotzdem die Kosten des Verfahrens ganz aufzuerlegen sind (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).
75 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
76 
Beschluss vom 6. November 2012
77 
Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird – unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts Stuttgart im Beschluss vom 20. April 2011 – auf 10.000,-- EUR, der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
78 
Gründe
79 
Die Änderung des Streitwerts für das Verfahren im ersten Rechtszug von Amts wegen sowie die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruhen auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 und 2, 39 Abs. 1 GKG. Die beim Verwaltungsgericht erhobene Klage war nicht nur auf Aufhebung der unter Ziffer 1 des Bescheids vom 03.01.2011 verfügten Ausweisung gerichtet, sondern auch auf Verpflichtung des beklagten Landes zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (vgl. Ziff. 2) und auf Aufhebung der Abschiebungsandrohung (Ziff. 3). Während es sich bei den ersten beiden Begehren um zwei selbstständige prozessuale Ansprüche handelt, für die jeweils der Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000,-- EUR anzusetzen ist (vgl. Ziffern 8.1 und 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327), kommt der Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung hier keine streitwerterhöhende Bedeutung zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.04.1982 - 1 B 38.82 - InfAuslR 1982, 167). Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren ist demnach auf 10.000,-- EUR festzusetzen, der für das Berufungsverfahren, in welchem es nur noch um die Ausweisung ging, auf 5.000,-- EUR (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -juris).
80 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
32 
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).
33 
Die - nach teilweiser Zulassung durch den Senat - statthafte Berufung des Klägers richtet sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.04.2011, soweit damit (auch) seine Klage gegen die Ausweisung unter Ziffer 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 03.01.2011 abgewiesen worden ist. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründet worden (vgl. § 124a Abs. 6 und Abs. 3 VwGO). Aufgrund der im Berufungsverfahren - mit dem hilfsweise gestellten Verpflichtungsantrag - erfolgten, zulässigen Einbeziehung der unter Ziffer 1 des Ergänzungsbescheids vom 27.07.2012 verfügten Befristung der Wirkungen der Ausweisung ist diese ebenfalls Gegenstand des Verfahrens. Darin liegt insbesondere keine Klageänderung im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - juris). Abgesehen davon hat das beklagte Land in diesem Ergänzungsbescheid explizit darauf hingewiesen, dass die Befristungsentscheidung in dem anhängigen Berufungsverfahren wegen Ausweisung rechtlich überprüft werde, und sich in der Folge sachlich darauf eingelassen. Sollte von einer Klageänderung auszugehen sein, wäre diese daher wegen Einwilligung des beklagten Landes als zulässig anzusehen (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 VwGO).
34 
Die Berufung ist aber nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringen Umfang begründet. Die Klage des Klägers gegen die Ausweisung ist vom Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen worden (dazu unter I.). Denn diese Verfügung - in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 27.07.2012 -ist auch zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - InfAuslR 2008, 156 und vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - juris) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sein - hilfsweise - gestellter Antrag auf Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen der Ausweisung "auf sofort" hat zu einem geringen Teil Erfolg (II.). Die unter Ziffer 1 des Ergänzungsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 27.07.2012 erfolgte Befristung auf vier Jahre und sechs Monate ist insoweit rechtswidrig als der Beginn der Frist danach eine erneute Ausreise oder Abschiebung des Klägers voraussetzt. Er hat aber keinen Anspruch auf eine weitergehende Befristung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
35 
Die Ausweisung ist rechtsfehlerfrei. Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 1 AufenthG liegen vor (1.). Der Kläger genießt keinen besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG (2.). Die Entscheidung des Regierungspräsidiums, den Kläger auszuweisen, ist verhältnismäßig und lässt sich auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden (3.). Auch verstößt die Ausweisung nicht gegen § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG (4.).
36 
1. Rechtsgrundlage der Ausweisung ist § 54 Nr. 1 AufenthG. Diese Regelung ist hier uneingeschränkt anwendbar. Insbesondere folgt nicht etwa allein aus dem Umstand, dass der Kläger Vater eines deutschen Staatsangehörigen - des am 15.11.2003 geborenen A.R. - ist, dass besondere unionsrechtliche Anforderungen zu beachten wären (vgl. hierzu EuGH, Urteile vom 05.05.2011 - Rs. C-434/09 InfAuslR 2011, 268 und vom 15.11.2011 - Rs. C-256/11 InfAuslR 2012, 47; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -NVwZ-RR 2012, 412).
37 
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Abs. 1 AufenthG sind unstreitig erfüllt. Danach wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren oder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Das ist hier allein schon wegen der Verurteilung des Klägers durch das Amtsgerichts Stuttgart - Bad Cannstatt vom 26.02.2010 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten der Fall. Inzwischen ist zudem das Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 22.07.2010, mit welchem er wegen Urkundenfälschung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden war, rechtskräftig. Außerdem erfolgte mit dem Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 23.08.2012 - wegen unerlaubter Einreise nach Abschiebung u.a. - eine weitere Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe.
38 
2. Dem Kläger kommt kein besonderer Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG zu.
39 
Auf § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG kann er sich nicht berufen, weil er bereits seit dem 03.09.2008 nicht mehr im Besitz eines Aufenthaltstitels ist. Sein Antrag auf Verlängerung der zuvor bestehenden Aufenthaltserlaubnis ist unter Ziffer 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart 03.01.2011 abgelehnt worden; diese Entscheidung ist inzwischen bestandskräftig. Die zunächst gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG (in der damals geltenden Fassung, welche § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG n.F. entspricht) eingetretene Fiktionswirkung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist daher zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats jedenfalls bereits beendet. Abgesehen davon hat das Regierungspräsidium zu Recht ausgeführt, dass Zeiten der Fiktionswirkung nicht dem (tatsächlichen) Besitz einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG gleichgestellt werden können, wenn später die Erteilung des Titels unanfechtbar abgelehnt wurde (vgl. Senatsurteil vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - InfAuslR 2012, 1, m.w.N.).
40 
Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Der Kläger lebt nicht mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft. Zwar kann regelmäßiger Umgang mit einem deutschen Kind für die Annahme dieses Ausweisungsschutzes ausreichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.01.2009 - 2 BvR 1064/08 - NVwZ 2009, 387 ff.). Einen solchen hat der Kläger mit seinem Sohn jedoch seit vielen Jahren nicht mehr.
41 
3. Danach ist der Kläger gemäß § 54 Nr. 1 AufenthG "in der Regel auszuweisen". Selbst wenn man - mit dem Regierungspräsidium - zugunsten des Klägers annimmt, dass wegen der zumindest noch bis zur Abschiebung des Klägers im Dezember 2011 bestehenden Bindungen in bzw. an Deutschland mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK von einer Ausnahme vom Regelfall auszugehen ist und daher die Ausweisung im Ermessen steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - InfAuslR 2008, 116), erweist sich diese als rechtmäßig. Die Ermessenserwägungen des Regierungspräsidiums im Bescheid vom 03.01.2011, welche in der Folge mehrmals, unter anderem im Bescheid über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung und der Abschiebung vom 27.07.2012, ergänzt und aktualisiert worden sind, lassen sich rechtlich nicht beanstanden.
42 
Bei der Entscheidung, ob eine im Ermessen der Ausländerbehörde stehende Ausweisung tatsächlich verfügt wird, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die in § 55 Abs. 3 AufenthG aufgeführten, nämlich die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts, die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige oder Lebenspartner des Ausländer, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft leben und die in § 60a Abs. 2 und 2b AufenthG genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung. Dabei sind der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Grundrechte des Betroffenen zu beachten, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG). Liegt ein Eingriff in diese Rechte vor, ist ohnehin eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris, m.w.N.; Urteil vom 22.10.2009 - 1 C 26.08 - InfAuslR 2010, 91). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umständen auch andere gewichtige persönliche Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK darf eine Behörde in die Ausübung des Rechts aus Art. 8 Abs. 1 EMRK nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Die Frage, ob der durch eine Ausweisung bewirkte Eingriff im konkreten Einzelfall in diesem Sinne „notwendig“, insbesondere verhältnismäßig ist, ist anhand einer Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Ausweisung eines straffällig gewordenen Ausländers mit seinem Interesse an der Aufrechterhaltung seiner faktisch gewachsenen und von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten privaten und familiären Bindungen im Bundesgebiet zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für ist dabei von einem bestimmten, nicht notwendigerweise abschließenden Kriterien- und Prüfkatalog auszugehen, den so genannten Boultif/Üner-Kriterien Menschenrechte (vgl. zu den Kriterien im Einzelnen: EGMR, Urteile vom 02.08.2001 - Nr. 54273/00 InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - Nr. 46410/99 <Üner> NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - Nr. 1683/03 InfAuslR 2008, 333, vom 25.03.2010 - Nr. 40601/05 InfAuslR 2010, 325, und vom 13.10.2011 - Nr. 41548/06 juris).
43 
Nach diesen Grundsätzen ist die Ausweisung des Klägers rechtmäßig. Sie ist in Ansehung der von diesem ausgehenden Gefahr der Begehung erneuter Straftaten (a) trotz des damit verbundenen Eingriffs in sein Privatleben als gerechtfertigt bzw. als verhältnismäßig zu beurteilen (b) und auch im Übrigen ermessensfehlerfrei erfolgt (c).
44 
a) Zunächst ist das Regierungspräsidium in den Bescheiden vom 03.01.2011 und vom 27.07.2012 zu Recht davon ausgegangen, dass weiterhin die erhebliche Gefahr der Begehung erneuter Straftaten durch den Kläger besteht, welche ein öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründet.
45 
Der Kläger hat sich über einen langen Zeitraum hinweg unter anderem wegen Betäubungsmitteldelikten immer wieder strafbar gemacht. Ausweislich der vom Senat zum Verfahren eingeholten Auskunft des Bundesamts für Justiz aus dem Zentralregister enthielt dieses am 06.08.2012 insgesamt neun Eintragungen über strafgerichtliche Verurteilungen. Die älteste betrifft das Urteil des Amtsgerichts Esslingen vom 22.07.2005 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln. Danach folgen Verurteilungen wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln vom 31.05.2007, unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in zwei Fällen vom 13.09.2007, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vom 10.06.2008, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln vom 02.02.2009, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis vom 11.02.2009, Erschleichens von Leistungen mit geringwertigem Schaden in drei Fällen vom 13.02.2009, gefährlicher Körperverletzung vom 15.10.2009 und wegen Diebstahls vom 26.02.2010.
46 
In Anbetracht dieser im Zeitraum zwischen Juli 2005 und Februar 2010 erfolgten Verurteilungen kann hier offen bleiben, ob - und gegebenenfalls inwieweit - frühere strafgerichtliche Entscheidungen, die nicht im Bundeszentral-, sondern lediglich im Erziehungsregister eingetragen sind, bei der Ausweisung zu berücksichtigen wären (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 23.09.2009 - 1 B 16.09 - InfAuslR 2009, 447; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.05.2009 - 13 S 116/09 - VBlBW 2010, 77; Saarl. OVG, Urteil vom 12.10.2011 - 1 A 246/11 -juris). Denn bereits die im Bundeszentralregister aufgeführten strafgerichtlichen Entscheidungen begründen die Annahme eines besonderen öffentlichen Interesses an einer Ausweisung des Klägers.
47 
Zwar handelt es sich bei den zugrundeliegenden Straftaten nicht um außerordentlich gravierende Delikte. Bei der gefährlichen Körperverletzung ist das Amtsgericht von einem minder schweren Fall ausgegangen. Die Hartnäckigkeit, mit der der Kläger allein zwischen 2005 und Februar 2010 immer wieder straffällig geworden ist, belegt aber eine besonders hohe Wiederholungsgefahr. Zu den angeführten und im Bundeszentralregister eingetragenen Straftaten kommt zudem noch eine Vielzahl von nach §§ 153b ff. StPO bzw. §§ 31a, 37, 38 BtMG eingestellten Verfahren, zuletzt wegen Erschleichens von Leistungen (am 03.04.2010 und am 05.02.2011) und wegen Unterschlagung eines Kraftfahrzeugs, Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Wohnungseinbruchdiebstahls (am 07.08.2011 und am 08.08.2011). Mit - erst seit dem 09.10.2012 rechtskräftigem - Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 22.07.2010 wurde der Kläger zudem wegen Urkundenfälschung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Vom 28.06.2009 bis zum 24.09.2009, vom 18.08.2010 bis zum 26.11.2010 und zuletzt vom 27.09.2011 bis zu seiner Abschiebung nach Mazedonien am 15.12.2011 verbüßte er Freiheitsstrafen. Weder diese Freiheitsstrafen noch andere Vorverurteilungen, laufende Ermittlungsverfahren oder der drohende Widerruf von Aussetzungen der Vollstreckung von Freiheitsstrafen zur Bewährung hielten ihn von der Begehung weiterer Straftaten ab. Auch die möglichen ausländerrechtlichen Konsequenzen waren ihm offensichtlich keine Warnung. Selbst nach Bekanntgabe des Bescheids vom 03.01.2011, mit welchem der Kläger nicht nur ausgewiesen, sondern auch sein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und ihm die Abschiebung angedroht worden war, wurden gegen ihn die angeführten weiteren Ermittlungsverfahren - wegen einer am 05.02.2011 begangenen "Beförderungserschleichung" und wegen des Verdachts des Wohnungseinbruchdiebstahls, der Unterschlagung eines Kraftfahrzeugs u.a. am 07. bzw. 08.08.2011 - eingeleitet. Die "Rückfallgeschwindigkeit" war danach außerordentlich hoch. In den Jahren 2009 bis 2011 gelang es dem Kläger letztlich nur in Zeiten, in welchen er sich in Haft befand, mehrere Monate lang strafrechtlich unauffällig zu bleiben.
48 
Vor diesem Hintergrund war bereits zum Zeitpunkt der Ausweisung und ist auch weiter jederzeit mit der Begehung erneuter Straftaten zu rechnen. Davon gehen auch die Strafgerichte aus. Bereits im Urteil des Amtsgerichts Stuttgart - Bad Cannstatt vom 26.02.2010, mit welchem der Kläger wegen des Diebstahls von drei Flaschen Parfum zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt wurde, wurde die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt, weil dem Kläger keine positive Sozialprognose gestellt werden könne. Im Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 29.03.2011 - mit welchem die Aussetzung der im Beschluss vom 10.02.2010 gewährten Strafaussetzung zur Bewährung bezüglich der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten und zwei Wochen widerrufen wurde - wird dargelegt, die Freiheitsstrafe sei zur Einwirkung auf den Kläger und zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich. Auch in den erst nach Wiedereinreise des Klägers ergangenen bzw. rechtskräftig gewordenen Urteilen des Amtsgerichts Heilbronn vom 22.07.2010 und des Amtsgerichts Rosenheim vom 23.08.2012 wurde keine Aussetzung der Freiheitsstrafen zur Bewährung gewährt.
49 
Anhaltspunkte dafür, dass sich die Einstellung des Klägers inzwischen maßgeblich geändert haben könnte und die Gefahr der erneuten Begehung von Straftaten gesunken wäre, bestehen nicht. Der Kläger hat sich weder mit seinen Straftaten auseinandergesetzt noch mit seinem (früheren) Drogenkonsum. Ernsthafte Reue oder Einsicht sind weder vorgetragen noch erkennbar. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, dass allein die erfolgte Abschiebung des Klägers im Dezember 2011 zu einer solchen Zäsur geführt haben könnte, dass die Wiederholungsgefahr jetzt anders zu beurteilen wäre. Dagegen spricht schon der Umstand, dass er inzwischen weitere Straftaten begangen hat. Er ist am 26.06.2012 unerlaubt und mit gefälschten bulgarischen Personalpapieren wieder nach Deutschland eingereist, weshalb er mit dem bereits angeführten Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 23.08.2012 zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt wurde. Es ist auch nicht anzunehmen, dass der Wunsch des Klägers, Kontakt zu seinem Sohn zu bekommen und zu halten sowie die Beziehung zu seiner Verlobten wieder aufzunehmen, ihn von der Begehung weiterer Straftaten abhalten würde. Schließlich hatten in der Vergangenheit weder die Beziehung zu seiner Verlobten noch die Vaterschaft entsprechende Auswirkungen.
50 
Bei dieser Sachlage - vor allem in Anbetracht von Anzahl sowie Art und Gewicht der vom Kläger begangenen Straftaten, seines früheren Drogenkonsums, der außerordentlich hohen "Rückfallgeschwindigkeit", der bislang gezeigten Uneinsichtigkeit und der bis heute fehlenden Tataufarbeitung - ist auch der Senat der Überzeugung, dass vom Kläger weiter eine erhebliche Gefahr der Begehung von diversen Straftaten, darunter Eigentums-, Betäubungsmittel- und auch Gewaltdelikten ausgeht. Das Regierungspräsidium hat daher zu Recht ein erhebliches öffentliches Interesse an seiner Ausweisung angenommen.
51 
b) Mit Blick auf das danach vom Kläger immer noch ausgehende Gefahrenpotential stellt die Ausweisung hier trotz seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland und seiner in dieser Zeit gewachsenen persönlichen Bindungen eine verhältnismäßige und insbesondere mit Art. 8 EMRK und Art. 2 Abs. 1 GG vereinbare Maßnahme dar.
52 
Allerdings hat die Ausweisung gravierende Folgen für den Kläger. Dieser besitzt zwar nach rechtskräftiger Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Ziffer 2 des Bescheids vom 03.01.2011 ohnehin kein Aufenthaltsrecht in Deutschland mehr. Die Ausweisung führt aber - ebenso wie eine Zurück- oder Abschiebung - gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22.11.2011, BGBl. I S. 2258 - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz 2011) zu einer Wiedereinreisesperre sowie einem Aufenthaltsverbot und sie steht gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG - in der Regel - der Erteilung eines neuen Titels entgegen (vgl. zum ganzen Renner, AuslR, 9. Aufl. 2011, Vor §§ 53-56 Rn 1 ff.). Die entsprechenden, durch die am 15.12.2011 erfolgte Abschiebung des Klägers nach Mazedonien ebenfalls nach § 11 Satz 1 und 2 AufenthG eingetretenen Wirkungen sind unter Ziffer 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 27.07.2012 bereits auf den 01.08.2012 befristet worden und damit beendet. Hingegen ist die Frist bezüglich der Ausweisung auf vier Jahre und sechs Monaten festgesetzt worden (Ziffer 1 des Bescheids, vgl. zum Beginn der Frist unten II.). Dies bedeutet für den Kläger, dass er - jedenfalls bei unveränderter Sachlage - in den nächsten Jahren nicht mehr ohne Weiteres nach Deutschland einreisen und sich hier aufhalten kann. Die Ausweisung hat daher noch weitgehendere Folgen für seine familiären und sozialen Bindungen zu in Deutschland lebenden Personen - insbesondere zu Eltern und Bruder, zu seiner Verlobten und zu seinem am 15.11.2003 geborenen Sohn - als es allein der fehlende Aufenthaltstitel und die erfolgte Abschiebung haben.
53 
Der Kläger hat sich bereits - wenn auch nicht ununterbrochen - von 1989 bis 1994 und erneut von 1998 bis zu seiner Abschiebung am 15.12.2011 in Deutschland aufgehalten. Vom 07.06.2004 bis zum 02.09.2008 war er im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, im Anschluss galt sein Aufenthalt bis zur Ablehnung seines Verlängerungsantrags mit Bescheid vom 03.01.2011 als erlaubt. Er hat eine Lehre als Bäcker abschlossen und war bis Juni 2009 als Bäcker tätig. Die Eltern des Klägers und sein Bruder leben in Deutschland. Zuletzt wohnte er bei seinem Vater. Der Kläger ist - oder war jedenfalls - außerdem mit einer deutschen Staatsangehörigen verlobt; beide wollten noch vor der Abschiebung des Klägers im Dezember 2011 heiraten. Nach der Abschiebung bestand offensichtlich kein enger Kontakt mehr; der Kläger hat aber im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vor der Berichterstatterin am 25.07.2012 erläutert, dass er vor allem deshalb Ende Juni 2012 erneut eingereist sei, um die Beziehung wieder aufzunehmen. Seinen Sohn hat der Kläger zwar nach seinem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung mit der Mutter des Sohnes offensichtlich jahrelang nicht mehr gesehen; er hat aber kurz vor seiner erneuten Inhaftierung am 27.09.2011 ein (betreutes) Umgangsrecht erstritten, zu dessen Anbahnung beim Kinderschutzbund bereits ein Eltern-Erstgespräch stattgefunden hatte. Im Erörterungstermin am 25.07.2012 hat er dargelegt, dass ihm an einer Beziehung zu seinem Sohn gelegen sei. Er habe die Mutter angeschrieben und gebeten, einen normalen Kontakt zu ermöglichen.
54 
Da der Kläger danach nicht in einer familiären Lebensgemeinschaft mit seinem Sohn lebt und er auch seit Jahren keinen unmittelbaren Kontakt zu seinem Sohn mehr hatte, kann er sich nicht mit Erfolg auf Art. 6 Abs. 1 GG berufen und auch nicht auf das in Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Recht auf Achtung des Familienlebens (vgl. dazu ausführlich Senatsbeschluss vom 16.08.2011 im Verfahren auf Zulassung der Berufung - 11 S 1656/11 - m.w.N.; BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 - InfAuslR 2007, 275; EGMR, Urteil vom 11.07.2000 - 29192/95 InfAuslR 2000, 473). Die Ausweisung greift aber in sein Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EMRK und in sein durch Art. 2 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein. Da der Kläger inzwischen über kein Aufenthaltsrecht mehr verfügt und bereits abgeschoben wurde, kann seinen Bindungen nicht mehr dasselbe Gewicht beigemessen werden wie zu Zeiten, in denen er sich rechtmäßig hier aufgehalten hat. Selbst wenn man insoweit aber zu seinen Gunsten auf den Zeitpunkt der Ausweisung abstellen würde, ist der Eingriff in sein Privatleben hier auch in Ansehung der früheren Bindungen in Deutschland und der für ihn mit einem Leben in Mazedonien verbundenen Schwierigkeiten wegen der Schwere der begangenen Straftaten und der besonders hohen Wiederholungsgefahr als - mit Blick auf das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG - verfassungsrechtlich gerechtfertigt bzw. als gerechtfertigt im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und insbesondere als verhältnismäßig anzusehen.
55 
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger offensichtlich nur in den ersten drei bis vier Lebensjahren näheren Kontakt zu seinem Kind A.R. hatte. Im Beschluss des Amtsgerichts Esslingen vom 06.05.2011, mit welchem ihm ein betreuter Umgang eingeräumt wurde, wird ausgeführt, dass die Mutter des Kindes und der Kläger sich getrennt hätten, als A.R. drei Jahre alt gewesen sei. Eine kurze Zeit danach habe die Kindsmutter noch die Eltern des Klägers und den Kläger besucht. Danach hätten keinerlei Kontakte mehr stattgefunden. Der Kläger habe auch nach eigenen Angaben seinen Sohn nicht mehr besucht, keinen telefonischen Kontakt zu ihm gehabt, ihm keine Karten geschickt und auch keine Geschenke gemacht. Ausweislich der vorliegenden Unterlagen hat der Kläger zudem viele Jahre keinen - oder zu wenig - Unterhalt geleistet. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass die Mutter des Kindes schon früher gegen einen Umgang des Klägers mit A.R. gewesen sein und diesen verhindert haben sollte, fällt doch auf, dass der Kläger sich erstmals nach Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und Ausweisung im Bescheid vom 03.01.2011 ernsthaft um einen Umgang mit seinem Sohn bemüht hat. Im dem danach von ihm angestrengten gerichtlichen Verfahren wegen Umgangs wurde davon ausgegangen, dass der Sohn den Kläger erst kennenlernen müsse; er sei "neugierig" auf ihn. Tatsächlich ist es dann offensichtlich nicht mehr zu einem Treffen gekommen.
56 
Soweit sich der Kläger auf sein Verlöbnis mit einer deutschen Staatsangehörigen beruft, kann offen bleiben, ob diese Beziehung noch besteht. Allerdings hat er nach seiner Abschiebung im Dezember 2011 offensichtlich kaum mehr Kontakt zu seiner Verlobten gehabt; insbesondere ist es nicht zu der zunächst für Februar 2012 angekündigten Heirat gekommen. Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass beide weiterhin die Absicht haben, einander zu heiraten, steht dies einer Ausweisung hier in Ansehung der vom Kläger ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ebenso wenig entgegen wie die Beziehung des Klägers zu seinen Eltern, seinem Bruder und zu in Deutschland lebenden Freunden und Bekannten.
57 
Dem Kläger ist ein Leben in Mazedonien auch zuzumuten. Er lebte nicht seit seiner Geburt, sondern erst seit November 1998 - also seit seinem 14. Lebensjahr - bis zu seiner Abschiebung am 15.12.2011 durchgehend in Deutschland. Obwohl er sich mit seinen Eltern bereits zuvor - mit Unterbrechungen vom 28.08.1989 bis November 1994 - in Deutschland aufgehalten hat, hat er jedenfalls einen wesentlichen Teil seiner Kindheit noch im heutigen Mazedonien verbracht. Von Dezember 2011 bis zu seiner unerlaubten Wiedereinreise am 26.06.2012 hat er sich wieder dort aufgehalten. Er hat in Mazedonien Verwandte. Zwar hat er vorgetragen, er habe nicht mehr länger bei seiner Tante wohnen dürften, bei der er nach seiner Abschiebung zunächst drei Monate lang gelebt habe. Er habe dann ohne Papiere, welche man ihm beim Versuch einer Ausreise nach Serbien abgenommen habe, und in ständiger Angst vor willkürlichen Verhaftungen wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma "auf der Straße leben" müssen. Tatsächlich haben Roma in Mazedonien mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Auch kann zwangsweise zurückgeführten mazedonischen Straftätern oder Asylbewerbern für die Dauer von einem Jahr der Pass entzogen werden. Dies kann unter anderem zur Verweigerung einer Ausreise des Betreffenden aus Mazedonien führen (vgl. AA an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 06.08.2012). Ohne Papiere kann es außerdem zu Problemen beim Zugang zu Sozialhilfe- und Gesundheitsfürsorgeleistungen kommen (vgl. a.i. Mazedonien-Report 2012). Im Falle des 27-jährigen Klägers ist aber nicht zu erwarten, dass er ein Leben unterhalb des Existenzminimums führen müsste. Zudem könnte er sich gegebenenfalls zumindest vorübergehend von seinen im Bundesgebiet lebenden Eltern und seinem Bruder unterstützen lassen. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere nicht vom Bestehen eines Abschiebungsverbots auszugehen.
58 
c) Die Ausweisung ist ermessensfehlerfrei erfolgt.
59 
Das Regierungspräsidium hat die im Bescheid vom 03.01.2011 angeführten Ermessenserwägungen in mehreren Schriftsätzen, im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vor der Berichterstatterin am 25.07.2012 und im Bescheid vom 27.07.2012 ergänzt und alle nach Erlass der Ausweisungsverfügung eingetretenen Tatsachen und Umstände, insbesondere auch das dem Kläger eingeräumte Umgangsrecht mit seinem Sohn und das Verlöbnis mit einer deutschen Staatsangehörigen berücksichtigt. Bei der umfassenden Abwägung wurden alle für die Ausweisungsentscheidung relevanten Umstände eingestellt und rechtsfehlerfrei abgewogen.
60 
Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid vom 03.01.2011, im Falle des Klägers liege keine "abgeschlossene Integration in deutsche Lebensverhältnisse" vor, begründen hier keinen Ermessensfehler. Allerdings kann diese - mehrfach verwendete - Formulierung Anlass zu Missverständnissen sein. Schließlich ist der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK unter anderem bei Ausländern eröffnet, die - wie der Kläger jedenfalls früher - wegen ihres langjährigen (rechtmäßigen) Aufenthalts in Deutschland und einer erfolgreichen Schul- sowie Berufsausbildung als "verwurzelt" anzusehen sind. Allein der Umstand, dass der Betreffende Straftaten begangen hat, bedeutet nicht, dass er sich nicht mehr auf den Schutz des Privatlebens berufen könnte. Vielmehr sind die Straftaten gegebenenfalls bei der nach Art. 8 Abs. 2 EMRK erforderlichen Abwägung aller Umstände entsprechend zu gewichten (vgl. dazu Senatsurteil vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - InfAuslR 2012, 1, m.w.N.). Davon ist das Regierungspräsidium im angegriffenen Bescheid aber auch ausgegangen.
61 
Ein Ermessensfehler folgt hier auch nicht daraus, dass das Regierungspräsidium im Bescheid vom 03.01.2011 zudem darauf verwiesen hat, dass bei sehr häufigem straffälligen Verhalten ein dringendes Bedürfnis dafür bestehe, durch die Ausweisung andere Ausländer von ähnlichen Straftaten abzuhalten. Denn es durfte die Ausweisung des Klägers ergänzend auch mit dem Aspekt der Generalprävention begründen. Dabei kommt es hier nicht auf die Frage an, ob eine Ausweisung von in Deutschland "nachhaltig verwurzelten“ Ausländern noch (allein) tragend generalpräventiv begründet werden kann (einschränkend Senatsurteil vom 18.03.2011 - 11 S 2/11 - InfAuslR 2011, 293; a.A. im Revisionsverfahren bezüglich dieses Urteils: BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - InfAuslR 2012, 255). Denn jedenfalls ist hier der Aspekt der Abschreckung anderer potentieller Straftäter vom Regierungspräsidium lediglich ergänzend - neben der bestehenden großen Gefahr der Begehung erneuter Straftaten durch den Kläger - herangezogen worden. Dies lässt sich nicht beanstanden.
62 
4. Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bezüglich der Abschiebung im Dezember 2011 - 11 S 3155/11 - weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Regelung des § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG der Ausweisung hier nicht entgegensteht. Danach darf ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, nur im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft abgeschoben werden. Diese Vorschrift dient der Wahrung des staatlichen Strafverfolgungsinteresses und nicht dem Schutz des Betreffenden vor einer Ausweisung oder Abschiebung (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 08.12.2011 - 11 S 3155/11 - AuAS 2012, 38). Auf die Frage, ob sich der Kläger gegenüber seiner Ausweisung mit Erfolg auf das Fehlen eines nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderlichen Einvernehmens berufen könnte, kommt es hier schon deshalb nicht an, weil derzeit keine entsprechenden Verfahren mehr offen sind. Soweit strafrechtliche Ermittlungsverfahren nicht eingestellt worden sind, haben sie zu Anklagen geführt, über welche inzwischen in allen Fällen rechtskräftig entschieden worden ist.
II.
63 
Der Hilfsantrag des Klägers, mit welchem dieser die Befristung der in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf sofort begehrt, hat lediglich teilweise Erfolg. Die vom Regierungspräsidium unter Ziffer 1 des Bescheids vom 27.07.2012 verfügte Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf vier Jahre und sechs Monate nach (erneuter) Ausreise bzw. Abschiebung ist insoweit rechtswidrig, als danach die Frist erst mit einer erneuten Ausreise oder Abschiebung und nicht bereits mit dem Erlass des Bescheids zu laufen beginnt. Der Kläger hat einen Anspruch auf entsprechende Änderung der Befristungsentscheidung; er hat jedoch keinen Anspruch auf eine weitergehende Befristung oder gar auf die von ihm begehrte Fristsetzung "auf sofort".
64 
Nach § 11 Abs. 1 AufenthG - in der hier maßgeblichen Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 - darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten (Satz 1). Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt (Satz 2). Die in den Sätzen 1 und 2 (des § 11 Abs. 1 AufenthG) bezeichneten Wirkungen werden gemäß Satz 3 auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (Satz 4). Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist (Satz 5). Die Frist beginnt mit der Ausreise (Satz 6). Nach § 11 Abs. 1 Satz 7 AufenthG erfolgt keine Befristung, wenn ein Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde.
65 
Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - juris) hat - infolge der Änderung von § 11 AufenthG durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 - ein Ausländer einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit Erlass einer Ausweisung zugleich deren in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannte Wirkungen befristet. Dabei genügt für den nach dem Wortlaut des § 11 Absatz 1 Satz 3 AufenthG erforderlichen Antrag jede Willensbekundung des Antragstellers, mit welcher sich dieser gegen eine Ausweisung wendet. Der Betreffende kann dann gegebenenfalls zugleich mit Anfechtung der Ausweisung - hilfsweise - seinen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung gerichtlich durchsetzen (so schon BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - InfAuslR 2012, 255). Erachtet das Gericht die Ausweisung für rechtmäßig, hat es auf den Hilfsantrag des Betroffenen hin die Befristungsentscheidung der Ausländerbehörde vollumfänglich zu überprüfen. Hat eine Ausländerbehörde eine zu lange Frist festgesetzt oder fehlt eine behördliche Befristungsentscheidung, hat es über die konkrete Dauer einer angemessenen Frist selbst zu befinden und die Ausländerbehörde zu einer entsprechenden Befristung zu verpflichten (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 10.07.2012, a.a.O., m.w.N.).
66 
Zur Wahrung der Rechtseinheitlichkeit folgt der Senat unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung (vgl. zum Antragserfordernis Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - DVBl. 2012, 1170; vgl. auch Urteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - NVwZ-RR 2012, 412) dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach ist auch hier davon auszugehen, dass es für die an sich nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG erforderliche Stellung eines Antrags auf Befristung genügt, dass sich der Kläger gegen die Ausweisung selbst gewandt hat.
67 
2. Die im vorliegenden Fall mit Blick auf das angeführte das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.07.2012 (- 1 C 19.11 - juris) vom Regierungspräsidium unter Ziffer 1 des Bescheids vom 27.07.2012 erfolgte Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf vier Jahre und sechs Monate nach erfolgter Ausreise oder erneuter Abschiebung ist lediglich hinsichtlich des Fristbeginns rechtswidrig.
68 
Die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Höchstfrist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) und den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen. Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen (BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - juris, m.w.N.).
69 
Nach diesen Grundsätzen lässt sich die vom Regierungspräsidium verfügte Frist im Grundsatz rechtlich nicht beanstanden. Auch der Senat erachtet eine Frist von vier Jahren und sechs Monaten - allerdings gerechnet ab dem 27.07.2012 - als angemessen.
70 
Dabei kann hier letztlich offen bleiben, ob bei der Bemessung der Frist zwingend die Zeiten "anzurechnen" sind, die der Kläger bereits nach seiner Abschiebung am 15.12.2011 bis zu seiner Wiedereinreise am 27.06.2012 außerhalb des Bundesgebiets verbracht hat. Zwar wäre dann insgesamt die in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannte Höchstfrist von fünf Jahren um 12 Tage überschritten; von dieser kann hier aber abgewichen werden.
71 
Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums kann die Zulässigkeit einer Überschreitung der Frist von fünf Jahren im Fall des Klägers allerdings nicht damit begründet werden, dass von diesem eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe (§ 11 Abs. 1 Satz 4, 2. Alt. AufenthG, vgl., auch Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie -, ABl EU Nr. L 348 vom 24.12.2008 S. 98). Denn eine solche kann wohl nur bei gravierenderen Straftaten angenommen werden. Die Grenze von fünf Jahren ist hier aber jedenfalls deshalb nicht zwingend, weil der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist (§ 11 Abs. 1 Satz 4, 1. Alt. AufenthG). Eine andere Beurteilung folgt nicht aus der Rückführungsrichtlinie. Nach deren Art. 11 Abs. 1 gehen Rückkehrentscheidungen mit einem Einreiseverbot einher. Gemäß Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Zum einen stellt eine Ausweisung nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteile vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - DVBl. 2012, 1170 und vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, jew. m.w.N.) aber keine Rückkehrentscheidung in diesem Sinne dar, so dass die Rückführungsrichtlinie schon deshalb insoweit nicht anzuwenden ist. Zum anderen bestimmt Art. 2 Abs. 2 Buchstabe b der Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten beschließen können, diese unter anderem nicht auf solche Drittstaatsangehörigen anzuwenden, die nach einzelstaatlichem Recht aufgrund einer strafrechtlichen Sanktion oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sind. Von dieser "opt-out-Möglichkeit" hat der Gesetzgeber bezüglich der Dauer der für ein Einreiseverbot zu bestimmenden Frist explizit Gebrauch gemacht. In der Begründung zum Entwurf des Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 (Bundestags-Drucks. 17/2740, S. 4, 21) wird zur Änderung von § 11 AufenthG ausgeführt: "Die in dem neuen Satz 4 vorgesehenen Ausnahmen von der regelmäßigen Höchstfrist von 5 Jahren beruhen auf Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b – gegenüber verurteilten Straftätern wird der Anwendungsbereich der Richtlinie insoweit eingeschränkt – und Artikel 11 Absatz 2 Satz 2 (schwerwiegende Gefahr für die Sicherheit und Ordnung) der Rückführungsrichtlinie. Eine strafrechtliche Verurteilung im Sinne der Ausnahme erfordert das Zugrundeliegen schwerwiegender Straftaten."
72 
Insbesondere in Anbetracht der hohen Wiederholungsgefahr, der "Rückfallgeschwindigkeit" und der erneuten Straffälligkeit des Klägers erachtet der Senat die Frist von vier Jahren und sechs Monaten ab dem 27.07.2012 auch unter Berücksichtigung des nach seiner Abschiebung bereits außerhalb des Bundesgebiets verbrachen Zeitraums und im Hinblick auf die familiären und persönlichen Bindungen des Klägers im Bundesgebiet für erforderlich, aber auch ausreichend. Es bleibt dem Kläger unbenommen, bei einer wesentlichen Änderung der maßgeblichen Sachlage, etwa seiner persönlichen Verhältnisse, einen Antrag auf weitergehende Befristung zu stellen.
73 
Die Befristungsentscheidung des Regierungspräsidiums ist jedoch rechtswidrig, soweit der Lauf der Frist danach eine erneute Ausreise oder Abschiebung des Klägers voraussetzt. § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG bestimmt zwar ausdrücklich, dass die Frist (erst) mit der Ausreise beginnt - wobei darunter sowohl die freiwillige als auch die erzwungene Ausreise fallen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.01.2012 - 1 C 1.11 - InfAuslR 2012, 173). Eine solche liegt hier aber schon in der am 15.12.2011 durchgeführten Abschiebung des Klägers nach Mazedonien. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass diese aufgrund der Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und der mit dieser verbundenen Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 03.01.2011 erfolgte und keinen Vollzug der Ausweisung bzw. einer von dieser abhängigen Abschiebungsandrohung darstellte. Denn der Kläger ist damit jedenfalls unter Geltung der Ausweisungsentscheidung vom 03.01.2011 ausgereist im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG. Die Ausweisung entfaltete zu diesem Zeitpunkt bereits die Sperrwirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG. Dann kann der Beginn der Frist auch nach (unerlaubter) Wiedereinreise nicht mehr von einer vorhergehenden - zweiten - Ausreise abhängig gemacht werden (vgl. auch Renner, a.a.O., § 11 Rn. 25; Hamb.OVG, Beschluss vom 15.08.1991 - Bs VII 67/91 -InfAuslR 1992, 250). Es ist Sache des beklagten Landes, durch einen zeitnahen Vollzug der Ausreisepflicht das mit der Ausweisung verbundene Einreiseverbot effektiv durchzusetzen.
74 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Soweit der Kläger mit seinem Hilfsantrag teilweise Erfolg hat, handelt es sich um ein geringfügiges Obsiegen, so dass ihm trotzdem die Kosten des Verfahrens ganz aufzuerlegen sind (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).
75 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
76 
Beschluss vom 6. November 2012
77 
Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird – unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts Stuttgart im Beschluss vom 20. April 2011 – auf 10.000,-- EUR, der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
78 
Gründe
79 
Die Änderung des Streitwerts für das Verfahren im ersten Rechtszug von Amts wegen sowie die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruhen auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 und 2, 39 Abs. 1 GKG. Die beim Verwaltungsgericht erhobene Klage war nicht nur auf Aufhebung der unter Ziffer 1 des Bescheids vom 03.01.2011 verfügten Ausweisung gerichtet, sondern auch auf Verpflichtung des beklagten Landes zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (vgl. Ziff. 2) und auf Aufhebung der Abschiebungsandrohung (Ziff. 3). Während es sich bei den ersten beiden Begehren um zwei selbstständige prozessuale Ansprüche handelt, für die jeweils der Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000,-- EUR anzusetzen ist (vgl. Ziffern 8.1 und 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327), kommt der Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung hier keine streitwerterhöhende Bedeutung zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.04.1982 - 1 B 38.82 - InfAuslR 1982, 167). Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren ist demnach auf 10.000,-- EUR festzusetzen, der für das Berufungsverfahren, in welchem es nur noch um die Ausweisung ging, auf 5.000,-- EUR (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -juris).
80 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Wenn ein nach dem Tatbestand von einem Beteiligten gestellter Antrag oder die Kostenfolge bei der Entscheidung ganz oder zum Teil übergangen ist, so ist auf Antrag das Urteil durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen.

(2) Die Entscheidung muß binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils beantragt werden.

(3) Die mündliche Verhandlung hat nur den nicht erledigten Teil des Rechtsstreits zum Gegenstand. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung kann abgesehen werden, wenn mit der Ergänzung des Urteils nur über einen Nebenanspruch oder über die Kosten entschieden werden soll und wenn die Bedeutung der Sache keine mündliche Verhandlung erfordert.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Der Berufungsbeklagte und die anderen Beteiligten können sich der Berufung anschließen. Die Anschlussberufung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzulegen.

(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Beteiligte auf die Berufung verzichtet hat oder die Frist für die Berufung oder den Antrag auf Zulassung der Berufung verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung der Berufungsbegründungsschrift.

(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. § 124a Abs. 3 Satz 2, 4 und 5 gilt entsprechend.

(4) Die Anschlussberufung bedarf keiner Zulassung.

(5) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Der Berufungsbeklagte und die anderen Beteiligten können sich der Berufung anschließen. Die Anschlussberufung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzulegen.

(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Beteiligte auf die Berufung verzichtet hat oder die Frist für die Berufung oder den Antrag auf Zulassung der Berufung verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung der Berufungsbegründungsschrift.

(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. § 124a Abs. 3 Satz 2, 4 und 5 gilt entsprechend.

(4) Die Anschlussberufung bedarf keiner Zulassung.

(5) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht.

(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung verzichtet hat oder die Berufungsfrist verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Diese Frist gilt nicht, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323) zum Gegenstand hat.

(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. Die Vorschriften des § 519 Abs. 2, 4 und des § 520 Abs. 3 sowie des § 521 gelten entsprechend.

(4) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 214/10
vom
28. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. September 2010
einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 7. August 2009 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu der Begründung der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten im Hinblick auf seine Tätigkeit als Führungsfunktionär der DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi = Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front) als Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung innerhalb der DHKP-C verurteilt. Es hat dabei ausdrücklich offen gelassen, ob die DHKP-C insgesamt, also auch jenseits der "mit der Planung und Ausführung von Anschlägen betrauten Kader(n)" und des engeren Funktionärskörpers einschließlich der "Führungsverantwortlichen innerhalb der europäischen Rückfront", als eine solche Vereinigung anzusehen ist. Hierzu hätte angesichts der Feststellungen im angefochtenen Urteil keine Veranlassung bestanden. Diese belegen, dass die DHKP-C als solche eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Tot- schlag zu begehen (§ 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB). Anhaltspunkte dafür, dass insoweit zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren ist, sind den Feststellungen in Ansehung der Struktur der Vereinigung nicht zu entnehmen. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört. Auch die Listung der DHKP-C als terroristische Vereinigung (Ratsbeschlüsse 2002/460/EG vom 17. Juni 2002 und zuletzt vom 28. Juni 2007 - 2007/445/EG - zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der VO (EG) 2580/2001 vom 27. Dezember 2001) enthält keine Einschränkung auf einen bestimmten Personenkreis innerhalb der Organisation.
Becker Pfister von Lienen Sost-Scheible Schäfer

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 214/10
vom
28. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. September 2010
einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 7. August 2009 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu der Begründung der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten im Hinblick auf seine Tätigkeit als Führungsfunktionär der DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi = Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front) als Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung innerhalb der DHKP-C verurteilt. Es hat dabei ausdrücklich offen gelassen, ob die DHKP-C insgesamt, also auch jenseits der "mit der Planung und Ausführung von Anschlägen betrauten Kader(n)" und des engeren Funktionärskörpers einschließlich der "Führungsverantwortlichen innerhalb der europäischen Rückfront", als eine solche Vereinigung anzusehen ist. Hierzu hätte angesichts der Feststellungen im angefochtenen Urteil keine Veranlassung bestanden. Diese belegen, dass die DHKP-C als solche eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Tot- schlag zu begehen (§ 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB). Anhaltspunkte dafür, dass insoweit zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren ist, sind den Feststellungen in Ansehung der Struktur der Vereinigung nicht zu entnehmen. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört. Auch die Listung der DHKP-C als terroristische Vereinigung (Ratsbeschlüsse 2002/460/EG vom 17. Juni 2002 und zuletzt vom 28. Juni 2007 - 2007/445/EG - zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der VO (EG) 2580/2001 vom 27. Dezember 2001) enthält keine Einschränkung auf einen bestimmten Personenkreis innerhalb der Organisation.
Becker Pfister von Lienen Sost-Scheible Schäfer

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21.10.2009 - 8 K 2123/09 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der 1988 in Stuttgart geborene ledige Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er wuchs als einziges Kind im elterlichen Haushalt auf. Der Vater ist ebenfalls türkischer Staatsangehöriger, die Mutter besitzt die kroatische Staatsangehörigkeit. Der Kläger besuchte zunächst die Grundschule und wechselte nach der 5. Klasse Hauptschule auf die Realschule. Dort wiederholte er die 6. Realschulklasse. Nachdem er das Klassenziel der 9. Realschulklasse nicht erreicht hatte, wechselte er für ein Berufsvorbereitungsjahr erneut die Schule und erreichte dort 2006 den Hauptschulabschluss. Der Kläger bemühte sich anschließend nicht um einen Ausbildungsplatz oder um eine Arbeitsstelle, sondern lebte von Zuwendungen der Eltern.
Der Kläger ist seit dem 14.03.2005 im Besitz einer Niederlassungserlaubnis.
Ein Verfahren gegen den Kläger wegen Körperverletzung und Beleidigung eines Mitschülers wurde durch Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 22.02.2005 gemäß § 45 Abs. 2 JGG eingestellt.
Am 16.08.2007 schlug er einen Passanten auf den Rücken, als dieser ihn auf seine überhöhte Geschwindigkeit und undisziplinierte Fahrweise ansprach und sich von ihm entfernen wollte, nachdem der Kläger ihn zunächst bedroht und schließlich noch beleidigt hatte. Dieses Verfahren wurde ebenfalls eingestellt.
Am 28.08.2007 wurde der Kläger wegen des dringenden Tatverdachts des Mordes vorläufig fest- und aufgrund eines am 29.08.2007 vom Amtsgericht Stuttgart erlassenen Haftbefehls in Untersuchungshaft genommen.
Durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 05.03.2008 wurde der Kläger wegen Mordes und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 10 Jahren verurteilt. Das Landgericht ordnete gleichzeitig die Unterbringung des Klägers in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Der Kläger hatte am 21.08.2007 aus Eifersucht zusammen mit einem von ihm angestifteten Mittäter den 19-jährigen französischen Staatsangehörigen Ivan S. ermordet.
Der Chefarzt der Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. gab am 23.01.2009 einen Führungsbericht über den Kläger ab. Darin heißt es u.a., dass eine Auseinandersetzung und Aufarbeitung mit der begangenen Straftat beim Kläger bislang nicht stattgefunden habe. Von einer Verantwortungsübernahme sei dieser noch weit entfernt.
Nach Anhörung wies das Regierungspräsidiums Stuttgart daraufhin den Kläger mit Verfügung vom 25.05.2009 aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer 1) und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise an, wobei er darauf hingewiesen wurde, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden könne, in den er einreisen dürfe und der zu seiner Rücknahme verpflichtet sei (Ziffer 2). Gleichzeitig wurde er darüber informiert, dass seine Abschiebung - vorbehaltlich der Bestandskraft der Verfügung - im Zeitpunkt der Haftentlassung beabsichtigt sei. Die Abschiebung wurde dem Kläger für diesen Zeitpunkt angekündigt.
In der Begründung heißt es u.a.: Der Kläger besitze eine Rechtsposition und ein Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 und genieße aufgrund dessen Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80. Danach gälten die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen der Art. 6 und 7 ARB 1/80 nur vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt seien. Dabei seien die materiell- rechtlichen Grundsätze zu beachten, die für freizügigkeitsberechtigte Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union Anwendung fänden. Die Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers setze demnach insbesondere voraus, dass aufgrund des persönlichen Verhaltens des Betroffenen außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstelle, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Eine strafrechtliche Verurteilung könne eine Ausweisung nur insoweit rechtfertigen, als die ihr zugrundeliegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen ließen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstelle. Zudem setze die Ausweisung nach dem Urteil des EuGH vom 29.04.2004 einen sogenannten Extremfall voraus, also die konkrete und hohe Wiederholungsgefahr besonders schwerwiegender Straftaten. Der Kläger sei vom Landgericht Stuttgart am 05.03.2008 wegen Mordes und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 10 Jahren verurteilt worden. Gleichzeitig sei die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden. Die vom Kläger begangene Straftat stelle als Kapitalverbrechen ein persönliches Verhalten im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dar. Dieses gebe Anlass, den Kläger aus dem Bundesgebiet auszuweisen. Daran ändere auch die vom Strafgericht aufgrund des psychiatrischen Gutachtens getroffene Feststellung einer krankhaft seelischen Störung und einer dadurch erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit und damit auch erheblich verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB nichts. Die vom Kläger - wenn auch im Zustand der verminderten Steuerungs- und Schuldfähigkeit - begangene Gewalttat des Mordes stelle zweifelsfrei einen Verstoß, gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Sie sei auch ein schwerwiegender Ausweisungsanlass. Die Ausweisung erfolge wegen der Schwere der abgeurteilten Straftat sowie der konkreten Wiederholungsgefahr weiterer schwerwiegender Verstöße gegen die geltende Rechtsordnung. Im Falle des Klägers bestehe eine konkrete Wiederholungsgefahr einer ähnlich gelagerten schweren Straftat. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei der Kläger weiterhin krank und neige zudem zu Aggressionen und Autoaggressionen und die Wahrscheinlichkeit spreche nach Auffassung des Sachverständigen dafür, dass beim Kläger - etwa im Rahmen einer Zuspitzung der Situation - weiter mit erheblichen Gewalttaten zu rechnen sei. Die Neigung zu Aggressionshandlungen und Gewalttätigkeiten habe der Kläger in der Vergangenheit wiederholt gezeigt. Wegen der Schwere der vom Kläger begangenen Straftat und der bestehenden hohen konkreten Wiederholungsgefahr weiterer schwerer Straftaten stehe einer Ausweisung Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nicht entgegen. Für freizügigkeitsberechtigte Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union wie auch für türkische Staatsangehörige, die eine Rechtsposition aus Art. 7 ARB 1/80 besitzen, sei eine Ausweisung ungeachtet des tatsächlich verwirklichten Ausweisungstatbestandes nur im Ermessenswege auf der Grundlage des § 55 AufenthG zulässig. Das Regierungspräsidium Stuttgart gehe davon aus, dass für den Kläger auch die nationalen Schutzvorschriften des § 56 AufenthG Anwendung fänden. Danach könne der Kläger, der eine Niederlassungserlaubnis besitze und sich seit mehr als 5 Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nur noch aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Ein solcher Fall liege beim Kläger vor. Da, wie dargelegt, eine hohe und konkrete Wiederholungsgefahr bestehe, sei die Rechtshürde des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG überwunden. Ein nationales Ausweisungsverbot liege damit nicht vor und über die Ausweisung sei im Hinblick auf Art. 14 ARB 1/80 nach Ermessen zu entscheiden. Mit dem von ihm begangenen Kapitalverbrechen erfülle der Kläger den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG. Danach könne eine Ausweisung erfolgen, wenn der betreffende Ausländer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen habe. Nach einer umfänglichen Würdigung der schutzwürdigen persönlichen wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Klägers kam das Regierungspräsidium zu dem Ergebnis, dass eine Ausweisung keine unverhältnismäßige Folge der schweren Gewalttat des Klägers darstelle, auch wenn diese im Zustand der verminderten Steuerungs- und Schuldfähigkeit begangen worden sei. Die Ausweisung als Maßnahme der polizeilichen Gefahrenabwehr wurde unter Berücksichtigung der sehr hohen Wiederholungsgefahr nicht als unverhältnismäßig angesehen und sei auch mit Art. 8 EMRK vereinbar. Einer Ausweisung stehe auch nicht das Europäische Niederlassungsabkommen (ENA) vom 13.12.1955 entgegen. Der Kläger habe, wie oben dargelegt, gegen die öffentliche Ordnung verstoßen und damit könne der völkerrechtliche Ausweisungsschutz aus Art. 3 Nr. 3 des ENA ihn nicht vor einer Ausweisung schützen. Zudem sei der Schutz aus Art. 3 Nr. 3 ENA nicht höher als die Rechtsschranke aus Art. 14 ARB 1/80, die im Falle des Klägers ebenfalls überwunden sei. Die Abschiebungsandrohung habe ihre Rechtsgrundlage in § 59 AufenthG. Da sich der Kläger in Haft bzw. im Maßregelvollzug befinde, bedürfe es in seinem Fall nach § 59 Abs. 5 AufenthG keiner Fristsetzung. Vielmehr werde ein Ausländer in diesen Fällen aus der Haft bzw. Unterbringung abgeschoben. Es sei davon auszugehen, dass bis dahin über eine ggf. erhobene Klage rechtskräftig entschieden und die Ausweisung damit unanfechtbar und die Ausreisepflicht vollziehbar sein werde.
10 
Der Kläger erhob am 02.06.2009 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart.
11 
Zur Begründung trug er unter anderem vor: Der Kläger erfülle als türkischer Staatsangehöriger die Voraussetzungen gemäß Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Die Ausweisung sei rechtswidrig. Zunächst sei Art. 28 Abs. 3 lit. a) RL 2004/98/EG im Rahmen des Art. 14 ARB 1/80 anzuwenden. Die Vorschrift führe nicht nur dazu, dass § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU anzuwenden sei, vielmehr werde dadurch auch der Begriff der öffentlichen Sicherheit eingeengt. Schutzgut des Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG seien die Sicherheit des Staates und seiner Institutionen und das Überleben der Bevölkerung. Dieses sei vom Kläger niemals gefährdet worden. Weiter verstoße seine Ausweisung gegen Art. 8 EMRK. Der erzieherische Gedanke in dieser Bestimmung werde vom Beklagten vorliegend verleugnet. Zudem beherrsche der Kläger auch nicht die türkische Sprache. Der Vater habe sich mit der Mutter, einer kroatischen Staatsangehörigen, darauf verständigt, nur in deutscher Sprache miteinander zu kommunizieren. Der Kläger sei danach faktischer Inländer. Dies werde auch dadurch bestätigt, dass keiner der Mittäter bei der schrecklichen Tat türkisch gesprochen habe. Weiter bestehe die Gefahr, dass der Kläger bei einer Abschiebung in die Türkei den bereits in der Haft unternommenen Suizidversuch vollenden werde.
12 
Der Beklagte trat der Klage entgegen und nahm im Wesentlichen Bezug auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid. Ergänzend trug er vor, dass dem Vorbringen des Klägers, die türkische Sprache nicht einmal in den Grundzügen zu beherrschen, entgegengehalten werden müsse, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung auch hier im Bundesgebiet geborene türkische Staatsangehörige die türkische Sprache zumindest in rudimentären Teilen vermittelt bekämen und auch sprächen.
13 
Mit Urteil vom 21.10.2009 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Das Regierungspräsidium sei zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger die Rechtsstellung des Art. 7 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei (ARB 1/80) zugutekomme. Er besitze als in Deutschland geborener Familienangehöriger eines in der Vergangenheit dem regulären deutschen Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Arbeitnehmers eine Rechtsposition nach Art. 7 Abs. 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80. Beide Elternteile des Klägers verfügten über ein Daueraufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Obwohl der Kläger selbst über keine Berufsausbildung verfüge und auch zu keiner Zeit berufstätig gewesen sei, habe er die von seinem Vater abgeleiteten Rechte aus Art. 7 ARB 1/80 nicht verloren. Aufgrund dieser Rechtsstellung als assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger genieße der Kläger den besonderen Ausweisungsschutz nach Art. 14 ARB 1/80 und könne - ungeachtet der Erfüllung eines sogenannten Ist- oder Regelausweisungstatbestands nach nationalem Recht - nur noch auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung nach § 55 AufenthG ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen ausgewiesen werden, wobei für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage die letzte mündliche Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts maßgebend sei. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägervertreters sei im Falle des Klägers Art. 28 Abs. 3 der RL 2004/38/EG nicht zu berücksichtigen. Beim Kläger komme eine Ausweisung lediglich aus spezialpräventiven Gründen in Betracht, wenn eine tatsächliche und schwerwiegende Gefährdung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im i.S.v. Art. 14 ARB 1/80 vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Das sei der Fall, wenn ein Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht bestehe, der sich bei Straftaten aus ihrer Art, Schwere und Häufigkeit ergebe, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft drohe und damit eine gewichtige Gefahr für ein wichtiges Schutzgut bestehe. Diese Voraussetzungen seien vom Regierungspräsidium zutreffend bejaht worden. Die Gefahr, dass der Kläger ähnlich gelagerte schwerwiegende Straftaten wieder begehen werde, sei nach Berücksichtigung aller Umstände nicht ausgeschlossen. Dabei seien geringere Anforderungen an den Grad der Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung zu stellen, wenn die Verurteilung - wie hier - wegen schwerwiegender Delikte erfolgt sei. Es sei allgemein anerkannt, dass je schwerer die zu besorgende Beeinträchtigung wiege, desto geringer die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit neuer Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung seien. Der Kläger habe einen Mord, also ein Verbrechen schwerster Kriminalität begangen. Bei einer solchen Verfehlung sei eine auch entfernte Möglichkeit weiterer Straftaten ausreichend, um eine negative Prognose zu stellen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sei für den konkreten Fall zu prüfen, ob eine Wiederholungsgefahr bestehe. Grundlage dafür sei eine umfassende Beurteilung der Person des Ausländers, seines Verhaltens, seiner Lebensverhältnisse, Art und Schwere der Tat, Umstände der Begehung, Art und Höhe der Strafe, sowie die weitere Entwicklung nach der Straftat. Das Regierungspräsidium Stuttgart habe im Rahmen einer umfassenden Gesamtwürdigung beim Kläger eine konkrete Wiederholungsgefahr ähnlich gelagerter schwerwiegender Straftaten festgestellt. Dabei habe es sich auf Sachverständigenausführungen gestützt, nach denen der Kläger weiterhin krank sei und zudem zu Aggressionen und Autoaggressionen neige. Bereits im Jahre 2005 habe er Mitschülern Faustschläge ins Gesicht verpasst und 2007 einen Passanten, der ihn wegen seiner undisziplinierten Fahrweise mit dem Pkw angesprochen gehabt habe, bedrängt und in den Rücken geschlagen. Der Kläger habe ferner auch seine Mutter geschlagen und sei seiner früheren Freundin gegenüber wiederholt gewalttätig geworden. In Verbindung mit der beim Kläger diagnostizierten krankhaften seelischen Störung könne dies durchaus zu weiteren Gewalttätigkeiten führen bzw. solche auslösen. Nach der fachärztlichen Stellungnahme des Dr. S., Chefarzt der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, habe sich der Kläger bislang mit der von ihm begangenen Straftat nicht auseinandergesetzt und diese nicht aufgearbeitet. Von einer Verantwortungsübernahme sei er noch weit entfernt. Der Beklagte habe sein Ermessen nach § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG fehlerfrei ausgeübt und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt.
14 
Am 12.11.2009 hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und sogleich unter Stellung eines Antrags zunächst dahingehend begründet, dass die Ausweisungsverfügung gegen Art. 28 Abs. 3 lit. a) RL 2004/38/EG verstoße. Der Kläger beherrsche die türkische Sprache nicht und sei angesichts des bei ihm festgestellten niedrigen Intelligenzquotienten auch nicht in der Lage, diese zu erlernen. Der Kläger habe ohne die Zustimmung der Eltern vom Kinderarzt Ritalin verschrieben bekommen, das insbesondere in Kombination mit Drogen visuelle Halluzinationen, psychotisches Verhalten sowie Aggressionen auslösen könne, weshalb die Hoffnung und Erwartung bestehe, dass der Kläger resozialisierbar sei. Nach Ergehen der Vorabentscheidung in der Sache Ziebell durch den EuGH am 08.12.2011 macht der Kläger nunmehr geltend, dass die angegriffene Verfügung gegen das in Art. 9 RL 64/221/EWG und das dort niedergelegte „Vier-Augen-Prinzip“ verstoße, das mit Rücksicht auf die sog. „Stand-Still-Klausel“ des Art.13 ARB 1/80 weiter anzuwenden sei.
15 
Der Kläger beantragt,
16 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21.10.2009 - 8 K 2123/09 - zu ändern und die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.05.2009 aufzuheben.
17 
Der Beklagte beantragt,
18 
die Berufung zurückzuweisen.
19 
Zur Begründung verweist er darauf, dass es jedenfalls dem Kläger zumutbar und möglich sei, in der noch länger andauernden Haft die türkische Sprache in den Grundzügen zu lernen. Wenn insoweit auf den niedrigen Intelligenzquotienten verwiesen werde, müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger immerhin mehrere Jahre die Realschule besucht habe.
20 
Durch Beschluss des Amtsgerichts Wiesloch vom 16.10.2009 wurde angeordnet, dass die Strafvollstreckung entgegen dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vor der Unterbringung zu erfolgen hat. Die Beschwerde des Klägers hiergegen wies das Landgericht Heidelberg nach Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens Dr. P. vom 12.07.2010 durch Beschluss vom 11.11.2010 zurück.
21 
Durch Beschluss vom 30.12.2009 war im Hinblick auf das Vorabentscheidungsverfahren Ziebell das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.
22 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
23 
Dem Senat liegen die Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart, die Strafakten des Landgerichts Stuttgart und die Strafvollstreckungsakten vor.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
25 
Auch nach der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats maßgeblichen Sach- und Rechtslage ist die Ausweisungsentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden.
I.
26 
Da der Kläger abgeleitet von seinem ursprünglich als Arbeitnehmer beschäftigen Vater eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann sein Aufenthalt gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 (i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG) nur beendet werden, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
27 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, ebenda Rn. 73).
28 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie, zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs. C-317/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs. 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs. C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie, eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
29 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
30 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 80).
31 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
32 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
33 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention erfolgen, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010 Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
34 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
35 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 47).
36 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr bringt der Gerichtshof mit dieser Formel nur mit anderen Worten den in seiner ständigen Rechtsprechung für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelten Grundsatz zum Ausdruck, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs. C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs. C-55/94 Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ), wobei insoweit eine sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
37 
Diese in der Entscheidung angelegte und angemahnte besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung verlangt nach Auffassung des Senats auch die Berücksichtigung einer aktiven und positiven Mitarbeit des oder der Betroffenen am Resozialisierungsprozess insbesondere während des Vollzugs der Strafhaft, die aber erkennbar über ein bloßes Wohlverhalten hinausgehen muss, weshalb auch insoweit die infolge der Ausweisung eintretende mögliche Gefährdung eines in Gang gesetzten positiven Resozialisierungsprozesses (vgl. auch § 2 StVollzG) einen wichtigen Abwägungsfaktor ausmachen kann. In Fällen assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger, die im Bundesgebiet geboren und/oder hier einen ganz überwiegenden Teil ihres gesamten Lebens verbracht haben, vermag der Umstand einer konkreten Gefährdung eines positiven Resozialisierungsprozesses unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zwar assoziationsrechtlich keine strikte Rechtsgrenze einer Ausweisung auszumachen, er kann jedoch im Einzelfall von solchem Gewicht sein, dass es einer besonderen Begründung bedarf, um gleichwohl eine Ausweisung verfügen zu dürfen. Es müssen – namentlich wenn der Resozialisierungsprozess weit fortgeschritten ist und weitere gewichtige positive Integrationsfaktoren hinzukommen – besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, gleichwohl das reale Risiko eines Scheiterns des Resozialisierungsprozesses in Kauf zu nehmen.
38 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs. C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
39 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
40 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartig weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in den dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteile vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291 und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
41 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risikos gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts der vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
42 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
43 
Ausgehend hiervon stellt die Ausweisung eine nach Art. 14 ARB 1/80 zulässige und namentlich verhältnismäßige Maßnahme dar. Wie sich insbesondere aus dem Gutachten von Dr. P. vom 12.07.2010 und den nachfolgenden Beschlüssen des Amtsgerichts Wiesloch vom 16.10.2009 sowie des Landgerichts Heidelberg vom 11.11.2010 eindrücklich ablesen lässt, hat bislang eine grundlegende Auseinandersetzung des Klägers mit der von ihm begangenen Tat wie auch insgesamt mit seiner gesamten bisherigen Lebenssituation nicht stattgefunden, was jedoch unerlässlich ist, um zu einer wenigstens im Ansatz günstigeren Sozialprognose zu gelangen. Nach der ausführlich begründeten Feststellung des Gutachters liegt beim Kläger eine therapiebedürftige ausgeprägte Persönlichkeitsstörung vor. Eine Therapie ist bislang nicht durchgeführt worden, und zwar in erster Linie deshalb, weil sich der Kläger hierfür nicht in dem erforderlichen Maße geöffnet hat, was auch in seiner jüngsten, auch in der mündlichen Verhandlung bestätigten Entscheidung, sich sobald als möglich in die Türkei abschieben zu lassen, deutlich zum Ausdruck kommt. Dieses zugrunde gelegt, geht vom Kläger nach wie vor eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben anderer Mitmenschen aus, was eine Beendigung des Aufenthalts rechtfertigt.
44 
Die Ausweisung stellt in Anbetracht des erheblichen, vom Kläger unverändert ausgehenden Gefahrenpotentials auch vor dem Hintergrund, dass er im Bundesgebiet geboren wurde und niemals in der Türkei gelebt hat, eine verhältnismäßige und insbesondere mit Art. 8 EMRK vereinbare Maßnahme dar. Der Senat geht in diesem Zusammenhang zugunsten des Klägers davon aus, dass er gegenwärtig die türkische Sprache nicht beherrscht, sondern alltagstaugliche Sprachkenntnisse erst erwerben muss. Entgegen der Auffassung seines Prozessbevollmächtigten sieht der Senat auch keine unlösbaren Schwierigkeiten für den Kläger, diese Sprachkenntnisse zu erwerben. Seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung zufolge hat er immerhin zusammen mit einem in der JVA ... einsitzenden türkischen Staatsangehörigen mittlerweile begonnen, die türkische Sprache zu erlernen. Die Tatsache, dass er den Hauptschulabschluss erreicht und zuvor auch mehrere Jahre mit teilweise sogar durchschnittlichen Leistungen die Realschule besucht hat, steht der Annahme einer unzureichenden geistigen und intellektuellen Leistungsfähigkeit entgegen.
45 
Eine unverhältnismäßige Maßnahme liegt hier schon deshalb nicht vor, weil der Kläger es selbst gegenwärtig ausdrücklich wünscht, in die Türkei zurückgeführt zu werden, um dort, wie er in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, möglichst schnell und nicht erst nach Ablauf der Haftzeit im August 2017 einen Neuanfang zu versuchen. Bei einer solchen Ausgangslage wäre die Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung unzumutbar und daher unverhältnismäßig sein könnte, bereits im Ansatz verfehlt. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten, der sich einer Klagerücknahme verweigert hat, weshalb wegen der fehlenden Postulationsfähigkeit des Klägers das Verfahren weitergeführt werden musste, sieht der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht mehr verfahrenshandlungsfähig und damit prozessunfähig sein könnte, weshalb der Prozess auch nicht nach § 241 ZPO i.V.m. § 173 VwGO unterbrochen ist, ganz abgesehen davon, dass nach § 246 ZPO bei anwaltlicher Vertretung eine Unterbrechung nicht allein kraft Gesetzes eintritt. Selbst wenn es richtig sein sollte, dass es bei einer gleichzeitigen Einnahme von Ritalin und dem Konsum von Drogen, namentlich von Cannabis bei den Konsumenten zu Wahnvorstellungen, Halluzinationen und vergleichbaren Bewusstseinsstörungen kommen kann, bestehen - auch nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck - keine Anhaltspunkte dafür, dass solches beim Kläger gegenwärtig der Fall sein könnte. Die diesbezügliche Einschätzung des Prozessbevollmächtigten beruht auf Spekulation. Zwar ist es richtig, dass der Kläger nunmehr wieder mit Ritalin behandelt wird. Nach dem Bericht des Sozialinspektors O. wurde auch bei einer allerdings einzigen, am 09.02.2012 durchgeführten Urinkontrolle der Konsum von Cannabis nachgewiesen. Sämtliche Urinkontrollen danach blieben jedoch wiederum negativ. Der Kläger hat auch gegenüber dem Senat betont, dass ein weiterer Cannabiskonsum nicht stattgefunden und es sich um ein einmaliges Ereignis gehandelt hat. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat – auch mit Rücksicht auf die verstrichene Zeit – keinerlei Grundlage für die vom Prozessbevollmächtigen angestellten Vermutungen. Ob die Entscheidung des Klägers in jeder Hinsicht vernünftig ist, ist eine andere Frage. Unvernünftige Entscheidungen begründen jedoch keine Verfahrenshandlungsunfähigkeit.
46 
Der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass die gleichfalls in diesem Zusammenhang im Berufungsverfahren geäußerte Vermutung des Prozessbevollmächtigen, der Kläger könne wegen des Konsums von Drogen und der Einnahme von Ritalin entgegen der Einschätzung des Landgerichts Stuttgart im Urteil vom 05.03.2008 schuldunfähig gewesen sein, keinerlei tatsächliche Grundlage hat. Denn nach den ausdrücklichen Einlassungen des Klägers gegenüber Dr. P. (vgl. dessen Gutachten S. 24 f.) hatte er seit Abschluss des Berufsvorbereitungsjahrs im Sommer 2006 bis zur Tat kein Ritalin mehr eingenommen, sondern nur noch gekifft.
47 
Aber ungeachtet dessen folgt angesichts der erheblichen vom Kläger ausgehenden konkreten Gefahren für Leib oder Leben anderer Mitmenschen auch auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus der Tatsache der Geburt im Bundesgebiet und der fehlenden Sprachkenntnisse keine Unverhältnismäßigkeit (vgl. etwa Urteil vom 02.08.2001 - Nr. 54273/00 - [Boultif] InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - Nr. 46410/99 - [Üner] NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - Nr. 1683/04 - [Maslov II] InfAuslR 2008, 333, vom 25.03.2010 - Nr. 40601/05 - [Mutlag] InfAuslR 2010, 325, und vom 13.10.2011 - Nr. 41548/06 - [Trabelsi]). Nach dieser Rechtsprechung ist dabei von einem bestimmten, nicht notwendigerweise abschließenden Kriterien- und Prüfkatalog auszugehen, den so genannten Boultif/Üner-Kriterien. Danach sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: die Anzahl, Art und Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten; das Alter des Ausländers bei Begehung der Straftaten; der Charakter und die Dauer des Aufenthalts im Land, das der Ausländer verlassen soll; die seit Begehen der Straftaten vergangene Zeit und das Verhalten des Ausländers seit der Tat, insbesondere im Strafvollzug; die Staatsangehörigkeit aller Beteiligten; die familiäre Situation des Ausländers und gegebenenfalls die Dauer der Ehe sowie andere Umstände, die auf ein tatsächliches Familienleben eines Paares hinweisen; der Grund für die Schwierigkeiten, die der Partner in dem Land haben kann, in das gegebenenfalls abgeschoben werden soll; ob der Partner bei Begründung der familiären Beziehung Kenntnis von der Straftat hatte; ob der Verbindung Kinder entstammen, und in diesem Fall deren Alter; das Interesse und das Wohl der Kinder, insbesondere der Umfang der Schwierigkeiten, auf die sie wahrscheinlich in dem Land treffen, in das der Betroffene ggfs. abgeschoben werden soll; die Intensität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland einerseits und zum Herkunftsland andererseits. Die Umstände, dass der Kläger in Deutschland geboren, niemals in der Türkei gelebt hat und die türkische Sprache nicht beherrscht, sind zwar von erheblicher Bedeutung, ein absolutes Ausweisungshindernis begründen sie jedoch nicht. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger jedenfalls beruflich bislang in keiner Weise integriert war und vor seiner Inhaftierung wirtschaftlich nicht auf eigenen Füßen stand, führen sie auch nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung, wenn man davon ausgehen kann, dass er in der Lage sein wird, alltagstaugliche Sprachkenntnisse zu erwerben.
48 
2. Die Ausweisung erweist sich auch mit Blick auf die Vorgaben der Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG vom 16.12.2008 - RFRL) nicht deshalb als rechtswidrig, insbesondere als unverhältnismäßig, weil ihre Wirkungen nicht befristet wurden.
49 
Allerdings steht einer Prüfung der Ausweisung am Maßstab der Richtlinie nicht entgegen, dass diese zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der hier im Streit befindlichen Ausweisung vom 25.05.2009 noch nicht umzusetzen war (vgl. Art. 20 Abs. 1 RFRL). Denn maßgeblich ist insoweit grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45-06 - BVerwGE 130, 20), soweit sich aus dem materiellen Recht nichts anderen ergibt. Eine gegenteilige Annahme wird auch nicht durch die vom EuGH in der Rechtssache Polat (Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06) entwickelten Grundsätze nahegelegt.
50 
Mit Blick auf den Regelungsgehalt der Rückführungsrichtlinie zeichnen sich Übergangsfälle der vorliegenden Art dadurch aus, dass der zu beurteilende Sachverhalt zwar vor Ablauf der Umsetzungsfrist gewissermaßen eröffnet wurde, als am 25.05.2009 die Ausweisung verbunden mit einer Abschiebungsandrohung erlassen wurde. Dieser Sachverhalt ist aber bis zum heutigen Zeitpunkt nicht abgeschlossen. Denn das einen zentralen Bestandteil der Rückführungsrichtlinie bildende Verfahren der Aufenthaltsbeendigung im eigentlichen Sinn, nämlich - die auf welche Art auch immer - durchzuführende Aufenthaltsbeendigung, hat noch gar nicht stattgefunden. Im Regelfall geht das Einreiseverbot nach Art. 11 RFRL erst mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung „einher“ (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA lit. a) RFRL; vgl. zu Besonderheiten des vorliegenden Falles noch im Folgenden).
51 
In einer derartigen regelhaften Fallkonstellation eines noch nicht abgeschlossenen Sachverhalts hat der Europäische Gerichtshof im Sinne einer möglichst baldigen und effektiven Anwendung der Grundprinzipien der Richtlinie ohne weiteres deren Anwendbarkeit bejaht. So hat er im Urteil vom 30.11.2009 (C-357/09 PPU Rdn. 37 ff.) in der Rechtssache Kadzoev angenommen, dass die in Art. 15 Abs. 5 und 6 RFRL vorgegebenen maximalen Haftzeiten auch für solche Inhaftierungen gelten, die vor der Umsetzung bzw. vor Ablauf der Umsetzungsfrist begonnen hatten. Im Urteil vom 28.04.2011 (C-61/11 PPU) in der Rechtssache El Dridi, der nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs eine Rückführungsentscheidung vom 08.05.2004 zugrunde lag, ging er wiederum für alle weiteren nach der Umsetzung bzw. nach Ablauf der Umsetzungsfrist vorzunehmenden Verfahrensschritte ebenfalls von der Anwendbarkeit der Richtlinie aus. Zwar hat der Europäische Gerichtshof in beiden Entscheidungen jeweils den Umstand besonders hervorgehoben, dass es dort um Freiheitsentziehungen ging, die die einschneidensten Maßnahmen im Rahmen der Anwendung der Richtlinie darstellen. Es handelt sich aber hierbei nicht um strukturelle Besonderheiten, die im Übrigen keine Geltung beanspruchen können.
52 
Wäre hiernach die Rückführungsrichtlinie grundsätzlich anzuwenden, so ist allerdings der vorliegende Fall durch die Besonderheiten gekennzeichnet, dass nach Auffassung des Senats eine Ausweisungsverfügung gar keine Rückkehrentscheidung ist und über eine Befristung erst (aber dann spätestens) von Amts wegen im Kontext der eigentlichen Aufenthaltsbeendigung zu befinden ist. Wollte man dies anders sehen, so hätte die Bundesrepublik nach Auffassung des Senats von der eingeräumten Opt-Out-Möglichkeit (vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. b RFRL) in zulässiger Weise Gebrauch gemacht (vgl. zu alledem ausführlich Senatsurteile vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris und 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
53 
Nur wenn man die hier nicht geteilte Auffassung verträte, dass bereits in der Rückkehrentscheidung selbst eine Entscheidung über die Befristung des Einreiseverbots zu treffen wäre, würde sich in aller Deutlichkeit die dann entscheidungserhebliche Frage stellen, ob hier gewissermaßen nachträglich nach den Grundsätzen der Rechtssache Polat, diese Rechtslage auch heute noch als Maßstab für die gerichtliche Beurteilung heranzuziehen wäre. Nach Auffassung des Senats wäre dieses jedoch nach dem grundsätzlichen Ausgangspunkt des Europäischen Gerichthofs in den Rechtssachen Kadzoev und El Dridi zu bejahen, da die Wirkung des Einreiseverbots aus der Natur der Sache erst Wirkung entfalten kann, wenn die Aufenthaltsbeendigung abgeschlossen wurde. Auch hier legt die Rechtsprechung des Gerichtshofs, die auf eine effektive, möglichst frühzeitige Geltung der maßgeblichen Grundsätze der Rückführungsrichtlinie ausgerichtet ist, wozu gerade auch die Einräumung einer Rückkehrperspektive für die Betroffenen gehört, eine Berücksichtigung auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nahe. Diese Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs liegt nach Überzeugung des Senats nicht zuletzt auch darin begründet, dass – anders als in der Rechtssache Polat, in der bereits gemeinschaftsrechtliche Regelungen vorhanden waren, die nur durch die Unionsbürgerrichtlinie (RL 2004/38/EG) abgelöst worden waren – hier der Komplex der Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger bislang gemeinschaftsrechtlich überhaupt nicht geregelt war.
54 
3. Die Ausweisung erweist sich auch nicht deshalb als rechtswidrig, weil der angegriffene Bescheid nicht in einem weiteren Verwaltungsverfahren überprüft worden war. Denn nach der Rechtsprechung des Senats ist das sog. „Vier-Augen-Prinzip“ des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG nicht mehr anzuwenden (vgl. zu alledem ausführlich Senatsurteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris)
II.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
56 
Die Revision wird zugelassen, weil die aufgeworfenen Fragen der Anwendung und Auslegung der Rückführungsrichtlinie Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
57 
Beschluss vom 10. Februar 2012
58 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
24 
Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
25 
Auch nach der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats maßgeblichen Sach- und Rechtslage ist die Ausweisungsentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden.
I.
26 
Da der Kläger abgeleitet von seinem ursprünglich als Arbeitnehmer beschäftigen Vater eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann sein Aufenthalt gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 (i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG) nur beendet werden, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
27 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, ebenda Rn. 73).
28 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie, zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs. C-317/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs. 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs. C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie, eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
29 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
30 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 80).
31 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
32 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
33 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention erfolgen, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010 Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
34 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
35 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 47).
36 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr bringt der Gerichtshof mit dieser Formel nur mit anderen Worten den in seiner ständigen Rechtsprechung für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelten Grundsatz zum Ausdruck, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs. C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs. C-55/94 Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ), wobei insoweit eine sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
37 
Diese in der Entscheidung angelegte und angemahnte besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung verlangt nach Auffassung des Senats auch die Berücksichtigung einer aktiven und positiven Mitarbeit des oder der Betroffenen am Resozialisierungsprozess insbesondere während des Vollzugs der Strafhaft, die aber erkennbar über ein bloßes Wohlverhalten hinausgehen muss, weshalb auch insoweit die infolge der Ausweisung eintretende mögliche Gefährdung eines in Gang gesetzten positiven Resozialisierungsprozesses (vgl. auch § 2 StVollzG) einen wichtigen Abwägungsfaktor ausmachen kann. In Fällen assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger, die im Bundesgebiet geboren und/oder hier einen ganz überwiegenden Teil ihres gesamten Lebens verbracht haben, vermag der Umstand einer konkreten Gefährdung eines positiven Resozialisierungsprozesses unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zwar assoziationsrechtlich keine strikte Rechtsgrenze einer Ausweisung auszumachen, er kann jedoch im Einzelfall von solchem Gewicht sein, dass es einer besonderen Begründung bedarf, um gleichwohl eine Ausweisung verfügen zu dürfen. Es müssen – namentlich wenn der Resozialisierungsprozess weit fortgeschritten ist und weitere gewichtige positive Integrationsfaktoren hinzukommen – besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, gleichwohl das reale Risiko eines Scheiterns des Resozialisierungsprozesses in Kauf zu nehmen.
38 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs. C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
39 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
40 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartig weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in den dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteile vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291 und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
41 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risikos gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts der vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
42 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
43 
Ausgehend hiervon stellt die Ausweisung eine nach Art. 14 ARB 1/80 zulässige und namentlich verhältnismäßige Maßnahme dar. Wie sich insbesondere aus dem Gutachten von Dr. P. vom 12.07.2010 und den nachfolgenden Beschlüssen des Amtsgerichts Wiesloch vom 16.10.2009 sowie des Landgerichts Heidelberg vom 11.11.2010 eindrücklich ablesen lässt, hat bislang eine grundlegende Auseinandersetzung des Klägers mit der von ihm begangenen Tat wie auch insgesamt mit seiner gesamten bisherigen Lebenssituation nicht stattgefunden, was jedoch unerlässlich ist, um zu einer wenigstens im Ansatz günstigeren Sozialprognose zu gelangen. Nach der ausführlich begründeten Feststellung des Gutachters liegt beim Kläger eine therapiebedürftige ausgeprägte Persönlichkeitsstörung vor. Eine Therapie ist bislang nicht durchgeführt worden, und zwar in erster Linie deshalb, weil sich der Kläger hierfür nicht in dem erforderlichen Maße geöffnet hat, was auch in seiner jüngsten, auch in der mündlichen Verhandlung bestätigten Entscheidung, sich sobald als möglich in die Türkei abschieben zu lassen, deutlich zum Ausdruck kommt. Dieses zugrunde gelegt, geht vom Kläger nach wie vor eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben anderer Mitmenschen aus, was eine Beendigung des Aufenthalts rechtfertigt.
44 
Die Ausweisung stellt in Anbetracht des erheblichen, vom Kläger unverändert ausgehenden Gefahrenpotentials auch vor dem Hintergrund, dass er im Bundesgebiet geboren wurde und niemals in der Türkei gelebt hat, eine verhältnismäßige und insbesondere mit Art. 8 EMRK vereinbare Maßnahme dar. Der Senat geht in diesem Zusammenhang zugunsten des Klägers davon aus, dass er gegenwärtig die türkische Sprache nicht beherrscht, sondern alltagstaugliche Sprachkenntnisse erst erwerben muss. Entgegen der Auffassung seines Prozessbevollmächtigten sieht der Senat auch keine unlösbaren Schwierigkeiten für den Kläger, diese Sprachkenntnisse zu erwerben. Seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung zufolge hat er immerhin zusammen mit einem in der JVA ... einsitzenden türkischen Staatsangehörigen mittlerweile begonnen, die türkische Sprache zu erlernen. Die Tatsache, dass er den Hauptschulabschluss erreicht und zuvor auch mehrere Jahre mit teilweise sogar durchschnittlichen Leistungen die Realschule besucht hat, steht der Annahme einer unzureichenden geistigen und intellektuellen Leistungsfähigkeit entgegen.
45 
Eine unverhältnismäßige Maßnahme liegt hier schon deshalb nicht vor, weil der Kläger es selbst gegenwärtig ausdrücklich wünscht, in die Türkei zurückgeführt zu werden, um dort, wie er in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, möglichst schnell und nicht erst nach Ablauf der Haftzeit im August 2017 einen Neuanfang zu versuchen. Bei einer solchen Ausgangslage wäre die Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung unzumutbar und daher unverhältnismäßig sein könnte, bereits im Ansatz verfehlt. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten, der sich einer Klagerücknahme verweigert hat, weshalb wegen der fehlenden Postulationsfähigkeit des Klägers das Verfahren weitergeführt werden musste, sieht der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht mehr verfahrenshandlungsfähig und damit prozessunfähig sein könnte, weshalb der Prozess auch nicht nach § 241 ZPO i.V.m. § 173 VwGO unterbrochen ist, ganz abgesehen davon, dass nach § 246 ZPO bei anwaltlicher Vertretung eine Unterbrechung nicht allein kraft Gesetzes eintritt. Selbst wenn es richtig sein sollte, dass es bei einer gleichzeitigen Einnahme von Ritalin und dem Konsum von Drogen, namentlich von Cannabis bei den Konsumenten zu Wahnvorstellungen, Halluzinationen und vergleichbaren Bewusstseinsstörungen kommen kann, bestehen - auch nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck - keine Anhaltspunkte dafür, dass solches beim Kläger gegenwärtig der Fall sein könnte. Die diesbezügliche Einschätzung des Prozessbevollmächtigten beruht auf Spekulation. Zwar ist es richtig, dass der Kläger nunmehr wieder mit Ritalin behandelt wird. Nach dem Bericht des Sozialinspektors O. wurde auch bei einer allerdings einzigen, am 09.02.2012 durchgeführten Urinkontrolle der Konsum von Cannabis nachgewiesen. Sämtliche Urinkontrollen danach blieben jedoch wiederum negativ. Der Kläger hat auch gegenüber dem Senat betont, dass ein weiterer Cannabiskonsum nicht stattgefunden und es sich um ein einmaliges Ereignis gehandelt hat. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat – auch mit Rücksicht auf die verstrichene Zeit – keinerlei Grundlage für die vom Prozessbevollmächtigen angestellten Vermutungen. Ob die Entscheidung des Klägers in jeder Hinsicht vernünftig ist, ist eine andere Frage. Unvernünftige Entscheidungen begründen jedoch keine Verfahrenshandlungsunfähigkeit.
46 
Der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass die gleichfalls in diesem Zusammenhang im Berufungsverfahren geäußerte Vermutung des Prozessbevollmächtigen, der Kläger könne wegen des Konsums von Drogen und der Einnahme von Ritalin entgegen der Einschätzung des Landgerichts Stuttgart im Urteil vom 05.03.2008 schuldunfähig gewesen sein, keinerlei tatsächliche Grundlage hat. Denn nach den ausdrücklichen Einlassungen des Klägers gegenüber Dr. P. (vgl. dessen Gutachten S. 24 f.) hatte er seit Abschluss des Berufsvorbereitungsjahrs im Sommer 2006 bis zur Tat kein Ritalin mehr eingenommen, sondern nur noch gekifft.
47 
Aber ungeachtet dessen folgt angesichts der erheblichen vom Kläger ausgehenden konkreten Gefahren für Leib oder Leben anderer Mitmenschen auch auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus der Tatsache der Geburt im Bundesgebiet und der fehlenden Sprachkenntnisse keine Unverhältnismäßigkeit (vgl. etwa Urteil vom 02.08.2001 - Nr. 54273/00 - [Boultif] InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - Nr. 46410/99 - [Üner] NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - Nr. 1683/04 - [Maslov II] InfAuslR 2008, 333, vom 25.03.2010 - Nr. 40601/05 - [Mutlag] InfAuslR 2010, 325, und vom 13.10.2011 - Nr. 41548/06 - [Trabelsi]). Nach dieser Rechtsprechung ist dabei von einem bestimmten, nicht notwendigerweise abschließenden Kriterien- und Prüfkatalog auszugehen, den so genannten Boultif/Üner-Kriterien. Danach sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: die Anzahl, Art und Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten; das Alter des Ausländers bei Begehung der Straftaten; der Charakter und die Dauer des Aufenthalts im Land, das der Ausländer verlassen soll; die seit Begehen der Straftaten vergangene Zeit und das Verhalten des Ausländers seit der Tat, insbesondere im Strafvollzug; die Staatsangehörigkeit aller Beteiligten; die familiäre Situation des Ausländers und gegebenenfalls die Dauer der Ehe sowie andere Umstände, die auf ein tatsächliches Familienleben eines Paares hinweisen; der Grund für die Schwierigkeiten, die der Partner in dem Land haben kann, in das gegebenenfalls abgeschoben werden soll; ob der Partner bei Begründung der familiären Beziehung Kenntnis von der Straftat hatte; ob der Verbindung Kinder entstammen, und in diesem Fall deren Alter; das Interesse und das Wohl der Kinder, insbesondere der Umfang der Schwierigkeiten, auf die sie wahrscheinlich in dem Land treffen, in das der Betroffene ggfs. abgeschoben werden soll; die Intensität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland einerseits und zum Herkunftsland andererseits. Die Umstände, dass der Kläger in Deutschland geboren, niemals in der Türkei gelebt hat und die türkische Sprache nicht beherrscht, sind zwar von erheblicher Bedeutung, ein absolutes Ausweisungshindernis begründen sie jedoch nicht. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger jedenfalls beruflich bislang in keiner Weise integriert war und vor seiner Inhaftierung wirtschaftlich nicht auf eigenen Füßen stand, führen sie auch nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung, wenn man davon ausgehen kann, dass er in der Lage sein wird, alltagstaugliche Sprachkenntnisse zu erwerben.
48 
2. Die Ausweisung erweist sich auch mit Blick auf die Vorgaben der Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG vom 16.12.2008 - RFRL) nicht deshalb als rechtswidrig, insbesondere als unverhältnismäßig, weil ihre Wirkungen nicht befristet wurden.
49 
Allerdings steht einer Prüfung der Ausweisung am Maßstab der Richtlinie nicht entgegen, dass diese zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der hier im Streit befindlichen Ausweisung vom 25.05.2009 noch nicht umzusetzen war (vgl. Art. 20 Abs. 1 RFRL). Denn maßgeblich ist insoweit grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45-06 - BVerwGE 130, 20), soweit sich aus dem materiellen Recht nichts anderen ergibt. Eine gegenteilige Annahme wird auch nicht durch die vom EuGH in der Rechtssache Polat (Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06) entwickelten Grundsätze nahegelegt.
50 
Mit Blick auf den Regelungsgehalt der Rückführungsrichtlinie zeichnen sich Übergangsfälle der vorliegenden Art dadurch aus, dass der zu beurteilende Sachverhalt zwar vor Ablauf der Umsetzungsfrist gewissermaßen eröffnet wurde, als am 25.05.2009 die Ausweisung verbunden mit einer Abschiebungsandrohung erlassen wurde. Dieser Sachverhalt ist aber bis zum heutigen Zeitpunkt nicht abgeschlossen. Denn das einen zentralen Bestandteil der Rückführungsrichtlinie bildende Verfahren der Aufenthaltsbeendigung im eigentlichen Sinn, nämlich - die auf welche Art auch immer - durchzuführende Aufenthaltsbeendigung, hat noch gar nicht stattgefunden. Im Regelfall geht das Einreiseverbot nach Art. 11 RFRL erst mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung „einher“ (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA lit. a) RFRL; vgl. zu Besonderheiten des vorliegenden Falles noch im Folgenden).
51 
In einer derartigen regelhaften Fallkonstellation eines noch nicht abgeschlossenen Sachverhalts hat der Europäische Gerichtshof im Sinne einer möglichst baldigen und effektiven Anwendung der Grundprinzipien der Richtlinie ohne weiteres deren Anwendbarkeit bejaht. So hat er im Urteil vom 30.11.2009 (C-357/09 PPU Rdn. 37 ff.) in der Rechtssache Kadzoev angenommen, dass die in Art. 15 Abs. 5 und 6 RFRL vorgegebenen maximalen Haftzeiten auch für solche Inhaftierungen gelten, die vor der Umsetzung bzw. vor Ablauf der Umsetzungsfrist begonnen hatten. Im Urteil vom 28.04.2011 (C-61/11 PPU) in der Rechtssache El Dridi, der nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs eine Rückführungsentscheidung vom 08.05.2004 zugrunde lag, ging er wiederum für alle weiteren nach der Umsetzung bzw. nach Ablauf der Umsetzungsfrist vorzunehmenden Verfahrensschritte ebenfalls von der Anwendbarkeit der Richtlinie aus. Zwar hat der Europäische Gerichtshof in beiden Entscheidungen jeweils den Umstand besonders hervorgehoben, dass es dort um Freiheitsentziehungen ging, die die einschneidensten Maßnahmen im Rahmen der Anwendung der Richtlinie darstellen. Es handelt sich aber hierbei nicht um strukturelle Besonderheiten, die im Übrigen keine Geltung beanspruchen können.
52 
Wäre hiernach die Rückführungsrichtlinie grundsätzlich anzuwenden, so ist allerdings der vorliegende Fall durch die Besonderheiten gekennzeichnet, dass nach Auffassung des Senats eine Ausweisungsverfügung gar keine Rückkehrentscheidung ist und über eine Befristung erst (aber dann spätestens) von Amts wegen im Kontext der eigentlichen Aufenthaltsbeendigung zu befinden ist. Wollte man dies anders sehen, so hätte die Bundesrepublik nach Auffassung des Senats von der eingeräumten Opt-Out-Möglichkeit (vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. b RFRL) in zulässiger Weise Gebrauch gemacht (vgl. zu alledem ausführlich Senatsurteile vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris und 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
53 
Nur wenn man die hier nicht geteilte Auffassung verträte, dass bereits in der Rückkehrentscheidung selbst eine Entscheidung über die Befristung des Einreiseverbots zu treffen wäre, würde sich in aller Deutlichkeit die dann entscheidungserhebliche Frage stellen, ob hier gewissermaßen nachträglich nach den Grundsätzen der Rechtssache Polat, diese Rechtslage auch heute noch als Maßstab für die gerichtliche Beurteilung heranzuziehen wäre. Nach Auffassung des Senats wäre dieses jedoch nach dem grundsätzlichen Ausgangspunkt des Europäischen Gerichthofs in den Rechtssachen Kadzoev und El Dridi zu bejahen, da die Wirkung des Einreiseverbots aus der Natur der Sache erst Wirkung entfalten kann, wenn die Aufenthaltsbeendigung abgeschlossen wurde. Auch hier legt die Rechtsprechung des Gerichtshofs, die auf eine effektive, möglichst frühzeitige Geltung der maßgeblichen Grundsätze der Rückführungsrichtlinie ausgerichtet ist, wozu gerade auch die Einräumung einer Rückkehrperspektive für die Betroffenen gehört, eine Berücksichtigung auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nahe. Diese Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs liegt nach Überzeugung des Senats nicht zuletzt auch darin begründet, dass – anders als in der Rechtssache Polat, in der bereits gemeinschaftsrechtliche Regelungen vorhanden waren, die nur durch die Unionsbürgerrichtlinie (RL 2004/38/EG) abgelöst worden waren – hier der Komplex der Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger bislang gemeinschaftsrechtlich überhaupt nicht geregelt war.
54 
3. Die Ausweisung erweist sich auch nicht deshalb als rechtswidrig, weil der angegriffene Bescheid nicht in einem weiteren Verwaltungsverfahren überprüft worden war. Denn nach der Rechtsprechung des Senats ist das sog. „Vier-Augen-Prinzip“ des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG nicht mehr anzuwenden (vgl. zu alledem ausführlich Senatsurteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris)
II.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
56 
Die Revision wird zugelassen, weil die aufgeworfenen Fragen der Anwendung und Auslegung der Rückführungsrichtlinie Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
57 
Beschluss vom 10. Februar 2012
58 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 29. April 2009 - 4 K 1175/08 - aufgehoben.

Der Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 27. März 2008 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich u.a. gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.
Der am ...1984 in Albstadt geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er wuchs weitgehend bei seiner mittlerweile 55 Jahre alten Mutter und seinen 4 älteren Geschwistern (2 Brüder und 2 Schwestern) in Winterlingen auf. Im ersten Grundschuljahr ging er mit seinem Vater, der wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung die Bundesrepublik Deutschland verlassen musste, vorübergehend für etwa sechs Monate in die Türkei. Im zweiten Grundschuljahr hielt er sich für acht Monate mit seiner Mutter in der Türkei auf. Ein Bruder des Klägers wurde vor längerer Zeit ausgewiesen und in die Türkei abgeschoben. Sein Vater, zu dem er seit seiner Rückkehr aus der Türkei keinen Kontakt mehr hat, lebt nach wie vor in der Türkei. Die Eltern leben seit dieser Zeit getrennt, die Ehe ist seit 1994 geschieden. Die Mutter war über viele Jahre mit Unterbrechungen als Näherin erwerbstätig. Sie bezieht nunmehr Rente und erhält ergänzend Sozialleistungen. Der Kläger besuchte von 1989 bis 1999 die Grund- und Förderschule. Einen Schulabschluss erlangte er dort nicht. Danach absolvierte er zunächst ein einjähriges Praktikumsjahr und begann anschließend im August 2000 eine Ausbildung als Metallfeinbearbeiter, die er aber schon nach 3 Monaten abbrach. In der Folgezeit ging er jeweils für kurze Zeit mehreren Gelegenheitsjobs nach und war immer wieder, wie auch zuletzt arbeitslos.
Im Januar 2003 lernte der Kläger während eines Türkeiurlaubs eine 1987 geborene türkische Staatsangehörige kennen, die er am 12.02.2003 in der Türkei heiratete. Seine Ehefrau lebt nach wie vor in der Türkei. Ein Antrag auf Ehegattennachzug wurde im April 2005 von der zuständigen Ausländerbehörde abgelehnt. Am 26.05.2006 wurde ein gemeinsames Kind in der Türkei geboren; dieses lebt bei der Mutter. Im Bundesgebiet war der Kläger zuletzt vor seiner Festnahme mit einer Freundin zusammen. Seit dem 20.03.2000 ist er im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die als Niederlassungserlaubnis fort gilt.
Der Kläger ist strafrechtlich bislang wie folgt in Erscheinung getreten:
1. Urteil des Amtsgerichts Albstadt vom 15.11.2001, rechtskräftig seit 23.11.2001, wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis; Ableistung von 20 Stunden gemeinnütziger Arbeit; Tatzeit: April 2001.
2. Urteil des Amtsgerichts Albstadt vom 21.03.2002, rechtskräftig seit 26.03.2002, wegen Hehlerei; Ableistung von 20 Stunden gemeinnütziger Arbeit; Tatzeit: Juli 2001.
3. Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 26.03.2002, rechtskräftig seit 10.06.2002, wegen Diebstahls in 3 Fällen; Jugendstrafe von 7 Monaten, deren Vollstreckung für 2 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Einbezogen wurde das Urteil des Amtsgerichts Albstadt vom 21.03.2002; letzte Tat: Oktober 2001.
4. Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 01.10.2002, rechtskräftig seit 03.03.2003, wegen Diebstahls in Tateinheit mit unbefugtem Gebrauch eines Fahrzeugs und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis; Jugendstrafe von 1 Jahr ohne Bewährung. Einbezogen wurde die Entscheidung vom 26.03.2002 des Amtsgerichts Hechingen; letzte Tat: 25.02.2002.
5. Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 22.07.2003, rechtskräftig seit 30.07.2003, wegen Sachbeschädigung und unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis; Jugendstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten ohne Bewährung. Einbezogen wurden die Entscheidungen des Amtsgerichts Hechingen vom 01.10.2002 und vom 26.03.2002; letzte Tat: 07.12.2002 Die Strafe wurde vom 24.03.2003 bis zum 12.01.2004 verbüßt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Adelsheim vom 17.12.2003 wurde der Rest der Jugendstrafe bis zum 28.12.2006 zur Bewährung ausgesetzt.
10 
6. Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 27.07.2004, rechtskräftig seit 04.08.2004, wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 2 Fällen; Jugendstrafe von 1 Jahr und 5 Monaten, deren Vollstreckung für 2 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Einbezogen wurden die Entscheidungen des Amtsgerichts Hechingen vom 22.07.2003, 01.10.2002 und 26.03.2002; letzte Tat: 13.05.2004. Die Strafaussetzung wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Hechingen vom 20.02.2006, rechtskräftig seit 14.03.2006, widerrufen.
11 
7. Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 12.07.2005, rechtskräftig seit diesem Tag, wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 2 Fällen; Freiheitsstrafe von 3 Monaten, deren Vollstreckung für 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde; letzte Tat: 31.12.2004.
12 
8. Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 10.01.2006, rechtskräftig seit 18.01.2006, wegen gefährlicher Körperverletzung; Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten ohne Bewährung. Einbezogen wurde die Entscheidung des Amtsgerichts Hechingen vom 12.07.2005; Tatzeitpunkt: 10.04.2005. Mit Beschluss des Amtsgerichts Hechingen vom 20.02.2006, rechtskräftig seit 14.03.2006, wurde die Strafaussetzung aus dem Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 27.07.2004 (Ziffer 6) widerrufen.
13 
9. Urteil des Landgerichts Hechingen vom 22.05.2006, rechtskräftig seit 11.10.2006, wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung; Freiheitsstrafe von 6 Jahren ohne Bewährung; Tatzeitpunkt: 21.12.2005.
14 
Nach der Verurteilung zu 4. und zu 6. wurde der Kläger jeweils im Juli 2003 und im August 2004 ausländerrechtlich verwarnt. Zwei bereits früher eingeleitete Ausweisungsverfahren wurden von der Behörde nicht weiter betrieben. Wegen der Straftaten unter 9. wurde er am 22.12.2005 festgenommen und befand sich bis Januar 2011 in Haft.
15 
Aufgrund der letzten Straftat wurde gegen den Kläger erneut ein Ausweisungsverfahren eingeleitet. Mit Schreiben vom 10.03.2006 wurde er zu einer beabsichtigten Ausweisung angehört. Mit Schreiben vom 23.04.2006 schilderte er zunächst seinen Werdegang und führte sodann aus, dass er mit seiner Eheschließung in der Türkei am 12.02.2003 einen Neuanfang in Deutschland gesucht habe. Nach der Ablehnung der Familienzusammenführung sei sein Leben jedoch weiter negativ verlaufen. Er habe seine Arbeitsstelle verloren und sei schließlich für 7 Wochen zu seiner Ehefrau in die Türkei gefahren. Anschließend habe er in Deutschland trotz der Unterstützung durch seine Schwestern keine Arbeit gefunden. Er bereue seine Taten und bitte, nicht aus Deutschland abgeschoben zu werden. Auch werde seine Frau im Mai 2006 ein Kind entbinden; gemeinsam würden sie auf eine neue Chance hoffen. Im Fall der Abschiebung müsse er zudem zum Militär, was er auf keinen Fall wolle.
16 
Mit Bescheid vom 27.05.2008 wies das Regierungspräsidium Tübingen - Bezirksstelle für Asyl - den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus (1.) und drohte ihm die Abschiebung direkt aus der Strafhaft heraus oder gegebenenfalls nach Ablauf eines Monats nach der Haftentlassung in die Türkei an (2.). Zur Begründung wurde ausgeführt, die Ausweisung erfolge im Hinblick auf die strafrechtlichen Verfehlungen des Klägers gleichwohl als Ermessensausweisung. Dabei werde unterstellt, dass dem Kläger der Schutz von Art. 14 ARB 1/80 zugutekomme. Insgesamt komme die Ermessensausübung auch unter Berücksichtigung dieser und weiterer einschlägiger Vorschriften sowie den persönlichen Verhältnissen zu dem Ergebnis, dass die Ausweisung insbesondere unter Berücksichtigung der letzten Verurteilung geboten sei. Die mit der letzten Verurteilung durch das Landgericht Hechingen geahndeten Straftaten seien der schweren Kriminalität zuzuordnen und der Kläger habe auch mit einer erheblichen kriminellen Energie gehandelt. Aufgrund seiner Vorstrafen und - wie im Urteil des Landgerichts bei der Strafzumessung ausgeführt - unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dem Kläger auch ein zweifacher Bewährungsbruch vorzuhalten sei, liege hier eine konkrete Wiederholungsgefahr vor. Hierfür spreche weiter, dass sich der Kläger in der Vergangenheit auch von ausländerrechtlichen Verwarnungen, einer Haftverbüßung und den gegen ihn eingeleiteten, früheren Ausweisungsverfahren nicht von weiteren Straftaten habe abhalten lassen. An dieser Beurteilung ändere auch der Umstand nichts, dass der Kläger besonderen Ausweisungsschutz genieße, denn die insoweit erforderlichen schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung lägen hier, wie ausgeführt, vor. Auch seine persönlichen Umstände rechtfertigten nicht die Annahme eines atypischen Sachverhalts. Er sei zwar hier geboren, aber in einem türkischen Familienverbund aufgewachsen, spreche nach wie vor seine Muttersprache und sei nicht nachhaltig wirtschaftlich und beruflich in der Bundesrepublik integriert. Zwar habe er den Hauptschulabschluss zwischenzeitlich in der Haft nachgeholt, sei aber bisher ohne abgeschlossene Berufsausbildung und habe jeweils nur in kurzzeitigen Arbeitsverhältnissen gestanden. Unter weiterer Berücksichtigung seiner Heirat mit seiner in der Türkei befindlichen Ehefrau, seinen mehrfachen Urlaubsreisen in die Türkei und seines Alters sei für ihn die Rückkehr in die Türkei nicht mit unzumutbaren Belastungen verbunden, zumal dort auch sein Vater und sein ausgewiesener Bruder lebten. Insgesamt verbleibe es daher auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Ermessensausweisung. Hieran ändere schließlich der Bericht der Justizvollzugsanstalt vom 29.02.2008 nichts. Dieser zeige zwar in Teilbereichen eine positive Entwicklung und ein normales, beanstandungsfreies Vollzugsverhalten, lasse aber keine Aussage über eine gelungene und abgeschlossene Nachreifung zu, die die Wiederholungsgefahr entfallen lasse. Letztlich verstoße die Ausweisung weder gegen Art. 6 GG noch gegen Art. 8 EMRK und auch nicht gegen Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG.
17 
Am 07.06.2008 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Sigmaringen und machte gelten: Er könne nach Art. 7 Satz 1 und 14 Abs. 1 ARB 1/80 i. V. m. Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG nur ausgewiesen werden, wenn er eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit des Staates stelle er indes nicht dar, unabhängig von dem für ihn bislang günstigen Haftverlauf, der auch gegen eine ausreichende Wiederholungsgefahr spreche.
18 
Der Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid entgegen.
19 
Das Verwaltungsgericht holte einen Führungsbericht der JVA Ravensburg vom 12.11.2008 und eine Ergänzung vom 01.04.2009 ein.
20 
In der mündlichen Verhandlung änderte der Beklagte die Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 27.05.2008 dahingehend ab, dass eine Abschiebung frühestens einen Monat nach Bestandskraft der Ausweisungsverfügung erfolge.
21 
Der Kläger wurde angehört und führte im Wesentlichen aus, seine Frau wohne bei seiner Mutter in der Türkei. Die Wohnung gehöre seiner Mutter. Seine Mutter pendele zwischen der Türkei und der Bundesrepublik. Die Wohnung befinde sich in ... bei Ankara; seine Mutter stamme aus diesem Ort. Zu seinem Vater habe er seit seinem 5. oder 6. Lebensjahr keinen Kontakt mehr. Sein Bruder wohne auch in diesem Ort. Diesem schreibe er in türkischer Sprache; er (der Kläger) sei zweisprachig. Hier im Bundesgebiet habe er eine eigene, selbst gemietete Wohnung gehabt, aber auch noch bei seiner Mutter gewohnt. Seine hier befindliche Freundin habe auch eine eigene Wohnung gehabt. Von der Freundin im Bundesgebiet wisse seine Frau nichts. Er habe damals noch keine Verantwortung übernehmen können. Von seiner Inhaftierung wisse seine Frau, von den Straftaten aber nur teilweise. Gegenwärtig stehe er mit seiner Frau in telefonischem Kontakt und schreibe ihr auch gelegentlich. Mit der früheren Freundin habe er seit 2 oder 2 ½ Jahren keinen Kontakt mehr. In der Zeit der Begehung seiner Straftaten habe er regelmäßig Drogen genommen und auch regelmäßig Alkohol getrunken. Angesprochen auf den letzten JVA-Bericht räumte er ein, vor etwa 3 Monaten einmal THC-positiv gewesen zu sein. Bei Kollegen sei beim Hofgang ein Joint gekreist und er habe ein paar Züge genommen. 6 bis 8 Wochen später sei bei einer weiteren Urinkontrolle wieder alles in Ordnung gewesen. Das Jointrauchen sei ein einmaliger Vorgang gewesen. Seit etwa 2 Monaten nehme er im Vollzug einmal die Woche an den Sitzungen der Anonymen Alkoholiker - Gruppe teil. Er meine aber, kein Suchtproblem zu haben. Er sei reifer geworden. Er habe es auf dem harten Weg lernen müssen und habe es nun endlich begriffen.
22 
Mit Urteil vom 29.04.2009 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab.
23 
Es führte u.a. aus: Rechtsgrundlagen der Ausweisung seien §§ 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2, 53 Nr. 1, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 sowie Satz 2 AufenthG. Im Hinblick auf den besonderen Ausweisungsschutz des im Bundesgebiet geborenen Klägers sei die Ausweisung zu Recht (nur) als Ermessensausweisung verfügt worden. Hinsichtlich der Ausweisung werde auf die umfassenden und zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 27.05.2008 verwiesen, denen das Gericht folge. Die Ermessensausübung des Regierungspräsidiums sei auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlerfrei und im Wesentlichen zutreffend auf die vom Kläger weiterhin ausgehende erhebliche Wiederholungsgefahr gestützt. Die Ausweisung sei auch unter Berücksichtigung der Anforderungen aus Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 i. V. m. Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG nicht zu beanstanden und verstoße nicht gegen Art 8 EMRK. Schließlich sei die Abschiebungsandrohung mit der in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärten Abänderung rechtmäßig. Vom Kläger gehe weiterhin eine erhebliche Wiederholungsgefahr aus.
24 
Das Urteil wurde dem Kläger am 30.09.2009 zugestellt.
25 
Auf den rechtzeitig gestellten und begründeten Antrag ließ der Senat mit Beschluss vom 30.11.2009 die Berufung zu.
26 
Am 10.12.2009 begründete der Kläger unter Stellung eines Antrags die Berufung zunächst wie folgt: Das angegriffene Urteil verletze Art. 14 ARB 1/80 und verkenne den auch hier anwendbaren besonderen Schutz nach Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Ziebell, bis zu deren Entscheidung das Berufungsverfahren geruht hatte, macht der Kläger nunmehr geltend, dass die angegriffene Ausweisungsverfügung deshalb rechtwidrig sei, weil das nicht zuletzt wegen der Stand-Still-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 weiter zu beachtende, in Art. 9 RL 64/221/EWG niedergelegte „Vier-Augen-Prinzip“ verletzt worden sei.
27 
Durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Tübingen vom 11.01.2011 wurde nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafen aus den Urteilen des Landgerichts Hechingen vom 22.05.2006 sowie des Amtsgerichts Hechingen vom 10.01.2006 bei einer Bewährungszeit von drei Jahren die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt mit der Auflage, für die Dauer von einem Jahr eine ambulante Drogentherapie nach Weisung des Bewährungshelfers zu unterziehen. Der Entscheidung lag ein kriminologisch-kriminalprognostisches Gutachten der Universität Tübingen (Dr. Reich) vom 01.12.2010 sowie befürwortende Stellungnahmen der JVA Rottenburg sowie der Staatsanwaltschaft Hechingen zugrunde.
28 
Der Kläger beantragt,
29 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 29. April 2009 - 4 K 1175/08 - zu ändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 27. Mai 2008 aufzuheben.
30 
Der Beklagte beantragt,
31 
die Berufung zurückzuweisen.
32 
Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache sei das „Vier-Augen-Prinzip“ obsolet. Auch nach der Entlassung des Klägers aus der Strafhaft könne in Anbetracht der Tatsache, dass er Intensivtäter sei, nicht davon ausgegangen werden, dass die Wiederholungsgefahr gemindert oder gar entfallen sei. Die im Verhältnis zur kriminellen Vita nur kurze Zeit der Bewährung von einem Jahr erlaube keine substantiierte Legalprognose zugunsten des Klägers, zumal er sich hinsichtlich der Vorsprachen bei der Drogenberatung in der ersten Jahreshälfte 2011 nicht immer zuverlässig erwiesen habe.
33 
Der Senat hat eine Stellungnahme des Bewährungshelfers des Klägers eingeholt. Insoweit wird auf dessen Schreiben vom 29.02.2012 verwiesen.
34 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
35 
Dem Senat liegen die Akten des Regierungspräsidiums, des Verwaltungsgerichts, die Strafvollsteckungsakten sowie die Gefangenenpersonalakten vor.

Entscheidungsgründe

 
36 
Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.
37 
Nach der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats maßgeblichen Sach- und Rechtslage kann die Ausweisungsentscheidung des Beklagten keinen Bestand mehr haben.
38 
I. Da der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann sein Aufenthalt gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 (i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG) nur beendet werden, wenn dieses aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
39 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, ebenda Rn. 73).
40 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2010 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs. C-371/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs. 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs. C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie, eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
41 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
42 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 80).
43 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
44 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
45 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention erfolgen, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010, Bozkurt, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
46 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
47 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 47).
48 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr bringt der Gerichtshof mit dieser Formel nur mit anderen Worten den in seiner ständigen Rechtsprechung für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelten Grundsatz zum Ausdruck, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs. C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs. C-55/94, Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs 36/75 ), wobei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
49 
Diese in der Entscheidung angelegte und angemahnte besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung verlangt nach Auffassung des Senats auch die Berücksichtigung einer aktiven und positiven Mitarbeit des oder der Betroffenen am Resozialisierungsprozess insbesondere während des Vollzugs der Strafhaft, die aber erkennbar über ein bloßes Wohlverhalten hinausgehen muss, weshalb auch insoweit die infolge der Ausweisung eintretende mögliche Gefährdung eines in Gang gesetzten positiven Resozialisierungsprozesses (vgl. auch § 2 StVollzG) einen wichtigen Abwägungsfaktor ausmachen kann. In Fällen assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger, die im Bundesgebiet geboren und/oder hier einen ganz überwiegenden Teil ihres gesamten Lebens verbracht haben, vermag der Umstand einer konkreten Gefährdung eines positiven Resozialisierungsprozesses unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zwar assoziationsrechtlich keine strikte Rechtsgrenze einer Ausweisung auszumachen, er kann jedoch im Einzelfall von solchem Gewicht sein, dass es einer besonderen Begründung bedarf, um gleichwohl eine Ausweisung verfügen zu dürfen. Es müssen – namentlich wenn der Resozialisierungsprozess weit fortgeschritten ist und weitere gewichtige positive Integrationsfaktoren hinzukommen – besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, gleichwohl das reale Risiko eines Scheiterns des Resozialisierungsprozesses in Kauf zu nehmen.
50 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs. C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
51 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
52 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartige weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in der dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteile vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291 und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
53 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risiko gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts des vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
54 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
55 
Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht bislang davon aus, dass einer Aussetzung der Reststrafe nach § 57 Abs. 1 und 2 StGB oder nach § 88 Abs. 1 und 2 JGG keine Bindungswirkung zukommt, was u.a. auf die unterschiedlichen Prognosemaßstäbe zurückgeführt wird (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 16.11.2000 - 9 C 6.00 - NVwZ 2001, 442; Discher, in: GK-AufenthG Vor §§ 53 ff. Rdn. 1241 ff.). Allerdings soll einer solchen Aussetzung immerhin eine gewisse Indizwirkung zukommen. Die Relativierung derartiger Aussetzungsentscheidungen auf eine bloße Indizwirkung wird jedoch den unions- und assoziationsrechtlichen Anforderungen nicht vollständig gerecht. Denn es würde sich bei einer derartigen Sichtweise ein nicht gerechtfertigter Widerspruch auftun. Der Ansatz von der bloßen Indizwirkung unterstellt, dass gleichwohl im Falle der Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung ohne weiteres ein gesellschaftliches Grundinteresse des Mitgliedstaats weiterhin tatsächlich und hinreichend schwerwiegend gefährdet und eine Beschränkung der Freizügigkeit bzw. ein Entzug des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts gerechtfertigt sein kann. Andererseits bringt jedoch die Gesellschaft des Mitgliedstaats gerade durch diese Aussetzung ihre Wertung zum Ausdruck, dass sie um des Täters und seiner Resozialisierung willen - durchaus nicht risikofrei - bereit ist, diesem ein Leben in Freiheit, wenn auch zunächst mit gewissen Auflagen, zu ermöglichen. Es kann dann schwerlich einem Grundinteresse der gesamten Gesellschaft des Mitgliedstaats entsprechen, den Betroffenen gleichwohl vom eigenen Territorium zu entfernen und ihm die Chance einer Resozialisierung in dem Land, in dem er zuletzt gelebt hat, zu nehmen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er in diesem Land längere Zeit gelebt und dort wesentliche Teile seiner Sozialisierung erfahren hat. Seine Ausweisung in ein Land, in dem er schon längere Zeit nicht mehr oder sogar niemals gelebt hat, muss regelmäßig als kontraproduktiv und einer Resozialisierung hinderlich begriffen werden. Nimmt man noch hinzu, dass nach den oben dargelegten besonderen unionsrechtlichen bzw. assoziationsrechtlichen Maßstäben erhebliche Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Begehung neuer Straftaten gestellt werden müssen, so dürfen derartige Aussetzungen auch deshalb nicht gering gewichtet und bewertet werden, weil sie von einer mit der Beurteilung von der Täterpersönlichkeiten und deren Lebensumfeld vertrauten Fachgerichtsbarkeit ausgesprochen und veranlasst werden. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn zur Vorbereitung der Aussetzungsentscheidung fachkundige Stellungnahmen oder fachwissenschaftliche Gutachten eingeholt wurden. Da andererseits den Aussetzungsentscheidungen keine ausdrücklich gesetzlich angeordnete Bindungs- oder Tatbestandswirkung zukommt, kann das Verwaltungsgericht eine solche Entscheidung ausnahmsweise unbeachtet lassen, wenn sie sich als offenkundig fehlerhaft erweist oder aber infolge aktueller Entwicklungen überholt ist und damit keine zuverlässige Prognosegrundlage mehr abgeben kann. Im Regelfall jedoch ist eine solche Aussetzungsentscheidung in der Weise zu berücksichtigen, dass die Ausweisung keinem Grundinteresse der Gesellschaft des Mitgliedstaates (mehr) entspricht.
56 
2. Ausgehend hiervon ist von Folgendem auszugehen: Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Tübingen hat mit Beschluss vom 11.01.2011 (... StVK ... + .../...) die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt mit der Auflage, dass der Kläger sich innerhalb des ersten Jahres einer Drogentherapie zu unterziehen hat. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Der Beschluss beruht auf einem kriminologisch-kriminalprognostischen Gutachten der Universität Tübingen (Dr. R.) vom 01.12.2011, das nach zwei umfangreichen Explorationen erstellt wurde. Dieses Gutachten, das sich auch umfassend mit der Aktenlage beschäftigt, erweist sich in seiner differenzierten und durchaus kritische Aspekte nicht unterdrückenden Sicht als überzeugend. Nimmt man hinzu, dass zur Vorbereitung der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer noch eine umfassende Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Rottenburg eingeholt worden war, die die wesentlichen Entwicklungsschritte, die der Kläger insbesondere im Jahre 2010 gemacht hat, deutlich macht und eine vorzeitige Freilassung befürwortet, so vermag der Senat keine Gesichtspunkte zu erkennen, die geeignet wären, die Entscheidung des Landgerichts Tübingen infrage zu stellen. Die Entscheidung des Landgerichts ist auch nicht deshalb überholt, weil der Kläger drei Termine bei der Drogenberatung nicht wahrgenommen hat. Die vom Kläger hierfür gegebene Erklärung, wonach er wegen der anstrengenden Nachtarbeit die Termine verschlafen oder vergessen habe, vermag zwar nicht völlig zu überzeugen. Eine einzelne Säumnis mag bei der für den Kläger sicherlich völlig neuen Belastungssituation in einem geregelten Arbeitsverhältnis der konkreten Art ohne weiteres verständlich sein. Eine dreimalige Säumnis innerhalb eines Zeitraums von einem knappen dreiviertel Jahr ist allerdings weniger nachvollziehbar, zumal dem Kläger klar sein musste, dass seine Bewährung auf dem Spiel stehen kann. Auch wenn dieser Regelverstoß daher nicht bagatellisiert werden darf, so kann andererseits nicht übersehen werden, dass der Bewährungshelfer in seiner Stellungnahme die aktuelle Bereitschaft des Klägers, mit ihm zusammenzuarbeiten, sehr positiv hervorgehoben und weiterhin nach über einem Jahr in Freiheit eine sehr positive Prognose abgegeben hat, wobei sicherlich auch eine Rolle gespielt hat, dass aufgrund der durchgeführten Urinkontrollen von einem Drogenkonsum nicht ausgegangen werden kann. Hinzu kommt, dass die Säumnis des Klägers der Strafvollstreckungskammer keine Veranlassung gegeben hat, die Bewährungszeit zu verlängern oder die Bewährung gar zu widerrufen. Hiervon abgesehen hat der Kläger zur Überzeugung des Senats nach seiner Haftentlassung eine positive Entwicklung durchlaufen. Ihm ist es bereits kurze Zeit nach der Entlassung gelungen, eine Beschäftigung zu finden; mittlerweile steht er in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis, mit dem er seinen Lebensunterhalt sichern kann; auch seine Wohnsituation ist geklärt. Dieses zusammengefasst ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass jedenfalls zum heutigen Zeitpunkt nach den oben dargelegten Maßstäben kein Grundinteresse der Gesellschaft mehr betroffen ist und die Ausweisung nicht mehr von Art. 14 ARB 1/80 getragen wird. Wenn es ihm gelingen sollte, seinen Sohn und seine Ehefrau nach Deutschland zu holen, so wird dies seine Situation aller Voraussicht nach weiter stabilisieren.
57 
Hat die Ausweisung keinen Bestand mehr, so war auch die unselbstständige Abschiebungsandrohung aufzuheben.
58 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
59 
Die Revision wird zugelassen, weil die aufgeworfenen Fragen zur Anwendung und Auslegung des Assoziationsrechts von grundsätzlicher Bedeutung sind (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
60 
Beschluss vom 7. März 2012
61 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
62 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
36 
Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.
37 
Nach der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats maßgeblichen Sach- und Rechtslage kann die Ausweisungsentscheidung des Beklagten keinen Bestand mehr haben.
38 
I. Da der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann sein Aufenthalt gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 (i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG) nur beendet werden, wenn dieses aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
39 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, ebenda Rn. 73).
40 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2010 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs. C-371/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs. 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs. C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie, eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
41 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
42 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 80).
43 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
44 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
45 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention erfolgen, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010, Bozkurt, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
46 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
47 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 47).
48 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr bringt der Gerichtshof mit dieser Formel nur mit anderen Worten den in seiner ständigen Rechtsprechung für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelten Grundsatz zum Ausdruck, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs. C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs. C-55/94, Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs 36/75 ), wobei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
49 
Diese in der Entscheidung angelegte und angemahnte besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung verlangt nach Auffassung des Senats auch die Berücksichtigung einer aktiven und positiven Mitarbeit des oder der Betroffenen am Resozialisierungsprozess insbesondere während des Vollzugs der Strafhaft, die aber erkennbar über ein bloßes Wohlverhalten hinausgehen muss, weshalb auch insoweit die infolge der Ausweisung eintretende mögliche Gefährdung eines in Gang gesetzten positiven Resozialisierungsprozesses (vgl. auch § 2 StVollzG) einen wichtigen Abwägungsfaktor ausmachen kann. In Fällen assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger, die im Bundesgebiet geboren und/oder hier einen ganz überwiegenden Teil ihres gesamten Lebens verbracht haben, vermag der Umstand einer konkreten Gefährdung eines positiven Resozialisierungsprozesses unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zwar assoziationsrechtlich keine strikte Rechtsgrenze einer Ausweisung auszumachen, er kann jedoch im Einzelfall von solchem Gewicht sein, dass es einer besonderen Begründung bedarf, um gleichwohl eine Ausweisung verfügen zu dürfen. Es müssen – namentlich wenn der Resozialisierungsprozess weit fortgeschritten ist und weitere gewichtige positive Integrationsfaktoren hinzukommen – besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, gleichwohl das reale Risiko eines Scheiterns des Resozialisierungsprozesses in Kauf zu nehmen.
50 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs. C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
51 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
52 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartige weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in der dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteile vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291 und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
53 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risiko gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts des vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
54 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
55 
Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht bislang davon aus, dass einer Aussetzung der Reststrafe nach § 57 Abs. 1 und 2 StGB oder nach § 88 Abs. 1 und 2 JGG keine Bindungswirkung zukommt, was u.a. auf die unterschiedlichen Prognosemaßstäbe zurückgeführt wird (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 16.11.2000 - 9 C 6.00 - NVwZ 2001, 442; Discher, in: GK-AufenthG Vor §§ 53 ff. Rdn. 1241 ff.). Allerdings soll einer solchen Aussetzung immerhin eine gewisse Indizwirkung zukommen. Die Relativierung derartiger Aussetzungsentscheidungen auf eine bloße Indizwirkung wird jedoch den unions- und assoziationsrechtlichen Anforderungen nicht vollständig gerecht. Denn es würde sich bei einer derartigen Sichtweise ein nicht gerechtfertigter Widerspruch auftun. Der Ansatz von der bloßen Indizwirkung unterstellt, dass gleichwohl im Falle der Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung ohne weiteres ein gesellschaftliches Grundinteresse des Mitgliedstaats weiterhin tatsächlich und hinreichend schwerwiegend gefährdet und eine Beschränkung der Freizügigkeit bzw. ein Entzug des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts gerechtfertigt sein kann. Andererseits bringt jedoch die Gesellschaft des Mitgliedstaats gerade durch diese Aussetzung ihre Wertung zum Ausdruck, dass sie um des Täters und seiner Resozialisierung willen - durchaus nicht risikofrei - bereit ist, diesem ein Leben in Freiheit, wenn auch zunächst mit gewissen Auflagen, zu ermöglichen. Es kann dann schwerlich einem Grundinteresse der gesamten Gesellschaft des Mitgliedstaats entsprechen, den Betroffenen gleichwohl vom eigenen Territorium zu entfernen und ihm die Chance einer Resozialisierung in dem Land, in dem er zuletzt gelebt hat, zu nehmen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er in diesem Land längere Zeit gelebt und dort wesentliche Teile seiner Sozialisierung erfahren hat. Seine Ausweisung in ein Land, in dem er schon längere Zeit nicht mehr oder sogar niemals gelebt hat, muss regelmäßig als kontraproduktiv und einer Resozialisierung hinderlich begriffen werden. Nimmt man noch hinzu, dass nach den oben dargelegten besonderen unionsrechtlichen bzw. assoziationsrechtlichen Maßstäben erhebliche Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Begehung neuer Straftaten gestellt werden müssen, so dürfen derartige Aussetzungen auch deshalb nicht gering gewichtet und bewertet werden, weil sie von einer mit der Beurteilung von der Täterpersönlichkeiten und deren Lebensumfeld vertrauten Fachgerichtsbarkeit ausgesprochen und veranlasst werden. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn zur Vorbereitung der Aussetzungsentscheidung fachkundige Stellungnahmen oder fachwissenschaftliche Gutachten eingeholt wurden. Da andererseits den Aussetzungsentscheidungen keine ausdrücklich gesetzlich angeordnete Bindungs- oder Tatbestandswirkung zukommt, kann das Verwaltungsgericht eine solche Entscheidung ausnahmsweise unbeachtet lassen, wenn sie sich als offenkundig fehlerhaft erweist oder aber infolge aktueller Entwicklungen überholt ist und damit keine zuverlässige Prognosegrundlage mehr abgeben kann. Im Regelfall jedoch ist eine solche Aussetzungsentscheidung in der Weise zu berücksichtigen, dass die Ausweisung keinem Grundinteresse der Gesellschaft des Mitgliedstaates (mehr) entspricht.
56 
2. Ausgehend hiervon ist von Folgendem auszugehen: Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Tübingen hat mit Beschluss vom 11.01.2011 (... StVK ... + .../...) die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt mit der Auflage, dass der Kläger sich innerhalb des ersten Jahres einer Drogentherapie zu unterziehen hat. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Der Beschluss beruht auf einem kriminologisch-kriminalprognostischen Gutachten der Universität Tübingen (Dr. R.) vom 01.12.2011, das nach zwei umfangreichen Explorationen erstellt wurde. Dieses Gutachten, das sich auch umfassend mit der Aktenlage beschäftigt, erweist sich in seiner differenzierten und durchaus kritische Aspekte nicht unterdrückenden Sicht als überzeugend. Nimmt man hinzu, dass zur Vorbereitung der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer noch eine umfassende Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Rottenburg eingeholt worden war, die die wesentlichen Entwicklungsschritte, die der Kläger insbesondere im Jahre 2010 gemacht hat, deutlich macht und eine vorzeitige Freilassung befürwortet, so vermag der Senat keine Gesichtspunkte zu erkennen, die geeignet wären, die Entscheidung des Landgerichts Tübingen infrage zu stellen. Die Entscheidung des Landgerichts ist auch nicht deshalb überholt, weil der Kläger drei Termine bei der Drogenberatung nicht wahrgenommen hat. Die vom Kläger hierfür gegebene Erklärung, wonach er wegen der anstrengenden Nachtarbeit die Termine verschlafen oder vergessen habe, vermag zwar nicht völlig zu überzeugen. Eine einzelne Säumnis mag bei der für den Kläger sicherlich völlig neuen Belastungssituation in einem geregelten Arbeitsverhältnis der konkreten Art ohne weiteres verständlich sein. Eine dreimalige Säumnis innerhalb eines Zeitraums von einem knappen dreiviertel Jahr ist allerdings weniger nachvollziehbar, zumal dem Kläger klar sein musste, dass seine Bewährung auf dem Spiel stehen kann. Auch wenn dieser Regelverstoß daher nicht bagatellisiert werden darf, so kann andererseits nicht übersehen werden, dass der Bewährungshelfer in seiner Stellungnahme die aktuelle Bereitschaft des Klägers, mit ihm zusammenzuarbeiten, sehr positiv hervorgehoben und weiterhin nach über einem Jahr in Freiheit eine sehr positive Prognose abgegeben hat, wobei sicherlich auch eine Rolle gespielt hat, dass aufgrund der durchgeführten Urinkontrollen von einem Drogenkonsum nicht ausgegangen werden kann. Hinzu kommt, dass die Säumnis des Klägers der Strafvollstreckungskammer keine Veranlassung gegeben hat, die Bewährungszeit zu verlängern oder die Bewährung gar zu widerrufen. Hiervon abgesehen hat der Kläger zur Überzeugung des Senats nach seiner Haftentlassung eine positive Entwicklung durchlaufen. Ihm ist es bereits kurze Zeit nach der Entlassung gelungen, eine Beschäftigung zu finden; mittlerweile steht er in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis, mit dem er seinen Lebensunterhalt sichern kann; auch seine Wohnsituation ist geklärt. Dieses zusammengefasst ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass jedenfalls zum heutigen Zeitpunkt nach den oben dargelegten Maßstäben kein Grundinteresse der Gesellschaft mehr betroffen ist und die Ausweisung nicht mehr von Art. 14 ARB 1/80 getragen wird. Wenn es ihm gelingen sollte, seinen Sohn und seine Ehefrau nach Deutschland zu holen, so wird dies seine Situation aller Voraussicht nach weiter stabilisieren.
57 
Hat die Ausweisung keinen Bestand mehr, so war auch die unselbstständige Abschiebungsandrohung aufzuheben.
58 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
59 
Die Revision wird zugelassen, weil die aufgeworfenen Fragen zur Anwendung und Auslegung des Assoziationsrechts von grundsätzlicher Bedeutung sind (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
60 
Beschluss vom 7. März 2012
61 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
62 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. März 2011 – 6 K 2480/10 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der am ...1986 in Leonberg geborene Kläger ist lediger und kinderloser türkischer Staatsangehöriger. Nach der Geburt lebte er zunächst einige Jahre bei seinen Eltern in Deutschland und wuchs dann bis zu seinem 9. Lebensjahr gemeinsam mit seinem älteren Bruder bei seiner Großmutter in der Türkei auf. In der Türkei besuchte er die 1. und 2. Klasse der Grundschule. Sein Vater, der ebenfalls türkischer Staatsangehöriger ist, hielt sich auch in dieser Zeit in Deutschland rechtmäßig als Arbeitnehmer auf. 1995 kehrte der Kläger dann zu seinen Eltern nach Sindelfingen zurück. Der Kläger besuchte in Deutschland zunächst eine Vorbereitungsklasse, dann die Grundschule und wechselte nach der 4. Klasse Grundschule auf das Gymnasium. Von dort musste er nach der 6. Klasse aufgrund unzureichender Leistungen auf die Realschule wechseln. Nachdem er dort die 6. Klasse wiederholt hatte, verließ er schließlich wegen Verhaltensauffälligkeiten und Fehlzeiten die Realschule ohne Abschluss. Im Jahre 2001 und nach dem Besuch verschiedener Schulen erreichte er den Hauptschulabschluss mit dem Notendurchschnitt von 2,3. Eine danach begonnene Lehre als Kfz-Mechaniker endete vorzeitig, weil ihm betriebsbedingt gekündigt worden war. Eine abgeschlossene Berufsausbildung kann der Kläger nicht vorweisen, da er einen Ausbildungsplatz als Industriemechaniker wegen eigenen Fehlverhaltens wieder verlor. Danach hielt er sich bis 2003 immer wieder vorübergehend in der Türkei auf. Nach seiner Rückkehr trennten sich seine Eltern; er lebte in der Folgezeit bei seiner Mutter. Er ging nach seiner Rückkehr auch nur gelegentlichen unselbständigen Erwerbstätigkeiten nach, die immer wieder von Zeiten der Arbeitslosigkeit bzw. durch Inhaftierungen unterbrochen waren. Zuletzt arbeitete er von Juni 2008 bis März 2009 bei einer Zeitarbeitsfirma, jedoch wurde das Arbeitsverhältnis wegen Arbeitsverweigerung fristlos gekündigt.
Ihm wurde am 21.05.1997 eine bis 22.02.2002 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die anschließend mehrfach verlängert wurde, zuletzt gültig bis zum 28.05.2009. Einen Verlängerungsantrag stellte er nicht.
Bereits im Alter von 12 Jahren begann der Kläger mit regelmäßigem Alkoholkonsum, wenig später mit dem zusätzlichen Konsum von Haschisch und Ecstacy sowie Kokain und Heroin. In der Zeit von Oktober 2006 bis Sommer 2007 nahm er - im Zuge einer Bewährungsauflage - an Gesprächen der Drogenberatung Sindelfingen teil, räumte dort seinen Drogenkonsum aber nur teilweise ein. Nach dem Ergebnis eines vom Landgericht Stuttgart in Auftrag gegebenen forensisch-psychiatrischen Gutachtens vom 11.11.2009 ist beim Kläger zwar von einem anhaltenden, schädlichen politoxikomanen Alkohol-und Drogenmissbrauch mit im zeitlichen Verlauf wechselndem Ausmaß auszugehen, nicht hingegen von einer Suchterkrankung im engeren Sinne mit körperlicher und/oder psychischer Abhängigkeit. Im Übrigen diagnostizierte der Gutachter beim Kläger eine dissoziale Persönlichkeitsstörung.
Der Kläger ist strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:
Am 29.09.2000 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen zu zwei Freizeitarresten und zur Erbringung von Arbeitsleistungen.
Am 17.01.2002 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen wegen gefährlicher Körperverletzung zu acht Monaten Jugendstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Am 12.03.2002 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der Verurteilung vom 17.01.2002 wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu einem Jahr Jugendstrafe, die erneut zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Am 31.08.2004 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der beiden vorgenannten Verurteilungen wegen Diebstahls und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einem Jahr und vier Monaten Jugendstrafe, deren Vollstreckung im Berufungsverfahren (vgl. Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18.11.2004) zur Bewährung ausgesetzt wurde. In diesem Zusammenhang war er bereits vorübergehend vom 10.10.2003 bis 21.11.2003 sowie vom 25.05.2004 bis 18.11.2004 in Untersuchungshaft genommen worden.
Am 25.10.2005 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der drei vorgenannten Verurteilungen wegen schweren Raubes zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten.
10 
Am 22.11.2005 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der vier vorgenannten Verurteilungen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Jugendstrafe von 2 Jahre und sechs Monaten. Der Rest der Strafe wurde bis zum 03.09.2009 zur Bewährung ausgesetzt.
11 
Von einer Ausweisung sahen die Ausländerbehörden zunächst ab, sprachen aber am 15.05.2002 (durch die Ausländerbehörde der Stadt Sindelfingen) sowie am 15.08.2006 (durch das Regierungspräsidium) eine ausländerrechtliche Verwarnung aus.
12 
Am 20.04.2009 wurde der Kläger aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Stuttgart festgenommen und verbüßte während der U-Haft auch Ersatzfreiheitsstrafen aus vorangegangenen Verurteilungen.
13 
Mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009, rechtskräftig seit dem 16.04.2010, wurde er wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Dem lag zugrunde, dass er in den Morgenstunden des 20.04.2009 zusammen mit einem Mittäter maskiert und mit einem Messer bewaffnet eine Spielothek betreten und den dort Angestellten mit einem auf ihn gerichteten Messer bedroht und zur Freigabe des Weges zur Kassenschublade veranlasst hatte. Dabei erbeuteten sie Bargeld in Höhe von mindestens 4.000,- EUR das sie allerdings auf der anschließenden Flucht größtenteils wieder verloren.
14 
Nach vorheriger Anhörung wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger mit Verfügung vom 25.06.2010 aus dem Bundesgebiet aus, drohte ihm ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise die Abschiebung in die Türkei auf seine Kosten an und wies ihn darauf hin, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf und der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Gleichzeitig wurde er darauf hingewiesen, dass seine Abschiebung für den Zeitpunkt der Haftentlassung angekündigt werde. Die Ausweisungsverfügung wurde als Ermessensausweisung auf § 55 Abs. 1 AufenthG gestützt. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass besonderer Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 bestehe, weil der Kläger eine Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 besitze. Seine Ausweisung setze daher außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstelle, eine tatsächliche, hinreichend schwere und gegenwärtige Gefährdung durch ein persönliches Verhalten voraus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Zudem setze die Ausweisung nach dem Urteil des EuGH vom 29.04.2004 einen Extremfall voraus, also die konkrete und hohe Wiederholungsgefahr weiterer schwerwiegender Straftaten. Mit ausführlicher Begründung bejahte das Regierungspräsidium eine solche Wiederholungsgefahr im Bereich der Gewaltkriminalität. Sie komme in der schweren und besonders häufigen Straffälligkeit, der hohen Rückfallgeschwindigkeit, der Ergebnislosigkeit der Hafterfahrung und der ausländerrechtlichen Verwarnungen zum Ausdruck und werde durch die fortbestehende Alkohol- und Drogenabhängigkeit verstärkt. Auch ein unterstellter beanstandungsfreier Haftvollzug lasse keinen Rückschluss auf eine fehlende Wiederholungsgefahr zu, zumal bereits eine vorherige Haftverbüßung keinerlei nachhaltige Wirkung auf sein Verhalten gehabt habe. Wegen der Schwere der von ihm begangenen Straftaten und der hohen konkreten Wiederholungsgefahr weiterer schwerer Straftaten stehe Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 einer Ausweisung nicht entgegen. Zu seinen Gunsten greife kein Ausweisungsschutz nach Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2004/38/EG ein, denn ein solcher gelte nur für Unionsbürger. Nationaler Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG greife nicht, weil der Kläger nicht im Besitz der dafür erforderlichen Aufenthaltserlaubnis sei. Unter Würdigung und Abwägung der für und gegen eine Ausweisung sprechenden Gründe und auch im Hinblick auf den Schutz nach Art. 8 EMRK und Art. 6 GG kam das Regierungspräsidium Stuttgart zu dem Ergebnis, dass eine Ausweisung wegen der durch den Kläger wiederholt begangenen schwerwiegenden Verstöße und der Wiederholungsgefahr verhältnismäßig sei.
15 
Der Kläger erhob am 06.07.2010 zum Verwaltungsgericht Stuttgart Klage und machte geltend: Er lebe seit 1 1/2 Jahrzehnten im Bundesgebiet. Sein Aufenthaltsrecht stütze sich auf Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Seine Ausweisung verstoße gegen Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 i.V.m. Art. 28 Abs. 3 lit. a) RL 2004/38/EG. Der Umstand, dass der Kläger gutachterlich als dissoziale Persönlichkeit eingeordnet worden sei, rechtfertige seine Ausweisung nicht. Die Anpassungsschwierigkeiten in der Türkei wären für ihn unlösbar. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Ausweisung wäre eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne der Sicherheit des Staates. Eine solche Gefahr stelle der Kläger nicht dar. In der Sache verdeutliche auch EuGH, Urt. v. 23.11.2010 - Rs C-145/09 , dass nach dem Maßstab des Art. 28 Abs. 3 lit. a) 2004/38/EG eine Ausweisung des Klägers ausscheide. Seine Straftat gefährde die Sicherheit des Staates nicht.
16 
Der Beklagte trat unter Berufung auf die Ausführungen in der angegriffenen Verfügung der Klage entgegen.
17 
Mit Urteil vom 28.03.2011 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und führte aus: Das Regierungspräsidium habe die Ausweisung zutreffend auf § 55 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 7 Satz 1 und 14 ARB 1/80 gestützt und den Kläger ermessensfehlerfrei aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Das Regierungspräsidium sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger eine Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 besitze, denn er sei in Deutschland geboren worden und habe über fünf Jahre bei seinem Vater, der als türkischer Arbeitnehmer dem regulären deutschen Arbeitsmarkt angehört habe, gelebt. Das Aufenthaltsrecht gelte unabhängig davon, ob der Familienangehörige selbst eine Beschäftigung ausübe oder nicht. Aufgrund dieser Rechtsstellung bestehe für den Kläger der besondere Ausweisungsschutz nach Art. 14 ARB 1/80, und er könne, selbst wenn er nach nationalem Recht einen Ist-Ausweisungstatbestand (§ 53 AufenthG) verwirklicht habe, nur auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung nach § 55 AufenthG ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen ausgewiesen werden. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägervertreters finde Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Unionsbürgerrichtlinie auf den Status des Klägers weder Anwendung noch sonst Berücksichtigung. Das Regierungspräsidium Stuttgart sei weiter mit Recht davon ausgegangen, dass Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 der Ausweisung des Klägers nicht entgegenstehe. Eine Ausweisung des Klägers komme lediglich aus spezialpräventiven Gründen in Betracht, wenn eine tatsächliche und schwerwiegende Gefährdung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit i.S.v. Art. 14 ARB 1/80 vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Das sei der Fall, wenn ein Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht bestehe, der sich bei Straftaten aus ihrer Art, Schwere und Häufigkeit ergebe, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft drohe und damit eine gewichtige Gefahr für ein wichtiges Schutzgut gegeben sei. Das Regierungspräsidium Stuttgart habe diese Voraussetzungen zutreffend bejaht. Es bestehe nach der Verurteilung vom 04.12.2009 eine erhebliche Gefahr, dass der Kläger wieder ähnlich gelagerte schwerwiegende Straftaten begehen werde. Im angefochtenen Bescheid habe das Regierungspräsidium eine umfassende Gesamtwürdigung vorgenommen und beim Kläger eine konkrete Wiederholungsgefahr ähnlich gelagerter Straftaten der Beschaffungs- und Gewaltkriminalität festgestellt. Dabei habe es sich auf die Vielzahl der seit 2000 begangenen Delikte, auf die hohe Rückfallgeschwindigkeit, auf seine Unbelehrbarkeit auch nach entsprechenden Verwarnungen und Inhaftierungen gestützt. Selbst die Tatsache, dass einer seiner Brüder im Jahre 2004 bereits wegen schwerer Straftaten aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und abgeschoben worden und ihm damit die ausländerrechtlichen Folgen von delinquentem Verhalten ganz konkret vor Augen geführt worden seien, habe ihn nicht von der Begehung von Straftaten abhalten können. Die angesichts des strafrechtlichen Werdegangs große Gefahr weiterer Gewaltkriminalität werde auch durch die vom Gutachter festgestellte dissoziale Persönlichkeitsstruktur verstärkt. Da der Kläger keine Aufenthaltserlaubnis besitze, genieße er nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG keinen besonderen Ausweisungsschutz. Das Regierungspräsidium habe das Ermessen nach § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG fehlerfrei ausgeübt. Danach seien bei der Entscheidung über die Ausweisung die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet zu berücksichtigen. In seiner Entscheidung habe das Regierungspräsidium zutreffend berücksichtigt, dass der Kläger im Bundesgebiet geboren sei und sich seit rund 1 1/2 Jahrzehnten, bis auf kurze Unterbrechung, ununterbrochen rechtmäßig hier aufgehalten habe. Das Regierungspräsidium habe ferner die Entwicklung der Lebensverhältnisse des Klägers während seines lang andauernden Aufenthalts berücksichtigt, insbesondere die Tatsache, dass er zwar den Hauptschulabschluss erreicht, aber keine Berufsausbildung abgeschlossen habe und nur gelegentlich unselbständigen Erwerbstätigkeiten nachgegangen, überwiegend aber beschäftigungslos gewesen sei. Er habe sich im Bundesgebiet keine sichere wirtschaftliche Lebensgrundlage aufgebaut. Seine fehlende Integration komme auch in beharrlichen Verstößen gegen die deutsche (Straf-) Rechtsordnung zum Ausdruck. Das Regierungspräsidium habe zutreffend die wirtschaftliche Bindung des Klägers im Bundesgebiet durch sein freies Zugangsrecht zum deutschen Arbeitsmarkt berücksichtigt. Es habe ferner das Ermessen auch im Hinblick auf die persönlichen Bindungen des Klägers, nämlich seine Beziehung zu seiner noch lebenden Mutter und seinem Onkel, pflichtgemäß ausgeübt. Die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten und mit dem Kläger in einer familiären Lebensgemeinschaft lebten, seien gemäß § 55 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG hinreichend berücksichtigt worden. Zutreffend sei erkannt worden, dass die Ausweisung mit der Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG den Kläger künftig daran hindere, die Familieneinheit in der Bundesrepublik Deutschland zu leben und dass damit ein Eingriff in Art. 6 GG vorliege. Allerdings verbiete Art. 6 GG auch einen für die Beteiligten schwerwiegenden Eingriff nicht schlechthin. Im vorliegenden Fall beruhe die Ausweisung auf einem wiederholten, schweren kriminellen Fehlverhalten des Klägers. Der staatliche Schutz der Gesellschaft vor etwaigen weiteren Beeinträchtigungen habe ebenfalls Verfassungsrang und müsse in diesem Fall wegen der konkreten Wiederholungsgefahr Vorrang genießen. Der Kläger habe die zu einem Eingriff in Art. 6 GG führenden Gründe selbst geschaffen. Die Bindung zu seinen Familienangehörigen habe ihn in der Vergangenheit nicht davon abhalten können, eine Vielzahl von Straftaten zu begehen. Die Bindung eines volljährigen erwachsenen Menschen zu seinen Verwandten sei ferner durch eine fortschreitende „Abnabelung" geprägt. Dem Kläger könne daher eine eigenverantwortliche Lebensführung zugemutet werden. Auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei gewahrt. Angesichts der Schwere der vom Kläger zuletzt begangenen Straftaten sei der Allgemeinheit das Risiko einer erneuten einschlägigen Straffälligkeit des Klägers unter dem Gesichtspunkt des vorrangigen Schutzes der Bevölkerung vor Gewaltdelikten nicht zuzumuten. Die Ausweisung sei zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks erforderlich und angemessen. Ein milderes Mittel zur Abwendung der Gefahr weiterer Beeinträchtigungen durch schwerwiegende Straftaten sei nicht ersichtlich. Die Rückkehr in seine Heimat sei dem Kläger auch zuzumuten. Zwar sei er in Deutschland geboren und aufgewachsen; trotzdem sei davon auszugehen, dass er als Sohn türkischer Staatsangehöriger die türkische Sprache mindestens in den Grundzügen beherrsche. Dafür sprächen auch sein mehrmonatiger Schulaufenthalt in der Türkei und seine kurzzeitigen Aufenthalte dort. Auch einer seiner Brüder, der bereits 2004 dorthin abgeschoben worden sei, lebe in seinem Heimatland. Die Ausweisung sei auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie vom Regierungspräsidium nicht bereits bei Erlass befristet worden sei. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sei die Frage der Befristung eines Aufenthaltsverbotes nur eines von mehreren Kriterien im Rahmen der einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung einer Ausweisung am Maßstab des Art. 8 Abs. 2 EMRK. Auch das Bundesverwaltungsgericht stelle insofern auf die Umstände des Einzelfalls ab. Angesichts des hier mit der Ausweisung verfolgten gewichtigen öffentlichen Interesses und der demgegenüber geringer wiegenden Belange des Klägers sei es nicht ermessensfehlerhaft, ihn zunächst unbefristet auszuweisen, die Frage der Befristung aber von seiner künftigen persönlichen Entwicklung abhängig zu machen und in einem gesonderten Verfahren zu prüfen. Die Ausweisung verstoße ferner nicht gegen völker- und europarechtlichen Vorschriften. Einer Ausweisung des Klägers stehe nicht das Europäische Niederlassungsabkommen (ENA) vom 13.12.1955 entgegen, denn der hier überwundene Ausweisungsschutz des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 sei weitergehend als derjenige aus Art. 3 Abs. 3 ENA. Die Ausweisung verstoße auch nicht gegen das durch Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Zwar stelle die Ausweisung einen Eingriff in Art. 8 Abs. 1 EMRK dar. Dieser sei jedoch nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt, denn die Ausweisung sei, wie dargelegt, in § 55 AufenthG gesetzlich vorgesehen, und sie stelle eine Maßnahme dar, die in einer demokratischen Grundordnung unter anderem für die öffentliche Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen notwendig sei. Die gegen die Abschiebungsandrohung gerichtete Klage habe ebenfalls keinen Erfolg.
18 
Am 01.04.2011 hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Er berief sich zunächst auf den besonderen Ausweisungsschutz des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie und darauf, dass nach den vom Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache Tsakouridis aufgestellten Grundsätzen im Falle der Ausweisung die Resozialisierung des Klägers gefährdet wäre. Nach Ergehen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 08.12.2011 in der Sache Ziebell macht der Kläger nunmehr geltend, die angegriffene Verfügung sei schon wegen der Verletzung des sog. Vier-Augen-Prinzips des Art. 9 RL 64/221/EWG aufzuheben, das mit Rücksicht auf die Standstill-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 weiter anzuwenden sei.
19 
Der Kläger beantragt,
20 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28.03.2011 - 6 K 2480/10 - zu ändern und die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.06.2010 aufzuheben.
21 
Der Beklagte beantragt,
22 
die Berufung zurückzuweisen.
23 
Er macht sich die Ausführungen im angegriffenen Urteil zu eigen und stellt insbesondere ein subjektives Recht des Klägers auf Resozialisierung infrage. Ein derartiger Rechtsanspruch würde dazu führen, dass nahezu jede Ausweisung eines straffälligen Ausländers ausgeschlossen sei. Im Übrigen seien die Überlegungen des EuGH in der Rechtssache Tsakouridis ungeachtet der nicht möglichen Anwendung der Unionsbürgerrichtlinie nicht übertragbar, weil türkische Staatsangehörige, die eine Rechtsposition nach dem ARB 1/80 inne hätten, keine Freizügigkeit innerhalb der Union genössen. Das sog. Vier-Augen-Prinzip gelte entgegen der Auffassung des Klägers nicht mehr weiter. Denn zum einen wäre die Fortgeltung mit Art. 59 ZP unvereinbar. Ungeachtet dessen sei dieses auch nicht durch die Standstill-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 aufrechterhalten, weil diese sich nur an die Mitgliedstaaten wende.
24 
Der Senat hat eine Stellungnahme der JVA Heilbronn über die Entwicklungen des Klägers im Vollzug eingeholt. Insoweit wird auf das Schreiben der JVA Heilbronn vom 23.01.2012 verwiesen.
25 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
26 
Dem Senat lagen die Ausländerakten, die Akten des Regierungspräsidiums sowie die Gefangenenpersonalakten vor.

Entscheidungsgründe

 
27 
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.06.2010 zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
I.
28 
Die mit Bescheid vom 25.06.2010 verfügte Ausweisung leidet nicht deshalb an einem unheilbaren Verfahrensfehler, weil das nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 (ABl. 56 vom 04.04.1964, S. 850) vorgesehene „Vier-Augen-Prinzip“ nicht beachtet wurde. Wie sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 08.12.2011 in der Rechtssache C-371/08 - hinreichend ersehen lässt, entfaltet diese zum 30.04.2006 aufgehobene Bestimmung keine Wirkungen mehr für den verfahrensrechtlichen Ausweisungsschutz assoziationsrechtlich privilegierter türkischer Staatsangehöriger (1.). Auch aus geltenden unionsrechtlichen Verfahrensgarantien folgt nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen (2.). Die Stillhalteklauseln gebieten keine andere Betrachtung (3.). Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens (4.).
29 
1. Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG war bei einer ausländerrechtlichen Entscheidung über die Ausweisung ein weiteres Verwaltungsverfahren durchzuführen, sofern nicht ausnahmsweise ein dringender Fall vorlag und sofern nicht im gerichtlichen Verfahren eine Zweckmäßigkeitsprüfung vorgesehen war. Diese für Angehörige der Mitgliedstaaten (vgl. zum personellen Anwendungsbereich Art. 1 dieser Richtlinie) geltende Regelung erstreckte der Europäische Gerichtshof auf die Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger (Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 65 ff.). Fehlte es an der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, so war die Ausweisung unheilbar rechtswidrig (BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - Rn. 12 ff., BVerwGE 124, 217, vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 - Rn. 14 ff., BVerwGE 124, 243 und vom 09.08.2007 - 1 C 47.06 - Rn. 23 ff., BVerwGE 129, 162).
30 
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die im Rahmen der Art. 48, 49 und 50 EGV (später Art. 39, 40, 41 EG und nunmehr Art. 45 ff. AEUV) geltenden Grundsätze soweit wie möglich auf türkische Arbeitnehmer zu übertragen sind, die die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen. Dies beruht auf den Erwägungen, dass in Art. 12 des Assoziierungsabkommens die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Artikeln 48, 49 und 50 des „Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft“ leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen, dass Art. 36 ZP die Fristen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (nunmehr und im Folgenden: Union) und der Türkei festlegt, dass der Assoziationsrat die hierfür erforderlichen Regeln vorsieht und dass der Beschluss 1/80 bezweckt, im sozialen Bereich die Regelungen zugunsten der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen zu verbessern (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 04.10.2007- Rs. C-349/06 Rn. 29, vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 61 ff., vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 42 ff. und vom 10.02.2000 - Rs. C-340/97 Rn. 42 f.). In der Rechtssache „Dörr und Ünal“ (Rn. 65 ff.) heißt es, es sei nach diesen Erwägungen geboten, die in Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG niedergelegten Grundsätze als auf türkische Arbeitnehmer, die die im Beschluss Nr. 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragbar anzusehen, und weiter:
31 
„….Um effektiv zu sein, müssen die individuellen Rechte von den türkischen Arbeitnehmern vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden können. Damit die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes gewährleistet ist, ist es unabdingbar, diesen Arbeitnehmern die Verfahrensgarantien zuzuerkennen, die den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht gewährleistet werden, und es muss ihnen somit ermöglicht werden, sich auf die in den Artikeln 8 und 9 der Richtlinie 64/221 vorgesehenen Garantien zu berufen. Diese Garantien sind nämlich, wie der Generalanwalt …ausführt, untrennbar mit den Rechten verbunden, auf die sie sich beziehen.“
32 
In der Entscheidung „Ziebell“ knüpft der Gerichtshof an die Ausführungen im Urteil „Dörr und Ünal“ an und legt dar (Rn. 58), dass
33 
„…die Grundsätze, die im Rahmen der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer betreffenden Bestimmungen des EG-Vertrags gelten, so weit wie möglich auf türkische Staatsangehörige übertragen werden, die Rechte aufgrund der Assoziation EWG-Türkei besitzen. Wie der Gerichtshof entschieden hat, muss eine solche Analogie nicht nur für die genannten Artikel des Vertrags gelten, sondern auch für die auf der Grundlage dieser Artikel erlassenen sekundärrechtlichen Vorschriften, mit denen die Artikel durchgeführt und konkretisiert werden sollen (vgl. zur Richtlinie 64/221 u.a. Urteil Dörr und Ünal)“.
34 
Durch den Terminus „Analogie“, der etwa auch in der französischen und englischen Fassung des Urteils verwendet wird, ist klargestellt, dass die Inhalte des - für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten - maßgeblichen Sekundärrechts nicht deshalb auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige angewandt werden, weil diese allgemeine Rechtsgrundsätze sind, die ggfs. auch losgelöst von der Wirksamkeit der jeweiligen Regelung noch Geltung beanspruchen können, sondern dass es sich um eine entsprechende Übertragung geltenden Rechts handelt. Eine Vorschrift kann jedoch nur solange analog angewandt werden, wie sie selbst Gültigkeit beansprucht. Mit der Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG mit Wirkung vom 30.04.2006 durch Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG entfällt deshalb - wie der Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ darlegt - die Grundlage für ihre entsprechende Anwendung.
35 
Dass aufgrund dieser Aufhebung nicht mehr „traditionell auf die in der Richtlinie 64/221/EWG festgeschriebenen Grundsätze abgestellt“ werden kann (Rn. 76) und der Richtlinie insgesamt, d.h. in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht, keine Bedeutung mehr zukommt, ist nach den Ausführungen im Urteil „Ziebell“ (insb. Rn. 77 ff.) und dem ihm zugrunde liegenden Sachverhalt hinreichend geklärt. Dem Europäischen Gerichtshof war aufgrund des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 22.07.2008 und der beigefügten Akten bekannt, dass auf die dort streitgegenständliche Ausweisungsverfügung vom 06.03.2007 das „Vier-Augen-Prinzip“ des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG nicht mehr angewandt, vielmehr gegen die Ausweisungsentscheidung direkt Klage erhoben worden ist. Das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.08.2009 (1 C 25.08 - AuAS 2009, 267) führt sogar ausdrücklich aus, dass - sollte der in Kapitel VI der Richtlinie 2004/38/EG für Unionsbürger geregelte Ausweisungsschutz nicht auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige zu übertragen sein - sich die Frage stellt, ob Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG gleichwohl weiterhin anzuwenden ist oder stattdessen die Verfahrensgarantien des Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG Anwendung finden, die das „Vier-Augen-Prinzip“ abgelöst haben (BVerwG, a.a.O., Rn. 26). Hätte der Gerichtshof dem im Verfahren „Ziebell“ nicht eingehaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ - und sei es auch mit Blick auf besondere oder allgemeine unionsrechtliche Verfahrensgarantien, die Standstillklauseln oder das Assoziationsabkommen an sich - noch irgendeine rechtliche Relevanz zu Gunsten des Klägers beigemessen, so hätte es nahegelegen, unabhängig von der konkreten Vorlagefrage hierzu Ausführungen zu machen. Die Tatsache, dass der Gerichtshof die Aufhebung der Richtlinie insgesamt besonders hervorhebt, und der Umstand, dass er den Ausweisungsschutz für türkische Staatsangehörige mit einer Rechtsposition nach dem ARB 1/80 zudem ausdrücklich auf einen anderen unionsrechtlichen Bezugsrahmen im geltenden Recht stützt, belegen, dass die Richtlinie 64/221/EWG nach Auffassung des Gerichtshofs in Gänze nicht mehr zur Konkretisierung des formellen und materiellen Ausweisungsschutzes des Klägers herangezogen werden kann. Hätte der Gerichtshof den Inhalten der Richtlinie 64/221/EWG noch irgendeine Bedeutung beigemessen, so hätte es sich im Übrigen auch aufgedrängt, für das materielle Ausweisungsrecht - etwa in Anknüpfung an die Rechtssachen „Cetinkaya“ (Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 - Rn. 44 ff.) oder „Polat“ (Urteil vom 04.10.2007 -Rs. C-349/06 - Rn. 30 ff.) - den dort erwähnten Art. 3 der Richtlinie 64/221/ EWG ausdrücklich weiterhin fruchtbar zu machen. Diesen Weg hat der Gerichthof in der Rechtssache „Ziebell“ jedoch ebenfalls nicht beschritten. An dieser Sicht vermag – entgegen der Auffassung des Klägers – auch der Umstand nichts zu ändern, dass für die Anwendung des am 21.06.1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits geschlossenen Abkommen über die Freizügigkeit (ABl. 2002 L 114, S. 6) die Richtlinie 64/221/EWG nach wie vor vorübergehend Bedeutung hat (vgl. Art. 5 Abs. 2 des Anhangs I).
36 
2. Es ist nicht entscheidungserheblich, ob sich die Verfahrensgarantien für einen assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, der sich gegen seine Ausweisung wendet, nunmehr ebenfalls aus der Richtlinie 2003/109/EG (Art. 10, Art. 12 Abs. 4), aus Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG oder aus den auch im Unionsrecht allgemeinen anerkannten Grundsätzen eines effektiven Rechtsschutzes ergeben. Denn die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens ist in keinem dieser Fälle geboten.
37 
a) Art 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG sieht vor, dass einem langfristig Aufenthaltsberechtigten in dem betroffenen Mitgliedstaat der Rechtsweg gegen seine Ausweisung offen steht. Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie normiert, dass der langfristig Aufenthaltsberechtigte Rechtsbehelfe u.a. gegen den Entzug seiner Rechtsstellung einlegen kann. Welche Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, bestimmt sich jedoch allein nach dem nationalen Recht. Ein Vorverfahren als einzuräumender Rechtsbehelf ist nach der Richtlinie nicht vorgeschrieben.
38 
b) Auch soweit man für die einem assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen einzuräumenden Verfahrensgarantien Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG heranziehen wollte, folgt hieraus nichts anderes. Die Erwägungen zu den Besonderheiten der Unionsbürgerschaft haben den Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ im Anschluss an die Ausführungen des Generalanwalts bewogen, den Schutz der Unionsbürger vor Ausweisung, wie in Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehen, nicht im Rahmen der Anwendung von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 auf die Garantien gegen die Ausweisung türkischer Staatsangehöriger zu übertragen (vgl. im Einzelnen Rn. 60 ff. und Schlussanträge des Generalanwalts vom 14.04.2011 - Rs. C-371/08 - Rn. 42 ff.). Selbst wenn man der Auffassung wäre, die Spezifika der Unionsbürgerschaft (vgl. zu deren Begriff und Inhalt auch Bergmann , Handlexikon der Europäischen Union, 4. Aufl. 2012, Stichwort „Unionsbürgerschaft“) stünden lediglich der Anwendung des materiellen Ausweisungsrechts der Richtlinie 2004/38/EG auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige entgegen und nicht der Übertragung der im gleichen Kapitel enthaltenen Verfahrensgarantien nach Art. 30 f., leidet die Ausweisungsverfügung nicht an einem Verfahrensfehler. Der Gerichtshof hat sich im Urteil „Ziebell“ nicht dazu geäußert, ob diese Bestimmungen insoweit analogiefähig sind bzw. ihnen jedenfalls allgemein geltende Grundsätze zu entnehmen sind (vgl. auch Art. 15 der Richtlinie 2004/38/EG), die in Anknüpfung allein an die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Notwendigkeit deren verfahrensrechtlichen Schutzes ihre Berechtigung haben, oder ob auch diesen ein spezifisch unionsbürgerbezogener Inhalt zukommt. Für letzteres könnte etwa Art. 31 Abs. 3 S. 2 dieser Richtlinie angeführt werden, wonach das Rechtsbehelfsverfahren gewährleistet, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 nicht unverhältnismäßig ist; auch die Bezugnahme in Art. 31 Abs. 2, letzter Spiegelstrich auf Art. 28 Abs. 3 könnte dafür sprechen. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung, denn die Verfahrensgarantien nach Art. 30 f. der Richtlinie 2004/38/EG schreiben die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bei der Ausweisung von Unionsbürgern nicht vor (diese Frage lediglich ansprechend BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.10.2011 - 2 BvR 1969/09 - juris Rn. 40), so dass der Kläger selbst bei ihrer Anwendbarkeit kein für ihn günstigeres Ergebnis herleiten könnte.
39 
Nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG müssen die Betroffenen gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können. Aus dieser Bestimmung folgt aber nicht die Verpflichtung des Mitgliedstaates, außer dem gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Ausweisungsverfügung (zusätzlich) ein behördliches Rechtsbehelfsverfahren vorzuhalten und in diesem auch die Überprüfung der Zweckmäßigkeit einer Ausweisung zu ermöglichen. Wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt („..und gegebenenfalls bei einer Behörde…“), trägt diese Bestimmung lediglich dem - heterogenen - System des Rechtsschutzes der Mitgliedstaaten Rechnung und lässt deren Berechtigung unberührt, ein Rechtsbehelfsverfahren auch noch bei einer Behörde zu eröffnen. Ein solches ist jedoch in Baden-Württemberg nicht mehr vorgesehen. Erlässt das Regierungspräsidium den Verwaltungsakt - wie dies für die Ausweisung eines in Strafhaft befindlichen Ausländers zutrifft (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AAZuVO) -, so ist hiergegen unabhängig von dem zugrundeliegenden Rechtsgebiet im Anwendungsbereich des seit 22.10.2008 geltenden § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO (GBl. 2008, 343) i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO das Vorverfahren nicht statthaft. Aufgrund vergleichbarer, wenn auch regelungstechnisch teilweise von einem anderen Ansatz ausgehender Landesgesetze entspricht es einer bundesweit anzutreffenden Rechtspraxis, ein Widerspruchsverfahren vor Erhebung einer Klage nicht mehr vorzuschreiben (vgl. z.B. auch Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO, § 16a HessAGVwGO, § 8a NdsAGVwGO). Dass die Unionsbürgerrichtlinie nicht dazu zwingt, ein dem gerichtlichen Rechtsschutz vorgeschaltetes Widerspruchsverfahren zu schaffen, folgt im Übrigen eindeutig aus ihrer Entstehungsgeschichte.
40 
Der Vorschlag der Kommission für die Unionsbürgerrichtlinie (KOM 2001/0257/endgültig, ABl. C 270 E vom 25.09.2001, S. 150) sah ursprünglich vor, dass u.a. bei der Ausweisung der Betreffende bei den Behörden oder den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen kann; ist der behördliche Weg vorgesehen, entscheidet die Behörde außer bei Dringlichkeit erst nach Stellungnahme der zuständigen Stelle des Aufnahmemitgliedstaates, vor dem es dem Betreffenden möglich sein muss, auf seinen Antrag hin seine Verteidigung vorzubringen. Diese Stelle darf nicht die Behörde sein, die befugt ist, die Ausweisungsentscheidung zu treffen (vgl. im Einzelnen den - hier verkürzt wiedergegebenen - Wortlaut des Entwurfs zu Art. 29 Abs. 1 und 2). In der Begründung des Vorschlags zu Art. 29 heißt es ausdrücklich:
41 
„Ein lückenloser Rechtsschutz schließt nicht aus, dass ein Mitgliedstaat vorsieht, dass ein Rechtsbehelf bei einer Behörde eingelegt werden kann. In diesem Fall müssen die in Art. 9 der Richtlinie 63/221/EWG genannten Objektivitätsgarantien gegeben sein, insbesondere die vorherige Stellungnahme einer anderen Behörde, als die, die die Einreiseverweigerung oder die Ausweisung verfügen soll, sowie Garantie in Bezug auf die Rechte der Verteidigung.“
42 
In dem Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 6/2004 vom 05.12.2003 (ABl. C 54 E vom 02.03.2004, S. 12) hat Art. 31 Abs. 1 bereits - mit Zustimmung der Kommission - die Fassung, wie sie in der Unionsbürgerrichtlinie vom 29.04.2004 enthalten ist (a.a.O., S. 26). Schon in dem geänderten Vorschlag der Kommission vom 15.04.2003 (KOM(2003) 199 endgültig) erhielt der Entwurf zu Art. 29 Abs. 1 die Fassung, dass „….der Betroffene bei den Gerichten und gegebenenfalls bei den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen“ kann. Durch diese Abänderung sollte klargestellt werden,
43 
„dass der Rechtsbehelf stets bei einem Gericht eingelegt werden muss und ein Rechtsbehelf bei einer Behörde nur dann ebenfalls zulässig ist, wenn der Aufnahmemitgliedstaats dies vorsieht (zum Beispiel bevor ein Rechtsbehelf bei einem Gericht eingelegt werden kann).“
44 
Diese Begründung der Kommission im geänderten Vorschlag vom 15.04.2003 (a.a.O., S. 10) zu Art. 29 Abs. 1 hat sich der „Gemeinsame Standpunkt“ vom 05.12.2003 zu Eigen gemacht (a.a.O., S 27) und ferner Art. 29 Abs. 2 des Kommissionsentwurfs mit dem dort enthaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ komplett gestrichen. Dieser ist mit Blick auf die von den Mitgliedstaaten stets vorzusehende Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts und der dort zu gewährenden Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung und der Tatsachen und Umstände, auf denen die Entscheidung über die Ausweisung beruht, für überflüssig erachtet worden (vgl. die Begründung des Rates, a.a.O., S. 29, 32).
45 
Das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene „Vier-Augen-Prinzip“, das defizitäre gerichtliche Kontrollmechanismen und eine in den Mitgliedstaaten zum Teil vorherrschende geringe Kontrolldichte der gerichtlichen Entscheidungen kompensieren sollte, wurde somit in Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG durch eine Verbesserung des gerichtlichen Rechtsschutzes ersetzt (vgl. zur bewussten Abkehr von den in Art. 8 f der Richtlinie 64/221/ EWG vorgesehenen Verfahrensregelungen auch Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2004/38/EG). Der in Deutschland dem Kläger zur Verfügung stehende gerichtliche Rechtsschutz erfüllt die Vorgaben des Art. 31 der Richtlinie.
46 
Es bleibt daher der Verfahrensautonomie des Mitgliedstaats überlassen, ob er bei einer Ausweisung eines Unionsbürgers zusätzlich zum gerichtlichen Rechtsschutz noch ein Widerspruchsverfahren vorsieht. Dass die in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG enthaltene Formulierung „..und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen zu können“ bei diesem Verständnis nur noch eine unionsrechtliche Selbstverständlichkeit wiedergibt, erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift.
47 
c) Auch die allgemeine unionsrechtliche Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs fordert nicht die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens. Selbst wenn man entgegen den Ausführungen oben unter 1.) der Auffassung wäre, der Gerichtshof habe sich im Urteil „Ziebell“ hierzu nicht der Sache nach geäußert, ist dies eindeutig.
48 
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshof hat ein türkischer Arbeitnehmer, der die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzt, einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, um diese Rechte wirksam geltend machen zu können (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn.67). Es entspricht einem allgemein anerkannten unionsrechtlichen Grundsatz, der sich aus der gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedstaaten ergibt und der in Art. 6 und 13 EMRK verankert ist, dass bei einem Eingriff in die Rechte des Betroffenen (hier: Eingriff in die Freizügigkeit des Arbeitnehmers) durch eine Behörde des Mitgliedstaats der Betroffene das Recht hat, seine Rechte vor Gericht geltend zu machen; den Mitgliedstaaten obliegt es, eine effektive richterliche Kontrolle der Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des innerstaatlichen Rechts sicherzustellen, das der Verwirklichung der eingeräumten Rechte dient (vgl. schon EuGH, Urteil vom 03.12.1992 - Rs. C-97/91 Rn.14, vom 15.10.1987 - Rs. C-222/86 Rn. 12 ff. und vom 15.05.1986 - Rs. C-222/84 Rn. 17 ff.). Zum Effektivitätsgrundsatz gehört, dass die gerichtliche Kontrolle die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung umfasst (EuGH, Urteil vom 15.10.1987 - Rs. C-222/84 Rn.15). Auch dürfen die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH, Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-279/09 Rn. 28, vom 15.04.2008 - Rs. C-268/06 Rn. 46, vom 13.03.2007 - Rs. C-432/05 Rn. 43 und vom 16.12.1976 - 33/76 Rn.5). Ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, ist unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren vor den verschiedenen nationalen Stellen sowie des Ablaufs und der Besonderheiten dieses Verfahrens zu prüfen (EuGH, Urteil vom 21.12.2002 - Rs. C-473/00 Rn. 37 und vom 14.12.1995 - Rs. C-312/93 Rn.14).
49 
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Grundsätze ist es nicht geboten, ein behördliches Vorverfahren mit einer diesem immanenten Rechtmäßigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorzuschalten, das die Vorgaben des effektiven Rechtschutzes in jeder Hinsicht erfüllt. Auch Art. 19 Abs. 4 GG fordert dies übrigens gerade nicht (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - juris Rn. 105 m.w.N.). Ein Anspruch des Einzelnen auf ein „Maximum“ an Verfahrensrechten und den unveränderten Fortbestand einer einmal eingeräumten verfahrensrechtlichen Möglichkeit besteht nicht - zumal wenn diese wie das „Vier-Augen-Prinzip“ aus einer bestimmten historischen Situation als Kompensation für eine früher weit verbreitete zu geringe gerichtliche Kontrolldichte erfolgte.
50 
d) Aus dem in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und dem „Recht auf gute Verwaltung“ nach Art. 41 GRCh (vgl. zu den dort eingeräumten Rechten Jarass, GRCh-Kommentar, 2010, Art. 41 Rn. 21 ff.) ergibt sich für den Kläger ebenfalls kein Recht auf Durchführung eines Vorverfahrens.
51 
3. Ein Widerspruchsverfahren ist ferner nicht mit Blick auf die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln nach Art. 7 ARB 2/76, Art. 13 ARB 1/80 oder Art. 41 Abs. 1 ZP einzuräumen. Selbst wenn man die Ansicht nicht teilen würde, schon aus dem Urteil „Ziebell“ ergebe sich hinreichend deutlich, der Gerichtshof halte das Fehlen eines Vorverfahrens auch unter dem Aspekt der Stillhalteklauseln nicht für problematisch, lässt sich feststellen, dass dessen Abschaffung keinen Verstoß gegen die Stillhalteklauseln darstellt.
52 
a) Der Kläger kann sich als im Bundesgebiet geborener Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers auf Art. 13 ARB 1/80 berufen. Nach dieser am 01.12.1980 in Kraft getretenen Regelung dürfen die Mitgliedstaaten für türkische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß ist, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Diese Stillhalteklausel, die unmittelbar wirkt (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62, vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 58 f. und vom 20.09.1990 - Rs. C-192/89 Rn. 26), verbietet allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 in dem entsprechenden Mitgliedstaat galten (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62), wobei den Mitgliedstaaten auch untersagt ist, nach dem Stichtag eingeführte günstigere Regelungen wieder zurückzunehmen, selbst wenn der nunmehr geltende Zustand nicht strenger ist als der am Stichtag geltende (siehe zu dieser „zeitlichen Meistbegünstigungsklausel“ EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 49 ff ). Die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 verfolgt das Ziel, günstigere Bedingungen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu schaffen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 und vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 72 ff.). Normadressat ist ausschließlich der einzelne Mitgliedstaat mit Blick auf dessen nationales Recht, nicht die Europäische Union als Vertragspartner des Assoziationsabkommens EWG/Türkei. Deren Befugnisse werden durch diese Stillhalteklausel nicht beschränkt. Vom Wortlaut her schützt das Unterlassungsgebot der Standstillklausel zwar ausschließlich den unveränderten Zugang zum Arbeitsmarkt, es entfaltet gleichwohl mittelbare aufenthaltsrechtliche Wirkungen, soweit ausländerrechtliche Maßnahmen zur Beeinträchtigung des Arbeitsmarktzugangs führen, die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels erschwert wird (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62 ff. und vom 29.04.2010 - Rs. C-92/09 Rn. 44 ff.) oder der Aufenthalt eines türkischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet beendet werden soll (vgl. auch Renner, 9. Aufl., 2011, § 4 Rn. 197). Bei der Bestimmung, wann eine Maßnahme eine „neue Beschränkung“ darstellt, orientiert sich der Gerichtshof gleichermaßen an den mit Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 ZP verfolgten Zielen und erstreckt die Tragweite der Stillhalteverpflichtung auf sämtliche neuen Hindernisse für die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen darstellen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 ff.), wobei eine solche materieller und/oder verfahrensrechtlicher Art sein kann (EuGH, Urteil vom 21.07.2011 - Rs. C-186/10 Rn. 22, vom 29.04.2010 - Rs. C-92/07 Rn. 49, vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 64 und vom 20.09.2007 - Rs. C-16/05 Rn. 69). Nach diesen Grundsätzen stellt die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens keine „neue Beschränkung“ dar.
53 
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von Art. 13 ARB 1/80 war nach dem damals geltenden § 68 VwGO und dem baden-württembergischen Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 22.03.1960 (GBl. 1960, 94) in der Fassung des Gesetzes vom 12.12.1979 (GBl. 1979, 549) auch bei der Ausweisung eines türkischen Staatsangehöriger ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Die in der vorliegenden Fallkonstellation nunmehr vorgesehene Zuständigkeit einer Mittelbehörde für den Erlass der Ausweisungsverfügung (§ 6 Nr. 1 AAZuVO) und das gesetzlich deswegen angeordnete Entfallen des Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO BW vom 14.10.2008; vgl. auch die Vorgängervorschrift § 6a AGVwGO BW vom 01.07.1999) ist keine Änderung, die geeignet wäre, die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu erschweren oder die einem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten materiellen Rechte zu beeinträchtigen. Unabhängig davon, ob das Widerspruchsverfahrens nur als Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens angesehen wird (vgl. hierzu Bader, u.a. VwGO, 5. Aufl. 2011, Vor §§ 68 ff. Rn. 49), oder ob es auch als Teil des Prozessrechts begriffen wird (i.S.e. Doppelcharakters Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, Vorb § 68 Rn. 14), ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dessen Wegfall zu einer merklichen Verschlechterung der Rechtsposition türkischer Staatsangehöriger führt. Eine rechtliche Beeinträchtigung des Betroffenen durch die Abschaffung des Vorverfahrens wird im Übrigen auch nicht in anderen rechtlichen Konstellationen außerhalb des Aufenthaltsrechts angenommen.
54 
Grund für den letztlich allein rechtspolitisch gewählten Weg eines weitgehenden Ausschluss des Vorverfahrens in Baden-Württemberg war die Erkenntnis gewesen, dass entsprechend einer evaluierten Verwaltungspraxis jedenfalls in den Fällen, in denen das Regierungspräsidium die Ausgangsentscheidung getroffen hat, die Sach- und Rechtslage vor der ersten Verwaltungsentscheidung so umfassend geprüft wird, dass sich während des Vorverfahrens regelmäßig keine neuen Aspekte ergeben. Der Wegfall des Widerspruchsverfahrens in den Fällen der Ausgangszuständigkeit der Mittelbehörden dient nicht nur deren Entlastung, sondern vor allem auch der Verfahrensbeschleunigung (vgl. näher die Begründung zum entsprechenden Gesetzentwurf der Landesregierung, LT Drs. 12/3862 vom 16.03.1999 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses vom 22.04.1999, LT Drs. 12/3976). Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens kann daher allenfalls als ambivalent begriffen werden. Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens kommt in besonderem Maße dem Interesse des von einer Ausweisung betroffenen Ausländers entgegen, eine möglichst rasche gerichtliche Klärung zu erhalten. Zwar können etwa Mängel in der Ausweisungsentscheidung leichter behoben werden, wenn die Verwaltung „einen zweiten Blick“ hierauf wirft. Der Ausländer wird jedoch nicht belastet, wenn diese Möglichkeit nicht mehr besteht. Vielmehr verbessert dies unter Umständen sogar seine Erfolgschancen bei Gericht. Als Kläger kann er auch all das bei Gericht geltend machen, was er in einem Widerspruchsverfahren vortragen könnte; das Verwaltungsgericht unterzieht die Ausweisung einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle, die insbesondere auch eine volle Überprüfung ihrer Verhältnismäßigkeit einschließt. Lediglich die Zweckmäßigkeit einer Entscheidung kann durch das Verwaltungsgericht nicht geprüft werden, was aber bei einer Gesamtbetrachtung der Wirkungen der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens nicht negativ ins Gewicht fällt. Im Übrigen kam es nach den Angaben des Vertreters des Beklagten zu Zeiten des noch bestehenden Widerspruchsverfahrens jedenfalls auf dem Gebiet des Ausländer- bzw. Aufenthaltsrechts praktisch nicht vor, dass allein aus Zweckmäßigkeitserwägungen von einer Ausweisung Abstand genommen wurde - gerade in den Fällen der Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger und den hohen Anforderungen des Art. 14 ARB 1/80 spielte dieser Gesichtspunkt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine Rolle, da er insoweit ausschließlich Rechtsvoraussetzungen und Rechtsgrenzen formuliert. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass das Unionsrecht wie auch das Assoziationsrecht für Beschränkungen der Freizügigkeit nicht zwingend eine Ermessensentscheidung verlange. Der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordere (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung, die das deutsche System von Ist- und Regelausweisung aber nicht zulasse. Nicht erforderlich sei eine behördliche Wahl zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten, ein Handlungsermessen der Ausländerbehörde. Die Ausweisung unterliege hinsichtlich der qualifizierten Gefahrenschwelle und des Verhältnismäßigkeitsprinzips voller gerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Lediglich deshalb, weil das nationale Recht neben der Ist- und Regelausweisung nur die Ermessensausweisung kennt, ist im Rahmen dieses Instrumentariums dann, wenn die Eingriffsschwelle des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht ist, gleichwohl eine Ermessensentscheidung zu treffen. National-rechtlich ist die Frage einer Überprüfung der Zweckmäßigkeit in einem weiteren Behördenverfahren gleichfalls weder in § 10 AuslG 1965 noch in den späteren Änderungen im Ausweisungsrecht vorgegeben.
55 
Abgesehen davon bedeutet die Stillhalteverpflichtung auch nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens- und -prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (EuGH, Urteil vom 18.10.2011 -Rs. C-128/09 - Rn. 52). Lässt eine Änderung des Verfahrens aber - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor, zumal wenn man gebührend in Rechnung stellt, dass im Widerspruchsverfahren auch formelle wie materielle Fehler der Ausgangsbehörde zu Lasten des Betroffenen behoben werden können (Bader, VwGO, a.a.O., § 68 Rn. 4, 7, 10; § 79 Rn. 2 ff.).
56 
b) Geht man davon aus, dass der Kläger seine Eigenschaft als Arbeitnehmer nicht verloren hat und hält daher auch den am 20.12.1976 in Kraft getretenen Art. 7 ARB 2/76 für anwendbar, so gilt nichts anderes (vgl. zur Anwendbarkeit von Art. 7 ARB 2/76 neben Art. 13 ARB 1/80 EuGH, Urteil vom 20.09.1990 -Rs. C-192/89 Rn. 18 ff.). Nach dieser Bestimmung dürfen die Mitgliedstaaten der Union und die Türkei für Arbeitnehmer, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Mit Art. 7 ARB 2/76 wird gegenüber Art. 13 ARB 1/80 insoweit nur der zeitliche Bezugspunkt für neue Beschränkungen verändert, ohne dass diese jedoch inhaltlich anders zu bestimmen wären.
57 
c) Ein Verstoß gegen die seit 01.01.1973 geltende Stillhalteklausel nach 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12.09.1963 zur Gründung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation - ZP - scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt selbstständig erwerbstätig war.
58 
4. Eine Fortgeltung des „Vier-Augen-Prinzips“ nach der Richtlinie 64/221/ EWG folgt auch nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens.
59 
Die Europäische Kommission hat in ihrer Stellungnahme vom 15.12.2006 (JURM(2006)12099) in der Rechtssache „Polat“ (C-349/06) die Auffassung vertreten, bei der Auslegung aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen des Assoziationsabkommens oder darauf gestützter Rechtsakte wie Art. 14 ARB 1/80 sei davon auszugehen, dass die Vertragsparteien in Bezug auf die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklichen wollten, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr Union) seinerzeit verwirklicht worden sei. Hieraus folge, dass die Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG durch die Unionsbürgerrichtlinie auf die Auslegung des Assoziationsabkommens und der aufgrund dessen erlassenen Rechtsakte keinen Einfluss haben könne. Der Inhalt völkerrechtlicher Verträge könne sich nämlich nicht automatisch durch eine spätere Änderung der Rechtslage eines Vertragspartners ändern. Das Wesen des Völkerrechts bestehe gerade darin, dass sich die souveränen Vertragsparteien nur selbst verpflichten können, heteronome Normsetzung komme in diesem Zusammenhang nicht in Betracht. Eine solche heteronome Normsetzung läge aber vor, wenn sich die Änderung der internen Rechtslage der Gemeinschaft unmittelbar auf die Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger, die durch völkerrechtlichen Regelungen festgelegt sei, auswirken könnte (vgl. im Einzelnen die Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 Rn. 57 ff., beziehbar unter www.migrationsrecht.net). Diese Ausführungen sind nahezu wortgleich auch in der Stellungnahme enthalten, die die Kommission am 02.12.2008 in der Rechtssache „Ziebell“ abgegeben hat (JURM(08)12077 - Rn. 32 ff.)
60 
Diese Auffassung beruht jedoch allein auf einer eigenen Interpretation des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ vom 02.06.2005 (Rs. C-136/03 - Rn.61 bis 64) durch die Kommission (vgl. insoweit Rn. 57 der Stellungnahme im Verfahren C-349/06 und Rn. 33 der Äußerung in der Rechtssache C-371/08: „Die Kommission versteht diese Rechtsprechung wie folgt:“). Der Gerichtshof hat diese Interpretation allerdings weder im Urteil „Polat“ noch in späteren Entscheidungen aufgegriffen. Aus dem Urteil in der Rechtssache „Ziebell“ und dem dort eingeschlagenen Lösungsweg (siehe hierzu oben 1.) ergibt sich sogar mit aller Deutlichkeit, dass der Gerichtshof, der für sich die Kompetenz zur Auslegung des Assoziationsrechts in Anspruch nimmt, diese Auffassung nicht teilt. Die Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 14.04.2011 im Verfahren „Ziebell“ (vgl. insb. Rn. 57) lassen ebenfalls ersehen, dass auch von dieser Seite dem dogmatischen Ansatz der Kommission insoweit keine Bedeutung beigemessen wird. Die von der Kommission befürwortete Auslegung des Urteils in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ überzeugt den Senat auch deshalb nicht, weil die Ansicht der Kommission zu dem Ergebnis führen könnte, dass in dieser Regelungsmaterie unter Umständen notwendig werdende Änderungen des Unionsrechts zum Nachteil von Unionsbürgern überhaupt nicht mehr oder nur noch um den Preis einer Diskriminierung möglich wären.
61 
Im Übrigen heißt es in der Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 ebenso wie in derjenigen vom 02.12.2008, dass „in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklicht werden sollte, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft seinerzeit verwirklicht worden sei.“ Dieses Schutzniveau für die türkischen Staatsangehörigen wird jedoch durch die Abschaffung des „Vier-Augen-Prinzips“ bei gleichzeitig verbessertem Rechtsschutz gewahrt.
62 
Nach alledem liegt im Fall des Klägers durch die Nichtbeachtung des „Vier-Augen-Prinzips“ kein unheilbarer Verfahrensfehler vor.
II.
63 
Da der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann gem. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 sein Aufenthalt nur beendet werden, wenn dieses aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
64 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 73).
65 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2010 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs C-371/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil in der Sache Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
66 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
67 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 80).
68 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
69 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
70 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken, angeordnet werden (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010, Bozkurt, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
71 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
72 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs C-467/02 Rn. 47).
73 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr wird mit dieser Formel mit anderen Worten nur der in der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelte Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs C-55/94, Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs 36/75 ), wobei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
74 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
75 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
76 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartige weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in der dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteil vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291).
77 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risiko gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts des vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
78 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
79 
2. Ausgehend hiervon erweist sich die angegriffene Ausweisungsverfügung als ermessensfehlerfrei (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
80 
Aufgrund der langjährigen kriminellen Karriere, nach dem im letzten Strafverfahren erstellten Gutachten Dr. W... vom 11.11.2009 sowie der vom Senat eingeholten Stellungnahme der JVA Heilbronn vom 23.01.2012 (Frau G...), in der im Einzelnen dargestellt wird, dass der Kläger kaum Interesse an der Aufarbeitung seiner Vergangenheit an den Tag gelegt hat, besteht für den Senat kein Zweifel, das vom Kläger nach wie vor eine erhebliche konkrete Gefahr der Begehung weiterer erheblicher und schwerer Straftaten ausgeht, wodurch das für eine Ausweisung erforderliche Grundinteresse der Gesellschaft unmittelbar berührt ist. Es ist namentlich nach der Stellungnahme der JVA Heilbronn nichts dafür ersichtlich, dass sich beim Kläger etwas Grundsätzliches gebessert haben könnte. Es fehlt hiernach jeder greifbare und glaubhafte, geschweige denn Erfolg versprechende Ansatz dafür, dass der Kläger bereit sein könnte, sich seiner kriminellen Vergangenheit zu stellen und hieran aktiv zu arbeiten. Im Gegenteil: Aus der Stellungnahme wird hinreichend deutlich, dass der Kläger - von guten Arbeitsleistungen abgesehen -sich einer Aufarbeitung der grundlegenden Problematik konsequent verweigert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die vom Beklagten angesprochene und verneinte Frage, ob ihm eine Resozialisierung im dem Land, in dem er geboren und überwiegend aufgewachsen ist, um deren Erfolg willen ermöglicht werden muss, nicht. Der Senat ist sich mit dem Regierungspräsidium Stuttgart der Tatsache bewusst, dass der Kläger, der nie wirklich längere Zeit in der Türkei gelebt hat, mit ganz erheblichen Problemen im Falle der Rückkehr konfrontiert sein wird. Andererseits geht der Senat davon aus, dass er mit Rücksicht auf seinen mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei im Kindesalter über die nötige Sprachkompetenz verfügt, um in der Türkei eine neue Basis für sein Leben finden zu können. Angesichts des von ihm ausgehenden erheblichen Gefährdungspotential für bedeutende Rechtsgüter erweist sich auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er - nicht zuletzt bedingt durch seine häufige Straffälligkeit - zu keinem Zeitpunkt über eine gesicherte und gewachsene eigenständige wirtschaftliche Grundlage verfügt hat, die Ausweisung als verhältnismäßig: Sie stellt namentlich keinen unzulässigen Eingriff in sein durch Art. 8 EMRK geschützte Privatleben dar. Der Umstand, dass im Bundesgebiet noch nahe Angehörige des immerhin bereits knapp 26 Jahre alten Klägers leben, gebietet keine andere Sicht der Dinge.
81 
Auch die Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat keine neuen Aspekte ergeben. Vielmehr wurde die Stellungnahme vom 23.01.2012 bestätigt. Insbesondere konnte der Kläger keine plausible Erklärung dafür geben, weshalb er die verschiedenen Angebote im Strafvollzug zur Aufarbeitung seiner Taten nicht wahrgenommen hatte.
III.
82 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist schon keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
83 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 - juris) in diesem Zusammenhang u.a. ausgeführt:
84 
„Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
85 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
86 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
87 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).“
88 
Ergänzend und vertiefend ist noch auszuführen: Gegen die Annahme, die Ausweisung sei keine Rückkehrentscheidung, kann auch nicht die Legaldefinition des „illegalen Aufenthalts“ in Art. 3 Nr. 2 RFRL eingewandt werden. Zwar erweckt der pauschale und undifferenzierte Verweis auf Art. 5 SDK auf den ersten Blick den Eindruck, es könnten auch Fälle gemeint sein, in denen materielle Einreise- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind und somit auch in einem solchen Fall ein illegaler Aufenthalt vorläge. Dagegen sprechen aber bereits das in Art. 6 Abs. 6 RFRL vorausgesetzte Verständnis des „legalen Aufenthalts“ und der dort vorgenommenen ausdrücklichen Abgrenzung zur „Rückkehrentscheidung“. Entscheidend für ein Verständnis im Sinne eines allein formell zu verstehenden illegalen Aufenthalts spricht die Begründung des Kommissionsentwurfs (vgl. KOM/2005/ 0391endg vom 1.9.2005). Hiernach ist der Befund eindeutig. Unter I 3 Ziffer 12 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Regelungsgegenstand der Richtlinie nicht die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung/Sicherheit sei. Unter I 4 wird zu „Kapitel II“ weiter dargelegt, die Vorschriften der Richtlinie seien auf jede Art von illegalem Aufenthalt anwendbar (z.B. Ablauf eines Visums, Ablauf eines Aufenthaltstitels, Widerruf oder Rücknahme eines Aufenthaltstitels, endgültige Ablehnung eines Asylantrags, Aberkennung des Flüchtlingsstatus, illegale Einreise). Nicht Gegenstand seien die Gründe und Verfahren für die Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts. Für dieses Verständnis spricht auch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 3 lit. b) EG. Im Übrigen entspricht der im Gesetzgebungsverfahren neu eingefügte Verweis auf Art. 5 SDK sachlich dem früheren Verweis auf Art. 5 SDÜ, der auch materielle Regelungen enthielt. Demzufolge stellen auch Widerruf, Rücknahme oder nachträgliche Befristung keine Rückkehrentscheidung dar.
89 
Ausgehend hiervon war der Beklagte unionsrechtlich nicht gehalten, von vornherein von Amts wegen eine Befristung der Ausweisung auszusprechen.
90 
Eine Befristung war auch nicht aus sonstigen Gründen der Verhältnismäßigkeit auszusprechen, namentlich um dem Kläger eine Rückkehrperspektive zu eröffnen. Zum einen bestünde eine solche im Falle des ledigen Klägers nach Erlöschen des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts ohnehin nicht. Zum anderen besteht gegenwärtig keine tatsächlich ausreichend gesicherte Grundlage für eine solche Entscheidung, da eine sachgerechte Prognose, dass überhaupt und ggf. wann der Ausweisungsanlass entfallen sein wird, nicht angestellt werden kann. Es wäre unauflöslich widersprüchlich, im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung das Vorliegen der (hohen) Ausweisungsvoraussetzungen anzunehmen und gleichzeitig eine sachgerechte Prognose anstellen zu wollen, dass diese mit hinreichender Sicherheit bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt entfallen sein werden. Daher hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch fehlerfrei vorsorglich eine Befristung abgelehnt. Wenn die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG für den Fall einer auf einer strafgerichtlichen Verurteilung beruhenden Ausweisung eine Überschreitung der Fünfjahresfrist zulässt, ohne dass dieses von bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen abhängig gemacht wird, so ist dem die Option immanent, ausnahmsweise von der Setzung einer Frist abzusehen, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine Frist sachgerecht und willkürfrei überhaupt nicht bestimmt werden kann. Zur Klarstellung weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass diese nationale Vorgabe, da es sich bei der Ausweisung schon keine Rückkehrentscheidung handelt, keine Umsetzung des Unionsrechts darstellt, weshalb insoweit auch keine Entscheidung von Amts wegen getroffen werden muss (anders für eine allein generalpräventiv begründete Ausweisung nunmehr BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11).
91 
Wollte man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie qualifizieren, so hätte der nationale Gesetzgeber hier von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht und die formellen wie materiellen Befristungsvorgaben des Art. 11 Abs. 2 RFRL ohne Verstoß gegen Unionsrecht nicht in nationales Recht umgesetzt. Die Tatsache, dass er gleichwohl das nationale Recht insoweit gegenüber der früheren Rechtslage modifiziert und auch dem Grundsatz nach bei strafgerichtlichen Verurteilungen eine Fünfjahresfrist vorgegeben hätte, die im Einzelfall überschritten werden darf, stellt kein unzulässiges teilweises Gebrauchmachen von der Opt-Out-Klausel dar, sondern nur die Wahrnehmung eines eigenständigen nationalen Gestaltungsspielraums (a.A. wohl OVGNW, Urteil vom 13.12.2011 - 12 B 19.11 - juris).
92 
Abgesehen davon könnte, wenn wie hier eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 RFRL vorliegt – nicht anders als im nationalen Recht – im Ausnahmefall die Bestimmung einer Frist vorläufig unterbleiben, sofern, wie bereits oben ausgeführt, eine solche gegenwärtig nicht bestimmt werden kann. Der Beklagte hätte daher, wie dargelegt, zu Recht von einer Bestimmung abgesehen, wenn man die vom Senat nicht geteilten Auffassung verträte, dass hier Art. 11 Abs. 2 RFRL uneingeschränkt anzuwenden wäre.
IV.
93 
Die vom Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 und 5 AufenthG. Bereits aus deren Begründung ergibt sich hinreichend deutlich, dass sie nur für den Fall des Eintritts der Unanfechtbarkeit Geltung beanspruchen soll. Im Übrigen hat der Beklagte dies in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich klargestellt.
94 
Im Zusammenhang mit dem Erlass der Abschiebungsandrohung war auch im Hinblick auf unionsrechtliche Vorgaben keine Entscheidung über die Befristung eines mit einer späteren Abschiebung einhergehenden Einreiseverbots zu treffen.
95 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11) hierzu ausgeführt:
96 
„Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
97 
Zur Klarstellung seiner Ausführungen im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 – juris Rn. 83) weist der Senat auch darauf hin, dass die oben (vgl. III.) dargestellte Einschränkung hinsichtlich strafgerichtlicher Verurteilungen auch in Bezug auf die nach einer Ausweisung ergehende Rückkehrentscheidung und das mit ihr einhergehende Einreiseverbot selbst gilt, weil die Bundesrepublik Deutschland nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AufenthG nicht nur hinsichtlich der Folgewirkungen der Ausweisung, sondern auch hinsichtlich derer einer späteren Abschiebung insoweit von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht hat, die allgemein alle Fälle einer aufgrund bzw. infolge einer strafgerichtlichen Entscheidung eintretenden Rückehrpflicht betrifft.
98 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
99 
Die Revision wird zugelassen, weil die unter III. und IV. aufgeworfenen Fragen der Anwendung und Auslegung der Rückführungsrichtlinie Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
100 
Beschluss vom 10. Februar 2012
101 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
102 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
27 
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.06.2010 zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
I.
28 
Die mit Bescheid vom 25.06.2010 verfügte Ausweisung leidet nicht deshalb an einem unheilbaren Verfahrensfehler, weil das nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 (ABl. 56 vom 04.04.1964, S. 850) vorgesehene „Vier-Augen-Prinzip“ nicht beachtet wurde. Wie sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 08.12.2011 in der Rechtssache C-371/08 - hinreichend ersehen lässt, entfaltet diese zum 30.04.2006 aufgehobene Bestimmung keine Wirkungen mehr für den verfahrensrechtlichen Ausweisungsschutz assoziationsrechtlich privilegierter türkischer Staatsangehöriger (1.). Auch aus geltenden unionsrechtlichen Verfahrensgarantien folgt nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen (2.). Die Stillhalteklauseln gebieten keine andere Betrachtung (3.). Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens (4.).
29 
1. Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG war bei einer ausländerrechtlichen Entscheidung über die Ausweisung ein weiteres Verwaltungsverfahren durchzuführen, sofern nicht ausnahmsweise ein dringender Fall vorlag und sofern nicht im gerichtlichen Verfahren eine Zweckmäßigkeitsprüfung vorgesehen war. Diese für Angehörige der Mitgliedstaaten (vgl. zum personellen Anwendungsbereich Art. 1 dieser Richtlinie) geltende Regelung erstreckte der Europäische Gerichtshof auf die Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger (Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 65 ff.). Fehlte es an der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, so war die Ausweisung unheilbar rechtswidrig (BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - Rn. 12 ff., BVerwGE 124, 217, vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 - Rn. 14 ff., BVerwGE 124, 243 und vom 09.08.2007 - 1 C 47.06 - Rn. 23 ff., BVerwGE 129, 162).
30 
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die im Rahmen der Art. 48, 49 und 50 EGV (später Art. 39, 40, 41 EG und nunmehr Art. 45 ff. AEUV) geltenden Grundsätze soweit wie möglich auf türkische Arbeitnehmer zu übertragen sind, die die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen. Dies beruht auf den Erwägungen, dass in Art. 12 des Assoziierungsabkommens die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Artikeln 48, 49 und 50 des „Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft“ leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen, dass Art. 36 ZP die Fristen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (nunmehr und im Folgenden: Union) und der Türkei festlegt, dass der Assoziationsrat die hierfür erforderlichen Regeln vorsieht und dass der Beschluss 1/80 bezweckt, im sozialen Bereich die Regelungen zugunsten der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen zu verbessern (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 04.10.2007- Rs. C-349/06 Rn. 29, vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 61 ff., vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 42 ff. und vom 10.02.2000 - Rs. C-340/97 Rn. 42 f.). In der Rechtssache „Dörr und Ünal“ (Rn. 65 ff.) heißt es, es sei nach diesen Erwägungen geboten, die in Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG niedergelegten Grundsätze als auf türkische Arbeitnehmer, die die im Beschluss Nr. 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragbar anzusehen, und weiter:
31 
„….Um effektiv zu sein, müssen die individuellen Rechte von den türkischen Arbeitnehmern vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden können. Damit die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes gewährleistet ist, ist es unabdingbar, diesen Arbeitnehmern die Verfahrensgarantien zuzuerkennen, die den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht gewährleistet werden, und es muss ihnen somit ermöglicht werden, sich auf die in den Artikeln 8 und 9 der Richtlinie 64/221 vorgesehenen Garantien zu berufen. Diese Garantien sind nämlich, wie der Generalanwalt …ausführt, untrennbar mit den Rechten verbunden, auf die sie sich beziehen.“
32 
In der Entscheidung „Ziebell“ knüpft der Gerichtshof an die Ausführungen im Urteil „Dörr und Ünal“ an und legt dar (Rn. 58), dass
33 
„…die Grundsätze, die im Rahmen der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer betreffenden Bestimmungen des EG-Vertrags gelten, so weit wie möglich auf türkische Staatsangehörige übertragen werden, die Rechte aufgrund der Assoziation EWG-Türkei besitzen. Wie der Gerichtshof entschieden hat, muss eine solche Analogie nicht nur für die genannten Artikel des Vertrags gelten, sondern auch für die auf der Grundlage dieser Artikel erlassenen sekundärrechtlichen Vorschriften, mit denen die Artikel durchgeführt und konkretisiert werden sollen (vgl. zur Richtlinie 64/221 u.a. Urteil Dörr und Ünal)“.
34 
Durch den Terminus „Analogie“, der etwa auch in der französischen und englischen Fassung des Urteils verwendet wird, ist klargestellt, dass die Inhalte des - für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten - maßgeblichen Sekundärrechts nicht deshalb auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige angewandt werden, weil diese allgemeine Rechtsgrundsätze sind, die ggfs. auch losgelöst von der Wirksamkeit der jeweiligen Regelung noch Geltung beanspruchen können, sondern dass es sich um eine entsprechende Übertragung geltenden Rechts handelt. Eine Vorschrift kann jedoch nur solange analog angewandt werden, wie sie selbst Gültigkeit beansprucht. Mit der Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG mit Wirkung vom 30.04.2006 durch Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG entfällt deshalb - wie der Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ darlegt - die Grundlage für ihre entsprechende Anwendung.
35 
Dass aufgrund dieser Aufhebung nicht mehr „traditionell auf die in der Richtlinie 64/221/EWG festgeschriebenen Grundsätze abgestellt“ werden kann (Rn. 76) und der Richtlinie insgesamt, d.h. in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht, keine Bedeutung mehr zukommt, ist nach den Ausführungen im Urteil „Ziebell“ (insb. Rn. 77 ff.) und dem ihm zugrunde liegenden Sachverhalt hinreichend geklärt. Dem Europäischen Gerichtshof war aufgrund des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 22.07.2008 und der beigefügten Akten bekannt, dass auf die dort streitgegenständliche Ausweisungsverfügung vom 06.03.2007 das „Vier-Augen-Prinzip“ des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG nicht mehr angewandt, vielmehr gegen die Ausweisungsentscheidung direkt Klage erhoben worden ist. Das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.08.2009 (1 C 25.08 - AuAS 2009, 267) führt sogar ausdrücklich aus, dass - sollte der in Kapitel VI der Richtlinie 2004/38/EG für Unionsbürger geregelte Ausweisungsschutz nicht auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige zu übertragen sein - sich die Frage stellt, ob Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG gleichwohl weiterhin anzuwenden ist oder stattdessen die Verfahrensgarantien des Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG Anwendung finden, die das „Vier-Augen-Prinzip“ abgelöst haben (BVerwG, a.a.O., Rn. 26). Hätte der Gerichtshof dem im Verfahren „Ziebell“ nicht eingehaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ - und sei es auch mit Blick auf besondere oder allgemeine unionsrechtliche Verfahrensgarantien, die Standstillklauseln oder das Assoziationsabkommen an sich - noch irgendeine rechtliche Relevanz zu Gunsten des Klägers beigemessen, so hätte es nahegelegen, unabhängig von der konkreten Vorlagefrage hierzu Ausführungen zu machen. Die Tatsache, dass der Gerichtshof die Aufhebung der Richtlinie insgesamt besonders hervorhebt, und der Umstand, dass er den Ausweisungsschutz für türkische Staatsangehörige mit einer Rechtsposition nach dem ARB 1/80 zudem ausdrücklich auf einen anderen unionsrechtlichen Bezugsrahmen im geltenden Recht stützt, belegen, dass die Richtlinie 64/221/EWG nach Auffassung des Gerichtshofs in Gänze nicht mehr zur Konkretisierung des formellen und materiellen Ausweisungsschutzes des Klägers herangezogen werden kann. Hätte der Gerichtshof den Inhalten der Richtlinie 64/221/EWG noch irgendeine Bedeutung beigemessen, so hätte es sich im Übrigen auch aufgedrängt, für das materielle Ausweisungsrecht - etwa in Anknüpfung an die Rechtssachen „Cetinkaya“ (Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 - Rn. 44 ff.) oder „Polat“ (Urteil vom 04.10.2007 -Rs. C-349/06 - Rn. 30 ff.) - den dort erwähnten Art. 3 der Richtlinie 64/221/ EWG ausdrücklich weiterhin fruchtbar zu machen. Diesen Weg hat der Gerichthof in der Rechtssache „Ziebell“ jedoch ebenfalls nicht beschritten. An dieser Sicht vermag – entgegen der Auffassung des Klägers – auch der Umstand nichts zu ändern, dass für die Anwendung des am 21.06.1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits geschlossenen Abkommen über die Freizügigkeit (ABl. 2002 L 114, S. 6) die Richtlinie 64/221/EWG nach wie vor vorübergehend Bedeutung hat (vgl. Art. 5 Abs. 2 des Anhangs I).
36 
2. Es ist nicht entscheidungserheblich, ob sich die Verfahrensgarantien für einen assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, der sich gegen seine Ausweisung wendet, nunmehr ebenfalls aus der Richtlinie 2003/109/EG (Art. 10, Art. 12 Abs. 4), aus Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG oder aus den auch im Unionsrecht allgemeinen anerkannten Grundsätzen eines effektiven Rechtsschutzes ergeben. Denn die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens ist in keinem dieser Fälle geboten.
37 
a) Art 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG sieht vor, dass einem langfristig Aufenthaltsberechtigten in dem betroffenen Mitgliedstaat der Rechtsweg gegen seine Ausweisung offen steht. Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie normiert, dass der langfristig Aufenthaltsberechtigte Rechtsbehelfe u.a. gegen den Entzug seiner Rechtsstellung einlegen kann. Welche Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, bestimmt sich jedoch allein nach dem nationalen Recht. Ein Vorverfahren als einzuräumender Rechtsbehelf ist nach der Richtlinie nicht vorgeschrieben.
38 
b) Auch soweit man für die einem assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen einzuräumenden Verfahrensgarantien Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG heranziehen wollte, folgt hieraus nichts anderes. Die Erwägungen zu den Besonderheiten der Unionsbürgerschaft haben den Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ im Anschluss an die Ausführungen des Generalanwalts bewogen, den Schutz der Unionsbürger vor Ausweisung, wie in Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehen, nicht im Rahmen der Anwendung von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 auf die Garantien gegen die Ausweisung türkischer Staatsangehöriger zu übertragen (vgl. im Einzelnen Rn. 60 ff. und Schlussanträge des Generalanwalts vom 14.04.2011 - Rs. C-371/08 - Rn. 42 ff.). Selbst wenn man der Auffassung wäre, die Spezifika der Unionsbürgerschaft (vgl. zu deren Begriff und Inhalt auch Bergmann , Handlexikon der Europäischen Union, 4. Aufl. 2012, Stichwort „Unionsbürgerschaft“) stünden lediglich der Anwendung des materiellen Ausweisungsrechts der Richtlinie 2004/38/EG auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige entgegen und nicht der Übertragung der im gleichen Kapitel enthaltenen Verfahrensgarantien nach Art. 30 f., leidet die Ausweisungsverfügung nicht an einem Verfahrensfehler. Der Gerichtshof hat sich im Urteil „Ziebell“ nicht dazu geäußert, ob diese Bestimmungen insoweit analogiefähig sind bzw. ihnen jedenfalls allgemein geltende Grundsätze zu entnehmen sind (vgl. auch Art. 15 der Richtlinie 2004/38/EG), die in Anknüpfung allein an die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Notwendigkeit deren verfahrensrechtlichen Schutzes ihre Berechtigung haben, oder ob auch diesen ein spezifisch unionsbürgerbezogener Inhalt zukommt. Für letzteres könnte etwa Art. 31 Abs. 3 S. 2 dieser Richtlinie angeführt werden, wonach das Rechtsbehelfsverfahren gewährleistet, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 nicht unverhältnismäßig ist; auch die Bezugnahme in Art. 31 Abs. 2, letzter Spiegelstrich auf Art. 28 Abs. 3 könnte dafür sprechen. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung, denn die Verfahrensgarantien nach Art. 30 f. der Richtlinie 2004/38/EG schreiben die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bei der Ausweisung von Unionsbürgern nicht vor (diese Frage lediglich ansprechend BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.10.2011 - 2 BvR 1969/09 - juris Rn. 40), so dass der Kläger selbst bei ihrer Anwendbarkeit kein für ihn günstigeres Ergebnis herleiten könnte.
39 
Nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG müssen die Betroffenen gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können. Aus dieser Bestimmung folgt aber nicht die Verpflichtung des Mitgliedstaates, außer dem gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Ausweisungsverfügung (zusätzlich) ein behördliches Rechtsbehelfsverfahren vorzuhalten und in diesem auch die Überprüfung der Zweckmäßigkeit einer Ausweisung zu ermöglichen. Wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt („..und gegebenenfalls bei einer Behörde…“), trägt diese Bestimmung lediglich dem - heterogenen - System des Rechtsschutzes der Mitgliedstaaten Rechnung und lässt deren Berechtigung unberührt, ein Rechtsbehelfsverfahren auch noch bei einer Behörde zu eröffnen. Ein solches ist jedoch in Baden-Württemberg nicht mehr vorgesehen. Erlässt das Regierungspräsidium den Verwaltungsakt - wie dies für die Ausweisung eines in Strafhaft befindlichen Ausländers zutrifft (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AAZuVO) -, so ist hiergegen unabhängig von dem zugrundeliegenden Rechtsgebiet im Anwendungsbereich des seit 22.10.2008 geltenden § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO (GBl. 2008, 343) i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO das Vorverfahren nicht statthaft. Aufgrund vergleichbarer, wenn auch regelungstechnisch teilweise von einem anderen Ansatz ausgehender Landesgesetze entspricht es einer bundesweit anzutreffenden Rechtspraxis, ein Widerspruchsverfahren vor Erhebung einer Klage nicht mehr vorzuschreiben (vgl. z.B. auch Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO, § 16a HessAGVwGO, § 8a NdsAGVwGO). Dass die Unionsbürgerrichtlinie nicht dazu zwingt, ein dem gerichtlichen Rechtsschutz vorgeschaltetes Widerspruchsverfahren zu schaffen, folgt im Übrigen eindeutig aus ihrer Entstehungsgeschichte.
40 
Der Vorschlag der Kommission für die Unionsbürgerrichtlinie (KOM 2001/0257/endgültig, ABl. C 270 E vom 25.09.2001, S. 150) sah ursprünglich vor, dass u.a. bei der Ausweisung der Betreffende bei den Behörden oder den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen kann; ist der behördliche Weg vorgesehen, entscheidet die Behörde außer bei Dringlichkeit erst nach Stellungnahme der zuständigen Stelle des Aufnahmemitgliedstaates, vor dem es dem Betreffenden möglich sein muss, auf seinen Antrag hin seine Verteidigung vorzubringen. Diese Stelle darf nicht die Behörde sein, die befugt ist, die Ausweisungsentscheidung zu treffen (vgl. im Einzelnen den - hier verkürzt wiedergegebenen - Wortlaut des Entwurfs zu Art. 29 Abs. 1 und 2). In der Begründung des Vorschlags zu Art. 29 heißt es ausdrücklich:
41 
„Ein lückenloser Rechtsschutz schließt nicht aus, dass ein Mitgliedstaat vorsieht, dass ein Rechtsbehelf bei einer Behörde eingelegt werden kann. In diesem Fall müssen die in Art. 9 der Richtlinie 63/221/EWG genannten Objektivitätsgarantien gegeben sein, insbesondere die vorherige Stellungnahme einer anderen Behörde, als die, die die Einreiseverweigerung oder die Ausweisung verfügen soll, sowie Garantie in Bezug auf die Rechte der Verteidigung.“
42 
In dem Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 6/2004 vom 05.12.2003 (ABl. C 54 E vom 02.03.2004, S. 12) hat Art. 31 Abs. 1 bereits - mit Zustimmung der Kommission - die Fassung, wie sie in der Unionsbürgerrichtlinie vom 29.04.2004 enthalten ist (a.a.O., S. 26). Schon in dem geänderten Vorschlag der Kommission vom 15.04.2003 (KOM(2003) 199 endgültig) erhielt der Entwurf zu Art. 29 Abs. 1 die Fassung, dass „….der Betroffene bei den Gerichten und gegebenenfalls bei den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen“ kann. Durch diese Abänderung sollte klargestellt werden,
43 
„dass der Rechtsbehelf stets bei einem Gericht eingelegt werden muss und ein Rechtsbehelf bei einer Behörde nur dann ebenfalls zulässig ist, wenn der Aufnahmemitgliedstaats dies vorsieht (zum Beispiel bevor ein Rechtsbehelf bei einem Gericht eingelegt werden kann).“
44 
Diese Begründung der Kommission im geänderten Vorschlag vom 15.04.2003 (a.a.O., S. 10) zu Art. 29 Abs. 1 hat sich der „Gemeinsame Standpunkt“ vom 05.12.2003 zu Eigen gemacht (a.a.O., S 27) und ferner Art. 29 Abs. 2 des Kommissionsentwurfs mit dem dort enthaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ komplett gestrichen. Dieser ist mit Blick auf die von den Mitgliedstaaten stets vorzusehende Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts und der dort zu gewährenden Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung und der Tatsachen und Umstände, auf denen die Entscheidung über die Ausweisung beruht, für überflüssig erachtet worden (vgl. die Begründung des Rates, a.a.O., S. 29, 32).
45 
Das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene „Vier-Augen-Prinzip“, das defizitäre gerichtliche Kontrollmechanismen und eine in den Mitgliedstaaten zum Teil vorherrschende geringe Kontrolldichte der gerichtlichen Entscheidungen kompensieren sollte, wurde somit in Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG durch eine Verbesserung des gerichtlichen Rechtsschutzes ersetzt (vgl. zur bewussten Abkehr von den in Art. 8 f der Richtlinie 64/221/ EWG vorgesehenen Verfahrensregelungen auch Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2004/38/EG). Der in Deutschland dem Kläger zur Verfügung stehende gerichtliche Rechtsschutz erfüllt die Vorgaben des Art. 31 der Richtlinie.
46 
Es bleibt daher der Verfahrensautonomie des Mitgliedstaats überlassen, ob er bei einer Ausweisung eines Unionsbürgers zusätzlich zum gerichtlichen Rechtsschutz noch ein Widerspruchsverfahren vorsieht. Dass die in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG enthaltene Formulierung „..und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen zu können“ bei diesem Verständnis nur noch eine unionsrechtliche Selbstverständlichkeit wiedergibt, erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift.
47 
c) Auch die allgemeine unionsrechtliche Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs fordert nicht die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens. Selbst wenn man entgegen den Ausführungen oben unter 1.) der Auffassung wäre, der Gerichtshof habe sich im Urteil „Ziebell“ hierzu nicht der Sache nach geäußert, ist dies eindeutig.
48 
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshof hat ein türkischer Arbeitnehmer, der die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzt, einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, um diese Rechte wirksam geltend machen zu können (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn.67). Es entspricht einem allgemein anerkannten unionsrechtlichen Grundsatz, der sich aus der gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedstaaten ergibt und der in Art. 6 und 13 EMRK verankert ist, dass bei einem Eingriff in die Rechte des Betroffenen (hier: Eingriff in die Freizügigkeit des Arbeitnehmers) durch eine Behörde des Mitgliedstaats der Betroffene das Recht hat, seine Rechte vor Gericht geltend zu machen; den Mitgliedstaaten obliegt es, eine effektive richterliche Kontrolle der Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des innerstaatlichen Rechts sicherzustellen, das der Verwirklichung der eingeräumten Rechte dient (vgl. schon EuGH, Urteil vom 03.12.1992 - Rs. C-97/91 Rn.14, vom 15.10.1987 - Rs. C-222/86 Rn. 12 ff. und vom 15.05.1986 - Rs. C-222/84 Rn. 17 ff.). Zum Effektivitätsgrundsatz gehört, dass die gerichtliche Kontrolle die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung umfasst (EuGH, Urteil vom 15.10.1987 - Rs. C-222/84 Rn.15). Auch dürfen die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH, Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-279/09 Rn. 28, vom 15.04.2008 - Rs. C-268/06 Rn. 46, vom 13.03.2007 - Rs. C-432/05 Rn. 43 und vom 16.12.1976 - 33/76 Rn.5). Ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, ist unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren vor den verschiedenen nationalen Stellen sowie des Ablaufs und der Besonderheiten dieses Verfahrens zu prüfen (EuGH, Urteil vom 21.12.2002 - Rs. C-473/00 Rn. 37 und vom 14.12.1995 - Rs. C-312/93 Rn.14).
49 
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Grundsätze ist es nicht geboten, ein behördliches Vorverfahren mit einer diesem immanenten Rechtmäßigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorzuschalten, das die Vorgaben des effektiven Rechtschutzes in jeder Hinsicht erfüllt. Auch Art. 19 Abs. 4 GG fordert dies übrigens gerade nicht (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - juris Rn. 105 m.w.N.). Ein Anspruch des Einzelnen auf ein „Maximum“ an Verfahrensrechten und den unveränderten Fortbestand einer einmal eingeräumten verfahrensrechtlichen Möglichkeit besteht nicht - zumal wenn diese wie das „Vier-Augen-Prinzip“ aus einer bestimmten historischen Situation als Kompensation für eine früher weit verbreitete zu geringe gerichtliche Kontrolldichte erfolgte.
50 
d) Aus dem in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und dem „Recht auf gute Verwaltung“ nach Art. 41 GRCh (vgl. zu den dort eingeräumten Rechten Jarass, GRCh-Kommentar, 2010, Art. 41 Rn. 21 ff.) ergibt sich für den Kläger ebenfalls kein Recht auf Durchführung eines Vorverfahrens.
51 
3. Ein Widerspruchsverfahren ist ferner nicht mit Blick auf die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln nach Art. 7 ARB 2/76, Art. 13 ARB 1/80 oder Art. 41 Abs. 1 ZP einzuräumen. Selbst wenn man die Ansicht nicht teilen würde, schon aus dem Urteil „Ziebell“ ergebe sich hinreichend deutlich, der Gerichtshof halte das Fehlen eines Vorverfahrens auch unter dem Aspekt der Stillhalteklauseln nicht für problematisch, lässt sich feststellen, dass dessen Abschaffung keinen Verstoß gegen die Stillhalteklauseln darstellt.
52 
a) Der Kläger kann sich als im Bundesgebiet geborener Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers auf Art. 13 ARB 1/80 berufen. Nach dieser am 01.12.1980 in Kraft getretenen Regelung dürfen die Mitgliedstaaten für türkische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß ist, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Diese Stillhalteklausel, die unmittelbar wirkt (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62, vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 58 f. und vom 20.09.1990 - Rs. C-192/89 Rn. 26), verbietet allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 in dem entsprechenden Mitgliedstaat galten (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62), wobei den Mitgliedstaaten auch untersagt ist, nach dem Stichtag eingeführte günstigere Regelungen wieder zurückzunehmen, selbst wenn der nunmehr geltende Zustand nicht strenger ist als der am Stichtag geltende (siehe zu dieser „zeitlichen Meistbegünstigungsklausel“ EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 49 ff ). Die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 verfolgt das Ziel, günstigere Bedingungen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu schaffen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 und vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 72 ff.). Normadressat ist ausschließlich der einzelne Mitgliedstaat mit Blick auf dessen nationales Recht, nicht die Europäische Union als Vertragspartner des Assoziationsabkommens EWG/Türkei. Deren Befugnisse werden durch diese Stillhalteklausel nicht beschränkt. Vom Wortlaut her schützt das Unterlassungsgebot der Standstillklausel zwar ausschließlich den unveränderten Zugang zum Arbeitsmarkt, es entfaltet gleichwohl mittelbare aufenthaltsrechtliche Wirkungen, soweit ausländerrechtliche Maßnahmen zur Beeinträchtigung des Arbeitsmarktzugangs führen, die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels erschwert wird (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62 ff. und vom 29.04.2010 - Rs. C-92/09 Rn. 44 ff.) oder der Aufenthalt eines türkischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet beendet werden soll (vgl. auch Renner, 9. Aufl., 2011, § 4 Rn. 197). Bei der Bestimmung, wann eine Maßnahme eine „neue Beschränkung“ darstellt, orientiert sich der Gerichtshof gleichermaßen an den mit Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 ZP verfolgten Zielen und erstreckt die Tragweite der Stillhalteverpflichtung auf sämtliche neuen Hindernisse für die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen darstellen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 ff.), wobei eine solche materieller und/oder verfahrensrechtlicher Art sein kann (EuGH, Urteil vom 21.07.2011 - Rs. C-186/10 Rn. 22, vom 29.04.2010 - Rs. C-92/07 Rn. 49, vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 64 und vom 20.09.2007 - Rs. C-16/05 Rn. 69). Nach diesen Grundsätzen stellt die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens keine „neue Beschränkung“ dar.
53 
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von Art. 13 ARB 1/80 war nach dem damals geltenden § 68 VwGO und dem baden-württembergischen Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 22.03.1960 (GBl. 1960, 94) in der Fassung des Gesetzes vom 12.12.1979 (GBl. 1979, 549) auch bei der Ausweisung eines türkischen Staatsangehöriger ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Die in der vorliegenden Fallkonstellation nunmehr vorgesehene Zuständigkeit einer Mittelbehörde für den Erlass der Ausweisungsverfügung (§ 6 Nr. 1 AAZuVO) und das gesetzlich deswegen angeordnete Entfallen des Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO BW vom 14.10.2008; vgl. auch die Vorgängervorschrift § 6a AGVwGO BW vom 01.07.1999) ist keine Änderung, die geeignet wäre, die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu erschweren oder die einem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten materiellen Rechte zu beeinträchtigen. Unabhängig davon, ob das Widerspruchsverfahrens nur als Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens angesehen wird (vgl. hierzu Bader, u.a. VwGO, 5. Aufl. 2011, Vor §§ 68 ff. Rn. 49), oder ob es auch als Teil des Prozessrechts begriffen wird (i.S.e. Doppelcharakters Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, Vorb § 68 Rn. 14), ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dessen Wegfall zu einer merklichen Verschlechterung der Rechtsposition türkischer Staatsangehöriger führt. Eine rechtliche Beeinträchtigung des Betroffenen durch die Abschaffung des Vorverfahrens wird im Übrigen auch nicht in anderen rechtlichen Konstellationen außerhalb des Aufenthaltsrechts angenommen.
54 
Grund für den letztlich allein rechtspolitisch gewählten Weg eines weitgehenden Ausschluss des Vorverfahrens in Baden-Württemberg war die Erkenntnis gewesen, dass entsprechend einer evaluierten Verwaltungspraxis jedenfalls in den Fällen, in denen das Regierungspräsidium die Ausgangsentscheidung getroffen hat, die Sach- und Rechtslage vor der ersten Verwaltungsentscheidung so umfassend geprüft wird, dass sich während des Vorverfahrens regelmäßig keine neuen Aspekte ergeben. Der Wegfall des Widerspruchsverfahrens in den Fällen der Ausgangszuständigkeit der Mittelbehörden dient nicht nur deren Entlastung, sondern vor allem auch der Verfahrensbeschleunigung (vgl. näher die Begründung zum entsprechenden Gesetzentwurf der Landesregierung, LT Drs. 12/3862 vom 16.03.1999 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses vom 22.04.1999, LT Drs. 12/3976). Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens kann daher allenfalls als ambivalent begriffen werden. Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens kommt in besonderem Maße dem Interesse des von einer Ausweisung betroffenen Ausländers entgegen, eine möglichst rasche gerichtliche Klärung zu erhalten. Zwar können etwa Mängel in der Ausweisungsentscheidung leichter behoben werden, wenn die Verwaltung „einen zweiten Blick“ hierauf wirft. Der Ausländer wird jedoch nicht belastet, wenn diese Möglichkeit nicht mehr besteht. Vielmehr verbessert dies unter Umständen sogar seine Erfolgschancen bei Gericht. Als Kläger kann er auch all das bei Gericht geltend machen, was er in einem Widerspruchsverfahren vortragen könnte; das Verwaltungsgericht unterzieht die Ausweisung einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle, die insbesondere auch eine volle Überprüfung ihrer Verhältnismäßigkeit einschließt. Lediglich die Zweckmäßigkeit einer Entscheidung kann durch das Verwaltungsgericht nicht geprüft werden, was aber bei einer Gesamtbetrachtung der Wirkungen der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens nicht negativ ins Gewicht fällt. Im Übrigen kam es nach den Angaben des Vertreters des Beklagten zu Zeiten des noch bestehenden Widerspruchsverfahrens jedenfalls auf dem Gebiet des Ausländer- bzw. Aufenthaltsrechts praktisch nicht vor, dass allein aus Zweckmäßigkeitserwägungen von einer Ausweisung Abstand genommen wurde - gerade in den Fällen der Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger und den hohen Anforderungen des Art. 14 ARB 1/80 spielte dieser Gesichtspunkt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine Rolle, da er insoweit ausschließlich Rechtsvoraussetzungen und Rechtsgrenzen formuliert. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass das Unionsrecht wie auch das Assoziationsrecht für Beschränkungen der Freizügigkeit nicht zwingend eine Ermessensentscheidung verlange. Der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordere (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung, die das deutsche System von Ist- und Regelausweisung aber nicht zulasse. Nicht erforderlich sei eine behördliche Wahl zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten, ein Handlungsermessen der Ausländerbehörde. Die Ausweisung unterliege hinsichtlich der qualifizierten Gefahrenschwelle und des Verhältnismäßigkeitsprinzips voller gerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Lediglich deshalb, weil das nationale Recht neben der Ist- und Regelausweisung nur die Ermessensausweisung kennt, ist im Rahmen dieses Instrumentariums dann, wenn die Eingriffsschwelle des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht ist, gleichwohl eine Ermessensentscheidung zu treffen. National-rechtlich ist die Frage einer Überprüfung der Zweckmäßigkeit in einem weiteren Behördenverfahren gleichfalls weder in § 10 AuslG 1965 noch in den späteren Änderungen im Ausweisungsrecht vorgegeben.
55 
Abgesehen davon bedeutet die Stillhalteverpflichtung auch nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens- und -prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (EuGH, Urteil vom 18.10.2011 -Rs. C-128/09 - Rn. 52). Lässt eine Änderung des Verfahrens aber - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor, zumal wenn man gebührend in Rechnung stellt, dass im Widerspruchsverfahren auch formelle wie materielle Fehler der Ausgangsbehörde zu Lasten des Betroffenen behoben werden können (Bader, VwGO, a.a.O., § 68 Rn. 4, 7, 10; § 79 Rn. 2 ff.).
56 
b) Geht man davon aus, dass der Kläger seine Eigenschaft als Arbeitnehmer nicht verloren hat und hält daher auch den am 20.12.1976 in Kraft getretenen Art. 7 ARB 2/76 für anwendbar, so gilt nichts anderes (vgl. zur Anwendbarkeit von Art. 7 ARB 2/76 neben Art. 13 ARB 1/80 EuGH, Urteil vom 20.09.1990 -Rs. C-192/89 Rn. 18 ff.). Nach dieser Bestimmung dürfen die Mitgliedstaaten der Union und die Türkei für Arbeitnehmer, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Mit Art. 7 ARB 2/76 wird gegenüber Art. 13 ARB 1/80 insoweit nur der zeitliche Bezugspunkt für neue Beschränkungen verändert, ohne dass diese jedoch inhaltlich anders zu bestimmen wären.
57 
c) Ein Verstoß gegen die seit 01.01.1973 geltende Stillhalteklausel nach 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12.09.1963 zur Gründung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation - ZP - scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt selbstständig erwerbstätig war.
58 
4. Eine Fortgeltung des „Vier-Augen-Prinzips“ nach der Richtlinie 64/221/ EWG folgt auch nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens.
59 
Die Europäische Kommission hat in ihrer Stellungnahme vom 15.12.2006 (JURM(2006)12099) in der Rechtssache „Polat“ (C-349/06) die Auffassung vertreten, bei der Auslegung aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen des Assoziationsabkommens oder darauf gestützter Rechtsakte wie Art. 14 ARB 1/80 sei davon auszugehen, dass die Vertragsparteien in Bezug auf die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklichen wollten, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr Union) seinerzeit verwirklicht worden sei. Hieraus folge, dass die Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG durch die Unionsbürgerrichtlinie auf die Auslegung des Assoziationsabkommens und der aufgrund dessen erlassenen Rechtsakte keinen Einfluss haben könne. Der Inhalt völkerrechtlicher Verträge könne sich nämlich nicht automatisch durch eine spätere Änderung der Rechtslage eines Vertragspartners ändern. Das Wesen des Völkerrechts bestehe gerade darin, dass sich die souveränen Vertragsparteien nur selbst verpflichten können, heteronome Normsetzung komme in diesem Zusammenhang nicht in Betracht. Eine solche heteronome Normsetzung läge aber vor, wenn sich die Änderung der internen Rechtslage der Gemeinschaft unmittelbar auf die Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger, die durch völkerrechtlichen Regelungen festgelegt sei, auswirken könnte (vgl. im Einzelnen die Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 Rn. 57 ff., beziehbar unter www.migrationsrecht.net). Diese Ausführungen sind nahezu wortgleich auch in der Stellungnahme enthalten, die die Kommission am 02.12.2008 in der Rechtssache „Ziebell“ abgegeben hat (JURM(08)12077 - Rn. 32 ff.)
60 
Diese Auffassung beruht jedoch allein auf einer eigenen Interpretation des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ vom 02.06.2005 (Rs. C-136/03 - Rn.61 bis 64) durch die Kommission (vgl. insoweit Rn. 57 der Stellungnahme im Verfahren C-349/06 und Rn. 33 der Äußerung in der Rechtssache C-371/08: „Die Kommission versteht diese Rechtsprechung wie folgt:“). Der Gerichtshof hat diese Interpretation allerdings weder im Urteil „Polat“ noch in späteren Entscheidungen aufgegriffen. Aus dem Urteil in der Rechtssache „Ziebell“ und dem dort eingeschlagenen Lösungsweg (siehe hierzu oben 1.) ergibt sich sogar mit aller Deutlichkeit, dass der Gerichtshof, der für sich die Kompetenz zur Auslegung des Assoziationsrechts in Anspruch nimmt, diese Auffassung nicht teilt. Die Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 14.04.2011 im Verfahren „Ziebell“ (vgl. insb. Rn. 57) lassen ebenfalls ersehen, dass auch von dieser Seite dem dogmatischen Ansatz der Kommission insoweit keine Bedeutung beigemessen wird. Die von der Kommission befürwortete Auslegung des Urteils in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ überzeugt den Senat auch deshalb nicht, weil die Ansicht der Kommission zu dem Ergebnis führen könnte, dass in dieser Regelungsmaterie unter Umständen notwendig werdende Änderungen des Unionsrechts zum Nachteil von Unionsbürgern überhaupt nicht mehr oder nur noch um den Preis einer Diskriminierung möglich wären.
61 
Im Übrigen heißt es in der Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 ebenso wie in derjenigen vom 02.12.2008, dass „in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklicht werden sollte, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft seinerzeit verwirklicht worden sei.“ Dieses Schutzniveau für die türkischen Staatsangehörigen wird jedoch durch die Abschaffung des „Vier-Augen-Prinzips“ bei gleichzeitig verbessertem Rechtsschutz gewahrt.
62 
Nach alledem liegt im Fall des Klägers durch die Nichtbeachtung des „Vier-Augen-Prinzips“ kein unheilbarer Verfahrensfehler vor.
II.
63 
Da der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann gem. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 sein Aufenthalt nur beendet werden, wenn dieses aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
64 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 73).
65 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2010 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs C-371/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil in der Sache Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
66 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
67 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 80).
68 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
69 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
70 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken, angeordnet werden (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010, Bozkurt, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
71 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
72 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs C-467/02 Rn. 47).
73 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr wird mit dieser Formel mit anderen Worten nur der in der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelte Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs C-55/94, Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs 36/75 ), wobei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
74 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
75 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
76 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartige weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in der dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteil vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291).
77 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risiko gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts des vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
78 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
79 
2. Ausgehend hiervon erweist sich die angegriffene Ausweisungsverfügung als ermessensfehlerfrei (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
80 
Aufgrund der langjährigen kriminellen Karriere, nach dem im letzten Strafverfahren erstellten Gutachten Dr. W... vom 11.11.2009 sowie der vom Senat eingeholten Stellungnahme der JVA Heilbronn vom 23.01.2012 (Frau G...), in der im Einzelnen dargestellt wird, dass der Kläger kaum Interesse an der Aufarbeitung seiner Vergangenheit an den Tag gelegt hat, besteht für den Senat kein Zweifel, das vom Kläger nach wie vor eine erhebliche konkrete Gefahr der Begehung weiterer erheblicher und schwerer Straftaten ausgeht, wodurch das für eine Ausweisung erforderliche Grundinteresse der Gesellschaft unmittelbar berührt ist. Es ist namentlich nach der Stellungnahme der JVA Heilbronn nichts dafür ersichtlich, dass sich beim Kläger etwas Grundsätzliches gebessert haben könnte. Es fehlt hiernach jeder greifbare und glaubhafte, geschweige denn Erfolg versprechende Ansatz dafür, dass der Kläger bereit sein könnte, sich seiner kriminellen Vergangenheit zu stellen und hieran aktiv zu arbeiten. Im Gegenteil: Aus der Stellungnahme wird hinreichend deutlich, dass der Kläger - von guten Arbeitsleistungen abgesehen -sich einer Aufarbeitung der grundlegenden Problematik konsequent verweigert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die vom Beklagten angesprochene und verneinte Frage, ob ihm eine Resozialisierung im dem Land, in dem er geboren und überwiegend aufgewachsen ist, um deren Erfolg willen ermöglicht werden muss, nicht. Der Senat ist sich mit dem Regierungspräsidium Stuttgart der Tatsache bewusst, dass der Kläger, der nie wirklich längere Zeit in der Türkei gelebt hat, mit ganz erheblichen Problemen im Falle der Rückkehr konfrontiert sein wird. Andererseits geht der Senat davon aus, dass er mit Rücksicht auf seinen mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei im Kindesalter über die nötige Sprachkompetenz verfügt, um in der Türkei eine neue Basis für sein Leben finden zu können. Angesichts des von ihm ausgehenden erheblichen Gefährdungspotential für bedeutende Rechtsgüter erweist sich auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er - nicht zuletzt bedingt durch seine häufige Straffälligkeit - zu keinem Zeitpunkt über eine gesicherte und gewachsene eigenständige wirtschaftliche Grundlage verfügt hat, die Ausweisung als verhältnismäßig: Sie stellt namentlich keinen unzulässigen Eingriff in sein durch Art. 8 EMRK geschützte Privatleben dar. Der Umstand, dass im Bundesgebiet noch nahe Angehörige des immerhin bereits knapp 26 Jahre alten Klägers leben, gebietet keine andere Sicht der Dinge.
81 
Auch die Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat keine neuen Aspekte ergeben. Vielmehr wurde die Stellungnahme vom 23.01.2012 bestätigt. Insbesondere konnte der Kläger keine plausible Erklärung dafür geben, weshalb er die verschiedenen Angebote im Strafvollzug zur Aufarbeitung seiner Taten nicht wahrgenommen hatte.
III.
82 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist schon keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
83 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 - juris) in diesem Zusammenhang u.a. ausgeführt:
84 
„Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
85 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
86 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
87 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).“
88 
Ergänzend und vertiefend ist noch auszuführen: Gegen die Annahme, die Ausweisung sei keine Rückkehrentscheidung, kann auch nicht die Legaldefinition des „illegalen Aufenthalts“ in Art. 3 Nr. 2 RFRL eingewandt werden. Zwar erweckt der pauschale und undifferenzierte Verweis auf Art. 5 SDK auf den ersten Blick den Eindruck, es könnten auch Fälle gemeint sein, in denen materielle Einreise- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind und somit auch in einem solchen Fall ein illegaler Aufenthalt vorläge. Dagegen sprechen aber bereits das in Art. 6 Abs. 6 RFRL vorausgesetzte Verständnis des „legalen Aufenthalts“ und der dort vorgenommenen ausdrücklichen Abgrenzung zur „Rückkehrentscheidung“. Entscheidend für ein Verständnis im Sinne eines allein formell zu verstehenden illegalen Aufenthalts spricht die Begründung des Kommissionsentwurfs (vgl. KOM/2005/ 0391endg vom 1.9.2005). Hiernach ist der Befund eindeutig. Unter I 3 Ziffer 12 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Regelungsgegenstand der Richtlinie nicht die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung/Sicherheit sei. Unter I 4 wird zu „Kapitel II“ weiter dargelegt, die Vorschriften der Richtlinie seien auf jede Art von illegalem Aufenthalt anwendbar (z.B. Ablauf eines Visums, Ablauf eines Aufenthaltstitels, Widerruf oder Rücknahme eines Aufenthaltstitels, endgültige Ablehnung eines Asylantrags, Aberkennung des Flüchtlingsstatus, illegale Einreise). Nicht Gegenstand seien die Gründe und Verfahren für die Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts. Für dieses Verständnis spricht auch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 3 lit. b) EG. Im Übrigen entspricht der im Gesetzgebungsverfahren neu eingefügte Verweis auf Art. 5 SDK sachlich dem früheren Verweis auf Art. 5 SDÜ, der auch materielle Regelungen enthielt. Demzufolge stellen auch Widerruf, Rücknahme oder nachträgliche Befristung keine Rückkehrentscheidung dar.
89 
Ausgehend hiervon war der Beklagte unionsrechtlich nicht gehalten, von vornherein von Amts wegen eine Befristung der Ausweisung auszusprechen.
90 
Eine Befristung war auch nicht aus sonstigen Gründen der Verhältnismäßigkeit auszusprechen, namentlich um dem Kläger eine Rückkehrperspektive zu eröffnen. Zum einen bestünde eine solche im Falle des ledigen Klägers nach Erlöschen des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts ohnehin nicht. Zum anderen besteht gegenwärtig keine tatsächlich ausreichend gesicherte Grundlage für eine solche Entscheidung, da eine sachgerechte Prognose, dass überhaupt und ggf. wann der Ausweisungsanlass entfallen sein wird, nicht angestellt werden kann. Es wäre unauflöslich widersprüchlich, im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung das Vorliegen der (hohen) Ausweisungsvoraussetzungen anzunehmen und gleichzeitig eine sachgerechte Prognose anstellen zu wollen, dass diese mit hinreichender Sicherheit bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt entfallen sein werden. Daher hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch fehlerfrei vorsorglich eine Befristung abgelehnt. Wenn die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG für den Fall einer auf einer strafgerichtlichen Verurteilung beruhenden Ausweisung eine Überschreitung der Fünfjahresfrist zulässt, ohne dass dieses von bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen abhängig gemacht wird, so ist dem die Option immanent, ausnahmsweise von der Setzung einer Frist abzusehen, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine Frist sachgerecht und willkürfrei überhaupt nicht bestimmt werden kann. Zur Klarstellung weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass diese nationale Vorgabe, da es sich bei der Ausweisung schon keine Rückkehrentscheidung handelt, keine Umsetzung des Unionsrechts darstellt, weshalb insoweit auch keine Entscheidung von Amts wegen getroffen werden muss (anders für eine allein generalpräventiv begründete Ausweisung nunmehr BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11).
91 
Wollte man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie qualifizieren, so hätte der nationale Gesetzgeber hier von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht und die formellen wie materiellen Befristungsvorgaben des Art. 11 Abs. 2 RFRL ohne Verstoß gegen Unionsrecht nicht in nationales Recht umgesetzt. Die Tatsache, dass er gleichwohl das nationale Recht insoweit gegenüber der früheren Rechtslage modifiziert und auch dem Grundsatz nach bei strafgerichtlichen Verurteilungen eine Fünfjahresfrist vorgegeben hätte, die im Einzelfall überschritten werden darf, stellt kein unzulässiges teilweises Gebrauchmachen von der Opt-Out-Klausel dar, sondern nur die Wahrnehmung eines eigenständigen nationalen Gestaltungsspielraums (a.A. wohl OVGNW, Urteil vom 13.12.2011 - 12 B 19.11 - juris).
92 
Abgesehen davon könnte, wenn wie hier eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 RFRL vorliegt – nicht anders als im nationalen Recht – im Ausnahmefall die Bestimmung einer Frist vorläufig unterbleiben, sofern, wie bereits oben ausgeführt, eine solche gegenwärtig nicht bestimmt werden kann. Der Beklagte hätte daher, wie dargelegt, zu Recht von einer Bestimmung abgesehen, wenn man die vom Senat nicht geteilten Auffassung verträte, dass hier Art. 11 Abs. 2 RFRL uneingeschränkt anzuwenden wäre.
IV.
93 
Die vom Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 und 5 AufenthG. Bereits aus deren Begründung ergibt sich hinreichend deutlich, dass sie nur für den Fall des Eintritts der Unanfechtbarkeit Geltung beanspruchen soll. Im Übrigen hat der Beklagte dies in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich klargestellt.
94 
Im Zusammenhang mit dem Erlass der Abschiebungsandrohung war auch im Hinblick auf unionsrechtliche Vorgaben keine Entscheidung über die Befristung eines mit einer späteren Abschiebung einhergehenden Einreiseverbots zu treffen.
95 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11) hierzu ausgeführt:
96 
„Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
97 
Zur Klarstellung seiner Ausführungen im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 – juris Rn. 83) weist der Senat auch darauf hin, dass die oben (vgl. III.) dargestellte Einschränkung hinsichtlich strafgerichtlicher Verurteilungen auch in Bezug auf die nach einer Ausweisung ergehende Rückkehrentscheidung und das mit ihr einhergehende Einreiseverbot selbst gilt, weil die Bundesrepublik Deutschland nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AufenthG nicht nur hinsichtlich der Folgewirkungen der Ausweisung, sondern auch hinsichtlich derer einer späteren Abschiebung insoweit von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht hat, die allgemein alle Fälle einer aufgrund bzw. infolge einer strafgerichtlichen Entscheidung eintretenden Rückehrpflicht betrifft.
98 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
99 
Die Revision wird zugelassen, weil die unter III. und IV. aufgeworfenen Fragen der Anwendung und Auslegung der Rückführungsrichtlinie Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
100 
Beschluss vom 10. Februar 2012
101 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
102 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 25.03.2011 - 3 K 2796/10 - geändert.

Der Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.10.2010 wird aufgehoben.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung und die Androhung der Abschiebung.
Er ist am … 1980 als jüngstes von sechs Kindern in Karlsruhe geboren und türkischer Staatsangehöriger. Seine Eltern und seine fünf älteren Schwestern leben noch heute in Deutschland. Sein Vater war bereits Mitte der 1970-er Jahre eingereist; bis zu seiner Verrentung war er als Arbeitnehmer tätig. Nach dem Besuch der Grund- und Hauptschule und einem Berufsvorbereitungsjahr erlangte der Kläger 1997 den Hauptschulabschluss. Eine Ausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur gab er Ende des zweiten Lehrjahres auf. In der Folge ging er wechselnden Tätigkeiten nach, zwischendurch war er arbeitslos. In den Jahren 2003 bis 2005 war der Kläger bei einer Firma in Karlsruhe angestellt, verlor die Arbeitsstelle jedoch wegen des Verlusts der Fahrerlaubnis. Danach war er längere Zeit arbeitslos. Ab Sommer 2008 war der Kläger als Geschäftsführer in einem Wettbüro des Ö.A. in Karlsruhe tätig. Er erhielt dafür unregelmäßige Zahlungen; die Arbeitsstelle war nicht angemeldet.
Ab dem 23.02.1996 war der Kläger im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.
Am 06.08.2001 heiratete er in der Türkei die türkische Staatsangehörige E.A., welche anschließend nach Deutschland zog. Die beiden gemeinsamen Kinder, der am 25.10.2002 geborene E. und die am 30.04.2004 geborene S. haben sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsangehörigkeit. Die Ehe wurde am 23.04.2010 geschieden. Die elterliche Sorge des Klägers ruhte zunächst aufgrund eines beim Amtsgericht Karlsruhe-Durlach geschlossenen Vergleichs vom 23.04.2010. Inzwischen hat der Kläger, welcher derzeit bei seinen Eltern wohnt, lediglich ein Umgangsrecht. Jedes zweite Wochenende, von Freitagabend bis Sonntag, und außerdem etwa die Hälfte der Schulferien verbringen die Kinder beim Kläger.
Seit 1996 ist der Kläger immer wieder im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln und wegen Straftaten wie Körperverletzung u.a. aufgefallen. Das Bundeszentralregister enthält Eintragungen ab dem Jahr 2000:
- Verurteilung vom 09.03.2000 durch das Amtsgericht Karlsruhe-Durlach wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen;
- Verurteilung durch Strafbefehl vom 04.02.2002 durch das Amtsgericht Karlsruhe wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 133 Fällen zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen;
- Verurteilung vom 30.06.2009 durch das Landgericht Karlsruhe wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und 10 Monaten.
Wegen der der Verurteilung vom 30.06.2009 zugrundeliegenden Straftat war der Kläger am 18.12.2008 in Untersuchungshaft genommen worden. Mit dem angeführten Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 30.06.2009 - 3 KLs 110 Js 41778/08 - wurden neben ihm auch die Mitangeklagten B.A., Ö.A. und E.G. der Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie der Mitangeklagte T.K. der Beihilfe zur Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Der Mitangeklagte B.A. wurde zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten, die Mitangeklagten Ö.A. sowie E.G. von drei Jahren und sechs Monaten und T.K. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde hinsichtlich T.K. zur Bewährung ausgesetzt. Die Angeklagten wurden außerdem verurteilt, an die Nebenklägerin N.G. Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,--EUR nebst Zinsen zu zahlen, wobei die seitens B.A. und dem Kläger bereits erbrachten Beträge in Höhe von 2.500,-- EUR (B.A.) bzw. 3.000,-- EUR (Kläger) auf den Schmerzensgeldbetrag anzurechnen seien. Das Urteil wurde nach Verwerfung unter anderem der Revision des Klägers am 10.12.2009 diesem gegenüber rechtskräftig.
Nach den Feststellungen im Strafurteil vom 30.06.2009 war der Kläger als Geschäftsführer in dem von Ö.A. betriebenen Wettbüro beschäftigt und hätte Anfang des Jahres 2009 als Teilhaber einsteigen sollen. B.A. war bei einer Automatenaufstellerfirma tätig und für die Wartung der im Wettbüro aufgestellten Spielautomaten zuständig. Das Opfer der Straftaten, N.G., war auf Empfehlung des B.A. seit September 2008 als Aushilfe angestellt. Nachdem am 29.11.2008 zwischen 2.00 Uhr und 2.30 Uhr in das Wettbüro eingebrochen und aus Spielautomaten und einem offenen Tresor insgesamt Bargeld in Höhe von etwa 2.500,-- EUR entwendet worden war, verdächtigten die Angeklagten die im Wettbüro angestellte N.G. und deren Freund der Beteiligung an dem Einbruch. Anlass war unter anderem, dass ein Augenzeuge etwa zum Zeitpunkt des Einbruchs ein Auto bemerkt hatte, das dem des Freundes von N.G. ähnelte. Außerdem hatte N.G. wenige Stunden nach dem Einbruch per SMS mitgeteilt, sie könne am Morgen nicht zur Arbeit erscheinen, weil ihr Schwiegervater gestorben sei, was aber - wie sich nach und nach herausstellte - tatsächlich nicht stimmte. Um N.G. zu einem Geständnis zu zwingen, brachten die fünf Angeklagten diese am 30.11.2008 gegen 12.30 Uhr dazu, mit ihnen in den Keller des Wettbüros zu gehen. Dort versetzte B.A. dieser zunächst zwei derart heftige Ohrfeigen, dass sie ein Loch im linken Trommelfell erlitt. Danach hielt B.A. ihr eine von ihm - ohne Wissen der anderen - mitgeführte, nicht ausschließbar ungeladene Schreckschusswaffe, die er zuvor mehrfach durchgeladen hatte, an die Stirn, so dass N.G. befürchtete, erschossen zu werden, und Todesangst verspürte. Unter Ausnutzung der Todesangst von N.G. versuchten die Angeklagten in den nächsten Stunden - allerdings vergeblich -, von dieser ein Geständnis zu erpressen. B.A. drückte ihr ein Kissen auf das Gesicht und tat so, als ob er dieses als Schalldämpfer verwenden würde. B.A. oder E.G. drohten später damit, N.G. mit einer Handsäge einen Finger abzusägen. Als N.G. darum bat, auf Toilette gehen zu dürfen, wurde ihr dies mit dem Hinweis verweigert, sie solle „in die Hose pissen“. Bei diesen Übergriffen und Bedrohungen leistete T.K. lediglich psychische Beihilfe, während die anderen aktiv beteiligt waren. Nachdem B.A. und E.G. zwischen 14.30 Uhr und 15.00 Uhr den Keller verlassen hatten, wurde N.G. gegen 16.00 Uhr von Ö.A., dem Kläger und T.K. freigelassen und von T.K. nach Hause gefahren. N.G. leidet noch heute erheblich unter den psychischen Folgen der Tat. Bezüglich der Strafzumessung wird in dem Urteil des Landgerichts Karlsruhe hinsichtlich des Klägers unter anderem dargelegt: Die Kammer sei davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB vorlägen, weil sich der Kläger ernsthaft darum bemüht habe, einen Ausgleich mit der Geschädigten N.G. zu erreichen, um seine Tat wieder gutzumachen. So habe er bereits am 05.02.2009 über seinen Verteidiger der anwaltlichen Vertreterin der Geschädigten einen Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 3.000,-- EUR zur Verfügung gestellt, den diese auch angenommen habe. Er habe zudem in der Hauptverhandlung ein umfassendes Geständnis abgelegt und dadurch gezeigt, dass er bereit sei, die Verantwortung für seine Tat in vollem Umfang zu übernehmen. Weiter sei die Kammer davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen der tätigen Reue im Sinne von §§ 239b Abs. 2, 239a Abs. 4 StGB vorliegen, weil der Kläger N.G. unter Verzicht auf die Weiterverfolgung des Nötigungsziels in ihren Lebenskreis habe zurückgelangen lassen. Die Kammer habe geprüft, ob die Annahme eines minderschweren Falles gemäß §§ 239b Abs. 2, 239a Abs. 2 StGB in Betracht komme. Dafür spreche, dass der Kläger bereits im Ermittlungsverfahren ein umfassendes Geständnis abgelegt und dieses in der Hauptverhandlung aufrechterhalten habe, wobei das Geständnis ersichtlich von Einsicht und Reue getragen gewesen sei. Wenn der Kläger nicht aus freien Stücken eingeräumt hätte, dass er am Vorabend der Tat die Idee gehabt habe, N.G. im Rahmen der für den kommenden Tag vorgesehenen Befragung zwei oder drei Ohrfeigen zu versetzen, hätte ihm dies nicht nachgewiesen werden können. Für einen minderschweren Fall sprächen auch die familiären Bindungen des Klägers an seine Ehefrau und seine beiden Kinder. Andererseits sei er bereits mehrfach, auch einschlägig wegen Gewaltdelikten, vorbestraft, wobei die Kammer nicht übersehen habe, dass die letzte Vorverurteilung im Jahr 2002 erfolgt sei und die letzte einschlägige Verurteilung noch länger zurückliege. Weiter spreche gegen das Vorliegen eines minderschweren Falls, dass der Kläger bereits Jugendarrest verbüßt habe, er am Vorabend Initiator der Tat und der beabsichtigten Gewaltanwendung in Form von Ohrfeigen gewesen sei, er bei der Tatbegehung verbal die Hauptrolle übernommen und - trotz eines entsprechenden Hinweises durch die Polizei am Abend des 29.11.2008, dies zu unterlassen, - Selbstjustiz geübt habe, er tateinheitlich zum Verbrechen der Geiselnahme ein Vergehen der gefährlichen Körperverletzung begangen habe und durch die Tatbegehung bei der Geschädigten N.G. nicht nur ein erheblicher körperlicher Schaden eingetreten sei, sondern vor allem massive psychische Auswirkungen vorhanden seien. Unter Abwägung aller für und gegen den Kläger sprechenden Umstände sei die Kammer davon überzeugt, dass der vorliegende Fall nicht in einem solchen Maß vom Normalfall der Geiselnahme abweiche, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens der §§ 239b Abs. 2, 239a Abs. 2 StGB angezeigt gewesen wäre. Nur unter Berücksichtigung der weiteren vertypten Strafmilderungsgründe des § 46a Nr. 1 StGB und der tätigen Reue gemäß §§ 239b Abs. 2, 239a Abs. 4 StGB sei es nach Überzeugung der Kammer möglich, das Vorliegen eines minderschweren Falles zu bejahen.
Im Anschluss an die Untersuchungshaft verbüßte der Kläger vom 10.12.2009 bis zu seiner Entlassung am 30.04.2012 Strafhaft, ab dem 12.03.2010 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bruchsal. Zwei Drittel der Strafe waren am 07.03.2012 verbüßt, Endstrafentermin wäre der 17.10.2013 gewesen. In dieser Zeit erhielt der Kläger regelmäßig Besuch von seinen Kindern - zunächst noch in Begleitung von seiner Ehefrau, später als Langzeitbesuch in Begleitung von seinen Eltern - sowie von anderen Verwandten. Er arbeitete regelmäßig und übernahm auch anstaltsinterne Hilfstätigkeiten ("Kammerschänzer" bzw. "Hilfsschänzer"). Vom 21.06.2010 bis zum 08.10.2010 nahm er an einem Qualifizierungsprogramm zur Logistikfachkraft mit sehr gutem Erfolg teil, vom 11.10.2010 bis zum 17.12.2010 besuchte er den IHK-Lehrgang EDV-Anwendungen (PC-Kurs) und schloss diesen ebenfalls erfolgreich ab. Außerdem nahm er vom 15.09.2010 bis zum 20.12.2010 an einem Anti-Gewalt-Training teil.
10 
Bereits mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.10.2010 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Außerdem wurde ihm die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen Staat angedroht (Ziff. 2 und 3). Zur Begründung wurde dargelegt: Es sei davon auszugehen, dass der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 innehabe. Deshalb sei seine Ausweisung nur im Ermessenswege nach § 55 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG und unter Berücksichtigung von Art. 14 ARB 1/80 denkbar. Er genieße besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, weil er eine Niederlassungserlaubnis besitze und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Dem Ausweisungsanlass komme ein besonderes Gewicht zu, weil die von ihm aufgrund von Selbstjustiz begangene Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung ausgesprochen schwer wiege. Vom Bestehen einer Wiederholungsgefahr sei auszugehen. Die vom Kläger begangene Straftat verdeutliche eindrucksvoll, dass dieser ein erhebliches Maß an krimineller Energie besitze, welches bei verständiger Würdigung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände der Tatbegehung die Grenzen der Bagatellkriminalität bei weitem überschreite. Massive körperliche und psychische Schädigungen des Opfers seien bei der Straftat billigend in Kauf genommen worden. Der gesamte Geschehensablauf unterstreiche, dass der Kläger ein ausgesprochen hohes Aggressionspotential besitze und über eine gesteigert rücksichtslose Einstellung gegenüber Dritten verfüge. Bei Verurteilungen wegen Gewalttaten, zu denen die Geiselnahme und die gefährliche Körperverletzung gehörten, seien an die Wahrscheinlichkeit weiterer Straftaten nur geringe Anforderungen zu stellen. Die Ausländerbehörden übten hier ihr Ermessen einwandfrei aus, wenn sie sich darauf stützten, dass eine Wiederholungsgefahr (im weiteren Sinne) nicht ausgeschlossen werden könne. Die Ausweisung sei auch verhältnismäßig. Der Kläger sei im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen und im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Sein langjähriger und rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland wiege deshalb im Rahmen der Prüfung der Ausweisung besonders schwer. Er könne diese jedoch im Ergebnis nicht verhindern. Die elterliche Sorge über die Kinder ruhe aus tatsächlichen Gründen. Die Ehe sei geschieden worden. Beruflich sei es dem Kläger nicht gelungen, sich im Bundesgebiet zu integrieren. Er spreche noch die Sprache seines Heimatlandes. Auch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK stünden der Ausweisung nicht entgegen. Im Übrigen könnte er auch einen Antrag auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung stellen. Dem Umstand, dass der Kläger ein Assoziationsrecht aus Art. 7 ARB 1/80 genieße, sei bereits insoweit Rechnung getragen worden, als über seine Ausweisung im Ermessenswege entschieden und keine generalpräventive Motivation zugrundegelegt worden sei. In seinem Fall liege auch eine tatsächliche und hinreichende Gefährdung vor, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.
11 
Am 15.10.2010 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage, zu deren Begründung er im Wesentlichen vortrug: Er sei im Bundesgebiet geboren. Er akzeptiere die Verurteilung wegen der Straftat als in der Sache vollauf gerechtfertigt. Er schäme sich dieser Straftat. Er habe, obzwar Haupttäter, mit dem Tatopfer schließlich Mitleid gehabt und vollumfänglich gestanden, wobei er von sich aus sogar eingeräumt habe, dass die Tat bereits am Vorabend geplant worden sei. Eine Wiederholungsgefahr sei deshalb zu verneinen. Das zeige nun auch der beanstandungsfreie Haftverlauf. Schließlich sei vermerkt, dass das Wohl seiner Kinder der Ausweisung widerspreche. Wegen des ihm zustehenden Assoziationsrechts seien zudem alle Umstände zu berücksichtigen, darunter auch die Gefahr, durch eine Ausweisung seine Resozialisierung zu gefährden. Der Kläger sei im Bundesgebiet aufgewachsen. Deutsch sei seine Muttersprache. Hier lebe seine ganze Familie. Allein und ohne ausreichende Sprachkenntnisse käme er in der Türkei nicht zurecht. Im Übrigen entbehre die Ausweisung auch der gebotenen Befristung.
12 
Das beklagte Land trat der Klage unter Verweis auf den angefochtenen Bescheid entgegen.
13 
Mit Urteil vom 25.03.2011 - 3 K 2796/10 - wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und führte aus: Prüfungsmaßstab für die angefochtene Ausweisung sei § 55 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80. Der Kläger erfülle die Voraussetzungen des Art. 7 Satz 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80, weil sein Vater dem regulären deutschen Arbeitsmarkt angehört habe. Diese Rechtsposition habe der Kläger auch nicht verloren. Weder entfalle das Recht mit Eintritt der Volljährigkeit noch durch die Verbüßung einer Untersuchungs- bzw. Strafhaft. Er könne daher nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Diese Schwelle werde hier erreicht. Hierbei fielen insbesondere die schwerwiegenden psychischen Folgen der begangenen Straftat für das Opfer ins Gewicht. Beim Kläger bestehe auch eine konkrete Wiederholungsgefahr. Bei Verurteilungen wegen Gewalttaten seien an die Wahrscheinlichkeit weiterer Straftaten nur geringe Anforderungen zu stellen, so dass es genüge, dass eine Wiederholungsgefahr nicht ausgeschlossen werden könne. Hiervon sei beim Kläger aufgrund der bei Deliktbegehung gezeigten hohen kriminellen Energie auszugehen. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Das Regierungspräsidium habe auch die von Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und Art. 8 EMRK geschützten Belange der Achtung des Privat- und Familienlebens in die Betrachtung eingestellt und abgewogen. Die Abschiebungsandrohung sowie die gesetzte Ausreisefrist begegneten ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
14 
Am 20.04.2011 hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt und diese unter Stellung eines Antrags begründet: Die angegriffene Ausweisung verkenne den maßgeblichen Gefahrenbegriff. Unzutreffend bejahe die erste Instanz eine Wiederholungsgefahr. Im Übrigen sei die Ausweisung auch verfahrensfehlerhaft ergangen, weil kein Vorverfahren durchgeführt worden sei. Die „Standstill-Klausel“ gebiete die weitere Anwendung von Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG, welcher die Beteiligung einer unabhängigen Stelle vorschreibe. Soweit von Seiten des Regierungspräsidium die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit bei dem Strafverfahren betont worden sei, rechtfertige dieser Gesichtspunkt keine Ausweisung. Schließlich seien generalpräventive Erwägungen unzulässig. Mit Schriftsatz vom 24.09.2012 wird ergänzend vorgetragen: Der Kläger sei inzwischen aufgrund eines positiven kriminalprognostischen Gutachtens aus der Haft entlassen worden. Er wohne wieder bei seinen Eltern und befinde sich in der Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, die er schon im offenen Strafvollzug begonnen habe. Diese solle im Februar 2014 abgeschlossen sein.
15 
Nachdem das Regierungspräsidiums Karlsruhe in der mündlichen Verhandlung die Sperrwirkungen der Ausweisung vom 12.10.2010 auf achtzehn Monate befristet hat, beantragt der Kläger,
16 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 25.03.2011 - 3 K 2796/10 - zu ändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.10.2010 aufzuheben,
17 
hilfsweise: das beklagte Land zu verpflichten, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG bezeichneten Wirkungen der Ausweisung auf sofort zu befristen.
18 
Das beklagte Land beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Es trägt ergänzend vor: Die Ausweisung sei nicht wegen Verstoßes gegen das "Vier-Augen-Prinzip" formell rechtswidrig. Auch in Anbetracht der Tatsache, dass die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe inzwischen - mit Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 25.04.2012 - zur Bewährung ausgesetzt worden sei, werde an der Ausweisung festgehalten. Die Anforderungen des Art. 14 ARB 1/80 seien nach wie vor gegeben. Der Kläger habe nach zahlreichen Bewährungsstrafen in seiner Jugend die zur Verurteilung gekommene schwere Straftat begangen, bei der er erneut ein massives Gewaltpotential offenbart habe. Das im geschützten Raum der JVA gezeigte beanstandungsfreie Verhalten und der Bewährungsbeschluss sowie das diesem zugrundeliegende kriminalprognostische Gutachten seien nicht geeignet, mit der erforderlichen Sicherheit zu belegen, dass eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung in einer überschaubaren Zeit nicht mehr gegeben sei. Die „Geiselnahme von Durlach“ habe großes Medienecho und eine erhebliche Betroffenheit in der Bevölkerung ausgelöst - von der enormen seelischen Verletzung des Opfers ganz zu schweigen.
21 
Mit Beschluss des Senats vom 30.05.2011 wurde auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Berufungsverfahrens angeordnet; mit Schriftsatz des beklagten Landes vom 30.01.2012 wurde es wiederangerufen.
22 
Über das Verhalten des Klägers in der Justizvollzugsanstalt wurde in einer Fortschreibung des Vollzugsplans durch die JVA Bruchsal vom 12.05.2011 unter anderem dargelegt: Bei weiterhin positivem Vollzugsverlauf werde von einer Entlassung auf Bewährung zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt ausgegangen. Der Kläger solle im September 2011 in die offene Abteilung verlegt werden. Sein Verhalten sei bislang nicht zu beanstanden gewesen. Er werde als freundlich, zugänglich und höflich beschrieben. Er habe zwar nicht am BPG-Programm, einem Behandlungsprogramm für Gewalttäter, teilgenommen, aber an einem Anti-Gewalt-Training. Seinen Angaben nach habe er lediglich bis 2005 „weiche Drogen“ konsumiert. Im Zeitraum von Juni 2010 bis September 2010 habe er seine Drogenabstinenz unter Beweis stellen können. Seine Bezugspersonen seien seine fünf älteren Schwestern sowie seine Eltern und zahlreiche weitere Familienmitglieder. Seine Ehefrau habe inzwischen das Scheidungsverfahren eingeleitet; sie habe einen neuen Freund aus Stuttgart. Er wolle den Kontakt zu seinen Kindern nicht verlieren und kämpfe um das Sorge- bzw. Umgangsrecht. In Stellungnahmen der JVA Bruchsal gegenüber der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 20.10.2011 und vom 05.01.2012 wurde ergänzend berichtet: Der Kläger habe sich im geschlossenen wie auch im offenen Vollzug vorbildlich verhalten und erfolgreich am Vollzugsziel mitgearbeitet. Am 16.06.2011 sei er in die offene Abteilung verlegt worden. Ihm sei angeraten worden, die abgebrochene Ausbildung zum Sanitärinstallateur wieder aufzunehmen. Nach dreitägigem Probearbeiten habe er eine Lehrstelle bei der Firma Sch. erhalten und zum 01.09.2011 die Ausbildung dort aufgenommen. Der Arbeitgeber sei äußerst zufrieden. Der Kläger habe auch nach Verlegung in die offene Abteilung kontinuierlich an den ambulanten Gesprächen des Vereins für Jugendhilfe Karlsruhe e.V. (Antiaggressionstraining) teilgenommen. Vollzugslockerungen seien ohne Beanstandungen beim Vater des Klägers verbracht worden. Von einer Begutachtung könne abgesehen werden. Der Kläger scheine von seiner Inhaftierung nachhaltig beeindruckt. Es werde nicht angenommen, dass er erneut strafrechtlich in Erscheinung treten werde.
23 
Zur Vorbereitung der Entscheidung über die Aussetzung der Reststrafe holte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Karlsruhe ein kriminalprognostisches Gutachten der Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie - Zentrum für Psychiatrie - Wiesloch ein. Das daraufhin erstattete Gutachten von Herrn Dr. Sp..., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, und Herrn S..., Facharzt für Psychiatrie, vom 03.03.2012 kommt zu dem Ergebnis, dass aus gutachterlicher Sicht die durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit beim Kläger nicht mehr fortbestehe. Der Kläger sei zwar mehrfach vorbestraft wegen Diebstahls-, Körperverletzungs- und Verkehrsdelikten sowie unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln. In den Jahren nach 2000 scheine es aber zu einer Stabilisierung gekommen zu sein. Mit der der Verurteilung zugrundeliegenden Straftat sei er erstmals mit einem schweren Delikt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Dabei habe es sich um ein Tatgeschehen gehandelt, welches sich in einer spezifischen Gruppendynamik abgespielt habe. Insofern komme den situativen Gegebenheiten (Empörung über die vermeintliche Untreue einer Angestellten, Dynamik der Tätergruppe) eine hohe Bedeutung bei dem deliktischen Geschehen zu. Der Kläger habe bereits bei der ersten Vernehmung durch die Polizei seine eigene Rolle bei dem Geschehen umfassend eingeräumt und im Wesentlichen nicht versucht, seinen Anteil am Tatgeschehen herunterzuspielen oder zu bagatellisieren. Es sei spürbar, dass er sich mit der Tat auseinandergesetzt habe und sich für sein damaliges Verhalten schäme. In der Gesamtwürdigung überwögen die prognostisch günstigen Aspekte bei weitem. Mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer der Landgerichts Karlsruhe vom 25.04.2012 wurde die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 30.06.2009 zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde auf vier Jahre festgesetzt; der Kläger wurde der Leitung und Aufsicht eines Bewährungshelfers unterstellt. Außerdem erhielt er die Weisung, bei seinem Vater Wohnung zu nehmen und seine Ausbildung bei der Firma Sch. in Karlsruhe fortzusetzen. Daraufhin wurde der Kläger am 30.04.2012 aus dem Strafvollzug entlassen.
24 
In einem Bericht der Bewährungshelferin vom 18.09.2012 wird ausgeführt: Der Kläger bewohne ein Zimmer im Haushalt seiner Eltern. Er befinde sich weiter bei der Firma Sch. in Ausbildung, voraussichtlich bis Frühjahr 2014. Er äußere, dass er sich dort sehr wohl fühle und ihm die Arbeit Freude mache. Die Berufsschule könnte noch besser laufen, er habe vor, viel zu lernen. Er verfüge über eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 680,-- EUR brutto. Bis zum Ende der Ausbildung sei er vom Jugendamt vorübergehend von den Unterhaltszahlungen für seine Kinder befreit. Seine Schulden beliefen sich auf rund 50.000,-- EUR, seit 2009 befinde er sich in Privatinsolvenz. Alle 14 Tage kämen die Kinder über das Wochenende von Freitag 18.00 Uhr bis Sonntag 19.00 Uhr zu ihm. Sämtliche Absprachen erfolgten mit Unterstützung des Jugendamtes. Der bisherige Bewährungsverlauf sei nicht zu beanstanden. In Gesprächen zeige sich der Kläger offen und mitteilsam.
25 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist der Kläger angehört worden; der Facharzt für Psychiatrie Herr S... vom Zentrum für Psychiatrie Wiesloch ist als Sachverständiger zur Erläuterung und Ergänzung des gegenüber dem Landgericht Karlsruhe erstatteten Gutachtens vom 03.03.2012 vernommen worden. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
26 
Dem Senat liegen die Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe über das Ausweisungsverfahren (ein Heft), ausländerrechtliche Akten der Stadt Karlsruhe (zwei Hefte), die Gefangenenpersonalakten der JVA Bruchsal (3 Hefte), die Strafakten betreffend das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 30.06.2009 - 3 KLs 110 Js 41778/08 - (8 Hefte), das Bewährungsheft des Landgerichts Karlsruhe - 15 BWL 73/12 - und Akten des Amtsgerichts Karlsruhe-Durlach über Strafverfahren wegen Körperverletzung u.a. - 1 Cs 170 Js 6911/06 - und wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung - 1 Cs 250 Js 39507/03 - sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe über das Klageverfahren - 3 K 2796/10 - vor. Diese waren ebenso wie die Akten über das Berufungsverfahren - 11 S 278/12 - Gegenstand der mündlichen Verhandlung; hierauf wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
27 
Die aufgrund der Zulassung durch das Verwaltungsgericht insgesamt statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und formell ordnungsgemäß begründete (vgl. § 124a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO) Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 25.03.2011 (3 K 2796/10) hat bereits mit dem Hauptantrag Erfolg. Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.10.2010 ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - InfAuslR 2008, 156, und vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - juris) begründet. Die darin unter Ziffer 1 verfügte Ausweisung und die Abschiebungsandrohung unter Ziffern 2 und 3 sind rechtswidrig und verletzen dadurch den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
A)
28 
Die Ausweisung ist zwar entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht formell rechtswidrig, sie ist aber wegen materieller Rechtsfehler aufzuheben.
I.
29 
Rechtsgrundlage sind hier die §§ 55 Abs. 1, 56 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19.09.1980 - ARB 1/80. Denn der Kläger hat - wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 inne, welche er auch nicht durch die mehrjährige Inhaftierung verloren hat. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil vom 25.03.2011 verwiesen.
30 
Die Tatsache, dass die Kinder des Klägers deutsche Staatsangehörige sind, begründet keinen weitergehenden unionsrechtlichen Ausweisungsschutz (vgl. hierzu EuGH, Urteile vom 05.05.2011 - Rs. C-434/09, McCarthy - InfAuslR 2011, 268, und vom 15.11.2011 - Rs. C-256/11, Dereci - InfAuslR 2012, 47; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - NVwZ-RR 2012, 412).
II.
31 
Die Entscheidung des Regierungspräsidiums ist nicht - mit Blick auf die assoziationsrechtliche Rechtsstellung des Klägers - deshalb als verfahrensfehlerhaft anzusehen, weil keine „unabhängige zweite Stelle“ eingeschaltet bzw. kein Vorverfahren durchgeführt worden ist.
32 
Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers folgt ein Anspruch auf Durchführung eines Widerspruchsverfahrens insbesondere nicht aus dem in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 normierten „Vier-Augen-Prinzip“. Denn diese Richtlinie ist gemäß Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG vom 29.04.2004 (Unionsbürgerrichtlinie) mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden. Damit ist auch deren Art. 9 nicht mehr – entsprechend – auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige anzuwenden (vgl. zur früheren Anwendung des „Vier-Augen-Prinzips“ BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - InfAuslR 2006, 110). Geltende unionsrechtliche Verfahrensgarantien begründen ebenfalls nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen. Aus den so genannten "Stillhalteklauseln" folgt keine andere Betrachtung. Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens. Im Übrigen gebietet Unionsrecht auch bei Ausweisungen von Unionsbürgern keine behördliche Kontrolle mehr nach dem "Vier-Augen-Prinzip" (vgl. stattdessen Art. 31 Abs. 1 Unionsbürgerrichtlinie; vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 10.07.2012, a.a.O.; Senatsurteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -NVwZ-RR 2012, 492).
III.
33 
Die Ausweisung ist jedoch materiell-rechtlich rechtswidrig. Der Kläger hat zwar aufgrund seiner Verurteilung durch das Landgericht Karlsruhe vom 30.06.2009 wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und 10 Monaten nach nationalem Recht den Tatbestand einer zwingenden Ausweisung nach § 53 Nr. 1 AufenthG erfüllt. Sie genügt aber nicht den besonderen Anforderungen des Art. 14 ARB 1/80 in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.
34 
1. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003, der so genannten Daueraufenthaltsrichtlinie, zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012, a.a.O.).
35 
Gemäß Art. 12 der Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. Senatsurteil vom 16.04.2012, a.a.O., m.w.N.; vgl. auch Bayer. VGH, Urteil vom 17.07.2012 - 19 B 12.417 - juris; zum Ausweisungsschutz vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2007 - C 349/06, Polat - juris). Soweit der Gerichtshof im Urteil vom 08.12.2011 in der Rechtssache Ziebell mehrmals erwähnt hat (a.a.O. Rn. 79, auch Rn. 46), dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält, wird damit keine zusätzliche Voraussetzung für die entsprechende Anwendung von Art. 12 der Richtlinie 2003/109/EG bestimmt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrundeliegende Tatsache wiedergegeben (vgl. dazu Senatsurteile vom 16.04.2012, vom 07.03.2012 und vom 10.02.2012, jew. a.a.O.).
36 
Bei der Prüfung einer entsprechenden Ausweisung ist zudem zu berücksichtigen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen sind, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann. Das bedeutet, dass Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden dürfen, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren. Eine solche Maßnahme kann daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention - um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken - angeordnet werden (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteile vom 08.12.2011, a.a.O., und vom 22.12.2010 - C-303/08, Bozkurt - NJW 2008, 2736, m.w.N.).
37 
2. Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Ausweisung bereits deshalb aus, weil vom Kläger keine relevante, d.h. mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit drohende, Gefahr der Wiederholung von einschlägigen Straftaten mehr ausgeht (a). Selbst wenn man eine entsprechende Wiederholungsgefahr noch bejaht, folgt daraus jedenfalls keine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Daueraufenthaltsrichtlinie und der angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (b).
38 
a) Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Akten und Unterlagen, insbesondere des von der Strafvollstreckungskammer im Verfahren auf Aussetzung der Reststrafe eingeholten, nachvollziehbaren und überzeugenden kriminalprognostischen Gutachtens vom 03.03.2012, der ergänzenden Erläuterungen des in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als Sachverständigen angehörten Gutachters sowie aufgrund der Angaben des Klägers zu der Überzeugung gelangt, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom Kläger nicht mehr die Gefahr der Wiederholung erheblicher Straftaten ausgeht.
39 
Bei der Prüfung, ob das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr darstellt, ist - anders als bei dem Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf das "Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“, abzustellen. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrundeliegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-482 und 493/01, Orfanopoulus und Oliveri - InfAuslR 2004, 268). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 04.10.2012 - 1 C 13.11 - juris, vom 10.07.2012, a.a.O., vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3, und vom 03.08.2004 - 1 C 30.02 - InfAuslR 2005, 18), der sich der Senat anschließt (vgl. auch Senatsurteil vom 23.10.2012 - 11 S 1470/12; einschränkend noch Senatsurteile vom 10.02.2012, a.a.O., und vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291), gelten bei Straftaten mit einer hervorgehobenen Bedeutung - wie der vorliegenden - für die im Rahmen tatrichterlicher Prognose festzustellende Wiederholungsgefahr eher geringere Anforderungen. Selbst wenn man danach einem differenzierten Wahrscheinlichkeitsmaßstab folgt, bedeutet dies aber nicht, dass bei hochrangigen Rechtsgütern bereits jede auch nur entfernte Möglichkeit eine Wiederholungsgefahr begründet (BVerwG, Urteil vom 10.07.2012, a.a.O., m.w.N.). Vielmehr müssen - wie bei Ausländern, denen besonderer Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 AufenthG zukommt (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 - InfAuslR 2005, 49, vom 11.06.1996 - 1 C 24.94 - InfAuslR 1997, 8; Senatsurteil vom 23.10.2012 - 11 S 1470/11) - Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in Zukunft eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft droht und damit von dem Betreffenden eine bedeutsame Gefahr ausgeht. Eine weitere Absenkung der maßgeblichen Erheblichkeitsschwelle in der Weise, dass die Betroffenen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hätten, dass die Begehung von Straftaten in Zukunft mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, würde diesen letztlich Unzumutbares, wenn nicht Unmögliches abverlangen.
40 
Im vorliegenden Fall kann zwar die Möglichkeit weiterer Straftaten, insbesondere von Gewaltdelikten, nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, sie erscheint aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als derart fernliegend, dass sie die in Ansehung des bestehenden Assoziationsrechts des Klägers erforderliche Erheblichkeitsschwelle nicht übersteigt.
41 
Zu Lasten des Klägers sind in diesem Zusammenhang allerdings zunächst die Schwere des begangenen Delikts und die konkrete Tatausführung zu berücksichtigen. Der Ausweisungsanlass - die begangene Straftat der Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung - ist besonders gravierend. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat in dem angefochtenen Bescheid außerdem zu Recht auf die besonderen Umstände der Straftat hingewiesen. Die Geiselnahme zog sich über dreieinhalb Stunden hin. Der Kläger und seine Mittäter haben dabei versucht, N.G. durch eine menschenunwürdige Befragung, insbesondere mit der Bedrohung, sie zu erschießen, wodurch diese in Todesangst versetzt wurde, dazu zu bringen, den angeblich unter Mitwirkung von ihr und ihrem Freund am Vortag begangenen Einbruch zu gestehen. Der Kläger selbst hatte am Vortag vorgeschlagen, N.G. zu befragen und ihr gegebenenfalls Ohrfeigen zu versetzen. Zwar hat dann der Haupttäter B.A. das Opfer geohrfeigt und nicht der Kläger. Auch hatte B.A. die Schreckschusspistole, mit der N.G. bedroht wurde, ohne Wissen der anderen mitgenommen. Die Mittäter schritten aber jedenfalls nicht gegen B.A. ein, sondern nutzten die durch dessen Vorgehen bewirkte Todesangst der N.G. weiter aus. Der Kläger bedrohte diese dann auch mit den Worten, dass sie nicht lebend aus dem Keller herauskommen würde, wenn sie die angebliche Straftat nicht zugeben würde. Nachdem B.A. den Keller verlassen hatte, befragten der Kläger, Ö.A. und T.K. das Opfer zunächst weiter, bevor sie dieses freiließen. Der Kläger nahm damit massive körperliche und psychische Schädigungen der N.G. billigend in Kauf. Wenn auch er und die verbliebenen Mittäter in der Folge von einer weiteren Tatausführung absahen, weshalb das Strafgericht von einer tätigen Reue ausgegangen ist, teilt der Senat die Einschätzung des Regierungspräsidiums, dass die Tat und die Tatumstände für ein erhebliches Maß an krimineller Energie des Klägers sprechen. Es handelt sich um eine besonders gravierende und mit einer erschreckenden Härte und Mitleidlosigkeit begangene Straftat (vgl. dazu auch das Urteil im Parallelverfahren des Ö.A. vom 23.10.2012 - 11 S 1470/11 -).
42 
Beim Kläger kommt erschwerend hinzu, dass er in der Vergangenheit bereits mehrmals wegen Gewalt- und Betäubungsmitteldelikten bestraft wurde, vor der Geiselnahme zuletzt durch Strafbefehl des Amtsgerichts Karlsruhe vom 04.02.2002 wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 133 Fällen. Bei den davor liegenden einschlägigen Verurteilungen wegen gefährlicher Körperverletzung vom 18.01.2001, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung vom 19.10.1998, sowie wegen gemeinschaftlicher Erpressung und versuchter Erpressung in Tateinheit mit Nötigung vom 28.03.1996 wurde jeweils Jugendstrafrecht angewandt.
43 
Selbst wenn man auch die lediglich im Jugendstrafregister eingetragenen Verurteilungen uneingeschränkt mit einstellt, ist aber heute davon auszugehen, dass keine Gefahr der Wiederholung entsprechender Straftaten mehr besteht. Dabei ist zunächst zu bedenken, dass die Geiselnahme inzwischen fast vier Jahre zurückliegt. Der Kläger war über drei Jahre lang in Untersuchungs- und Strafhaft, welche ihn erkennbar tief beeindruckt hat. Er hat während der Strafhaft an einem Anti-Gewalt-Training teilgenommen, diverse Aus- bzw. Weiterbildungsangebote angenommen und schließlich eine Lehre als Gas- und Wasserinstallateur begonnen, welche noch nicht abgeschlossen ist. Ausweislich des vom Kläger vorgelegten Zwischenzeugnisses seines Arbeitgebers vom 22.10.2012 ist dieser weiter sehr zufrieden mit seiner Arbeit. Er sei freundlich, pünktlich, vielseitig, flexibel und kundenorientiert. Der Kläger ist außerdem seit vielen Jahren nicht mehr drogen- oder spielsüchtig. Er hat enge Bindungen an seine Eltern, bei denen er zur Zeit wohnt, und an seine älteren Schwestern. Seine beiden Kinder, mit denen er jedes zweite Wochenende und die Hälfte der Schulferien verbringt, sind ihm sehr wichtig. Wegen seiner Schulden läuft seit mehreren Jahren ein Privatinsolvenzverfahren, aufgrund dessen damit zu rechnen ist, dass er bald schuldenfrei sein wird. Die Berichte der Justizvollzugsanstalt über sein Verhalten während der Strafhaft waren durchgehend positiv. Darin wird insbesondere geschildert, dass er als freundlich, zugänglich und höflich beschrieben werde, sich im offenen wie im geschlossenen Vollzug vorbildlich verhalten und erfolgreich am Vollzugsziel mitgearbeitet sowie am Arbeitsleben regelmäßig und verlässlich teilgenommen habe, nicht wegen Drogen aufgefallen sei und seine Drogenabstinenz auch unter Beweis habe stellen können. In einer Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft vom 20.10.2011 wird dargelegt, dass der Kläger von seiner Inhaftierung nachhaltig beeindruckt erscheine. Es werde nicht angenommen, dass er erneut straffällig werde.
44 
Auch das kriminalprognostische Gutachten vom 03.03.2012 kommt zu dem Ergebnis, dass aus gutachterlicher Sicht die durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit beim Kläger nicht mehr fortbestehe. Die Gutachter berücksichtigen dabei die Vorstrafen wegen Diebstahls-, Körperverletzungs- und Verkehrsdelikten sowie wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln, und weisen darauf hin, dass damals wohl Ansätze einer dissozialen Entwicklung bestanden haben könnten. In der Folge bis zu der Straftat Ende 2008 sei es jedoch zu einer zunehmenden Stabilisierung gekommen, die möglicherweise im Zusammenhang mit der Gründung einer Familie und der Geburt der Kinder zu sehen sei. Den bis dahin noch regelmäßigen Cannabiskonsum habe der Kläger aus eigenem Antrieb 2006 vollständig eingestellt, auch das Spielen habe er im gleichen Zeitraum beendet. Mit dem der Verurteilung zugrundeliegenden Delikt sei er erstmals mit einem schweren Delikt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Dabei habe es sich um ein Tatgeschehen gehandelt, welches sich in einer spezifischen Gruppendynamik abgespielt habe. Der Kläger habe zum damaligen Zeitpunkt einer Teilhaberschaft in dem Wettbüro entgegengesehen und sich dort in verantwortlicher Position gesehen. Er sei der festen Überzeugung gewesen, dass N.G. mit dem Einbruch in das Wettbüro zu tun gehabt habe, und habe sich subjektiv zunächst berechtigt gesehen, diese als quasi bei ihm Angestellte selbst einer diesbezüglichen Befragung zu unterziehen. Im Zuge des Geschehens sei es dann unter Mitwirkung der anderen Tatbeteiligten zu einer Dynamik gekommen, die vom Kläger in dieser Form ursprünglich gar nicht intendiert gewesen sein möge. Insgesamt sei festzuhalten, dass die Dynamik nicht ausschließlich der Initiative des Klägers anzulasten sei. Insofern komme den situativen Gegebenheiten (Empörung über die vermeintliche Untreue einer Angestellten, Dynamik der Tätergruppe) eine hohe Bedeutung bei dem deliktischen Geschehen zu. Daher knüpfe das zur Verurteilung führende Delikt nur in Teilen an die frühere Delinquenz des Klägers an, nämlich soweit der Wunsch, von den anderen durch sein Handeln Anerkennung und Geltung zu erlangen, auch eine Rolle gespielt haben möge. Der Kläger habe bereits bei der ersten Vernehmung durch die Polizei seine eigene Rolle bei dem Geschehen umfassend eingeräumt und im Wesentlichen nicht versucht, seinen Anteil am Tatgeschehen herunterzuspielen oder zu bagatellisieren. Auch habe er sich offensichtlich früh um eine partielle Wiedergutmachung gegenüber dem Opfer bemüht. Es sei spürbar, dass er sich mit der Tat auseinandergesetzt habe und sich für sein damaliges Verhalten schäme. Er habe sogar selbst angegeben, dass er der Meinung sei, mit seiner damaligen Wut auf das Opfer die Mittäter quasi „angeheizt“ zu haben. Insofern habe er Verantwortung für sein damaliges Handeln übernommen. Zusätzlich habe er die Möglichkeit genutzt, im Rahmen der Haft an einem spezifischen Gruppenprogramm für aggressive Gewalttäter teilzunehmen. Insgesamt sei beim Kläger von einer zufriedenstellenden Tataufarbeitung auszugehen, was als ein prognostisch günstiger Faktor zu werten sei. Er habe sich zudem während der Haftzeit beruflich weiter qualifiziert, um dadurch die Perspektiven für eine verbesserte soziale Integration nach einer möglichen Entlassung aus der Haft zu verbessern. Dabei sei ihm durchgängig eine hohe Arbeitsmotivation bescheinigt worden. Er habe sich außerdem bereits in umfangreichen Lockerungen bewähren können. Es sei im Rahmen der Begutachtung erkennbar gewesen, dass er ernsthaft daran interessiert sei, ein straffreies Leben zu führen und sich sozial und beruflich zu integrieren. Er verfüge über tragfähige soziale Bindungen, die sich in erster Linie auf seine Eltern und Schwestern bezögen. Spürbar sei geworden, dass er auch ein starkes Interesse an den regelmäßigen Kontakten zu seinen Kindern habe und diese nicht gefährden wolle. Die von ihm geschilderten beruflichen und sozialen Perspektiven erschienen realistisch und tragfähig. Für das Vorliegen einer erheblichen dissozialen Akzentuierung in der Persönlichkeit des Klägers fänden sich keine ausreichenden Hinweise. In der Gesamtwürdigung überwögen somit trotz der einschlägigen Vordelinquenz die prognostisch günstigen Aspekte bei weitem.
45 
Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als Sachverständiger angehörte Gutachter H. S... hat seine Prognose - nach Anhörung und Befragung des Klägers - weiter erläutert. Er hat überzeugend begründet, dass und warum gerade auch unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung des Klägers seit seiner Entlassung aus der Strafhaft nicht anzunehmen ist, dass von diesem noch eine relevante Gefahr der Begehung erheblicher Straftaten ausgeht. Zwar war ihm zum Zeitpunkt der Begutachtung nicht bekannt gewesen, dass gegen den Kläger auch wegen Vorfällen am 24.04.2003, am 24.12.2005, am 01.11.2006 und am 12.10.2008 strafrechtliche Ermittlungsverfahren bzw. Strafverfahren unter anderem wegen Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung liefen, welche eingestellt wurden. Er hat aber - nach Einsicht in die entsprechenden Akten bzw. Unterlagen - überzeugend dargelegt, dass dies im Ergebnis nicht zu einer anderen Einschätzung führt. Auf Nachfrage hat er allerdings erläutert, dass die Gefahr, dass eine Körperverletzung begangen werde, aufgrund der niedrigeren Hemmschwelle als größer einzuschätzen sei als die, dass der Kläger wieder ein schwereres Delikt wie die Geiselnahme begehen könnte. Der Gutachter hat aber deutlich gemacht, dass das Risiko der Begehung von Körperverletzungs- und Gewaltdelikten ebenfalls aufgrund der positiven Veränderungen geringer geworden sei - wenn es sich auch nicht ausschließen lasse. Für den Kläger sei maßgeblich der Wille, sein Leben zu ändern, in der Arbeit Fuß zu fassen, ein geregeltes Leben zu führen und regelmäßigen Kontakt zu seinen Kindern zu haben. Dies sei für ihn eine starke Motivation, sich nicht mehr in Situationen zu begeben, die zu körperlichen Auseinandersetzungen führen könnten.
46 
Dass der Kläger die Tat ernsthaft bereut und den festen Willen hat, den eingeschlagenen positiven Weg weiter zu gehen und nicht mehr straffällig zu werden, haben seine Angaben in der mündlichen Verhandlung glaubhaft verdeutlicht. Gerade wegen seiner starken Bindungen an seine Kinder, seine Eltern und Schwestern ist die Gefahr, dass ihm dies nicht gelingen könnte, als gering einzuschätzen. Die Bewährungshelferin berichtet über den bisherigen Bewährungsverlauf in ihrer Stellungnahme vom 18.09.2012 ebenfalls nur Positives.
47 
b) Selbst wenn man von einer - die maßgebliche Erheblichkeitsschwelle (gerade) noch übersteigenden - Wiederholungsgefahr ausginge, ist die Ausweisung hier unzulässig. Denn auch dann fehlt es an einer hinreichend schweren Gefahr für ein "Grundinteresse der Gesellschaft".
48 
Wie ausgeführt, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 08.12.2011, a.a.O., Rn. 85) bei der Entscheidung über eine Ausweisung von assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen bzw. bei der Überprüfung einer entsprechenden Entscheidung eine umfassende Abwägung der angeführten Belange vorzunehmen. Anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen ist die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abzuwägen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Der Gerichtshof betont, dass bei der Prüfung des Vorliegens einer hinreichend schweren Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft sämtliche konkreten Umstände angemessen zu berücksichtigen seien, die für die Situation des Betreffenden kennzeichnend sind. Dazu zählt er nicht nur Tatsachen, die von Relevanz für die kriminalprognostische Beurteilung sind, sondern unabhängig davon die persönlichen Umstände des Betreffenden, seine Bindungen zur Gesellschaft des Landes, in welchem er sich aufhält, die Dauer seines Aufenthalts in diesem, die familiären Verhältnisse, seine Berufstätigkeit u.a. (vgl. Urteil vom 08.12.2011. a.a.O., Rn. 85). Die Maßnahme muss für die Wahrung des Grundinteresses der Gesellschaft "unerlässlich" sein (EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O., Rn. 86), das bedeutet, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. Senatsurteil vom 10.02.2012, a.a.O., m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 10.07.2012, a.a.O.).
49 
aa) Nach diesen Grundätzen entspricht die Ausweisung hier schon deshalb nicht mehr einem Grundinteresse der Gesellschaft, weil mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Karlsruhe vom 25.04.2012 die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 30.06.2009 zur Bewährung ausgesetzt und der Kläger daraufhin am 30.04.2012 aus der Strafhaft entlassen worden ist.
50 
Nach der Rechtsprechung des Senats kommt einer Aussetzung der Reststrafe nach § 57 Abs. 1 und 2 StGB oder nach § 88 Abs. 1 und 2 JGG nicht nur eine Indizwirkung bei der Prüfung zu, ob von der Gefahr der Wiederholung von Straftaten auszugehen ist. Vielmehr hat diese bei Unionsbürgern und Assoziationsberechtigten regelmäßig zur Folge, dass eine Ausweisung ausscheiden muss (vgl. Senatsurteil vom 07.03.2012, a.a.O.). Denn mit der Aussetzung der Strafe bringt die Gesellschaft des Mitgliedstaats zum Ausdruck, dass sie um des Täters und seiner Resozialisierung willen - durchaus nicht risikofrei - bereit ist, diesem ein Leben in Freiheit, wenn auch zunächst mit gewissen Auflagen, zu ermöglichen. Es kann dann schwerlich einem Grundinteresse der gesamten Gesellschaft des Mitgliedstaats entsprechen, den Betroffenen gleichwohl vom eigenen Territorium zu entfernen und ihm die Chance einer Resozialisierung in dem Land, in dem er zuletzt gelebt hat, zu nehmen. Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn er in diesem Land längere Zeit gelebt und dort wesentliche Teile seiner Sozialisierung erfahren hat. Etwas anderes kann zwar gelten, wenn die Aussetzungsentscheidung sich als offenkundig fehlerhaft erweist oder aber infolge aktueller Entwicklungen überholt ist und damit keine zuverlässige Prognosegrundlage mehr abgeben kann. Das ist aber hier nicht der Fall. Aus den angeführten Gründen teilt der Senat vielmehr die Einschätzung des kriminalprognostischen Gutachtens vom 03.03.2012 und damit auch die dem Gutachten folgende Bewertung der Wiederholungsgefahr durch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Karlsruhe in deren Beschluss vom 25.04.2012.
51 
bb) Selbst wenn man dem Umstand, dass die Restfreiheitsstrafe aus dem Strafurteil vom 30.06.2009 zur Bewährung ausgesetzt worden ist, keine derart maßgebliche Bedeutung beimisst, scheidet eine Ausweisung hier aus. Denn die erforderliche Abwägung aller Umstände führt zu einem deutlichen Überwiegen der privaten Interessen des Klägers und der Interessen seiner Familienangehörigen, insbesondere seiner Kinder, gegenüber dem gesellschaftlichen Interesse an seiner Ausweisung.
52 
Dabei ist zunächst zu bedenken, dass selbst wenn in diesem Zusammenhang das Bestehen der Gefahr der Wiederholung weiterer Straftaten unterstellt wird, es allenfalls um eine relativ geringe, die erforderliche Erheblichkeitsschwelle gerade noch übersteigende Gefahr geht. Allerdings sind zu Lasten des Klägers unter anderem Art und Schwere der begangenen Straftat, die vor 2008, vor allem in seiner Jugend begangenen Delikte und die früher bestehende Drogen- und Spielsucht zu berücksichtigen. Für den Kläger, der sich seit seiner Geburt rechtmäßig in Deutschland aufhält, sprechen aber die bereits angeführten Umstände wie die weitgehend erreichte Resozialisierung und die dabei von ihm unternommenen Anstrengungen sowie die Tatsache, dass er eine Lehre durchführt. Seinem berechtigten Interesse an einem positiven und erfolgversprechenden Resozialisierungsverlauf in seinem „Geburtsland“ ist hier besonderes Gewicht beizumessen (vgl. zur Erforderlichkeit der Berücksichtigung eines positiven Resozialisierungsprozesses im Rahmen der Abwägung auch Senatsurteil vom 16.04.2012, a.a.O). Die insgesamt sehr erfolgversprechende Entwicklung des Klägers würde gefährdet, wenn er Deutschland verlassen müsste. Ausschlaggebend für das Überwiegen der privaten Interessen des Klägers und seiner Familie sind aber hier seine gefestigten Bindungen an seine Eltern, seine älteren Schwestern und vor allem an seine 2002 und 2004 geborenen deutschen Kinder. Dem tatsächlich gelebten regelmäßigen Umgang eines Elternteils mit einem Kind kommt eine erhebliche und weitreichende, durch Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK vermittelte Schutzwirkung zu (vgl. zu Art. 6 GG nur BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 09.01.2009 - 2 BvR 1064/08 - InfAuslR 2009, 150 und vom 22.12.2003 - 2 BvR 2108/00 - NVwZ 2004, 606, jew. m.w.N.), die durch dessen deutsche Staatsangehörigkeit noch verstärkt wird. Eine - wenn auch nur vorübergehende - Trennung hätte für die 2002 und 2004 geborenen Kinder erhebliche Auswirkungen. Die mit einer Ausweisung für den Kläger und dessen Familienangehörige, insbesondere für dessen Kinder, verbundenen Folgen sind deshalb auch mit Blick auf die Schutzwirkungen von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK als unverhältnismäßig anzusehen.
B)
53 
Unter diesen Umständen ist auch die im Bescheid vom 12.10.2010 verfügte Abschiebungsandrohung rechtswidrig und aufzuheben.
54 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
55 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
56 
Beschluss vom 26. Oktober 2012
57 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
58 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
27 
Die aufgrund der Zulassung durch das Verwaltungsgericht insgesamt statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und formell ordnungsgemäß begründete (vgl. § 124a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO) Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 25.03.2011 (3 K 2796/10) hat bereits mit dem Hauptantrag Erfolg. Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.10.2010 ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - InfAuslR 2008, 156, und vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - juris) begründet. Die darin unter Ziffer 1 verfügte Ausweisung und die Abschiebungsandrohung unter Ziffern 2 und 3 sind rechtswidrig und verletzen dadurch den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
A)
28 
Die Ausweisung ist zwar entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht formell rechtswidrig, sie ist aber wegen materieller Rechtsfehler aufzuheben.
I.
29 
Rechtsgrundlage sind hier die §§ 55 Abs. 1, 56 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19.09.1980 - ARB 1/80. Denn der Kläger hat - wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 inne, welche er auch nicht durch die mehrjährige Inhaftierung verloren hat. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil vom 25.03.2011 verwiesen.
30 
Die Tatsache, dass die Kinder des Klägers deutsche Staatsangehörige sind, begründet keinen weitergehenden unionsrechtlichen Ausweisungsschutz (vgl. hierzu EuGH, Urteile vom 05.05.2011 - Rs. C-434/09, McCarthy - InfAuslR 2011, 268, und vom 15.11.2011 - Rs. C-256/11, Dereci - InfAuslR 2012, 47; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - NVwZ-RR 2012, 412).
II.
31 
Die Entscheidung des Regierungspräsidiums ist nicht - mit Blick auf die assoziationsrechtliche Rechtsstellung des Klägers - deshalb als verfahrensfehlerhaft anzusehen, weil keine „unabhängige zweite Stelle“ eingeschaltet bzw. kein Vorverfahren durchgeführt worden ist.
32 
Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers folgt ein Anspruch auf Durchführung eines Widerspruchsverfahrens insbesondere nicht aus dem in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 normierten „Vier-Augen-Prinzip“. Denn diese Richtlinie ist gemäß Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG vom 29.04.2004 (Unionsbürgerrichtlinie) mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden. Damit ist auch deren Art. 9 nicht mehr – entsprechend – auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige anzuwenden (vgl. zur früheren Anwendung des „Vier-Augen-Prinzips“ BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - InfAuslR 2006, 110). Geltende unionsrechtliche Verfahrensgarantien begründen ebenfalls nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen. Aus den so genannten "Stillhalteklauseln" folgt keine andere Betrachtung. Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens. Im Übrigen gebietet Unionsrecht auch bei Ausweisungen von Unionsbürgern keine behördliche Kontrolle mehr nach dem "Vier-Augen-Prinzip" (vgl. stattdessen Art. 31 Abs. 1 Unionsbürgerrichtlinie; vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 10.07.2012, a.a.O.; Senatsurteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -NVwZ-RR 2012, 492).
III.
33 
Die Ausweisung ist jedoch materiell-rechtlich rechtswidrig. Der Kläger hat zwar aufgrund seiner Verurteilung durch das Landgericht Karlsruhe vom 30.06.2009 wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und 10 Monaten nach nationalem Recht den Tatbestand einer zwingenden Ausweisung nach § 53 Nr. 1 AufenthG erfüllt. Sie genügt aber nicht den besonderen Anforderungen des Art. 14 ARB 1/80 in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.
34 
1. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003, der so genannten Daueraufenthaltsrichtlinie, zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012, a.a.O.).
35 
Gemäß Art. 12 der Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. Senatsurteil vom 16.04.2012, a.a.O., m.w.N.; vgl. auch Bayer. VGH, Urteil vom 17.07.2012 - 19 B 12.417 - juris; zum Ausweisungsschutz vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2007 - C 349/06, Polat - juris). Soweit der Gerichtshof im Urteil vom 08.12.2011 in der Rechtssache Ziebell mehrmals erwähnt hat (a.a.O. Rn. 79, auch Rn. 46), dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält, wird damit keine zusätzliche Voraussetzung für die entsprechende Anwendung von Art. 12 der Richtlinie 2003/109/EG bestimmt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrundeliegende Tatsache wiedergegeben (vgl. dazu Senatsurteile vom 16.04.2012, vom 07.03.2012 und vom 10.02.2012, jew. a.a.O.).
36 
Bei der Prüfung einer entsprechenden Ausweisung ist zudem zu berücksichtigen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen sind, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann. Das bedeutet, dass Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden dürfen, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren. Eine solche Maßnahme kann daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention - um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken - angeordnet werden (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteile vom 08.12.2011, a.a.O., und vom 22.12.2010 - C-303/08, Bozkurt - NJW 2008, 2736, m.w.N.).
37 
2. Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Ausweisung bereits deshalb aus, weil vom Kläger keine relevante, d.h. mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit drohende, Gefahr der Wiederholung von einschlägigen Straftaten mehr ausgeht (a). Selbst wenn man eine entsprechende Wiederholungsgefahr noch bejaht, folgt daraus jedenfalls keine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Daueraufenthaltsrichtlinie und der angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (b).
38 
a) Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Akten und Unterlagen, insbesondere des von der Strafvollstreckungskammer im Verfahren auf Aussetzung der Reststrafe eingeholten, nachvollziehbaren und überzeugenden kriminalprognostischen Gutachtens vom 03.03.2012, der ergänzenden Erläuterungen des in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als Sachverständigen angehörten Gutachters sowie aufgrund der Angaben des Klägers zu der Überzeugung gelangt, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom Kläger nicht mehr die Gefahr der Wiederholung erheblicher Straftaten ausgeht.
39 
Bei der Prüfung, ob das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr darstellt, ist - anders als bei dem Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf das "Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“, abzustellen. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrundeliegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-482 und 493/01, Orfanopoulus und Oliveri - InfAuslR 2004, 268). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 04.10.2012 - 1 C 13.11 - juris, vom 10.07.2012, a.a.O., vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3, und vom 03.08.2004 - 1 C 30.02 - InfAuslR 2005, 18), der sich der Senat anschließt (vgl. auch Senatsurteil vom 23.10.2012 - 11 S 1470/12; einschränkend noch Senatsurteile vom 10.02.2012, a.a.O., und vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291), gelten bei Straftaten mit einer hervorgehobenen Bedeutung - wie der vorliegenden - für die im Rahmen tatrichterlicher Prognose festzustellende Wiederholungsgefahr eher geringere Anforderungen. Selbst wenn man danach einem differenzierten Wahrscheinlichkeitsmaßstab folgt, bedeutet dies aber nicht, dass bei hochrangigen Rechtsgütern bereits jede auch nur entfernte Möglichkeit eine Wiederholungsgefahr begründet (BVerwG, Urteil vom 10.07.2012, a.a.O., m.w.N.). Vielmehr müssen - wie bei Ausländern, denen besonderer Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 AufenthG zukommt (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 - InfAuslR 2005, 49, vom 11.06.1996 - 1 C 24.94 - InfAuslR 1997, 8; Senatsurteil vom 23.10.2012 - 11 S 1470/11) - Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in Zukunft eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft droht und damit von dem Betreffenden eine bedeutsame Gefahr ausgeht. Eine weitere Absenkung der maßgeblichen Erheblichkeitsschwelle in der Weise, dass die Betroffenen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hätten, dass die Begehung von Straftaten in Zukunft mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, würde diesen letztlich Unzumutbares, wenn nicht Unmögliches abverlangen.
40 
Im vorliegenden Fall kann zwar die Möglichkeit weiterer Straftaten, insbesondere von Gewaltdelikten, nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, sie erscheint aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als derart fernliegend, dass sie die in Ansehung des bestehenden Assoziationsrechts des Klägers erforderliche Erheblichkeitsschwelle nicht übersteigt.
41 
Zu Lasten des Klägers sind in diesem Zusammenhang allerdings zunächst die Schwere des begangenen Delikts und die konkrete Tatausführung zu berücksichtigen. Der Ausweisungsanlass - die begangene Straftat der Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung - ist besonders gravierend. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat in dem angefochtenen Bescheid außerdem zu Recht auf die besonderen Umstände der Straftat hingewiesen. Die Geiselnahme zog sich über dreieinhalb Stunden hin. Der Kläger und seine Mittäter haben dabei versucht, N.G. durch eine menschenunwürdige Befragung, insbesondere mit der Bedrohung, sie zu erschießen, wodurch diese in Todesangst versetzt wurde, dazu zu bringen, den angeblich unter Mitwirkung von ihr und ihrem Freund am Vortag begangenen Einbruch zu gestehen. Der Kläger selbst hatte am Vortag vorgeschlagen, N.G. zu befragen und ihr gegebenenfalls Ohrfeigen zu versetzen. Zwar hat dann der Haupttäter B.A. das Opfer geohrfeigt und nicht der Kläger. Auch hatte B.A. die Schreckschusspistole, mit der N.G. bedroht wurde, ohne Wissen der anderen mitgenommen. Die Mittäter schritten aber jedenfalls nicht gegen B.A. ein, sondern nutzten die durch dessen Vorgehen bewirkte Todesangst der N.G. weiter aus. Der Kläger bedrohte diese dann auch mit den Worten, dass sie nicht lebend aus dem Keller herauskommen würde, wenn sie die angebliche Straftat nicht zugeben würde. Nachdem B.A. den Keller verlassen hatte, befragten der Kläger, Ö.A. und T.K. das Opfer zunächst weiter, bevor sie dieses freiließen. Der Kläger nahm damit massive körperliche und psychische Schädigungen der N.G. billigend in Kauf. Wenn auch er und die verbliebenen Mittäter in der Folge von einer weiteren Tatausführung absahen, weshalb das Strafgericht von einer tätigen Reue ausgegangen ist, teilt der Senat die Einschätzung des Regierungspräsidiums, dass die Tat und die Tatumstände für ein erhebliches Maß an krimineller Energie des Klägers sprechen. Es handelt sich um eine besonders gravierende und mit einer erschreckenden Härte und Mitleidlosigkeit begangene Straftat (vgl. dazu auch das Urteil im Parallelverfahren des Ö.A. vom 23.10.2012 - 11 S 1470/11 -).
42 
Beim Kläger kommt erschwerend hinzu, dass er in der Vergangenheit bereits mehrmals wegen Gewalt- und Betäubungsmitteldelikten bestraft wurde, vor der Geiselnahme zuletzt durch Strafbefehl des Amtsgerichts Karlsruhe vom 04.02.2002 wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 133 Fällen. Bei den davor liegenden einschlägigen Verurteilungen wegen gefährlicher Körperverletzung vom 18.01.2001, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung vom 19.10.1998, sowie wegen gemeinschaftlicher Erpressung und versuchter Erpressung in Tateinheit mit Nötigung vom 28.03.1996 wurde jeweils Jugendstrafrecht angewandt.
43 
Selbst wenn man auch die lediglich im Jugendstrafregister eingetragenen Verurteilungen uneingeschränkt mit einstellt, ist aber heute davon auszugehen, dass keine Gefahr der Wiederholung entsprechender Straftaten mehr besteht. Dabei ist zunächst zu bedenken, dass die Geiselnahme inzwischen fast vier Jahre zurückliegt. Der Kläger war über drei Jahre lang in Untersuchungs- und Strafhaft, welche ihn erkennbar tief beeindruckt hat. Er hat während der Strafhaft an einem Anti-Gewalt-Training teilgenommen, diverse Aus- bzw. Weiterbildungsangebote angenommen und schließlich eine Lehre als Gas- und Wasserinstallateur begonnen, welche noch nicht abgeschlossen ist. Ausweislich des vom Kläger vorgelegten Zwischenzeugnisses seines Arbeitgebers vom 22.10.2012 ist dieser weiter sehr zufrieden mit seiner Arbeit. Er sei freundlich, pünktlich, vielseitig, flexibel und kundenorientiert. Der Kläger ist außerdem seit vielen Jahren nicht mehr drogen- oder spielsüchtig. Er hat enge Bindungen an seine Eltern, bei denen er zur Zeit wohnt, und an seine älteren Schwestern. Seine beiden Kinder, mit denen er jedes zweite Wochenende und die Hälfte der Schulferien verbringt, sind ihm sehr wichtig. Wegen seiner Schulden läuft seit mehreren Jahren ein Privatinsolvenzverfahren, aufgrund dessen damit zu rechnen ist, dass er bald schuldenfrei sein wird. Die Berichte der Justizvollzugsanstalt über sein Verhalten während der Strafhaft waren durchgehend positiv. Darin wird insbesondere geschildert, dass er als freundlich, zugänglich und höflich beschrieben werde, sich im offenen wie im geschlossenen Vollzug vorbildlich verhalten und erfolgreich am Vollzugsziel mitgearbeitet sowie am Arbeitsleben regelmäßig und verlässlich teilgenommen habe, nicht wegen Drogen aufgefallen sei und seine Drogenabstinenz auch unter Beweis habe stellen können. In einer Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft vom 20.10.2011 wird dargelegt, dass der Kläger von seiner Inhaftierung nachhaltig beeindruckt erscheine. Es werde nicht angenommen, dass er erneut straffällig werde.
44 
Auch das kriminalprognostische Gutachten vom 03.03.2012 kommt zu dem Ergebnis, dass aus gutachterlicher Sicht die durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit beim Kläger nicht mehr fortbestehe. Die Gutachter berücksichtigen dabei die Vorstrafen wegen Diebstahls-, Körperverletzungs- und Verkehrsdelikten sowie wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln, und weisen darauf hin, dass damals wohl Ansätze einer dissozialen Entwicklung bestanden haben könnten. In der Folge bis zu der Straftat Ende 2008 sei es jedoch zu einer zunehmenden Stabilisierung gekommen, die möglicherweise im Zusammenhang mit der Gründung einer Familie und der Geburt der Kinder zu sehen sei. Den bis dahin noch regelmäßigen Cannabiskonsum habe der Kläger aus eigenem Antrieb 2006 vollständig eingestellt, auch das Spielen habe er im gleichen Zeitraum beendet. Mit dem der Verurteilung zugrundeliegenden Delikt sei er erstmals mit einem schweren Delikt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Dabei habe es sich um ein Tatgeschehen gehandelt, welches sich in einer spezifischen Gruppendynamik abgespielt habe. Der Kläger habe zum damaligen Zeitpunkt einer Teilhaberschaft in dem Wettbüro entgegengesehen und sich dort in verantwortlicher Position gesehen. Er sei der festen Überzeugung gewesen, dass N.G. mit dem Einbruch in das Wettbüro zu tun gehabt habe, und habe sich subjektiv zunächst berechtigt gesehen, diese als quasi bei ihm Angestellte selbst einer diesbezüglichen Befragung zu unterziehen. Im Zuge des Geschehens sei es dann unter Mitwirkung der anderen Tatbeteiligten zu einer Dynamik gekommen, die vom Kläger in dieser Form ursprünglich gar nicht intendiert gewesen sein möge. Insgesamt sei festzuhalten, dass die Dynamik nicht ausschließlich der Initiative des Klägers anzulasten sei. Insofern komme den situativen Gegebenheiten (Empörung über die vermeintliche Untreue einer Angestellten, Dynamik der Tätergruppe) eine hohe Bedeutung bei dem deliktischen Geschehen zu. Daher knüpfe das zur Verurteilung führende Delikt nur in Teilen an die frühere Delinquenz des Klägers an, nämlich soweit der Wunsch, von den anderen durch sein Handeln Anerkennung und Geltung zu erlangen, auch eine Rolle gespielt haben möge. Der Kläger habe bereits bei der ersten Vernehmung durch die Polizei seine eigene Rolle bei dem Geschehen umfassend eingeräumt und im Wesentlichen nicht versucht, seinen Anteil am Tatgeschehen herunterzuspielen oder zu bagatellisieren. Auch habe er sich offensichtlich früh um eine partielle Wiedergutmachung gegenüber dem Opfer bemüht. Es sei spürbar, dass er sich mit der Tat auseinandergesetzt habe und sich für sein damaliges Verhalten schäme. Er habe sogar selbst angegeben, dass er der Meinung sei, mit seiner damaligen Wut auf das Opfer die Mittäter quasi „angeheizt“ zu haben. Insofern habe er Verantwortung für sein damaliges Handeln übernommen. Zusätzlich habe er die Möglichkeit genutzt, im Rahmen der Haft an einem spezifischen Gruppenprogramm für aggressive Gewalttäter teilzunehmen. Insgesamt sei beim Kläger von einer zufriedenstellenden Tataufarbeitung auszugehen, was als ein prognostisch günstiger Faktor zu werten sei. Er habe sich zudem während der Haftzeit beruflich weiter qualifiziert, um dadurch die Perspektiven für eine verbesserte soziale Integration nach einer möglichen Entlassung aus der Haft zu verbessern. Dabei sei ihm durchgängig eine hohe Arbeitsmotivation bescheinigt worden. Er habe sich außerdem bereits in umfangreichen Lockerungen bewähren können. Es sei im Rahmen der Begutachtung erkennbar gewesen, dass er ernsthaft daran interessiert sei, ein straffreies Leben zu führen und sich sozial und beruflich zu integrieren. Er verfüge über tragfähige soziale Bindungen, die sich in erster Linie auf seine Eltern und Schwestern bezögen. Spürbar sei geworden, dass er auch ein starkes Interesse an den regelmäßigen Kontakten zu seinen Kindern habe und diese nicht gefährden wolle. Die von ihm geschilderten beruflichen und sozialen Perspektiven erschienen realistisch und tragfähig. Für das Vorliegen einer erheblichen dissozialen Akzentuierung in der Persönlichkeit des Klägers fänden sich keine ausreichenden Hinweise. In der Gesamtwürdigung überwögen somit trotz der einschlägigen Vordelinquenz die prognostisch günstigen Aspekte bei weitem.
45 
Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als Sachverständiger angehörte Gutachter H. S... hat seine Prognose - nach Anhörung und Befragung des Klägers - weiter erläutert. Er hat überzeugend begründet, dass und warum gerade auch unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung des Klägers seit seiner Entlassung aus der Strafhaft nicht anzunehmen ist, dass von diesem noch eine relevante Gefahr der Begehung erheblicher Straftaten ausgeht. Zwar war ihm zum Zeitpunkt der Begutachtung nicht bekannt gewesen, dass gegen den Kläger auch wegen Vorfällen am 24.04.2003, am 24.12.2005, am 01.11.2006 und am 12.10.2008 strafrechtliche Ermittlungsverfahren bzw. Strafverfahren unter anderem wegen Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung liefen, welche eingestellt wurden. Er hat aber - nach Einsicht in die entsprechenden Akten bzw. Unterlagen - überzeugend dargelegt, dass dies im Ergebnis nicht zu einer anderen Einschätzung führt. Auf Nachfrage hat er allerdings erläutert, dass die Gefahr, dass eine Körperverletzung begangen werde, aufgrund der niedrigeren Hemmschwelle als größer einzuschätzen sei als die, dass der Kläger wieder ein schwereres Delikt wie die Geiselnahme begehen könnte. Der Gutachter hat aber deutlich gemacht, dass das Risiko der Begehung von Körperverletzungs- und Gewaltdelikten ebenfalls aufgrund der positiven Veränderungen geringer geworden sei - wenn es sich auch nicht ausschließen lasse. Für den Kläger sei maßgeblich der Wille, sein Leben zu ändern, in der Arbeit Fuß zu fassen, ein geregeltes Leben zu führen und regelmäßigen Kontakt zu seinen Kindern zu haben. Dies sei für ihn eine starke Motivation, sich nicht mehr in Situationen zu begeben, die zu körperlichen Auseinandersetzungen führen könnten.
46 
Dass der Kläger die Tat ernsthaft bereut und den festen Willen hat, den eingeschlagenen positiven Weg weiter zu gehen und nicht mehr straffällig zu werden, haben seine Angaben in der mündlichen Verhandlung glaubhaft verdeutlicht. Gerade wegen seiner starken Bindungen an seine Kinder, seine Eltern und Schwestern ist die Gefahr, dass ihm dies nicht gelingen könnte, als gering einzuschätzen. Die Bewährungshelferin berichtet über den bisherigen Bewährungsverlauf in ihrer Stellungnahme vom 18.09.2012 ebenfalls nur Positives.
47 
b) Selbst wenn man von einer - die maßgebliche Erheblichkeitsschwelle (gerade) noch übersteigenden - Wiederholungsgefahr ausginge, ist die Ausweisung hier unzulässig. Denn auch dann fehlt es an einer hinreichend schweren Gefahr für ein "Grundinteresse der Gesellschaft".
48 
Wie ausgeführt, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 08.12.2011, a.a.O., Rn. 85) bei der Entscheidung über eine Ausweisung von assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen bzw. bei der Überprüfung einer entsprechenden Entscheidung eine umfassende Abwägung der angeführten Belange vorzunehmen. Anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen ist die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abzuwägen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Der Gerichtshof betont, dass bei der Prüfung des Vorliegens einer hinreichend schweren Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft sämtliche konkreten Umstände angemessen zu berücksichtigen seien, die für die Situation des Betreffenden kennzeichnend sind. Dazu zählt er nicht nur Tatsachen, die von Relevanz für die kriminalprognostische Beurteilung sind, sondern unabhängig davon die persönlichen Umstände des Betreffenden, seine Bindungen zur Gesellschaft des Landes, in welchem er sich aufhält, die Dauer seines Aufenthalts in diesem, die familiären Verhältnisse, seine Berufstätigkeit u.a. (vgl. Urteil vom 08.12.2011. a.a.O., Rn. 85). Die Maßnahme muss für die Wahrung des Grundinteresses der Gesellschaft "unerlässlich" sein (EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O., Rn. 86), das bedeutet, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. Senatsurteil vom 10.02.2012, a.a.O., m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 10.07.2012, a.a.O.).
49 
aa) Nach diesen Grundätzen entspricht die Ausweisung hier schon deshalb nicht mehr einem Grundinteresse der Gesellschaft, weil mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Karlsruhe vom 25.04.2012 die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 30.06.2009 zur Bewährung ausgesetzt und der Kläger daraufhin am 30.04.2012 aus der Strafhaft entlassen worden ist.
50 
Nach der Rechtsprechung des Senats kommt einer Aussetzung der Reststrafe nach § 57 Abs. 1 und 2 StGB oder nach § 88 Abs. 1 und 2 JGG nicht nur eine Indizwirkung bei der Prüfung zu, ob von der Gefahr der Wiederholung von Straftaten auszugehen ist. Vielmehr hat diese bei Unionsbürgern und Assoziationsberechtigten regelmäßig zur Folge, dass eine Ausweisung ausscheiden muss (vgl. Senatsurteil vom 07.03.2012, a.a.O.). Denn mit der Aussetzung der Strafe bringt die Gesellschaft des Mitgliedstaats zum Ausdruck, dass sie um des Täters und seiner Resozialisierung willen - durchaus nicht risikofrei - bereit ist, diesem ein Leben in Freiheit, wenn auch zunächst mit gewissen Auflagen, zu ermöglichen. Es kann dann schwerlich einem Grundinteresse der gesamten Gesellschaft des Mitgliedstaats entsprechen, den Betroffenen gleichwohl vom eigenen Territorium zu entfernen und ihm die Chance einer Resozialisierung in dem Land, in dem er zuletzt gelebt hat, zu nehmen. Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn er in diesem Land längere Zeit gelebt und dort wesentliche Teile seiner Sozialisierung erfahren hat. Etwas anderes kann zwar gelten, wenn die Aussetzungsentscheidung sich als offenkundig fehlerhaft erweist oder aber infolge aktueller Entwicklungen überholt ist und damit keine zuverlässige Prognosegrundlage mehr abgeben kann. Das ist aber hier nicht der Fall. Aus den angeführten Gründen teilt der Senat vielmehr die Einschätzung des kriminalprognostischen Gutachtens vom 03.03.2012 und damit auch die dem Gutachten folgende Bewertung der Wiederholungsgefahr durch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Karlsruhe in deren Beschluss vom 25.04.2012.
51 
bb) Selbst wenn man dem Umstand, dass die Restfreiheitsstrafe aus dem Strafurteil vom 30.06.2009 zur Bewährung ausgesetzt worden ist, keine derart maßgebliche Bedeutung beimisst, scheidet eine Ausweisung hier aus. Denn die erforderliche Abwägung aller Umstände führt zu einem deutlichen Überwiegen der privaten Interessen des Klägers und der Interessen seiner Familienangehörigen, insbesondere seiner Kinder, gegenüber dem gesellschaftlichen Interesse an seiner Ausweisung.
52 
Dabei ist zunächst zu bedenken, dass selbst wenn in diesem Zusammenhang das Bestehen der Gefahr der Wiederholung weiterer Straftaten unterstellt wird, es allenfalls um eine relativ geringe, die erforderliche Erheblichkeitsschwelle gerade noch übersteigende Gefahr geht. Allerdings sind zu Lasten des Klägers unter anderem Art und Schwere der begangenen Straftat, die vor 2008, vor allem in seiner Jugend begangenen Delikte und die früher bestehende Drogen- und Spielsucht zu berücksichtigen. Für den Kläger, der sich seit seiner Geburt rechtmäßig in Deutschland aufhält, sprechen aber die bereits angeführten Umstände wie die weitgehend erreichte Resozialisierung und die dabei von ihm unternommenen Anstrengungen sowie die Tatsache, dass er eine Lehre durchführt. Seinem berechtigten Interesse an einem positiven und erfolgversprechenden Resozialisierungsverlauf in seinem „Geburtsland“ ist hier besonderes Gewicht beizumessen (vgl. zur Erforderlichkeit der Berücksichtigung eines positiven Resozialisierungsprozesses im Rahmen der Abwägung auch Senatsurteil vom 16.04.2012, a.a.O). Die insgesamt sehr erfolgversprechende Entwicklung des Klägers würde gefährdet, wenn er Deutschland verlassen müsste. Ausschlaggebend für das Überwiegen der privaten Interessen des Klägers und seiner Familie sind aber hier seine gefestigten Bindungen an seine Eltern, seine älteren Schwestern und vor allem an seine 2002 und 2004 geborenen deutschen Kinder. Dem tatsächlich gelebten regelmäßigen Umgang eines Elternteils mit einem Kind kommt eine erhebliche und weitreichende, durch Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK vermittelte Schutzwirkung zu (vgl. zu Art. 6 GG nur BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 09.01.2009 - 2 BvR 1064/08 - InfAuslR 2009, 150 und vom 22.12.2003 - 2 BvR 2108/00 - NVwZ 2004, 606, jew. m.w.N.), die durch dessen deutsche Staatsangehörigkeit noch verstärkt wird. Eine - wenn auch nur vorübergehende - Trennung hätte für die 2002 und 2004 geborenen Kinder erhebliche Auswirkungen. Die mit einer Ausweisung für den Kläger und dessen Familienangehörige, insbesondere für dessen Kinder, verbundenen Folgen sind deshalb auch mit Blick auf die Schutzwirkungen von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK als unverhältnismäßig anzusehen.
B)
53 
Unter diesen Umständen ist auch die im Bescheid vom 12.10.2010 verfügte Abschiebungsandrohung rechtswidrig und aufzuheben.
54 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
55 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
56 
Beschluss vom 26. Oktober 2012
57 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
58 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. Mai 2011 - 11 K 2967/10 - ist unwirksam, soweit damit die Verfügung unter Ziffer 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19. Juli 2010 aufgehoben worden ist.

Im Übrigen wird auf die Berufung des beklagten Landes das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. Mai 2011 - 11 K 2967/10 - geändert. Die Klage gegen die Ausweisung unter Ziffer 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19. Juli 2010 wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.
Er ist am ...1960 in Sögütlü-Sivas geboren und türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 03.01.1997 nach Deutschland ein und stellte am 09.01.1997 einen Asylantrag, zu dessen Begründung er unter anderem vortrug: 1988 sei er wegen angeblicher Mitgliedschaft in der KAWA zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. 1991 sei er auf Bewährung entlassen worden, gleich nach Istanbul verzogen und dort Mitglied der HEP/DEP geworden. 1994 habe sich die HADEP aus diesen Parteien gebildet. Er sei in den Vorstand der HADEP für den Bezirk Istanbul-Kadiköy gewählt worden. Seitdem sei er von Polizisten bedroht worden. Mitte Dezember 1996 sei er von Polizisten zu Hause abgeholt worden. Um sein Leben zu retten, habe er zugesagt, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Es gebe keine offiziellen Mitgliedsausweise der HADEP. Er habe aber eine Fotokopie seines Aufnahmeantrags und seine HADEP-Delegiertenkarte dabei, außerdem eine notariell beglaubigte Sitzungsniederschrift des HADEP-Vorstands seines Bezirks. Dort sei er als Mitglied des Vorstands genannt. Die Namensliste der Vorstandsmitglieder der HADEP müsse an die zuständigen Sicherheitsstellen des jeweiligen Stadtbezirks gemeldet werden.
Mit Bescheid vom 20.02.1997 stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und des § 53 Abs. 4 AuslG hinsichtlich der Türkei vorliegen.
Auf eine Anfrage des Bundesamts vom 24.06.1999 teilte das Auswärtige Amt mit Schreiben vom 28.02.2000 mit, es habe Nachforschungen beim HADEP-Büro des Bezirks Istanbul-Kadiköy und dessen jetzigem Vorstand angestellt. Dort habe nicht bestätigt werden können, dass der Kläger in den Jahren 1994 bis 1996 Mitglied des Vorstands gewesen sei. Vielmehr sei er nicht einmal langjährigen Mitarbeitern mit Namen bekannt gewesen. Das Bundesamt leitete deswegen am 29.03.2000 ein Rücknahmeverfahren ein und nahm mit Bescheid vom 01.03.2007 die mit Bescheid vom 20.02.1997 getroffenen Feststellungen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG vorliegen, zurück und stellte gleichzeitig fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Türkei nicht vorliegen.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hob mit rechtskräftigem Urteil vom 08.10.2007 - A 11 K 300/07 - den Bescheid des Bundesamts vom 01.03.2007 auf und führte aus: Dem Kläger sei die Flüchtlingseigenschaft nicht aufgrund unrichtiger Angaben zuerkannt worden. Er habe seine Verfolgungsfurcht sowohl auf die Bedrohung wegen seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied der HADEP als auch auf die Nichteinhaltung seiner Zusage zur Zusammenarbeit mit der Polizei gestützt. Dass letzteres unrichtig sei, mache das Bundesamt nicht geltend. Im Übrigen interpretiere das Bundesamt die in vielen anderen Auskünften des Auswärtigen Amts verwendete Formulierung „es kann nicht bestätigt werden“ auch im vorliegenden Fall irrig dahin, dass das Gegenteil erwiesen sei. Durch die Vorlage der notariell beglaubigten Protokollabschrift einer Vorstandssitzung der HADEP des Bezirks Istanbul-Kadiköy vom 29.01.1995, in der der Kläger als Vorstandsmitglied genannt werde, habe er - obwohl die Darlegungs- und Beweislast beim Bundesamt liege - nachgewiesen, dass seine Angaben bei der Anhörung am 15.01.1997 nicht unrichtig gewesen seien. Der Änderungsbescheid könne auch nicht als Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufrechterhalten werden. Seit dem Bescheid vom 20.02.1997 seien keine Änderungen der maßgeblichen Verhältnisse in der Weise eingetreten, dass Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könnten.
Der Kläger ist seit dem 21.07.1995 mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet. Seine am 23.01.1998 in das Bundesgebiet eingereiste Ehefrau ist als Asylberechtigte anerkannt; auch ist festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Er erhielt erstmals am 10.04.1997 eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die mehrmals verlängert wurde. Am 07.05.2002 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Seit dem 04.04.2006 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG. Der Kläger verfügt über einen Reiseausweis für Flüchtlinge. Seine Ehefrau hat eine Niederlassungserlaubnis. Der Kläger lebt mit ihr und seinen beiden minderjährigen Kindern in familiärer Lebensgemeinschaft. Der am 04.03.1996 geborene Sohn R. hält sich seit 14.01.2000 im Bundesgebiet auf. Ein weiteres Kind wurde am 01.09.2001 in Stuttgart geboren.
Der Kläger war im Bundesgebiet seit dem 28.05.1998 erwerbstätig. In der Zeit von 02.11.2001 bis 31.07.2007 arbeitete er bei der Firma B. Dönerproduktions- und Fleischhandels GmbH in W. Am 17.04.2007 meldete der Kläger einen Betrieb im Nebenerwerb an, den er zum 03.12.2007 aufgab. Am 03.12.2007 meldete er mit Haupterwerb ab 01.01.2008 folgende Tätigkeit an: „An- und Verkauf einschließlich Einbau von Geräten der Gastronomie, Raumausstattung, Bodenleger, Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Montage und Trockenbau“. Dieses Gewerbe wurde zum 15.07.2009 abgemeldet. Seit Mitte Dezember 2010 arbeitet er im Gastronomiebetrieb seiner Ehefrau, zunächst mit geringfügiger Beschäftigung und jedenfalls seit März 2012 mit einer monatlichen Entlohnung von 600 EUR brutto.
Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (im Folgenden: LfV) teilte unter dem 23.06.2005 auf eine Anfrage der Stadt Stuttgart nach § 73 Abs. 2 und 3 AufenthG mit, dass der Kläger am 23.07.2000 als Beisitzer in den Vorstand des PKK-nahen Mesopotamischen Kulturvereins e.V. S...-... gewählt worden sei und am 02.02.2003 als Protokollführer bei der Mitgliederversammlung des genannten Vereins fungiert habe ohne jedoch für dessen Vorstand zu kandidieren. Darüber hinaus lägen folgende Polizeierkenntnisse vor: Am 31.05.2001 sei der Kläger in S... Leiter einer Kundgebung des Mesopotamischen Kulturvereins zum Thema „Die Zeit ist reif für Demokratie und Freiheit“ gewesen. Bei der Veranstaltung seien Bilder Öcalans sowie Fahnen der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) gezeigt worden, wogegen er nicht eingeschritten sei. Außerdem habe er im Juli 2001 im Rahmen der PKK-Identitätskampagne die Selbsterklärung „Auch ich bin ein PKK’ler“ unterzeichnet.
10 
In Kenntnis dieser Aktivitäten des Klägers und mit Blick darauf, dass dem Verfassungsschutzbericht 2004 eine Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch den Mesopotamischen Kulturverein nicht zu entnehmen sei, kam das Regierungspräsidium Stuttgart in einem internen Vermerk vom 09.12.2005 zu der Einschätzung, es seien keine Ausweisungsgründe nach § 54 Nr. 5 oder 5a AufenthG gegeben. Es teilte der Stadt S... unter dem 30.05.2006 mit, die Sicherheitsüberprüfung habe ergeben, dass Regelversagungsgründe nach § 5 Abs. 4 AufenthG nicht vorlägen. Vom Kläger sei jedoch eine Erklärung des Inhalts einzufordern, dass er die PKK bzw. aus ihr hervorgegangene Organisationen und ihre Ziele nicht (mehr) unterstütze. Nachdem festgestellt worden war, dass dem Kläger bereits am 04.04.2006 eine Niederlassungserlaubnis ausgehändigt worden war, wurde es - wie sich aus einer Mail vom 17.04.2007 an die Stadt S... ergibt - seitens des Regierungspräsidiums als sinnlos erachtet, im Nachhinein noch eine Distanzierungserklärung von ihm zu verlangen - zumal eine etwaige Aufenthaltsbeendigung nur im Wege der Ausweisung möglich wäre, wofür derzeit aber keine greifbaren Anhaltspunkte vorlägen, da eine gegenwärtige Gefährlichkeit nicht nachweisbar sei.
11 
Bereits am 22.12.2004 hatten der Kläger und seine Familie bei der Stadt S... ihre Einbürgerung beantragt. Das LfV teilte unter dem 19.01.2008 die in seinem Schreiben vom 23.06.2005 genannten Erkenntnisse sowie folgende weitere Erkenntnisse mit: Der Kläger habe am 14.05.2006 in S... an einer Versammlung von KONGRA-GEL-Anhängern anlässlich der Wahl des Volksgebietsrats dieser Organisation teilgenommen. Am 25.02.2007 sei er in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins Teilnehmer einer Vortragsveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern zu dem Thema „aktuelle politische Entwicklungen im Mittleren Osten und die Position der Kurden“ gewesen. Bei einer Durchsuchung des Mesopotamischen Kulturvereins am 15.12.2004 sei eine Mitgliederliste gefunden worden (Stand 01.07.2004), auf der der Kläger vermerkt gewesen sei. Zahlreiche Bücher, Broschüren sowie plakatähnliche Druckwerke seien beschlagnahmt worden, die den KONGRA-GEL thematisierten. Mit Schreiben vom 18.11.2008 gab das LfV weiter an, am 24.02.2008 sei der Kläger in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins Teilnehmer einer Mitgliederversammlung von KONGRA-GEL-Anhängern gewesen.
12 
Mit Schreiben vom 26.02.2009 sowie ergänzt durch Schreiben vom 08.05.2009 und 10.11.2009 an den Kläger bzw. seine Ehefrau teilte die Einbürgerungsbehörde unter anderem mit, es bestünden Zweifel an der Verfassungstreue, wie die Teilnahme an den durch das LfV mitgeteilten Veranstaltungen zeige. Es fehle der Nachweis der Sprachkenntnisse für die Ehefrau. Für den Kläger komme die Einbürgerung nicht in Betracht, da derzeit dessen Ausweisung geprüft werde. Am 16.11.2009 wurden die Einbürgerungsanträge zurückgenommen.
13 
Die im Einbürgerungsverfahren übermittelten Angaben des LfV wurden mit Schreiben vom 24.01.2008 und 12.11.2008 über das Innenministerium an das Regierungspräsidium Stuttgart übersandt.
14 
Mit Schreiben vom 23.12.2009 führte das LfV weiter aus, der Kläger sei am 30.11.2008 in S... bei einer Feier von KONGRA-GEL-Anhängern zum 30. Gründungsjahrestag der PKK und am 01.02.2009 Teilnehmer einer Märtyrer-Gedenkveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern in S... gewesen.
15 
Bereits am 28.07.2009 fand bei der Ausländerbehörde der Stadt S... in Anwesenheit eines Dolmetschers eine Sicherheitsbefragung des Klägers unter Nutzung eines standardisierten Fragebogens statt. Dem ging voraus, dass das Regierungspräsidium ausweislich eines Aktenvermerks vom 03.02.2009 zur Einschätzung gelangte, „die letzte Erkenntnis ist von 2/08, dabei Teilnahme an Märtyrer-Gedenkminute; aufgrund des hohen Ausweisungsschutzes Ausweisung kaum möglich, Sicherheitsbefragung, event. Verwarnung“. Das LfV bewertete die Sicherheitsbefragung unter dem 23.12.2009 dahingehend, dass der Kläger falsche Angaben gemacht habe, da er sich tatsächlich bis 2009 an politischen Veranstaltungen von KONGRA-GEL-Anhängern beteiligt, hierauf bezogene Fragen aber verneint habe. Unter dem 04.01.2010 übermittelte das Innenministerium die Bewertung der Sicherheitsbefragung durch das LfV vom 23.12.2009 an das Regierungspräsidium Stuttgart und bat um Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Ausweisung erfüllt sind.
16 
Das Regierungspräsidium hörte mit Schreiben vom 05.05.2010 den Kläger im Rahmen der Prüfung der Ausweisung an. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 räumte der Kläger die Tätigkeit im Mesopotamischen Kulturverein, die Leitung der Kundgebung am 31.05.2001, die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung, die Teilnahme an einer Feier am 30.11.2008 sowie den Besuch einer Veranstaltung in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins am 01.02.2009 ein.
17 
Mit Verfügung vom 19.07.2010 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger aus dem Bundesgebiet aus (Ziffer 1), verpflichtete ihn, sich einmal wöchentlich beim Polizeirevier F... unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers zu melden und beschränkte seinen Aufenthalt auf das Stadtgebiet S... (Ziffer 2). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 der Verfügung wurde angeordnet. Zur Begründung führte das Regierungspräsidium aus: Der Kläger erfülle unter Zugrundelegung der durch das LfV mitgeteilten Erkenntnisse den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die PKK sei eine terroristische Vereinigung. Durch den seit dem Jahr 2006 erfolgten regelmäßigen Besuch von Veranstaltungen, Versammlungen und Demonstrationen der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen habe der Kläger seine innere Nähe und Verbundenheit mehrfach und nachhaltig zum Ausdruck gebracht. Mit der Vielzahl entsprechender Aktivitäten habe er dazu beigetragen, die Stellung der PKK in der Gesellschaft, namentlich bei kurdischen Volkszugehörigen zu fördern. Die Veranstaltungen, an denen er teilgenommen habe, seien erkennbar auch darauf ausgerichtet gewesen, die Aktionsmöglichkeiten und das Rekrutierungsfeld der Vereinigung zu festigen und zu erweitern, so dass das latente Gefahrenpotential der Vereinigung insgesamt erhalten und verstärkt worden sei. Dass ein Großteil der vom Kläger besuchten Veranstaltungen nicht verboten gewesen sei, ändere nichts daran. Soweit er behaupte, er sei eher gegen seinen Willen bei vermeintlich kulturellen Veranstaltungen Zeuge einschlägiger Meinungsäußerungen und Aktionen geworden, ohne deren Zielsetzung zu unterstützen oder zu billigen, sei dies eine reine Schutzbehauptung. Er habe auch den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 6 AufenthG erfüllt. In der Sicherheitsbefragung habe er trotz Belehrung die Fragen 5.1. und 6.1 bezüglich Kontakten zur PKK und zu ihr nahestehenden Personen verneint, obwohl er sich bis mindestens 2009 an politischen Veranstaltungen von KONGRA-GEL-Anhängern beteiligt habe. Zudem habe er bei Frage 4.2 angegeben, im Februar 1990 in ... wegen einer unerlaubten Aktion festgenommen worden zu sein. Zuvor habe er die Frage 4.1 verneint. Besonderer Ausweisungsschutz nach Art. 14 ARB 1/80 stehe ihm nicht zu, denn seine Rechtsposition nach Art. 6 ARB 1/80 sei mit Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am 17.04.2007 erloschen. Der Kläger genieße aber besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung lägen durch die Erfüllung der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG vor (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein die gesetzliche Regelvermutung beseitigender Ausnahmefall sei nicht anzunehmen. Über die Ausweisung sei nach § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG nach Ermessen zu entscheiden. Er halte sich seit 13 Jahren ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet auf, verfüge über ein Daueraufenthaltsrecht und lebe mit Ehefrau und zwei minderjährigen Kindern in familiärer Lebensgemeinschaft. Er habe aufgrund seiner zunächst unselbstständigen und später selbstständigen Tätigkeit wirtschaftliche Bindungen im Bundesgebiet. Eine soziale Integration habe nicht stattgefunden. Er beherrsche die deutsche Sprache, wenn überhaupt, nur bruchstückhaft. Es bestehe der Eindruck, dass er bis heute nur im türkischen bzw. kurdischen PKK-nahen Umfeld Bekanntschaften pflege. Eine fortgeschrittene Integration, welche die vorhandenen öffentlichen (Sicherheits-)Interessen verdrängen oder überwiegen könnte, liege nicht vor. Dies gelte umso mehr als sein Aufenthalt im Bundesgebiet dazu diene, die stetige Verbindung zur PKK aufrechtzuhalten und diese bis jetzt aktiv zu unterstützen. Seine familiäre Lebensgemeinschaft falle unter den Schutz des Art. 6 GG, jedoch genieße die rein ausländische Ehe nur einen abgeschwächten Schutz. Dies gelte entsprechend für die gemeinsamen minderjährigen Kinder. Im Falle eines rechtskräftigen Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung bzw. des Abschiebungsverbots durch das Bundesamt wären dem Kläger und seiner Familie die Fortführung der familiären Lebensgemeinschaft in der Türkei durchaus zuzumuten, zumal er erst im Alter von 37 Jahren und seine Frau im Alter von 28 Jahren in das Bundesgebiet eingereist seien. Es sei davon auszugehen, dass innerhalb der Familie türkisch oder kurdisch gesprochen werde, so dass auch die Kinder kaum Schwierigkeiten hätten, sich in der Türkei zu integrieren. Ihm würde bei einer Ausreise in die Türkei nach Wegfall der Ausreisehindernisse keine politische Verfolgung drohen. Im Hinblick darauf, dass die Abwehr terroristischer Gefahren bereits im Vorfeld konkreter gewalttätiger Aktionen zu den Grundinteressen der Gesellschaft der Bundesrepublik gehöre, sei dem öffentlichen Interesse an der Ausweisung und Beendigung des Aufenthalts gegenüber dem privaten Interesse, von der Ausweisung verschont zu bleiben, der Vorrang einzuräumen. Die Ausweisung sei in spezialpräventiver Hinsicht erforderlich, um die von ihm konkret ausgehende Gefahr weiterer Unterstützungshandlungen zu verhindern. Der bisherige Verlauf seiner Unterstützungstätigkeit und die sonstigen Umstände ließen mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten, dass er diese sonst fortsetzen werde. Die mit der Ausweisung verbundenen Nachteile, den Aufenthaltstitel zu verlieren und Meldeauflagen dulden zu müssen, stünden nicht außer Verhältnis zu den mit der Ausweisung verbundenen Zwecken. Die Ausweisung stehe mit Art. 8 EMRK in Einklang.
18 
Am 06.08.2010 erhob der Kläger Klage gegen diesen Bescheid.
19 
Während des Klageverfahrens teilte das LfV mit Schreiben vom 08.10.2010 mit, der Kläger sei bei der Veranstaltung vom 14.05.2006 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden und am 07.06.2009 habe er sich in den damaligen Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins in S... an einer Veranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern beteiligt. Unter dem 04.02.2011 gab das LfV an, zum Vorsitzenden des damaligen Volksgebietsrats sei in der Versammlung vom 14.05.2006 K. gewählt worden.
20 
Zur Begründung seiner Klage trug der Kläger unter anderem vor, an den ihm vorgehaltenen Veranstaltungen vom 07.06.2009, 01.02.2009, 24.02.2008 und an derjenigen vom 14.05.2006 habe er nicht teilgenommen, insbesondere sei er auch nicht zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden. Im Übrigen bedeute die Teilnahme an friedlichen, nicht verbotenen Demonstrationen keine Unterstützung des Terrorismus, selbst wenn auf diesen Demonstrationen die Abzeichen einer verbotenen Organisation wie der PKK gezeigt würden. Nicht jede Handlung, die sich zufällig für Bestrebungen als objektiv vorteilhaft erweise, könne als tatbestandsmäßige Unterstützung des Terrorismus verstanden werden. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass er mit der Teilnahme an den genannten Veranstaltungen die PKK habe unterstützen wollen. Im Übrigen sei die PKK strafrechtlich keine terroristische Vereinigung mehr. In der Türkei sei er 1988 wegen Mitgliedschaft in der KAWA zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach seiner Entlassung habe er sich für die kurdische Partei HADEP engagiert. Er habe in der Vergangenheit der PKK nicht angehört und gehöre ihr auch gegenwärtig nicht an.
21 
Das beklagte Land trat der Klage entgegen.
22 
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hob nach Vernehmung des Zeugen K. mit Urteil vom 23.05.2011 den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.07.2010 auf. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Es sei keine Unterstützung der PKK durch den Kläger feststellbar. Seine Teilnahme an den Veranstaltungen vom 14.05.2006, 24.02.2008, 01.02.2009 und vom 07.06.2009 sei nicht erwiesen. Die Angaben der Gewährsperson des LfV genügten nicht, weil sie nicht durch andere wichtige Gesichtspunkte gestützt oder bestätigt würden. Der Kläger habe während des gesamten Verfahrens bestritten, an diesen Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Andere Indizien als die Erkenntnisse des LfV im Hinblick auf eine Teilnahme des Klägers an den besagten Veranstaltungen gebe es nicht. Der Zeuge K. habe nicht bestätigen können, dass der Kläger Teilnehmer der Veranstaltung vom 14.05.2006 gewesen sei. Der Kläger habe aber unstreitig an den Veranstaltungen vom 04.02.2007 und 25.02.2007 im Mesopotamischen Kulturverein in S... und an einer Veranstaltung am 30.11.2008 im Kulturhaus A... in S... teilgenommen. Insoweit seien aber weder in subjektiver noch in objektiver Hinsicht Unterstützungshandlungen i.S.v. § 54 Nr. 5 AufenthG feststellbar. Unter Berücksichtigung der Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung habe es sich bei der Gedenkfeier vom 04.02.2007 nicht um eine typische Märtyrergedenkveranstaltung gehandelt, die als politische Plattform zur Herstellung eines engen ideologischen und emotionalen Zusammenhalts der PKK-Mitglieder und der PKK-Sympathisanten genutzt werde, sondern um eine Gedenkfeier, wie sie auch in den durch das Christentum geprägten Staaten eine allgemein übliche und selbstverständliche Übung sei, an die keinerlei Nachteile geknüpft werden dürften. Für das Gericht sei auch nicht erkennbar, dass die Veranstaltung vom 25.02.2007 in irgendeinem Kontext zur PKK stehe. Solches folge auch nicht aus dem vom LfV mitgeteilten Redebeitrag. Im Übrigen verkenne das beklagte Land, dass nicht jede Teilnahme an einer nicht von der PKK ausgerichteten Veranstaltung, bei der die Zustände in der Türkei kritisiert würden, zugleich eine Unterstützung der PKK darstelle. Auch die bloße Anwesenheit von PKK-Anhängern dort mache diese nicht per se zu einer PKK-Veranstaltung. Die Veranstaltung vom 30.11.2008 zum 30-jährigen Bestehen der PKK dürfte in spezifischer Weise Propagandacharakter gehabt haben. Ob bereits die subjektive Zurechenbarkeit fehle, da der Kläger lediglich wegen der Musikbeiträge die Veranstaltung aufgesucht haben wolle, könne dahingestellt bleiben. Allein durch die Teilnahme an dieser Veranstaltung sei er jedenfalls nicht in eine innere Nähe und Verbundenheit zur PKK geraten. Eine solche läge nur vor, wenn zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen der PKK feststellbar wären. Dies sei jedoch bei ihm nicht der Fall. Lägen aber lediglich Verbindungen und Kontakte zu Organisationen, die den Terrorismus unterstützten oder selbst terroristisch handelten, oder zu deren Mitgliedern vor, ohne dass der Ausländer auch als Nichtmitglied durch sein Engagement eine innere Nähe und Verbundenheit zu dieser Organisation selbst zum Ausdruck bringe, fehle es an einer Unterstützung i.S.d. § 54 Nr. 5 AufenthG. Selbst wenn ihm aber Unterstützungshandlungen für die PKK vorgehalten werden könnten, könnte die von § 54 Nr. 5 AufenthG zusätzlich geforderte gegenwärtige Gefährlichkeit vorliegend nicht festgestellt werden. Bei der Beurteilung einer gegenwärtigen Gefährlichkeit komme der allgemeinen Entwicklung des Ausländers in den letzten Jahren bis zur mündlichen Verhandlung maßgebliche Bedeutung zu, insbesondere seiner Einbindung und Vernetzung in die Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze oder selbst terroristisch handle. Dass bei dem KIäger eine Einbindung und Vernetzung in Bezug auf die PKK bestehe, sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich und den vom beklagen Land ihm vorgehaltenen Unterstützungshandlungen nicht zu entnehmen. Der Kläger habe keinerlei verantwortliche Tätigkeit im Umfeld der PKK übernommen. Im Übrigen sei die Ausweisung auch deshalb fehlerhaft, weil das Regierungspräsidium im Rahmen der Ermessensentscheidung von unzutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen sei. Es sei verkannt worden, dass der Kläger nur unter den Voraussetzungen des Art. 14 ARB 1/80 ausgewiesen werden dürfe, denn die Aufnahme seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit habe nicht zum Verlust der Rechtsstellung aus Art. 6 Abs. 1, 3. Spiegelstrich ARB 1/80 geführt. Auch sei im Rahmen der Ermessenserwägungen verkannt worden, dass die Ehefrau des Klägers anerkannter Flüchtling sei. Schließlich habe das Regierungspräsidium übersehen, dass es die Qualität der Unterstützungshandlung und die Gefährdungslage mit dem jeweils gebotenen Gewicht in die Abwägung der für und gegen eine Ausweisung sprechenden Gesichtspunkte einzustellen habe.
23 
Auf Antrag des beklagten Landes hat der Senat mit Beschluss vom 18.08.2011 - 11 S 1820/11 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, die am 15.09.2011 unter Stellung eines Antrags begründet worden ist. Es wird vorgetragen: Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Teilnahme des Klägers an den Veranstaltungen am 14.05.2006, 24.02.2008, 01.02.2009 und am 07.06.2009 nicht bewiesen sei. Es habe verkannt, dass an den Nachweis einer Mitgliedschaft bzw. Unterstützung angesichts des konspirativen Vorgehens terroristischer Vereinigungen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürften, unrealistische Anforderungen an die Verwertbarkeit von Aussagen eines Zeugen vom Hörensagen des LfV gestellt und nicht beachtet, dass es im Fall des Klägers zahlreiche Indizien für die Glaubwürdigkeit der Angaben eines Zeugen vom Hörensagen gebe. Die vorliegenden Tatsachen seien noch ausreichend aktuell i.S.v. § 54 Nr. 5, 2. HS AufenthG. Der Kläger habe auch an der Wahl des neuen Volksgebietsrats am 26.04.2009 teilgenommen. Die Ausweisung sei nicht auf eine zwangsweise Aufenthaltsbeendigung gerichtet, sondern bezwecke die Beseitigung der Legalität seines Aufenthalts im Bundesgebiet und stehe in Einklang mit Art. 21 und Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie. Allerdings sei klarzustellen, dass nicht weiter an dem in der angefochtenen Verfügung angesprochenen generalpräventiven Zweck der Ausweisung und an den dortigen Ausführungen zu einer Durchsetzung der Ausreisepflicht bzw. Abschiebung festgehalten werde. Dass ausländerrechtliche Maßnahmen gegen K. noch nicht ergangen seien, stelle die Ermessensfehlerfreiheit der Ausweisung des Klägers nicht in Frage. Die Ausweisung sei auch nicht deshalb entbehrlich, weil § 47 AufenthG eine Ermächtigung zum Erlass eines politischen Betätigungsverbots vorsehe. Die dem Kläger zuerkannte Flüchtlingseigenschaft sowie das festgestellte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK und die daraus folgende Unmöglichkeit einer Rückkehr in sein Heimatland würden nicht verkannt. Es lägen aber gravierende Ausweisungsgründe vor, die es rechtfertigten, die dem Kläger zuerkannte Rechtsstellung geringer zu gewichten. Der Kläger habe den schwerwiegenden Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG durch seine jahrelangen beharrlich und konsequent durchgeführten Unterstützungshandlungen zugunsten der terroristischen, kriminellen und verbotenen PKK sowie daraus resultierende staatssicherheitsgefährdende Aktivitäten verwirklicht und eine - mangels Distanzierung - aktuell erhöhte Gefährlichkeit seiner Person belegt. Es sei gerechtfertigt, den für ihn bestehenden und den Abschiebeverboten zugrundeliegenden Gefahrenlagen ein insoweit vermindertes Gewicht beizumessen und eine Ausweisung trotz der Tatsache zu verfügen bzw. aufrechtzuerhalten, dass der Aufenthalt in absehbarer Zeit nicht beendet werden könne. Das Sicherheitsinteresse überwiege das Interesse des Klägers und seiner Angehörigen an dem unveränderten Fortbestand seines legalen Aufenthalts.
24 
Nachdem das Regierungspräsidium Stuttgart in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit Blick auf den zum 01.03.2011 erfolgten Umzug des Klägers von S... nach R... Ziffer 2 seines Bescheids vom 19.07.2010 aufgehoben hat, haben die Beteiligten den Rechtstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
25 
Das beklagte Land beantragt nunmehr,
26 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23.05.2011 - 11 K 2967/10 - hinsichtlich Ziffer 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.07.2010 zu ändern und die Klage insoweit abzuweisen.
27 
Der Kläger beantragt,
28 
die Berufung zurückzuweisen.
29 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt unter anderem aus: Die Vorwürfe gegen ihn basierten auf Quellenangaben. Die mündlichen oder schriftlichen Quellenberichte oder Angaben der Gewährspersonen des LfV genügten in der Regel nicht für die Glaubwürdigkeit, sofern sie nicht durch andere wichtige Gesichtspunkte gestützt oder bestätigt würden. Entgegen der Behauptungen des beklagten Landes bestreite er nach wie vor ausdrücklich, an der Wahl des Volksgebietsrates am 14.05.2006 teilgenommen zu haben und zum Stellvertreter des Vorsitzenden dieses Rates gewählt worden zu sein. Er bestreite weiterhin ausdrücklich seine Teilnahme an der Versammlung am 26.04.2009, die das LfV erstmals am 17.04.2012 vorgebracht habe. Ob diese Veranstaltung überhaupt stattgefunden habe, sei offen. Mit der Bezeichnung „offen und beweisbar" in den Mitteilungen des LfV könnten die Behauptungen nicht als Tatsachen benannt werden. Seine Tätigkeit und die Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein e. V. S... könne nicht als Ausweisungsgrund gewertet werden. Laut Verfassungsschutzbericht aus dem Jahre 2004 gehe von diesem keine Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus. Das beklagte Land habe deshalb seine damaligen Tätigkeiten zu Recht nicht zum Anlass einer Ausweisung genommen und das Verfahren eingestellt. Somit sei ein „Verbrauch" der Ausweisungsgründe eingetreten. Nach dem Jahre 2004 sei er nicht mehr im Mesopotamischen Kulturverein tätig gewesen. Ihm sei auch keine Tätigkeit nach 2004 vorgehalten worden. Er sei 1988 in der Türkei wegen Mitgliedschaft in der illegalen kurdischen Organisation KAWA zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach seiner Bewährungsentlassung 1991 habe er sich bei der prokurdischen Partei HADEP engagiert. Er habe weder in seiner Vergangenheit noch in der Gegenwart der PKK angehört. Er habe diese auch nicht im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Die Organisation KAWA unterscheide sich eindeutig von der PKK. Es könne ihm nicht zugemutet werden, eine Distanzierungserklärung zu unterzeichnen oder eine Abwendungserklärung abzugeben. Er könne sich nicht zu etwas bekennen, was er in der Tat nicht gemacht habe oder was ihm nicht angelastet werden könne. Das beklagte Land habe auch nicht darlegen können, inwiefern von ihm eine konkrete Terrorgefahr ausgehe. Zwar seien zahlreiche Veranstaltungen erwähnt worden, an denen er teilgenommen haben solle. Es sei aber nicht aufgezeigt worden, inwieweit die bloße Teilnahme an diesen Veranstaltungen die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet habe.
30 
Mit Beschluss vom 17.09.2010 - 11 K 2986/10 - stellte das Verwaltungsgericht Stuttgart die aufschiebende Wirkung der Klage des Klägers gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.07.2010 wieder her. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des beklagten Landes wies der Senat mit Beschluss vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - zurück.
31 
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen K. sowie des Zeugen X. vom LfV. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
32 
Wegen des weitergehenden Vortrags und Sachverhalts wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der Akten verwiesen. Dem Senat liegen die Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart hinsichtlich des Klägers und des Zeugen K., die den Kläger betreffende Ausländerakte sowie die Einbürgerungs- und Asylakten betreffend ihn und seine Ehefrau, die Akte der Staatsanwaltschaft Stuttgart 7 Js 101646/04, die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart (A 11 K 300/07 und 11 K 2967/10) und die Akten des Senats im Beschwerdeverfahren 11 S 2374/10 vor.

Entscheidungsgründe

 
33 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und das Urteil des Verwaltungsgerichts analog § 269 Abs. 3 ZPO insoweit für unwirksam zu erklären.
34 
Im Übrigen hat die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes Erfolg. Die Ausweisung ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20) rechtmäßig und verletzt schon deshalb den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt (I.). Als anerkannter Flüchtling darf er nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden; diese Bestimmung ist unionsrechtskonform dahingehend anzuwenden, dass die Ausweisung den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) - Qualifikationsrichtlinie - QRL - entsprechen muss (II.). Die nach Art. 24 Abs. 1 QRL erforderlichen zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung liegen bei dem Kläger, der sich seit Jahren kontinuierlich als Sympathisant der PKK betätigt, nach den konkreten Umständen des Falles vor; die Ausweisung ist auch verhältnismäßig (III.). Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass er über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht verfügt, vermitteln Art. 14 ARB 1/80 oder die Standstill-Klauseln weder materiell-rechtlich noch verfahrensrechtlich einen weitergehenden Ausweisungsschutz (IV.). Die Ausweisung ist ermessensfehlerfrei (V.). Sie unterliegt auch mit Blick auf die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348, S. 98) - Rückführungsrichtlinie - RFRL - keinen Bedenken, insbesondere gebieten es weder die Rückführungsrichtlinie noch § 11 Abs. 1 AufenthG im Rahmen des hier anhängigen Verfahrens zugleich über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zu entscheiden (VI.).
I.
35 
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt.
36 
1. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Von einer Unterstützung des Terrorismus durch eine Vereinigung i.S.v. § 54 Nr. 5 AufenthG ist auszugehen, wenn die Vereinigung sich selbst terroristisch betätigt oder die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -juris Rn. 19 ff.). Dass es sich um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, muss zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 16; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 40). Die Vorschrift erfasst jede Art von Terrorismus, unabhängig davon, ob es sich um nationalen oder internationalen Terrorismus handelt (BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris Rn. 32; BT-Drs. 16/5065 - Gesetzentwurf zum Richtlinienumsetzungsgesetz 2007, S. 183 zu Nr. 42).
37 
2. Das Verwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Stuttgart sind zu Recht davon ausgegangen, dass die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen sind. Der Senat hat mit Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 41 ausgeführt:
38 
„…Die PKK ist jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - VBlBW 2011, 478 und vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris sowie Beschlüsse des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - und vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - InfAuslRAuslR 2011, 105). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie selbst ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln – wie dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen und mit Angriffen auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele – verfolgt (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris, m.w.N.; vgl. im Einzelnen zum Begriff des Terrorismus GK-AufenthG, Stand: Sept. 2011, § 54 Rn. 436 ff.). Das ist bei der PKK in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis heute der Fall. Insbesondere verzichtete die PKK auch während der Phase des 1999 ausgerufenen und 2004 wieder beendeten „Friedenskurses“ nicht auf Gewalt. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - 1 A 111/09 - InfAuslR 2011, 37) und ändert nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei (so etwa am 22.06.2010 in Istanbul, vgl. ZEIT-ONLINE vom 23.06.2010: www.zeit.de/politik/ausland/2010-06/kurden-tuerkei-politik; WELT ONLINE vom 22.06.2010 www.welt.de/politik/ausland/ article8142791/Tuerkei-Touristen-im-Fadenkreuz-kurdischen-Terrors.html; am 27. und 28.08.2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, vgl. SPIEGEL ONLINE vom 28.08.2006 www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,434039,00.html) oder der Entführung Unbeteiligter (vgl. zur Entführung von drei deutschen Staatsangehörigen am Berg Ararat am 08.07.2008 SPIEGEL ONLINE vom 09.07.2011: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,564783,00.html). Insoweit wird ergänzend auf die ausführliche und zutreffende Darstellung im angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums vom 10.06.2010 verwiesen (vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ., „Ausländerextremismus“, August 2007, S. 9 ff., sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)“, März 2007). Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP – ABl. L 116, S. 75). Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 - Inf- AuslR 2011, 40; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.2010 - 1 B 24.10 - juris; noch offengelassen im Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).“
39 
Hieran ist weiter festzuhalten. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren auch nichts Substantiiertes vorgebracht, was die Einordnung der PKK, die bis heute auf der „Terrorliste“ der EU steht (vgl. zuletzt Beschluss des Rates vom 13.03.2012 <2012/150/GASP>, ABl. L 74, 9 und vom 22.12.2011 <2011/872/GASP>, ABl. L 343, 54 und die im Anhang enthaltene Auflistung von Personen und Organisationen), als einer Organisation des internationalen Terrorismus (ebenso auch BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 35 ff.) in Frage stellen würde.
40 
3. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liegen Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger seit Jahren den internationalen Terrorismus der PKK im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15).
41 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe hierzu insgesamt BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 14 ff. sowie Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris Rn. 25 ff. - zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris Rn. 8 ff.; Senatsbeschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - juris Rn. 7 ff.; Senatsurteile vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 43 und vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris Rn. 50 ff.).
42 
Nach diesen Grundsätzen liegen hier eine Vielzahl von Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den internationalen Terrorismus seit vielen Jahren in mehrfacher Weise unterstützt, vor allem durch die Übernahme einer Vorstandsfunktion und die Mitgliedschaft in dem PKK-nahen Mesopotamische Kulturverein S... (a.) und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an unterschiedlichen PKK-nahen Aktionen und Veranstaltungen (b.). Dass einige dieser Tatsachen bereits länger zurückliegen, steht ihrer Berücksichtigung nicht entgegen; vom Kläger geht nach wie vor eine gegenwärtige Gefährlichkeit aus (c.).
43 
a. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Mesopotamische Kulturverein S... den Terrorismus unterstützt (ebenso schon zu § 86 Nr. 2 AuslG a.F VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 64, wonach der „Mesopotamische Kulturverein S... als Vorfeldorganisation der PKK bzw. KADEK anzusehen ist“; die PKK-Nähe dieses Vereins auch bejahend VGH Bad.-Württ, Urteil vom 08.07.2009 - 13 S 358/09 - zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG). Zwar enthält die Satzung des am 23.08.1997 gegründeten und am 16.06.1998 eingetragenen Vereins weder in ihrer Fassung vom 23.08.1997 noch in ihrer Neufassung extremistische Züge; bei Auflösung des Vereins geht das Vermögen an den „Kurdischen Roten Halbmond e.V.“, einer humanitären Hilfsorganisation. Auch bietet der Verein kulturelle Veranstaltungen an und die Gelegenheit zum Treffen unter Migranten vorwiegend kurdischer Herkunft. Er befasst sich ferner mit politischen Themen, wie etwa der Freilassung Öcalans und der Verbesserung dessen Haftsituation sowie der Lösung der „kurdischen Frage“, die für sich betrachtet noch nicht den Schluss einer Identifizierung oder Solidarisierung mit der PKK zulassen. In den in das Verfahren eingeführten Verfassungsschutzberichten des Landes Baden-Württemberg wird dieser Verein nicht ausdrücklich aufgeführt. Letzteres bedeutet aber allenfalls, dass von diesem keine unmittelbare Gefährdung für die Sicherheit der Bundesrepublik ausgeht. Die Berichte des LfV vom 02.08.2006 und 27.10.2009 mit den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Ergänzungen zeigen jedoch, dass der Verein seit seiner Gründung tatsächlich in erheblichem Maße auch als Plattform für die PKK fungiert, deren terroristische Ziele befürwortet und deren Gedankengut aktiv verbreitet. Hierbei handelt es sich nicht um Aktionen von Einzelpersonen oder Splittergruppen unter missbräuchlicher Ausnutzung der Vereinsstruktur, vielmehr ist der Verein insgesamt auch auf die Unterstützung der PKK ausgerichtet.
44 
Nach den vom LfV aufgelisteten Erkenntnissen organisiert der Mesopotamische Kulturverein S... alljährlich Veranstaltungen anlässlich des Jahrestags der Gründung der PKK, entweder in den eigenen Vereinsräumen (so z.B. am 26.11.2000 und 25.11.2001) oder als Großveranstaltung in gesondert angemieteten Räumlichkeiten (so etwa am 22.11.2009 in einem Kulturhaus mit ca. 1.500 Personen). Ebenso wird über Veranstaltungen zum Jahrestag der Aufnahme des bewaffneten Kampfes der PKK (15.08.) in Gestalt einer Feier in den Räumen des Vereins (14.08.2005 sowie 15.08.2008) oder durch ein vom Verein organisiertes Picknick (am 16.08.2009) und auch über Veranstaltungen zum Jahrestag des Betätigungsverbots der PKK in Deutschland berichtet. Die enge Verbindung des Vereins mit der PKK wird vor allem auch darin deutlich, dass kontinuierlich immer wieder PKK-Funktionäre aus unterschiedlichen Hierarchieebenen in den Räumen des Vereins auftreten, die sich spezifischer PKK-Themen annehmen, so etwa bei der internen Versammlung auf Gebietsebene - sog. Volksversammlung - am 16.04.2000, bei der es unter anderem um die Auswirkungen des Einmarsches türkischer Soldaten in den Nordirak auf die PKK und insbesondere die Kämpfer der ARGK (heute HPG) ging. Ähnlich im Ablauf waren etwa auch schon die Veranstaltungen vom 08.06.1997 (Bericht des PKK-Regionalleiters Baden über die Erfolge der ARGK anlässlich der Eröffnungsfeier des Vereins) oder vom 19.04.1998 (PKK-Volksversammlung mit Beiträgen des PKK-Regionalleiters Baden über die „Taktik“ der türkischen Regierung, die Moral innerhalb der PKK durch gezielte Falschinformationen hinsichtlich des Kriegsverlaufs zu untergraben). Derartige Volksversammlungen stellen ein Mittel der konspirativen Betätigung der PKK unter dem Vereinsverbot dar, um dezentrale Strukturen zur Mobilisierung der Anhänger der PKK zu schaffen (vgl. hierzu näher Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 54). Zu nennen sind weiter aus den Mitteilungen des LfV die Versammlung am 11.03.2001, die die aktuelle Lage der PKK einschließlich deren finanzieller Situation thematisierte; der Bericht eines früheren Aktivisten der ARGK am 22.04.2001 über seine Eindrücke vom dortigen Leben; die Schilderung eines ehemaligen Guerilla-Kämpfers über seine Eindrücke aus den Kandil-Bergen am 30.08.2008 oder die Ausrichtung der Volksversammlung am 14.05.2006 mit einer Rede des damaligen Leiters des PKK-CDK-Sektors Süd Muzaffer Ayata über die Funktion der Volksgebietsräte (siehe hierzu auch die Berichterstattung in der Yeni Özgur Politika vom 16.05.2006). In seinem Bericht vom 27.10.2009 führt das LfV auch aus, dass bei der Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins am 10.06.2001 die schlechte finanzielle Situation des Vereins ein Thema war und erläutert wurde, dass ein erheblicher Teil der hohen Kosten für die Renovierung die PKK übernommen habe. Hervorzuheben sind ferner - wie in den Berichten des LfV im Einzelnen dargelegt - die kontinuierlich in den Vereinsräumen stattfindenden Veranstaltungen zum Gedenken an sog. Märtyrer, d. h. vor allem für gefallene Kämpfer und Selbstmordattentäter, wobei an diesen Veranstaltungen auch Funktionäre der PKK oder CDK (letztere ist eine Nachfolgeorganisation der vom PKK-Verbot umfassten Nationalen Befreiungsfront Kurdistans - ERNK -) teilnehmen. Im Rahmen des Gedenkens an PKK-Märtyrer wird auch über die Ehrung von Frontarbeitern der PKK für ihre Tätigkeit berichtet (so für den 29.03.2009). Wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, sind solche Märtyrergedenkveranstaltungen ein wesentliches Element zur Herstellung eines engeren ideologischen und emotionalen Zusammenhalts auch von PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (vgl. hierzu Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 55 mwN). Schließlich tritt der Mesopotamische Kulturverein als Veranstalter von Demonstrationen oder Mahnwachen auf, um etwa gegen die Verhaftung von KONGRA-GEL-Funktionären oder das PKK-Verbot oder - wie in der Zeit vom 01. bis 04.05.2002 - gegen die (befürchtete) Aufnahme der KADEK als Nachfolgeorganisation der PKK in die EU-Terrorliste zu protestieren.
45 
Nach Überzeugung des Senats sind diese vom LfV mitgeteilten konkreten und detaillierten Erkenntnisse über den Mesopotamischen Kulturverein, die der Kläger im Übrigen im Verfahren nicht substantiiert in Frage gestellt hat, zutreffend. Er ist sich dabei dessen bewusst, dass diese Erkenntnisse zu einem erheblichen Teil auf den Angaben von „Quellen“ beruhen. Aufgrund des konkreten Verfahrens der Erkenntnisgewinnung, das der Zeuge des LfV in der mündlichen Verhandlung erläutert hat (siehe dazu näher nachfolgend b.), bestehen jedoch keine Bedenken gegen deren Verwertung - zumal diese durch andere gewichtige Tatsachen gestützt werden. Ein erheblicher Teil der Veranstaltungen wurde - wie in den Berichten des LfV kenntlich gemacht - in der „Özgur Politika“ und der „Yeni Özgur Politika“ aufgegriffen (siehe im Übrigen zur Einordnung der „Özgur Politika“ als Sprachrohr der PKK VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2011 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 63). Auch Polizeierkenntnisse werden als Beleg herangezogen. Dass der Verein die PKK unterstützt und sich mit ihren Zielen identifiziert, zeigt ferner die Auswertung der vom Senat beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Stuttgart 7 Js 101646/04. Am 09.11.2004 war in den Vereinsräumen eine ca. zwei Meter lange Fahne des KONGRA-GEL deutlich von außen sichtbar aufgehängt. Bei der Durchsuchung am 15.12.2004 hing an deren Stelle eine ERNK-Fahne. In den Räumen des Vereins wurden Propagandapublikationen in Form von Büchern, Broschüren und plakatähnlichen Druckwerken - teilweise in größeren Stückzahlen - aufgefunden. Zu nennen sind beispielsweise Plakate mit der Aufschrift „Schluss mit dem PKK-Verbot“, Transparente der PJA (Frauenorganisation der PKK) und Transparente und Fahnen der YCK (Jugendorganisation der PKK), von Abdullah Öcalan verfasste Bücher, Broschüren mit Symbolen der PKK, Kadek, KONGRA-GEL oder der ERNK sowie Publikationen, die der Verbreitung des Gedankenguts der PKK dienen, und in denen beispielsweise Selbstmorde für die PKK verherrlicht und als Heldentaten gepriesen werden. Die Auswertung der SIM-Karte des damaligen Vorsitzenden des Vereins enthielt die Telefonnummer des PKK-Funktionärs Muzaffer Ayata, der in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins verkehrt. Dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit Verfügung von 30.05.2008 das Ermittlungsverfahren gegen den damaligen Vorstandsvorsitzenden wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz nach § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO eingestellt hat, steht der Verwertung der Erkenntnisse aus der Durchsuchung nicht entgegen.
46 
Im Übrigen lässt sich die PKK-Nähe des Vereins auch aus dem Umstand ersehen, dass dieser jedenfalls seit dem 02.08.2004 Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ ist. Eine aktive Verbindung zwischen beiden lässt sich nicht nur daraus entnehmen, dass anlässlich der Durchsuchung der Räume des Mesopotamischen Kulturvereins am 15.12.2004 ein Flugblatt des Vorstand der YEK-KOM aufgefunden wurde, das unter anderem zu Treffen der Vorstandsvorsitzenden der jeweiligen kurdischen „nationalen“ Vereine in ganz Deutschland aufrief (siehe im Einzelnen Schreiben des Polizeipräsidiums Stuttgart - Dezernat Staatsschutz - vom 19.01.2005), oder den Berichten des LfV zufolge bei der Veranstaltung des Mesopotamischen Kulturvereins am 09.10.2000 zum Thema „Erinnerung an die Flucht aus Syrien von Öcalan am 09.10.1998 und deren Folgen“ Flugblätter der YEK-KOM verteilt wurden, sondern auch aus dem Umstand, dass Vertreter der YEK-KOM beim Verein auftreten, so deren Vorsitzender Ahmet Celik bei einer Gedenkveranstaltung des Mesopotamischen Kulturvereins am 21.10.2008 für die „Gefallenen des Kurdischen Befreiungskampfes“. Im Übrigen bestand über finanzielle Zuschüsse an den Verein eine Verbindung zwischen der YEK-KOM und dem Mesopotamischen Kulturverein schon im Jahre 2000 (siehe näher VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 -juris Rn. 63). Zur YEK-KOM hat der Senat hat in seinem Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 47 ausgeführt:
47 
„Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010 im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.“
48 
Zwar ist dem Arbeitsprogramm der YEK-KOM aus dem Jahre 2008 und in der Fassung vom 20.02.2011 (das jeweils aktuelle Programm ist auch auf der Homepage der YEK-KOM unter www.yekkom.com abrufbar) zu entnehmen, dass sich diese für eine friedliche demokratische Lösung der Kurdenfrage in Richtung auf eine Selbstverwaltung der Kurden innerhalb des türkischen Staates einsetzt und sich vor allem auch der allgemeinen Situation von Kurdinnen und Kurden einschließlich der Migrationsprobleme annimmt. Bei der Würdigung der - von der YEK-KOM ausdrücklich so bezeichneten - Selbstdarstellungen ist aber einzustellen, dass auch diese Organisation bestrebt ist, ein öffentliches Erscheinungsbild zu verbreiten, das so gestaltet ist, dass nicht mit Rücksicht auf eine deutliche Nähe zur PKK Exekutivmaßnahmen deutscher Behörden ausgelöst werden, und deshalb ihre Publikationen hierauf ausrichtet. Im Übrigen schließt die Verfolgung allgemeiner politischer Ziele, wie etwa die von YEK-KOM geforderte freie Benutzung der kurdischen Sprache in der Türkei, die Feststellung nicht aus, dass YEK-KOM auch die Ziele der PKK unterstützt, indem etwa die terroristischen Ziele und Aktivitäten der PKK positiv bewertet, befürwortet und verbreitet werden. Wenn insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert wird, so soll damit deren ungehinderte Betätigung in Deutschland wieder ermöglicht und damit deren auch terroristische Ziele und Aktivitäten tragende Basis verbreitert und gestärkt werden.
49 
Das auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtete Handeln der Vereinigung ist für den Kläger erkennbar gewesen (zu diesem Maßstab BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 -1 C 13.10 -juris Rn. 23) und ihm zuzurechnen. Der im Jahre 2000 dem Verein beigetretene Kläger ließ sich bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins am 23.07.2000 als Beisitzer in den Vorstand wählen und wurde nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung danach ein zweites Mal für ein Jahr in den Vorstand gewählt. Die Tatsache der Vorstandstätigkeit ist bereits mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 eingeräumt worden. Allein schon aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied ist ihm diese Unterstützung zuzurechnen, ohne dass der Frage seiner tatsächlichen inneren Einstellung weiter nachgegangen werden müsste (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - juris zu § 11 StAG). Der Kläger hat auch nach Ende seiner Vorstandstätigkeit als einfaches Mitglied des Mesopotamischen Kulturvereins dessen oben dargestellte Zielsetzung, die sich unter Berücksichtigung der Angaben des LfV bis heute nicht geändert hat, weiter unterstützt. Bei der Durchsuchung in den Räumen des Vereins am 15.12.2004 wurde eine Mitgliederliste mit Stand 01.07.2004 gefunden, die den Kläger seit dem Jahr 2000 als Mitglied ausweist. Im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 ist diese Mitgliedschaft ausdrücklich eingeräumt worden. Er unterschrieb sowohl am 02.02.2003 als auch am 17.04.2005 als Protokollführer das Protokoll der Mitgliederversammlung. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung bekundet, ab 2000 bis 2005 beim Verein ein- und ausgegangen zu sein, dies für die Zeit danach jedoch abgestritten. Der Senat ist allerdings aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme der Überzeugung, dass der Kläger auch über diesen Zeitpunkt hinaus mindestens bis Mitte 2009 aktiv am Vereinsgeschehen teilgenommen hat und sich nur unter dem Eindruck des Ausweisungsverfahrens nunmehr zurückhält (siehe nachfolgend b. und c.).
50 
b.) Der Kläger hat durch die kontinuierliche Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt. Er war bei einer Reihe von Veranstaltungen, die - wie ihm auch erkennbar gewesen ist - darauf ausgerichtet sind, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und Organisationen im politischen Umfeld zu stärken. Dies gilt insbesondere für die Teilnahme an den Wahlen zum Volksgebietsrat und die Übernahme der Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats. Diese Teilnahmen sind daher bereits für sich genommen ohne weiteres als selbstständige Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, die zum Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führen. Umso mehr gilt dies bei einer Gesamtschau aller festgestellten Aktivitäten des Klägers einschließlich seiner Vorstandsfunktion im Mesopotamischen Kulturverein.
51 
Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger am 31.05.2001 eine Kundgebung geleitet hat, bei der er gegen mit der PKK zusammenhängende Symbole nicht eingeschritten ist, und am 10.07.2001 die PKK-Selbsterklärung unterzeichnet hat (aa.), die Feier zum 30. Gründungsjahrestag der PKK am 30.11.2008 besucht (bb.) und am 04.02.2007 und 01.02.2009 an Märtyrergedenkveranstaltungen teilgenommen hat (cc.), bei Veranstaltungen von KONGRA-GEL-Anhängern am 24.02.2008 und 07.06.2009 war (dd.) sowie an den Versammlungen zur Wahl des Volksgebietsrats am 14.05.2006 und 26.04.2009 teilgenommen hat, wobei er bei der erstgenannten Versammlung zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist (ee.). Die konkreten Ausrichtungen der jeweiligen Veranstaltungen, die dem Kläger nicht verborgen bleiben konnten, lassen den Schluss zu, dass der Kläger die PKK unterstützt hat. Soweit das Regierungspräsidium dem Kläger auch den Besuch an einer Podiumsdiskussion unter Mitwirkung von Günay Aslan am 25.02.2007 vorhält, kann allerdings aus den Inhalten dieser Veranstaltung nicht geschlossen werden, dass der Kläger auch hierdurch die PKK unterstützt hat (ff.).
52 
Die Feststellungen und Würdigungen des Senats beruhen auf den sich aus den Akten ergebenden Erkenntnissen, aus der Einlassung des Klägers sowie den in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen. Hierbei handelt es sich um den Schwager des Klägers, der am 14.05.2006 zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats Stuttgart gewählt wurde, und um einen Mitarbeiter des LfV, der über Angaben einer Quelle berichtet hat. Weitere (unmittelbare) Zeugen haben dem Senat nicht zur Verfügung gestanden. Die Ehefrau des Klägers hat von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht; andere Zeugen, die sich in der Sache hätten äußern können, sind weder benannt worden noch ersichtlich. Der vernommene Mitarbeiter des LfV ist nicht der unmittelbare Führer dieser Quelle. Aus Quellenschutzgründen wurde die Identität der Quelle nicht offen gelegt. Der unmittelbare Quellenführer stand als Zeuge nicht zur Verfügung. Auch wurden - trotz Aufforderung durch das Gericht - keine schriftlichen Aufzeichnungen vorgelegt. Diese Praxis ist dem Senat aus vergleichbaren Verfahren bekannt. Bei der Würdigung der Aussagen des Mitarbeiters des LfV hat sich der Senat von folgenden in seinem Urteil vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - juris Rn. 49 § 11 satz 1 nr. 1 stag> dargestellten Überlegungen leiten lassen:
53 
„Erkenntnisse des LfV, die auf geheim gehaltenen Quellen beruhen und als Zeugenaussage vom Hörensagen in den Prozess eingeführt werden, können zwar grundsätzlich verwertet werden. Allerdings darf die in Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes auch dann nicht in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden, wenn eine Behörde sich gegenüber dem Auskunftsbegehren eines Bürgers auf Geheimhaltungsgründe beruft und sich diese Gründe gerade auch auf die allein als Beweismittel in Betracht kommenden Verwaltungsvorgänge beziehen, in denen die für das Verwaltungsverfahren und sein Ergebnis relevanten Sachverhalte dokumentiert sind (vgl. grundlegend zu dieser Problematik BVerfG, Beschluss vom 27.10.1999 - 2 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106, 121 ff.). Soweit in einem derartigen Fall die Effektivität des Rechtsschutzes von der Offenlegung der Verwaltungsvorgänge abhängt, muss das Gericht grundsätzlich die tatsächlichen Grundlagen selbst ermitteln und seine rechtliche Auffassung unabhängig von der Verwaltung, deren Entscheidung angegriffen ist, gewinnen und begründen. Ist dies wie hier nicht möglich, muss das durch die Geheimhaltung entstehende Rechtsschutzdefizit im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeglichen werden (Hamb. OVG, Urteil vom 07.04.2006 - 3 Bf 442/03 - NordÖR 2006, 466). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gerichtliche Beweiswürdigung der Angaben eines sogenannten Zeugen vom Hörensagen besonderen Anforderungen unterliegt, die aus dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten sind. Danach ist der Beweiswert seiner Angaben besonders kritisch zu prüfen. Denn das Zeugnis vom Hörensagen ist nur begrenzt zuverlässig, weil sich die jedem Personenbeweis anhaftenden Fehlerquellen im Zuge der Vermittlung der Angaben verstärken und weil das Gericht die Glaubwürdigkeit der Gewährsperson nicht selbst einschätzen kann. Das Gericht muss sich der Gefahren der beweisrechtlichen Lage, also vor allem der besonderen Richtigkeitsrisiken in Ansehung anonym gebliebener Personen, deren Wissen durch einen Zeugen vom Hörensagen eingeführt wird, sowie der sich daraus ergebenden Grenzen seiner Überzeugungsbildung bewusst sein (VGH Bad.-Württ, Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 50 und Urteil vom 27.03.1998 - 13 S 1349/96 - juris Rn. 37). Die Aussage eines Zeugen vom Hörensagen wird regelmäßig einer Entscheidung nur dann zugrunde gelegt werden können, wenn es für das Vorliegen der entsprechenden Tatsache noch andere Anhaltspunkte gibt (BVerwG, Beschluss vom 22.10.2009 - 10 B 20/09 - juris Rn. 4 und Beschluss vom 05.03.2002 - 1 B 194/01 - juris Rn. 4 mit ausdrücklichem Hinweis auf BVerfGE 57, 250, 292). Nach der zum Strafrecht entwickelten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügen die Angaben des Gewährsmanns regelmäßig nicht, wenn sie nicht durch andere, nach Überzeugung des Fachgerichts wichtige, ihrerseits beweiskräftig festgestellte Gesichtspunkte bestätigt werden (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 26.05.1981 - 2 BvR 215/81 -BVerfGE 57, 250, 292 ff.; BVerfG <2. Kammer des 2. Senats>, Beschluss vom 19.07.1995 - 2 BvR 1142/93 - NJW 1996, 448; BVerfG <1. Kammer des 2. Senats>, Beschluss vom 05.07.2006 - 2 BvR 1317/05 - NJW 2007, 204). Die strafgerichtliche Rechtsprechung und Literatur verlangt daher regelmäßig „zusätzliche Indizien von einigem Gewicht“ (vgl. näher BGH, Beschluss vom 08.05.2007 - 4 StR 591/06 - juris Rn. 2; Beschluss vom 19.06.1996 - 5 StR 220/96 - juris Rn. 3 ff; Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2008, § 250 Rn. 13; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 26. Aufl. 2009, § 46 Rn. 33 f.; Detter, Der Zeuge vom Hörensagen - eine Bestandsaufnahme, NStZ 2003, 1, 4). Diese zum Strafrecht entwickelten Prinzipien können als Ausdruck des Rechts auf faires Verfahrens auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herangezogen werden (Sodan/Ziekow, 3. Aufl. 2010 § 96 Rn. 38; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 50).“
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt sich das Ergebnis der Beweisaufnahme insgesamt wie folgt dar:
55 
aa.) Nach polizeilichen Erkenntnissen war der Kläger am 31.05.2001 - und damit im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Vorstandstätigkeit - in S... Leiter einer Kundgebung des Mesopotamischen Kulturvereins zum Thema „Die Zeit ist reif für Demokratie und Freiheit“. Bei der Veranstaltung wurden Bilder Öcalans sowie Fahnen der ERNK gezeigt, wogegen der Kläger nicht einschritt. Ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz (4 Js 43599/01) stellte die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein. Der Kläger hat mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 eingeräumt, diese Kundgebung geleitet zu haben, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sich hingegen zunächst dahingehend eingelassen „nie und niemals eine Kundgebung geleitet zu haben“. Auf mehrfachen Vorhalt der aktenkundigen polizeilichen Erkenntnisse und des Schreibens vom 30.06.2010 sowohl durch den Senat als auch durch seine Prozessbevollmächtigten hat der Kläger lediglich vorgebracht, sich nicht mehr erinnern zu können. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass diese Feststellungen der Polizei zur Veranstaltung vom 31.05.2001 zutreffend sind - zumal sie durch das Schreiben vom 30.06.2010, das auf einer entsprechenden Erklärung des Klägers gegenüber seinen Anwälten basieren muss, bestätigt sind. Dieses wird insoweit durch „Erinnerungslücken“ des Klägers nicht durchgreifend in Frage gestellt. Der Kläger beruft sich in diesem Schreiben allerdings darauf, es könne ihm nicht angelastet werden, dass bei der ordnungsgemäß angemeldeten und genehmigten Kundgebung einzelne Teilnehmer die genannten Bilder und Fahnen geschwenkt hätten; die Unterbindung dieser Aktionen sei nicht seine Aufgabe, vielmehr hätten die Ordnungskräfte dafür Sorge tragen müssen, solche Vorkommnisse zu vermeiden. Die Tatsache, dass der Kläger gegen diese Symbole nicht eingeschritten ist, lässt aber vor allem mit Blick auf seine Aktivitäten im Mesopotamischen Kulturverein den Schluss dahingehend zu, dass er sich als Versammlungsleiter einer Kundgebung dieses Vereins unverkennbar mit den auf die Unterstützung der PKK gerichteten Zielen identifizierte und solidarisierte. In dieses Bild passt auch die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001, die der Kläger - allerdings mit Hinweis darauf, dies habe im Rahmen der durch Art. 5 GG gewährten Meinungsfreiheit stattgefunden - mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2006 zugestanden hat.
56 
bb.) Der Kläger nahm am 30.11.2008 an der Feier zum 30. Gründungsjahrestag der PKK im Kulturhaus A... in S... teil. Dies hat er in den Schriftsätzen seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 und 16.11.2010 eingeräumt. Wie das LfV unter dem 23.09.2009 mitgeteilt hat, hätten in der Halle unter anderem Bilder von Öcalan sowie mehreren PKK-Märtyrern und eine Fahne der früheren PKK-Propagandaorganisation ERNK gehangen. Ein Redner habe zur Geschichte der PKK referiert. Im Anschluss daran sei der getöteten Märtyrer dieser Organisation mit einer Schweigeminute gedacht worden. Während der Veranstaltung, die um 13 Uhr begonnen habe und von ca. 2.000 Personen besucht worden sei, seien Parolen wie „Hoch lebe der Führer Apo“ und „PKK“ skandiert worden. Für die Veranstaltung sei am 18. und 28.11.2008 in der Yeni Özgur Politika und am 28.11.2008 bei ROJ-TV (kurdischer TV-Sender) geworben worden. Die in der YÖP vom 28.11.2008 abgedruckte Einladung - überschrieben mit „das 30. Jahr feiern wir“ - weist als Programm verschiedene Künstler und Reden aus.
57 
Der Kläger hat den vom LfV mitgeteilten Inhalt der Veranstaltung und ihren organisatorischen Rahmen nicht bestritten. Er hat allerdings darauf verwiesen, die Veranstaltung sei ordnungsgemäß angemeldet und genehmigt worden; im Programm dieser Veranstaltung seien diverse kurdische Künstler angekündigt worden, aufgrund deren Auftritte er dort gewesen sei; dass vereinzelte Teilnehmer Fahnen geschwenkt und Parolen gerufen hätten, könne ihm nicht angelastet werden. Er habe dieser Veranstaltung - wie viele andere Leute - beigewohnt, um in den Genuss des künstlerischen Angebots zu kommen; bei dieser Veranstaltung habe er weder applaudiert noch Parolen ausgerufen, an der Schweigeminute habe er sich nicht beteiligt. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich der Kläger dahingehend eingelassen, er sei nur dahin, um die Künstler zu hören, es bedeute nicht, dass jeder, der daran teilnehme, ein PKK’ler oder für die PKK sei.
58 
Es kommt jedoch nicht darauf an, dass sich der Kläger nach seinem Vorbringen nicht aktiv an der Veranstaltung beteiligt hat und diese nicht verboten gewesen ist. Die dort aufgestellten Bilder von Öcalan und mehreren PKK-Märtyrern, die Fahnen der ERNK sowie die gehaltene Rede zur Geschichte der PKK lassen ebenso wie der Anlass der Veranstaltung keinen Zweifel an deren Ausrichtung als Propagandaveranstaltung der PKK aufkommen. Bei dieser Eindeutigkeit wäre es völlig lebensfremd anzunehmen, dass der Kläger den Charakter der Veranstaltung nicht bemerkt bzw. eigentlich missbilligt hätte. Die Person Öcalans hat nach wie vor einen Symbolgehalt für den bewaffneten Kampf der PKK gegen den türkischen Staat, wie dies hier auch schon in der optischen Ausgestaltung der Veranstaltung zum Ausdruck kommt. Erst recht mit Blick auf seine jahrelange aktive Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein, der den Jahrestag der PKK-Gründung regelmäßig begeht, ist für den Kläger der Bedeutungsgehalt der Veranstaltung eindeutig erkennbar gewesen. Indem er dieser beigewohnt hat, hat er deren Zielsetzung vielmehr nach außen erkennbar gebilligt und den emotionalen und ideologischen Zusammenhalt der PKK und der mit ihr zusammenhängenden Organisationen gestärkt (vgl. hierzu näher Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 52 ff.). Im Übrigen dienen - neben anderen „Geldquellen“ wie insbesondere Mitgliedsbeiträge und Spenden - gerade auch solche Großveranstaltungen, bei denen - wie im vorliegenden Fall - Eintrittsgelder erhoben und Umsätze erzielt werden, dazu, der PKK finanzielle Mittel zu verschaffen, die für Propagandatätigkeit, den Parteiapparat sowie für die Versorgung der Guerilla-Kämpfer und deren Ausstattung mit Waffen und Munition gebraucht werden (siehe zur Finanzierung der PKK näher Verfassungsschutzberichte Baden-Württemberg, z.B. 2008, S. 92; 2007 S. 91 f.; 2001, S. 179). Dass die einzelne Eintrittskarte relativ preiswert gewesen ist - der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung den Betrag mit 10 EUR angegeben - steht dem nicht entgegen. Auch diesem Zweck hat er zumindest durch die Zahlung der Eintrittskarte entsprochen. Dass dies für den Kläger, der aufgrund seiner Vorstandstätigkeit tiefere Einblicke in den Ablauf und Zweck solcher Veranstaltungen hatte, nicht erkennbar gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.
59 
cc.) Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass der Kläger am 04.02.2007 und 01.09.2009 an Märtyrergedenkveranstaltungen teilgenommen hat.
60 
Das LfV hat unter dem 08.10.2009 unter anderem ausgeführt, am 04.02.2007 habe in den Räumen des „Mesopotamischen Kulturvereins“ in S... ab 13 Uhr eine Versammlung von KONGRA-GEL-Anhängern stattgefunden, an der etwa 150 Personen teilgenommen hätten. Die hiervon namentlich von der Quelle erwähnten Besucher seien dem LfV aufgrund anderer Erkenntnisse als KONGRA-GEL-Anhänger bekannt. Es sei der „Sehitler“ („Märtyrer“) dieser Organisation gedacht worden. Ein Redner habe ausgeführt, die „Märtyrer“ seien „für uns“ gestorben. Sie dürften niemals vergessen werden. Ihr Andenken verpflichte „uns“ zum Einsatz für die kurdische Sache. Das sei ihnen versprochen worden und deshalb würden sich die Anwesenden auch bis zum Ende des Lebens dafür einsetzen. Zudem seien bei der Veranstaltung Fahrkarten nach Straßburg für eine dortige Demonstration am 10.02.2007 zum 8. Jahrestag des „Internationalen Komplotts“ (= Festnahme Öcalans am 15.02.1999) verkauft worden.
61 
Dass das LfV in seinem Bericht vom 27.10.2009 mit Datum vom 03.02.2007 ein „Erinnerungsfest“ für die im Kampf gefallenen Märtyrer erwähnt hat, das vom „Komitee der Märtyrer-Familien“ ausgerichtet worden sei (siehe hierzu auch die Übersetzung des entsprechenden Beitrags in der YÖP vom 06.02.2007), während eine Märtyrergedenkfeier mit Datum vom 04.02.2007 in diesem Bericht nicht genannt wird, stellt nicht in Frage, dass letztere tatsächlich stattgefunden hat. Zum einen war der 04.02.2007 ein Sonntag; es ist daher nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch der davor liegende Samstag für eine thematisch ähnliche Veranstaltung genutzt wurde. Zum anderen enthalten die Berichte des LfV (bedingt durch dessen Arbeitsweise) nicht unbedingt eine lückenlose Auflistung aller - die PKK unterstützenden - Veranstaltungen des Mesopotamischen Kulturvereins. Dies verdeutlichen etwa auch ein Abgleich der Feststellungen zu solchen Veranstaltungen im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 11.07.2002 (13 S 1111/01 - juris Rn. 63) mit den im vorliegenden Verfahren vorlegten Berichten vom 02.08.2006 und 27.10.2009, die auch Zeiträume erfassen, die Gegenstand dieses Urteils waren. Von besonderer Bedeutung ist jedoch, dass der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2010 ausdrücklich eingeräumt hat, an der Veranstaltung am 04.02.2007 teilgenommen zu haben. Der vom LfV detailreich geschilderte Ablauf ist mit diesem Schriftsatz nicht in Frage gestellt worden. Der Kläger hat darin lediglich geltend gemacht, er habe weder applaudiert noch irgendwelche Parolen gerufen. Er habe nur den gehaltenen Reden zugehört.
62 
Nach den Gründen des angefochtenen Urteils (UA S. 16) hat sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht jedoch dahingehend eingelassen, dass an diesem Tag Angehörige im Mesopotamischen Kulturverein einer Verstorbenen gedacht hätten. Die Angehörigen hätten für die Teilnehmer ein Essen ausgerichtet. Bei den Kurden sei es üblich, dass der Verstorbenen gedacht würde. Für ihn seien die Werte seines Volkes sehr wichtig. Hierzu zähle auch, der Toten zu gedenken und zu beten. Da er die Angehörigen der Verstorbenen kenne, sei er zu dieser Gedenkfeier gegangen und habe ihnen sein Beileid ausgesprochen. Er habe mit den Angehörigen zusammen gegessen und sei dann wieder gegangen. An eine bei der Veranstaltung gehaltene Rede könne er sich nicht erinnern. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger ausgeführt, er sei am 04.02.2007 zufällig im Verein gewesen und habe gesehen, dass dort Angehörige einem Toten gedacht hätten, er habe ihnen sein Beileid ausgesprochen. Er glaube, es sei ein Mann gewesen, der in der Türkei verstorben sei. Er sei nur etwa eine halbe Stunde anwesend gewesen, während dieser Zeit habe es keine Rede gegeben.
63 
Die Angaben des Klägers vor dem Verwaltungsgericht und dem Senat sind widersprüchlich und ungereimt. Nach seiner Einlassung beim Verwaltungsgericht habe es sich bei der Toten um eine Frau gehandelt; gegenüber dem Senat sprach er von einem Verstorbenen. An Einzelheiten - etwa wer der Tote gewesen sei - will er sich nach seinen Angaben vor dem Senat nicht erinnern können. Damit passt aber nicht zusammen, dass er sein angeblich spontanes Verbleiben genau auf eine halbe Stunde datierte, obwohl dieses Ereignis mehr als fünf Jahre zurückliegt. Der Senat ist auch aufgrund des vom Kläger gewonnenen Eindrucks zu der Überzeugung gelangt, dass die Art und Weise der Einlassung im gerichtlichen Verfahren allein bezweckt, den wahren Charakter der Veranstaltung zu verschleiern. Insoweit misst der Senat der früheren Äußerung im Schriftsatz vom 16.11.2010, die auch noch nicht unter dem Eindruck eines bestimmten Verlaufs des gerichtlichen Verfahrens erfolgte, besondere Bedeutung zu. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil der Kläger keine plausible Erklärung für seine nunmehr abweichende Darstellung gegeben hat.
64 
Am 01.02.2009 ist der Kläger ebenfalls Teilnehmer einer Märtyrergedenkveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern gewesen. Dabei sei - wie das LfV unter dem 23.12.2009 ausgeführt hat - eine Guerilla-Angehörige in einem Vortrag als „Heldin“ gepriesen worden, die sich aus Protest über die Isolationshaft Öcalans 2006 selbst verbrannt habe. Die Gedenkfeier habe von etwa 15 Uhr bis 16 Uhr gedauert. Ungefähr 50 Personen hätten sich hierfür in den damaligen Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins in S... versammelt. Hinsichtlich der KONGRA-GEL-Ausrichtung des Besucherkreises werde auf die Ausführungen zu der Veranstaltung vom 04.02.2007 verwiesen.
65 
Im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 ließ sich der Kläger dahingehend ein, er habe am 01.02.2009 eine in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins abgehaltene Kondolenzveranstaltung besucht. Er sei zum Zweck des Kondolierens dort gewesen. Der dort abgehaltene Vortrag könne ihm nicht angelastet werden. Aus dieser Einlassung ergibt sich aber nicht nur, dass die Tatsache der Veranstaltung nicht bestritten wird, sondern auch, dass deren konkret geschilderter Verlauf mit seinem Vortrag nicht in Abrede gestellt wird; lediglich der Ausrichtung der Veranstaltung wird entgegengetreten. Im Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16.11.2010 heißt es dann, der Kläger lasse bestreiten, an dieser Veranstaltung teilgenommen zu haben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger ausgeführt, er sei nicht bei der Veranstaltung vom 01.02.2009 gewesen. Auf Vorhalt, dass im Anwaltsschreiben vom 30.06.2010 ausdrücklich ausgeführt worden sei, er habe an dieser Veranstaltung teilgenommen, hat der Kläger zunächst überhaupt nicht geantwortet. Erst auf Frage seiner Prozessbevollmächtigten, ob er vielleicht etwas durcheinander bringe, hat er dies bejaht und sich im weiteren Verlauf der Verhandlung darauf berufen, er könne sich nicht erinnern.
66 
Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Einlassung im Schriftsatz vom 30.06.2010 zur Teilnahme an einer Veranstaltung am 01.02.2009 zutrifft. Diese Ausführungen können nur auf den entsprechenden Angaben des Klägers gegenüber seinen Rechtsanwälten beruhen und stehen mit der erstmaligen Vorhaltung der Teilnahme an dieser Veranstaltung in näherem zeitlichem Zusammenhang. Für diese Bewertung spricht ebenfalls, dass der Kläger weder im Schriftsatz vom 16.11.2010 noch zu einem späteren Zeitpunkt nachvollziehbar erklärt hat, warum er nunmehr eine andere Schilderung abgibt.
67 
Der Senat ist davon überzeugt, dass es sich bei dieser Veranstaltung vom 01.02.2009 ebenso wie bei derjenigen vom 04.02.2007 nicht um ein bloßes Gedenken an einen Toten, um ein würdevolles Abschiednehmen und Kondolieren mit einer (Trauer-) Feier gehandelt hat, sondern um Zusammenkünfte bei denen mit dem Ziel der Unterstützung des Guerillakampfes ein Heldengedenken und ein Märtyrerkult im Hinblick auf gefallene Kämpfer oder in sonstiger Weise für „die Sache“ Verstorbene betrieben werden.
68 
Die Feststellung, dass es sich - entgegen der Einlassung des Klägers - bei der Veranstaltung vom 01.02.2009 nicht um eine „normale“ Trauerfeier gehandelt hat, sondern um eine Märtyrergedenkveranstaltung zum Jahrestag einer HPG-Angehörigen, die sich am 01.02.2006 aus Protest gegen die „Isolationshaft“ von Öcalan selbst verbrannt habe, beruht auf den in der mündlichen Verhandlung übergebenen schriftlichen Ergänzungen zu den Berichten des LfV vom 27.10.2009 und 02.08.2006 sowie dem Bericht vom 15.06.2011, in denen die Gedenkveranstaltung aus Anlass des 3. Jahrestags der Selbstverbrennung der Märtyrerin Viyan Soran am 01.02.2009 aufgeführt und näher beschrieben ist, und gegen die der Kläger keine Einwendungen vorgebracht hat, sowie auf den Angaben des Zeugen vom Hörensagen des LfV.
69 
Der Senat ist sich dessen bewusst, dass der vernommene Mitarbeiter des LfV nach der Quelle und dem Quellenführer der „3. Mann“ in der Kette denkbarer Auskunftspersonen ist und daher dessen Bekundungen mit einem dem immanenten Unsicherheitsfaktor behaftet sind. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil - wie dies für den Einsatz einer Quelle des Verfassungsschutzes typisch ist - die Berichte der Quelle an den Quellenführer mündlich erfolgen, dies regelmäßig auch nicht sofort nach der Veranstaltung, über die berichtet wird, geschieht und die Erstellung der schriftlichen Fassung durch den Quellenführer dann nochmals Zeit benötigt, wobei dies üblicherweise einige Tage betragen kann. Diese Verfahrensabläufe ergeben sich aus den Bekundungen des Mitarbeiters des LfV in der Berufungsverhandlung. Sie sind dem Senat im Übrigen aus anderen Verfahren mit Quellen des LfV bekannt. Der Senat geht auch davon aus, dass der Quellenführer die Angaben der Quelle nicht in dessen Beisein auf einen Tonträger aufnimmt oder diese gar an Ort und Stelle sofort schriftlich niederlegt. Der Senat hält es ferner nicht für plausibel, dass - wie der Mitarbeiter des LfV dies in der mündlichen Verhandlung als eventuell möglich angedeutet hat - es auch sein könnte, dass die schriftliche Aufzeichnung des Quellenführers nochmals mit der Quelle abgestimmt wird. Ein solches Prozedere zur Reduktion von Fehlern ist - wie der Senat aus vergleichbaren Verfahren weiß - jedenfalls nicht üblich.
70 
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Verfassungsschutz aufgrund der ihm zugewiesenen Aufgaben gerade in der streitgegenständlichen „Szene“ auf den Einsatz von dort aktiven Quellen zur Ermittlung von Sachverhalten angewiesen ist, und die Aufrechterhaltung der Anonymität der Quelle hierbei von zentraler Bedeutung ist. Aus Gründen des Quellenschutzes hat der Zeuge des LfV nichts offenbart, was in irgendeiner Weise einen Rückschluss auf die Identität der Quelle und deren Arbeitsweise zulassen würde; die Quelle ist daher ein in jeder Hinsicht unbekannter Faktor, deren Glaubwürdigkeit vom Senat nicht selbst beurteilt werden kann. Der Zeuge hat aber im Einzelnen nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, wie durch entsprechende Lichtbildvorlagen sichergestellt ist, dass die Quelle den Kläger einwandfrei identifiziert hat, und welche Maßnahmen das LfV - auch im vorliegenden Fall - zur Überprüfung der Nachrichtenehrlichkeit von Quellen praktiziert. Er hat im Einzelnen weiter ausgeführt, dass es im konkreten Fall keine Hinweise darauf gebe, dass die Quelle jemals in irgendeiner Weise falsch berichtet hätte, was im Übrigen dazu führen würde, dass keine Erkenntnisse mehr mitgeteilt würden, die von dieser Quelle herrührten und bereits übermittelte Erkenntnisse zurückgezogen würden. Dies deckt sich mit den Fakten, die dem Senat aus anderen Fällen bekannt sind.
71 
Dies insgesamt berücksichtigend ist der Senat der Überzeugung, dass die Berichte der Quelle über die Veranstaltung vom 01.02.2009, aber auch was die über den Kläger insgesamt mitgeteilten sonstigen Erkenntnisse betrifft, zutreffend sind. Dies gilt vor allem deshalb, weil es im vorliegenden Fall besonders gewichtige Fakten gibt, die die „Quellenbekundungen“ stützen. Dass die Quelle den Kläger sicher identifizieren kann, belegt der Umstand, dass diese den Kläger als Teilnehmer der PKK-Gründungsfeierlichkeiten zum 30. Jahrestag benannt hat, einer Veranstaltung, die von ca. 2.000 Personen besucht worden ist, und der Kläger seine Anwesenheit dort zugestanden hat. Die Anwesenheit des Klägers bei der Feier zum Jahrestag der PKK-Gründung mit den dort gezeigten Bildern von Märtyrern verdeutlicht zugleich, dass dem Kläger die Beteiligung an Veranstaltungen, bei denen es (auch) um die „Erinnerung“ an Märtyrer geht, nicht fremd ist. Hinzukommt, dass der Mesopotamische Kulturverein aktenkundig seit 1997 immer wieder der Märtyrer gedenkt und besondere Feiern hierzu ausrichtet; die Veranstaltung vom 01.02.2009 passt in diese Konzeption. Dem Kläger muss schon aufgrund seiner Vorstandstätigkeit und aktiven Mitgliedschaft - nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist er in den Jahren 2000 bis 2005 im Verein ein- und ausgegangen - diese Tatsache ebenso wie der konkrete Charakter einer solchen Veranstaltung bekannt gewesen sein.
72 
Nach der Stellungnahme des LfV vom 15.06.2011 handelt es sich bei den Märtyrern vor allem um gefallene HPG-Kämpfer/Guerillas, Selbstmordattentäter oder Selbstmörder, wobei insbesondere die Selbstverbrennung als heldenhaft gelte, um auf das eigene Anliegen aufmerksam zu machen. Es gebe bei den von PKK-nahen Vereinen veranstalteten Märtyrergedenkfeiern grundsätzlich zwei unterschiedliche Arten: Zum einen diejenigen, die fest im Kalender der Organisation verankert seien und jährlich wiederkehrend um einen bestimmten Termin herum gefeiert würden, zum anderen diejenigen, die aus aktuellem Anlass oder nur in bestimmten regionalen Zusammenhängen begangen würden. Weitere Märtyrergedenkfeiern richteten sich zumeist nach den Jahrestagen von Todestagen herausragender Aktivisten oder besonderer Ereignisse, wenn z.B. mehrere Kämpfer bei einer illegalen Aktion umgekommen seien. Diese Gedenkfeiern würden meist nicht regelmäßig jedes Jahr begangen. Oft orientierten sich die PKK-nahen Vereine hier an entsprechenden Veröffentlichungen z.B. in der Yeni Özgur Politika oder daran, ob eine im Verein aktive Familie einen Märtyrer in früherer Zeit zu beklagen gehabt habe. Auch tatsächliche aktuelle Trauerfälle - weil beispielsweise ein Mitglied einer hier lebenden Familie als PKK-Guerilla gefallen sei - könnten der Anlass solcher Feiern sein. Bei der Märtyrergedenkfeier vom 01.02.2009 handele es um eine solche, die sich am Jahrestag des Todestags der herausragenden Aktivistin Leyla Welid Hüseyin bzw. Leyla Wali Hasan orientiere, einer HPG-Angehörigen mit dem Decknamen „Viyan Soran“, die sich am 01.02.2006 aus Protest gegen die „Isolationshaft“ von Öcalan selbst verbrannt habe. Für die Feier vom 04.02.2007 gelte ebenfalls, dass diese eben keine private Familienfeier sei, sondern dass das Gedenken in diesem Rahmen auch der Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls diene. Die Tatsache, dass bei Märtyrergedenkveranstaltungen häufig eine Rede mit entsprechender PKK-Propaganda gehalten werde, verdeutliche, dass die Angehörigen eines Märtyrers, aber auch andere Besucher darin bestärkt werden sollen, dass der Märtyrer das Richtige getan habe und man ihm nacheifern müsse.
73 
Der Senat teilt die Einschätzung des LfV, dass diese Veranstaltungen das Gedenken an sog. „Sehitler“ (dt: „Märtyrer“) instrumentalisieren. Die Botschaft, es sei ehrenvoll so wie die Märtyrer zu handeln, soll vermittelt werden - vor allem mit dem Ziel der Rekrutierung von Nachwuchskämpfern, aber auch um die Anhänger an die Organisation zu binden und Unterstützer für die eigene Sache zu gewinnen. Die Veranstaltungen dienen der Verherrlichung des Todes im Einsatz für die PKK und deren Ziele. Mit diesen Veranstaltungen wird ein emotionales (und auch materielles) Unterstützerfeld für die PKK geschaffen, das ständig aktualisiert und am Leben gehalten werden soll. Die Märtyrergedenkveranstaltungen sind ein wesentlichen Element zur Herstellung eines engen ideologischen und gefühlsmäßigen Zusammenhalts unter Einbeziehung auch der PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (siehe zum Märtyrerkult der PKK Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 55; auch BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris Rn. 46 ff.). Mit dem Besuch dieser Veranstaltungen am 04.02.2007 und 01.02.2009, deren Ausrichtung für den Kläger aufgrund seiner politischen Biographie zumindest ohne weiteres erkennbar gewesen ist, hat er die PKK unterstützt. Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass der Kläger allein aus geselligen Gründen zufällig in diese Veranstaltungen geraten sein könnte. Diese Bewertungen würden im Übrigen selbst dann gelten, wenn man es für denkbar halten würde, dass der Kläger im Jahre 2007 tatsächlich das „Erinnerungsfest für Märtyrer“ am 03.02. besucht hätte. Die - erkennbare - Ausrichtung dieser Veranstaltung (siehe hierzu den Bericht in der Yeni Özgur Politika vom 06.02.2007) entspricht dem vorstehend Dargelegten.
74 
dd.) Der Senat ist weiter davon überzeugt, dass der Kläger durch den Besuch von Veranstaltungen am 24.02.2008 und 07.06.2009, mit deren Ausgestaltung und Ablauf erkennbar für die Ziele der PKK geworben und ein entsprechendes Sympathieumfeld am Leben gehalten werden soll, die PKK unterstützt hat.
75 
Das LfV hat unter dem 12.11.2008 und ergänzt durch Schreiben vom 08.10.2010 mitgeteilt, am 24.02.2008 sei der Kläger in den damaligen Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins in S... Teilnehmer einer Mitgliederversammlung von KONGRA-GEL-Anhängern gewesen. Gleich zu Beginn der Veranstaltung sei zu einer Gedenkminute für die Märtyrer dieser Organisation aufgerufen wurden. Weiter habe ein Redner zu einer zahlreichen Beteiligung an den zukünftigen Demonstrationen „gegen den Einmarsch des türkischen Militärs in den Nordirak“ aufgefordert. Ein anderer Referent habe ausführlich die Ergebnisse des letzten Kongresses der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V (YEK-KOM) geschildert. Es habe sich um die Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins gehandelt, der hierzu seine Angehörigen jeweils direkt einlade. Es seien 80 Personen anwesend gewesen.
76 
Nach den Erkenntnissen des LfV habe sich der Kläger am 07.06.2009 in den damaligen Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins in S... an einer Veranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern beteiligt, bei der ein Redner die Guerilla als so stark wie nie beschrieben habe. In den vergangenen Monaten hätten Tausende von Jugendlichen ihre Bereitschaft erklärt, kämpfen zu wollen, aber man würde sie derzeit noch nicht benötigen. Die nutzlosen türkischen Luftangriffe zeigten, dass eine starke Militärmaschinerie nicht ausreiche, um die Guerilla zu besiegen. Auf die „Verhaftungswelle“ von KONGRA-GEL-Funktionären in Frankreich eingehend, habe er behauptet, die Europäer inklusive der Deutschen hätten mit der türkischen Regierung schon immer „schmutzige Geschäfte“ zu Lasten der Kurden vereinbart. Die Veranstaltung habe von ca. 14.30 Uhr bis 16.30 Uhr gedauert und sei von annähernd 100 Personen besucht worden. Zur Teilnahme sei in der YÖP vom 05.06.2009 eingeladen worden.
77 
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 16.11.2010 sowie auch vor Gericht bestritten, an diesen Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Der Senat hat jedoch aufgrund der Angaben des Zeugen vom Hörensagen des LfV und der vorliegenden gewichtigen Indiztatsachen keinen Zweifel daran, dass diese Veranstaltungen mit dem berichteten Inhalt stattgefunden haben und der Kläger bei diesen auch anwesend gewesen ist.
78 
Zwar hat der Zeuge über die bereits schriftlich übermittelten Erkenntnisse hinaus keine weiteren Details zu den Veranstaltungen vom 24.02.2008 und 07.06.2009 angegeben, insbesondere etwa zur Person des Redners hinsichtlich der Veranstaltung vom 24.02.2008 unter Hinweis auf den abgeschlossenen kleineren Kreis dieser Mitgliederversammlung und des unbedingt zu wahrenden Quellenschutzes nichts weiter preisgegeben. Unter Berücksichtigung der bereits oben dargelegten Erwägungen zur Verwertbarkeit und Würdigung der Aussagen des Zeugen vom Hörensagen sieht der Senat aber keine Hinderungsgründe, seine Überzeugungsbildung auf die „Quellenangaben“ zu stützen. Die Tatsache der Veranstaltung vom 07.06.2009 und deren Ausrichtung ergibt sich aus der veröffentlichten Anzeige in der Yeni Özgur Politika vom 05.06.2009. Danach „findet auf Einladung des Mesopotamischen Kulturvereins am Sonntag, dem 07.06.2009 eine Volksversammlung statt. Dazu sind alle progressiven Menschen eingeladen“. Die Durchführung von Volksversammlungen und Mitgliederversammlungen mit den konkret beschriebenen Abläufen entspricht einer „Tradition“ des Mesopotamischen Kulturvereins, über die auch etwa in den Yeni Özgur Politika und zuvor der Özgur Politika berichtet wurde. Dass in der Versammlung vom 24.02.2008 über die Ergebnisse des letzten Kongresses der YEK-KOM informiert wurde, begegnet vor dem Hintergrund der Mitgliedschaft des Vereins in der YEK-KOM und der tatsächlichen Verflechtung zwischen beiden (siehe dazu oben unter a.) keinen Zweifeln. Wie schon oben ausgeführt ist die Quelle auch in der Lage, den Kläger sicher zu identifizieren. Anhaltspunkte dafür, dass dies - entsprechend der Einlassung des Klägers - „alles nur böse Unterstellungen“ seien, sind nicht greifbar. Eine wesentliche Tatsache bei der Würdigung der Angaben des Zeugen vom Hörensagen ist zudem der Umstand, dass der Kläger seine Beteiligung an verschiedenen ähnlich gelagerten Veranstaltungen des Mesopotamischen Kulturvereins selbst eingeräumt hat oder durch polizeiliche Erkenntnisse feststeht, dass der Kläger Aktivitäten entfaltet hat, die zugunsten der PKK wirken, wie sein Verhalten anlässlich der Leitung der Versammlung am 31.05.2001 oder die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001.
79 
ee.) Ferner steht fest, dass der Kläger am 14.05.2006 an einer vom Mesopotamischen Kulturverein ausgerichteten Versammlung zur Wahl des Volksgebietsrats teilgenommen hat und dort zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist und am 26.04.2009 bei einer Versammlung anlässlich der Wahl des neuen Volksgebietsrats gewesen ist.
80 
Nach den Berichten des LfV habe am 14.05.2006 in der Gaststätte W. in S... von 14.00 Uhr bis 17.30 Uhr eine Versammlung mit 300 Personen stattgefunden, an der der Kläger teilgenommen habe. In der Yeni Özgür Politika seien am 03. und 11.05. 2006 Hinweise und Einladungen zu dieser Veranstaltung erschienen. Bei dieser Versammlung habe ein Redner über die politische Lage in den kurdischen Gebieten im Irak referiert und den USA vorgeworfen, die Türkei im Kampf gegen diese Organisation zu unterstützen. Bei diesem Redner habe es sich um den zwischenzeitlich wegen seiner Funktionärstätigkeit als Leiter des Sektors „Süd“ für die PKK durch das OLG Frankfurt verurteilten Muzaffer Ayata gehandelt. Dieser habe ausgeführt, dass die Volksräte unter anderem gegründet worden seien, um die „Kadros“ zu entlasten und das Volk in die Verantwortung zu nehmen. Die YÖP habe am 16.05.2006 berichtet, der Politiker und Schriftsteller Ayata habe in seiner Ansprache darauf verwiesen, dass die Kurden eine konföderative Struktur ohne staatlichen Charakter bräuchten und hierbei betont, dass die Volksräte das demokratischste völkische Modell für die Kurden seien. Nach dem Verlesen der Schriften von Öcalan über die „Demokratische Konföderation“ hätten Kommissionswahlen stattgefunden. Für die Kommissionen „Friede und Einigung“, „Auswärtige Angelegenheiten“, „Organisierung“, „Frauenkommission“, „Bildungskommission“, „Kultur und Kunst“ und „Glaubenskommission“ seien insgesamt 55 Personen gewählt worden. Zum Vorsitzenden des damaligen Volksgebietsrats sei in derselben Versammlung K. gewählt worden. Der Kläger habe an dieser Versammlung und der Wahl des Volksgebietsrats teilgenommen. Er sei zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden.
81 
Nach einem weiteren Bericht des LfV vom 17.04.2012 habe der Kläger, der zwischenzeitlich nicht mehr stellvertretender Vorsitzender des Volksgebietsrats sei, am 26.04.2009 an einer Versammlung in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins anlässlich der Wahl des neuen Volksgebietsrats teilgenommen. Der damalige PKK-Gebietsleiter S... habe erklärt, dass der vorige Volksgebietsrat zu wenig gearbeitet habe, deshalb müsse ein neuer gewählt werden. Er habe auch über die Bedeutung der Volksgebietsräte gesprochen: Bislang hätte das Volk immer die Partei für sich entscheiden lassen, nun könne es selbst entscheiden. Im Anschluss daran seien die vom Gebietsleiter vorgeschlagenen Kandidaten per Handzeichen gewählt worden.
82 
Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2010 und im gerichtlichen Verfahren bestritten, an der Wahl des Volksgebietsrats am 14.05.2006 und am 26.04.2009 teilgenommen genommen zu haben und 2006 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden zu sein. Er macht geltend, es seien Falschbeschuldigungen. Das Land Baden-Württemberg habe nur allgemeine Angaben zu dieser Veranstaltung gemacht, konkrete Angaben zu seinem Verhalten seien unterblieben, schon dies zeige, dass er nicht teilgenommen habe.
83 
Dass am 14.05.2006 und 26.04.2009 in S... Versammlungen mit dem Ziel der Wahl des Volksgebietsrats durchgeführt worden sind, ist vor allem mit Blick auf die entsprechenden Berichterstattungen in der Yeni Özgur Politika und der diese Veranstaltungen bestätigenden Aussagen des Zeugen K., der am 14.05.2006 zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist, erwiesen. Im Übrigen ist letztlich auch vom Kläger nicht mehr in Abrede gestellt worden, dass es diese Veranstaltungen und die Wahl zum Volksgebietsrat gegeben hat. Der Senat ist aufgrund der Angaben des Zeugen vom Hörensagen und der vorliegenden gewichtigen Umstände, die diese stützen, davon überzeugt, dass der Kläger an diesen Versammlungen teilgenommen hat und am 14.05.2006 zum Stellvertreter des Volksgebietsrats gewählt worden ist.
84 
Das LfV, dem die Veranstaltung vom 14.05.2006 mit der Wahl des Schwagers des Klägers, dem Zeugen K., zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats jedenfalls seit Mitte 2006 bekannt gewesen sein muss (vgl. hierzu den im Verfahren übermittelten Auszug aus dem türkischen Pressespiegel vom 16.05.2006), hat erstmals mit Bericht vom 24.01.2008 eine Teilnahme des Klägers an der Veranstaltung vom 14.05.2006 angeführt und eine Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats sogar erst unter dem 08.10.2010 angegeben. Mit Schreiben vom 17.04.2012 hat das LfV hierzu erklärt, es könne heute nicht mehr nachvollzogen werden, welche Erwägungen 2008 dazu geführt hätten, dass damals eine Wahl des Klägers zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats nicht mitgeteilt worden sei. Grundsätzlich sei es aber so, dass vor jeder Offenlegung eingestufter Erkenntnisse - und um solche handele es sich bei der Berichterstattung vom 14.05.2006 - genau geprüft werde, welche Veranstaltungsdetails ohne eine Gefährdung der Quelle offengelegt werden könnten. Dem Erstbericht von 2008 und dem Nachbericht von 2010 liege jedoch derselbe schriftliche mehrseitige Quellenbericht zugrunde (üblicherweise werde der zumeist kurz nach der Veranstaltung von der Quelle mündlich übermittelte Bericht vom Quellenführer schriftlich fixiert, dieser so genannte Quellenbericht finde dann Eingang in die Akten des LfV). Vor allem mit Blick auf diese letzten Erläuterungen steht es einer Glaubhaftigkeit der Angaben zu den dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten im Zusammenhang mit den Wahlen zum Volksgebietsrat nicht entgegen, dass diese deutlich zeitlich versetzt mitgeteilt worden sind. Der in der mündlichen Verhandlung vernommene Zeuge des LfV hat die bereits schriftlich mitgeteilten Erkenntnisse zu diesen Veranstaltungen bestätigt und ausdrücklich erklärt, dass der Kläger sowohl am 14.05.2006 als auch am 26.04.2009 bei diesen Versammlungen anwesend gewesen ist, 2006 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt und 2009 nicht wiedergewählt worden ist. Er hat ferner ausgeführt, dass bei der Wahl am 14.05.2006 alle Kandidaten vorgeschlagen wurden und dann im Paket über diese abgestimmt wurde. Diese Angaben werden durch die Aussage des Zeugen K. nicht infrage gestellt. Dieser Zeuge hat angegeben, er wisse nicht, ob der Kläger an der Veranstaltung vom 14.05.2006 teilgenommen habe. Auch auf weitere Nachfragen hat sich der Zeuge K. darauf berufen, hierzu könne er nichts sagen, das wisse er nicht. Andererseits hat er aber angegeben, dass der Kläger über die Veranstaltung Bescheid gewusst habe. Der Senat hat nach dem persönlichen Eindruck vom Zeugen K., der im Übrigen der Schwager des Klägers ist, die Überzeugung gewonnen, das dieser, was dessen Teilnahme an der Wahl zum Volksgebietsrat und die Übernahme einer Funktion als stellvertretender Vorsitzender anbelangt, offensichtlich eine eindeutige Aussage hat vermeiden wollen, um auf der einen Seite dem Kläger nicht zu schaden und auf der anderen Seite aber nicht selbst Gefahr zu laufen, wegen einer Falschaussage bestraft zu werden.
85 
Zwar hat der Kläger vorgebracht, Opfer einer Falschverdächtigung zu sein; konkrete Anhaltspunkte hierfür hat er jedoch nicht genannt. Auch mit Blick auf das ausdifferenzierte Kontrollsystems des LfV zur Überprüfung der Nachrichtenehrlichkeit sieht der Senat keinen Anlass, solches anzunehmen. Ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Quelle, die den Kläger sicher identifizieren kann, zutreffend berichtet hat, ist vor allem die Tatsache, dass die fraglichen Veranstaltungen und die Funktion des Stellvertreters des Volksgebietsrats sich in die Aktivitäten einreihen, die der politisch agierende Kläger selbst eingeräumt hat oder die aufgrund objektiver Gegebenheiten erwiesen sind. Dass der Mesopotamische Kulturverein als Ausrichter der Versammlungen aufgetreten ist (so auch die entsprechende Einlassung von K. ausweislich des Protokolls seines Sicherheitsgesprächs vom 12.04.2011), und dass sich der Kläger dort nach eigenem Vorbringen sowohl im Vorstand als auch als aktives Mitglied in der Vergangenheit engagiert hat, sind weitere Fakten, die die Angaben des Zeugen vom Hörensagen stützen.
86 
Sowohl durch die Teilnahme an den Versammlungen zur Wahl des Volksgebietsrats als auch durch die Übernahme der Funktion als Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats hat der Kläger die PKK für ihn erkennbar unterstützt.
87 
Was die Ausrichtung der Versammlung zur Wahl des Volksgebietsrats und den Volksgebietsrat selbst anbelangt, hat der Zeuge K. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, die Idee sei gewesen, dass aus allen sozialen Schichten Kurden daran teilnehmen, vergleichbar einer Art Gemeinderat, der sich der speziellen Probleme der Kurden unabhängig von ihrer Herkunft, etwa in Fragen der Integration, annehme. Der Senat ist allerdings der Überzeugung, dass dies den wahren Charakter von Volksversammlungen und Volksgebietsräten nicht zutreffend umschreibt. Wie das LfV unter dem 08.10.2010 im Einzelnen dargelegt hat, strebt die PKK mit dem Element des Volksrats (bzw. Gebietsvolksrat oder Volksgebietsrat) eine verstärkte Einbindung ihrer Anhänger in organisationsinterne Entscheidungsprozesse und somit eine erhöhte Legitimation ihrer Anliegen an. Eine Versammlung wählt den Volksrat, der sich um Belange der Kurden in einem bestimmten Gebiet kümmert. Dies und die Einrichtung zahlreicher Kommissionen, beispielsweise für Frauen, Jugend, Schulung oder Finanzen, werden seitens der PKK als Basisdemokratie dargestellt. Tatsächlich wird aber in der Praxis die vorhandene streng hierarchische Führungsstruktur nicht angetastet. Volksgebietsräte (türkisch: Halk Konseyi oder Bölge Halk Konseyi) gehören seit 2005 zum organisatorischen Rahmen der PKK und sollen deutschland- und europaweit verbreitet sein (vgl. hierzu auch die Berichterstattung in der Yeni Özgur Politika vom 16.05.2006). Dass die Volksgebietsräte erkennbar von der PKK „gesteuert“ sind, belegt schon die Tatsache, dass die Veranstaltung vom 14.05.2006 unter führender Beteiligung eines hochrangigen PKK-Funktionärs abgehalten worden ist, nämlich dem bis zu seiner Festnahme am 08.08.2006 verantwortlichen Leiter des PKK-CDK-Sektors Süd in Deutschland, der als Sektorenleiter in Deutschland von der Europaführung der PKK/CDK bestimmt und überwacht, und dessen Ausweisung vom Senat mit Urteil vom 21.07.2010 (11 S 541/10 - juris) rechtskräftig bestätigt worden ist. Auch die zentrale Rolle des Gebietsleiters der PKK bei der erneuten Veranstaltung vom 26.04.2009 unterstreicht dies. In diesen Zusammenhang ist ferner die Verlesung von Schriften Öcalans bei dem Treffen am 14.05.2006 einzuordnen, der als Symbol für die Ziele und den Kampf der PKK gilt.
88 
Der Senat geht jedoch davon aus, dass der Volksgebietsrat in S... zu keiner Zeit nennenswerte tatsächliche Aktivitäten entfaltet hat und der Kläger daher eine Funktion als Stellvertreter des Volksgebietsrats in der Praxis nicht ausgeübt hat. Dass der Volksgebietsrat „nicht mit praktischem Leben erfüllt worden ist“, beruht auf den Angaben des Zeugen K. Der Zeuge des LfV hat auf die Frage des Senats, ob die Volksgebietsräte in S... seit der ersten Wahl im Jahre 2006 jemals etwas gemacht hätten, angegeben, es sei ihm hierzu nichts bekannt geworden, und damit im Ergebnis die Angaben dieses Zeugen bestätigt.
89 
Allerdings liegt sowohl durch den Besuch dieser Versammlungen als auch durch die Übernahme der Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats ein tatbestandliches Unterstützen vor. Denn hierdurch werden die Ziele der PKK unter Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen gefördert. Volksversammlungen dienen vor allem der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Auch die (passive) Teilnahme an einer Volksversammlung drückt eine innere Nähe und Verbundenheit zur PKK aus, durch die ihre Stellung vor allem unter Landsleuten günstig beeinflusst wird, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsumfeld erweitert werden und dadurch insgesamt dazu beigetragen wird, das Gefährdungspotential der PKK zu erhöhen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 54 ff.). Erst recht gilt dies, wenn sich jemand bereit erklärt, in diesem Rahmen noch eine besondere Funktion zu übernehmen. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger all dies nicht bewusst bzw. erkennbar gewesen wäre, sind nicht ersichtlich.
90 
ff.) Der Kläger hat durch die - von ihm mit Schriftsatz vom 16.11.2010 eingeräumte - Teilnahme als Besucher einer Podiumsdiskussion am 25.02.2007 in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins unter Mitwirkung von Günay Aslan zum Thema „Aktuelle politische Entwicklungen im Mittleren Osten und die Position der Kurden“ den Tatbestand der Unterstützung nicht verwirklicht. Nach den Erkenntnissen des LfV habe der Redner im Hinblick auf den befürchteten Einmarsch des türkischen Militärs in den Irak erklärt, dass der KONGRA-GEL seinerseits Operationen gegen die Türkei vorbereite. Darüber hinaus habe er den europäischen Staaten vorgeworfen, mit der USA und Israel an einer gemeinsamen Aktion gegen Öcalan zu arbeiten.
91 
Der Kläger hat angegeben, der weithin bekannte kurdische Journalist Günay Aslan habe eine Rede zur aktuellen Entwicklung im Mittleren Osten gehalten. Da er sich für die Entwicklung in seinem Heimatland interessiere, sei er dort gewesen. Der Journalist habe von der Situation der Kurden im Nahen Osten berichtet und seine Einschätzung zur weiteren Entwicklung mitgeteilt. Er habe immer wieder betont, dass den Kurden kulturelle Rechte zustünden und sie diese einfordern dürften.
92 
Auch unter Berücksichtigung der mitgeteilten Erkenntnisse des LfV hat der Redner auf dieser Veranstaltung lediglich seine politische Überzeugung bekundet, was durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist und nicht als Anknüpfung für eine Unterstützungshandlung - und schon gar nicht bei seinen Zuhörern -in Betracht kommt. Anhaltspunkte dafür, dass der Referent auch die Anwendung terroristischer Mittel (anlässlich eines bewaffneten Kampfes) durch die PKK ausdrücklich öffentlich gebilligt oder in irgendeiner Weise befürwortet hätte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit der journalistischen Arbeit von Herrn Aslan, etwa in der Publikation der „Kandil-Eindrücke“, aus Sicht des LfV „zumindest eine kritische Distanz zu den Objekten seiner Berichterstattung fehle“ (vgl. hierzu das Schreiben vom 10.05.2012), berechtigt dies nicht zu nachteiligen Schlussfolgerungen.
93 
Dass das LfV weiter mitgeteilt hat, bei der Veranstaltung, für die in der Ausgabe der Yeni Özgur Politika vom 22.02.2007 geworben worden sei, liege eine KONGRA-GEL-Ausrichtung des Besucherkreises vor, ist vor diesem Hintergrund irrelevant.
94 
c.) Der Berücksichtigung der Vorstandstätigkeit und Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein und der Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen bzw. Durchführung entsprechender Aktivitäten steht nicht entgegen, dass diese teilweise schon länger zurückliegen.
95 
Hinsichtlich der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001 wurde von der Verfolgung wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 17.12.2002 nach § 153 StPO abgesehen. Auch das im Zusammenhang mit der Leitung der Kundgebung am 31.05.2001 stehende Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz wurde eingestellt. Das Verwertungsverbot für getilgte Strafen nach § 51 Abs. 1 BZRG kann schon deshalb nicht greifen, weil der Kläger wegen der angeführten Umstände bzw. Aktivitäten nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Im Übrigen ist weder bei Unterstützungshandlungen, die strafbar gewesen wären, aber nicht zu einer Verurteilung geführt haben, noch bei den nicht mit einer Strafe bewehrten Aktivitäten eine „fiktive Tilgung“ mit der Folge eines Verwertungsverbots nach § 51 Abs. 1 BZRG vorzunehmen (ausführlich dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 Bs 2/10 - InfAuslR 2011, 193, m.w.N.; zu den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 1491/05 - AuAS 2011, 89; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2011 - 5 N 30.08 - juris; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 63; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris - auch zum Fall einer möglichen Atypik im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
96 
Die länger zurückliegenden Tätigkeiten des Klägers sowie insbesondere seine Mitgliedschaft und seine Stellung als Vorstand im Mesopotamischen Kulturverein sind auch nicht „verbraucht“, so dass sie dem Kläger nicht mehr entgegen gehalten werden könnten. Die Niederlassungserlaubnis vom 04.04.2006 beruhte nicht auf einer vorherigen ausländerrechtlichen Prüfung, die den Schluss zuließe, die Ausländerbehörde habe in Kenntnis der Ausweisungsgründe einen Aufenthaltstitel erteilt und damit die ihr bis dahin bekannten Ausweisungsgründe verbraucht. Wie sich aus dem Vermerk auf dem Titel „Übertrag nach § 101“ ergibt, ist die Niederlassungserlaubnis allein eine gesetzliche Folge, die an den Besitz der dem Kläger am 07.05.2002 - und damit vor dem 01.01.2005 - erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis anknüpft (§ 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Soweit das Regierungspräsidium am 09.12.2005 unter Berücksichtigung der ihm bis dahin bekannten Aktivitäten zu dem Schluss kam, die Voraussetzungen für eine Ausweisung lägen nicht vor, ist dies behördenintern geblieben und kann schon deshalb keinen Anknüpfungspunkt für ein entsprechendes Vertrauen des Klägers bieten. Hinzukommt, dass der Kläger danach seine Unterstützungshandlungen unverändert fortgesetzt hat und auch insoweit keine Zäsur erkennbar wäre, die die Verwertung der früheren Aktivitäten in Frage stellen könnte.
97 
Zwar sind die letzten Unterstützungshandlungen des Klägers durch das LfV für das Jahre 2009 mitgeteilt worden. Dies steht aber der Annahme der gegenwärtigen Gefährlichkeit nicht entgegen. Es liegen keine äußerlich feststellbaren Umstände vor, aus denen geschlossen werden könnte, der Kläger habe seine innere Einstellung verändert und werde daher künftig Unterstützungshandlungen unterlassen. Der Umzug des Klägers von S... nach R... und seine Tätigkeit im Gastronomiebetrieb seiner Ehefrau geben keinen Anlass für eine solche Schlussfolgerung. Der Kläger hat jahrelang und kontinuierlich den internationalen Terrorismus in der oben festgestellten Weise unterstützt. Der Senat nimmt ihm seine Einlassung nicht ab, er habe nur den Friedenskurs der PKK begleitet und sei nie für den bewaffneten Kampf gewesen. Dagegen spricht schon, dass der Kläger auch nach dem 2004 wieder beendeten Friedenskurs einer aktiven Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein nachgegangen und weitere Unterstützungshandlungen vorgenommen hat. Hinzukommt, dass dem Kläger, der nach eigenen Angaben in den Jahren 2000 bis 2005 im „Verein“ ein- und ausgegangen ist, schon allein aufgrund der dort abgehaltenen Veranstaltungen nicht hat verborgen bleiben können, dass das proklamierte friedliche Auftreten der PKK in dieser Zeit nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft unter Anwendung von terroristischen Mitteln geändert hat. So hat es den Mitteilungen des LfV zufolge etwa auch in dieser Zeit Märtyrergedenkveranstaltungen im Mesopotamischen Kulturverein mit den diesen eigenen und oben dargestellten Zwecken gegeben. Auch haben sich Funktionäre der PKK im Verein dem Hintergrund der europaweit initiierten „Identitätskampagne“ angenommen. Was den grundsätzlichen Einwand des Klägers anbelangt, er habe in der Türkei die KAWA unterstützt, die eine ganz andere Ausrichtung gehabt habe wie die PKK, und schon dies belege, dass er diese nie habe unterstützen wollen, ideologisch und politisch sei er mit der PKK nicht einer Meinung, überzeugt dies den Senat ebenfalls nicht. Denn wie sich aus der in der mündlichen Verhandlung erörterten Auskunft des Auswärtigen Amts vom 05.01.1998 an das VG Aachen ergibt, trat die KAWA, die schon seit vielen Jahren nicht mehr aktiv ist, ebenfalls für ein „Kurdistan“ ein und bezeichnete den bewaffneten Kampf als einzige Möglichkeit, „Kurdistan“ zu befreien, und ihr militanter Ansatz verband sie vor allem mit der PKK.
98 
Das auch in der mündlichen Verhandlung festzustellende Bestreiten bzw. Verharmlosen seiner Aktivitäten spricht dafür, dass sich der Kläger allein mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und rechtfertigt vor dem Hintergrund des zurückliegenden Verhaltens die Prognose, dass der Kläger auch künftig eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung nachhaltig unterstützen wird.
99 
Soweit der Kläger der Auffassung ist, der Mesopotamische Kulturverein sei nicht verboten, er sei doch kein Terrorist, die PKK seien nur diejenigen, die „in den Bergen kämpfen“ und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach weder darauf an, dass die in Frage stehende Vereinigung verboten ist noch darauf, dass die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -juris Rn. 49 ff.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -juris Rn. 12).
II.
100 
Als Inhaber einer Niederlassungserlaubnis und anerkannter Flüchtling genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Sept. 2011, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
101 
Dieser nationalrechtliche Maßstab der schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung wird jedoch bei der Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings durch das Unionsrecht modifiziert. Eine Ausweisung eines Flüchtlings darf nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL oder denjenigen des Art. 24 Abs. 1 QRL erfolgen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Qualifikationsrichtlinie den Begriff der Ausweisung selbst nicht verwendet. Grundlage des Anspruch auf einen Aufenthaltstitel (Art. 24 QRL), den Zugang zur Beschäftigung (Art. 26 QRL) und den Zugang zu sozialen Rechten (Art. 27 bis 29 QRL, Art. 31 ff QRL) ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Nach nationalem Recht vernichtet die Ausweisung einen Aufenthaltstitel (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und sperrt eine Neuerteilung (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Ein Titel nach § 25 Abs. 5 AufenthG, der abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG erteilt werden könnte, ist nicht mit den Rechten verbunden, die z.B. Art. 26 und 28 QRL einem anerkannten Flüchtling gewähren; § 25 Abs. 5 AufenthG führt zu Leistungen nach dem AsylbLG (vgl. dessen § 1 Abs. 1 Nr. 3) und ermöglicht eine Beschäftigung nur unter eingeschränkten Voraussetzungen (vgl. § 4 Abs. 2 und 3 AufenthG). Der Wortlaut der Art. 26 ff. QRL knüpft für den Anspruch auf Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an. Da jedoch etwa die Umsetzung des Zugangs zur Beschäftigung im deutschen Recht durch die Erteilung eines bestimmten Titels erfolgt (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 2 iVm Abs. 1 Satz 4 AufenthG bzw. die hier dem Kläger erteilte Niederlassungserlaubnis), kann der einem anerkannten Flüchtling erteilte Titel auch nur unter den Voraussetzungen der Qualifikationsrichtlinie beseitigt werden.
102 
Art. 21 Abs. 3 QRL schließt die Anwendung des Art. 24 Abs. 1 QRL bei einer Ausweisung nicht generell aus (1.) Die konkreten Unterstützungshandlungen des Klägers stellen keine schwerwiegende Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik i.S.d. Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL dar (2.). Die festgestellte Unterstützung erfüllt jedoch die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 QRL, denn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.v. Art. 24 Abs. 1 QRL setzen bei einer Unterstützung des internationalen Terrorismus keine herausragenden Handlungen von außergewöhnlicher Gefährlichkeit voraus; vielmehr können auch nicht besonders hervorgehobene Beiträge eines Sympathisanten genügen, wenn sie sich durch ein hohes Maß an Kontinuität auszeichnen und damit nachhaltig das Umfeld der terroristischen Organisation prägen und beeinflussen (3.)
103 
1. Nach Art. 21 Abs. 3 QRL können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet. Gemäß Art. 21 Abs. 2 QRL kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtung untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Art. 24 Abs. 1 QRL sieht vor, dass so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel ausstellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
104 
Die Prüfung dieser Bestimmungen ist im vorliegenden Fall nicht deshalb entbehrlich, weil die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits mit Bescheid vom 20.02.1997 und damit vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Qualifikationsrichtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 QRL) und sogar noch vor deren Inkrafttreten am 30.09.2004 bzw. ihres Erlasses am 29.04.2004 erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (siehe grds. zur Geltung der Qualifikationsrichtlinie bei Altanerkennungen auch BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Auch der Umstand, dass der Ausweisungsentscheidung Handlungen des Klägers zur Unterstützung der PKK zugrunde liegen, die zeitlich vor den relevanten Daten zur Richtlinie liegen, stellt deren Heranziehung nicht in Frage. Die Ausweisungsverfügung vom 19.07.2010, die diese Aktivitäten des Klägers aufgreift, ist nach Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 ergangen. Insoweit liegt ein nicht abgeschlossener Sachverhalt vor, auf den geltendes materielles Unionsrecht anzuwenden ist.
105 
Die Tatsache, dass der Kläger über eine Niederlassungserlaubnis und damit über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfügt, der in dieser rechtlichen Qualität von Art. 24 Abs. 1 QRL nicht vorgeschrieben ist, steht der Anwendbarkeit der Qualifikationsrichtlinie als Prüfungsmaßstab der Ausweisung ebenfalls nicht entgegen. Die Ausweisungsentscheidung erschöpft sich nicht darin, nur die Niederlassungserlaubnis beseitigen zu wollen; die Ausweisung des Klägers dient nach den Erwägungen des Regierungspräsidiums vielmehr dem Zweck, die Legalität des Aufenthalts insgesamt zu beenden, den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Zukunft zu vernichten und damit eine spürbare und deutliche Beeinträchtigung der Aufenthaltsposition mit Beschränkungen des Zugangs zu sozialen Rechten, zum Arbeitsmarkt und zu Integrationsmaßnahmen herbeizuführen. Eine Ausweisung, die einen Anspruch eines anerkannten Flüchtlings auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und die damit zusammenhängenden Rechte ausschließen soll, muss aber den Anforderungen des Art. 24 Abs. 1 QRL oder des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL entsprechen (zur - lediglich indirekt angedeuteten - Frage der Beachtung der Qualifikationsrichtlinie bei der Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 14.10 - juris Rn. 20; siehe näher die Ausgangsentscheidung VG Münster, Urteil vom 26.05.2009 - 8 K 734/08 - juris Rn. 82 ff.).
106 
Nach Art. 24 Abs. 1 QRL ist der Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Flüchtlingen davon abhängig, dass keine zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen. Ist letzteres der Fall, ist der Aufenthaltstitel zu versagen, ohne dass ein Ermessen der Behörde besteht. Entsprechendes gilt nach Art. 24 Abs. 2 QRL, wenn dem Ausländer der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt ist (vgl. insoweit zur richtlinienkonformen Auslegung des 25 Abs. 3 AufenthG BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 13). Zwischen beiden Absätzen besteht nach der Richtlinie 2004/83/EG allerdings insoweit ein Unterschied, als nur in Absatz 1 hinsichtlich des Aufenthaltstitels bei einer Person, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, die Formulierung „und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ enthalten ist. Art. 21 Abs. 3 QRL eröffnet wiederum hinsichtlich des Aufenthaltstitels eines Flüchtlings dem Mitgliedstaat die Möglichkeit, die Erteilung eines Aufenthaltstitels unter der Voraussetzung des Absatz 2 abzulehnen. Diese Entscheidung steht im Ermessen des Mitgliedstaates, ebenso die dort weiter genannten Möglichkeiten des Widerrufs oder der Beendigung des Aufenthaltstitels, die in Art. 24 Abs. 1 QRL nicht ausdrücklich aufgeführt sind. Eine Ausweisung führt nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG zum Erlöschen des Aufenthaltstitels und stellt eine Beendigung des Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 QRL dar. Aus der speziellen Nennung der „Beendigung des Aufenthaltstitels“ in dieser Regelung und dem „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ in Art. 24 Abs. 1 QRL kann aber nicht geschlossen werden, dass Art. 24 Abs. 1 QRL ausschließlich für die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels gilt und eine nachträgliche Vernichtung des Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage nicht möglich wäre. Es kann vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Zweck der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn im letzterem Fall die Reaktionsmöglichkeit der Vernichtung des Titels nicht bestünde. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die inkriminierenden Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden. Für eine solche Auslegung besteht auch ein praktisches Bedürfnis. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 lit. a) und c) die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die EU-Mitgliedstaaten setzten diese Verpflichtung zu Sanktionsmaßnahmen auf der Basis des Gemeinsamen Standpunktes GASP/2001/931 bzw. Verordnung 2580/2001, zuletzt geändert durch Beschluss 2012/150/GASP vom 13.03.2012 und EU-Verordnung 213/2012 vom 13.03.2012 in EU-Recht um (vgl. Senatsurteil vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -juris Rn 52; vgl. näher auch BT-Drs. 17/9076 vom 22.03.2012 - Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zum politischen Betätigungsverbot). Gedanklich aufgegriffen ist diese Resolution aber auch mit dem Versagungsgrund in Art. 24 Abs.1 QRL, was ebenfalls dafür spricht, dass die rechtstechnische Umsetzung der Verweigerung der Legalität des Aufenthalts nicht entscheidend sein kann. Dass - gerade mit Blick auf die Bekämpfung der Unterstützung des internationalen Terrorismus - durch die Aufnahme des Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 und 2 QRL die Handlungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten erweitert werden sollten und Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL nicht als ausreichend betrachtet worden ist, verdeutlicht vor allem die Entstehungsgeschichte der Qualifikationsrichtlinie:
107 
Der - noch vor den Terroranschlägen des 11. September 2001 erarbeitete - Kommissionsentwurf vom 12.09.2001 (KOM<2001> 510 endg; Ratsdok. 13620/01; siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001 - Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen) enthielt in einem Art. 19 unter der Überschrift „Schutz vor Zurückweisung und Ausweisung“ folgende Regelung: „Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung und weisen Personen, die internationalen Schutzstatus genießen, nur in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen aus.“ Begründet wurde diese Bestimmung ausdrücklich mit folgender Überlegung: „In Übereinstimmung mit Artikel 32 und 33 der Genfer Flüchtlingskonvention bestätigt dieser Artikel, dass die Mitgliedstaaten Flüchtlinge nicht ausweisen dürfen und den Grundsatz der Nichtzurückweisung (Refoulement-Verbot) beachten müssen. Im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention wird diese Verpflichtung auch gegenüber Opfern von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung bekräftigt. Ebenso dürfen die Mitgliedstaaten Personen, denen andere Formen des subsidiären Schutzes zuerkannt wurden, nicht ausweisen und müssen auch hier nach Maßgabe der in Artikel 32 und 33 der Genfer Konvention genannten Einschränkungen nach dem Gebot der Nichtzurückweisung verfahren.“
108 
Was die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen Flüchtling anbelangt, sah die Entwurfsfassung in einem Artikel 21 Abs. 1 lediglich vor, dass sobald der Schutzstatus zuerkannt ist, die Mitgliedstaaten Flüchtlingen und begleiteten Familienangehörigen einen Aufenthaltstitel ausstellen, der mindestens 5 Jahre gültig und automatisch verlängerbar ist. Die Begründung führte hierzu aus, der vorgeschlagene Fünfjahreszeitraum stelle einen Kompromiss zwischen der Praxis in den verschiedenen Mitgliedstaaten dar, der Aufenthaltstitel unterliege den in den Beendigungs- und Ausschlussklauseln dieser Richtlinie vorgegebenen Kriterien.
109 
Während des Verfahrens, das zum Erlass der Richtlinie am 29.04.2004 führte, wurden die ursprünglichen Regelungen des Art. 19 und des Art. 21 durch den Rat entscheidend verändert. So erhielt der Vorschlag zu Art. 19 am 12.11.2002 (Rat der EU - 14083/02 -) folgende Fassung:
110 
„(1) Die Mitgliedstaaten erachten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
111 
(2) Unbeschadet des Absatzes 1 kann ein Mitgliedstaat einen Flüchtling, einen Asylbewerber oder eine Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz zurückweisen, wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass die Person
112 
a) eine Gefahr für das Land darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
113 
b) eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Landes darstellt, weil sie wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
114 
(3) Die Mitgliedstaaten können die einem Flüchtling oder einer Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.“
115 
Parallel dazu wurde der Artikel zur Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft überarbeitet und in dem oben genannten Dokument in einem Art. 14B Abs. 4 folgende Regelung vorgeschlagen:
116 
„Die Mitgliedsstaaten können einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen die von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Flüchtlingseigenschaft aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
117 
a) er ein schweres nichtpolitisches Verbrechen begangen hat oder
118 
b) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für das Land darstellt, in dem er sich aufhält.“
119 
Aus der in diesem Dokument bei Art. 14B Abs. 4 enthaltenen Fußnote und dem Dokument des Rates der EU vom 08.11.2002 - 13648/02 - ist ferner ersichtlich, dass ein Teil der Mitgliedstaaten es für vorzugswürdig erachtete, den in lit. b) geregelten Fall im Rahmen des Art. 19 des Entwurfs (Schutz vor Zurückweisung) zu lösen. Verschiedene Arbeitsfassungen entwickelten im Weiteren präzisere Vorschläge für die Inhalte von lit. a) und b), die letztlich zu der - beabsichtigten - Parallelität der Eingriffsvoraussetzungen in den nunmehrigen Regelungen in Art. 14 Abs. 4 QRL zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft im Ermessenswege und der Verhinderung des Aufenthalts bzw. Verweigerung des Aufenthaltsrechts nach Art. 21 Abs. 2 QRL führten.
120 
In einem Art. 21 der Entwurfsfassung (später Art. 24 QRL) findet sich im Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 - der Zusatz, „es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dem entgegenstehen“ zunächst nur im Absatz 2, der den Titel bei subsidiärem Schutzstatus regelt. Im Dokument des Rats der EU vom 19.06.2003 - 10576/03 - ist dieser Zusatz dann auch im Absatz 1 (jetzt in einem Art. 22 des Entwurfs) enthalten, der den Aufenthaltstitel des anerkannten Flüchtlings betrifft. In diesem Dokument ist bei der Formulierung in Absatz 2, „es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen“ als Fußnote angeführt: „Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: 'Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt'. Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds in die Präambel war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Rat der EU vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -, das Dokument enthält aber keine nähere Begründung). Wie die englischen Fassungen des Erwägungsgrunds 28 und des Art. 24 QRL verdeutlichen („national security and public order“), ist mit dem Begriff der öffentlichen Sicherheit die „nationale Sicherheit“ gemeint, was im Übrigen in der deutschen Fassung der Neufassung der Qualifikationsrichtlinie durch die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 (ABl L 337, S. 9) nunmehr klargestellt ist (vgl. insoweit den Wortlaut des Art. 24 „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ und den Erwägungsgrund 37).
121 
In den Ratsdokumenten vom 19.06.2003 - 10576/03 -, vom 17.03.2004 - 7469/04 -, vom 24.03.2004 - 7728/04 - und vom 31.03.2004 - 7944/04 - ist im Art. 22, d.h. dem späteren Art. 24, in Absatz 1 der Zusatz „unbeschadet des Art. 19 Abs. 3“ (d.h. in der Endfassung „unbeschadet des Art. 21 Abs. 3“) enthalten, ohne dass die Gründe hierfür ausdrücklich genannt wären.
122 
Die gegenüber dem Entwurf geänderten Regelungen in Art. 24 Abs. 1 und Art. 21 ebenso wie die Aufnahme des Erwägungsgrunds 28 sind jedoch eindeutig im Zusammenhang mit dem 11. September und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen. Die Überlegung, die Folgen dieser Anschläge für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Qualifikationsrichtlinie zu berücksichtigen, ist Gegenstand verschiedener Stellungnahmen gewesen (vgl. etwa die ausdrückliche Forderung in der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002) und lässt sich auch anhand weiterer Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Qualifikationsrichtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf ersehen, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 QRL und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
123 
Was das Verhältnis zwischen Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL und Art. 24 Abs. 1 QRL sowie die Bestimmung der Tatbestandsvoraussetzungen anbelangt, ist zunächst zu beachten, dass Art. 14 Abs. 4 QRL und Art. 21 Abs. 2 QRL die gleichen Eingriffsvoraussetzungen normieren und Art. 21 Abs. 2 QRL inhaltlich Art. 33 Abs. 2 GFK entspricht. Letzteres lässt sich auch aus einem Vergleich des jeweiligen englischen Wortlauts dieser Bestimmungen ersehen:
124 
Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”
125 
Auch aus den Erwägungsgründen 3, 16 und 17 der Qualifikationsrichtlinie geht hervor, dass die Genfer Konvention einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Flüchtlingen darstellt und dass die Bestimmungen der Richtlinie über die Voraussetzungen der Anerkennung als Flüchtling und über den Inhalt des Flüchtlingen zu gewährenden Schutzes erlassen wurden, um die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Genfer Konvention auf der Grundlage gemeinsamer Konzepte und Kriterien zu leiten. Die Bestimmungen der Richtlinie sind daher im Licht der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention und einschlägigen anderen Verträgen, auf die Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 EG (jetzt Art. 78 Abs. 1 AEUV) Bezug nimmt, auszulegen. Diese Auslegung muss zudem, wie dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie zu entnehmen ist, die Achtung der Grundrechte und die Befolgung der insbesondere in der Charta der Grundrechte anerkannten Grundsätze gewährleisten (siehe EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 - und C-101/09 - „B.“ und „D.“ - Rn. 77 f.).
126 
2. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Erörterung, welche Konsequenzen sich aus dem Grundrecht auf Asyl nach Art. 18 GRCh und den Anforderungen des Art. 52 GRCh (Tragweite und Auslegung der Rechte und Grundsätze) auf die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL vorgesehene Durchbrechung des Refoulementschutzes ergeben. Der Ausländer muss jedenfalls aus schwerwiegenden Gründen als Gefahr für die Sicherheit des Aufnahmelandes anzusehen sein (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 25 - zu Art. 21 Abs. 2 QRL und Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - bisher nur Pressemitteilung). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, denn von dem Kläger selbst geht mit Blick auf seine oben I. dargestellten Aktivitäten und die hieran anknüpfende Prognose keine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik aus.
127 
Zwar setzt Art. 33 Abs. 2 GK und damit auch Art. 21 Abs. 2 lit. a) QRL einen Sicherheitsbegriff voraus, der von den Staaten nach ihrem eigenen Recht festgelegt wird; denn der dem Begriff der nationalen Sicherheit immanente Charakter bedeutet, dass dieses Konzept im Völkerrecht nicht abschließend definiert werden kann (siehe näher Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie 2009, § 46 Rn 59 f., Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich um eine sehr große Gefahr handeln (Zimmermann, a.a.O. Rn. 89). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates oder des Staatenbündnisses, dessen Mitglied er ist, darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87).
128 
Der Kläger hat keine Handlungen vorgenommen, die geeignet wären, einen Schaden für die Existenz, die Bestands- und Funktionsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen. Er hat weder selbst Gewalt angewendet noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Der Kläger hat zwar durch die regelmäßige - passive - Teilnahme an den oben dargestellten Veranstaltungen, die erkennbar dazu dienen, die PKK einschließlich ihrer terroristischen Aktionen zu fördern, diese unterstützt; die PKK wendet Gewalt und Gewaltdrohungen in dem hier zu betrachtenden Zeitraum vor allem in der Türkei an, was auch erhebliche Interessen der Bundesrepublik berührt. Eine Gefährdung der inneren Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ist damit aber nicht verbunden.
129 
3. Die in Art. 24 Abs. 1 QRL verwendete Formulierung „unbeschadet des Art. 21 Abs. 3“ ist dahingehend zu verstehen, dass Art. 24 Abs. 1 QRL eine gegenüber Art. 21 Abs. 3 QRL selbstständige Möglichkeit eröffnet, einen Titel zu verweigern oder zu beseitigen. Die Fassung des Art. 24 Abs. 1 QRL mit dem dort vorgesehenen Ausschluss des Anspruchs aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ist die Reaktion des Rates auf den Umstand, dass die Unterstützung des internationalen Terrorismus nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht zwingend eine Ausnahme vom Refoulementverbot zulässt (vgl. Zimmermann, a.a.O., Rn. 82 ff. und 90 ff. mwN.), unter dem Eindruck des 11. September, der neuen Dimensionen des Terrorismus und den UN-Resolutionen vom 12. und 28.09.2001 (Nr. 1368 und 1373) die Möglichkeiten, diesen zu bekämpfen, aber erweitert werden sollten.
130 
Ob und gegebenenfalls wie die öffentliche (d.h. nationale) Sicherheit von der öffentlichen Ordnung im Einzelnen abzugrenzen sind, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, denn wie sich aus dem Erwägungsgrund 28 der Qualifikationsrichtlinie ersehen lässt, ist dieser Begriff in den Fällen erfüllt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt. Der 28. Erwägungsgrund ist integraler Bestandteil der Qualifikationsrichtlinie. Eine Begründungserwägung ist zwar nicht unmittelbar Inhalt und Gegenstand der einzelnen Regelung, da sie sonst genau an dieser Stelle getroffen worden wäre. Sie ist insbesondere kein Mittel, um eindeutige Bestimmungen, die aufgrund der Umsetzungsverpflichtung des Mitgliedstaats letztlich eine normative Wirkung haben, zu entwerten oder gar in ihr Gegenteil zu verkehren. Ihr kommt aber die Funktion einer - amtlichen - Auslegungshilfe zu (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 21.05.2007 - 4 K 2563/07 - juris Rn. 18; Funke-Kaiser, InfAuslR 2008, 90, 92 f.). Auch das Bundesministerium des Innern hat in seiner im Berufungsverfahren vorlegten Stellungnahme vom 14.05.2012 bestätigt, dass der Erwägungsgrund 28 - auf Vorschlag des Vereinigten Königreichs - gerade für die Auslegung von den Ausschlussgründen des Art. 24 QRL aufgenommen wurde. Aus der durch das Verfahren im Rat dokumentierten spezifischen Zuordnung des 28. Erwägungsgrunds zu dem Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.d. Art. 24 QRL folgt, dass eine Unterstützung einer Vereinigung des internationalen Terrorismus einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt.
131 
Was die „zwingenden Gründe“ anbelangt, so deutet der Wortlaut darauf hin, dass dieser Begriff enger zu verstehen ist als der der „schwerwiegenden Gründe“. Der Vergleich mit der englischen Fassung belegt dies („reasonable grounds“ in Art. 21 Abs. 2 QRL und „compelling reasons“ bei Art. 24 Abs. 1 QRL). Aus anderen Sprachfassungen ergibt sich kein hiervon abweichendes Bild. Die Tatsache, dass die Unionsbürgerrichtlinie und die Qualifikationsrichtlinie am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen. Auch das Schutzniveau, das durch die Qualifikationsrichtlinie für Flüchtlinge vorgesehen werden sollte, könnte dafür sprechen, dass mit dem Begriff der zwingenden Gründe keine substantiell geringeren Anforderungen verbunden sind als mit dem gleichlautenden Ausweisungsgrund nach Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG (vgl. zu dieser Überlegung auch VG Münster, Urteil vom 26.05.2009 - 8 K 734/08 - juris Rn. 94).
132 
Andererseits darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Art. 28 Abs. 3 lit a) der Richtlinie 2004/38/EG eine spezielle Regelung für langjährig sich im Mitgliedstaat aufhaltende freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger darstellt. Der Unionsgesetzgeber wollte, indem er jede Ausweisungsmaßnahme in den in Art. 28 Abs. 3 dieser Richtlinie genannten Fällen vom Vorliegen „zwingender Gründe“ der öffentlichen Sicherheit abhängig gemacht hat, einem Begriff, der erheblich enger ist als der der „schwerwiegenden Gründe“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels, die auf diesen Abs. 3 gestützten Maßnahmen ganz offensichtlich entsprechend der Ankündigung im 24. Erwägungsgrund der Richtlinie auf „außergewöhnliche Umstände“ begrenzen (EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 19 und Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -Tsakourids - Rn. 40 ff.). Eine Ausweisung eines Unionsbürgers wird nur aus zwingenden Gründen (und damit einem besonders hohen Schweregrad der Beeinträchtigung) der öffentlichen Sicherheit erlaubt, wobei letztere sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaates umfasst und als Ausnahme von einem grundlegenden Prinzip der Freizügigkeit eng zu verstehen ist (EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 - Tsakourids - Rn. 43). Im Unterschied dazu wird in Art. 24 Abs. 1 QRL auch die öffentliche Ordnung genannt und durch die Zuordnung des 28. Erwägungsgrunds zu Art. 24 QRL unionsrechtlich klargestellt, dass eine Unterstützung des internationalen Terrorismus „zwingende Gründe“ erfüllen kann. Bei einer anderen Deutung würde die Zuordnung keinen Sinn geben. Dies bedeutet andererseits auch nicht, dass jegliche Unterstützungshandlung zu Gunsten des internationalen Terrorismus schon „zwingende Gründe“ erfüllt; umgekehrt bedarf es aber auch keiner herausragenden Handlungen von außergewöhnlicher Gefährlichkeit. Dies verdeutlichen die verschiedenen „Ebenen“ der Terrorismusbekämpfung, die der Richtlinie immanent sind. Art. 12 Abs. 2 QRL führt in den dort erfassten Konstellationen zum zwingenden Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling, selbst wenn von diesem keine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgeht (siehe näher BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 25 ff.). Art. 14 Abs. 4 QRL ermächtigt in den hier geregelten Fällen zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (vgl. auch Art. 14 Abs. 5 QRL mit dem fakultativen Ausschluss unter den gleichen Voraussetzungen), wobei aufenthaltsrechtlich der gleiche Maßstab in Art. 21 Abs. 2 QRL gilt. Demgegenüber lässt Art. 24 QRL, der im Übrigen nicht nur für den Flüchtling, sondern auch für den Ausländer mit subsidiärem Schutzstatus gilt, den Status und den weiteren tatsächlichen Aufenthalt im Mitgliedstaat unangetastet und beseitigt allein die Legalität des Aufenthalts. Dies verdeutlicht, dass eine Unterstützung des internationalen Terrorismus, die nach dem individuellen Beitrag des Ausländers im Vergleich zu den von den anderen Regelungen erfassten Sachverhalten eher nicht besonders hervorgehoben und sogar unabhängig von einer strafrechtlichen Relevanz ist, ein Vorgehen nach Art. 24 QRL zulässt, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - durch ein hohes Maß an Kontinuität charakterisiert ist und nachhaltig das Umfeld der terroristischen Organisation prägt und beeinflusst. Es ist Sache der Mitgliedstaaten festzulegen, unter welchen Voraussetzungen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung anzunehmen sind (vgl. zu dieser Überlegung auch EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 23 - zu Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/28/EG). Aufgrund der Vielfältigkeit und Komplexität der Erscheinungsformen des internationalen Terrorismus (vgl. hierzu etwa Waldmann, Terrorismus - Provokation der Macht, 2. Aufl. 2005, S. 29 ff) und demzufolge der Vielfalt der in den einzelnen Mitgliedstaaten vorkommenden denkbaren Unterstützungshandlungen und deren Folgen enthält sich die Qualifikationsrichtlinie weiterer Vorgaben. Allerdings entbindet dies nicht von der unionsrechtlichen Verpflichtung (vgl. Art. 52 Abs. 1 GRCh), den Einzelfall und insbesondere das persönliche Verhalten des Betroffenen und die von ihm ausgehende tatsächliche und gegenwärtige Gefährdung umfassend zu prüfen und hierbei alle individuellen Umstände zu berücksichtigen (siehe zu diesem Grundsatz insoweit EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 34).
III.
133 
Der Ausweisung des Klägers liegen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.d. Art. 24 Abs. 1 QRL zugrunde. Sie erweist sich auch als verhältnismäßig.
134 
1. Der Kläger hat seit dem Jahr 2000 durch die oben unter I. dargelegten Handlungen die PKK unterstützt, wobei er sich zur Überzeugung des Senats seit Mitte 2009 allein aus verfahrenstaktischen Gründen zurückhält. Dabei handelt es sich zwar, was den jeweiligen einzelnen Veranstaltungsbesuch anbelangt, um eine passive Unterstützung, die als solche keinen hochrangigen Gefährdungsgrad hat. Bei einer wertenden Gesamtschau aller festgestellten Unterstützungshandlungen, d.h. auch mit Blick auf seine zweijährige Vorstandstätigkeit und langjährige aktive Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein, hat er jedoch in einer quantitativ und qualitativ erheblichen Weise eine Verbundenheit mit der PKK ausgedrückt, die ihn eindeutig seit Jahren als deren Sympathisanten ausweist. Insbesondere die Teilnahme an den Märtyrergedenkveranstaltungen und den Wahlen zum Volksgebietsrat, mit der Bereitschaft, eine Funktion im Rahmen des Volksgebietsrats zu übernehmen, zeigen eine besondere Nähe und innere Verbundenheit mit der PKK. Durch die Beteiligung wird eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, wird günstig beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsfeld werden erweitert und dadurch wird insgesamt dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen.
135 
Eine wirksame Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist wie bereits oben dargelegt eines der vorrangigen Ziele der Europäischen Union. Dies kommt nicht nur in Art. 83 Abs. 1 AEUV zum Ausdruck, sondern ist in zahlreichen Rechtsakten der Union, die sich mit der Terrorismusbekämpfung befassen, immer wieder betont worden (vgl. etwa Rahmenbeschluss vom 13.06.2002 zur Terrorismusbekämpfung, ABl. L 164, S. 3; Verordnung (EG) Nr. 2580/2002 des Rates vom 27.12.2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, ABl. L 344, S. 70). Dass gerade auch Sympathisanten als Teil der Bedrohung durch den Terrorismus angesehen werden, ergibt sich aus dem Rahmenbeschluss 2008/919/JI des Rates vom 28.11.2008 zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI zur Terrorismusbekämpfung (ABl L 330, S. 21) und insbesondere dessen 3. Erwägungsgrund. Aufgrund der ihr eigenen Ausprägung und Organisationsstrukturen erfährt die PKK ihren Rückhalt und Unterstützung vor allem durch eine aktive „Sympathisantenszene“ außerhalb der Türkei, bei der die örtlichen PKK-nahen Vereine eine zentrale Rolle spielen, etwa bei der Kommunikation unter den Anhängern, bei der Mobilisierung für Aktionen sowie bei der Vorbereitung und Durchführung von öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten (vgl. hierzu etwa Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2010, S. 106 ff.). Wie oben unter I. dargelegt, ist der Mesopotamische Kulturverein e.V. S... ein Ort, der der Verbreitung der „terroristischen Botschaft“ dient. Sympathisanten aus diesem Kreis sichern der PKK eine ihnen prinzipiell wohlgesonnene Basis, aus der der Rückhalt für die terroristischen Handlungen gewonnen werden kann, und ermöglichen ein günstiges Umfeld für die Rekrutierung von Nachwuchs für die Guerilla oder den Kader der PKK und den Erhalt von dringend benötigten finanziellen Mitteln (etwa durch die Entrichtung regelmäßiger Beiträge der Anhänger der Organisation oder Spenden). Das in den oben beschriebenen Handlungen des Klägers, insbesondere etwa in den Besuchen der Märtyrerveranstaltungen, zum Ausdruck kommende befürwortende Verständnis für den Terror, trägt zum Rückhalt für die PKK bei. Dieses vom Kläger gezeigte jahrelange kontinuierliche Auftreten als Sympathisant der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung; die Vernichtung der Legalität des Aufenthalts ist insoweit Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Im Übrigen ist es auch ein Grundinteresse der Mitgliedstaaten der Union, dass ihre Offenheit nicht missbraucht wird, um eine „Sympathisantenszene“ für den internationalen Terrorismus am Leben zu halten und zu fördern.
136 
2. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung verhältnismäßig.
137 
Der Kläger lebt als anerkannter Flüchtling seit dem Jahre 1997 mit einem Aufenthaltstitel, seit 2002 mit einem unbefristeten, im Bundesgebiet. Der Ehefrau, die seit 1998 in Deutschland ist, wurde ebenfalls der Flüchtlingsstatus zuerkannt und eine Niederlassungserlaubnis erteilt. Sie führt einen Gastronomiebetrieb. Auch die beiden minderjährigen Kinder (geboren 1996 in der Türkei und 2001 im Bundesgebiet) haben einen legalen Aufenthalt. Sie verfügen über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Ungeachtet seines langen Aufenthalts in Deutschland spricht der Kläger aber nur sehr schlecht Deutsch. Hiervon konnte sich der Senat in der mündlichen Verhandlung überzeugen. Demzufolge ist auch seine Erwerbsbiographie durch türkische Arbeitgeber gekennzeichnet, so arbeitete er in der Zeit vom 02.11.2001 bis 31.07.2007 bei der Firma B. Dönerproduktions- und Fleischhandels GmbH, die im Übrigen dem LfV im Zusammenhang mit der PKK bekannt geworden sei (siehe die Bewertung des LfV vom 13.04.2012 zum Sicherheitsgesprächs des Zeugen K. vom 12.04.2011). Heute ist er bei seiner Frau angestellt. Eine dazwischenliegende selbstständige Erwerbstätigkeit blieb ohne wirtschaftlichen Erfolg. Der Kläger verkehrt vor allem in kurdisch-stämmigen Kreisen. Die Ausweisung vernichtet die Legalität seines Aufenthalts und ist daher mit weitreichenden Folgen für das soziale Leben verbunden. Sie lässt allerdings, was für die Verhältnismäßigkeit von zentraler Bedeutung ist, die Lebensgemeinschaft mit seinen Familienangehörigen im Bundesgebiet unberührt, da keine Abschiebungsandrohung ergehen und infolge dessen auch keine Abschiebung erfolgen wird.
138 
Ein milderes Mittel, um der Gefahr zu begegnen, dass der Kläger sein die PKK unterstützendes Verhalten unverändert fortsetzt, ist nicht gegeben. Insbesondere könnte mit einem Verbot oder der Beschränkung der politischen Betätigung ein wesentliches unionspolitisches Ziel nicht erreicht werden, abgesehen davon, dass die in § 47 Abs. 1 und 2 AufenthG genannten Vorgaben die Art und Weise der Betätigung des Klägers allenfalls zum Teil erfassen. Ausgehend von den Gedanken der UN-Resolution 1373 bezweckt die Terrorismusbekämpfung unionsrechtlich unter anderem, konsequent die Legalisierung des Aufenthalts zu unterbinden und damit auch den Genuss der daran hängenden privilegierenden Maßnahmen (wie Erwerbstätigkeit, Freizügigkeit) zu verwehren - und zwar gleichgültig, ob der Ausländer als Flüchtling anerkannt oder ob ihm nur subsidiärer Schutz zuerkannt wurde (vgl. insoweit Art. 24 Abs. 1 Satz 1 mit Abs. 2 QRL). Dieses unionsrechtliche Ziel würde allein mit einer Maßnahme nach § 47 AufenthG nicht erreicht. Diese kann ggfs. die Ausweisung ergänzen, wenn der Ausländer - namentlich nach einer erfolgten Ausweisung - seine Unterstützungstätigkeit fortsetzt, sie aber nicht ersetzen. Insoweit ist eine Verbotsverfügung Teil einer ganzheitlichen Bekämpfung der Aktivitäten der ausländischen terroristischen Vereinigung der PKK (so ausdrücklich auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zu dem gegen Muzaffer Ayata verhängten politischen Betätigungsverbot, BT-Drs. 17/9076 vom 22.03.2012). Hinzukommt, dass auch national eine Anordnung nach § 47 AufenthG schon deshalb nicht gleich effektiv wäre, weil damit die Rechtsfolgen des § 54a AufenthG nicht ausgelöst werden könnten. Vergleichbare nachträgliche Nebenbestimmungen nach § 12 Abs. 2 AufenthG wären jedenfalls bei Inhabern einer Niederlassungserlaubnis nicht möglich (Renner/Dienelt, AuslR 9. Aufl. 2011, § 12 Rn. 2). Soweit in den Senatsurteilen vom 28.10.1998 (11 S 1853/98 - juris Rn. 28) und vom 10.03.1999 (11 S 1688/98 - juris Rn. 9) die Untersagung der politischen Betätigung ausdrücklich als ein milderes Mittel gegenüber der Ausweisung erachtet wurde, liegen dem rechtlich und tatsächlich andere Konstellationen zugrunde. Im Übrigen hat das Regierungspräsidium im Schriftsatz vom 18.04.2012 im Einzelnen ausgeführt, warum es im vorliegenden Fall nicht zu dieser Maßnahme greift. Diese Erwägungen hat der Kläger nicht in Frage gestellt.
139 
Gründe der Verhältnismäßigkeit gebieten es auch nicht, schon jetzt von Amts wegen über eine Befristung der Wirkungen der spezialpräventiv verfügten Ausweisung zu entscheiden. Es lässt sich derzeit nicht absehen, wann diese Gefahr in relevanter Weise gemindert sein wird. Auch familiäre Belange erfordern keine sofortige Entscheidung, denn die familiäre Lebensgemeinschaft kann im Bundesgebiet unverändert fortgeführt werden (vgl. zur Befristung noch unten VI).
IV.
140 
Art. 14 ARB 1/80 oder die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln vermitteln dem Kläger keine weitergehenden Rechte. Der Kläger hatte aufgrund seiner jahrelangen Erwerbstätigkeit bis 31.07.2007 bei der Firma B. eine Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1, 3. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben. Der Senat unterstellt zugunsten des Klägers, dass er dieses Recht nicht verloren hat. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung meldete er sich nach seiner Kündigung bei der Arbeitsverwaltung arbeitslos, wurde dort aufgrund seiner schlechten Deutschkenntnisse als schwer vermittelbar angesehen und erhielt durch das Arbeitsamt eine Fördermaßnahme zur Gründung einer selbstständigen Existenz. Der Senat geht davon aus, dass durch diese selbstständige Erwerbstätigkeit ab 01.01.2008 die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt nicht verloren ging, weil die Selbstständigkeit noch in der Gründungs- und Aufbauphase wieder aufgegeben wurde, der Kläger in eine abhängige Beschäftigung zurückkehrte und nunmehr seit Mitte Dezember 2010 im Gastronomiebetrieb seiner Ehefrau angestellt ist.
141 
Ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger kann nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt. Nach den hierzu geltenden Grundsätzen (vgl. EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08 - Ziebell -Rn. 52 ff.; Senatsurteile vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris und vom 04.05.2012 - 11 S 3/12 -) führt dieser Maßstab materiell-rechtlich nicht zu strengeren Voraussetzungen als die oben unter III. dargestellten.
142 
Auch verfahrensrechtlich hat dies keine Auswirkungen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung eines Vorverfahrens. Ein solcher folgt nicht aus dem in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 (ABl. Nr. 56, S. 850) normierten „Vier-Augen-Prinzip“. Denn die Richtlinie 64/221/EWG ist gemäß Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden. Damit ist auch deren Art. 9 nicht mehr - entsprechend - auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige anzuwenden (vgl. zur früheren Anwendung des „Vier-Augen-Prinzips“ BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - InfAuslR 2006, 110). Geltende unionsrechtliche Verfahrensgarantien begründen ebenfalls nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen. Die Stillhalteklauseln gebieten keine andere Betrachtung. Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf das Senatsurteils vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - (juris) verwiesen (im Ergebnis ebenso OVG NRW, Urteil vom 22.03.2012 - 18 A 951/09 - juris).
V.
143 
Die Ausweisung ist unter Berücksichtigung der Ergänzungen im gerichtlichen Verfahren ermessensfehlerfrei (§ 114 Satz 1 VwGO).
144 
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris Rn. 4 m.w.N.). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umständen auch andere gewichtige persönlichen Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Die vom Ausländer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits und dessen private schutzwürdige Belange andererseits sind auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 73). Diesen Anforderungen hat das Regierungspräsidium entsprochen. Es hat anlässlich seiner korrigierten Ermessenserwägungen ausschließlich eine spezialpräventive Ausweisung zugrunde gelegt und auch zu erkennen gegeben, dass es bei dem Kläger allein um die Vernichtung der Legalität des Aufenthalts geht und dass das nach dem Aufenthaltsgesetz mit einer Ausweisung regelmäßig verfolgte Ziel, die von ihm ausgehende Gefahr mit der Ausreise bzw. der zwangsweisen Verbringung ins Ausland zu bekämpfen, auf nicht absehbare Zeit nicht erreicht wird. Es hat jedenfalls aufgrund der ergänzenden Angaben in der mündlichen Verhandlung den Schutzstatus des Klägers mit dem ihm gebührenden Gewicht eingestellt und auch die Rechtsstellung und Interessen der Familienangehörigen des Klägers nicht verkannt. Auch im Übrigen sind den Ermessenserwägungen in tatsächlicher Hinsicht zutreffende Annahmen zugrunde gelegt worden; das Regierungspräsidium hat in der mündlichen Verhandlung zudem klargestellt, dass die Ausweisungsentscheidung auch für den Fall getroffen wird, dass (nur) der Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG verwirklicht ist.
VI.
145 
Der Ausweisung steht auch die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie - RFRL - (ABl EU Nr. L 348 vom 24.12.2008 S. 98) nicht entgegen.
146 
1. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen Urteilen vom 22.03.2012 (1 C 3.11 - juris Rn. 15) und vom 14.02.2012 (1 C 7.11 - juris Rn. 35) entschieden, dass die Rückführungsrichtlinie für eine Rückkehrentscheidung - so die Ausweisung denn überhaupt eine solche wäre -, die wie hier vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie (nach deren Art. 20 Abs. 1 am 24.12.2010) verfügt worden ist, nicht gilt, und zur Begründung unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Polat“ (Urteil vom 04.10.2007 - Rs. C-349/06 - 25 ff.) auf die Grundsätze der intertemporalen Rechtsgeltung verwiesen. Es hat weiter ausgeführt, dass sich etwas anderes auch nicht aus Art. 15 Abs. 5 und 6 RFRL ergebe, der auf bereits vor der Umsetzung begonnene und darüber hinaus andauernde Inhaftierungen Anwendung finde (vgl. EuGH, Urteil vom 30.11.2009 - Rs. C-357/09 PPU, Kadzoev - Rn. 38). Denn Regelungen zur Dauer der Abschiebungshaft beträfen zukünftige Auswirkungen eines noch andauernden Sachverhalts und nicht die gerichtliche Kontrolle einer Behördenentscheidung, die vor Ablauf der Umsetzungsfrist getroffen worden sei. Dies zugrunde gelegt ist die Rückführungsrichtlinie auf den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.07.2010 nicht anwendbar.
147 
Hält man hingegen an der bisherigen Rechtsprechung des Senats weiter fest, wonach die Rückführungsrichtlinie auch auf solche Sachverhalte anzuwenden ist, in denen die streitgegenständliche Behördenentscheidung schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist wirksam verfügt worden ist (siehe zur Begründung im Einzelnen Senatsurteil vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris Rn. 49 ff.; vgl. auch Verwaltungsgerichtshof Österreich in seinem Erkenntnis vom 20.03.2012 - 2011/21/0298 - , der unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 28.04.2011 in der Rechtssache „El Dridi“ die Rückführungsrichtlinie auch auf „Aufenthaltsverbote“ erstreckt hat, die bereits vor Inkrafttreten der Rückführungsrichtlinie verhängt worden sind), ist die Ausweisung gleichwohl nicht an den Vorgaben der Richtlinie messen. Sie stellt schon keine Rückkehrentscheidung dar. Unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 07.12.2001 - 11 S 897/11 -hat der Senat in seinem Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - (juris Rn. 83 - 88) ausgeführt:
148 
„…Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
149 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 -215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
150 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art. 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
151 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben …...“
152 
„Ergänzend und vertiefend ist noch auszuführen: Gegen die Annahme, die Ausweisung sei keine Rückkehrentscheidung, kann auch nicht die Legaldefinition des „illegalen Aufenthalts“ in Art. 3 Nr. 2 RFRL eingewandt werden. Zwar erweckt der pauschale und undifferenzierte Verweis auf Art. 5 SDK auf den ersten Blick den Eindruck, es könnten auch Fälle gemeint sein, in denen materielle Einreise- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind und somit auch in einem solchen Fall ein illegaler Aufenthalt vorläge. Dagegen sprechen aber bereits das in Art. 6 Abs. 6 RFRL vorausgesetzte Verständnis des „legalen Aufenthalts“ und der dort vorgenommenen ausdrücklichen Abgrenzung zur „Rückkehrentscheidung“. Entscheidend für ein Verständnis im Sinne eines allein formell zu verstehenden illegalen Aufenthalts spricht die Begründung des Kommissionsentwurfs (vgl. KOM/2005/ 0391endg vom 1.9.2005). Hiernach ist der Befund eindeutig. Unter I 3 Ziffer 12 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Regelungsgegenstand der Richtlinie nicht die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung/Sicherheit sei. Unter I 4 wird zu „Kapitel II“ weiter dargelegt, die Vorschriften der Richtlinie seien auf jede Art von illegalem Aufenthalt anwendbar (z.B. Ablauf eines Visums, Ablauf eines Aufenthaltstitels, Widerruf oder Rücknahme eines Aufenthaltstitels, endgültige Ablehnung eines Asylantrags, Aberkennung des Flüchtlingsstatus, illegale Einreise). Nicht Gegenstand seien die Gründe und Verfahren für die Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts. Für dieses Verständnis spricht auch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 3 lit. b) EG. Im Übrigen entspricht der im Gesetzgebungsverfahren neu eingefügte Verweis auf Art. 5 SDK sachlich dem früheren Verweis auf Art. 5 SDÜ, der auch materielle Regelungen enthielt. Demzufolge stellen auch Widerruf, Rücknahme oder nachträgliche Befristung keine Rückkehrentscheidung dar.“
153 
Hieran ist auch mit Blick auf neuere Veröffentlichungen festzuhalten, die die Ausweisung als Rückkehrentscheidung einordnen (Deibel, ZAR 2012, 148, 150 f.; Gutmann, InfAuslR 2012, 208, 210 f.; offengelassen: BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - juris Rn. 35; HambOVG, Beschluss vom 09.05.2012 - 4 Bs 15/12 - juris Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 22.03.2012 - 18 A 951/09 - juris Rn. 88; VG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2012 - 22 K 7443/11 - juris Rn. 102). Soweit darauf hingewiesen wird, dass eine Ausweisung zu einem Aufenthaltsverbot führe und wegen des mit ihr verbundenen Wiedereinreiseverbots eine Rückkehrentscheidung anzunehmen sei, sowie über Einreiseverbot und Befristung der Wirkungen der Ausweisung einheitlich zu entscheiden sei, sind diese Erwägungen nicht geeignet, die oben dargestellte Begründung des Senats in seinem Urteil vom 10.02.2012 infrage zu stellen (vgl. dazu, dass die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung ist auch Keßler, Asylmagazin 2012, 142, 143; GK-AufenthG, § 58 Rn. 102). Mit der Ausweisung wird dem Ausländer keine originäre Handlungspflicht auferlegt, innerhalb einer bestimmten Frist auszureisen. Dies erfolgt vielmehr erst mit der Abschiebungsandrohung (Art. 7 Abs. 1 S. 1 RFRL i.V.m. § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Da diese jedoch aufgrund der Anerkennung des Klägers als Flüchtling unterbleibt, wird dieser keiner - vollstreckbaren - Rückkehrverpflichtung unterworfen, die unter das Schutzregime der Rückführungsrichtlinie fallen würde. Insofern ist auch unionsrechtlich nicht von Amts wegen über die Befristung eines Einreiseverbots zu entscheiden.
154 
2. Jedenfalls unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles ist nicht nach den materiell-rechtlichen Vorgaben des § 11 Abs. 1 AufenthG im Rahmen des hier anhängigen Verfahrens über die Befristung zu entscheiden.
155 
Das Bundesverwaltungsgericht geht in seinem Urteil vom 14.02.2012 (1 C 7.11 - juris Rn. 28 ff.) davon aus, dass aufgrund der unionsrechtlichen Prägung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, die dieser durch das Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetz vom 26.11.2011 erfahren hat, die Interessen des Einzelnen an der zeitlichen Beschränkung der Wirkungen der Ausweisung und an einem hierauf bezogenen effektiven Rechtsschutz erheblich aufgewertet worden sind. Es erachtet es aus der Gesamtschau der Rückführungsrichtlinie sowie den Grundrechten einschließlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention für geboten, dass über die Befristung nunmehr ausschließlich im Wege einer gebundenen, der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegenden Entscheidung zu befinden ist, damit nach der abschließenden gerichtlichen Entscheidung über die Ausweisung zugleich die Dauer der Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 AufenthG feststeht und der Ausländer sich in seiner Lebensplanung darauf einstellen kann. Diese in dem genannten Urteil für die Ausweisung allein aus generalpräventiven Gründen entwickelten Grundsätze sind auf eine spezialpräventive Ausweisung übertragen worden (so nunmehr BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - bisher nur Pressemitteilung).
156 
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Ausweisung einerseits und die Befristung ihrer Wirkungen andererseits zwei getrennte Verwaltungsakte darstellen, was nicht zuletzt daraus folgt, dass die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nur auf Antrag erfolgt. Nach dem Bundesverwaltungsgericht kann ein Anspruch auf Befristung im Rechtsstreit um die Ausweisungsverfügung prozessual dadurch realisiert werden, dass in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung der Wirkungen der Ausweisung gesehen wird (BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - juris Rn. 30). Prozessual handelt es sich um zwei verschiedene Streitgegenstände. Der Streitgegenstand der Befristung wird durch den Antrag und den hierzu gehörenden Lebenssachverhalt bestimmt. Im vorliegenden Fall hat der schon im Verwaltungsverfahren und auch im gerichtlichen Verfahren stets anwaltlich vertretene Kläger zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich oder konkludent jemals ein (hilfsweises) Begehren auf Befristung der Ausweisung unterbreitet, insbesondere ist auch im Klageverfahren kein entsprechender Antrag gestellt worden. Dem Senat ist dieser selbstständige Streitgegenstand auch nicht „angewachsen“. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG normiert ausdrücklich das Erfordernis der Antragstellung. Ein entsprechender Antrag ist zu keinem Zeitpunkt bei der Behörde gestellt worden. Ein solcher ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 14.02.2012 nur bei einer allein generalpräventiv begründeten Ausweisung entbehrlich. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um eine ausschließlich spezialpräventive Ausweisung. Die im Verfahren vorgelegten Anwaltsschreiben beschränken sich auf die Darlegung, warum beim Kläger die Voraussetzungen für eine Ausweisung nicht vorliegen. Zwar könnte ein Widerspruch, der gegen die Ausweisung eingelegt wird, und mit dem zunächst die Ausgangsbehörde befasst ist (§ 72 VwGO), Anlass dazu geben, diesen so zu deuten, dass damit konkludent jedenfalls auch das Begehren der Befristung umfasst wird; in Baden-Württemberg gibt es jedoch kein Widerspruchsverfahren gegen die Ausweisung durch das Regierungspräsidium (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO BW). Ein Verpflichtungsgehren auf Befristung kann im vorliegenden Fall daher deshalb nicht unterstellt werden, weil die Notwendigkeit der vorherigen Antragstellung bei der Behörde auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts unabhängig davon, ob es sich um eine gebundene Entscheidung oder eine Ermessensentscheidung handelt, eine nicht nachholbare Sachurteilsvoraussetzung jeder Verpflichtungsklage ist (siehe hierzu etwa BVerwG, Urteile vom 16.01.1985 - 5 C 36.84 - juris Rn. 9 ff. und vom 31.08.1995 - 5 C 11.94 - juris Rn. 14 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.04.1999 - 6 S 420/97 - juris Rn. 3 f.; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 75 Rn. 25; Bader, u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, § 68 Rn. 41 und § 75 Rn. 5). Das Gewaltenteilungsprinzip gebietet es, dass der Behörde vor Erhebung der Klage die Gelegenheit gegeben wird, die begehrte Verwaltungsentscheidung zu prüfen und zu erlassen; insoweit kann auch in eine Klageerhebung nicht eine (bislang unterbliebene) Antragstellung hineininterpretiert werden. Weder der Wortlaut noch die unionsrechtliche Prägung der Vorschrift geben irgendeinen Anhaltspunkt, für die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG anderes anzunehmen und von den allgemein entwickelten und anerkannten prozessualen Grundsätzen abzuweichen.
VII.
157 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 161 Abs. 2 VwGO. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich der Meldeauflage und der räumlichen Beschränkung in Ziffer 2 des Bescheids vom 19.07.2010 für erledigt erklärt worden ist, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten dem Kläger aufzuerlegen, denn er hat durch ein in seine Sphäre fallendes Ereignis, nämlich den Umzug von S... nach R... am 01.03.2011, die Erledigung des Rechtsstreits herbeigeführt.
158 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
159 
Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, ist der Beschluss unanfechtbar.
160 
Beschluss vom 16. Mai 2012
161 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
162 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
33 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und das Urteil des Verwaltungsgerichts analog § 269 Abs. 3 ZPO insoweit für unwirksam zu erklären.
34 
Im Übrigen hat die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes Erfolg. Die Ausweisung ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20) rechtmäßig und verletzt schon deshalb den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt (I.). Als anerkannter Flüchtling darf er nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden; diese Bestimmung ist unionsrechtskonform dahingehend anzuwenden, dass die Ausweisung den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) - Qualifikationsrichtlinie - QRL - entsprechen muss (II.). Die nach Art. 24 Abs. 1 QRL erforderlichen zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung liegen bei dem Kläger, der sich seit Jahren kontinuierlich als Sympathisant der PKK betätigt, nach den konkreten Umständen des Falles vor; die Ausweisung ist auch verhältnismäßig (III.). Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass er über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht verfügt, vermitteln Art. 14 ARB 1/80 oder die Standstill-Klauseln weder materiell-rechtlich noch verfahrensrechtlich einen weitergehenden Ausweisungsschutz (IV.). Die Ausweisung ist ermessensfehlerfrei (V.). Sie unterliegt auch mit Blick auf die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348, S. 98) - Rückführungsrichtlinie - RFRL - keinen Bedenken, insbesondere gebieten es weder die Rückführungsrichtlinie noch § 11 Abs. 1 AufenthG im Rahmen des hier anhängigen Verfahrens zugleich über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zu entscheiden (VI.).
I.
35 
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt.
36 
1. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Von einer Unterstützung des Terrorismus durch eine Vereinigung i.S.v. § 54 Nr. 5 AufenthG ist auszugehen, wenn die Vereinigung sich selbst terroristisch betätigt oder die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -juris Rn. 19 ff.). Dass es sich um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, muss zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 16; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 40). Die Vorschrift erfasst jede Art von Terrorismus, unabhängig davon, ob es sich um nationalen oder internationalen Terrorismus handelt (BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris Rn. 32; BT-Drs. 16/5065 - Gesetzentwurf zum Richtlinienumsetzungsgesetz 2007, S. 183 zu Nr. 42).
37 
2. Das Verwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Stuttgart sind zu Recht davon ausgegangen, dass die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen sind. Der Senat hat mit Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 41 ausgeführt:
38 
„…Die PKK ist jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - VBlBW 2011, 478 und vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris sowie Beschlüsse des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - und vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - InfAuslRAuslR 2011, 105). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie selbst ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln – wie dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen und mit Angriffen auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele – verfolgt (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris, m.w.N.; vgl. im Einzelnen zum Begriff des Terrorismus GK-AufenthG, Stand: Sept. 2011, § 54 Rn. 436 ff.). Das ist bei der PKK in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis heute der Fall. Insbesondere verzichtete die PKK auch während der Phase des 1999 ausgerufenen und 2004 wieder beendeten „Friedenskurses“ nicht auf Gewalt. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - 1 A 111/09 - InfAuslR 2011, 37) und ändert nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei (so etwa am 22.06.2010 in Istanbul, vgl. ZEIT-ONLINE vom 23.06.2010: www.zeit.de/politik/ausland/2010-06/kurden-tuerkei-politik; WELT ONLINE vom 22.06.2010 www.welt.de/politik/ausland/ article8142791/Tuerkei-Touristen-im-Fadenkreuz-kurdischen-Terrors.html; am 27. und 28.08.2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, vgl. SPIEGEL ONLINE vom 28.08.2006 www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,434039,00.html) oder der Entführung Unbeteiligter (vgl. zur Entführung von drei deutschen Staatsangehörigen am Berg Ararat am 08.07.2008 SPIEGEL ONLINE vom 09.07.2011: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,564783,00.html). Insoweit wird ergänzend auf die ausführliche und zutreffende Darstellung im angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums vom 10.06.2010 verwiesen (vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ., „Ausländerextremismus“, August 2007, S. 9 ff., sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)“, März 2007). Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP – ABl. L 116, S. 75). Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 - Inf- AuslR 2011, 40; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.2010 - 1 B 24.10 - juris; noch offengelassen im Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).“
39 
Hieran ist weiter festzuhalten. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren auch nichts Substantiiertes vorgebracht, was die Einordnung der PKK, die bis heute auf der „Terrorliste“ der EU steht (vgl. zuletzt Beschluss des Rates vom 13.03.2012 <2012/150/GASP>, ABl. L 74, 9 und vom 22.12.2011 <2011/872/GASP>, ABl. L 343, 54 und die im Anhang enthaltene Auflistung von Personen und Organisationen), als einer Organisation des internationalen Terrorismus (ebenso auch BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 35 ff.) in Frage stellen würde.
40 
3. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liegen Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger seit Jahren den internationalen Terrorismus der PKK im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15).
41 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe hierzu insgesamt BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 14 ff. sowie Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris Rn. 25 ff. - zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris Rn. 8 ff.; Senatsbeschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - juris Rn. 7 ff.; Senatsurteile vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 43 und vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris Rn. 50 ff.).
42 
Nach diesen Grundsätzen liegen hier eine Vielzahl von Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den internationalen Terrorismus seit vielen Jahren in mehrfacher Weise unterstützt, vor allem durch die Übernahme einer Vorstandsfunktion und die Mitgliedschaft in dem PKK-nahen Mesopotamische Kulturverein S... (a.) und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an unterschiedlichen PKK-nahen Aktionen und Veranstaltungen (b.). Dass einige dieser Tatsachen bereits länger zurückliegen, steht ihrer Berücksichtigung nicht entgegen; vom Kläger geht nach wie vor eine gegenwärtige Gefährlichkeit aus (c.).
43 
a. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Mesopotamische Kulturverein S... den Terrorismus unterstützt (ebenso schon zu § 86 Nr. 2 AuslG a.F VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 64, wonach der „Mesopotamische Kulturverein S... als Vorfeldorganisation der PKK bzw. KADEK anzusehen ist“; die PKK-Nähe dieses Vereins auch bejahend VGH Bad.-Württ, Urteil vom 08.07.2009 - 13 S 358/09 - zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG). Zwar enthält die Satzung des am 23.08.1997 gegründeten und am 16.06.1998 eingetragenen Vereins weder in ihrer Fassung vom 23.08.1997 noch in ihrer Neufassung extremistische Züge; bei Auflösung des Vereins geht das Vermögen an den „Kurdischen Roten Halbmond e.V.“, einer humanitären Hilfsorganisation. Auch bietet der Verein kulturelle Veranstaltungen an und die Gelegenheit zum Treffen unter Migranten vorwiegend kurdischer Herkunft. Er befasst sich ferner mit politischen Themen, wie etwa der Freilassung Öcalans und der Verbesserung dessen Haftsituation sowie der Lösung der „kurdischen Frage“, die für sich betrachtet noch nicht den Schluss einer Identifizierung oder Solidarisierung mit der PKK zulassen. In den in das Verfahren eingeführten Verfassungsschutzberichten des Landes Baden-Württemberg wird dieser Verein nicht ausdrücklich aufgeführt. Letzteres bedeutet aber allenfalls, dass von diesem keine unmittelbare Gefährdung für die Sicherheit der Bundesrepublik ausgeht. Die Berichte des LfV vom 02.08.2006 und 27.10.2009 mit den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Ergänzungen zeigen jedoch, dass der Verein seit seiner Gründung tatsächlich in erheblichem Maße auch als Plattform für die PKK fungiert, deren terroristische Ziele befürwortet und deren Gedankengut aktiv verbreitet. Hierbei handelt es sich nicht um Aktionen von Einzelpersonen oder Splittergruppen unter missbräuchlicher Ausnutzung der Vereinsstruktur, vielmehr ist der Verein insgesamt auch auf die Unterstützung der PKK ausgerichtet.
44 
Nach den vom LfV aufgelisteten Erkenntnissen organisiert der Mesopotamische Kulturverein S... alljährlich Veranstaltungen anlässlich des Jahrestags der Gründung der PKK, entweder in den eigenen Vereinsräumen (so z.B. am 26.11.2000 und 25.11.2001) oder als Großveranstaltung in gesondert angemieteten Räumlichkeiten (so etwa am 22.11.2009 in einem Kulturhaus mit ca. 1.500 Personen). Ebenso wird über Veranstaltungen zum Jahrestag der Aufnahme des bewaffneten Kampfes der PKK (15.08.) in Gestalt einer Feier in den Räumen des Vereins (14.08.2005 sowie 15.08.2008) oder durch ein vom Verein organisiertes Picknick (am 16.08.2009) und auch über Veranstaltungen zum Jahrestag des Betätigungsverbots der PKK in Deutschland berichtet. Die enge Verbindung des Vereins mit der PKK wird vor allem auch darin deutlich, dass kontinuierlich immer wieder PKK-Funktionäre aus unterschiedlichen Hierarchieebenen in den Räumen des Vereins auftreten, die sich spezifischer PKK-Themen annehmen, so etwa bei der internen Versammlung auf Gebietsebene - sog. Volksversammlung - am 16.04.2000, bei der es unter anderem um die Auswirkungen des Einmarsches türkischer Soldaten in den Nordirak auf die PKK und insbesondere die Kämpfer der ARGK (heute HPG) ging. Ähnlich im Ablauf waren etwa auch schon die Veranstaltungen vom 08.06.1997 (Bericht des PKK-Regionalleiters Baden über die Erfolge der ARGK anlässlich der Eröffnungsfeier des Vereins) oder vom 19.04.1998 (PKK-Volksversammlung mit Beiträgen des PKK-Regionalleiters Baden über die „Taktik“ der türkischen Regierung, die Moral innerhalb der PKK durch gezielte Falschinformationen hinsichtlich des Kriegsverlaufs zu untergraben). Derartige Volksversammlungen stellen ein Mittel der konspirativen Betätigung der PKK unter dem Vereinsverbot dar, um dezentrale Strukturen zur Mobilisierung der Anhänger der PKK zu schaffen (vgl. hierzu näher Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 54). Zu nennen sind weiter aus den Mitteilungen des LfV die Versammlung am 11.03.2001, die die aktuelle Lage der PKK einschließlich deren finanzieller Situation thematisierte; der Bericht eines früheren Aktivisten der ARGK am 22.04.2001 über seine Eindrücke vom dortigen Leben; die Schilderung eines ehemaligen Guerilla-Kämpfers über seine Eindrücke aus den Kandil-Bergen am 30.08.2008 oder die Ausrichtung der Volksversammlung am 14.05.2006 mit einer Rede des damaligen Leiters des PKK-CDK-Sektors Süd Muzaffer Ayata über die Funktion der Volksgebietsräte (siehe hierzu auch die Berichterstattung in der Yeni Özgur Politika vom 16.05.2006). In seinem Bericht vom 27.10.2009 führt das LfV auch aus, dass bei der Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins am 10.06.2001 die schlechte finanzielle Situation des Vereins ein Thema war und erläutert wurde, dass ein erheblicher Teil der hohen Kosten für die Renovierung die PKK übernommen habe. Hervorzuheben sind ferner - wie in den Berichten des LfV im Einzelnen dargelegt - die kontinuierlich in den Vereinsräumen stattfindenden Veranstaltungen zum Gedenken an sog. Märtyrer, d. h. vor allem für gefallene Kämpfer und Selbstmordattentäter, wobei an diesen Veranstaltungen auch Funktionäre der PKK oder CDK (letztere ist eine Nachfolgeorganisation der vom PKK-Verbot umfassten Nationalen Befreiungsfront Kurdistans - ERNK -) teilnehmen. Im Rahmen des Gedenkens an PKK-Märtyrer wird auch über die Ehrung von Frontarbeitern der PKK für ihre Tätigkeit berichtet (so für den 29.03.2009). Wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, sind solche Märtyrergedenkveranstaltungen ein wesentliches Element zur Herstellung eines engeren ideologischen und emotionalen Zusammenhalts auch von PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (vgl. hierzu Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 55 mwN). Schließlich tritt der Mesopotamische Kulturverein als Veranstalter von Demonstrationen oder Mahnwachen auf, um etwa gegen die Verhaftung von KONGRA-GEL-Funktionären oder das PKK-Verbot oder - wie in der Zeit vom 01. bis 04.05.2002 - gegen die (befürchtete) Aufnahme der KADEK als Nachfolgeorganisation der PKK in die EU-Terrorliste zu protestieren.
45 
Nach Überzeugung des Senats sind diese vom LfV mitgeteilten konkreten und detaillierten Erkenntnisse über den Mesopotamischen Kulturverein, die der Kläger im Übrigen im Verfahren nicht substantiiert in Frage gestellt hat, zutreffend. Er ist sich dabei dessen bewusst, dass diese Erkenntnisse zu einem erheblichen Teil auf den Angaben von „Quellen“ beruhen. Aufgrund des konkreten Verfahrens der Erkenntnisgewinnung, das der Zeuge des LfV in der mündlichen Verhandlung erläutert hat (siehe dazu näher nachfolgend b.), bestehen jedoch keine Bedenken gegen deren Verwertung - zumal diese durch andere gewichtige Tatsachen gestützt werden. Ein erheblicher Teil der Veranstaltungen wurde - wie in den Berichten des LfV kenntlich gemacht - in der „Özgur Politika“ und der „Yeni Özgur Politika“ aufgegriffen (siehe im Übrigen zur Einordnung der „Özgur Politika“ als Sprachrohr der PKK VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2011 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 63). Auch Polizeierkenntnisse werden als Beleg herangezogen. Dass der Verein die PKK unterstützt und sich mit ihren Zielen identifiziert, zeigt ferner die Auswertung der vom Senat beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Stuttgart 7 Js 101646/04. Am 09.11.2004 war in den Vereinsräumen eine ca. zwei Meter lange Fahne des KONGRA-GEL deutlich von außen sichtbar aufgehängt. Bei der Durchsuchung am 15.12.2004 hing an deren Stelle eine ERNK-Fahne. In den Räumen des Vereins wurden Propagandapublikationen in Form von Büchern, Broschüren und plakatähnlichen Druckwerken - teilweise in größeren Stückzahlen - aufgefunden. Zu nennen sind beispielsweise Plakate mit der Aufschrift „Schluss mit dem PKK-Verbot“, Transparente der PJA (Frauenorganisation der PKK) und Transparente und Fahnen der YCK (Jugendorganisation der PKK), von Abdullah Öcalan verfasste Bücher, Broschüren mit Symbolen der PKK, Kadek, KONGRA-GEL oder der ERNK sowie Publikationen, die der Verbreitung des Gedankenguts der PKK dienen, und in denen beispielsweise Selbstmorde für die PKK verherrlicht und als Heldentaten gepriesen werden. Die Auswertung der SIM-Karte des damaligen Vorsitzenden des Vereins enthielt die Telefonnummer des PKK-Funktionärs Muzaffer Ayata, der in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins verkehrt. Dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit Verfügung von 30.05.2008 das Ermittlungsverfahren gegen den damaligen Vorstandsvorsitzenden wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz nach § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO eingestellt hat, steht der Verwertung der Erkenntnisse aus der Durchsuchung nicht entgegen.
46 
Im Übrigen lässt sich die PKK-Nähe des Vereins auch aus dem Umstand ersehen, dass dieser jedenfalls seit dem 02.08.2004 Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ ist. Eine aktive Verbindung zwischen beiden lässt sich nicht nur daraus entnehmen, dass anlässlich der Durchsuchung der Räume des Mesopotamischen Kulturvereins am 15.12.2004 ein Flugblatt des Vorstand der YEK-KOM aufgefunden wurde, das unter anderem zu Treffen der Vorstandsvorsitzenden der jeweiligen kurdischen „nationalen“ Vereine in ganz Deutschland aufrief (siehe im Einzelnen Schreiben des Polizeipräsidiums Stuttgart - Dezernat Staatsschutz - vom 19.01.2005), oder den Berichten des LfV zufolge bei der Veranstaltung des Mesopotamischen Kulturvereins am 09.10.2000 zum Thema „Erinnerung an die Flucht aus Syrien von Öcalan am 09.10.1998 und deren Folgen“ Flugblätter der YEK-KOM verteilt wurden, sondern auch aus dem Umstand, dass Vertreter der YEK-KOM beim Verein auftreten, so deren Vorsitzender Ahmet Celik bei einer Gedenkveranstaltung des Mesopotamischen Kulturvereins am 21.10.2008 für die „Gefallenen des Kurdischen Befreiungskampfes“. Im Übrigen bestand über finanzielle Zuschüsse an den Verein eine Verbindung zwischen der YEK-KOM und dem Mesopotamischen Kulturverein schon im Jahre 2000 (siehe näher VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 -juris Rn. 63). Zur YEK-KOM hat der Senat hat in seinem Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 47 ausgeführt:
47 
„Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010 im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.“
48 
Zwar ist dem Arbeitsprogramm der YEK-KOM aus dem Jahre 2008 und in der Fassung vom 20.02.2011 (das jeweils aktuelle Programm ist auch auf der Homepage der YEK-KOM unter www.yekkom.com abrufbar) zu entnehmen, dass sich diese für eine friedliche demokratische Lösung der Kurdenfrage in Richtung auf eine Selbstverwaltung der Kurden innerhalb des türkischen Staates einsetzt und sich vor allem auch der allgemeinen Situation von Kurdinnen und Kurden einschließlich der Migrationsprobleme annimmt. Bei der Würdigung der - von der YEK-KOM ausdrücklich so bezeichneten - Selbstdarstellungen ist aber einzustellen, dass auch diese Organisation bestrebt ist, ein öffentliches Erscheinungsbild zu verbreiten, das so gestaltet ist, dass nicht mit Rücksicht auf eine deutliche Nähe zur PKK Exekutivmaßnahmen deutscher Behörden ausgelöst werden, und deshalb ihre Publikationen hierauf ausrichtet. Im Übrigen schließt die Verfolgung allgemeiner politischer Ziele, wie etwa die von YEK-KOM geforderte freie Benutzung der kurdischen Sprache in der Türkei, die Feststellung nicht aus, dass YEK-KOM auch die Ziele der PKK unterstützt, indem etwa die terroristischen Ziele und Aktivitäten der PKK positiv bewertet, befürwortet und verbreitet werden. Wenn insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert wird, so soll damit deren ungehinderte Betätigung in Deutschland wieder ermöglicht und damit deren auch terroristische Ziele und Aktivitäten tragende Basis verbreitert und gestärkt werden.
49 
Das auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtete Handeln der Vereinigung ist für den Kläger erkennbar gewesen (zu diesem Maßstab BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 -1 C 13.10 -juris Rn. 23) und ihm zuzurechnen. Der im Jahre 2000 dem Verein beigetretene Kläger ließ sich bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins am 23.07.2000 als Beisitzer in den Vorstand wählen und wurde nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung danach ein zweites Mal für ein Jahr in den Vorstand gewählt. Die Tatsache der Vorstandstätigkeit ist bereits mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 eingeräumt worden. Allein schon aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied ist ihm diese Unterstützung zuzurechnen, ohne dass der Frage seiner tatsächlichen inneren Einstellung weiter nachgegangen werden müsste (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - juris zu § 11 StAG). Der Kläger hat auch nach Ende seiner Vorstandstätigkeit als einfaches Mitglied des Mesopotamischen Kulturvereins dessen oben dargestellte Zielsetzung, die sich unter Berücksichtigung der Angaben des LfV bis heute nicht geändert hat, weiter unterstützt. Bei der Durchsuchung in den Räumen des Vereins am 15.12.2004 wurde eine Mitgliederliste mit Stand 01.07.2004 gefunden, die den Kläger seit dem Jahr 2000 als Mitglied ausweist. Im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 ist diese Mitgliedschaft ausdrücklich eingeräumt worden. Er unterschrieb sowohl am 02.02.2003 als auch am 17.04.2005 als Protokollführer das Protokoll der Mitgliederversammlung. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung bekundet, ab 2000 bis 2005 beim Verein ein- und ausgegangen zu sein, dies für die Zeit danach jedoch abgestritten. Der Senat ist allerdings aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme der Überzeugung, dass der Kläger auch über diesen Zeitpunkt hinaus mindestens bis Mitte 2009 aktiv am Vereinsgeschehen teilgenommen hat und sich nur unter dem Eindruck des Ausweisungsverfahrens nunmehr zurückhält (siehe nachfolgend b. und c.).
50 
b.) Der Kläger hat durch die kontinuierliche Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt. Er war bei einer Reihe von Veranstaltungen, die - wie ihm auch erkennbar gewesen ist - darauf ausgerichtet sind, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und Organisationen im politischen Umfeld zu stärken. Dies gilt insbesondere für die Teilnahme an den Wahlen zum Volksgebietsrat und die Übernahme der Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats. Diese Teilnahmen sind daher bereits für sich genommen ohne weiteres als selbstständige Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, die zum Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führen. Umso mehr gilt dies bei einer Gesamtschau aller festgestellten Aktivitäten des Klägers einschließlich seiner Vorstandsfunktion im Mesopotamischen Kulturverein.
51 
Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger am 31.05.2001 eine Kundgebung geleitet hat, bei der er gegen mit der PKK zusammenhängende Symbole nicht eingeschritten ist, und am 10.07.2001 die PKK-Selbsterklärung unterzeichnet hat (aa.), die Feier zum 30. Gründungsjahrestag der PKK am 30.11.2008 besucht (bb.) und am 04.02.2007 und 01.02.2009 an Märtyrergedenkveranstaltungen teilgenommen hat (cc.), bei Veranstaltungen von KONGRA-GEL-Anhängern am 24.02.2008 und 07.06.2009 war (dd.) sowie an den Versammlungen zur Wahl des Volksgebietsrats am 14.05.2006 und 26.04.2009 teilgenommen hat, wobei er bei der erstgenannten Versammlung zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist (ee.). Die konkreten Ausrichtungen der jeweiligen Veranstaltungen, die dem Kläger nicht verborgen bleiben konnten, lassen den Schluss zu, dass der Kläger die PKK unterstützt hat. Soweit das Regierungspräsidium dem Kläger auch den Besuch an einer Podiumsdiskussion unter Mitwirkung von Günay Aslan am 25.02.2007 vorhält, kann allerdings aus den Inhalten dieser Veranstaltung nicht geschlossen werden, dass der Kläger auch hierdurch die PKK unterstützt hat (ff.).
52 
Die Feststellungen und Würdigungen des Senats beruhen auf den sich aus den Akten ergebenden Erkenntnissen, aus der Einlassung des Klägers sowie den in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen. Hierbei handelt es sich um den Schwager des Klägers, der am 14.05.2006 zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats Stuttgart gewählt wurde, und um einen Mitarbeiter des LfV, der über Angaben einer Quelle berichtet hat. Weitere (unmittelbare) Zeugen haben dem Senat nicht zur Verfügung gestanden. Die Ehefrau des Klägers hat von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht; andere Zeugen, die sich in der Sache hätten äußern können, sind weder benannt worden noch ersichtlich. Der vernommene Mitarbeiter des LfV ist nicht der unmittelbare Führer dieser Quelle. Aus Quellenschutzgründen wurde die Identität der Quelle nicht offen gelegt. Der unmittelbare Quellenführer stand als Zeuge nicht zur Verfügung. Auch wurden - trotz Aufforderung durch das Gericht - keine schriftlichen Aufzeichnungen vorgelegt. Diese Praxis ist dem Senat aus vergleichbaren Verfahren bekannt. Bei der Würdigung der Aussagen des Mitarbeiters des LfV hat sich der Senat von folgenden in seinem Urteil vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - juris Rn. 49 § 11 satz 1 nr. 1 stag> dargestellten Überlegungen leiten lassen:
53 
„Erkenntnisse des LfV, die auf geheim gehaltenen Quellen beruhen und als Zeugenaussage vom Hörensagen in den Prozess eingeführt werden, können zwar grundsätzlich verwertet werden. Allerdings darf die in Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes auch dann nicht in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden, wenn eine Behörde sich gegenüber dem Auskunftsbegehren eines Bürgers auf Geheimhaltungsgründe beruft und sich diese Gründe gerade auch auf die allein als Beweismittel in Betracht kommenden Verwaltungsvorgänge beziehen, in denen die für das Verwaltungsverfahren und sein Ergebnis relevanten Sachverhalte dokumentiert sind (vgl. grundlegend zu dieser Problematik BVerfG, Beschluss vom 27.10.1999 - 2 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106, 121 ff.). Soweit in einem derartigen Fall die Effektivität des Rechtsschutzes von der Offenlegung der Verwaltungsvorgänge abhängt, muss das Gericht grundsätzlich die tatsächlichen Grundlagen selbst ermitteln und seine rechtliche Auffassung unabhängig von der Verwaltung, deren Entscheidung angegriffen ist, gewinnen und begründen. Ist dies wie hier nicht möglich, muss das durch die Geheimhaltung entstehende Rechtsschutzdefizit im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeglichen werden (Hamb. OVG, Urteil vom 07.04.2006 - 3 Bf 442/03 - NordÖR 2006, 466). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gerichtliche Beweiswürdigung der Angaben eines sogenannten Zeugen vom Hörensagen besonderen Anforderungen unterliegt, die aus dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten sind. Danach ist der Beweiswert seiner Angaben besonders kritisch zu prüfen. Denn das Zeugnis vom Hörensagen ist nur begrenzt zuverlässig, weil sich die jedem Personenbeweis anhaftenden Fehlerquellen im Zuge der Vermittlung der Angaben verstärken und weil das Gericht die Glaubwürdigkeit der Gewährsperson nicht selbst einschätzen kann. Das Gericht muss sich der Gefahren der beweisrechtlichen Lage, also vor allem der besonderen Richtigkeitsrisiken in Ansehung anonym gebliebener Personen, deren Wissen durch einen Zeugen vom Hörensagen eingeführt wird, sowie der sich daraus ergebenden Grenzen seiner Überzeugungsbildung bewusst sein (VGH Bad.-Württ, Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 50 und Urteil vom 27.03.1998 - 13 S 1349/96 - juris Rn. 37). Die Aussage eines Zeugen vom Hörensagen wird regelmäßig einer Entscheidung nur dann zugrunde gelegt werden können, wenn es für das Vorliegen der entsprechenden Tatsache noch andere Anhaltspunkte gibt (BVerwG, Beschluss vom 22.10.2009 - 10 B 20/09 - juris Rn. 4 und Beschluss vom 05.03.2002 - 1 B 194/01 - juris Rn. 4 mit ausdrücklichem Hinweis auf BVerfGE 57, 250, 292). Nach der zum Strafrecht entwickelten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügen die Angaben des Gewährsmanns regelmäßig nicht, wenn sie nicht durch andere, nach Überzeugung des Fachgerichts wichtige, ihrerseits beweiskräftig festgestellte Gesichtspunkte bestätigt werden (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 26.05.1981 - 2 BvR 215/81 -BVerfGE 57, 250, 292 ff.; BVerfG <2. Kammer des 2. Senats>, Beschluss vom 19.07.1995 - 2 BvR 1142/93 - NJW 1996, 448; BVerfG <1. Kammer des 2. Senats>, Beschluss vom 05.07.2006 - 2 BvR 1317/05 - NJW 2007, 204). Die strafgerichtliche Rechtsprechung und Literatur verlangt daher regelmäßig „zusätzliche Indizien von einigem Gewicht“ (vgl. näher BGH, Beschluss vom 08.05.2007 - 4 StR 591/06 - juris Rn. 2; Beschluss vom 19.06.1996 - 5 StR 220/96 - juris Rn. 3 ff; Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2008, § 250 Rn. 13; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 26. Aufl. 2009, § 46 Rn. 33 f.; Detter, Der Zeuge vom Hörensagen - eine Bestandsaufnahme, NStZ 2003, 1, 4). Diese zum Strafrecht entwickelten Prinzipien können als Ausdruck des Rechts auf faires Verfahrens auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herangezogen werden (Sodan/Ziekow, 3. Aufl. 2010 § 96 Rn. 38; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 50).“
54 
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt sich das Ergebnis der Beweisaufnahme insgesamt wie folgt dar:
55 
aa.) Nach polizeilichen Erkenntnissen war der Kläger am 31.05.2001 - und damit im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Vorstandstätigkeit - in S... Leiter einer Kundgebung des Mesopotamischen Kulturvereins zum Thema „Die Zeit ist reif für Demokratie und Freiheit“. Bei der Veranstaltung wurden Bilder Öcalans sowie Fahnen der ERNK gezeigt, wogegen der Kläger nicht einschritt. Ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz (4 Js 43599/01) stellte die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein. Der Kläger hat mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 eingeräumt, diese Kundgebung geleitet zu haben, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sich hingegen zunächst dahingehend eingelassen „nie und niemals eine Kundgebung geleitet zu haben“. Auf mehrfachen Vorhalt der aktenkundigen polizeilichen Erkenntnisse und des Schreibens vom 30.06.2010 sowohl durch den Senat als auch durch seine Prozessbevollmächtigten hat der Kläger lediglich vorgebracht, sich nicht mehr erinnern zu können. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass diese Feststellungen der Polizei zur Veranstaltung vom 31.05.2001 zutreffend sind - zumal sie durch das Schreiben vom 30.06.2010, das auf einer entsprechenden Erklärung des Klägers gegenüber seinen Anwälten basieren muss, bestätigt sind. Dieses wird insoweit durch „Erinnerungslücken“ des Klägers nicht durchgreifend in Frage gestellt. Der Kläger beruft sich in diesem Schreiben allerdings darauf, es könne ihm nicht angelastet werden, dass bei der ordnungsgemäß angemeldeten und genehmigten Kundgebung einzelne Teilnehmer die genannten Bilder und Fahnen geschwenkt hätten; die Unterbindung dieser Aktionen sei nicht seine Aufgabe, vielmehr hätten die Ordnungskräfte dafür Sorge tragen müssen, solche Vorkommnisse zu vermeiden. Die Tatsache, dass der Kläger gegen diese Symbole nicht eingeschritten ist, lässt aber vor allem mit Blick auf seine Aktivitäten im Mesopotamischen Kulturverein den Schluss dahingehend zu, dass er sich als Versammlungsleiter einer Kundgebung dieses Vereins unverkennbar mit den auf die Unterstützung der PKK gerichteten Zielen identifizierte und solidarisierte. In dieses Bild passt auch die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001, die der Kläger - allerdings mit Hinweis darauf, dies habe im Rahmen der durch Art. 5 GG gewährten Meinungsfreiheit stattgefunden - mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2006 zugestanden hat.
56 
bb.) Der Kläger nahm am 30.11.2008 an der Feier zum 30. Gründungsjahrestag der PKK im Kulturhaus A... in S... teil. Dies hat er in den Schriftsätzen seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 und 16.11.2010 eingeräumt. Wie das LfV unter dem 23.09.2009 mitgeteilt hat, hätten in der Halle unter anderem Bilder von Öcalan sowie mehreren PKK-Märtyrern und eine Fahne der früheren PKK-Propagandaorganisation ERNK gehangen. Ein Redner habe zur Geschichte der PKK referiert. Im Anschluss daran sei der getöteten Märtyrer dieser Organisation mit einer Schweigeminute gedacht worden. Während der Veranstaltung, die um 13 Uhr begonnen habe und von ca. 2.000 Personen besucht worden sei, seien Parolen wie „Hoch lebe der Führer Apo“ und „PKK“ skandiert worden. Für die Veranstaltung sei am 18. und 28.11.2008 in der Yeni Özgur Politika und am 28.11.2008 bei ROJ-TV (kurdischer TV-Sender) geworben worden. Die in der YÖP vom 28.11.2008 abgedruckte Einladung - überschrieben mit „das 30. Jahr feiern wir“ - weist als Programm verschiedene Künstler und Reden aus.
57 
Der Kläger hat den vom LfV mitgeteilten Inhalt der Veranstaltung und ihren organisatorischen Rahmen nicht bestritten. Er hat allerdings darauf verwiesen, die Veranstaltung sei ordnungsgemäß angemeldet und genehmigt worden; im Programm dieser Veranstaltung seien diverse kurdische Künstler angekündigt worden, aufgrund deren Auftritte er dort gewesen sei; dass vereinzelte Teilnehmer Fahnen geschwenkt und Parolen gerufen hätten, könne ihm nicht angelastet werden. Er habe dieser Veranstaltung - wie viele andere Leute - beigewohnt, um in den Genuss des künstlerischen Angebots zu kommen; bei dieser Veranstaltung habe er weder applaudiert noch Parolen ausgerufen, an der Schweigeminute habe er sich nicht beteiligt. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich der Kläger dahingehend eingelassen, er sei nur dahin, um die Künstler zu hören, es bedeute nicht, dass jeder, der daran teilnehme, ein PKK’ler oder für die PKK sei.
58 
Es kommt jedoch nicht darauf an, dass sich der Kläger nach seinem Vorbringen nicht aktiv an der Veranstaltung beteiligt hat und diese nicht verboten gewesen ist. Die dort aufgestellten Bilder von Öcalan und mehreren PKK-Märtyrern, die Fahnen der ERNK sowie die gehaltene Rede zur Geschichte der PKK lassen ebenso wie der Anlass der Veranstaltung keinen Zweifel an deren Ausrichtung als Propagandaveranstaltung der PKK aufkommen. Bei dieser Eindeutigkeit wäre es völlig lebensfremd anzunehmen, dass der Kläger den Charakter der Veranstaltung nicht bemerkt bzw. eigentlich missbilligt hätte. Die Person Öcalans hat nach wie vor einen Symbolgehalt für den bewaffneten Kampf der PKK gegen den türkischen Staat, wie dies hier auch schon in der optischen Ausgestaltung der Veranstaltung zum Ausdruck kommt. Erst recht mit Blick auf seine jahrelange aktive Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein, der den Jahrestag der PKK-Gründung regelmäßig begeht, ist für den Kläger der Bedeutungsgehalt der Veranstaltung eindeutig erkennbar gewesen. Indem er dieser beigewohnt hat, hat er deren Zielsetzung vielmehr nach außen erkennbar gebilligt und den emotionalen und ideologischen Zusammenhalt der PKK und der mit ihr zusammenhängenden Organisationen gestärkt (vgl. hierzu näher Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 52 ff.). Im Übrigen dienen - neben anderen „Geldquellen“ wie insbesondere Mitgliedsbeiträge und Spenden - gerade auch solche Großveranstaltungen, bei denen - wie im vorliegenden Fall - Eintrittsgelder erhoben und Umsätze erzielt werden, dazu, der PKK finanzielle Mittel zu verschaffen, die für Propagandatätigkeit, den Parteiapparat sowie für die Versorgung der Guerilla-Kämpfer und deren Ausstattung mit Waffen und Munition gebraucht werden (siehe zur Finanzierung der PKK näher Verfassungsschutzberichte Baden-Württemberg, z.B. 2008, S. 92; 2007 S. 91 f.; 2001, S. 179). Dass die einzelne Eintrittskarte relativ preiswert gewesen ist - der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung den Betrag mit 10 EUR angegeben - steht dem nicht entgegen. Auch diesem Zweck hat er zumindest durch die Zahlung der Eintrittskarte entsprochen. Dass dies für den Kläger, der aufgrund seiner Vorstandstätigkeit tiefere Einblicke in den Ablauf und Zweck solcher Veranstaltungen hatte, nicht erkennbar gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.
59 
cc.) Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass der Kläger am 04.02.2007 und 01.09.2009 an Märtyrergedenkveranstaltungen teilgenommen hat.
60 
Das LfV hat unter dem 08.10.2009 unter anderem ausgeführt, am 04.02.2007 habe in den Räumen des „Mesopotamischen Kulturvereins“ in S... ab 13 Uhr eine Versammlung von KONGRA-GEL-Anhängern stattgefunden, an der etwa 150 Personen teilgenommen hätten. Die hiervon namentlich von der Quelle erwähnten Besucher seien dem LfV aufgrund anderer Erkenntnisse als KONGRA-GEL-Anhänger bekannt. Es sei der „Sehitler“ („Märtyrer“) dieser Organisation gedacht worden. Ein Redner habe ausgeführt, die „Märtyrer“ seien „für uns“ gestorben. Sie dürften niemals vergessen werden. Ihr Andenken verpflichte „uns“ zum Einsatz für die kurdische Sache. Das sei ihnen versprochen worden und deshalb würden sich die Anwesenden auch bis zum Ende des Lebens dafür einsetzen. Zudem seien bei der Veranstaltung Fahrkarten nach Straßburg für eine dortige Demonstration am 10.02.2007 zum 8. Jahrestag des „Internationalen Komplotts“ (= Festnahme Öcalans am 15.02.1999) verkauft worden.
61 
Dass das LfV in seinem Bericht vom 27.10.2009 mit Datum vom 03.02.2007 ein „Erinnerungsfest“ für die im Kampf gefallenen Märtyrer erwähnt hat, das vom „Komitee der Märtyrer-Familien“ ausgerichtet worden sei (siehe hierzu auch die Übersetzung des entsprechenden Beitrags in der YÖP vom 06.02.2007), während eine Märtyrergedenkfeier mit Datum vom 04.02.2007 in diesem Bericht nicht genannt wird, stellt nicht in Frage, dass letztere tatsächlich stattgefunden hat. Zum einen war der 04.02.2007 ein Sonntag; es ist daher nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch der davor liegende Samstag für eine thematisch ähnliche Veranstaltung genutzt wurde. Zum anderen enthalten die Berichte des LfV (bedingt durch dessen Arbeitsweise) nicht unbedingt eine lückenlose Auflistung aller - die PKK unterstützenden - Veranstaltungen des Mesopotamischen Kulturvereins. Dies verdeutlichen etwa auch ein Abgleich der Feststellungen zu solchen Veranstaltungen im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 11.07.2002 (13 S 1111/01 - juris Rn. 63) mit den im vorliegenden Verfahren vorlegten Berichten vom 02.08.2006 und 27.10.2009, die auch Zeiträume erfassen, die Gegenstand dieses Urteils waren. Von besonderer Bedeutung ist jedoch, dass der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2010 ausdrücklich eingeräumt hat, an der Veranstaltung am 04.02.2007 teilgenommen zu haben. Der vom LfV detailreich geschilderte Ablauf ist mit diesem Schriftsatz nicht in Frage gestellt worden. Der Kläger hat darin lediglich geltend gemacht, er habe weder applaudiert noch irgendwelche Parolen gerufen. Er habe nur den gehaltenen Reden zugehört.
62 
Nach den Gründen des angefochtenen Urteils (UA S. 16) hat sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht jedoch dahingehend eingelassen, dass an diesem Tag Angehörige im Mesopotamischen Kulturverein einer Verstorbenen gedacht hätten. Die Angehörigen hätten für die Teilnehmer ein Essen ausgerichtet. Bei den Kurden sei es üblich, dass der Verstorbenen gedacht würde. Für ihn seien die Werte seines Volkes sehr wichtig. Hierzu zähle auch, der Toten zu gedenken und zu beten. Da er die Angehörigen der Verstorbenen kenne, sei er zu dieser Gedenkfeier gegangen und habe ihnen sein Beileid ausgesprochen. Er habe mit den Angehörigen zusammen gegessen und sei dann wieder gegangen. An eine bei der Veranstaltung gehaltene Rede könne er sich nicht erinnern. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger ausgeführt, er sei am 04.02.2007 zufällig im Verein gewesen und habe gesehen, dass dort Angehörige einem Toten gedacht hätten, er habe ihnen sein Beileid ausgesprochen. Er glaube, es sei ein Mann gewesen, der in der Türkei verstorben sei. Er sei nur etwa eine halbe Stunde anwesend gewesen, während dieser Zeit habe es keine Rede gegeben.
63 
Die Angaben des Klägers vor dem Verwaltungsgericht und dem Senat sind widersprüchlich und ungereimt. Nach seiner Einlassung beim Verwaltungsgericht habe es sich bei der Toten um eine Frau gehandelt; gegenüber dem Senat sprach er von einem Verstorbenen. An Einzelheiten - etwa wer der Tote gewesen sei - will er sich nach seinen Angaben vor dem Senat nicht erinnern können. Damit passt aber nicht zusammen, dass er sein angeblich spontanes Verbleiben genau auf eine halbe Stunde datierte, obwohl dieses Ereignis mehr als fünf Jahre zurückliegt. Der Senat ist auch aufgrund des vom Kläger gewonnenen Eindrucks zu der Überzeugung gelangt, dass die Art und Weise der Einlassung im gerichtlichen Verfahren allein bezweckt, den wahren Charakter der Veranstaltung zu verschleiern. Insoweit misst der Senat der früheren Äußerung im Schriftsatz vom 16.11.2010, die auch noch nicht unter dem Eindruck eines bestimmten Verlaufs des gerichtlichen Verfahrens erfolgte, besondere Bedeutung zu. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil der Kläger keine plausible Erklärung für seine nunmehr abweichende Darstellung gegeben hat.
64 
Am 01.02.2009 ist der Kläger ebenfalls Teilnehmer einer Märtyrergedenkveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern gewesen. Dabei sei - wie das LfV unter dem 23.12.2009 ausgeführt hat - eine Guerilla-Angehörige in einem Vortrag als „Heldin“ gepriesen worden, die sich aus Protest über die Isolationshaft Öcalans 2006 selbst verbrannt habe. Die Gedenkfeier habe von etwa 15 Uhr bis 16 Uhr gedauert. Ungefähr 50 Personen hätten sich hierfür in den damaligen Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins in S... versammelt. Hinsichtlich der KONGRA-GEL-Ausrichtung des Besucherkreises werde auf die Ausführungen zu der Veranstaltung vom 04.02.2007 verwiesen.
65 
Im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 ließ sich der Kläger dahingehend ein, er habe am 01.02.2009 eine in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins abgehaltene Kondolenzveranstaltung besucht. Er sei zum Zweck des Kondolierens dort gewesen. Der dort abgehaltene Vortrag könne ihm nicht angelastet werden. Aus dieser Einlassung ergibt sich aber nicht nur, dass die Tatsache der Veranstaltung nicht bestritten wird, sondern auch, dass deren konkret geschilderter Verlauf mit seinem Vortrag nicht in Abrede gestellt wird; lediglich der Ausrichtung der Veranstaltung wird entgegengetreten. Im Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16.11.2010 heißt es dann, der Kläger lasse bestreiten, an dieser Veranstaltung teilgenommen zu haben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger ausgeführt, er sei nicht bei der Veranstaltung vom 01.02.2009 gewesen. Auf Vorhalt, dass im Anwaltsschreiben vom 30.06.2010 ausdrücklich ausgeführt worden sei, er habe an dieser Veranstaltung teilgenommen, hat der Kläger zunächst überhaupt nicht geantwortet. Erst auf Frage seiner Prozessbevollmächtigten, ob er vielleicht etwas durcheinander bringe, hat er dies bejaht und sich im weiteren Verlauf der Verhandlung darauf berufen, er könne sich nicht erinnern.
66 
Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Einlassung im Schriftsatz vom 30.06.2010 zur Teilnahme an einer Veranstaltung am 01.02.2009 zutrifft. Diese Ausführungen können nur auf den entsprechenden Angaben des Klägers gegenüber seinen Rechtsanwälten beruhen und stehen mit der erstmaligen Vorhaltung der Teilnahme an dieser Veranstaltung in näherem zeitlichem Zusammenhang. Für diese Bewertung spricht ebenfalls, dass der Kläger weder im Schriftsatz vom 16.11.2010 noch zu einem späteren Zeitpunkt nachvollziehbar erklärt hat, warum er nunmehr eine andere Schilderung abgibt.
67 
Der Senat ist davon überzeugt, dass es sich bei dieser Veranstaltung vom 01.02.2009 ebenso wie bei derjenigen vom 04.02.2007 nicht um ein bloßes Gedenken an einen Toten, um ein würdevolles Abschiednehmen und Kondolieren mit einer (Trauer-) Feier gehandelt hat, sondern um Zusammenkünfte bei denen mit dem Ziel der Unterstützung des Guerillakampfes ein Heldengedenken und ein Märtyrerkult im Hinblick auf gefallene Kämpfer oder in sonstiger Weise für „die Sache“ Verstorbene betrieben werden.
68 
Die Feststellung, dass es sich - entgegen der Einlassung des Klägers - bei der Veranstaltung vom 01.02.2009 nicht um eine „normale“ Trauerfeier gehandelt hat, sondern um eine Märtyrergedenkveranstaltung zum Jahrestag einer HPG-Angehörigen, die sich am 01.02.2006 aus Protest gegen die „Isolationshaft“ von Öcalan selbst verbrannt habe, beruht auf den in der mündlichen Verhandlung übergebenen schriftlichen Ergänzungen zu den Berichten des LfV vom 27.10.2009 und 02.08.2006 sowie dem Bericht vom 15.06.2011, in denen die Gedenkveranstaltung aus Anlass des 3. Jahrestags der Selbstverbrennung der Märtyrerin Viyan Soran am 01.02.2009 aufgeführt und näher beschrieben ist, und gegen die der Kläger keine Einwendungen vorgebracht hat, sowie auf den Angaben des Zeugen vom Hörensagen des LfV.
69 
Der Senat ist sich dessen bewusst, dass der vernommene Mitarbeiter des LfV nach der Quelle und dem Quellenführer der „3. Mann“ in der Kette denkbarer Auskunftspersonen ist und daher dessen Bekundungen mit einem dem immanenten Unsicherheitsfaktor behaftet sind. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil - wie dies für den Einsatz einer Quelle des Verfassungsschutzes typisch ist - die Berichte der Quelle an den Quellenführer mündlich erfolgen, dies regelmäßig auch nicht sofort nach der Veranstaltung, über die berichtet wird, geschieht und die Erstellung der schriftlichen Fassung durch den Quellenführer dann nochmals Zeit benötigt, wobei dies üblicherweise einige Tage betragen kann. Diese Verfahrensabläufe ergeben sich aus den Bekundungen des Mitarbeiters des LfV in der Berufungsverhandlung. Sie sind dem Senat im Übrigen aus anderen Verfahren mit Quellen des LfV bekannt. Der Senat geht auch davon aus, dass der Quellenführer die Angaben der Quelle nicht in dessen Beisein auf einen Tonträger aufnimmt oder diese gar an Ort und Stelle sofort schriftlich niederlegt. Der Senat hält es ferner nicht für plausibel, dass - wie der Mitarbeiter des LfV dies in der mündlichen Verhandlung als eventuell möglich angedeutet hat - es auch sein könnte, dass die schriftliche Aufzeichnung des Quellenführers nochmals mit der Quelle abgestimmt wird. Ein solches Prozedere zur Reduktion von Fehlern ist - wie der Senat aus vergleichbaren Verfahren weiß - jedenfalls nicht üblich.
70 
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Verfassungsschutz aufgrund der ihm zugewiesenen Aufgaben gerade in der streitgegenständlichen „Szene“ auf den Einsatz von dort aktiven Quellen zur Ermittlung von Sachverhalten angewiesen ist, und die Aufrechterhaltung der Anonymität der Quelle hierbei von zentraler Bedeutung ist. Aus Gründen des Quellenschutzes hat der Zeuge des LfV nichts offenbart, was in irgendeiner Weise einen Rückschluss auf die Identität der Quelle und deren Arbeitsweise zulassen würde; die Quelle ist daher ein in jeder Hinsicht unbekannter Faktor, deren Glaubwürdigkeit vom Senat nicht selbst beurteilt werden kann. Der Zeuge hat aber im Einzelnen nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, wie durch entsprechende Lichtbildvorlagen sichergestellt ist, dass die Quelle den Kläger einwandfrei identifiziert hat, und welche Maßnahmen das LfV - auch im vorliegenden Fall - zur Überprüfung der Nachrichtenehrlichkeit von Quellen praktiziert. Er hat im Einzelnen weiter ausgeführt, dass es im konkreten Fall keine Hinweise darauf gebe, dass die Quelle jemals in irgendeiner Weise falsch berichtet hätte, was im Übrigen dazu führen würde, dass keine Erkenntnisse mehr mitgeteilt würden, die von dieser Quelle herrührten und bereits übermittelte Erkenntnisse zurückgezogen würden. Dies deckt sich mit den Fakten, die dem Senat aus anderen Fällen bekannt sind.
71 
Dies insgesamt berücksichtigend ist der Senat der Überzeugung, dass die Berichte der Quelle über die Veranstaltung vom 01.02.2009, aber auch was die über den Kläger insgesamt mitgeteilten sonstigen Erkenntnisse betrifft, zutreffend sind. Dies gilt vor allem deshalb, weil es im vorliegenden Fall besonders gewichtige Fakten gibt, die die „Quellenbekundungen“ stützen. Dass die Quelle den Kläger sicher identifizieren kann, belegt der Umstand, dass diese den Kläger als Teilnehmer der PKK-Gründungsfeierlichkeiten zum 30. Jahrestag benannt hat, einer Veranstaltung, die von ca. 2.000 Personen besucht worden ist, und der Kläger seine Anwesenheit dort zugestanden hat. Die Anwesenheit des Klägers bei der Feier zum Jahrestag der PKK-Gründung mit den dort gezeigten Bildern von Märtyrern verdeutlicht zugleich, dass dem Kläger die Beteiligung an Veranstaltungen, bei denen es (auch) um die „Erinnerung“ an Märtyrer geht, nicht fremd ist. Hinzukommt, dass der Mesopotamische Kulturverein aktenkundig seit 1997 immer wieder der Märtyrer gedenkt und besondere Feiern hierzu ausrichtet; die Veranstaltung vom 01.02.2009 passt in diese Konzeption. Dem Kläger muss schon aufgrund seiner Vorstandstätigkeit und aktiven Mitgliedschaft - nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist er in den Jahren 2000 bis 2005 im Verein ein- und ausgegangen - diese Tatsache ebenso wie der konkrete Charakter einer solchen Veranstaltung bekannt gewesen sein.
72 
Nach der Stellungnahme des LfV vom 15.06.2011 handelt es sich bei den Märtyrern vor allem um gefallene HPG-Kämpfer/Guerillas, Selbstmordattentäter oder Selbstmörder, wobei insbesondere die Selbstverbrennung als heldenhaft gelte, um auf das eigene Anliegen aufmerksam zu machen. Es gebe bei den von PKK-nahen Vereinen veranstalteten Märtyrergedenkfeiern grundsätzlich zwei unterschiedliche Arten: Zum einen diejenigen, die fest im Kalender der Organisation verankert seien und jährlich wiederkehrend um einen bestimmten Termin herum gefeiert würden, zum anderen diejenigen, die aus aktuellem Anlass oder nur in bestimmten regionalen Zusammenhängen begangen würden. Weitere Märtyrergedenkfeiern richteten sich zumeist nach den Jahrestagen von Todestagen herausragender Aktivisten oder besonderer Ereignisse, wenn z.B. mehrere Kämpfer bei einer illegalen Aktion umgekommen seien. Diese Gedenkfeiern würden meist nicht regelmäßig jedes Jahr begangen. Oft orientierten sich die PKK-nahen Vereine hier an entsprechenden Veröffentlichungen z.B. in der Yeni Özgur Politika oder daran, ob eine im Verein aktive Familie einen Märtyrer in früherer Zeit zu beklagen gehabt habe. Auch tatsächliche aktuelle Trauerfälle - weil beispielsweise ein Mitglied einer hier lebenden Familie als PKK-Guerilla gefallen sei - könnten der Anlass solcher Feiern sein. Bei der Märtyrergedenkfeier vom 01.02.2009 handele es um eine solche, die sich am Jahrestag des Todestags der herausragenden Aktivistin Leyla Welid Hüseyin bzw. Leyla Wali Hasan orientiere, einer HPG-Angehörigen mit dem Decknamen „Viyan Soran“, die sich am 01.02.2006 aus Protest gegen die „Isolationshaft“ von Öcalan selbst verbrannt habe. Für die Feier vom 04.02.2007 gelte ebenfalls, dass diese eben keine private Familienfeier sei, sondern dass das Gedenken in diesem Rahmen auch der Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls diene. Die Tatsache, dass bei Märtyrergedenkveranstaltungen häufig eine Rede mit entsprechender PKK-Propaganda gehalten werde, verdeutliche, dass die Angehörigen eines Märtyrers, aber auch andere Besucher darin bestärkt werden sollen, dass der Märtyrer das Richtige getan habe und man ihm nacheifern müsse.
73 
Der Senat teilt die Einschätzung des LfV, dass diese Veranstaltungen das Gedenken an sog. „Sehitler“ (dt: „Märtyrer“) instrumentalisieren. Die Botschaft, es sei ehrenvoll so wie die Märtyrer zu handeln, soll vermittelt werden - vor allem mit dem Ziel der Rekrutierung von Nachwuchskämpfern, aber auch um die Anhänger an die Organisation zu binden und Unterstützer für die eigene Sache zu gewinnen. Die Veranstaltungen dienen der Verherrlichung des Todes im Einsatz für die PKK und deren Ziele. Mit diesen Veranstaltungen wird ein emotionales (und auch materielles) Unterstützerfeld für die PKK geschaffen, das ständig aktualisiert und am Leben gehalten werden soll. Die Märtyrergedenkveranstaltungen sind ein wesentlichen Element zur Herstellung eines engen ideologischen und gefühlsmäßigen Zusammenhalts unter Einbeziehung auch der PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (siehe zum Märtyrerkult der PKK Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 55; auch BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris Rn. 46 ff.). Mit dem Besuch dieser Veranstaltungen am 04.02.2007 und 01.02.2009, deren Ausrichtung für den Kläger aufgrund seiner politischen Biographie zumindest ohne weiteres erkennbar gewesen ist, hat er die PKK unterstützt. Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass der Kläger allein aus geselligen Gründen zufällig in diese Veranstaltungen geraten sein könnte. Diese Bewertungen würden im Übrigen selbst dann gelten, wenn man es für denkbar halten würde, dass der Kläger im Jahre 2007 tatsächlich das „Erinnerungsfest für Märtyrer“ am 03.02. besucht hätte. Die - erkennbare - Ausrichtung dieser Veranstaltung (siehe hierzu den Bericht in der Yeni Özgur Politika vom 06.02.2007) entspricht dem vorstehend Dargelegten.
74 
dd.) Der Senat ist weiter davon überzeugt, dass der Kläger durch den Besuch von Veranstaltungen am 24.02.2008 und 07.06.2009, mit deren Ausgestaltung und Ablauf erkennbar für die Ziele der PKK geworben und ein entsprechendes Sympathieumfeld am Leben gehalten werden soll, die PKK unterstützt hat.
75 
Das LfV hat unter dem 12.11.2008 und ergänzt durch Schreiben vom 08.10.2010 mitgeteilt, am 24.02.2008 sei der Kläger in den damaligen Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins in S... Teilnehmer einer Mitgliederversammlung von KONGRA-GEL-Anhängern gewesen. Gleich zu Beginn der Veranstaltung sei zu einer Gedenkminute für die Märtyrer dieser Organisation aufgerufen wurden. Weiter habe ein Redner zu einer zahlreichen Beteiligung an den zukünftigen Demonstrationen „gegen den Einmarsch des türkischen Militärs in den Nordirak“ aufgefordert. Ein anderer Referent habe ausführlich die Ergebnisse des letzten Kongresses der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V (YEK-KOM) geschildert. Es habe sich um die Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins gehandelt, der hierzu seine Angehörigen jeweils direkt einlade. Es seien 80 Personen anwesend gewesen.
76 
Nach den Erkenntnissen des LfV habe sich der Kläger am 07.06.2009 in den damaligen Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins in S... an einer Veranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern beteiligt, bei der ein Redner die Guerilla als so stark wie nie beschrieben habe. In den vergangenen Monaten hätten Tausende von Jugendlichen ihre Bereitschaft erklärt, kämpfen zu wollen, aber man würde sie derzeit noch nicht benötigen. Die nutzlosen türkischen Luftangriffe zeigten, dass eine starke Militärmaschinerie nicht ausreiche, um die Guerilla zu besiegen. Auf die „Verhaftungswelle“ von KONGRA-GEL-Funktionären in Frankreich eingehend, habe er behauptet, die Europäer inklusive der Deutschen hätten mit der türkischen Regierung schon immer „schmutzige Geschäfte“ zu Lasten der Kurden vereinbart. Die Veranstaltung habe von ca. 14.30 Uhr bis 16.30 Uhr gedauert und sei von annähernd 100 Personen besucht worden. Zur Teilnahme sei in der YÖP vom 05.06.2009 eingeladen worden.
77 
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 16.11.2010 sowie auch vor Gericht bestritten, an diesen Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Der Senat hat jedoch aufgrund der Angaben des Zeugen vom Hörensagen des LfV und der vorliegenden gewichtigen Indiztatsachen keinen Zweifel daran, dass diese Veranstaltungen mit dem berichteten Inhalt stattgefunden haben und der Kläger bei diesen auch anwesend gewesen ist.
78 
Zwar hat der Zeuge über die bereits schriftlich übermittelten Erkenntnisse hinaus keine weiteren Details zu den Veranstaltungen vom 24.02.2008 und 07.06.2009 angegeben, insbesondere etwa zur Person des Redners hinsichtlich der Veranstaltung vom 24.02.2008 unter Hinweis auf den abgeschlossenen kleineren Kreis dieser Mitgliederversammlung und des unbedingt zu wahrenden Quellenschutzes nichts weiter preisgegeben. Unter Berücksichtigung der bereits oben dargelegten Erwägungen zur Verwertbarkeit und Würdigung der Aussagen des Zeugen vom Hörensagen sieht der Senat aber keine Hinderungsgründe, seine Überzeugungsbildung auf die „Quellenangaben“ zu stützen. Die Tatsache der Veranstaltung vom 07.06.2009 und deren Ausrichtung ergibt sich aus der veröffentlichten Anzeige in der Yeni Özgur Politika vom 05.06.2009. Danach „findet auf Einladung des Mesopotamischen Kulturvereins am Sonntag, dem 07.06.2009 eine Volksversammlung statt. Dazu sind alle progressiven Menschen eingeladen“. Die Durchführung von Volksversammlungen und Mitgliederversammlungen mit den konkret beschriebenen Abläufen entspricht einer „Tradition“ des Mesopotamischen Kulturvereins, über die auch etwa in den Yeni Özgur Politika und zuvor der Özgur Politika berichtet wurde. Dass in der Versammlung vom 24.02.2008 über die Ergebnisse des letzten Kongresses der YEK-KOM informiert wurde, begegnet vor dem Hintergrund der Mitgliedschaft des Vereins in der YEK-KOM und der tatsächlichen Verflechtung zwischen beiden (siehe dazu oben unter a.) keinen Zweifeln. Wie schon oben ausgeführt ist die Quelle auch in der Lage, den Kläger sicher zu identifizieren. Anhaltspunkte dafür, dass dies - entsprechend der Einlassung des Klägers - „alles nur böse Unterstellungen“ seien, sind nicht greifbar. Eine wesentliche Tatsache bei der Würdigung der Angaben des Zeugen vom Hörensagen ist zudem der Umstand, dass der Kläger seine Beteiligung an verschiedenen ähnlich gelagerten Veranstaltungen des Mesopotamischen Kulturvereins selbst eingeräumt hat oder durch polizeiliche Erkenntnisse feststeht, dass der Kläger Aktivitäten entfaltet hat, die zugunsten der PKK wirken, wie sein Verhalten anlässlich der Leitung der Versammlung am 31.05.2001 oder die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001.
79 
ee.) Ferner steht fest, dass der Kläger am 14.05.2006 an einer vom Mesopotamischen Kulturverein ausgerichteten Versammlung zur Wahl des Volksgebietsrats teilgenommen hat und dort zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist und am 26.04.2009 bei einer Versammlung anlässlich der Wahl des neuen Volksgebietsrats gewesen ist.
80 
Nach den Berichten des LfV habe am 14.05.2006 in der Gaststätte W. in S... von 14.00 Uhr bis 17.30 Uhr eine Versammlung mit 300 Personen stattgefunden, an der der Kläger teilgenommen habe. In der Yeni Özgür Politika seien am 03. und 11.05. 2006 Hinweise und Einladungen zu dieser Veranstaltung erschienen. Bei dieser Versammlung habe ein Redner über die politische Lage in den kurdischen Gebieten im Irak referiert und den USA vorgeworfen, die Türkei im Kampf gegen diese Organisation zu unterstützen. Bei diesem Redner habe es sich um den zwischenzeitlich wegen seiner Funktionärstätigkeit als Leiter des Sektors „Süd“ für die PKK durch das OLG Frankfurt verurteilten Muzaffer Ayata gehandelt. Dieser habe ausgeführt, dass die Volksräte unter anderem gegründet worden seien, um die „Kadros“ zu entlasten und das Volk in die Verantwortung zu nehmen. Die YÖP habe am 16.05.2006 berichtet, der Politiker und Schriftsteller Ayata habe in seiner Ansprache darauf verwiesen, dass die Kurden eine konföderative Struktur ohne staatlichen Charakter bräuchten und hierbei betont, dass die Volksräte das demokratischste völkische Modell für die Kurden seien. Nach dem Verlesen der Schriften von Öcalan über die „Demokratische Konföderation“ hätten Kommissionswahlen stattgefunden. Für die Kommissionen „Friede und Einigung“, „Auswärtige Angelegenheiten“, „Organisierung“, „Frauenkommission“, „Bildungskommission“, „Kultur und Kunst“ und „Glaubenskommission“ seien insgesamt 55 Personen gewählt worden. Zum Vorsitzenden des damaligen Volksgebietsrats sei in derselben Versammlung K. gewählt worden. Der Kläger habe an dieser Versammlung und der Wahl des Volksgebietsrats teilgenommen. Er sei zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden.
81 
Nach einem weiteren Bericht des LfV vom 17.04.2012 habe der Kläger, der zwischenzeitlich nicht mehr stellvertretender Vorsitzender des Volksgebietsrats sei, am 26.04.2009 an einer Versammlung in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins anlässlich der Wahl des neuen Volksgebietsrats teilgenommen. Der damalige PKK-Gebietsleiter S... habe erklärt, dass der vorige Volksgebietsrat zu wenig gearbeitet habe, deshalb müsse ein neuer gewählt werden. Er habe auch über die Bedeutung der Volksgebietsräte gesprochen: Bislang hätte das Volk immer die Partei für sich entscheiden lassen, nun könne es selbst entscheiden. Im Anschluss daran seien die vom Gebietsleiter vorgeschlagenen Kandidaten per Handzeichen gewählt worden.
82 
Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2010 und im gerichtlichen Verfahren bestritten, an der Wahl des Volksgebietsrats am 14.05.2006 und am 26.04.2009 teilgenommen genommen zu haben und 2006 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden zu sein. Er macht geltend, es seien Falschbeschuldigungen. Das Land Baden-Württemberg habe nur allgemeine Angaben zu dieser Veranstaltung gemacht, konkrete Angaben zu seinem Verhalten seien unterblieben, schon dies zeige, dass er nicht teilgenommen habe.
83 
Dass am 14.05.2006 und 26.04.2009 in S... Versammlungen mit dem Ziel der Wahl des Volksgebietsrats durchgeführt worden sind, ist vor allem mit Blick auf die entsprechenden Berichterstattungen in der Yeni Özgur Politika und der diese Veranstaltungen bestätigenden Aussagen des Zeugen K., der am 14.05.2006 zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist, erwiesen. Im Übrigen ist letztlich auch vom Kläger nicht mehr in Abrede gestellt worden, dass es diese Veranstaltungen und die Wahl zum Volksgebietsrat gegeben hat. Der Senat ist aufgrund der Angaben des Zeugen vom Hörensagen und der vorliegenden gewichtigen Umstände, die diese stützen, davon überzeugt, dass der Kläger an diesen Versammlungen teilgenommen hat und am 14.05.2006 zum Stellvertreter des Volksgebietsrats gewählt worden ist.
84 
Das LfV, dem die Veranstaltung vom 14.05.2006 mit der Wahl des Schwagers des Klägers, dem Zeugen K., zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats jedenfalls seit Mitte 2006 bekannt gewesen sein muss (vgl. hierzu den im Verfahren übermittelten Auszug aus dem türkischen Pressespiegel vom 16.05.2006), hat erstmals mit Bericht vom 24.01.2008 eine Teilnahme des Klägers an der Veranstaltung vom 14.05.2006 angeführt und eine Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats sogar erst unter dem 08.10.2010 angegeben. Mit Schreiben vom 17.04.2012 hat das LfV hierzu erklärt, es könne heute nicht mehr nachvollzogen werden, welche Erwägungen 2008 dazu geführt hätten, dass damals eine Wahl des Klägers zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats nicht mitgeteilt worden sei. Grundsätzlich sei es aber so, dass vor jeder Offenlegung eingestufter Erkenntnisse - und um solche handele es sich bei der Berichterstattung vom 14.05.2006 - genau geprüft werde, welche Veranstaltungsdetails ohne eine Gefährdung der Quelle offengelegt werden könnten. Dem Erstbericht von 2008 und dem Nachbericht von 2010 liege jedoch derselbe schriftliche mehrseitige Quellenbericht zugrunde (üblicherweise werde der zumeist kurz nach der Veranstaltung von der Quelle mündlich übermittelte Bericht vom Quellenführer schriftlich fixiert, dieser so genannte Quellenbericht finde dann Eingang in die Akten des LfV). Vor allem mit Blick auf diese letzten Erläuterungen steht es einer Glaubhaftigkeit der Angaben zu den dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten im Zusammenhang mit den Wahlen zum Volksgebietsrat nicht entgegen, dass diese deutlich zeitlich versetzt mitgeteilt worden sind. Der in der mündlichen Verhandlung vernommene Zeuge des LfV hat die bereits schriftlich mitgeteilten Erkenntnisse zu diesen Veranstaltungen bestätigt und ausdrücklich erklärt, dass der Kläger sowohl am 14.05.2006 als auch am 26.04.2009 bei diesen Versammlungen anwesend gewesen ist, 2006 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt und 2009 nicht wiedergewählt worden ist. Er hat ferner ausgeführt, dass bei der Wahl am 14.05.2006 alle Kandidaten vorgeschlagen wurden und dann im Paket über diese abgestimmt wurde. Diese Angaben werden durch die Aussage des Zeugen K. nicht infrage gestellt. Dieser Zeuge hat angegeben, er wisse nicht, ob der Kläger an der Veranstaltung vom 14.05.2006 teilgenommen habe. Auch auf weitere Nachfragen hat sich der Zeuge K. darauf berufen, hierzu könne er nichts sagen, das wisse er nicht. Andererseits hat er aber angegeben, dass der Kläger über die Veranstaltung Bescheid gewusst habe. Der Senat hat nach dem persönlichen Eindruck vom Zeugen K., der im Übrigen der Schwager des Klägers ist, die Überzeugung gewonnen, das dieser, was dessen Teilnahme an der Wahl zum Volksgebietsrat und die Übernahme einer Funktion als stellvertretender Vorsitzender anbelangt, offensichtlich eine eindeutige Aussage hat vermeiden wollen, um auf der einen Seite dem Kläger nicht zu schaden und auf der anderen Seite aber nicht selbst Gefahr zu laufen, wegen einer Falschaussage bestraft zu werden.
85 
Zwar hat der Kläger vorgebracht, Opfer einer Falschverdächtigung zu sein; konkrete Anhaltspunkte hierfür hat er jedoch nicht genannt. Auch mit Blick auf das ausdifferenzierte Kontrollsystems des LfV zur Überprüfung der Nachrichtenehrlichkeit sieht der Senat keinen Anlass, solches anzunehmen. Ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Quelle, die den Kläger sicher identifizieren kann, zutreffend berichtet hat, ist vor allem die Tatsache, dass die fraglichen Veranstaltungen und die Funktion des Stellvertreters des Volksgebietsrats sich in die Aktivitäten einreihen, die der politisch agierende Kläger selbst eingeräumt hat oder die aufgrund objektiver Gegebenheiten erwiesen sind. Dass der Mesopotamische Kulturverein als Ausrichter der Versammlungen aufgetreten ist (so auch die entsprechende Einlassung von K. ausweislich des Protokolls seines Sicherheitsgesprächs vom 12.04.2011), und dass sich der Kläger dort nach eigenem Vorbringen sowohl im Vorstand als auch als aktives Mitglied in der Vergangenheit engagiert hat, sind weitere Fakten, die die Angaben des Zeugen vom Hörensagen stützen.
86 
Sowohl durch die Teilnahme an den Versammlungen zur Wahl des Volksgebietsrats als auch durch die Übernahme der Funktion als Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats hat der Kläger die PKK für ihn erkennbar unterstützt.
87 
Was die Ausrichtung der Versammlung zur Wahl des Volksgebietsrats und den Volksgebietsrat selbst anbelangt, hat der Zeuge K. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, die Idee sei gewesen, dass aus allen sozialen Schichten Kurden daran teilnehmen, vergleichbar einer Art Gemeinderat, der sich der speziellen Probleme der Kurden unabhängig von ihrer Herkunft, etwa in Fragen der Integration, annehme. Der Senat ist allerdings der Überzeugung, dass dies den wahren Charakter von Volksversammlungen und Volksgebietsräten nicht zutreffend umschreibt. Wie das LfV unter dem 08.10.2010 im Einzelnen dargelegt hat, strebt die PKK mit dem Element des Volksrats (bzw. Gebietsvolksrat oder Volksgebietsrat) eine verstärkte Einbindung ihrer Anhänger in organisationsinterne Entscheidungsprozesse und somit eine erhöhte Legitimation ihrer Anliegen an. Eine Versammlung wählt den Volksrat, der sich um Belange der Kurden in einem bestimmten Gebiet kümmert. Dies und die Einrichtung zahlreicher Kommissionen, beispielsweise für Frauen, Jugend, Schulung oder Finanzen, werden seitens der PKK als Basisdemokratie dargestellt. Tatsächlich wird aber in der Praxis die vorhandene streng hierarchische Führungsstruktur nicht angetastet. Volksgebietsräte (türkisch: Halk Konseyi oder Bölge Halk Konseyi) gehören seit 2005 zum organisatorischen Rahmen der PKK und sollen deutschland- und europaweit verbreitet sein (vgl. hierzu auch die Berichterstattung in der Yeni Özgur Politika vom 16.05.2006). Dass die Volksgebietsräte erkennbar von der PKK „gesteuert“ sind, belegt schon die Tatsache, dass die Veranstaltung vom 14.05.2006 unter führender Beteiligung eines hochrangigen PKK-Funktionärs abgehalten worden ist, nämlich dem bis zu seiner Festnahme am 08.08.2006 verantwortlichen Leiter des PKK-CDK-Sektors Süd in Deutschland, der als Sektorenleiter in Deutschland von der Europaführung der PKK/CDK bestimmt und überwacht, und dessen Ausweisung vom Senat mit Urteil vom 21.07.2010 (11 S 541/10 - juris) rechtskräftig bestätigt worden ist. Auch die zentrale Rolle des Gebietsleiters der PKK bei der erneuten Veranstaltung vom 26.04.2009 unterstreicht dies. In diesen Zusammenhang ist ferner die Verlesung von Schriften Öcalans bei dem Treffen am 14.05.2006 einzuordnen, der als Symbol für die Ziele und den Kampf der PKK gilt.
88 
Der Senat geht jedoch davon aus, dass der Volksgebietsrat in S... zu keiner Zeit nennenswerte tatsächliche Aktivitäten entfaltet hat und der Kläger daher eine Funktion als Stellvertreter des Volksgebietsrats in der Praxis nicht ausgeübt hat. Dass der Volksgebietsrat „nicht mit praktischem Leben erfüllt worden ist“, beruht auf den Angaben des Zeugen K. Der Zeuge des LfV hat auf die Frage des Senats, ob die Volksgebietsräte in S... seit der ersten Wahl im Jahre 2006 jemals etwas gemacht hätten, angegeben, es sei ihm hierzu nichts bekannt geworden, und damit im Ergebnis die Angaben dieses Zeugen bestätigt.
89 
Allerdings liegt sowohl durch den Besuch dieser Versammlungen als auch durch die Übernahme der Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats ein tatbestandliches Unterstützen vor. Denn hierdurch werden die Ziele der PKK unter Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen gefördert. Volksversammlungen dienen vor allem der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Auch die (passive) Teilnahme an einer Volksversammlung drückt eine innere Nähe und Verbundenheit zur PKK aus, durch die ihre Stellung vor allem unter Landsleuten günstig beeinflusst wird, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsumfeld erweitert werden und dadurch insgesamt dazu beigetragen wird, das Gefährdungspotential der PKK zu erhöhen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 54 ff.). Erst recht gilt dies, wenn sich jemand bereit erklärt, in diesem Rahmen noch eine besondere Funktion zu übernehmen. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger all dies nicht bewusst bzw. erkennbar gewesen wäre, sind nicht ersichtlich.
90 
ff.) Der Kläger hat durch die - von ihm mit Schriftsatz vom 16.11.2010 eingeräumte - Teilnahme als Besucher einer Podiumsdiskussion am 25.02.2007 in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins unter Mitwirkung von Günay Aslan zum Thema „Aktuelle politische Entwicklungen im Mittleren Osten und die Position der Kurden“ den Tatbestand der Unterstützung nicht verwirklicht. Nach den Erkenntnissen des LfV habe der Redner im Hinblick auf den befürchteten Einmarsch des türkischen Militärs in den Irak erklärt, dass der KONGRA-GEL seinerseits Operationen gegen die Türkei vorbereite. Darüber hinaus habe er den europäischen Staaten vorgeworfen, mit der USA und Israel an einer gemeinsamen Aktion gegen Öcalan zu arbeiten.
91 
Der Kläger hat angegeben, der weithin bekannte kurdische Journalist Günay Aslan habe eine Rede zur aktuellen Entwicklung im Mittleren Osten gehalten. Da er sich für die Entwicklung in seinem Heimatland interessiere, sei er dort gewesen. Der Journalist habe von der Situation der Kurden im Nahen Osten berichtet und seine Einschätzung zur weiteren Entwicklung mitgeteilt. Er habe immer wieder betont, dass den Kurden kulturelle Rechte zustünden und sie diese einfordern dürften.
92 
Auch unter Berücksichtigung der mitgeteilten Erkenntnisse des LfV hat der Redner auf dieser Veranstaltung lediglich seine politische Überzeugung bekundet, was durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist und nicht als Anknüpfung für eine Unterstützungshandlung - und schon gar nicht bei seinen Zuhörern -in Betracht kommt. Anhaltspunkte dafür, dass der Referent auch die Anwendung terroristischer Mittel (anlässlich eines bewaffneten Kampfes) durch die PKK ausdrücklich öffentlich gebilligt oder in irgendeiner Weise befürwortet hätte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit der journalistischen Arbeit von Herrn Aslan, etwa in der Publikation der „Kandil-Eindrücke“, aus Sicht des LfV „zumindest eine kritische Distanz zu den Objekten seiner Berichterstattung fehle“ (vgl. hierzu das Schreiben vom 10.05.2012), berechtigt dies nicht zu nachteiligen Schlussfolgerungen.
93 
Dass das LfV weiter mitgeteilt hat, bei der Veranstaltung, für die in der Ausgabe der Yeni Özgur Politika vom 22.02.2007 geworben worden sei, liege eine KONGRA-GEL-Ausrichtung des Besucherkreises vor, ist vor diesem Hintergrund irrelevant.
94 
c.) Der Berücksichtigung der Vorstandstätigkeit und Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein und der Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen bzw. Durchführung entsprechender Aktivitäten steht nicht entgegen, dass diese teilweise schon länger zurückliegen.
95 
Hinsichtlich der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001 wurde von der Verfolgung wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 17.12.2002 nach § 153 StPO abgesehen. Auch das im Zusammenhang mit der Leitung der Kundgebung am 31.05.2001 stehende Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz wurde eingestellt. Das Verwertungsverbot für getilgte Strafen nach § 51 Abs. 1 BZRG kann schon deshalb nicht greifen, weil der Kläger wegen der angeführten Umstände bzw. Aktivitäten nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Im Übrigen ist weder bei Unterstützungshandlungen, die strafbar gewesen wären, aber nicht zu einer Verurteilung geführt haben, noch bei den nicht mit einer Strafe bewehrten Aktivitäten eine „fiktive Tilgung“ mit der Folge eines Verwertungsverbots nach § 51 Abs. 1 BZRG vorzunehmen (ausführlich dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 Bs 2/10 - InfAuslR 2011, 193, m.w.N.; zu den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 1491/05 - AuAS 2011, 89; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2011 - 5 N 30.08 - juris; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 63; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris - auch zum Fall einer möglichen Atypik im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
96 
Die länger zurückliegenden Tätigkeiten des Klägers sowie insbesondere seine Mitgliedschaft und seine Stellung als Vorstand im Mesopotamischen Kulturverein sind auch nicht „verbraucht“, so dass sie dem Kläger nicht mehr entgegen gehalten werden könnten. Die Niederlassungserlaubnis vom 04.04.2006 beruhte nicht auf einer vorherigen ausländerrechtlichen Prüfung, die den Schluss zuließe, die Ausländerbehörde habe in Kenntnis der Ausweisungsgründe einen Aufenthaltstitel erteilt und damit die ihr bis dahin bekannten Ausweisungsgründe verbraucht. Wie sich aus dem Vermerk auf dem Titel „Übertrag nach § 101“ ergibt, ist die Niederlassungserlaubnis allein eine gesetzliche Folge, die an den Besitz der dem Kläger am 07.05.2002 - und damit vor dem 01.01.2005 - erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis anknüpft (§ 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Soweit das Regierungspräsidium am 09.12.2005 unter Berücksichtigung der ihm bis dahin bekannten Aktivitäten zu dem Schluss kam, die Voraussetzungen für eine Ausweisung lägen nicht vor, ist dies behördenintern geblieben und kann schon deshalb keinen Anknüpfungspunkt für ein entsprechendes Vertrauen des Klägers bieten. Hinzukommt, dass der Kläger danach seine Unterstützungshandlungen unverändert fortgesetzt hat und auch insoweit keine Zäsur erkennbar wäre, die die Verwertung der früheren Aktivitäten in Frage stellen könnte.
97 
Zwar sind die letzten Unterstützungshandlungen des Klägers durch das LfV für das Jahre 2009 mitgeteilt worden. Dies steht aber der Annahme der gegenwärtigen Gefährlichkeit nicht entgegen. Es liegen keine äußerlich feststellbaren Umstände vor, aus denen geschlossen werden könnte, der Kläger habe seine innere Einstellung verändert und werde daher künftig Unterstützungshandlungen unterlassen. Der Umzug des Klägers von S... nach R... und seine Tätigkeit im Gastronomiebetrieb seiner Ehefrau geben keinen Anlass für eine solche Schlussfolgerung. Der Kläger hat jahrelang und kontinuierlich den internationalen Terrorismus in der oben festgestellten Weise unterstützt. Der Senat nimmt ihm seine Einlassung nicht ab, er habe nur den Friedenskurs der PKK begleitet und sei nie für den bewaffneten Kampf gewesen. Dagegen spricht schon, dass der Kläger auch nach dem 2004 wieder beendeten Friedenskurs einer aktiven Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein nachgegangen und weitere Unterstützungshandlungen vorgenommen hat. Hinzukommt, dass dem Kläger, der nach eigenen Angaben in den Jahren 2000 bis 2005 im „Verein“ ein- und ausgegangen ist, schon allein aufgrund der dort abgehaltenen Veranstaltungen nicht hat verborgen bleiben können, dass das proklamierte friedliche Auftreten der PKK in dieser Zeit nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft unter Anwendung von terroristischen Mitteln geändert hat. So hat es den Mitteilungen des LfV zufolge etwa auch in dieser Zeit Märtyrergedenkveranstaltungen im Mesopotamischen Kulturverein mit den diesen eigenen und oben dargestellten Zwecken gegeben. Auch haben sich Funktionäre der PKK im Verein dem Hintergrund der europaweit initiierten „Identitätskampagne“ angenommen. Was den grundsätzlichen Einwand des Klägers anbelangt, er habe in der Türkei die KAWA unterstützt, die eine ganz andere Ausrichtung gehabt habe wie die PKK, und schon dies belege, dass er diese nie habe unterstützen wollen, ideologisch und politisch sei er mit der PKK nicht einer Meinung, überzeugt dies den Senat ebenfalls nicht. Denn wie sich aus der in der mündlichen Verhandlung erörterten Auskunft des Auswärtigen Amts vom 05.01.1998 an das VG Aachen ergibt, trat die KAWA, die schon seit vielen Jahren nicht mehr aktiv ist, ebenfalls für ein „Kurdistan“ ein und bezeichnete den bewaffneten Kampf als einzige Möglichkeit, „Kurdistan“ zu befreien, und ihr militanter Ansatz verband sie vor allem mit der PKK.
98 
Das auch in der mündlichen Verhandlung festzustellende Bestreiten bzw. Verharmlosen seiner Aktivitäten spricht dafür, dass sich der Kläger allein mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und rechtfertigt vor dem Hintergrund des zurückliegenden Verhaltens die Prognose, dass der Kläger auch künftig eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung nachhaltig unterstützen wird.
99 
Soweit der Kläger der Auffassung ist, der Mesopotamische Kulturverein sei nicht verboten, er sei doch kein Terrorist, die PKK seien nur diejenigen, die „in den Bergen kämpfen“ und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach weder darauf an, dass die in Frage stehende Vereinigung verboten ist noch darauf, dass die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -juris Rn. 49 ff.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -juris Rn. 12).
II.
100 
Als Inhaber einer Niederlassungserlaubnis und anerkannter Flüchtling genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Sept. 2011, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
101 
Dieser nationalrechtliche Maßstab der schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung wird jedoch bei der Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings durch das Unionsrecht modifiziert. Eine Ausweisung eines Flüchtlings darf nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL oder denjenigen des Art. 24 Abs. 1 QRL erfolgen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Qualifikationsrichtlinie den Begriff der Ausweisung selbst nicht verwendet. Grundlage des Anspruch auf einen Aufenthaltstitel (Art. 24 QRL), den Zugang zur Beschäftigung (Art. 26 QRL) und den Zugang zu sozialen Rechten (Art. 27 bis 29 QRL, Art. 31 ff QRL) ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Nach nationalem Recht vernichtet die Ausweisung einen Aufenthaltstitel (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und sperrt eine Neuerteilung (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Ein Titel nach § 25 Abs. 5 AufenthG, der abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG erteilt werden könnte, ist nicht mit den Rechten verbunden, die z.B. Art. 26 und 28 QRL einem anerkannten Flüchtling gewähren; § 25 Abs. 5 AufenthG führt zu Leistungen nach dem AsylbLG (vgl. dessen § 1 Abs. 1 Nr. 3) und ermöglicht eine Beschäftigung nur unter eingeschränkten Voraussetzungen (vgl. § 4 Abs. 2 und 3 AufenthG). Der Wortlaut der Art. 26 ff. QRL knüpft für den Anspruch auf Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an. Da jedoch etwa die Umsetzung des Zugangs zur Beschäftigung im deutschen Recht durch die Erteilung eines bestimmten Titels erfolgt (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 2 iVm Abs. 1 Satz 4 AufenthG bzw. die hier dem Kläger erteilte Niederlassungserlaubnis), kann der einem anerkannten Flüchtling erteilte Titel auch nur unter den Voraussetzungen der Qualifikationsrichtlinie beseitigt werden.
102 
Art. 21 Abs. 3 QRL schließt die Anwendung des Art. 24 Abs. 1 QRL bei einer Ausweisung nicht generell aus (1.) Die konkreten Unterstützungshandlungen des Klägers stellen keine schwerwiegende Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik i.S.d. Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL dar (2.). Die festgestellte Unterstützung erfüllt jedoch die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 QRL, denn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.v. Art. 24 Abs. 1 QRL setzen bei einer Unterstützung des internationalen Terrorismus keine herausragenden Handlungen von außergewöhnlicher Gefährlichkeit voraus; vielmehr können auch nicht besonders hervorgehobene Beiträge eines Sympathisanten genügen, wenn sie sich durch ein hohes Maß an Kontinuität auszeichnen und damit nachhaltig das Umfeld der terroristischen Organisation prägen und beeinflussen (3.)
103 
1. Nach Art. 21 Abs. 3 QRL können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet. Gemäß Art. 21 Abs. 2 QRL kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtung untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Art. 24 Abs. 1 QRL sieht vor, dass so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel ausstellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
104 
Die Prüfung dieser Bestimmungen ist im vorliegenden Fall nicht deshalb entbehrlich, weil die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits mit Bescheid vom 20.02.1997 und damit vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Qualifikationsrichtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 QRL) und sogar noch vor deren Inkrafttreten am 30.09.2004 bzw. ihres Erlasses am 29.04.2004 erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (siehe grds. zur Geltung der Qualifikationsrichtlinie bei Altanerkennungen auch BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Auch der Umstand, dass der Ausweisungsentscheidung Handlungen des Klägers zur Unterstützung der PKK zugrunde liegen, die zeitlich vor den relevanten Daten zur Richtlinie liegen, stellt deren Heranziehung nicht in Frage. Die Ausweisungsverfügung vom 19.07.2010, die diese Aktivitäten des Klägers aufgreift, ist nach Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 ergangen. Insoweit liegt ein nicht abgeschlossener Sachverhalt vor, auf den geltendes materielles Unionsrecht anzuwenden ist.
105 
Die Tatsache, dass der Kläger über eine Niederlassungserlaubnis und damit über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfügt, der in dieser rechtlichen Qualität von Art. 24 Abs. 1 QRL nicht vorgeschrieben ist, steht der Anwendbarkeit der Qualifikationsrichtlinie als Prüfungsmaßstab der Ausweisung ebenfalls nicht entgegen. Die Ausweisungsentscheidung erschöpft sich nicht darin, nur die Niederlassungserlaubnis beseitigen zu wollen; die Ausweisung des Klägers dient nach den Erwägungen des Regierungspräsidiums vielmehr dem Zweck, die Legalität des Aufenthalts insgesamt zu beenden, den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Zukunft zu vernichten und damit eine spürbare und deutliche Beeinträchtigung der Aufenthaltsposition mit Beschränkungen des Zugangs zu sozialen Rechten, zum Arbeitsmarkt und zu Integrationsmaßnahmen herbeizuführen. Eine Ausweisung, die einen Anspruch eines anerkannten Flüchtlings auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und die damit zusammenhängenden Rechte ausschließen soll, muss aber den Anforderungen des Art. 24 Abs. 1 QRL oder des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL entsprechen (zur - lediglich indirekt angedeuteten - Frage der Beachtung der Qualifikationsrichtlinie bei der Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 14.10 - juris Rn. 20; siehe näher die Ausgangsentscheidung VG Münster, Urteil vom 26.05.2009 - 8 K 734/08 - juris Rn. 82 ff.).
106 
Nach Art. 24 Abs. 1 QRL ist der Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Flüchtlingen davon abhängig, dass keine zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen. Ist letzteres der Fall, ist der Aufenthaltstitel zu versagen, ohne dass ein Ermessen der Behörde besteht. Entsprechendes gilt nach Art. 24 Abs. 2 QRL, wenn dem Ausländer der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt ist (vgl. insoweit zur richtlinienkonformen Auslegung des 25 Abs. 3 AufenthG BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 13). Zwischen beiden Absätzen besteht nach der Richtlinie 2004/83/EG allerdings insoweit ein Unterschied, als nur in Absatz 1 hinsichtlich des Aufenthaltstitels bei einer Person, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, die Formulierung „und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ enthalten ist. Art. 21 Abs. 3 QRL eröffnet wiederum hinsichtlich des Aufenthaltstitels eines Flüchtlings dem Mitgliedstaat die Möglichkeit, die Erteilung eines Aufenthaltstitels unter der Voraussetzung des Absatz 2 abzulehnen. Diese Entscheidung steht im Ermessen des Mitgliedstaates, ebenso die dort weiter genannten Möglichkeiten des Widerrufs oder der Beendigung des Aufenthaltstitels, die in Art. 24 Abs. 1 QRL nicht ausdrücklich aufgeführt sind. Eine Ausweisung führt nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG zum Erlöschen des Aufenthaltstitels und stellt eine Beendigung des Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 QRL dar. Aus der speziellen Nennung der „Beendigung des Aufenthaltstitels“ in dieser Regelung und dem „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ in Art. 24 Abs. 1 QRL kann aber nicht geschlossen werden, dass Art. 24 Abs. 1 QRL ausschließlich für die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels gilt und eine nachträgliche Vernichtung des Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage nicht möglich wäre. Es kann vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Zweck der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn im letzterem Fall die Reaktionsmöglichkeit der Vernichtung des Titels nicht bestünde. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die inkriminierenden Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden. Für eine solche Auslegung besteht auch ein praktisches Bedürfnis. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 lit. a) und c) die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die EU-Mitgliedstaaten setzten diese Verpflichtung zu Sanktionsmaßnahmen auf der Basis des Gemeinsamen Standpunktes GASP/2001/931 bzw. Verordnung 2580/2001, zuletzt geändert durch Beschluss 2012/150/GASP vom 13.03.2012 und EU-Verordnung 213/2012 vom 13.03.2012 in EU-Recht um (vgl. Senatsurteil vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -juris Rn 52; vgl. näher auch BT-Drs. 17/9076 vom 22.03.2012 - Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zum politischen Betätigungsverbot). Gedanklich aufgegriffen ist diese Resolution aber auch mit dem Versagungsgrund in Art. 24 Abs.1 QRL, was ebenfalls dafür spricht, dass die rechtstechnische Umsetzung der Verweigerung der Legalität des Aufenthalts nicht entscheidend sein kann. Dass - gerade mit Blick auf die Bekämpfung der Unterstützung des internationalen Terrorismus - durch die Aufnahme des Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 und 2 QRL die Handlungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten erweitert werden sollten und Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL nicht als ausreichend betrachtet worden ist, verdeutlicht vor allem die Entstehungsgeschichte der Qualifikationsrichtlinie:
107 
Der - noch vor den Terroranschlägen des 11. September 2001 erarbeitete - Kommissionsentwurf vom 12.09.2001 (KOM<2001> 510 endg; Ratsdok. 13620/01; siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001 - Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen) enthielt in einem Art. 19 unter der Überschrift „Schutz vor Zurückweisung und Ausweisung“ folgende Regelung: „Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung und weisen Personen, die internationalen Schutzstatus genießen, nur in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen aus.“ Begründet wurde diese Bestimmung ausdrücklich mit folgender Überlegung: „In Übereinstimmung mit Artikel 32 und 33 der Genfer Flüchtlingskonvention bestätigt dieser Artikel, dass die Mitgliedstaaten Flüchtlinge nicht ausweisen dürfen und den Grundsatz der Nichtzurückweisung (Refoulement-Verbot) beachten müssen. Im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention wird diese Verpflichtung auch gegenüber Opfern von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung bekräftigt. Ebenso dürfen die Mitgliedstaaten Personen, denen andere Formen des subsidiären Schutzes zuerkannt wurden, nicht ausweisen und müssen auch hier nach Maßgabe der in Artikel 32 und 33 der Genfer Konvention genannten Einschränkungen nach dem Gebot der Nichtzurückweisung verfahren.“
108 
Was die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen Flüchtling anbelangt, sah die Entwurfsfassung in einem Artikel 21 Abs. 1 lediglich vor, dass sobald der Schutzstatus zuerkannt ist, die Mitgliedstaaten Flüchtlingen und begleiteten Familienangehörigen einen Aufenthaltstitel ausstellen, der mindestens 5 Jahre gültig und automatisch verlängerbar ist. Die Begründung führte hierzu aus, der vorgeschlagene Fünfjahreszeitraum stelle einen Kompromiss zwischen der Praxis in den verschiedenen Mitgliedstaaten dar, der Aufenthaltstitel unterliege den in den Beendigungs- und Ausschlussklauseln dieser Richtlinie vorgegebenen Kriterien.
109 
Während des Verfahrens, das zum Erlass der Richtlinie am 29.04.2004 führte, wurden die ursprünglichen Regelungen des Art. 19 und des Art. 21 durch den Rat entscheidend verändert. So erhielt der Vorschlag zu Art. 19 am 12.11.2002 (Rat der EU - 14083/02 -) folgende Fassung:
110 
„(1) Die Mitgliedstaaten erachten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
111 
(2) Unbeschadet des Absatzes 1 kann ein Mitgliedstaat einen Flüchtling, einen Asylbewerber oder eine Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz zurückweisen, wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass die Person
112 
a) eine Gefahr für das Land darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
113 
b) eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Landes darstellt, weil sie wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
114 
(3) Die Mitgliedstaaten können die einem Flüchtling oder einer Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.“
115 
Parallel dazu wurde der Artikel zur Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft überarbeitet und in dem oben genannten Dokument in einem Art. 14B Abs. 4 folgende Regelung vorgeschlagen:
116 
„Die Mitgliedsstaaten können einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen die von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Flüchtlingseigenschaft aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
117 
a) er ein schweres nichtpolitisches Verbrechen begangen hat oder
118 
b) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für das Land darstellt, in dem er sich aufhält.“
119 
Aus der in diesem Dokument bei Art. 14B Abs. 4 enthaltenen Fußnote und dem Dokument des Rates der EU vom 08.11.2002 - 13648/02 - ist ferner ersichtlich, dass ein Teil der Mitgliedstaaten es für vorzugswürdig erachtete, den in lit. b) geregelten Fall im Rahmen des Art. 19 des Entwurfs (Schutz vor Zurückweisung) zu lösen. Verschiedene Arbeitsfassungen entwickelten im Weiteren präzisere Vorschläge für die Inhalte von lit. a) und b), die letztlich zu der - beabsichtigten - Parallelität der Eingriffsvoraussetzungen in den nunmehrigen Regelungen in Art. 14 Abs. 4 QRL zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft im Ermessenswege und der Verhinderung des Aufenthalts bzw. Verweigerung des Aufenthaltsrechts nach Art. 21 Abs. 2 QRL führten.
120 
In einem Art. 21 der Entwurfsfassung (später Art. 24 QRL) findet sich im Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 - der Zusatz, „es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dem entgegenstehen“ zunächst nur im Absatz 2, der den Titel bei subsidiärem Schutzstatus regelt. Im Dokument des Rats der EU vom 19.06.2003 - 10576/03 - ist dieser Zusatz dann auch im Absatz 1 (jetzt in einem Art. 22 des Entwurfs) enthalten, der den Aufenthaltstitel des anerkannten Flüchtlings betrifft. In diesem Dokument ist bei der Formulierung in Absatz 2, „es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen“ als Fußnote angeführt: „Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: 'Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt'. Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds in die Präambel war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Rat der EU vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -, das Dokument enthält aber keine nähere Begründung). Wie die englischen Fassungen des Erwägungsgrunds 28 und des Art. 24 QRL verdeutlichen („national security and public order“), ist mit dem Begriff der öffentlichen Sicherheit die „nationale Sicherheit“ gemeint, was im Übrigen in der deutschen Fassung der Neufassung der Qualifikationsrichtlinie durch die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 (ABl L 337, S. 9) nunmehr klargestellt ist (vgl. insoweit den Wortlaut des Art. 24 „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ und den Erwägungsgrund 37).
121 
In den Ratsdokumenten vom 19.06.2003 - 10576/03 -, vom 17.03.2004 - 7469/04 -, vom 24.03.2004 - 7728/04 - und vom 31.03.2004 - 7944/04 - ist im Art. 22, d.h. dem späteren Art. 24, in Absatz 1 der Zusatz „unbeschadet des Art. 19 Abs. 3“ (d.h. in der Endfassung „unbeschadet des Art. 21 Abs. 3“) enthalten, ohne dass die Gründe hierfür ausdrücklich genannt wären.
122 
Die gegenüber dem Entwurf geänderten Regelungen in Art. 24 Abs. 1 und Art. 21 ebenso wie die Aufnahme des Erwägungsgrunds 28 sind jedoch eindeutig im Zusammenhang mit dem 11. September und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen. Die Überlegung, die Folgen dieser Anschläge für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Qualifikationsrichtlinie zu berücksichtigen, ist Gegenstand verschiedener Stellungnahmen gewesen (vgl. etwa die ausdrückliche Forderung in der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002) und lässt sich auch anhand weiterer Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Qualifikationsrichtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf ersehen, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 QRL und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
123 
Was das Verhältnis zwischen Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL und Art. 24 Abs. 1 QRL sowie die Bestimmung der Tatbestandsvoraussetzungen anbelangt, ist zunächst zu beachten, dass Art. 14 Abs. 4 QRL und Art. 21 Abs. 2 QRL die gleichen Eingriffsvoraussetzungen normieren und Art. 21 Abs. 2 QRL inhaltlich Art. 33 Abs. 2 GFK entspricht. Letzteres lässt sich auch aus einem Vergleich des jeweiligen englischen Wortlauts dieser Bestimmungen ersehen:
124 
Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”
125 
Auch aus den Erwägungsgründen 3, 16 und 17 der Qualifikationsrichtlinie geht hervor, dass die Genfer Konvention einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Flüchtlingen darstellt und dass die Bestimmungen der Richtlinie über die Voraussetzungen der Anerkennung als Flüchtling und über den Inhalt des Flüchtlingen zu gewährenden Schutzes erlassen wurden, um die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Genfer Konvention auf der Grundlage gemeinsamer Konzepte und Kriterien zu leiten. Die Bestimmungen der Richtlinie sind daher im Licht der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention und einschlägigen anderen Verträgen, auf die Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 EG (jetzt Art. 78 Abs. 1 AEUV) Bezug nimmt, auszulegen. Diese Auslegung muss zudem, wie dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie zu entnehmen ist, die Achtung der Grundrechte und die Befolgung der insbesondere in der Charta der Grundrechte anerkannten Grundsätze gewährleisten (siehe EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 - und C-101/09 - „B.“ und „D.“ - Rn. 77 f.).
126 
2. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Erörterung, welche Konsequenzen sich aus dem Grundrecht auf Asyl nach Art. 18 GRCh und den Anforderungen des Art. 52 GRCh (Tragweite und Auslegung der Rechte und Grundsätze) auf die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL vorgesehene Durchbrechung des Refoulementschutzes ergeben. Der Ausländer muss jedenfalls aus schwerwiegenden Gründen als Gefahr für die Sicherheit des Aufnahmelandes anzusehen sein (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 25 - zu Art. 21 Abs. 2 QRL und Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - bisher nur Pressemitteilung). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, denn von dem Kläger selbst geht mit Blick auf seine oben I. dargestellten Aktivitäten und die hieran anknüpfende Prognose keine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik aus.
127 
Zwar setzt Art. 33 Abs. 2 GK und damit auch Art. 21 Abs. 2 lit. a) QRL einen Sicherheitsbegriff voraus, der von den Staaten nach ihrem eigenen Recht festgelegt wird; denn der dem Begriff der nationalen Sicherheit immanente Charakter bedeutet, dass dieses Konzept im Völkerrecht nicht abschließend definiert werden kann (siehe näher Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie 2009, § 46 Rn 59 f., Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich um eine sehr große Gefahr handeln (Zimmermann, a.a.O. Rn. 89). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates oder des Staatenbündnisses, dessen Mitglied er ist, darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87).
128 
Der Kläger hat keine Handlungen vorgenommen, die geeignet wären, einen Schaden für die Existenz, die Bestands- und Funktionsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen. Er hat weder selbst Gewalt angewendet noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Der Kläger hat zwar durch die regelmäßige - passive - Teilnahme an den oben dargestellten Veranstaltungen, die erkennbar dazu dienen, die PKK einschließlich ihrer terroristischen Aktionen zu fördern, diese unterstützt; die PKK wendet Gewalt und Gewaltdrohungen in dem hier zu betrachtenden Zeitraum vor allem in der Türkei an, was auch erhebliche Interessen der Bundesrepublik berührt. Eine Gefährdung der inneren Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ist damit aber nicht verbunden.
129 
3. Die in Art. 24 Abs. 1 QRL verwendete Formulierung „unbeschadet des Art. 21 Abs. 3“ ist dahingehend zu verstehen, dass Art. 24 Abs. 1 QRL eine gegenüber Art. 21 Abs. 3 QRL selbstständige Möglichkeit eröffnet, einen Titel zu verweigern oder zu beseitigen. Die Fassung des Art. 24 Abs. 1 QRL mit dem dort vorgesehenen Ausschluss des Anspruchs aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ist die Reaktion des Rates auf den Umstand, dass die Unterstützung des internationalen Terrorismus nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht zwingend eine Ausnahme vom Refoulementverbot zulässt (vgl. Zimmermann, a.a.O., Rn. 82 ff. und 90 ff. mwN.), unter dem Eindruck des 11. September, der neuen Dimensionen des Terrorismus und den UN-Resolutionen vom 12. und 28.09.2001 (Nr. 1368 und 1373) die Möglichkeiten, diesen zu bekämpfen, aber erweitert werden sollten.
130 
Ob und gegebenenfalls wie die öffentliche (d.h. nationale) Sicherheit von der öffentlichen Ordnung im Einzelnen abzugrenzen sind, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, denn wie sich aus dem Erwägungsgrund 28 der Qualifikationsrichtlinie ersehen lässt, ist dieser Begriff in den Fällen erfüllt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt. Der 28. Erwägungsgrund ist integraler Bestandteil der Qualifikationsrichtlinie. Eine Begründungserwägung ist zwar nicht unmittelbar Inhalt und Gegenstand der einzelnen Regelung, da sie sonst genau an dieser Stelle getroffen worden wäre. Sie ist insbesondere kein Mittel, um eindeutige Bestimmungen, die aufgrund der Umsetzungsverpflichtung des Mitgliedstaats letztlich eine normative Wirkung haben, zu entwerten oder gar in ihr Gegenteil zu verkehren. Ihr kommt aber die Funktion einer - amtlichen - Auslegungshilfe zu (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 21.05.2007 - 4 K 2563/07 - juris Rn. 18; Funke-Kaiser, InfAuslR 2008, 90, 92 f.). Auch das Bundesministerium des Innern hat in seiner im Berufungsverfahren vorlegten Stellungnahme vom 14.05.2012 bestätigt, dass der Erwägungsgrund 28 - auf Vorschlag des Vereinigten Königreichs - gerade für die Auslegung von den Ausschlussgründen des Art. 24 QRL aufgenommen wurde. Aus der durch das Verfahren im Rat dokumentierten spezifischen Zuordnung des 28. Erwägungsgrunds zu dem Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.d. Art. 24 QRL folgt, dass eine Unterstützung einer Vereinigung des internationalen Terrorismus einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt.
131 
Was die „zwingenden Gründe“ anbelangt, so deutet der Wortlaut darauf hin, dass dieser Begriff enger zu verstehen ist als der der „schwerwiegenden Gründe“. Der Vergleich mit der englischen Fassung belegt dies („reasonable grounds“ in Art. 21 Abs. 2 QRL und „compelling reasons“ bei Art. 24 Abs. 1 QRL). Aus anderen Sprachfassungen ergibt sich kein hiervon abweichendes Bild. Die Tatsache, dass die Unionsbürgerrichtlinie und die Qualifikationsrichtlinie am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen. Auch das Schutzniveau, das durch die Qualifikationsrichtlinie für Flüchtlinge vorgesehen werden sollte, könnte dafür sprechen, dass mit dem Begriff der zwingenden Gründe keine substantiell geringeren Anforderungen verbunden sind als mit dem gleichlautenden Ausweisungsgrund nach Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG (vgl. zu dieser Überlegung auch VG Münster, Urteil vom 26.05.2009 - 8 K 734/08 - juris Rn. 94).
132 
Andererseits darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Art. 28 Abs. 3 lit a) der Richtlinie 2004/38/EG eine spezielle Regelung für langjährig sich im Mitgliedstaat aufhaltende freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger darstellt. Der Unionsgesetzgeber wollte, indem er jede Ausweisungsmaßnahme in den in Art. 28 Abs. 3 dieser Richtlinie genannten Fällen vom Vorliegen „zwingender Gründe“ der öffentlichen Sicherheit abhängig gemacht hat, einem Begriff, der erheblich enger ist als der der „schwerwiegenden Gründe“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels, die auf diesen Abs. 3 gestützten Maßnahmen ganz offensichtlich entsprechend der Ankündigung im 24. Erwägungsgrund der Richtlinie auf „außergewöhnliche Umstände“ begrenzen (EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 19 und Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -Tsakourids - Rn. 40 ff.). Eine Ausweisung eines Unionsbürgers wird nur aus zwingenden Gründen (und damit einem besonders hohen Schweregrad der Beeinträchtigung) der öffentlichen Sicherheit erlaubt, wobei letztere sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaates umfasst und als Ausnahme von einem grundlegenden Prinzip der Freizügigkeit eng zu verstehen ist (EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 - Tsakourids - Rn. 43). Im Unterschied dazu wird in Art. 24 Abs. 1 QRL auch die öffentliche Ordnung genannt und durch die Zuordnung des 28. Erwägungsgrunds zu Art. 24 QRL unionsrechtlich klargestellt, dass eine Unterstützung des internationalen Terrorismus „zwingende Gründe“ erfüllen kann. Bei einer anderen Deutung würde die Zuordnung keinen Sinn geben. Dies bedeutet andererseits auch nicht, dass jegliche Unterstützungshandlung zu Gunsten des internationalen Terrorismus schon „zwingende Gründe“ erfüllt; umgekehrt bedarf es aber auch keiner herausragenden Handlungen von außergewöhnlicher Gefährlichkeit. Dies verdeutlichen die verschiedenen „Ebenen“ der Terrorismusbekämpfung, die der Richtlinie immanent sind. Art. 12 Abs. 2 QRL führt in den dort erfassten Konstellationen zum zwingenden Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling, selbst wenn von diesem keine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgeht (siehe näher BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 25 ff.). Art. 14 Abs. 4 QRL ermächtigt in den hier geregelten Fällen zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (vgl. auch Art. 14 Abs. 5 QRL mit dem fakultativen Ausschluss unter den gleichen Voraussetzungen), wobei aufenthaltsrechtlich der gleiche Maßstab in Art. 21 Abs. 2 QRL gilt. Demgegenüber lässt Art. 24 QRL, der im Übrigen nicht nur für den Flüchtling, sondern auch für den Ausländer mit subsidiärem Schutzstatus gilt, den Status und den weiteren tatsächlichen Aufenthalt im Mitgliedstaat unangetastet und beseitigt allein die Legalität des Aufenthalts. Dies verdeutlicht, dass eine Unterstützung des internationalen Terrorismus, die nach dem individuellen Beitrag des Ausländers im Vergleich zu den von den anderen Regelungen erfassten Sachverhalten eher nicht besonders hervorgehoben und sogar unabhängig von einer strafrechtlichen Relevanz ist, ein Vorgehen nach Art. 24 QRL zulässt, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - durch ein hohes Maß an Kontinuität charakterisiert ist und nachhaltig das Umfeld der terroristischen Organisation prägt und beeinflusst. Es ist Sache der Mitgliedstaaten festzulegen, unter welchen Voraussetzungen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung anzunehmen sind (vgl. zu dieser Überlegung auch EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 23 - zu Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/28/EG). Aufgrund der Vielfältigkeit und Komplexität der Erscheinungsformen des internationalen Terrorismus (vgl. hierzu etwa Waldmann, Terrorismus - Provokation der Macht, 2. Aufl. 2005, S. 29 ff) und demzufolge der Vielfalt der in den einzelnen Mitgliedstaaten vorkommenden denkbaren Unterstützungshandlungen und deren Folgen enthält sich die Qualifikationsrichtlinie weiterer Vorgaben. Allerdings entbindet dies nicht von der unionsrechtlichen Verpflichtung (vgl. Art. 52 Abs. 1 GRCh), den Einzelfall und insbesondere das persönliche Verhalten des Betroffenen und die von ihm ausgehende tatsächliche und gegenwärtige Gefährdung umfassend zu prüfen und hierbei alle individuellen Umstände zu berücksichtigen (siehe zu diesem Grundsatz insoweit EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 34).
III.
133 
Der Ausweisung des Klägers liegen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.d. Art. 24 Abs. 1 QRL zugrunde. Sie erweist sich auch als verhältnismäßig.
134 
1. Der Kläger hat seit dem Jahr 2000 durch die oben unter I. dargelegten Handlungen die PKK unterstützt, wobei er sich zur Überzeugung des Senats seit Mitte 2009 allein aus verfahrenstaktischen Gründen zurückhält. Dabei handelt es sich zwar, was den jeweiligen einzelnen Veranstaltungsbesuch anbelangt, um eine passive Unterstützung, die als solche keinen hochrangigen Gefährdungsgrad hat. Bei einer wertenden Gesamtschau aller festgestellten Unterstützungshandlungen, d.h. auch mit Blick auf seine zweijährige Vorstandstätigkeit und langjährige aktive Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein, hat er jedoch in einer quantitativ und qualitativ erheblichen Weise eine Verbundenheit mit der PKK ausgedrückt, die ihn eindeutig seit Jahren als deren Sympathisanten ausweist. Insbesondere die Teilnahme an den Märtyrergedenkveranstaltungen und den Wahlen zum Volksgebietsrat, mit der Bereitschaft, eine Funktion im Rahmen des Volksgebietsrats zu übernehmen, zeigen eine besondere Nähe und innere Verbundenheit mit der PKK. Durch die Beteiligung wird eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, wird günstig beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsfeld werden erweitert und dadurch wird insgesamt dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen.
135 
Eine wirksame Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist wie bereits oben dargelegt eines der vorrangigen Ziele der Europäischen Union. Dies kommt nicht nur in Art. 83 Abs. 1 AEUV zum Ausdruck, sondern ist in zahlreichen Rechtsakten der Union, die sich mit der Terrorismusbekämpfung befassen, immer wieder betont worden (vgl. etwa Rahmenbeschluss vom 13.06.2002 zur Terrorismusbekämpfung, ABl. L 164, S. 3; Verordnung (EG) Nr. 2580/2002 des Rates vom 27.12.2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, ABl. L 344, S. 70). Dass gerade auch Sympathisanten als Teil der Bedrohung durch den Terrorismus angesehen werden, ergibt sich aus dem Rahmenbeschluss 2008/919/JI des Rates vom 28.11.2008 zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI zur Terrorismusbekämpfung (ABl L 330, S. 21) und insbesondere dessen 3. Erwägungsgrund. Aufgrund der ihr eigenen Ausprägung und Organisationsstrukturen erfährt die PKK ihren Rückhalt und Unterstützung vor allem durch eine aktive „Sympathisantenszene“ außerhalb der Türkei, bei der die örtlichen PKK-nahen Vereine eine zentrale Rolle spielen, etwa bei der Kommunikation unter den Anhängern, bei der Mobilisierung für Aktionen sowie bei der Vorbereitung und Durchführung von öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten (vgl. hierzu etwa Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2010, S. 106 ff.). Wie oben unter I. dargelegt, ist der Mesopotamische Kulturverein e.V. S... ein Ort, der der Verbreitung der „terroristischen Botschaft“ dient. Sympathisanten aus diesem Kreis sichern der PKK eine ihnen prinzipiell wohlgesonnene Basis, aus der der Rückhalt für die terroristischen Handlungen gewonnen werden kann, und ermöglichen ein günstiges Umfeld für die Rekrutierung von Nachwuchs für die Guerilla oder den Kader der PKK und den Erhalt von dringend benötigten finanziellen Mitteln (etwa durch die Entrichtung regelmäßiger Beiträge der Anhänger der Organisation oder Spenden). Das in den oben beschriebenen Handlungen des Klägers, insbesondere etwa in den Besuchen der Märtyrerveranstaltungen, zum Ausdruck kommende befürwortende Verständnis für den Terror, trägt zum Rückhalt für die PKK bei. Dieses vom Kläger gezeigte jahrelange kontinuierliche Auftreten als Sympathisant der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung; die Vernichtung der Legalität des Aufenthalts ist insoweit Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Im Übrigen ist es auch ein Grundinteresse der Mitgliedstaaten der Union, dass ihre Offenheit nicht missbraucht wird, um eine „Sympathisantenszene“ für den internationalen Terrorismus am Leben zu halten und zu fördern.
136 
2. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung verhältnismäßig.
137 
Der Kläger lebt als anerkannter Flüchtling seit dem Jahre 1997 mit einem Aufenthaltstitel, seit 2002 mit einem unbefristeten, im Bundesgebiet. Der Ehefrau, die seit 1998 in Deutschland ist, wurde ebenfalls der Flüchtlingsstatus zuerkannt und eine Niederlassungserlaubnis erteilt. Sie führt einen Gastronomiebetrieb. Auch die beiden minderjährigen Kinder (geboren 1996 in der Türkei und 2001 im Bundesgebiet) haben einen legalen Aufenthalt. Sie verfügen über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Ungeachtet seines langen Aufenthalts in Deutschland spricht der Kläger aber nur sehr schlecht Deutsch. Hiervon konnte sich der Senat in der mündlichen Verhandlung überzeugen. Demzufolge ist auch seine Erwerbsbiographie durch türkische Arbeitgeber gekennzeichnet, so arbeitete er in der Zeit vom 02.11.2001 bis 31.07.2007 bei der Firma B. Dönerproduktions- und Fleischhandels GmbH, die im Übrigen dem LfV im Zusammenhang mit der PKK bekannt geworden sei (siehe die Bewertung des LfV vom 13.04.2012 zum Sicherheitsgesprächs des Zeugen K. vom 12.04.2011). Heute ist er bei seiner Frau angestellt. Eine dazwischenliegende selbstständige Erwerbstätigkeit blieb ohne wirtschaftlichen Erfolg. Der Kläger verkehrt vor allem in kurdisch-stämmigen Kreisen. Die Ausweisung vernichtet die Legalität seines Aufenthalts und ist daher mit weitreichenden Folgen für das soziale Leben verbunden. Sie lässt allerdings, was für die Verhältnismäßigkeit von zentraler Bedeutung ist, die Lebensgemeinschaft mit seinen Familienangehörigen im Bundesgebiet unberührt, da keine Abschiebungsandrohung ergehen und infolge dessen auch keine Abschiebung erfolgen wird.
138 
Ein milderes Mittel, um der Gefahr zu begegnen, dass der Kläger sein die PKK unterstützendes Verhalten unverändert fortsetzt, ist nicht gegeben. Insbesondere könnte mit einem Verbot oder der Beschränkung der politischen Betätigung ein wesentliches unionspolitisches Ziel nicht erreicht werden, abgesehen davon, dass die in § 47 Abs. 1 und 2 AufenthG genannten Vorgaben die Art und Weise der Betätigung des Klägers allenfalls zum Teil erfassen. Ausgehend von den Gedanken der UN-Resolution 1373 bezweckt die Terrorismusbekämpfung unionsrechtlich unter anderem, konsequent die Legalisierung des Aufenthalts zu unterbinden und damit auch den Genuss der daran hängenden privilegierenden Maßnahmen (wie Erwerbstätigkeit, Freizügigkeit) zu verwehren - und zwar gleichgültig, ob der Ausländer als Flüchtling anerkannt oder ob ihm nur subsidiärer Schutz zuerkannt wurde (vgl. insoweit Art. 24 Abs. 1 Satz 1 mit Abs. 2 QRL). Dieses unionsrechtliche Ziel würde allein mit einer Maßnahme nach § 47 AufenthG nicht erreicht. Diese kann ggfs. die Ausweisung ergänzen, wenn der Ausländer - namentlich nach einer erfolgten Ausweisung - seine Unterstützungstätigkeit fortsetzt, sie aber nicht ersetzen. Insoweit ist eine Verbotsverfügung Teil einer ganzheitlichen Bekämpfung der Aktivitäten der ausländischen terroristischen Vereinigung der PKK (so ausdrücklich auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zu dem gegen Muzaffer Ayata verhängten politischen Betätigungsverbot, BT-Drs. 17/9076 vom 22.03.2012). Hinzukommt, dass auch national eine Anordnung nach § 47 AufenthG schon deshalb nicht gleich effektiv wäre, weil damit die Rechtsfolgen des § 54a AufenthG nicht ausgelöst werden könnten. Vergleichbare nachträgliche Nebenbestimmungen nach § 12 Abs. 2 AufenthG wären jedenfalls bei Inhabern einer Niederlassungserlaubnis nicht möglich (Renner/Dienelt, AuslR 9. Aufl. 2011, § 12 Rn. 2). Soweit in den Senatsurteilen vom 28.10.1998 (11 S 1853/98 - juris Rn. 28) und vom 10.03.1999 (11 S 1688/98 - juris Rn. 9) die Untersagung der politischen Betätigung ausdrücklich als ein milderes Mittel gegenüber der Ausweisung erachtet wurde, liegen dem rechtlich und tatsächlich andere Konstellationen zugrunde. Im Übrigen hat das Regierungspräsidium im Schriftsatz vom 18.04.2012 im Einzelnen ausgeführt, warum es im vorliegenden Fall nicht zu dieser Maßnahme greift. Diese Erwägungen hat der Kläger nicht in Frage gestellt.
139 
Gründe der Verhältnismäßigkeit gebieten es auch nicht, schon jetzt von Amts wegen über eine Befristung der Wirkungen der spezialpräventiv verfügten Ausweisung zu entscheiden. Es lässt sich derzeit nicht absehen, wann diese Gefahr in relevanter Weise gemindert sein wird. Auch familiäre Belange erfordern keine sofortige Entscheidung, denn die familiäre Lebensgemeinschaft kann im Bundesgebiet unverändert fortgeführt werden (vgl. zur Befristung noch unten VI).
IV.
140 
Art. 14 ARB 1/80 oder die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln vermitteln dem Kläger keine weitergehenden Rechte. Der Kläger hatte aufgrund seiner jahrelangen Erwerbstätigkeit bis 31.07.2007 bei der Firma B. eine Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1, 3. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben. Der Senat unterstellt zugunsten des Klägers, dass er dieses Recht nicht verloren hat. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung meldete er sich nach seiner Kündigung bei der Arbeitsverwaltung arbeitslos, wurde dort aufgrund seiner schlechten Deutschkenntnisse als schwer vermittelbar angesehen und erhielt durch das Arbeitsamt eine Fördermaßnahme zur Gründung einer selbstständigen Existenz. Der Senat geht davon aus, dass durch diese selbstständige Erwerbstätigkeit ab 01.01.2008 die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt nicht verloren ging, weil die Selbstständigkeit noch in der Gründungs- und Aufbauphase wieder aufgegeben wurde, der Kläger in eine abhängige Beschäftigung zurückkehrte und nunmehr seit Mitte Dezember 2010 im Gastronomiebetrieb seiner Ehefrau angestellt ist.
141 
Ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger kann nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt. Nach den hierzu geltenden Grundsätzen (vgl. EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08 - Ziebell -Rn. 52 ff.; Senatsurteile vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris und vom 04.05.2012 - 11 S 3/12 -) führt dieser Maßstab materiell-rechtlich nicht zu strengeren Voraussetzungen als die oben unter III. dargestellten.
142 
Auch verfahrensrechtlich hat dies keine Auswirkungen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung eines Vorverfahrens. Ein solcher folgt nicht aus dem in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 (ABl. Nr. 56, S. 850) normierten „Vier-Augen-Prinzip“. Denn die Richtlinie 64/221/EWG ist gemäß Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden. Damit ist auch deren Art. 9 nicht mehr - entsprechend - auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige anzuwenden (vgl. zur früheren Anwendung des „Vier-Augen-Prinzips“ BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - InfAuslR 2006, 110). Geltende unionsrechtliche Verfahrensgarantien begründen ebenfalls nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen. Die Stillhalteklauseln gebieten keine andere Betrachtung. Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf das Senatsurteils vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - (juris) verwiesen (im Ergebnis ebenso OVG NRW, Urteil vom 22.03.2012 - 18 A 951/09 - juris).
V.
143 
Die Ausweisung ist unter Berücksichtigung der Ergänzungen im gerichtlichen Verfahren ermessensfehlerfrei (§ 114 Satz 1 VwGO).
144 
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris Rn. 4 m.w.N.). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umständen auch andere gewichtige persönlichen Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Die vom Ausländer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits und dessen private schutzwürdige Belange andererseits sind auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 73). Diesen Anforderungen hat das Regierungspräsidium entsprochen. Es hat anlässlich seiner korrigierten Ermessenserwägungen ausschließlich eine spezialpräventive Ausweisung zugrunde gelegt und auch zu erkennen gegeben, dass es bei dem Kläger allein um die Vernichtung der Legalität des Aufenthalts geht und dass das nach dem Aufenthaltsgesetz mit einer Ausweisung regelmäßig verfolgte Ziel, die von ihm ausgehende Gefahr mit der Ausreise bzw. der zwangsweisen Verbringung ins Ausland zu bekämpfen, auf nicht absehbare Zeit nicht erreicht wird. Es hat jedenfalls aufgrund der ergänzenden Angaben in der mündlichen Verhandlung den Schutzstatus des Klägers mit dem ihm gebührenden Gewicht eingestellt und auch die Rechtsstellung und Interessen der Familienangehörigen des Klägers nicht verkannt. Auch im Übrigen sind den Ermessenserwägungen in tatsächlicher Hinsicht zutreffende Annahmen zugrunde gelegt worden; das Regierungspräsidium hat in der mündlichen Verhandlung zudem klargestellt, dass die Ausweisungsentscheidung auch für den Fall getroffen wird, dass (nur) der Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG verwirklicht ist.
VI.
145 
Der Ausweisung steht auch die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie - RFRL - (ABl EU Nr. L 348 vom 24.12.2008 S. 98) nicht entgegen.
146 
1. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen Urteilen vom 22.03.2012 (1 C 3.11 - juris Rn. 15) und vom 14.02.2012 (1 C 7.11 - juris Rn. 35) entschieden, dass die Rückführungsrichtlinie für eine Rückkehrentscheidung - so die Ausweisung denn überhaupt eine solche wäre -, die wie hier vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie (nach deren Art. 20 Abs. 1 am 24.12.2010) verfügt worden ist, nicht gilt, und zur Begründung unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Polat“ (Urteil vom 04.10.2007 - Rs. C-349/06 - 25 ff.) auf die Grundsätze der intertemporalen Rechtsgeltung verwiesen. Es hat weiter ausgeführt, dass sich etwas anderes auch nicht aus Art. 15 Abs. 5 und 6 RFRL ergebe, der auf bereits vor der Umsetzung begonnene und darüber hinaus andauernde Inhaftierungen Anwendung finde (vgl. EuGH, Urteil vom 30.11.2009 - Rs. C-357/09 PPU, Kadzoev - Rn. 38). Denn Regelungen zur Dauer der Abschiebungshaft beträfen zukünftige Auswirkungen eines noch andauernden Sachverhalts und nicht die gerichtliche Kontrolle einer Behördenentscheidung, die vor Ablauf der Umsetzungsfrist getroffen worden sei. Dies zugrunde gelegt ist die Rückführungsrichtlinie auf den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.07.2010 nicht anwendbar.
147 
Hält man hingegen an der bisherigen Rechtsprechung des Senats weiter fest, wonach die Rückführungsrichtlinie auch auf solche Sachverhalte anzuwenden ist, in denen die streitgegenständliche Behördenentscheidung schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist wirksam verfügt worden ist (siehe zur Begründung im Einzelnen Senatsurteil vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris Rn. 49 ff.; vgl. auch Verwaltungsgerichtshof Österreich in seinem Erkenntnis vom 20.03.2012 - 2011/21/0298 - , der unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 28.04.2011 in der Rechtssache „El Dridi“ die Rückführungsrichtlinie auch auf „Aufenthaltsverbote“ erstreckt hat, die bereits vor Inkrafttreten der Rückführungsrichtlinie verhängt worden sind), ist die Ausweisung gleichwohl nicht an den Vorgaben der Richtlinie messen. Sie stellt schon keine Rückkehrentscheidung dar. Unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 07.12.2001 - 11 S 897/11 -hat der Senat in seinem Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - (juris Rn. 83 - 88) ausgeführt:
148 
„…Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
149 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 -215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
150 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art. 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
151 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben …...“
152 
„Ergänzend und vertiefend ist noch auszuführen: Gegen die Annahme, die Ausweisung sei keine Rückkehrentscheidung, kann auch nicht die Legaldefinition des „illegalen Aufenthalts“ in Art. 3 Nr. 2 RFRL eingewandt werden. Zwar erweckt der pauschale und undifferenzierte Verweis auf Art. 5 SDK auf den ersten Blick den Eindruck, es könnten auch Fälle gemeint sein, in denen materielle Einreise- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind und somit auch in einem solchen Fall ein illegaler Aufenthalt vorläge. Dagegen sprechen aber bereits das in Art. 6 Abs. 6 RFRL vorausgesetzte Verständnis des „legalen Aufenthalts“ und der dort vorgenommenen ausdrücklichen Abgrenzung zur „Rückkehrentscheidung“. Entscheidend für ein Verständnis im Sinne eines allein formell zu verstehenden illegalen Aufenthalts spricht die Begründung des Kommissionsentwurfs (vgl. KOM/2005/ 0391endg vom 1.9.2005). Hiernach ist der Befund eindeutig. Unter I 3 Ziffer 12 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Regelungsgegenstand der Richtlinie nicht die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung/Sicherheit sei. Unter I 4 wird zu „Kapitel II“ weiter dargelegt, die Vorschriften der Richtlinie seien auf jede Art von illegalem Aufenthalt anwendbar (z.B. Ablauf eines Visums, Ablauf eines Aufenthaltstitels, Widerruf oder Rücknahme eines Aufenthaltstitels, endgültige Ablehnung eines Asylantrags, Aberkennung des Flüchtlingsstatus, illegale Einreise). Nicht Gegenstand seien die Gründe und Verfahren für die Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts. Für dieses Verständnis spricht auch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 3 lit. b) EG. Im Übrigen entspricht der im Gesetzgebungsverfahren neu eingefügte Verweis auf Art. 5 SDK sachlich dem früheren Verweis auf Art. 5 SDÜ, der auch materielle Regelungen enthielt. Demzufolge stellen auch Widerruf, Rücknahme oder nachträgliche Befristung keine Rückkehrentscheidung dar.“
153 
Hieran ist auch mit Blick auf neuere Veröffentlichungen festzuhalten, die die Ausweisung als Rückkehrentscheidung einordnen (Deibel, ZAR 2012, 148, 150 f.; Gutmann, InfAuslR 2012, 208, 210 f.; offengelassen: BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - juris Rn. 35; HambOVG, Beschluss vom 09.05.2012 - 4 Bs 15/12 - juris Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 22.03.2012 - 18 A 951/09 - juris Rn. 88; VG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2012 - 22 K 7443/11 - juris Rn. 102). Soweit darauf hingewiesen wird, dass eine Ausweisung zu einem Aufenthaltsverbot führe und wegen des mit ihr verbundenen Wiedereinreiseverbots eine Rückkehrentscheidung anzunehmen sei, sowie über Einreiseverbot und Befristung der Wirkungen der Ausweisung einheitlich zu entscheiden sei, sind diese Erwägungen nicht geeignet, die oben dargestellte Begründung des Senats in seinem Urteil vom 10.02.2012 infrage zu stellen (vgl. dazu, dass die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung ist auch Keßler, Asylmagazin 2012, 142, 143; GK-AufenthG, § 58 Rn. 102). Mit der Ausweisung wird dem Ausländer keine originäre Handlungspflicht auferlegt, innerhalb einer bestimmten Frist auszureisen. Dies erfolgt vielmehr erst mit der Abschiebungsandrohung (Art. 7 Abs. 1 S. 1 RFRL i.V.m. § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Da diese jedoch aufgrund der Anerkennung des Klägers als Flüchtling unterbleibt, wird dieser keiner - vollstreckbaren - Rückkehrverpflichtung unterworfen, die unter das Schutzregime der Rückführungsrichtlinie fallen würde. Insofern ist auch unionsrechtlich nicht von Amts wegen über die Befristung eines Einreiseverbots zu entscheiden.
154 
2. Jedenfalls unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles ist nicht nach den materiell-rechtlichen Vorgaben des § 11 Abs. 1 AufenthG im Rahmen des hier anhängigen Verfahrens über die Befristung zu entscheiden.
155 
Das Bundesverwaltungsgericht geht in seinem Urteil vom 14.02.2012 (1 C 7.11 - juris Rn. 28 ff.) davon aus, dass aufgrund der unionsrechtlichen Prägung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, die dieser durch das Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetz vom 26.11.2011 erfahren hat, die Interessen des Einzelnen an der zeitlichen Beschränkung der Wirkungen der Ausweisung und an einem hierauf bezogenen effektiven Rechtsschutz erheblich aufgewertet worden sind. Es erachtet es aus der Gesamtschau der Rückführungsrichtlinie sowie den Grundrechten einschließlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention für geboten, dass über die Befristung nunmehr ausschließlich im Wege einer gebundenen, der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegenden Entscheidung zu befinden ist, damit nach der abschließenden gerichtlichen Entscheidung über die Ausweisung zugleich die Dauer der Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 AufenthG feststeht und der Ausländer sich in seiner Lebensplanung darauf einstellen kann. Diese in dem genannten Urteil für die Ausweisung allein aus generalpräventiven Gründen entwickelten Grundsätze sind auf eine spezialpräventive Ausweisung übertragen worden (so nunmehr BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - bisher nur Pressemitteilung).
156 
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Ausweisung einerseits und die Befristung ihrer Wirkungen andererseits zwei getrennte Verwaltungsakte darstellen, was nicht zuletzt daraus folgt, dass die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nur auf Antrag erfolgt. Nach dem Bundesverwaltungsgericht kann ein Anspruch auf Befristung im Rechtsstreit um die Ausweisungsverfügung prozessual dadurch realisiert werden, dass in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung der Wirkungen der Ausweisung gesehen wird (BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - juris Rn. 30). Prozessual handelt es sich um zwei verschiedene Streitgegenstände. Der Streitgegenstand der Befristung wird durch den Antrag und den hierzu gehörenden Lebenssachverhalt bestimmt. Im vorliegenden Fall hat der schon im Verwaltungsverfahren und auch im gerichtlichen Verfahren stets anwaltlich vertretene Kläger zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich oder konkludent jemals ein (hilfsweises) Begehren auf Befristung der Ausweisung unterbreitet, insbesondere ist auch im Klageverfahren kein entsprechender Antrag gestellt worden. Dem Senat ist dieser selbstständige Streitgegenstand auch nicht „angewachsen“. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG normiert ausdrücklich das Erfordernis der Antragstellung. Ein entsprechender Antrag ist zu keinem Zeitpunkt bei der Behörde gestellt worden. Ein solcher ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 14.02.2012 nur bei einer allein generalpräventiv begründeten Ausweisung entbehrlich. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um eine ausschließlich spezialpräventive Ausweisung. Die im Verfahren vorgelegten Anwaltsschreiben beschränken sich auf die Darlegung, warum beim Kläger die Voraussetzungen für eine Ausweisung nicht vorliegen. Zwar könnte ein Widerspruch, der gegen die Ausweisung eingelegt wird, und mit dem zunächst die Ausgangsbehörde befasst ist (§ 72 VwGO), Anlass dazu geben, diesen so zu deuten, dass damit konkludent jedenfalls auch das Begehren der Befristung umfasst wird; in Baden-Württemberg gibt es jedoch kein Widerspruchsverfahren gegen die Ausweisung durch das Regierungspräsidium (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO BW). Ein Verpflichtungsgehren auf Befristung kann im vorliegenden Fall daher deshalb nicht unterstellt werden, weil die Notwendigkeit der vorherigen Antragstellung bei der Behörde auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts unabhängig davon, ob es sich um eine gebundene Entscheidung oder eine Ermessensentscheidung handelt, eine nicht nachholbare Sachurteilsvoraussetzung jeder Verpflichtungsklage ist (siehe hierzu etwa BVerwG, Urteile vom 16.01.1985 - 5 C 36.84 - juris Rn. 9 ff. und vom 31.08.1995 - 5 C 11.94 - juris Rn. 14 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.04.1999 - 6 S 420/97 - juris Rn. 3 f.; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 75 Rn. 25; Bader, u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, § 68 Rn. 41 und § 75 Rn. 5). Das Gewaltenteilungsprinzip gebietet es, dass der Behörde vor Erhebung der Klage die Gelegenheit gegeben wird, die begehrte Verwaltungsentscheidung zu prüfen und zu erlassen; insoweit kann auch in eine Klageerhebung nicht eine (bislang unterbliebene) Antragstellung hineininterpretiert werden. Weder der Wortlaut noch die unionsrechtliche Prägung der Vorschrift geben irgendeinen Anhaltspunkt, für die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG anderes anzunehmen und von den allgemein entwickelten und anerkannten prozessualen Grundsätzen abzuweichen.
VII.
157 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 161 Abs. 2 VwGO. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich der Meldeauflage und der räumlichen Beschränkung in Ziffer 2 des Bescheids vom 19.07.2010 für erledigt erklärt worden ist, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten dem Kläger aufzuerlegen, denn er hat durch ein in seine Sphäre fallendes Ereignis, nämlich den Umzug von S... nach R... am 01.03.2011, die Erledigung des Rechtsstreits herbeigeführt.
158 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
159 
Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, ist der Beschluss unanfechtbar.
160 
Beschluss vom 16. Mai 2012
161 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
162 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Artikel 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu folgenden Fragen eingeholt:

1. a) Ist die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels an Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, auch bei der Aufhebung eines bereits erteilten Aufenthaltstitels zu beachten?

b) Ist diese daher dahingehend auszulegen, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) eines anerkannten Flüchtlings entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sind?

2. Für den Fall, dass die Fragen unter 1 zu bejahen sind:

a) Wie ist der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG mit Blick auf Gefahren auszulegen, die von der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ausgehen?

b) Können „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots nach Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht erfüllt sind?

3. Für den Fall, dass die Frage unter 1a) zu verneinen ist:

Ist die Aufhebung bzw. Beendigung des einem anerkannten Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (bzw. der gleichlautenden Nachfolgeregelung der Richtlinie 2011/95/EU) zulässig?

Gründe

 
A)
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebt seit 1989 mit seiner Ehefrau, welche ebenfalls türkische Staatsangehörige ist, und mit inzwischen acht gemeinsamen Kindern, von denen fünf die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist bis heute Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Auf seinen Asylantrag wurde er am 24.06.1993 als Asylberechtigter anerkannt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des - damals geltenden - § 51 Abs. 1 AuslG (Flüchtlingsschutz, heute § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen. Die Anerkennung wurde mit den exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland und der ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei drohenden politischen Verfolgung begründet (vgl. Urteil des VG Minden vom 08.02.1993). Der im Wesentlichen mit geänderten Verhältnissen in der Türkei begründete Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.08.2006 wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30.11.2007 aufgehoben. Seit dem 07.10.1993 ist der Kläger im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels.
Der Kläger war in den 1990er-Jahren in vielfältiger Weise für die PKK (Partiya Karkerên Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) bzw. deren Neben- oder Nachfolgeorganisationen exilpolitsch aktiv. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22.11.1993 wurden der PKK und der ENRK (Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) - einer inzwischen aufgelösten, damals in Deutschland für die PKK aktiven "Frontorganisation" - verboten, sich in Deutschland zu betätigen. Nach § 20 Vereinsgesetz macht sich unter anderem strafbar, wer diesem Verbot zuwiderhandelt (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 18 Satz 2 VereinsG). 1992 wurde der Kläger in den Vorstand des "Arbeiter- und Kulturzentrums der Kurden Bielefeld" gewählt. Der Verein wurde 1993 als Teilorganisation der PKK verboten. Im Asylverfahren gab der Kläger selbst an, er besuche alle Veranstaltungen und Demonstrationen der ERNK. Dabei sei er teilweise als Ordner eingesetzt. Diese exilpolitischen Aktivitäten setzte der Kläger auch nach seiner Asylanerkennung fort. Es kam deshalb zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Jahr 2001 beteiligte er sich an der Unterschriftenaktion im Rahmen der so genannten "Identitätskampagne" der PKK und unterzeichnete die Erklärung "Auch ich bin ein PKK'ler". Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg nahm der Kläger in den folgenden Jahren, auch nach dem Umzug seiner Familie aus dem Raum Bielefeld nach Mannheim im Jahr 2002, weiter regelmäßig an Demonstrationen und Veranstaltungen teil, bei welchen es um die Rechte der Kurden, um die PKK und/oder deren Generalsekretär Abdulah Öcalan ging, darunter auch solche mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan, so genannte "Märtyrergedenkfeiern" (Feiern zum Gedenken an gefallene PKK-Kämpfer und Selbstmordattentäter) und "Volksversammlungen".
Im Juni 2006 reiste der Kläger in den Irak. Er hielt sich dort zwei Monate lang auf und besuchte Verwandte sowie diverse Orte bzw. Stationen im Grenzgebiet zur Türkei. 2007 unternahm er mit seinem ältesten Sohn eine weitere Reise in den Irak.
Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 10.01.2007 wegen des Verdachts eines - durch Betätigung für die PKK begangenen - Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden unter anderem eine handschriftlich verfasste Spendenliste mit 16 Namen und Beträgen zwischen 100 und 1000 EUR sowie eine mit dem Computer im Jahr 2006 erstellte Spendenliste, welche in 4 Ortsbezirke unterteilt war und auf der hinter 29 der insgesamt 48 aufgeführten Namen monatliche Spenden im Zeitraum von Januar bis Mai in Höhe von 10 bis 30 EUR pro Monat vermerkt waren, aufgefunden, außerdem ein Zettel und ein Notizbuch mit Vermerken zu eingesammelten Beträgen, Ausdrucke eines Vordrucks für eine Spendenliste, 4 Zeitschriften Serxwebun, Fotos mit Abdullah Öcalan, darunter eines mit der Aufschrift "PKK" im Scheckkartenformat im Geldbeutel des Klägers, Fotos des Klägers neben bewaffneten Personen, welche von der Reise des Klägers in den Irak im Juni 2006 stammten, Flaggen bzw. Fahnen mit dem Emblem der "KKK" (Koma Komalên Kurdistan), Flaggen mit einer Abbildung von Abdullah Öcalan sowie ein Buch von Öcalan. Der Kläger wurde daraufhin mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen im Urteil hat er dem Verbot einer Betätigung für die PKK zuwidergehandelt. Die PKK bzw. die KONGRA-GEL finanzierten sich durch Beiträge für legale kurdische Vereine, monatliche Mitgliedsbeiträge der Anhänger, Verkauf von Publikationen, Einnahmen beim jährlichen „Kurdistanfestival“ und andere Feste auf örtlicher Ebene sowie Einnahmen aus der jährlich im Herbst/Winter durchgeführten „Spendenkampagne“. Bei dieser „Spendenkampagne“ setze der für Europa zuständige „Rat“ fest, welche Beträge von den einzelnen europäischen Ländern zu erbringen seien. Diese würden auf der jeweiligen Hierarchieebene Raum bzw. Gebiet aufgeschlüsselt. Dabei würden Listen der ortsansässigen Kurden verwendet und die von diesen zu erbringenden „Spenden“ nach der Höhe des jeweiligen Einkommens festgesetzt, wobei etwa ein Monatseinkommen zu erbringen sei. Die Spenden würden von so genannten „Sammelteams“ von zwei bis drei Personen eingesammelt, notfalls auch mit Gewalt eingetrieben. Im Zuge der hierarchischen Gebietsstruktur der PKK sei auch die Bundesrepublik Deutschland in mehrere Gebiete gegliedert, denen jeweils ein Gebietsverantwortlicher vorstehe, der regelmäßig nach einem Jahr ausgewechselt werde. Im Jahr 2005 sei dies bis zum Oktober im Gebiet Mannheim der Gebietsverantwortliche M.T., Deckname D., gewesen. Die Gebiete seien wiederum in Räume aufgeteilt, denen jeweils ein Raumverantwortlicher vorstehe. So sei das Gebiet Mannheim in die Räume Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Worms, Bruchsal, Karlsruhe und Germersheim aufgeteilt. Verantwortlicher im Raum Mannheim sei im Jahr 2005 eine nicht identifizierte Person namens Ma. gewesen. Der Kläger sei in den Jahren 2005 und 2006 im Raum Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen. Er sei direkt dem Raumverantwortlichen für Mannheim namens Ma. unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen M.T. gewesen. Dies schließe die Strafkammer daraus, dass er als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen M.T. zwei Rundschreiben per SMS erhalten habe, in welchen er dazu aufgefordert worden sei, als einer der "Freunde, die für die Räume verantwortlich seien, ... die Freunde, mit denen er "zusammenarbeite, zu benachrichtigen". Außerdem seien sein Vorname und seine Handynummer auf sichergestellten Notizzetteln des Gebietsverantwortlichen M.T. notiert gewesen. In der von ihm übernommenen Funktion habe sich der Kläger mit dem Sammeln und der Weiterleitung von Spenden für die PKK und gelegentlich auch mit der Verteilung der Zeitschrift Serxwebun - eines der Publikationsorgane der PKK bzw. der Nachfolgeorganisation KONGRA-GEL - befasst. Er habe in den im einzelnen aufgeführten Fällen (von insgesamt 29 Personen aus vier Bezirken des Raums Mannheim - jeweils von Januar bis Mai, teilweise auch nur bis März oder April 2006) selbst oder unter Einschaltung von Hilfspersonen Spenden für die PKK gesammelt, diese in seiner Spendenliste verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK, wahrscheinlich in Brüssel, abführen lassen. Er habe sich zudem noch am 10.01.2007 von seinem Sohn mit Hilfe des Computers einen neuen Vordruck einer Spendenliste erstellen lassen. Der Kläger habe das gegen die PKK verhängte Betätigungsverbot gekannt. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Spendenkampagnen für die PKK von großer Bedeutung seien. An ihnen und an dem Verkauf der Zeitschrift habe er mit dem Willen teilgenommen, die PKK zu fördern und die Eintreibung von Spenden und Einnahmen aus Zeitungsverkäufen an den Vorgaben der Partei auszurichten. Nach Verwerfung der Revision durch den Bundesgerichtshof wurde das Urteil am 08.04.2009 rechtskräftig.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27.03.2012 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt Mannheim begrenzt (Ziff. 2). Die Ausweisung wurde auf §§ 55, 56 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Als Ausweisungsgrund wurde § 54 Nr. 5 AufenthG herangezogen, wonach ein Ausländer in der Regel ausgewiesen wird, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder unterstützt hat oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Mit Blick auf die bestehende familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und den minderjährigen Kindern und unter Berücksichtigung seines unbefristeten Aufenthaltsrechts sowie des Status als Asylberechtigter und Flüchtling erging die Ausweisungsverfügung jedoch als Ermessensentscheidung (§§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3, 4 und 5, Satz 5 AufenthG, 55 AufenthG, Art. 6 Abs. 1 GG, 8 EMRK). Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle es sich um Vereinigungen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Aktivitäten des Klägers wie insbesondere das Eintreiben von Spenden, der Verkauf der PKK-Zeitung Serxwebun und auch die ständige Teilnahme an Veranstaltungen der PKK bzw. PKK-naher Vereine seien als Unterstützung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Dabei sei auch von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit auszugehen. Schließlich seien bis weit ins Jahr 2011 Unterstützungshandlungen nachgewiesen. Dem Interesse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet, das sich aus den bestehenden persönlichen und familiären Bindungen ergebe, werde durch Duldungen (d.h. eine Aussetzung der Abschiebung ohne Aufenthaltstitel) Rechnung getragen werden.
Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.08.2012 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde dargelegt: Der Umstand, dass der Kläger durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK verurteilt worden sei, rechtfertige ohne weiteres die Annahme einer relevanten Unterstützungstätigkeit, wenn diese Tätigkeiten nicht sogar auf eine Zugehörigkeit zur Organisation selbst hinwiesen. Des Weiteren stelle jedenfalls der regelmäßige, über Jahre erfolgte häufige Besuch der dem Kläger vorgehaltenen Veranstaltungen, insbesondere wenn es sich um so genannte Märtyrergedenkveranstaltungen und Feiern zum Jahrestag der Gründung der PKK handle, eine relevante Unterstützungstätigkeit dar. Durch das Einsammeln der Spenden und deren Weiterleitung habe der Kläger die PKK sogar in qualifizierter Weise unterstützt.
Auf den vom Kläger gestellten Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28.11.2012 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zugelassen.
Der Kläger bestreitet, dass es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung handelt. Jedenfalls habe er diese nicht unterstützt. Außerdem seien die für ihn als anerkannten Flüchtling geltenden Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, Art. 21 und Art. 24, nicht berücksichtigt worden. Eine Ausweisung setze nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie voraus, dass der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen sei. Solche wären nur zu bejahen, wenn er eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt hätte. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, auch nicht mit Blick auf seine strafrechtliche Verurteilung wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot. Dieser lägen Vorgänge aus den Jahren 2005 und 2006 zugrunde. Ob von ihm - unterstellt die vom beklagten Land behaupteten Aktivitäten träfen zu - eine aktuelle Gefährdung, ausginge, sei weder überprüft noch festgestellt worden. Die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG seien schon deshalb eindeutig nicht erfüllt, weil die danach erforderlichen „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ schwerwiegendere Gründe als die in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie genannten Gründe voraussetzten. Diesbezüglich sei zur Auslegung auf Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - abzustellen.
10 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 04.04.2013 hat der Kläger erklärt, er habe die ihm im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zur Last gelegte Straftat nicht begangen und auch nie eingeräumt. Er sei Kurde und sehe sich als "progressiver Kurde", weshalb er sich verpflichtet fühle, an Newroz-Festen, Demonstrationen und Veranstaltungen von Kurden teilzunehmen. Als Kurde möge er die PKK; er stehe hinter ihr. Er sei aber kein "PKK'ler". Zu letzteren zähle er die Personen, die in den Bergen gegen den Feind kämpfen. Veranstaltungen in Gedenken an die PKK, wie zum Beispiel zum Jahrestag ihrer Gründung, seien für ihn persönlich zwar nicht wichtig. Wenn es aber "für das Volk" wichtig sei, dass er daran teilnehme, könne es sein, dass er das auch mache. Feiern aus Anlass des Geburtstages von Öcalan seien nicht verboten und für ihn persönlich "schon wichtig". An Märtyrergedenkveranstaltungen nehme er teil, wenn es ihm danach sei. Wenn in den Räumen des kurdischen Vereins Versammlungen durchgeführt worden seien, sei er hingegangen. Es habe sich immer um erlaubte Veranstaltungen gehandelt. Als Vorstandsmitglied des kurdischen Vereins in Bielefeld Anfang der 1990-er Jahre habe er lediglich die Aufgabe gehabt, die Einkäufe für den Verein zu erledigen. Nach dem Verbot der PKK habe es deshalb bei ihm zu Hause eine Razzia gegeben und er sei auch angeklagt worden. Später habe er keine Aufgaben mehr übernommen. Nach seinem Umzug nach Mannheim 2002 sei er zwar zunächst noch Mitglied des örtlichen Kulturvereins der Kurden gewesen, nach Verlegung des Vereinssitzes in die benachbarte Stadt Ludwigshafen aber nicht mehr. Wegen der mit der Ausweisungsverfügung gegen ihn verhängten Beschränkung seines Aufenthalts auf die Stadt Mannheim sei er auch nicht mehr dorthin gegangen, früher habe er sich einmal die Woche, manchmal auch täglich, in den Vereinsräumen aufgehalten. Seine Reise in den Irak sei für ihn wie eine "Pilgerreise" gewesen. Dies habe er unter anderem deshalb so empfunden, weil dort sogar Staatsbedienstete wie Polizisten, Richter usw. kurdischer Volkszugehörigkeit seien. Mit einem Neffen sei er überall unterwegs gewesen. Bewaffnete Personen wie die, mit denen er sich auf Fotos habe ablichten lassen, gebe es dort überall.
11 
Das beklagte Land verteidigt den angegriffenen Ausweisungsbescheid. Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 21 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG stünden einer Ausweisung nicht entgegen. Der Kläger sei schließlich rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen verurteilt worden. Den Urteilsgründen des Strafurteils sei zu entnehmen, dass er in den Jahren 2005 und 2006 in Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen sei. Durch das Sammeln von Spenden habe er nicht nur die Strukturen der PKK in Deutschland gestärkt, sondern darüber hinaus auch die kämpfende PKK in der Türkei, die sich unter anderem durch die Spenden ihrer Anhänger finanziere, im Vorfeld qualifiziert unterstützt. Die Ausübung der genannten Tätigkeiten und die gehobene Funktion des Klägers im Raum Mannheim verdeutlichten seine strukturelle Einbindung in die Organisation, durch welche er das Gefährdungspotential der PKK mittrage. Dem stehe nicht entgegen, dass seine Verurteilung schon mehrere Jahre zurückliege. Selbst wenn er seither nicht mehr für das Sammeln von Spenden zuständig sei, belege doch die in den darauffolgenden Jahren weiterhin erfolgte regelmäßige Teilnahme an zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen der PKK das Fehlen der inneren und äußeren Abkehr von der PKK und deren Zielen.
B)
12 
Der Rechtsstreit ist in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO auszusetzen und es ist eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen (Art. 267 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AEUV).
I.
13 
Die für die Erörterung der Vorlagefragen maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
14 
1. Völkerrecht und Unionsrecht
15 
a) Genfer Flüchtlingskonvention
16 
(Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951; GFK)
17 
Artikel 28 - Reiseausweise
18 
1. Die vertragschließenden Staaten werden den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise ausstellen, die ihnen Reisen außerhalb dieses Gebietes gestatten, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen; …
19 
Artikel 32 - Ausweisung
20 
1. Die vertragschließenden Staaten werden einen Flüchtling, der sich rechtmäßig in ihrem Gebiet befindet, nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausweisen.
21 
Artikel 33 - Verbot der Ausweisung und Zurückweisung
22 
1. Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.
23 
2. Auf die Vergünstigung dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.
24 
b) Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ)
25 
Artikel 21
26 
(1) Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen.
27 
c) Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 304 vom 30.09.2004, S. 12; im folgenden RL 2004/83/EG bzw. "Richtlinie“)
28 
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
...
29 
in Erwägung nachstehender Gründe:
30 
...
(6) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie ist es einerseits, ein Mindestmaß an Schutz in allen Mitgliedstaaten für Personen zu gewährleisten, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass allen diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
31 
(7) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Anerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Asylbewerbern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht, einzudämmen.
32 
(22) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, “dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“ und “dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“.
...
33 
(28) Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
34 
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
35 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
36 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
37 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
38 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
39 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
40 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
41 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
42 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
43 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
44 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
45 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
46 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
47 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
48 
d) Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 337 vom 20.12.2011, S. 9, im Folgenden RL 2011/95/EU)
49 
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
50 
in Erwägung nachstehender Gründe:
51 
...
(12) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie besteht darin, einerseits zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien zur Bestimmung der Personen anwenden, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
52 
(13) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Zuerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, zwischen Mitgliedstaaten einzudämmen, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht.
...
53 
(31) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, dass die "Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und dass die "wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen".
...
54 
(37) Der Begriff der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
55 
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
56 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
57 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
58 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
59 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
60 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
61 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
62 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
63 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
64 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
65 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
66 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
67 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
68 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, und ihren Familienangehörigen einen verlängerbaren Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr und im Fall der Verlängerung mindestens zwei Jahre gültig sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
69 
e) Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77, ber. ABl. L 229 vom 29.06.2004, S. 35; im Folgenden RL 2004/38/EG)
70 
Artikel 28 - Schutz vor Ausweisung
71 
...
(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie
72 
a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder
b) minderjährig sind, es sei denn, ...
73 
2. Nationales Recht:
74 
a) Aufenthaltsgesetz (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 30.07.2004, BGBl. I 1950, in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.02.2008, BGBl. I, S. 162, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 15.02.2013, BGBl. I, S. 254; AufenthG)
75 
§ 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot
76 
(1) Ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, darf nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Wirkungen werden auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Die Frist beginnt mit der Ausreise. …
(2) ...
77 
§ 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen
78 
(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.
79 
(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat (§ 3 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes). Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
...
80 
(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann abweichend von § 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist...
81 
§ 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen
82 
(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:
83 
...
5. Ausweisung des Ausländers,
84 
§ 54 Ausweisung im Regelfall
85 
Ein Ausländer wird in der Regel ausgewiesen, wenn
1. ...
...
86 
5. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen,
87 
§ 54a Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit
88 
(1) Ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. …
89 
(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.
90 
§ 55 Ermessensausweisung
91 
(1) Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.
92 
(2) Ein Ausländer kann nach Absatz 1 insbesondere ausgewiesen werden, wenn er ...
93 
(3) Bei der Entscheidung über die Ausweisung sind zu berücksichtigen
94 
1. die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet,
2. die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen oder Lebenspartner des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft leben,
3. die in § 60a Abs. 2 und 2b genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung.
95 
§ 56 Besonderer Ausweisungsschutz
96 
(1) Ein Ausländer, der
97 
1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
1a. eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt,
2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 bis 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4. mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
5. als Asylberechtigter anerkannt ist, im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt oder einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, genießt besonderen Ausweisungsschutz. Er wird nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegen in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor. Liegen die Voraussetzungen des § 53 vor, so wird der Ausländer in der Regel ausgewiesen. Liegen die Voraussetzungen des § 54 vor, so wird über seine Ausweisung nach Ermessen entschieden.
98 
§ 60 Verbot der Abschiebung
99 
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurden.
100 
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes erfüllt.
101 
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden.
102 
§ 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
103 

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn…
...
104 
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
105 
b) Vereinsgesetz
106 
(Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 05.08.1964, BGBl. I 1964, S. 593; VereinsG)
107 
§ 18 Räumlicher Geltungsbereich von Vereinsverboten
108 
Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes keine Organisation, so richtet sich das Verbot (§ 3 Abs. 1) gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich.
109 
§ 20 Zuwiderhandlungen gegen Verbote
110 
(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit
111 
...
4. einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5. ...,
112 
wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ ….… des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist.
II.
113 
Zu den im Beschlusstenor angeführten Fragen - welche noch nicht Gegenstand von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs waren - ist eine Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV einzuholen, weil diese entscheidungserheblich sind und der Klärung bedürfen.
114 
Gemessen an den Bestimmungen des nationalen Rechts kann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen, weil die Ausweisung und die mit ihr verfügte Aufenthaltsbeschränkung sowie die Meldeauflage danach als rechtmäßig zu beurteilen sind (dazu unter 1.). Es kommt daher darauf an, ob Unionsrecht - hier Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 oder Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG - einer Ausweisung des Klägers entgegensteht (2.)
115 
1. Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Akten und Unterlagen sowie der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Sachverhalt und die nationale Rechtslage - ohne Berücksichtigung von Art. 21 oder 24 RL 2004/83/EG - derzeit (maßgeblich wäre letztlich der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Senats über das Berufungsverfahren) wie folgt zu beurteilen wären:
116 
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG sind gegeben (a). Die Ausweisung lässt sich nach nationalem Recht auch insgesamt rechtlich nicht beanstanden, insbesondere liegen keine Ermessensfehler vor (b). Danach wären die räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Klägers und die ihm gegenüber verfügte Meldeauflage ebenfalls rechtmäßig (c).
117 
a) Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG liegt vor.
118 
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris, Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, jew. m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16.02.2012 - AK 1/12 und 2/12 - juris) sind die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris) und ändert nichts an deren bislang grundsätzlich weiter bestehenden Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei. Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP - ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2012/765/GASP des Rates vom 10.12.2012, ABl. EU L 337 vom 11.12.2012, S. 50). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09, B. und D. - Slg. 2010, I-10979, = juris).
119 
Zwar hat Abdullah Öcalan im März dieses Jahres eine Waffenruhe verkündet, die das Ergebnis von Verhandlungen mit dem türkischen Geheimdienst sein soll. Diese ist dann von der PKK tatsächlich ausgerufen worden. Inzwischen hat nach Medienberichten der Abzug von PKK-Kämpfern aus der Türkei bereits begonnen; er soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. Allein deshalb kann aber noch nicht angenommen werden, die PKK wäre nicht mehr als terroristische Organisation anzusehen. Schließlich gab es auch in der Vergangenheit entsprechende Erklärungen, die zu keiner wesentlichen Änderung auf Dauer geführt haben. So wurde ein 1999 ausgerufener „Friedenskurs“ 2004 wieder beendet. Selbst in der Zwischenzeit hatte die PKK nicht auf Gewalt verzichtet.
120 
Der Senat ist auch der Überzeugung, dass der Kläger die PKK unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die von ihm ausgeübten Aktivitäten zur Unterstützung haben dabei sicherlich unterschiedliches Gewicht und unterschiedliche Qualität. Von besonderer Bedeutung ist das "Sammeln" bzw. "Eintreiben" und das Weiterleiten von Spenden für die PKK aus vier Bezirken des Raums Mannheim in den Jahren 2005 und 2006. Der Senat folgt insoweit den Feststellungen des Landgerichts Karlsruhe im Strafurteil vom 03.12.2008. Danach war der Kläger zwar nicht in einer Führungsposition, etwa als Gebiets- oder Raumverantwortlicher, für die PKK aktiv, er hatte aber jedenfalls eine besondere Stellung inne, welche einen aktiven Einsatz auch nach außen hin erforderte. Schließlich mussten die Spenden regelmäßig einkassiert und gegebenenfalls eingefordert werden. Die Spendenkampagnen sind für die PKK von großer Bedeutung, was dem Kläger bekannt war. Hinzu kommt der Verkauf der PKK-Zeitschrift Serxwebun. Länger zurück liegen die Aktivitäten des Klägers in Bielefeld als Vorstandsmitglied eines später verbotenen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre. Diese sowie die regelmäßige Teilnahme an diversen PKK-nahen Veranstaltungen, auf welche sich der Kläger auch in seinen Asylverfahren berufen hat, zeigen aber, dass er seit seiner Einreise nach Deutschland durchgehend für die PKK aktiv war. Auch der bloße Besuch der angeführten Feiern bzw. Versammlungen mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan sowie so genannte "Märtyrergedenkfeiern" und "Volksversammlungen" (vgl. zu letzteren genauer Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - a.a.O.) fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger. Diese Veranstaltungen haben schon von ihrem Anlass bzw. ihrer Thematik her für die Besucher erkennbar den Charakter einer Propagandaveranstaltung für die PKK und werden auch entsprechend inszeniert. Die durch eine Teilnahme an solchen besonderen Veranstaltungen ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung und Ansehen in der Gesellschaft, namentlich unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, damit ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Sie kann daher - auch in Ansehung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit - als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung anzusehen sein (vgl. dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - sowie Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, jew. a.a.O. und m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.01.2013 - 11 S 1581/12 - juris). Davon ist hier in Anbetracht der Vielzahl von einschlägigen Veranstaltungen, die der Kläger im Laufe von mittlerweile über zwei Jahrzehnten besucht hat, auszugehen. Er hat in der mündlichen Verhandlung zudem deutlich gemacht, dass es ihm tatsächlich darum geht, die PKK zu unterstützen, und dass er sich verpflichtet fühlt, an entsprechenden Veranstaltungen teilzunehmen. Soweit er vorgetragen hat, er sei kein "PKK'ler", das seien doch nur die Kämpfer in den Bergen, und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach nicht darauf an, ob die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre oder ob die Veranstaltung, um deren Besuch es geht, verboten wurde (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O., m.w.N.). Abgesehen davon hat sich der Kläger unter anderem wegen des Einsammelns und Weiterleitens von Spenden für die PKK sogar strafbar gemacht.
121 
Vor dem Hintergrund der langjährigen Aktivitäten des Klägers kann auch nicht allein aus der Tatsache, dass er inzwischen weniger - und seit Ergehen der Ausweisungsverfügung am 27.03.2012 kaum mehr - an entsprechenden Veranstaltungen teilnimmt, geschlossen werden, dass er nicht mehr als Unterstützer der PKK anzusehen wäre. Es ist im Gegenteil bezeichnend, dass er selbst nach der Durchsuchung seiner Wohnung wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz am 10.01.2007 und während des daran anschließenden Strafverfahrens und selbst noch nach Hinweis durch das Regierungspräsidium in einem Schreiben vom 09.10.2009, dass seine Ausweisung geprüft werde, weiter PKK-nahe Veranstaltungen besucht hat. Seit Erlass des Ausweisungsbescheids vom 27.03.2012 ist zudem sein Aufenthalt aufgrund der darin unter Ziffer 2 verfügten sofort vollziehbaren Anordnung auf den Stadtbezirk Mannheims beschränkt. Dies ist seinen Angaben nach auch der Grund dafür, dass er nicht einmal mehr den kurdischen Verein in Ludwigshafen besucht. In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass der Kläger sich lediglich mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und seine Aktivitäten andernfalls zumindest mit dem Besuch von Veranstaltungen der geschilderten Art fortsetzen bzw. wieder aufgreifen würde. Es ist daher davon auszugehen, dass er auch künftig die PKK nachhaltig unterstützen wird.
122 
b) Die Ausweisung ist - bei einer Beurteilung rein nach nationalem Recht - auch im Übrigen rechtmäßig.
123 
Unter anderem wegen seiner Rechtsstellung als anerkannter Asylbewerber und als Flüchtling sowie der bestehenden familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern deutscher Staatsangehörigkeit (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 und 5 AufenthG) genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier in Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, nicht gegeben. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§§ 56 Abs. 1 Satz 5, 55 AufenthG). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung insbesondere als verhältnismäßig anzusehen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Kläger Deutschland nicht - als Folge der Ausweisung - verlassen müsste, sondern jedenfalls weiter geduldet würde.
124 
c) Damit liegen auch die Voraussetzungen für Maßnahmen zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit nach § 54a Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG vor. Die Verpflichtung des Klägers unter Ziffer 2 des Bescheids vom 27.03.2012, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, beruht auf § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG; die Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim folgt aus § 54a Abs. 2 AufenthG.
125 
2. Es ist aber weiter zu prüfen, ob - und gegebenenfalls in welcher Weise - die nach nationalem Recht bei der Ausweisung eines Flüchtlings geltenden Voraussetzungen durch vorrangiges Unionsrecht modifiziert werden. Das würde hier bedeuten, dass der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG mit Blick auf Unionsrecht gegebenenfalls abweichend - unionsrechtskonform - auszulegen ist.
126 
Vorab ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass die Ausweisung des Klägers nicht an Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation zu messen ist. Da der Kläger nie einer Arbeit nachgegangen ist, hat er auch keine Rechtsstellung nach Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses erworben.
127 
Als unionsrechtlicher Prüfungsmaßstab für die Ausweisung des Klägers als anerkannter Flüchtling kommen die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bzw. die entsprechenden Nachfolgevorschriften der Richtlinie 2011/95/EU in Betracht. Der Senat ist der Überzeugung, dass die Voraussetzungen des - auf die Ausweisung anzuwendenden - Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind (dazu unter a). Deshalb stellen sich die Vorlagefragen (b).
128 
a) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG ist auch bei der Ausweisung eines Flüchtlings nach deutschem Recht anwendbar (aa). Dessen Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor (bb).
129 
aa) Gemäß Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG achten die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Nach Absatz 2 der Regelung kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Gemäß Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
130 
Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gilt auch für Fälle, in denen der einem Flüchtling erteilte Aufenthaltstitel vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 RL 2004/83/EG) oder sogar vor deren Inkrafttreten am 20.10.2004 erteilt worden ist. Art. 21 RL 2004/83/EG enthält - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 RL 2004/83/EG bezüglich Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie gestellt werden - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass dessen Anwendbarkeit bei bereits erteilten Aufenthaltstiteln ausgeschlossen wäre. Auf die Frage, ob bereits auf die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, welche am 09.01.2012 in Kraft getreten ist (vgl. dazu deren Art. 41 Abs. 1), abzustellen ist, kommt es nicht an, weil Art. 21 unverändert geblieben ist (soweit im Folgenden auf Art. 21 RL 2004/83/EG abgestellt wird, gelten die entsprechenden Ausführungen daher ebenso bezüglich Art. 21 RL 2011/95/EU).
131 
Eine Ausweisung nach deutschem Recht führt nicht zwingend zu einer Abschiebung des Betreffenden und damit auch nicht zu einer "Zurückweisung" im Sinne des Art. 21 Abs. 1 und 2 RL 2004/83/EG, sie kann daher nicht unmittelbar gegen den in Absatz 1 angeführten Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass er unter anderem wegen der familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern, von denen einige die deutsche Staatsangehörigkeit haben, (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK) und wegen seines Status als anerkannter Asylbewerber und Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) nicht abgeschoben werden darf und soll.
132 
Auf eine Ausweisung finden jedoch die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG über die Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln bei Flüchtlingen Anwendung. Dies folgt daraus, dass nach nationalem Recht (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) eine Ausweisung ohne Weiteres das Erlöschen des dem Betreffenden erteilten Aufenthaltstitels, hier der Niederlassungserlaubnis des Klägers, zur Folge hat. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG wird diesem auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein (neuer) Aufenthaltstitel erteilt (vgl. auch § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Sie hat außerdem Folgen für den Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten, die nach deutschem Recht in der Regel an das Bestehen eines Titels (vgl. §§ 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 AufenthG, 4 Abs. 2 und 3 AufenthG) und nicht wie nach Art. 26 ff. RL 2004/83/EG an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft anknüpfen. Das beklagte Land geht im Übrigen davon aus, dass dem Kläger - sollte die Ausweisung rechtskräftig werden - jedenfalls vorerst kein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, sondern dass er lediglich einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, also auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung hat. Diese lässt die Ausreisepflicht unberührt (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Aus alledem folgt nach Auffassung des Senats, dass die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht der Beendigung eines Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gleichzustellen ist.
133 
bb) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG lässt jedoch im vorliegenden Fall nicht die Beendigung des Aufenthaltstitels - und damit in letzter Konsequenz auch nicht eine Ausweisung - zu. Erforderlich wäre danach, dass "Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet". Dieser Verweis auf den zweiten Absatz bedeutet, dass die Aufhebung bzw. die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels voraussetzt, dass eine Zurückweisung des betreffenden Flüchtlings nicht nach völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt wäre (siehe dazu den Vorbehalt des Einleitungssatzes "sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist") und dass die in den Buchstaben a oder b des Art. 21 Abs. 2 RL der Richtlinie genannten Gefahren gegeben sind (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris). Hier fehlt es schon am Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder b RL 2004/83/EG.
134 
Diese entsprechen im Wesentlichen den in Art. 33 Abs. 2 GFK enthaltenen Voraussetzungen für eine Durchbrechung des völkerrechtlichen Refoulement-Verbots (vgl. dazu Battjes in: Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, Ch. IV.3. Council Directive 2004/83/EC, Art. 21 Rn. 11). Art. 33 Abs. 1 GFK untersagt die Ausweisung oder Zurückweisung eines Flüchtlings über die Grenzen von Gebieten, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach Absatz 2 kann sich auf die Vergünstigung jedoch ein Flüchtling nicht berufen, "der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde". Die Parallelen zwischen den Ausnahmetatbeständen beider Vorschriften zeigen, dass nicht nur eine Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG, sondern auch die Versagung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels nur unter den Voraussetzungen zulässig ist, welche auch die Zurückschiebung eines Flüchtlings in das "Verfolgerland" ermöglichen würden, also nur bei "schwerwiegenden Gründen". Im Übrigen finden sich die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG auch in Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten einem Flüchtling die ihm zuerkannte Rechtsstellung (als Flüchtling) wieder aberkennen, beenden oder ihre Verlängerung ablehnen (Abs. 4), gegebenenfalls die Rechtsstellung von vornherein nicht zuerkennen (Abs. 5), wenn eine der angeführten Gefahren gegeben ist. Auch dies verdeutlicht, dass es sich um besonders gravierende Gefahren handeln muss. Zurückweisung und Ausschluss vom bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus können nur "ultima ratio" sein (vgl. zu Art. 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl 2012, § 37 Rn. 54; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 17.12 - juris). Bei der Gefahr für die Allgemeinheit gelten nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und in Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2004/83/EG mit dem Erfordernis der Verurteilung des Betreffenden wegen "eines besonders schweren Verbrechens" - jedenfalls dem Wortlaut nach - sogar höhere Anforderungen als gemäß Art. 33 Abs. 2, 2. Alternative GFK, wonach eine Verurteilung wegen "eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens" genügt.
135 
Offen bleiben kann hier, ob der Umstand, dass in der deutschen Fassung des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und des Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG nicht "schwerwiegende Gründe" wie in Art. 33 Abs. 2 GFK, sondern lediglich "stichhaltige Gründe" gefordert werden, bedeutet, dass ein geringeres Maß an Überzeugungsgewissheit erforderlich ist (vgl. dazu die englischen Fassungen dieser Bestimmungen: Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”). Mit Blick auf Art. 33 GFK, welcher zwingende Vorgaben für das Refoulement-Verbot und seine Ausnahmen enthält und in Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG aufgegriffen wird, dürften allerdings nicht nur an das Ausmaß der Gefahr, sondern auch an deren Nachweis insgesamt dieselben Anforderungen zu stellen sein wie im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GFK (a.A. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Letztlich kommt es aber hier auf diese Frage nicht an.
136 
Denn selbst wenn man insofern von einer Absenkung des erforderlichen Beweismaßes ausginge, sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht erfüllt. Der vom Kläger begangene Verstoß gegen das Vereinsgesetz, der zu seiner Verurteilung mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen geführt hat, ist ersichtlich nicht als "besonders schwere Straftat" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG anzusehen. Es bestehen aber auch keine "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie bzw. dass er aus "schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes" anzusehen ist im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GFK.
137 
Bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GFK, Art. 14 Abs. 4 und Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten - in bestimmten Grenzen - den Begriff der "Sicherheit" nach dem jeweiligen eigenen Recht selbst definieren, weil auf die Sicherheit des eigenen Staates abzustellen ist und diese im Völkerrecht nicht abschließend festgelegt werden kann (vgl. dazu und zum folgenden: Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich jedenfalls um eine sehr große Gefahr handeln (Marx, a.a.O., § 35 Rn. 182, § 37 Rn. 51, § 54 Rn. 4, m.w.N.). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87). Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 60 Abs. 8 AufenthG von der Möglichkeit der Verweigerung bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus Gebrauch gemacht (vgl. auch § 3 Abs. 4 AsylVfG). Die diesbezügliche Rechtsprechung kann daher zur Auslegung der Voraussetzungen herangezogen werden.
138 
Danach kann die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des Ausweisungstatbestands des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht ausreichen; vielmehr muss sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Stichhaltige bzw. schwerwiegende Gründe liegen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetzt. Vielmehr müssen bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigen, das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK zurücktreten zu lassen. Das ist typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine terroristische Vereinigung bzw. eine Vereinigung, welche den Terrorismus unterstützt, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt. Das kann sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintritt oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mitträgt. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend ist, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lässt sich nicht ab- strakt beantworten, sondern hängt von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt wird (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 30.03.1999 - 9 C 31.98 - juris, zu § 51 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990; Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.).
139 
Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine Aufhebung des Aufenthaltstitels des Klägers und damit seine Ausweisung nicht unter Verweis auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG rechtfertigen. Es bedarf schon genauerer Prüfung, ob tatsächlich noch von einer Gefahr für die (innere und äußere) Sicherheit des deutschen Staates durch Unterstützung der PKK auszugehen sein kann, obwohl diese in den letzten Jahren terroristische Mittel fast überwiegend nur in der Türkei angewandt hat. Abgesehen davon hat der Kläger aber jedenfalls weder selbst Gewalt ausgeübt noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Wie dargelegt, hat er zwar die PKK Anfang der 1990-er Jahre durch die Übernahme einer Vorstandstätigkeit in einem PKK-nahen Verein in Bielefeld, in den Jahren 2005 sowie 2006 durch das Einsammeln von Spenden und das Verkaufen von Zeitschriften sowie ständig durch den Besuch von PKK-nahen Veranstaltungen unterstützt. Der Senat geht aber davon aus, dass der Kläger 2005 und 2006 lediglich vorübergehend wieder eine wichtigere Funktion übernommen hat und nicht weitreichend und vor allem nicht über einen längeren Zeitraum in die Hierarchieebenen der PKK eingebunden war. Schließlich war er nach den Feststellungen im Strafurteil vom 03.12.2008 selbst in der Zeit des Einsammelns von Spenden lediglich unterhalb des Raumverantwortlichen aktiv. Er kann daher nicht - jedenfalls nicht mehr - als ein "Funktionär" der PKK angesehen werden. Bezeichnend ist auch, dass es trotz der dem Senat aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannten engen Überwachung der örtlichen kurdischen Vereine und ihres Umfelds durch das Landesamt für Verfassungsschutz - abgesehen von der Teilnahme an Veranstaltungen - keinerlei Hinweise auf weitere Aktivitäten des Klägers für die PKK bzw. ihr Umfeld gibt. Vor allem in Anbetracht der verstrichenen Zeit seit seiner Betätigung als Spendensammler 2005 und 2006 kann daher derzeit nicht (mehr) von einer gegenwärtigen Gefährdung der Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ausgegangen werden.
140 
b) Damit bedürfen die Vorlagefragen der Klärung durch den Europäischen Gerichtshof. Da die Voraussetzungen für die in Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG eingeräumte Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung der einem Flüchtling erteilten Aufenthaltserlaubnis hier nicht vorliegen, sind zunächst der Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie (aa, Vorlagefragen 1) und gegebenenfalls dessen Voraussetzungen (bb, Vorlagefragen 2) zu klären. Sollte die Regelung keine Anwendung finden auf die Aufhebung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels, stellt sich die Frage, ob eine solche unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist (cc, Vorlagefrage 3).
141 
aa) Vorlagefragen 1
142 
Mit diesen beiden Fragen soll geklärt werden, ob die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels auch bei der Beendigung von Aufenthaltstiteln - und damit für die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht - Anwendung findet, und ob diese gegebenenfalls dahingehend auszulegen ist, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels einer betreffenden Person entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegeben sind.
143 
Zunächst ist festzustellen, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch auf Fälle Anwendung findet, in denen die Flüchtlingsanerkennung vor Geltung dieser Vorschrift erfolgt ist (vgl. dazu oben 2 a) aa)). Derzeit ist noch nicht auf die Neufassung des Art. 24 - in der Fassung der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - abzustellen. Denn diese gilt gemäß Art. 41 Abs. 2 RL 2011/95/EU erst ab dem 22.12.2013. Letztlich kommt es darauf hier aber nicht entscheidend an. Die Vorlagefragen stellen sich ebenso unter Geltung der Richtlinie 2011/95/EU. Denn die beiden Fassungen des ersten Unterabsatzes unterscheiden sich lediglich dadurch, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG an die Zuerkennung des "Schutzstatus" und die geänderte Fassung der Richtlinie 2011/95/EU an die Zuerkennung des "internationalen Schutzes" anknüpft und dass in der älteren Fassung auf die Personen abgestellt wird, denen die "Flüchtlingseigenschaft" zuerkannt worden ist, während in der neuen der Begriff "Flüchtlingseigenschaft" durch "Flüchtlingsstatus" ersetzt wurde. Die materiellen Anforderungen haben sich damit nicht geändert. Abgesehen davon sind in der deutschen Fassung offensichtlich nur Übersetzungsungenauigkeiten beseitigt worden: Der letzte Halbsatz des Absatz 1 Unterabsatz 1 (ebenso in Absatz 3) in der Veröffentlichung in deutscher Sprache (ABl. L 304 vom 30.09.2004, S. 12, in der Fassung der Berichtigung, ABl. L 204 vom 05.08.2005, S. 24) lautete "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen" statt - wie in der neuen Fassung - "es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen" (so aber schon in der englischen Fassung 2004: "unless reasons of compelling national security or public order otherwise reqire", ebenso z.B. in der spanischen, der französischen, der italienischen und der niederländischen Fassung).
144 
Art. 24 RL 2004/83/EG enthält keine ausdrückliche Bestimmung über die Beendigung oder Aufhebung von Aufenthaltstiteln. Dessen Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus (RL 2004/83/EG) - bzw. des internationalen Schutzes (RL 2011/95/EU) - und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel auszustellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (RL 2004/83/EG) - bzw. der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung (RL 2011/95/EU) - dem entgegenstehen. Unterabsatz 2 enthält Regelungen für Familienangehörige, Absatz 2 eine Absatz 1 Unterabsatz 1 entsprechende Verpflichtung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, mit dem Unterschied, dass nicht auf - den nicht für diesen Personenkreis geltenden - Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG verwiesen wird und dass der Aufenthaltstitel eine Geltungsdauer von lediglich einem Jahr enthalten muss. Die Vorschrift bezweckt neben der "Gewährleistung eines Mindestmaßes an Schutz" für "Personen, die tatsächlich Schutz benötigen", die Sicherstellung, dass diesen "ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird" (Erwägungsgrund 6 der RL 2004/83/EG, 12 der RL 2011/95/EU). Dazu gehört die Sicherung des Aufenthaltsstatus von Personen mit internationalem Schutz. Außerdem zielt die Richtlinie auf eine weitgehende Angleichung der Stellung von Flüchtlingen und von Personen mit subsidiärem Schutzstatus (vgl. Erwägungsgrund 7 der RL 2004/83/EG, 13 der RL 2011/95/EU).
145 
Der Senat ist der Auffassung, dass aus der in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG normierten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, anerkannten Flüchtlingen einen mindestens drei Jahre gültigen Aufenthaltstitel zu erteilen, auch das Verbot abzuleiten ist, diesen Aufenthaltstitel bzw. einen bereits bestehenden wieder aufzuheben, ohne dass einer der normierten Gründe gegeben ist, bei deren Vorliegen bereits die Erteilung abgelehnt werden kann. Neben den in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie angeführten zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gehört dazu der Tatbestand des Art. 21 Abs. 3, auf welchen mit dem Vorbehalt des Art. 24 Abs. 1 Unterabsatz 1 „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ explizit verwiesen wird.
146 
Für eine entsprechende Anwendung spricht mit Blick auf das Ziel der Sicherstellung eines "Mindestniveaus von Leistungen" für anerkannte Flüchtlinge schon die grundsätzliche Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Vor allem ist zu bedenken, dass es - neben Art. 21 Abs. 3 RL der Richtlinie - bei bereits erteiltem Titel die Möglichkeit der Aufhebung bzw. Beendigung des Aufenthaltstitels bei Vorliegen der Ausschlusstatbestände der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" geben muss. Schließlich kann es vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Ziel der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn es im letzteren Fall keine Möglichkeit der Aufhebung eines bereits erteilten Titels gäbe. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die maßgeblichen Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden.
147 
Etwas anderes würde zwar gelten, wenn "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" immer voraussetzen würden, dass auch die Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG gegeben sind, also nur einen Unterfall der "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Betreffende eine Gefahr für die Sicherheit oder die Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt," bildeten. Denn dann bestünde kein Bedürfnis für eine entsprechende Auslegung, weil der Aufenthaltstitel gegebenenfalls aufgrund der Ermächtigung in Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie aufgehoben werden könnte. Die Beantwortung der Fragen unter 1 kann daher auch davon abhängen, wie die Fragen unter 2 zur Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie beantwortet werden. Abgesehen davon, dass der Senat der Auffassung ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG hier keine höhere Gefahrenschwelle voraussetzt als der der "stichhaltigen bzw. schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK (vgl. dazu unten zu Vorlagefragen 2), zeigt schon die Verwendung des Begriffs "öffentliche Ordnung", dass die Ausschlussgründe des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG weiter reichen als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie (vgl. dazu genauer unten im Folgenden).
148 
bb) Vorlagefragen 2
149 
Sollte der Europäische Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen, dass die unter 1 angeführten Vorlagefragen zu bejahen sind, stellen sich die unter 2 aufgelisteten zur Auslegung des in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung".
150 
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG ohnehin in den Fällen des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie nicht greifen kann, weil danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie abgelehnt werden kann. Dies wird mit der Einschränkung in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG "unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3" klargestellt. Die Nennung einer weiteren Ausnahme - der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" - dürfte aber wenig Sinn machen, wenn deren Voraussetzungen enger wären als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie. Dafür, dass die Ablehnung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 eher möglich sein soll als nach Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie, sprechen auch Inhalt und Zielsetzung der jeweiligen Regelungen. Bei Art. 21 RL 2004/83/EG geht es primär um den Schutz eines bereits anerkannten Flüchtlings vor Zurückweisung, also einer möglichen Überstellung in das Land, aus dem er wegen Verfolgung geflüchtet ist. Eine solche soll nur - ausnahmsweise - unter den in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie angeführten, Art. 33 Abs. 2 GFK nachgebildeten, Voraussetzungen möglich sein. Dass dann - nach Absatz 3 der Vorschrift - auch der Aufenthaltstitel aufgehoben bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt werden kann, ist lediglich eine folgerichtige Konsequenz der Ausnahmen vom Refoulement-Verbot. Hingegen zielt Art. 24 RL 2004/83/EG auf die Gewährleistung eines Aufenthaltstitels von drei (Abs. 1) bzw. einem Jahr (Abs. 2) für Personen mit zuerkanntem internationalem Schutz. Mit dieser Regelung wurde das erste Mal ein Anspruch anerkannter Flüchtlinge auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels festgelegt. Die Ausnahmen von der Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" erinnern an die des Art. 32 Abs. 1 GFK (vgl. auch Battjes, a.a.O., Art. 24 Rn. 6), nach welchem aus "Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Ausweisung eines Flüchtlings, der sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Staates aufhält, zulässig sein kann. "Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" können im Übrigen auch der Verpflichtung zur Erteilung eines Reiseausweises an Flüchtlinge nach Art. 28 Abs. 1 GFK entgegenstehen. Die mit dem Aufenthaltsstatus - oder auch mit der Frage der Erteilung eines Reiseausweises - verbundenen Fragen sind aber bei weitem nicht von einer derart existentiellen Bedeutung für den Flüchtling wie die, ob er sogar zurückgewiesen werden kann. In der Regel wird bei einem anerkannten Flüchtling allein eine bei Versagung eines Aufenthaltstitels folgende Illegalität des Aufenthalts nicht zu einer Abschiebung führen. Eine solche kommt allenfalls in wenigen Ausnahmefällen und nur in einen aufnahmebereiten Drittstaat in Betracht, welcher seinerseits aber das Refoulement-Verbot zu beachten hat. Dies zeigt auch der vorliegende Fall. Wie ausgeführt, soll und kann auch der Kläger nicht abgeschoben werden. Selbst wenn sein Aufenthaltstitel erlöschen und er derzeit keinen Anspruch auf Erteilung eines anderen Titels haben sollte, müsste er Deutschland nicht verlassen. Er hat nach nationalem Recht einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 AufenthG).
151 
Dafür, dass die Möglichkeiten der Versagung eines Aufenthaltstitel durch die Aufnahme des zusätzlichen Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie bestehenden Ausnahmetatbestände hinaus erweitert werden sollten, sprechen auch die Entstehungsgeschichte des Art. 24 der Richtlinie und deren Erwägungsgrund 28 (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). In der ersten Fassung des - noch vor den Terroranschlägen des 11.09.2001 erarbeiteten - Kommissionsentwurfs vom 12.09.2001 (KOM [2001] 510 endg; Ratsdok. 2001/027 (CNS); siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001) war lediglich die Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels, also ohne explizit geregelte Ausschlussgründe, vorgesehen. Der Vorbehalt "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen" wurde erst später, und zwar zunächst bei der Regelung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, in Absatz 2 (vgl. Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 -, damals Art. 21), dann auch für Absatz 1 Unterabsatz 1 (Ratsdokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -, dort Art. 22), vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang wurde in einer Fußnote zu der entsprechenden Formulierung in Absatz 2 angeführt: Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: "Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt". Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Ratsdokument vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -). Ab 2002 findet sich zudem der Vorbehalt hinsichtlich Art. 21 Abs. 3 (damals 19 Abs. 3; vgl. nur Art. 21 in der Fassung des Ratsdokuments vom 19.12.2002 - 15627/02 -; vgl. auch Dokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -). Die Absätze 2 und 3 des Art. 21 (damals Art. 19) waren bereits kurz zuvor vorgeschlagen worden (vgl. Ratsdokument vom 08.11.2002 - 13468/02 -).
152 
Die geschilderten Ergänzungen und Abänderungen der Richtlinie dürften vor dem Hintergrund der Terroranschläge des 11.09.2001 und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen sein. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 Buchst. a und c die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die Berücksichtigung der Folgen der Anschläge vom 11.09.2001 für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Richtlinie 2004/83/EG wurde zum Beispiel in einer Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002 ausdrücklich gefordert (ABl. EU C 278 vom 14.11.2002, S. 44). Mit diesem Ziel dürften auch weitere Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Richtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf erfolgt sein, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 RL 2004/83/EG und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 (entspricht Erwägungsgrund 31 der RL 2011/95/EU) auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
153 
Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass im Falle von Handlungen zur Unterstützung terroristischer Vereinigungen der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bereits bei Aktivitäten eines niedrigeren Profils mit einem geringeren Gefährdungspotential erfüllt sein kann als dies für die Annahme des Tatbestands der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" in Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie vorausgesetzt wird.
154 
Dabei wäre zunächst zu klären, ob in Anbetracht der Entstehungsgeschichte und mit Blick auf den Zweck der Regelungen nicht sogar anzunehmen ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe" für sich genommen - also ohne diesen in Beziehung zu setzen zu dem Schutzgut, um das es geht - trotz des dagegen sprechenden Wortlauts eine niedrigere Gefahrenschwelle erfordert als der der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG (vgl. dazu Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.; a.A. BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris, unter Verweis auf das Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Die Tatsache, dass die Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, und die Richtlinie 2004/83/EG am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar auf den ersten Blick nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen und entsprechend hohe Anforderungen zu stellen (vgl. zu Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG: EuGH, Urteile vom 23.11.2010 - C-145/09, Tsakouridis - Slg. 2010, I-11979, = juris, und vom 22.05.2012 - C-348/09 I. - juris). Dagegen sprechen aber schon die Unterschiede hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen, der jeweils verfolgten Ziele und der betroffenen Personen. Zudem stellt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG lediglich auf die öffentliche Sicherheit ab, während Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG als Schutzgut neben der öffentlichen Sicherheit auch die Ordnung anführt (vgl. dazu auch Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris). Vor allem geht es um unterschiedlich gravierende Eingriffe. Erlaubt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden," eine Ausweisung, führt das Vorliegen "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 RL 2004/83/EG lediglich zu der für die Betroffenen wesentlich weniger einschneidenden Rechtsfolge der Verweigerung oder des Entzugs des Aufenthaltstitels. Nach Auffassung des Senats ist der Begriff der zwingenden Gründe daher eigenständig und nicht durch Übernahme von Grundsätzen der Unionsbürgerrichtlinie zu entwickeln.
155 
Ungeachtet des Vorgesagten spricht vieles dafür, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" bzw. der "nationalen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG umfassender bzw. weiter zu verstehen ist als der der "Sicherheit des Mitgliedstaats" oder "der Sicherheit des Landes, in dem sich der Betreffende befindet" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK, mit anderen Worten, dass die bedrohten öffentlichen Interessen, die im Falle des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegen die Erteilung oder Aufrechterhaltung des Aufenthaltstitels streiten, von geringerem Gewicht sein können als dies Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie erfordert.
156 
Jedenfalls werden aber die Voraussetzungen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" deshalb eher zu bejahen sein, weil das geschützte Rechtsgut "öffentliche Sicherheit oder Ordnung" allein mit Blick auf die "öffentliche Ordnung" einen weiteren Anwendungsbereich hat als die Sicherheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder auch die Allgemeinheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG (welcher wiederum voraussetzt, dass der Betreffende wegen eine besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde). Dies folgt insbesondere auch aus dem Erwägungsgrund 28, welcher, wie ausgeführt, im Zusammenhang mit der Einfügung des auch in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/83/EG enthaltenen - für Flüchtlinge, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, geltenden - Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" gefasst wurde (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). Wenn danach "der Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auch für die Fälle gilt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt", soll es in diesen Fällen der Unterstützung des internationalen Terrorismus jedenfalls für die Frage der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr darauf ankommen, ob die Sicherheit des Mitgliedstaats in dem Sinne gefährdet ist, dass der Betreffende auch zurückgewiesen bzw. von vornherein von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen werden könnte (Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG, Art. 33 Abs. 2 GFK). Einer genauen Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals der öffentlichen bzw. nationalen Sicherheit von dem der öffentlichen Ordnung bedarf es daher mit Blick auf den Erwägungsgrund 28 der Richtlinie hier nicht. Eine entsprechend weitere Auslegung liegt im Übrigen nicht nur im (Sicherheits-)Interesse des Staates, in welchem sich der Betreffende aufhält, sondern auch in dem der anderen Mitgliedstaaten. Schließlich können sich gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen.
157 
Der Senat verkennt allerdings nicht, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch dahingehend verstanden werden könnte, dass bei Vorliegen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausnahmslos untersagt wird, während Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis ins Ermessen stellt. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Voraussetzungen für die Erfüllung des Ausschlussgrundes der "stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr für den Mitgliedstaat" eher anzunehmen sind als die der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG, könnte dann in der Einführung des Ausschlussgrundes des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG insofern eine Verschärfung zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus gesehen werden, als danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwingend ausgeschlossen wäre (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Zum einen erscheint es aber zweifelhaft, ob die Normierung einer Ausnahme ("es sei denn") von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Folge haben kann - und auch hier hat -, dass den Mitgliedstaaten damit die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen des Ausschlussgrundes gänzlich - und ohne jeden Ermessensspielraum - untersagt wird. Es spricht mehr dafür, dass darin die bloße Einschränkung der Verpflichtung des Mitgliedstaats bzw. des daraus folgenden Anspruchs eines betroffenen Flüchtlings zu sehen ist. Zum anderen erscheint eine solche Auslegung vor allem vor dem Hintergrund fernliegend, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" aus den angeführten Gründen weiter zu verstehen ist als die in den Ausschlussgründen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie genannten Schutzgüter.
158 
Von der Beantwortung der angeführten Fragen hängt ab, ob die Ausweisung des Klägers - und damit auch die gegen ihn aus Sicherheitsgründen verhängte Meldepflicht und die räumliche Beschränkung - wegen entgegenstehenden Unionsrechts als rechtswidrig anzusehen und daher aufzuheben ist. Teilt man das dargelegte weitere Verständnis des Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 2004/83/EG, wäre die Vorlagefrage 2a) zu bejahen. Denn dann könnte dieser Ausschlussgrund erfüllt sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots des Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht vorliegen. „Zwingend“ dürften die Gründe dabei immer dann sein, wenn die für die bloße Verweigerung der Legalität des Aufenthalts maßgeblichen Gründe bezogen auf die Folgen für den Betroffenen verhältnismäßig im engeren Sinn und für die Erreichung dieses Zwecks aus der Sicht der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unerlässlich sind, das heißt mit anderen Worten, wenn auf die Herbeiführung der Rechtsfolge - hier die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels - unter keinen Umständen verzichtet werden kann.
159 
Für den vorliegenden Fall würde dies nach Auffassung des Senats bedeuten, dass wegen des Vorliegens "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" kein Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG besteht, mit der Folge, dass diese Regelung einer Ausweisung nicht entgegensteht. Abgesehen davon, dass beim Kläger nicht ausgeschlossen erscheint, dass er die PKK weiter durch hervorgehobenere Unterstützungshandlungen wie das Einsammeln von Spenden, das Verteilen von Zeitschriften oder die Übernahme anderer Aufgaben unterstützt, ist jedenfalls damit zu rechnen, dass er auch in Zukunft regelmäßig Veranstaltungen besucht, welche in einer besonderen Nähe zur PKK stehen. Zwar hat die letztgenannte Form der Unterstützung für sich genommen keinen besonders hohen Gefährdungsgrad. Mit einer Beteiligung an entsprechenden Veranstaltungen wird aber eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Wie ausgeführt, werden dadurch deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflusst und ihre Aktionsmöglichkeiten sowie ihr Rekrutierungsfeld erweitert. Insgesamt wird damit dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Die vom Kläger über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichem Ausmaß - von der Übernahme der Funktion des Vorstands eines später als Teilorganisation der PKK verbotenen örtlichen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre über das Einsammeln von Spenden 2005 und 2006 bis zur ständigen (bloßen) Teilnahme an unzähligen PKK-nahen Veranstaltungen - vorgenommene Unterstützung der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beseitigung der Legalität des Aufenthalts Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist. Mit einer Aufenthaltserlaubnis könnte sich der Betreffende hingegen im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 SDÜ frei im Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten bewegen und sich auch in anderen Mitgliedstaaten bis zu drei Monate (innerhalb von sechs Monaten) aufhalten. Nach nationalem Recht ist die Ausweisung, die zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führt, zudem Voraussetzung für weitere unter Sicherheitsaspekten wichtige Maßnahmen, wie die des § 54a AufenthG "zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der Sicherheit", insbesondere die Verpflichtung, sich regelmäßig bei der örtlich zuständigen Polizeidienstelle zu melden, (Abs. 1) und die Beschränkung des Aufenthalts auf den Bezirk der Ausländerbehörde (Abs. 2).
160 
Wegen der danach gegebenen individuellen Gefährdung durch den Kläger kann die Frage offen bleiben, ob bei der Prüfung "zwingender Gründe" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch generalpräventive Aspekte - wie die durch die Verweigerung eines Aufenthaltstitels bzw. dessen Aufhebung oder Beendigung gegebenenfalls erzielte abschreckende Wirkung - zu berücksichtigen sind. Die Ausweisung des Klägers (und das Erlöschen seines Aufenthaltstitels als Voraussetzung für die in § 54a Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte vollziehbare Ausreisepflicht) ist hier nach Auffassung des Senats schon deshalb als unerlässlich anzusehen, weil sie Grundlage der ihm gegenüber im Bescheid vom 27.03.2012 verfügten Meldepflicht und der räumlichen Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim ist. Mit diesen Maßnahmen werden die Möglichkeiten des Klägers, die PKK weiter zu unterstützen, effektiv eingeschränkt. So liegt schon der nächste kurdische Verein, welcher einige der PKK-nahen Veranstaltungen ausgerichtet hat, zu deren regelmäßigen Besuch sich der Kläger seinen Angaben nach verpflichtet fühlt, außerhalb des Bezirks der Stadt Mannheim. Die mit der Ausweisung und dem Erlöschen der Niederlassungserlaubnis verbundenen Einschränkungen und Nachteile für den Kläger sind andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls hier nicht als derart gravierend anzusehen, dass darauf verzichtet werden könnte bzw. müsste.
161 
cc) Vorlagefrage 3
162 
Geht man davon aus, dass die Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG in Fällen der Beendigung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung findet, stellt sich die Frage, ob die Regelung des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie als abschließend zu verstehen ist mit der Folge, dass die Aufhebung oder Beendigung des einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels unionsrechtlich nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist. Dann wäre der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Satz 2 AufenthG entsprechend auszulegen. Die Ausweisung des Klägers wäre als rechtswidrig anzusehen.
163 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindestens 18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Asylberechtigten und Ausländern, denen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt worden ist, wird die Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erteilt. Subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes wird die Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erteilt, bei Verlängerung für zwei weitere Jahre. Ausländern, die die Voraussetzungen des § 25 Absatz 3 erfüllen, wird die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr erteilt. Die Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 1 und Absatz 4b werden jeweils für ein Jahr, Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 3 jeweils für zwei Jahre erteilt und verlängert; in begründeten Einzelfällen ist eine längere Geltungsdauer zulässig.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis darf nicht verlängert werden, wenn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen sind.

(3) Einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, ist eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
sein Lebensunterhalt überwiegend gesichert ist,
4.
er über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
§ 9 Absatz 2 Satz 2 bis 6, § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 finden entsprechend Anwendung; von der Voraussetzung in Satz 1 Nummer 3 wird auch abgesehen, wenn der Ausländer die Regelaltersgrenze nach § 35 Satz 2 oder § 235 Absatz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erreicht hat. Abweichend von Satz 1 und 2 ist einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn
1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit drei Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
er die deutsche Sprache beherrscht,
4.
sein Lebensunterhalt weit überwiegend gesichert ist und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
In den Fällen des Satzes 3 finden § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 entsprechend Anwendung. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für einen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4 besitzt, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme vor.

(4) Im Übrigen kann einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 9 Abs. 2 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend. Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens wird abweichend von § 55 Abs. 3 des Asylgesetzes auf die Frist angerechnet. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Artikel 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu folgenden Fragen eingeholt:

1. a) Ist die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels an Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, auch bei der Aufhebung eines bereits erteilten Aufenthaltstitels zu beachten?

b) Ist diese daher dahingehend auszulegen, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) eines anerkannten Flüchtlings entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sind?

2. Für den Fall, dass die Fragen unter 1 zu bejahen sind:

a) Wie ist der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG mit Blick auf Gefahren auszulegen, die von der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ausgehen?

b) Können „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots nach Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht erfüllt sind?

3. Für den Fall, dass die Frage unter 1a) zu verneinen ist:

Ist die Aufhebung bzw. Beendigung des einem anerkannten Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (bzw. der gleichlautenden Nachfolgeregelung der Richtlinie 2011/95/EU) zulässig?

Gründe

 
A)
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebt seit 1989 mit seiner Ehefrau, welche ebenfalls türkische Staatsangehörige ist, und mit inzwischen acht gemeinsamen Kindern, von denen fünf die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist bis heute Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Auf seinen Asylantrag wurde er am 24.06.1993 als Asylberechtigter anerkannt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des - damals geltenden - § 51 Abs. 1 AuslG (Flüchtlingsschutz, heute § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen. Die Anerkennung wurde mit den exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland und der ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei drohenden politischen Verfolgung begründet (vgl. Urteil des VG Minden vom 08.02.1993). Der im Wesentlichen mit geänderten Verhältnissen in der Türkei begründete Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.08.2006 wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30.11.2007 aufgehoben. Seit dem 07.10.1993 ist der Kläger im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels.
Der Kläger war in den 1990er-Jahren in vielfältiger Weise für die PKK (Partiya Karkerên Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) bzw. deren Neben- oder Nachfolgeorganisationen exilpolitsch aktiv. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22.11.1993 wurden der PKK und der ENRK (Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) - einer inzwischen aufgelösten, damals in Deutschland für die PKK aktiven "Frontorganisation" - verboten, sich in Deutschland zu betätigen. Nach § 20 Vereinsgesetz macht sich unter anderem strafbar, wer diesem Verbot zuwiderhandelt (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 18 Satz 2 VereinsG). 1992 wurde der Kläger in den Vorstand des "Arbeiter- und Kulturzentrums der Kurden Bielefeld" gewählt. Der Verein wurde 1993 als Teilorganisation der PKK verboten. Im Asylverfahren gab der Kläger selbst an, er besuche alle Veranstaltungen und Demonstrationen der ERNK. Dabei sei er teilweise als Ordner eingesetzt. Diese exilpolitischen Aktivitäten setzte der Kläger auch nach seiner Asylanerkennung fort. Es kam deshalb zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Jahr 2001 beteiligte er sich an der Unterschriftenaktion im Rahmen der so genannten "Identitätskampagne" der PKK und unterzeichnete die Erklärung "Auch ich bin ein PKK'ler". Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg nahm der Kläger in den folgenden Jahren, auch nach dem Umzug seiner Familie aus dem Raum Bielefeld nach Mannheim im Jahr 2002, weiter regelmäßig an Demonstrationen und Veranstaltungen teil, bei welchen es um die Rechte der Kurden, um die PKK und/oder deren Generalsekretär Abdulah Öcalan ging, darunter auch solche mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan, so genannte "Märtyrergedenkfeiern" (Feiern zum Gedenken an gefallene PKK-Kämpfer und Selbstmordattentäter) und "Volksversammlungen".
Im Juni 2006 reiste der Kläger in den Irak. Er hielt sich dort zwei Monate lang auf und besuchte Verwandte sowie diverse Orte bzw. Stationen im Grenzgebiet zur Türkei. 2007 unternahm er mit seinem ältesten Sohn eine weitere Reise in den Irak.
Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 10.01.2007 wegen des Verdachts eines - durch Betätigung für die PKK begangenen - Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden unter anderem eine handschriftlich verfasste Spendenliste mit 16 Namen und Beträgen zwischen 100 und 1000 EUR sowie eine mit dem Computer im Jahr 2006 erstellte Spendenliste, welche in 4 Ortsbezirke unterteilt war und auf der hinter 29 der insgesamt 48 aufgeführten Namen monatliche Spenden im Zeitraum von Januar bis Mai in Höhe von 10 bis 30 EUR pro Monat vermerkt waren, aufgefunden, außerdem ein Zettel und ein Notizbuch mit Vermerken zu eingesammelten Beträgen, Ausdrucke eines Vordrucks für eine Spendenliste, 4 Zeitschriften Serxwebun, Fotos mit Abdullah Öcalan, darunter eines mit der Aufschrift "PKK" im Scheckkartenformat im Geldbeutel des Klägers, Fotos des Klägers neben bewaffneten Personen, welche von der Reise des Klägers in den Irak im Juni 2006 stammten, Flaggen bzw. Fahnen mit dem Emblem der "KKK" (Koma Komalên Kurdistan), Flaggen mit einer Abbildung von Abdullah Öcalan sowie ein Buch von Öcalan. Der Kläger wurde daraufhin mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen im Urteil hat er dem Verbot einer Betätigung für die PKK zuwidergehandelt. Die PKK bzw. die KONGRA-GEL finanzierten sich durch Beiträge für legale kurdische Vereine, monatliche Mitgliedsbeiträge der Anhänger, Verkauf von Publikationen, Einnahmen beim jährlichen „Kurdistanfestival“ und andere Feste auf örtlicher Ebene sowie Einnahmen aus der jährlich im Herbst/Winter durchgeführten „Spendenkampagne“. Bei dieser „Spendenkampagne“ setze der für Europa zuständige „Rat“ fest, welche Beträge von den einzelnen europäischen Ländern zu erbringen seien. Diese würden auf der jeweiligen Hierarchieebene Raum bzw. Gebiet aufgeschlüsselt. Dabei würden Listen der ortsansässigen Kurden verwendet und die von diesen zu erbringenden „Spenden“ nach der Höhe des jeweiligen Einkommens festgesetzt, wobei etwa ein Monatseinkommen zu erbringen sei. Die Spenden würden von so genannten „Sammelteams“ von zwei bis drei Personen eingesammelt, notfalls auch mit Gewalt eingetrieben. Im Zuge der hierarchischen Gebietsstruktur der PKK sei auch die Bundesrepublik Deutschland in mehrere Gebiete gegliedert, denen jeweils ein Gebietsverantwortlicher vorstehe, der regelmäßig nach einem Jahr ausgewechselt werde. Im Jahr 2005 sei dies bis zum Oktober im Gebiet Mannheim der Gebietsverantwortliche M.T., Deckname D., gewesen. Die Gebiete seien wiederum in Räume aufgeteilt, denen jeweils ein Raumverantwortlicher vorstehe. So sei das Gebiet Mannheim in die Räume Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Worms, Bruchsal, Karlsruhe und Germersheim aufgeteilt. Verantwortlicher im Raum Mannheim sei im Jahr 2005 eine nicht identifizierte Person namens Ma. gewesen. Der Kläger sei in den Jahren 2005 und 2006 im Raum Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen. Er sei direkt dem Raumverantwortlichen für Mannheim namens Ma. unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen M.T. gewesen. Dies schließe die Strafkammer daraus, dass er als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen M.T. zwei Rundschreiben per SMS erhalten habe, in welchen er dazu aufgefordert worden sei, als einer der "Freunde, die für die Räume verantwortlich seien, ... die Freunde, mit denen er "zusammenarbeite, zu benachrichtigen". Außerdem seien sein Vorname und seine Handynummer auf sichergestellten Notizzetteln des Gebietsverantwortlichen M.T. notiert gewesen. In der von ihm übernommenen Funktion habe sich der Kläger mit dem Sammeln und der Weiterleitung von Spenden für die PKK und gelegentlich auch mit der Verteilung der Zeitschrift Serxwebun - eines der Publikationsorgane der PKK bzw. der Nachfolgeorganisation KONGRA-GEL - befasst. Er habe in den im einzelnen aufgeführten Fällen (von insgesamt 29 Personen aus vier Bezirken des Raums Mannheim - jeweils von Januar bis Mai, teilweise auch nur bis März oder April 2006) selbst oder unter Einschaltung von Hilfspersonen Spenden für die PKK gesammelt, diese in seiner Spendenliste verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK, wahrscheinlich in Brüssel, abführen lassen. Er habe sich zudem noch am 10.01.2007 von seinem Sohn mit Hilfe des Computers einen neuen Vordruck einer Spendenliste erstellen lassen. Der Kläger habe das gegen die PKK verhängte Betätigungsverbot gekannt. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Spendenkampagnen für die PKK von großer Bedeutung seien. An ihnen und an dem Verkauf der Zeitschrift habe er mit dem Willen teilgenommen, die PKK zu fördern und die Eintreibung von Spenden und Einnahmen aus Zeitungsverkäufen an den Vorgaben der Partei auszurichten. Nach Verwerfung der Revision durch den Bundesgerichtshof wurde das Urteil am 08.04.2009 rechtskräftig.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27.03.2012 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt Mannheim begrenzt (Ziff. 2). Die Ausweisung wurde auf §§ 55, 56 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Als Ausweisungsgrund wurde § 54 Nr. 5 AufenthG herangezogen, wonach ein Ausländer in der Regel ausgewiesen wird, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder unterstützt hat oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Mit Blick auf die bestehende familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und den minderjährigen Kindern und unter Berücksichtigung seines unbefristeten Aufenthaltsrechts sowie des Status als Asylberechtigter und Flüchtling erging die Ausweisungsverfügung jedoch als Ermessensentscheidung (§§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3, 4 und 5, Satz 5 AufenthG, 55 AufenthG, Art. 6 Abs. 1 GG, 8 EMRK). Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle es sich um Vereinigungen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Aktivitäten des Klägers wie insbesondere das Eintreiben von Spenden, der Verkauf der PKK-Zeitung Serxwebun und auch die ständige Teilnahme an Veranstaltungen der PKK bzw. PKK-naher Vereine seien als Unterstützung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Dabei sei auch von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit auszugehen. Schließlich seien bis weit ins Jahr 2011 Unterstützungshandlungen nachgewiesen. Dem Interesse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet, das sich aus den bestehenden persönlichen und familiären Bindungen ergebe, werde durch Duldungen (d.h. eine Aussetzung der Abschiebung ohne Aufenthaltstitel) Rechnung getragen werden.
Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.08.2012 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde dargelegt: Der Umstand, dass der Kläger durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK verurteilt worden sei, rechtfertige ohne weiteres die Annahme einer relevanten Unterstützungstätigkeit, wenn diese Tätigkeiten nicht sogar auf eine Zugehörigkeit zur Organisation selbst hinwiesen. Des Weiteren stelle jedenfalls der regelmäßige, über Jahre erfolgte häufige Besuch der dem Kläger vorgehaltenen Veranstaltungen, insbesondere wenn es sich um so genannte Märtyrergedenkveranstaltungen und Feiern zum Jahrestag der Gründung der PKK handle, eine relevante Unterstützungstätigkeit dar. Durch das Einsammeln der Spenden und deren Weiterleitung habe der Kläger die PKK sogar in qualifizierter Weise unterstützt.
Auf den vom Kläger gestellten Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28.11.2012 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zugelassen.
Der Kläger bestreitet, dass es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung handelt. Jedenfalls habe er diese nicht unterstützt. Außerdem seien die für ihn als anerkannten Flüchtling geltenden Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, Art. 21 und Art. 24, nicht berücksichtigt worden. Eine Ausweisung setze nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie voraus, dass der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen sei. Solche wären nur zu bejahen, wenn er eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt hätte. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, auch nicht mit Blick auf seine strafrechtliche Verurteilung wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot. Dieser lägen Vorgänge aus den Jahren 2005 und 2006 zugrunde. Ob von ihm - unterstellt die vom beklagten Land behaupteten Aktivitäten träfen zu - eine aktuelle Gefährdung, ausginge, sei weder überprüft noch festgestellt worden. Die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG seien schon deshalb eindeutig nicht erfüllt, weil die danach erforderlichen „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ schwerwiegendere Gründe als die in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie genannten Gründe voraussetzten. Diesbezüglich sei zur Auslegung auf Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - abzustellen.
10 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 04.04.2013 hat der Kläger erklärt, er habe die ihm im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zur Last gelegte Straftat nicht begangen und auch nie eingeräumt. Er sei Kurde und sehe sich als "progressiver Kurde", weshalb er sich verpflichtet fühle, an Newroz-Festen, Demonstrationen und Veranstaltungen von Kurden teilzunehmen. Als Kurde möge er die PKK; er stehe hinter ihr. Er sei aber kein "PKK'ler". Zu letzteren zähle er die Personen, die in den Bergen gegen den Feind kämpfen. Veranstaltungen in Gedenken an die PKK, wie zum Beispiel zum Jahrestag ihrer Gründung, seien für ihn persönlich zwar nicht wichtig. Wenn es aber "für das Volk" wichtig sei, dass er daran teilnehme, könne es sein, dass er das auch mache. Feiern aus Anlass des Geburtstages von Öcalan seien nicht verboten und für ihn persönlich "schon wichtig". An Märtyrergedenkveranstaltungen nehme er teil, wenn es ihm danach sei. Wenn in den Räumen des kurdischen Vereins Versammlungen durchgeführt worden seien, sei er hingegangen. Es habe sich immer um erlaubte Veranstaltungen gehandelt. Als Vorstandsmitglied des kurdischen Vereins in Bielefeld Anfang der 1990-er Jahre habe er lediglich die Aufgabe gehabt, die Einkäufe für den Verein zu erledigen. Nach dem Verbot der PKK habe es deshalb bei ihm zu Hause eine Razzia gegeben und er sei auch angeklagt worden. Später habe er keine Aufgaben mehr übernommen. Nach seinem Umzug nach Mannheim 2002 sei er zwar zunächst noch Mitglied des örtlichen Kulturvereins der Kurden gewesen, nach Verlegung des Vereinssitzes in die benachbarte Stadt Ludwigshafen aber nicht mehr. Wegen der mit der Ausweisungsverfügung gegen ihn verhängten Beschränkung seines Aufenthalts auf die Stadt Mannheim sei er auch nicht mehr dorthin gegangen, früher habe er sich einmal die Woche, manchmal auch täglich, in den Vereinsräumen aufgehalten. Seine Reise in den Irak sei für ihn wie eine "Pilgerreise" gewesen. Dies habe er unter anderem deshalb so empfunden, weil dort sogar Staatsbedienstete wie Polizisten, Richter usw. kurdischer Volkszugehörigkeit seien. Mit einem Neffen sei er überall unterwegs gewesen. Bewaffnete Personen wie die, mit denen er sich auf Fotos habe ablichten lassen, gebe es dort überall.
11 
Das beklagte Land verteidigt den angegriffenen Ausweisungsbescheid. Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 21 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG stünden einer Ausweisung nicht entgegen. Der Kläger sei schließlich rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen verurteilt worden. Den Urteilsgründen des Strafurteils sei zu entnehmen, dass er in den Jahren 2005 und 2006 in Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen sei. Durch das Sammeln von Spenden habe er nicht nur die Strukturen der PKK in Deutschland gestärkt, sondern darüber hinaus auch die kämpfende PKK in der Türkei, die sich unter anderem durch die Spenden ihrer Anhänger finanziere, im Vorfeld qualifiziert unterstützt. Die Ausübung der genannten Tätigkeiten und die gehobene Funktion des Klägers im Raum Mannheim verdeutlichten seine strukturelle Einbindung in die Organisation, durch welche er das Gefährdungspotential der PKK mittrage. Dem stehe nicht entgegen, dass seine Verurteilung schon mehrere Jahre zurückliege. Selbst wenn er seither nicht mehr für das Sammeln von Spenden zuständig sei, belege doch die in den darauffolgenden Jahren weiterhin erfolgte regelmäßige Teilnahme an zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen der PKK das Fehlen der inneren und äußeren Abkehr von der PKK und deren Zielen.
B)
12 
Der Rechtsstreit ist in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO auszusetzen und es ist eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen (Art. 267 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AEUV).
I.
13 
Die für die Erörterung der Vorlagefragen maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
14 
1. Völkerrecht und Unionsrecht
15 
a) Genfer Flüchtlingskonvention
16 
(Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951; GFK)
17 
Artikel 28 - Reiseausweise
18 
1. Die vertragschließenden Staaten werden den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise ausstellen, die ihnen Reisen außerhalb dieses Gebietes gestatten, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen; …
19 
Artikel 32 - Ausweisung
20 
1. Die vertragschließenden Staaten werden einen Flüchtling, der sich rechtmäßig in ihrem Gebiet befindet, nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausweisen.
21 
Artikel 33 - Verbot der Ausweisung und Zurückweisung
22 
1. Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.
23 
2. Auf die Vergünstigung dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.
24 
b) Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ)
25 
Artikel 21
26 
(1) Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen.
27 
c) Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 304 vom 30.09.2004, S. 12; im folgenden RL 2004/83/EG bzw. "Richtlinie“)
28 
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
...
29 
in Erwägung nachstehender Gründe:
30 
...
(6) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie ist es einerseits, ein Mindestmaß an Schutz in allen Mitgliedstaaten für Personen zu gewährleisten, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass allen diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
31 
(7) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Anerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Asylbewerbern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht, einzudämmen.
32 
(22) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, “dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“ und “dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“.
...
33 
(28) Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
34 
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
35 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
36 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
37 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
38 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
39 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
40 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
41 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
42 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
43 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
44 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
45 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
46 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
47 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
48 
d) Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 337 vom 20.12.2011, S. 9, im Folgenden RL 2011/95/EU)
49 
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
50 
in Erwägung nachstehender Gründe:
51 
...
(12) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie besteht darin, einerseits zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien zur Bestimmung der Personen anwenden, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
52 
(13) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Zuerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, zwischen Mitgliedstaaten einzudämmen, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht.
...
53 
(31) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, dass die "Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und dass die "wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen".
...
54 
(37) Der Begriff der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
55 
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
56 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
57 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
58 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
59 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
60 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
61 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
62 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
63 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
64 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
65 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
66 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
67 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
68 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, und ihren Familienangehörigen einen verlängerbaren Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr und im Fall der Verlängerung mindestens zwei Jahre gültig sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
69 
e) Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77, ber. ABl. L 229 vom 29.06.2004, S. 35; im Folgenden RL 2004/38/EG)
70 
Artikel 28 - Schutz vor Ausweisung
71 
...
(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie
72 
a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder
b) minderjährig sind, es sei denn, ...
73 
2. Nationales Recht:
74 
a) Aufenthaltsgesetz (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 30.07.2004, BGBl. I 1950, in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.02.2008, BGBl. I, S. 162, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 15.02.2013, BGBl. I, S. 254; AufenthG)
75 
§ 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot
76 
(1) Ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, darf nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Wirkungen werden auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Die Frist beginnt mit der Ausreise. …
(2) ...
77 
§ 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen
78 
(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.
79 
(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat (§ 3 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes). Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
...
80 
(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann abweichend von § 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist...
81 
§ 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen
82 
(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:
83 
...
5. Ausweisung des Ausländers,
84 
§ 54 Ausweisung im Regelfall
85 
Ein Ausländer wird in der Regel ausgewiesen, wenn
1. ...
...
86 
5. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen,
87 
§ 54a Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit
88 
(1) Ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. …
89 
(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.
90 
§ 55 Ermessensausweisung
91 
(1) Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.
92 
(2) Ein Ausländer kann nach Absatz 1 insbesondere ausgewiesen werden, wenn er ...
93 
(3) Bei der Entscheidung über die Ausweisung sind zu berücksichtigen
94 
1. die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet,
2. die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen oder Lebenspartner des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft leben,
3. die in § 60a Abs. 2 und 2b genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung.
95 
§ 56 Besonderer Ausweisungsschutz
96 
(1) Ein Ausländer, der
97 
1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
1a. eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt,
2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 bis 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4. mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
5. als Asylberechtigter anerkannt ist, im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt oder einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, genießt besonderen Ausweisungsschutz. Er wird nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegen in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor. Liegen die Voraussetzungen des § 53 vor, so wird der Ausländer in der Regel ausgewiesen. Liegen die Voraussetzungen des § 54 vor, so wird über seine Ausweisung nach Ermessen entschieden.
98 
§ 60 Verbot der Abschiebung
99 
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurden.
100 
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes erfüllt.
101 
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden.
102 
§ 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
103 

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn…
...
104 
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
105 
b) Vereinsgesetz
106 
(Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 05.08.1964, BGBl. I 1964, S. 593; VereinsG)
107 
§ 18 Räumlicher Geltungsbereich von Vereinsverboten
108 
Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes keine Organisation, so richtet sich das Verbot (§ 3 Abs. 1) gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich.
109 
§ 20 Zuwiderhandlungen gegen Verbote
110 
(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit
111 
...
4. einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5. ...,
112 
wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ ….… des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist.
II.
113 
Zu den im Beschlusstenor angeführten Fragen - welche noch nicht Gegenstand von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs waren - ist eine Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV einzuholen, weil diese entscheidungserheblich sind und der Klärung bedürfen.
114 
Gemessen an den Bestimmungen des nationalen Rechts kann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen, weil die Ausweisung und die mit ihr verfügte Aufenthaltsbeschränkung sowie die Meldeauflage danach als rechtmäßig zu beurteilen sind (dazu unter 1.). Es kommt daher darauf an, ob Unionsrecht - hier Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 oder Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG - einer Ausweisung des Klägers entgegensteht (2.)
115 
1. Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Akten und Unterlagen sowie der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Sachverhalt und die nationale Rechtslage - ohne Berücksichtigung von Art. 21 oder 24 RL 2004/83/EG - derzeit (maßgeblich wäre letztlich der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Senats über das Berufungsverfahren) wie folgt zu beurteilen wären:
116 
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG sind gegeben (a). Die Ausweisung lässt sich nach nationalem Recht auch insgesamt rechtlich nicht beanstanden, insbesondere liegen keine Ermessensfehler vor (b). Danach wären die räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Klägers und die ihm gegenüber verfügte Meldeauflage ebenfalls rechtmäßig (c).
117 
a) Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG liegt vor.
118 
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris, Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, jew. m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16.02.2012 - AK 1/12 und 2/12 - juris) sind die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris) und ändert nichts an deren bislang grundsätzlich weiter bestehenden Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei. Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP - ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2012/765/GASP des Rates vom 10.12.2012, ABl. EU L 337 vom 11.12.2012, S. 50). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09, B. und D. - Slg. 2010, I-10979, = juris).
119 
Zwar hat Abdullah Öcalan im März dieses Jahres eine Waffenruhe verkündet, die das Ergebnis von Verhandlungen mit dem türkischen Geheimdienst sein soll. Diese ist dann von der PKK tatsächlich ausgerufen worden. Inzwischen hat nach Medienberichten der Abzug von PKK-Kämpfern aus der Türkei bereits begonnen; er soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. Allein deshalb kann aber noch nicht angenommen werden, die PKK wäre nicht mehr als terroristische Organisation anzusehen. Schließlich gab es auch in der Vergangenheit entsprechende Erklärungen, die zu keiner wesentlichen Änderung auf Dauer geführt haben. So wurde ein 1999 ausgerufener „Friedenskurs“ 2004 wieder beendet. Selbst in der Zwischenzeit hatte die PKK nicht auf Gewalt verzichtet.
120 
Der Senat ist auch der Überzeugung, dass der Kläger die PKK unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die von ihm ausgeübten Aktivitäten zur Unterstützung haben dabei sicherlich unterschiedliches Gewicht und unterschiedliche Qualität. Von besonderer Bedeutung ist das "Sammeln" bzw. "Eintreiben" und das Weiterleiten von Spenden für die PKK aus vier Bezirken des Raums Mannheim in den Jahren 2005 und 2006. Der Senat folgt insoweit den Feststellungen des Landgerichts Karlsruhe im Strafurteil vom 03.12.2008. Danach war der Kläger zwar nicht in einer Führungsposition, etwa als Gebiets- oder Raumverantwortlicher, für die PKK aktiv, er hatte aber jedenfalls eine besondere Stellung inne, welche einen aktiven Einsatz auch nach außen hin erforderte. Schließlich mussten die Spenden regelmäßig einkassiert und gegebenenfalls eingefordert werden. Die Spendenkampagnen sind für die PKK von großer Bedeutung, was dem Kläger bekannt war. Hinzu kommt der Verkauf der PKK-Zeitschrift Serxwebun. Länger zurück liegen die Aktivitäten des Klägers in Bielefeld als Vorstandsmitglied eines später verbotenen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre. Diese sowie die regelmäßige Teilnahme an diversen PKK-nahen Veranstaltungen, auf welche sich der Kläger auch in seinen Asylverfahren berufen hat, zeigen aber, dass er seit seiner Einreise nach Deutschland durchgehend für die PKK aktiv war. Auch der bloße Besuch der angeführten Feiern bzw. Versammlungen mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan sowie so genannte "Märtyrergedenkfeiern" und "Volksversammlungen" (vgl. zu letzteren genauer Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - a.a.O.) fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger. Diese Veranstaltungen haben schon von ihrem Anlass bzw. ihrer Thematik her für die Besucher erkennbar den Charakter einer Propagandaveranstaltung für die PKK und werden auch entsprechend inszeniert. Die durch eine Teilnahme an solchen besonderen Veranstaltungen ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung und Ansehen in der Gesellschaft, namentlich unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, damit ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Sie kann daher - auch in Ansehung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit - als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung anzusehen sein (vgl. dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - sowie Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, jew. a.a.O. und m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.01.2013 - 11 S 1581/12 - juris). Davon ist hier in Anbetracht der Vielzahl von einschlägigen Veranstaltungen, die der Kläger im Laufe von mittlerweile über zwei Jahrzehnten besucht hat, auszugehen. Er hat in der mündlichen Verhandlung zudem deutlich gemacht, dass es ihm tatsächlich darum geht, die PKK zu unterstützen, und dass er sich verpflichtet fühlt, an entsprechenden Veranstaltungen teilzunehmen. Soweit er vorgetragen hat, er sei kein "PKK'ler", das seien doch nur die Kämpfer in den Bergen, und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach nicht darauf an, ob die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre oder ob die Veranstaltung, um deren Besuch es geht, verboten wurde (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O., m.w.N.). Abgesehen davon hat sich der Kläger unter anderem wegen des Einsammelns und Weiterleitens von Spenden für die PKK sogar strafbar gemacht.
121 
Vor dem Hintergrund der langjährigen Aktivitäten des Klägers kann auch nicht allein aus der Tatsache, dass er inzwischen weniger - und seit Ergehen der Ausweisungsverfügung am 27.03.2012 kaum mehr - an entsprechenden Veranstaltungen teilnimmt, geschlossen werden, dass er nicht mehr als Unterstützer der PKK anzusehen wäre. Es ist im Gegenteil bezeichnend, dass er selbst nach der Durchsuchung seiner Wohnung wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz am 10.01.2007 und während des daran anschließenden Strafverfahrens und selbst noch nach Hinweis durch das Regierungspräsidium in einem Schreiben vom 09.10.2009, dass seine Ausweisung geprüft werde, weiter PKK-nahe Veranstaltungen besucht hat. Seit Erlass des Ausweisungsbescheids vom 27.03.2012 ist zudem sein Aufenthalt aufgrund der darin unter Ziffer 2 verfügten sofort vollziehbaren Anordnung auf den Stadtbezirk Mannheims beschränkt. Dies ist seinen Angaben nach auch der Grund dafür, dass er nicht einmal mehr den kurdischen Verein in Ludwigshafen besucht. In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass der Kläger sich lediglich mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und seine Aktivitäten andernfalls zumindest mit dem Besuch von Veranstaltungen der geschilderten Art fortsetzen bzw. wieder aufgreifen würde. Es ist daher davon auszugehen, dass er auch künftig die PKK nachhaltig unterstützen wird.
122 
b) Die Ausweisung ist - bei einer Beurteilung rein nach nationalem Recht - auch im Übrigen rechtmäßig.
123 
Unter anderem wegen seiner Rechtsstellung als anerkannter Asylbewerber und als Flüchtling sowie der bestehenden familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern deutscher Staatsangehörigkeit (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 und 5 AufenthG) genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier in Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, nicht gegeben. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§§ 56 Abs. 1 Satz 5, 55 AufenthG). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung insbesondere als verhältnismäßig anzusehen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Kläger Deutschland nicht - als Folge der Ausweisung - verlassen müsste, sondern jedenfalls weiter geduldet würde.
124 
c) Damit liegen auch die Voraussetzungen für Maßnahmen zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit nach § 54a Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG vor. Die Verpflichtung des Klägers unter Ziffer 2 des Bescheids vom 27.03.2012, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, beruht auf § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG; die Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim folgt aus § 54a Abs. 2 AufenthG.
125 
2. Es ist aber weiter zu prüfen, ob - und gegebenenfalls in welcher Weise - die nach nationalem Recht bei der Ausweisung eines Flüchtlings geltenden Voraussetzungen durch vorrangiges Unionsrecht modifiziert werden. Das würde hier bedeuten, dass der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG mit Blick auf Unionsrecht gegebenenfalls abweichend - unionsrechtskonform - auszulegen ist.
126 
Vorab ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass die Ausweisung des Klägers nicht an Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation zu messen ist. Da der Kläger nie einer Arbeit nachgegangen ist, hat er auch keine Rechtsstellung nach Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses erworben.
127 
Als unionsrechtlicher Prüfungsmaßstab für die Ausweisung des Klägers als anerkannter Flüchtling kommen die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bzw. die entsprechenden Nachfolgevorschriften der Richtlinie 2011/95/EU in Betracht. Der Senat ist der Überzeugung, dass die Voraussetzungen des - auf die Ausweisung anzuwendenden - Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind (dazu unter a). Deshalb stellen sich die Vorlagefragen (b).
128 
a) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG ist auch bei der Ausweisung eines Flüchtlings nach deutschem Recht anwendbar (aa). Dessen Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor (bb).
129 
aa) Gemäß Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG achten die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Nach Absatz 2 der Regelung kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Gemäß Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
130 
Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gilt auch für Fälle, in denen der einem Flüchtling erteilte Aufenthaltstitel vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 RL 2004/83/EG) oder sogar vor deren Inkrafttreten am 20.10.2004 erteilt worden ist. Art. 21 RL 2004/83/EG enthält - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 RL 2004/83/EG bezüglich Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie gestellt werden - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass dessen Anwendbarkeit bei bereits erteilten Aufenthaltstiteln ausgeschlossen wäre. Auf die Frage, ob bereits auf die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, welche am 09.01.2012 in Kraft getreten ist (vgl. dazu deren Art. 41 Abs. 1), abzustellen ist, kommt es nicht an, weil Art. 21 unverändert geblieben ist (soweit im Folgenden auf Art. 21 RL 2004/83/EG abgestellt wird, gelten die entsprechenden Ausführungen daher ebenso bezüglich Art. 21 RL 2011/95/EU).
131 
Eine Ausweisung nach deutschem Recht führt nicht zwingend zu einer Abschiebung des Betreffenden und damit auch nicht zu einer "Zurückweisung" im Sinne des Art. 21 Abs. 1 und 2 RL 2004/83/EG, sie kann daher nicht unmittelbar gegen den in Absatz 1 angeführten Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass er unter anderem wegen der familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern, von denen einige die deutsche Staatsangehörigkeit haben, (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK) und wegen seines Status als anerkannter Asylbewerber und Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) nicht abgeschoben werden darf und soll.
132 
Auf eine Ausweisung finden jedoch die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG über die Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln bei Flüchtlingen Anwendung. Dies folgt daraus, dass nach nationalem Recht (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) eine Ausweisung ohne Weiteres das Erlöschen des dem Betreffenden erteilten Aufenthaltstitels, hier der Niederlassungserlaubnis des Klägers, zur Folge hat. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG wird diesem auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein (neuer) Aufenthaltstitel erteilt (vgl. auch § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Sie hat außerdem Folgen für den Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten, die nach deutschem Recht in der Regel an das Bestehen eines Titels (vgl. §§ 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 AufenthG, 4 Abs. 2 und 3 AufenthG) und nicht wie nach Art. 26 ff. RL 2004/83/EG an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft anknüpfen. Das beklagte Land geht im Übrigen davon aus, dass dem Kläger - sollte die Ausweisung rechtskräftig werden - jedenfalls vorerst kein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, sondern dass er lediglich einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, also auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung hat. Diese lässt die Ausreisepflicht unberührt (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Aus alledem folgt nach Auffassung des Senats, dass die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht der Beendigung eines Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gleichzustellen ist.
133 
bb) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG lässt jedoch im vorliegenden Fall nicht die Beendigung des Aufenthaltstitels - und damit in letzter Konsequenz auch nicht eine Ausweisung - zu. Erforderlich wäre danach, dass "Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet". Dieser Verweis auf den zweiten Absatz bedeutet, dass die Aufhebung bzw. die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels voraussetzt, dass eine Zurückweisung des betreffenden Flüchtlings nicht nach völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt wäre (siehe dazu den Vorbehalt des Einleitungssatzes "sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist") und dass die in den Buchstaben a oder b des Art. 21 Abs. 2 RL der Richtlinie genannten Gefahren gegeben sind (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris). Hier fehlt es schon am Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder b RL 2004/83/EG.
134 
Diese entsprechen im Wesentlichen den in Art. 33 Abs. 2 GFK enthaltenen Voraussetzungen für eine Durchbrechung des völkerrechtlichen Refoulement-Verbots (vgl. dazu Battjes in: Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, Ch. IV.3. Council Directive 2004/83/EC, Art. 21 Rn. 11). Art. 33 Abs. 1 GFK untersagt die Ausweisung oder Zurückweisung eines Flüchtlings über die Grenzen von Gebieten, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach Absatz 2 kann sich auf die Vergünstigung jedoch ein Flüchtling nicht berufen, "der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde". Die Parallelen zwischen den Ausnahmetatbeständen beider Vorschriften zeigen, dass nicht nur eine Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG, sondern auch die Versagung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels nur unter den Voraussetzungen zulässig ist, welche auch die Zurückschiebung eines Flüchtlings in das "Verfolgerland" ermöglichen würden, also nur bei "schwerwiegenden Gründen". Im Übrigen finden sich die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG auch in Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten einem Flüchtling die ihm zuerkannte Rechtsstellung (als Flüchtling) wieder aberkennen, beenden oder ihre Verlängerung ablehnen (Abs. 4), gegebenenfalls die Rechtsstellung von vornherein nicht zuerkennen (Abs. 5), wenn eine der angeführten Gefahren gegeben ist. Auch dies verdeutlicht, dass es sich um besonders gravierende Gefahren handeln muss. Zurückweisung und Ausschluss vom bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus können nur "ultima ratio" sein (vgl. zu Art. 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl 2012, § 37 Rn. 54; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 17.12 - juris). Bei der Gefahr für die Allgemeinheit gelten nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und in Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2004/83/EG mit dem Erfordernis der Verurteilung des Betreffenden wegen "eines besonders schweren Verbrechens" - jedenfalls dem Wortlaut nach - sogar höhere Anforderungen als gemäß Art. 33 Abs. 2, 2. Alternative GFK, wonach eine Verurteilung wegen "eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens" genügt.
135 
Offen bleiben kann hier, ob der Umstand, dass in der deutschen Fassung des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und des Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG nicht "schwerwiegende Gründe" wie in Art. 33 Abs. 2 GFK, sondern lediglich "stichhaltige Gründe" gefordert werden, bedeutet, dass ein geringeres Maß an Überzeugungsgewissheit erforderlich ist (vgl. dazu die englischen Fassungen dieser Bestimmungen: Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”). Mit Blick auf Art. 33 GFK, welcher zwingende Vorgaben für das Refoulement-Verbot und seine Ausnahmen enthält und in Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG aufgegriffen wird, dürften allerdings nicht nur an das Ausmaß der Gefahr, sondern auch an deren Nachweis insgesamt dieselben Anforderungen zu stellen sein wie im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GFK (a.A. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Letztlich kommt es aber hier auf diese Frage nicht an.
136 
Denn selbst wenn man insofern von einer Absenkung des erforderlichen Beweismaßes ausginge, sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht erfüllt. Der vom Kläger begangene Verstoß gegen das Vereinsgesetz, der zu seiner Verurteilung mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen geführt hat, ist ersichtlich nicht als "besonders schwere Straftat" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG anzusehen. Es bestehen aber auch keine "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie bzw. dass er aus "schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes" anzusehen ist im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GFK.
137 
Bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GFK, Art. 14 Abs. 4 und Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten - in bestimmten Grenzen - den Begriff der "Sicherheit" nach dem jeweiligen eigenen Recht selbst definieren, weil auf die Sicherheit des eigenen Staates abzustellen ist und diese im Völkerrecht nicht abschließend festgelegt werden kann (vgl. dazu und zum folgenden: Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich jedenfalls um eine sehr große Gefahr handeln (Marx, a.a.O., § 35 Rn. 182, § 37 Rn. 51, § 54 Rn. 4, m.w.N.). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87). Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 60 Abs. 8 AufenthG von der Möglichkeit der Verweigerung bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus Gebrauch gemacht (vgl. auch § 3 Abs. 4 AsylVfG). Die diesbezügliche Rechtsprechung kann daher zur Auslegung der Voraussetzungen herangezogen werden.
138 
Danach kann die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des Ausweisungstatbestands des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht ausreichen; vielmehr muss sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Stichhaltige bzw. schwerwiegende Gründe liegen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetzt. Vielmehr müssen bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigen, das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK zurücktreten zu lassen. Das ist typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine terroristische Vereinigung bzw. eine Vereinigung, welche den Terrorismus unterstützt, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt. Das kann sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintritt oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mitträgt. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend ist, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lässt sich nicht ab- strakt beantworten, sondern hängt von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt wird (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 30.03.1999 - 9 C 31.98 - juris, zu § 51 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990; Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.).
139 
Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine Aufhebung des Aufenthaltstitels des Klägers und damit seine Ausweisung nicht unter Verweis auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG rechtfertigen. Es bedarf schon genauerer Prüfung, ob tatsächlich noch von einer Gefahr für die (innere und äußere) Sicherheit des deutschen Staates durch Unterstützung der PKK auszugehen sein kann, obwohl diese in den letzten Jahren terroristische Mittel fast überwiegend nur in der Türkei angewandt hat. Abgesehen davon hat der Kläger aber jedenfalls weder selbst Gewalt ausgeübt noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Wie dargelegt, hat er zwar die PKK Anfang der 1990-er Jahre durch die Übernahme einer Vorstandstätigkeit in einem PKK-nahen Verein in Bielefeld, in den Jahren 2005 sowie 2006 durch das Einsammeln von Spenden und das Verkaufen von Zeitschriften sowie ständig durch den Besuch von PKK-nahen Veranstaltungen unterstützt. Der Senat geht aber davon aus, dass der Kläger 2005 und 2006 lediglich vorübergehend wieder eine wichtigere Funktion übernommen hat und nicht weitreichend und vor allem nicht über einen längeren Zeitraum in die Hierarchieebenen der PKK eingebunden war. Schließlich war er nach den Feststellungen im Strafurteil vom 03.12.2008 selbst in der Zeit des Einsammelns von Spenden lediglich unterhalb des Raumverantwortlichen aktiv. Er kann daher nicht - jedenfalls nicht mehr - als ein "Funktionär" der PKK angesehen werden. Bezeichnend ist auch, dass es trotz der dem Senat aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannten engen Überwachung der örtlichen kurdischen Vereine und ihres Umfelds durch das Landesamt für Verfassungsschutz - abgesehen von der Teilnahme an Veranstaltungen - keinerlei Hinweise auf weitere Aktivitäten des Klägers für die PKK bzw. ihr Umfeld gibt. Vor allem in Anbetracht der verstrichenen Zeit seit seiner Betätigung als Spendensammler 2005 und 2006 kann daher derzeit nicht (mehr) von einer gegenwärtigen Gefährdung der Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ausgegangen werden.
140 
b) Damit bedürfen die Vorlagefragen der Klärung durch den Europäischen Gerichtshof. Da die Voraussetzungen für die in Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG eingeräumte Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung der einem Flüchtling erteilten Aufenthaltserlaubnis hier nicht vorliegen, sind zunächst der Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie (aa, Vorlagefragen 1) und gegebenenfalls dessen Voraussetzungen (bb, Vorlagefragen 2) zu klären. Sollte die Regelung keine Anwendung finden auf die Aufhebung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels, stellt sich die Frage, ob eine solche unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist (cc, Vorlagefrage 3).
141 
aa) Vorlagefragen 1
142 
Mit diesen beiden Fragen soll geklärt werden, ob die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels auch bei der Beendigung von Aufenthaltstiteln - und damit für die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht - Anwendung findet, und ob diese gegebenenfalls dahingehend auszulegen ist, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels einer betreffenden Person entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegeben sind.
143 
Zunächst ist festzustellen, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch auf Fälle Anwendung findet, in denen die Flüchtlingsanerkennung vor Geltung dieser Vorschrift erfolgt ist (vgl. dazu oben 2 a) aa)). Derzeit ist noch nicht auf die Neufassung des Art. 24 - in der Fassung der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - abzustellen. Denn diese gilt gemäß Art. 41 Abs. 2 RL 2011/95/EU erst ab dem 22.12.2013. Letztlich kommt es darauf hier aber nicht entscheidend an. Die Vorlagefragen stellen sich ebenso unter Geltung der Richtlinie 2011/95/EU. Denn die beiden Fassungen des ersten Unterabsatzes unterscheiden sich lediglich dadurch, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG an die Zuerkennung des "Schutzstatus" und die geänderte Fassung der Richtlinie 2011/95/EU an die Zuerkennung des "internationalen Schutzes" anknüpft und dass in der älteren Fassung auf die Personen abgestellt wird, denen die "Flüchtlingseigenschaft" zuerkannt worden ist, während in der neuen der Begriff "Flüchtlingseigenschaft" durch "Flüchtlingsstatus" ersetzt wurde. Die materiellen Anforderungen haben sich damit nicht geändert. Abgesehen davon sind in der deutschen Fassung offensichtlich nur Übersetzungsungenauigkeiten beseitigt worden: Der letzte Halbsatz des Absatz 1 Unterabsatz 1 (ebenso in Absatz 3) in der Veröffentlichung in deutscher Sprache (ABl. L 304 vom 30.09.2004, S. 12, in der Fassung der Berichtigung, ABl. L 204 vom 05.08.2005, S. 24) lautete "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen" statt - wie in der neuen Fassung - "es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen" (so aber schon in der englischen Fassung 2004: "unless reasons of compelling national security or public order otherwise reqire", ebenso z.B. in der spanischen, der französischen, der italienischen und der niederländischen Fassung).
144 
Art. 24 RL 2004/83/EG enthält keine ausdrückliche Bestimmung über die Beendigung oder Aufhebung von Aufenthaltstiteln. Dessen Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus (RL 2004/83/EG) - bzw. des internationalen Schutzes (RL 2011/95/EU) - und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel auszustellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (RL 2004/83/EG) - bzw. der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung (RL 2011/95/EU) - dem entgegenstehen. Unterabsatz 2 enthält Regelungen für Familienangehörige, Absatz 2 eine Absatz 1 Unterabsatz 1 entsprechende Verpflichtung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, mit dem Unterschied, dass nicht auf - den nicht für diesen Personenkreis geltenden - Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG verwiesen wird und dass der Aufenthaltstitel eine Geltungsdauer von lediglich einem Jahr enthalten muss. Die Vorschrift bezweckt neben der "Gewährleistung eines Mindestmaßes an Schutz" für "Personen, die tatsächlich Schutz benötigen", die Sicherstellung, dass diesen "ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird" (Erwägungsgrund 6 der RL 2004/83/EG, 12 der RL 2011/95/EU). Dazu gehört die Sicherung des Aufenthaltsstatus von Personen mit internationalem Schutz. Außerdem zielt die Richtlinie auf eine weitgehende Angleichung der Stellung von Flüchtlingen und von Personen mit subsidiärem Schutzstatus (vgl. Erwägungsgrund 7 der RL 2004/83/EG, 13 der RL 2011/95/EU).
145 
Der Senat ist der Auffassung, dass aus der in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG normierten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, anerkannten Flüchtlingen einen mindestens drei Jahre gültigen Aufenthaltstitel zu erteilen, auch das Verbot abzuleiten ist, diesen Aufenthaltstitel bzw. einen bereits bestehenden wieder aufzuheben, ohne dass einer der normierten Gründe gegeben ist, bei deren Vorliegen bereits die Erteilung abgelehnt werden kann. Neben den in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie angeführten zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gehört dazu der Tatbestand des Art. 21 Abs. 3, auf welchen mit dem Vorbehalt des Art. 24 Abs. 1 Unterabsatz 1 „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ explizit verwiesen wird.
146 
Für eine entsprechende Anwendung spricht mit Blick auf das Ziel der Sicherstellung eines "Mindestniveaus von Leistungen" für anerkannte Flüchtlinge schon die grundsätzliche Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Vor allem ist zu bedenken, dass es - neben Art. 21 Abs. 3 RL der Richtlinie - bei bereits erteiltem Titel die Möglichkeit der Aufhebung bzw. Beendigung des Aufenthaltstitels bei Vorliegen der Ausschlusstatbestände der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" geben muss. Schließlich kann es vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Ziel der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn es im letzteren Fall keine Möglichkeit der Aufhebung eines bereits erteilten Titels gäbe. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die maßgeblichen Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden.
147 
Etwas anderes würde zwar gelten, wenn "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" immer voraussetzen würden, dass auch die Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG gegeben sind, also nur einen Unterfall der "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Betreffende eine Gefahr für die Sicherheit oder die Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt," bildeten. Denn dann bestünde kein Bedürfnis für eine entsprechende Auslegung, weil der Aufenthaltstitel gegebenenfalls aufgrund der Ermächtigung in Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie aufgehoben werden könnte. Die Beantwortung der Fragen unter 1 kann daher auch davon abhängen, wie die Fragen unter 2 zur Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie beantwortet werden. Abgesehen davon, dass der Senat der Auffassung ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG hier keine höhere Gefahrenschwelle voraussetzt als der der "stichhaltigen bzw. schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK (vgl. dazu unten zu Vorlagefragen 2), zeigt schon die Verwendung des Begriffs "öffentliche Ordnung", dass die Ausschlussgründe des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG weiter reichen als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie (vgl. dazu genauer unten im Folgenden).
148 
bb) Vorlagefragen 2
149 
Sollte der Europäische Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen, dass die unter 1 angeführten Vorlagefragen zu bejahen sind, stellen sich die unter 2 aufgelisteten zur Auslegung des in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung".
150 
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG ohnehin in den Fällen des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie nicht greifen kann, weil danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie abgelehnt werden kann. Dies wird mit der Einschränkung in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG "unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3" klargestellt. Die Nennung einer weiteren Ausnahme - der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" - dürfte aber wenig Sinn machen, wenn deren Voraussetzungen enger wären als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie. Dafür, dass die Ablehnung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 eher möglich sein soll als nach Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie, sprechen auch Inhalt und Zielsetzung der jeweiligen Regelungen. Bei Art. 21 RL 2004/83/EG geht es primär um den Schutz eines bereits anerkannten Flüchtlings vor Zurückweisung, also einer möglichen Überstellung in das Land, aus dem er wegen Verfolgung geflüchtet ist. Eine solche soll nur - ausnahmsweise - unter den in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie angeführten, Art. 33 Abs. 2 GFK nachgebildeten, Voraussetzungen möglich sein. Dass dann - nach Absatz 3 der Vorschrift - auch der Aufenthaltstitel aufgehoben bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt werden kann, ist lediglich eine folgerichtige Konsequenz der Ausnahmen vom Refoulement-Verbot. Hingegen zielt Art. 24 RL 2004/83/EG auf die Gewährleistung eines Aufenthaltstitels von drei (Abs. 1) bzw. einem Jahr (Abs. 2) für Personen mit zuerkanntem internationalem Schutz. Mit dieser Regelung wurde das erste Mal ein Anspruch anerkannter Flüchtlinge auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels festgelegt. Die Ausnahmen von der Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" erinnern an die des Art. 32 Abs. 1 GFK (vgl. auch Battjes, a.a.O., Art. 24 Rn. 6), nach welchem aus "Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Ausweisung eines Flüchtlings, der sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Staates aufhält, zulässig sein kann. "Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" können im Übrigen auch der Verpflichtung zur Erteilung eines Reiseausweises an Flüchtlinge nach Art. 28 Abs. 1 GFK entgegenstehen. Die mit dem Aufenthaltsstatus - oder auch mit der Frage der Erteilung eines Reiseausweises - verbundenen Fragen sind aber bei weitem nicht von einer derart existentiellen Bedeutung für den Flüchtling wie die, ob er sogar zurückgewiesen werden kann. In der Regel wird bei einem anerkannten Flüchtling allein eine bei Versagung eines Aufenthaltstitels folgende Illegalität des Aufenthalts nicht zu einer Abschiebung führen. Eine solche kommt allenfalls in wenigen Ausnahmefällen und nur in einen aufnahmebereiten Drittstaat in Betracht, welcher seinerseits aber das Refoulement-Verbot zu beachten hat. Dies zeigt auch der vorliegende Fall. Wie ausgeführt, soll und kann auch der Kläger nicht abgeschoben werden. Selbst wenn sein Aufenthaltstitel erlöschen und er derzeit keinen Anspruch auf Erteilung eines anderen Titels haben sollte, müsste er Deutschland nicht verlassen. Er hat nach nationalem Recht einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 AufenthG).
151 
Dafür, dass die Möglichkeiten der Versagung eines Aufenthaltstitel durch die Aufnahme des zusätzlichen Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie bestehenden Ausnahmetatbestände hinaus erweitert werden sollten, sprechen auch die Entstehungsgeschichte des Art. 24 der Richtlinie und deren Erwägungsgrund 28 (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). In der ersten Fassung des - noch vor den Terroranschlägen des 11.09.2001 erarbeiteten - Kommissionsentwurfs vom 12.09.2001 (KOM [2001] 510 endg; Ratsdok. 2001/027 (CNS); siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001) war lediglich die Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels, also ohne explizit geregelte Ausschlussgründe, vorgesehen. Der Vorbehalt "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen" wurde erst später, und zwar zunächst bei der Regelung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, in Absatz 2 (vgl. Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 -, damals Art. 21), dann auch für Absatz 1 Unterabsatz 1 (Ratsdokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -, dort Art. 22), vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang wurde in einer Fußnote zu der entsprechenden Formulierung in Absatz 2 angeführt: Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: "Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt". Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Ratsdokument vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -). Ab 2002 findet sich zudem der Vorbehalt hinsichtlich Art. 21 Abs. 3 (damals 19 Abs. 3; vgl. nur Art. 21 in der Fassung des Ratsdokuments vom 19.12.2002 - 15627/02 -; vgl. auch Dokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -). Die Absätze 2 und 3 des Art. 21 (damals Art. 19) waren bereits kurz zuvor vorgeschlagen worden (vgl. Ratsdokument vom 08.11.2002 - 13468/02 -).
152 
Die geschilderten Ergänzungen und Abänderungen der Richtlinie dürften vor dem Hintergrund der Terroranschläge des 11.09.2001 und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen sein. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 Buchst. a und c die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die Berücksichtigung der Folgen der Anschläge vom 11.09.2001 für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Richtlinie 2004/83/EG wurde zum Beispiel in einer Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002 ausdrücklich gefordert (ABl. EU C 278 vom 14.11.2002, S. 44). Mit diesem Ziel dürften auch weitere Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Richtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf erfolgt sein, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 RL 2004/83/EG und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 (entspricht Erwägungsgrund 31 der RL 2011/95/EU) auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
153 
Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass im Falle von Handlungen zur Unterstützung terroristischer Vereinigungen der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bereits bei Aktivitäten eines niedrigeren Profils mit einem geringeren Gefährdungspotential erfüllt sein kann als dies für die Annahme des Tatbestands der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" in Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie vorausgesetzt wird.
154 
Dabei wäre zunächst zu klären, ob in Anbetracht der Entstehungsgeschichte und mit Blick auf den Zweck der Regelungen nicht sogar anzunehmen ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe" für sich genommen - also ohne diesen in Beziehung zu setzen zu dem Schutzgut, um das es geht - trotz des dagegen sprechenden Wortlauts eine niedrigere Gefahrenschwelle erfordert als der der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG (vgl. dazu Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.; a.A. BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris, unter Verweis auf das Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Die Tatsache, dass die Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, und die Richtlinie 2004/83/EG am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar auf den ersten Blick nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen und entsprechend hohe Anforderungen zu stellen (vgl. zu Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG: EuGH, Urteile vom 23.11.2010 - C-145/09, Tsakouridis - Slg. 2010, I-11979, = juris, und vom 22.05.2012 - C-348/09 I. - juris). Dagegen sprechen aber schon die Unterschiede hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen, der jeweils verfolgten Ziele und der betroffenen Personen. Zudem stellt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG lediglich auf die öffentliche Sicherheit ab, während Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG als Schutzgut neben der öffentlichen Sicherheit auch die Ordnung anführt (vgl. dazu auch Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris). Vor allem geht es um unterschiedlich gravierende Eingriffe. Erlaubt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden," eine Ausweisung, führt das Vorliegen "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 RL 2004/83/EG lediglich zu der für die Betroffenen wesentlich weniger einschneidenden Rechtsfolge der Verweigerung oder des Entzugs des Aufenthaltstitels. Nach Auffassung des Senats ist der Begriff der zwingenden Gründe daher eigenständig und nicht durch Übernahme von Grundsätzen der Unionsbürgerrichtlinie zu entwickeln.
155 
Ungeachtet des Vorgesagten spricht vieles dafür, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" bzw. der "nationalen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG umfassender bzw. weiter zu verstehen ist als der der "Sicherheit des Mitgliedstaats" oder "der Sicherheit des Landes, in dem sich der Betreffende befindet" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK, mit anderen Worten, dass die bedrohten öffentlichen Interessen, die im Falle des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegen die Erteilung oder Aufrechterhaltung des Aufenthaltstitels streiten, von geringerem Gewicht sein können als dies Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie erfordert.
156 
Jedenfalls werden aber die Voraussetzungen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" deshalb eher zu bejahen sein, weil das geschützte Rechtsgut "öffentliche Sicherheit oder Ordnung" allein mit Blick auf die "öffentliche Ordnung" einen weiteren Anwendungsbereich hat als die Sicherheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder auch die Allgemeinheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG (welcher wiederum voraussetzt, dass der Betreffende wegen eine besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde). Dies folgt insbesondere auch aus dem Erwägungsgrund 28, welcher, wie ausgeführt, im Zusammenhang mit der Einfügung des auch in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/83/EG enthaltenen - für Flüchtlinge, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, geltenden - Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" gefasst wurde (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). Wenn danach "der Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auch für die Fälle gilt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt", soll es in diesen Fällen der Unterstützung des internationalen Terrorismus jedenfalls für die Frage der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr darauf ankommen, ob die Sicherheit des Mitgliedstaats in dem Sinne gefährdet ist, dass der Betreffende auch zurückgewiesen bzw. von vornherein von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen werden könnte (Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG, Art. 33 Abs. 2 GFK). Einer genauen Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals der öffentlichen bzw. nationalen Sicherheit von dem der öffentlichen Ordnung bedarf es daher mit Blick auf den Erwägungsgrund 28 der Richtlinie hier nicht. Eine entsprechend weitere Auslegung liegt im Übrigen nicht nur im (Sicherheits-)Interesse des Staates, in welchem sich der Betreffende aufhält, sondern auch in dem der anderen Mitgliedstaaten. Schließlich können sich gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen.
157 
Der Senat verkennt allerdings nicht, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch dahingehend verstanden werden könnte, dass bei Vorliegen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausnahmslos untersagt wird, während Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis ins Ermessen stellt. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Voraussetzungen für die Erfüllung des Ausschlussgrundes der "stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr für den Mitgliedstaat" eher anzunehmen sind als die der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG, könnte dann in der Einführung des Ausschlussgrundes des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG insofern eine Verschärfung zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus gesehen werden, als danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwingend ausgeschlossen wäre (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Zum einen erscheint es aber zweifelhaft, ob die Normierung einer Ausnahme ("es sei denn") von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Folge haben kann - und auch hier hat -, dass den Mitgliedstaaten damit die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen des Ausschlussgrundes gänzlich - und ohne jeden Ermessensspielraum - untersagt wird. Es spricht mehr dafür, dass darin die bloße Einschränkung der Verpflichtung des Mitgliedstaats bzw. des daraus folgenden Anspruchs eines betroffenen Flüchtlings zu sehen ist. Zum anderen erscheint eine solche Auslegung vor allem vor dem Hintergrund fernliegend, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" aus den angeführten Gründen weiter zu verstehen ist als die in den Ausschlussgründen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie genannten Schutzgüter.
158 
Von der Beantwortung der angeführten Fragen hängt ab, ob die Ausweisung des Klägers - und damit auch die gegen ihn aus Sicherheitsgründen verhängte Meldepflicht und die räumliche Beschränkung - wegen entgegenstehenden Unionsrechts als rechtswidrig anzusehen und daher aufzuheben ist. Teilt man das dargelegte weitere Verständnis des Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 2004/83/EG, wäre die Vorlagefrage 2a) zu bejahen. Denn dann könnte dieser Ausschlussgrund erfüllt sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots des Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht vorliegen. „Zwingend“ dürften die Gründe dabei immer dann sein, wenn die für die bloße Verweigerung der Legalität des Aufenthalts maßgeblichen Gründe bezogen auf die Folgen für den Betroffenen verhältnismäßig im engeren Sinn und für die Erreichung dieses Zwecks aus der Sicht der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unerlässlich sind, das heißt mit anderen Worten, wenn auf die Herbeiführung der Rechtsfolge - hier die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels - unter keinen Umständen verzichtet werden kann.
159 
Für den vorliegenden Fall würde dies nach Auffassung des Senats bedeuten, dass wegen des Vorliegens "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" kein Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG besteht, mit der Folge, dass diese Regelung einer Ausweisung nicht entgegensteht. Abgesehen davon, dass beim Kläger nicht ausgeschlossen erscheint, dass er die PKK weiter durch hervorgehobenere Unterstützungshandlungen wie das Einsammeln von Spenden, das Verteilen von Zeitschriften oder die Übernahme anderer Aufgaben unterstützt, ist jedenfalls damit zu rechnen, dass er auch in Zukunft regelmäßig Veranstaltungen besucht, welche in einer besonderen Nähe zur PKK stehen. Zwar hat die letztgenannte Form der Unterstützung für sich genommen keinen besonders hohen Gefährdungsgrad. Mit einer Beteiligung an entsprechenden Veranstaltungen wird aber eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Wie ausgeführt, werden dadurch deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflusst und ihre Aktionsmöglichkeiten sowie ihr Rekrutierungsfeld erweitert. Insgesamt wird damit dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Die vom Kläger über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichem Ausmaß - von der Übernahme der Funktion des Vorstands eines später als Teilorganisation der PKK verbotenen örtlichen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre über das Einsammeln von Spenden 2005 und 2006 bis zur ständigen (bloßen) Teilnahme an unzähligen PKK-nahen Veranstaltungen - vorgenommene Unterstützung der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beseitigung der Legalität des Aufenthalts Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist. Mit einer Aufenthaltserlaubnis könnte sich der Betreffende hingegen im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 SDÜ frei im Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten bewegen und sich auch in anderen Mitgliedstaaten bis zu drei Monate (innerhalb von sechs Monaten) aufhalten. Nach nationalem Recht ist die Ausweisung, die zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führt, zudem Voraussetzung für weitere unter Sicherheitsaspekten wichtige Maßnahmen, wie die des § 54a AufenthG "zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der Sicherheit", insbesondere die Verpflichtung, sich regelmäßig bei der örtlich zuständigen Polizeidienstelle zu melden, (Abs. 1) und die Beschränkung des Aufenthalts auf den Bezirk der Ausländerbehörde (Abs. 2).
160 
Wegen der danach gegebenen individuellen Gefährdung durch den Kläger kann die Frage offen bleiben, ob bei der Prüfung "zwingender Gründe" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch generalpräventive Aspekte - wie die durch die Verweigerung eines Aufenthaltstitels bzw. dessen Aufhebung oder Beendigung gegebenenfalls erzielte abschreckende Wirkung - zu berücksichtigen sind. Die Ausweisung des Klägers (und das Erlöschen seines Aufenthaltstitels als Voraussetzung für die in § 54a Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte vollziehbare Ausreisepflicht) ist hier nach Auffassung des Senats schon deshalb als unerlässlich anzusehen, weil sie Grundlage der ihm gegenüber im Bescheid vom 27.03.2012 verfügten Meldepflicht und der räumlichen Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim ist. Mit diesen Maßnahmen werden die Möglichkeiten des Klägers, die PKK weiter zu unterstützen, effektiv eingeschränkt. So liegt schon der nächste kurdische Verein, welcher einige der PKK-nahen Veranstaltungen ausgerichtet hat, zu deren regelmäßigen Besuch sich der Kläger seinen Angaben nach verpflichtet fühlt, außerhalb des Bezirks der Stadt Mannheim. Die mit der Ausweisung und dem Erlöschen der Niederlassungserlaubnis verbundenen Einschränkungen und Nachteile für den Kläger sind andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls hier nicht als derart gravierend anzusehen, dass darauf verzichtet werden könnte bzw. müsste.
161 
cc) Vorlagefrage 3
162 
Geht man davon aus, dass die Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG in Fällen der Beendigung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung findet, stellt sich die Frage, ob die Regelung des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie als abschließend zu verstehen ist mit der Folge, dass die Aufhebung oder Beendigung des einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels unionsrechtlich nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist. Dann wäre der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Satz 2 AufenthG entsprechend auszulegen. Die Ausweisung des Klägers wäre als rechtswidrig anzusehen.
163 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindestens 18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Asylberechtigten und Ausländern, denen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt worden ist, wird die Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erteilt. Subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes wird die Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erteilt, bei Verlängerung für zwei weitere Jahre. Ausländern, die die Voraussetzungen des § 25 Absatz 3 erfüllen, wird die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr erteilt. Die Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 1 und Absatz 4b werden jeweils für ein Jahr, Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 3 jeweils für zwei Jahre erteilt und verlängert; in begründeten Einzelfällen ist eine längere Geltungsdauer zulässig.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis darf nicht verlängert werden, wenn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen sind.

(3) Einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, ist eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
sein Lebensunterhalt überwiegend gesichert ist,
4.
er über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
§ 9 Absatz 2 Satz 2 bis 6, § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 finden entsprechend Anwendung; von der Voraussetzung in Satz 1 Nummer 3 wird auch abgesehen, wenn der Ausländer die Regelaltersgrenze nach § 35 Satz 2 oder § 235 Absatz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erreicht hat. Abweichend von Satz 1 und 2 ist einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn
1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit drei Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
er die deutsche Sprache beherrscht,
4.
sein Lebensunterhalt weit überwiegend gesichert ist und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
In den Fällen des Satzes 3 finden § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 entsprechend Anwendung. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für einen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4 besitzt, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme vor.

(4) Im Übrigen kann einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 9 Abs. 2 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend. Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens wird abweichend von § 55 Abs. 3 des Asylgesetzes auf die Frist angerechnet. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Artikel 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu folgenden Fragen eingeholt:

1. a) Ist die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels an Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, auch bei der Aufhebung eines bereits erteilten Aufenthaltstitels zu beachten?

b) Ist diese daher dahingehend auszulegen, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) eines anerkannten Flüchtlings entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sind?

2. Für den Fall, dass die Fragen unter 1 zu bejahen sind:

a) Wie ist der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG mit Blick auf Gefahren auszulegen, die von der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ausgehen?

b) Können „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots nach Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht erfüllt sind?

3. Für den Fall, dass die Frage unter 1a) zu verneinen ist:

Ist die Aufhebung bzw. Beendigung des einem anerkannten Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (bzw. der gleichlautenden Nachfolgeregelung der Richtlinie 2011/95/EU) zulässig?

Gründe

 
A)
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebt seit 1989 mit seiner Ehefrau, welche ebenfalls türkische Staatsangehörige ist, und mit inzwischen acht gemeinsamen Kindern, von denen fünf die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist bis heute Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Auf seinen Asylantrag wurde er am 24.06.1993 als Asylberechtigter anerkannt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des - damals geltenden - § 51 Abs. 1 AuslG (Flüchtlingsschutz, heute § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen. Die Anerkennung wurde mit den exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland und der ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei drohenden politischen Verfolgung begründet (vgl. Urteil des VG Minden vom 08.02.1993). Der im Wesentlichen mit geänderten Verhältnissen in der Türkei begründete Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.08.2006 wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30.11.2007 aufgehoben. Seit dem 07.10.1993 ist der Kläger im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels.
Der Kläger war in den 1990er-Jahren in vielfältiger Weise für die PKK (Partiya Karkerên Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) bzw. deren Neben- oder Nachfolgeorganisationen exilpolitsch aktiv. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22.11.1993 wurden der PKK und der ENRK (Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) - einer inzwischen aufgelösten, damals in Deutschland für die PKK aktiven "Frontorganisation" - verboten, sich in Deutschland zu betätigen. Nach § 20 Vereinsgesetz macht sich unter anderem strafbar, wer diesem Verbot zuwiderhandelt (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 18 Satz 2 VereinsG). 1992 wurde der Kläger in den Vorstand des "Arbeiter- und Kulturzentrums der Kurden Bielefeld" gewählt. Der Verein wurde 1993 als Teilorganisation der PKK verboten. Im Asylverfahren gab der Kläger selbst an, er besuche alle Veranstaltungen und Demonstrationen der ERNK. Dabei sei er teilweise als Ordner eingesetzt. Diese exilpolitischen Aktivitäten setzte der Kläger auch nach seiner Asylanerkennung fort. Es kam deshalb zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Jahr 2001 beteiligte er sich an der Unterschriftenaktion im Rahmen der so genannten "Identitätskampagne" der PKK und unterzeichnete die Erklärung "Auch ich bin ein PKK'ler". Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg nahm der Kläger in den folgenden Jahren, auch nach dem Umzug seiner Familie aus dem Raum Bielefeld nach Mannheim im Jahr 2002, weiter regelmäßig an Demonstrationen und Veranstaltungen teil, bei welchen es um die Rechte der Kurden, um die PKK und/oder deren Generalsekretär Abdulah Öcalan ging, darunter auch solche mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan, so genannte "Märtyrergedenkfeiern" (Feiern zum Gedenken an gefallene PKK-Kämpfer und Selbstmordattentäter) und "Volksversammlungen".
Im Juni 2006 reiste der Kläger in den Irak. Er hielt sich dort zwei Monate lang auf und besuchte Verwandte sowie diverse Orte bzw. Stationen im Grenzgebiet zur Türkei. 2007 unternahm er mit seinem ältesten Sohn eine weitere Reise in den Irak.
Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 10.01.2007 wegen des Verdachts eines - durch Betätigung für die PKK begangenen - Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden unter anderem eine handschriftlich verfasste Spendenliste mit 16 Namen und Beträgen zwischen 100 und 1000 EUR sowie eine mit dem Computer im Jahr 2006 erstellte Spendenliste, welche in 4 Ortsbezirke unterteilt war und auf der hinter 29 der insgesamt 48 aufgeführten Namen monatliche Spenden im Zeitraum von Januar bis Mai in Höhe von 10 bis 30 EUR pro Monat vermerkt waren, aufgefunden, außerdem ein Zettel und ein Notizbuch mit Vermerken zu eingesammelten Beträgen, Ausdrucke eines Vordrucks für eine Spendenliste, 4 Zeitschriften Serxwebun, Fotos mit Abdullah Öcalan, darunter eines mit der Aufschrift "PKK" im Scheckkartenformat im Geldbeutel des Klägers, Fotos des Klägers neben bewaffneten Personen, welche von der Reise des Klägers in den Irak im Juni 2006 stammten, Flaggen bzw. Fahnen mit dem Emblem der "KKK" (Koma Komalên Kurdistan), Flaggen mit einer Abbildung von Abdullah Öcalan sowie ein Buch von Öcalan. Der Kläger wurde daraufhin mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen im Urteil hat er dem Verbot einer Betätigung für die PKK zuwidergehandelt. Die PKK bzw. die KONGRA-GEL finanzierten sich durch Beiträge für legale kurdische Vereine, monatliche Mitgliedsbeiträge der Anhänger, Verkauf von Publikationen, Einnahmen beim jährlichen „Kurdistanfestival“ und andere Feste auf örtlicher Ebene sowie Einnahmen aus der jährlich im Herbst/Winter durchgeführten „Spendenkampagne“. Bei dieser „Spendenkampagne“ setze der für Europa zuständige „Rat“ fest, welche Beträge von den einzelnen europäischen Ländern zu erbringen seien. Diese würden auf der jeweiligen Hierarchieebene Raum bzw. Gebiet aufgeschlüsselt. Dabei würden Listen der ortsansässigen Kurden verwendet und die von diesen zu erbringenden „Spenden“ nach der Höhe des jeweiligen Einkommens festgesetzt, wobei etwa ein Monatseinkommen zu erbringen sei. Die Spenden würden von so genannten „Sammelteams“ von zwei bis drei Personen eingesammelt, notfalls auch mit Gewalt eingetrieben. Im Zuge der hierarchischen Gebietsstruktur der PKK sei auch die Bundesrepublik Deutschland in mehrere Gebiete gegliedert, denen jeweils ein Gebietsverantwortlicher vorstehe, der regelmäßig nach einem Jahr ausgewechselt werde. Im Jahr 2005 sei dies bis zum Oktober im Gebiet Mannheim der Gebietsverantwortliche M.T., Deckname D., gewesen. Die Gebiete seien wiederum in Räume aufgeteilt, denen jeweils ein Raumverantwortlicher vorstehe. So sei das Gebiet Mannheim in die Räume Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Worms, Bruchsal, Karlsruhe und Germersheim aufgeteilt. Verantwortlicher im Raum Mannheim sei im Jahr 2005 eine nicht identifizierte Person namens Ma. gewesen. Der Kläger sei in den Jahren 2005 und 2006 im Raum Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen. Er sei direkt dem Raumverantwortlichen für Mannheim namens Ma. unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen M.T. gewesen. Dies schließe die Strafkammer daraus, dass er als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen M.T. zwei Rundschreiben per SMS erhalten habe, in welchen er dazu aufgefordert worden sei, als einer der "Freunde, die für die Räume verantwortlich seien, ... die Freunde, mit denen er "zusammenarbeite, zu benachrichtigen". Außerdem seien sein Vorname und seine Handynummer auf sichergestellten Notizzetteln des Gebietsverantwortlichen M.T. notiert gewesen. In der von ihm übernommenen Funktion habe sich der Kläger mit dem Sammeln und der Weiterleitung von Spenden für die PKK und gelegentlich auch mit der Verteilung der Zeitschrift Serxwebun - eines der Publikationsorgane der PKK bzw. der Nachfolgeorganisation KONGRA-GEL - befasst. Er habe in den im einzelnen aufgeführten Fällen (von insgesamt 29 Personen aus vier Bezirken des Raums Mannheim - jeweils von Januar bis Mai, teilweise auch nur bis März oder April 2006) selbst oder unter Einschaltung von Hilfspersonen Spenden für die PKK gesammelt, diese in seiner Spendenliste verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK, wahrscheinlich in Brüssel, abführen lassen. Er habe sich zudem noch am 10.01.2007 von seinem Sohn mit Hilfe des Computers einen neuen Vordruck einer Spendenliste erstellen lassen. Der Kläger habe das gegen die PKK verhängte Betätigungsverbot gekannt. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Spendenkampagnen für die PKK von großer Bedeutung seien. An ihnen und an dem Verkauf der Zeitschrift habe er mit dem Willen teilgenommen, die PKK zu fördern und die Eintreibung von Spenden und Einnahmen aus Zeitungsverkäufen an den Vorgaben der Partei auszurichten. Nach Verwerfung der Revision durch den Bundesgerichtshof wurde das Urteil am 08.04.2009 rechtskräftig.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27.03.2012 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt Mannheim begrenzt (Ziff. 2). Die Ausweisung wurde auf §§ 55, 56 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Als Ausweisungsgrund wurde § 54 Nr. 5 AufenthG herangezogen, wonach ein Ausländer in der Regel ausgewiesen wird, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder unterstützt hat oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Mit Blick auf die bestehende familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und den minderjährigen Kindern und unter Berücksichtigung seines unbefristeten Aufenthaltsrechts sowie des Status als Asylberechtigter und Flüchtling erging die Ausweisungsverfügung jedoch als Ermessensentscheidung (§§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3, 4 und 5, Satz 5 AufenthG, 55 AufenthG, Art. 6 Abs. 1 GG, 8 EMRK). Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle es sich um Vereinigungen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Aktivitäten des Klägers wie insbesondere das Eintreiben von Spenden, der Verkauf der PKK-Zeitung Serxwebun und auch die ständige Teilnahme an Veranstaltungen der PKK bzw. PKK-naher Vereine seien als Unterstützung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Dabei sei auch von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit auszugehen. Schließlich seien bis weit ins Jahr 2011 Unterstützungshandlungen nachgewiesen. Dem Interesse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet, das sich aus den bestehenden persönlichen und familiären Bindungen ergebe, werde durch Duldungen (d.h. eine Aussetzung der Abschiebung ohne Aufenthaltstitel) Rechnung getragen werden.
Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.08.2012 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde dargelegt: Der Umstand, dass der Kläger durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK verurteilt worden sei, rechtfertige ohne weiteres die Annahme einer relevanten Unterstützungstätigkeit, wenn diese Tätigkeiten nicht sogar auf eine Zugehörigkeit zur Organisation selbst hinwiesen. Des Weiteren stelle jedenfalls der regelmäßige, über Jahre erfolgte häufige Besuch der dem Kläger vorgehaltenen Veranstaltungen, insbesondere wenn es sich um so genannte Märtyrergedenkveranstaltungen und Feiern zum Jahrestag der Gründung der PKK handle, eine relevante Unterstützungstätigkeit dar. Durch das Einsammeln der Spenden und deren Weiterleitung habe der Kläger die PKK sogar in qualifizierter Weise unterstützt.
Auf den vom Kläger gestellten Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28.11.2012 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zugelassen.
Der Kläger bestreitet, dass es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung handelt. Jedenfalls habe er diese nicht unterstützt. Außerdem seien die für ihn als anerkannten Flüchtling geltenden Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, Art. 21 und Art. 24, nicht berücksichtigt worden. Eine Ausweisung setze nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie voraus, dass der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen sei. Solche wären nur zu bejahen, wenn er eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt hätte. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, auch nicht mit Blick auf seine strafrechtliche Verurteilung wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot. Dieser lägen Vorgänge aus den Jahren 2005 und 2006 zugrunde. Ob von ihm - unterstellt die vom beklagten Land behaupteten Aktivitäten träfen zu - eine aktuelle Gefährdung, ausginge, sei weder überprüft noch festgestellt worden. Die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG seien schon deshalb eindeutig nicht erfüllt, weil die danach erforderlichen „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ schwerwiegendere Gründe als die in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie genannten Gründe voraussetzten. Diesbezüglich sei zur Auslegung auf Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - abzustellen.
10 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 04.04.2013 hat der Kläger erklärt, er habe die ihm im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zur Last gelegte Straftat nicht begangen und auch nie eingeräumt. Er sei Kurde und sehe sich als "progressiver Kurde", weshalb er sich verpflichtet fühle, an Newroz-Festen, Demonstrationen und Veranstaltungen von Kurden teilzunehmen. Als Kurde möge er die PKK; er stehe hinter ihr. Er sei aber kein "PKK'ler". Zu letzteren zähle er die Personen, die in den Bergen gegen den Feind kämpfen. Veranstaltungen in Gedenken an die PKK, wie zum Beispiel zum Jahrestag ihrer Gründung, seien für ihn persönlich zwar nicht wichtig. Wenn es aber "für das Volk" wichtig sei, dass er daran teilnehme, könne es sein, dass er das auch mache. Feiern aus Anlass des Geburtstages von Öcalan seien nicht verboten und für ihn persönlich "schon wichtig". An Märtyrergedenkveranstaltungen nehme er teil, wenn es ihm danach sei. Wenn in den Räumen des kurdischen Vereins Versammlungen durchgeführt worden seien, sei er hingegangen. Es habe sich immer um erlaubte Veranstaltungen gehandelt. Als Vorstandsmitglied des kurdischen Vereins in Bielefeld Anfang der 1990-er Jahre habe er lediglich die Aufgabe gehabt, die Einkäufe für den Verein zu erledigen. Nach dem Verbot der PKK habe es deshalb bei ihm zu Hause eine Razzia gegeben und er sei auch angeklagt worden. Später habe er keine Aufgaben mehr übernommen. Nach seinem Umzug nach Mannheim 2002 sei er zwar zunächst noch Mitglied des örtlichen Kulturvereins der Kurden gewesen, nach Verlegung des Vereinssitzes in die benachbarte Stadt Ludwigshafen aber nicht mehr. Wegen der mit der Ausweisungsverfügung gegen ihn verhängten Beschränkung seines Aufenthalts auf die Stadt Mannheim sei er auch nicht mehr dorthin gegangen, früher habe er sich einmal die Woche, manchmal auch täglich, in den Vereinsräumen aufgehalten. Seine Reise in den Irak sei für ihn wie eine "Pilgerreise" gewesen. Dies habe er unter anderem deshalb so empfunden, weil dort sogar Staatsbedienstete wie Polizisten, Richter usw. kurdischer Volkszugehörigkeit seien. Mit einem Neffen sei er überall unterwegs gewesen. Bewaffnete Personen wie die, mit denen er sich auf Fotos habe ablichten lassen, gebe es dort überall.
11 
Das beklagte Land verteidigt den angegriffenen Ausweisungsbescheid. Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 21 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG stünden einer Ausweisung nicht entgegen. Der Kläger sei schließlich rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen verurteilt worden. Den Urteilsgründen des Strafurteils sei zu entnehmen, dass er in den Jahren 2005 und 2006 in Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen sei. Durch das Sammeln von Spenden habe er nicht nur die Strukturen der PKK in Deutschland gestärkt, sondern darüber hinaus auch die kämpfende PKK in der Türkei, die sich unter anderem durch die Spenden ihrer Anhänger finanziere, im Vorfeld qualifiziert unterstützt. Die Ausübung der genannten Tätigkeiten und die gehobene Funktion des Klägers im Raum Mannheim verdeutlichten seine strukturelle Einbindung in die Organisation, durch welche er das Gefährdungspotential der PKK mittrage. Dem stehe nicht entgegen, dass seine Verurteilung schon mehrere Jahre zurückliege. Selbst wenn er seither nicht mehr für das Sammeln von Spenden zuständig sei, belege doch die in den darauffolgenden Jahren weiterhin erfolgte regelmäßige Teilnahme an zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen der PKK das Fehlen der inneren und äußeren Abkehr von der PKK und deren Zielen.
B)
12 
Der Rechtsstreit ist in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO auszusetzen und es ist eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen (Art. 267 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AEUV).
I.
13 
Die für die Erörterung der Vorlagefragen maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
14 
1. Völkerrecht und Unionsrecht
15 
a) Genfer Flüchtlingskonvention
16 
(Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951; GFK)
17 
Artikel 28 - Reiseausweise
18 
1. Die vertragschließenden Staaten werden den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise ausstellen, die ihnen Reisen außerhalb dieses Gebietes gestatten, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen; …
19 
Artikel 32 - Ausweisung
20 
1. Die vertragschließenden Staaten werden einen Flüchtling, der sich rechtmäßig in ihrem Gebiet befindet, nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausweisen.
21 
Artikel 33 - Verbot der Ausweisung und Zurückweisung
22 
1. Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.
23 
2. Auf die Vergünstigung dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.
24 
b) Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ)
25 
Artikel 21
26 
(1) Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen.
27 
c) Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 304 vom 30.09.2004, S. 12; im folgenden RL 2004/83/EG bzw. "Richtlinie“)
28 
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
...
29 
in Erwägung nachstehender Gründe:
30 
...
(6) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie ist es einerseits, ein Mindestmaß an Schutz in allen Mitgliedstaaten für Personen zu gewährleisten, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass allen diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
31 
(7) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Anerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Asylbewerbern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht, einzudämmen.
32 
(22) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, “dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“ und “dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“.
...
33 
(28) Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
34 
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
35 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
36 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
37 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
38 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
39 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
40 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
41 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
42 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
43 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
44 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
45 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
46 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
47 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
48 
d) Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 337 vom 20.12.2011, S. 9, im Folgenden RL 2011/95/EU)
49 
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
50 
in Erwägung nachstehender Gründe:
51 
...
(12) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie besteht darin, einerseits zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien zur Bestimmung der Personen anwenden, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
52 
(13) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Zuerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, zwischen Mitgliedstaaten einzudämmen, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht.
...
53 
(31) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, dass die "Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und dass die "wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen".
...
54 
(37) Der Begriff der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
55 
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
56 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
57 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
58 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
59 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
60 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
61 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
62 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
63 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
64 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
65 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
66 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
67 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
68 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, und ihren Familienangehörigen einen verlängerbaren Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr und im Fall der Verlängerung mindestens zwei Jahre gültig sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
69 
e) Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77, ber. ABl. L 229 vom 29.06.2004, S. 35; im Folgenden RL 2004/38/EG)
70 
Artikel 28 - Schutz vor Ausweisung
71 
...
(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie
72 
a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder
b) minderjährig sind, es sei denn, ...
73 
2. Nationales Recht:
74 
a) Aufenthaltsgesetz (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 30.07.2004, BGBl. I 1950, in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.02.2008, BGBl. I, S. 162, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 15.02.2013, BGBl. I, S. 254; AufenthG)
75 
§ 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot
76 
(1) Ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, darf nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Wirkungen werden auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Die Frist beginnt mit der Ausreise. …
(2) ...
77 
§ 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen
78 
(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.
79 
(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat (§ 3 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes). Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
...
80 
(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann abweichend von § 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist...
81 
§ 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen
82 
(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:
83 
...
5. Ausweisung des Ausländers,
84 
§ 54 Ausweisung im Regelfall
85 
Ein Ausländer wird in der Regel ausgewiesen, wenn
1. ...
...
86 
5. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen,
87 
§ 54a Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit
88 
(1) Ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. …
89 
(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.
90 
§ 55 Ermessensausweisung
91 
(1) Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.
92 
(2) Ein Ausländer kann nach Absatz 1 insbesondere ausgewiesen werden, wenn er ...
93 
(3) Bei der Entscheidung über die Ausweisung sind zu berücksichtigen
94 
1. die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet,
2. die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen oder Lebenspartner des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft leben,
3. die in § 60a Abs. 2 und 2b genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung.
95 
§ 56 Besonderer Ausweisungsschutz
96 
(1) Ein Ausländer, der
97 
1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
1a. eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt,
2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 bis 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4. mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
5. als Asylberechtigter anerkannt ist, im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt oder einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, genießt besonderen Ausweisungsschutz. Er wird nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegen in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor. Liegen die Voraussetzungen des § 53 vor, so wird der Ausländer in der Regel ausgewiesen. Liegen die Voraussetzungen des § 54 vor, so wird über seine Ausweisung nach Ermessen entschieden.
98 
§ 60 Verbot der Abschiebung
99 
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurden.
100 
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes erfüllt.
101 
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden.
102 
§ 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
103 

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn…
...
104 
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
105 
b) Vereinsgesetz
106 
(Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 05.08.1964, BGBl. I 1964, S. 593; VereinsG)
107 
§ 18 Räumlicher Geltungsbereich von Vereinsverboten
108 
Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes keine Organisation, so richtet sich das Verbot (§ 3 Abs. 1) gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich.
109 
§ 20 Zuwiderhandlungen gegen Verbote
110 
(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit
111 
...
4. einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5. ...,
112 
wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ ….… des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist.
II.
113 
Zu den im Beschlusstenor angeführten Fragen - welche noch nicht Gegenstand von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs waren - ist eine Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV einzuholen, weil diese entscheidungserheblich sind und der Klärung bedürfen.
114 
Gemessen an den Bestimmungen des nationalen Rechts kann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen, weil die Ausweisung und die mit ihr verfügte Aufenthaltsbeschränkung sowie die Meldeauflage danach als rechtmäßig zu beurteilen sind (dazu unter 1.). Es kommt daher darauf an, ob Unionsrecht - hier Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 oder Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG - einer Ausweisung des Klägers entgegensteht (2.)
115 
1. Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Akten und Unterlagen sowie der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Sachverhalt und die nationale Rechtslage - ohne Berücksichtigung von Art. 21 oder 24 RL 2004/83/EG - derzeit (maßgeblich wäre letztlich der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Senats über das Berufungsverfahren) wie folgt zu beurteilen wären:
116 
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG sind gegeben (a). Die Ausweisung lässt sich nach nationalem Recht auch insgesamt rechtlich nicht beanstanden, insbesondere liegen keine Ermessensfehler vor (b). Danach wären die räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Klägers und die ihm gegenüber verfügte Meldeauflage ebenfalls rechtmäßig (c).
117 
a) Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG liegt vor.
118 
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris, Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, jew. m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16.02.2012 - AK 1/12 und 2/12 - juris) sind die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris) und ändert nichts an deren bislang grundsätzlich weiter bestehenden Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei. Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP - ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2012/765/GASP des Rates vom 10.12.2012, ABl. EU L 337 vom 11.12.2012, S. 50). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09, B. und D. - Slg. 2010, I-10979, = juris).
119 
Zwar hat Abdullah Öcalan im März dieses Jahres eine Waffenruhe verkündet, die das Ergebnis von Verhandlungen mit dem türkischen Geheimdienst sein soll. Diese ist dann von der PKK tatsächlich ausgerufen worden. Inzwischen hat nach Medienberichten der Abzug von PKK-Kämpfern aus der Türkei bereits begonnen; er soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. Allein deshalb kann aber noch nicht angenommen werden, die PKK wäre nicht mehr als terroristische Organisation anzusehen. Schließlich gab es auch in der Vergangenheit entsprechende Erklärungen, die zu keiner wesentlichen Änderung auf Dauer geführt haben. So wurde ein 1999 ausgerufener „Friedenskurs“ 2004 wieder beendet. Selbst in der Zwischenzeit hatte die PKK nicht auf Gewalt verzichtet.
120 
Der Senat ist auch der Überzeugung, dass der Kläger die PKK unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die von ihm ausgeübten Aktivitäten zur Unterstützung haben dabei sicherlich unterschiedliches Gewicht und unterschiedliche Qualität. Von besonderer Bedeutung ist das "Sammeln" bzw. "Eintreiben" und das Weiterleiten von Spenden für die PKK aus vier Bezirken des Raums Mannheim in den Jahren 2005 und 2006. Der Senat folgt insoweit den Feststellungen des Landgerichts Karlsruhe im Strafurteil vom 03.12.2008. Danach war der Kläger zwar nicht in einer Führungsposition, etwa als Gebiets- oder Raumverantwortlicher, für die PKK aktiv, er hatte aber jedenfalls eine besondere Stellung inne, welche einen aktiven Einsatz auch nach außen hin erforderte. Schließlich mussten die Spenden regelmäßig einkassiert und gegebenenfalls eingefordert werden. Die Spendenkampagnen sind für die PKK von großer Bedeutung, was dem Kläger bekannt war. Hinzu kommt der Verkauf der PKK-Zeitschrift Serxwebun. Länger zurück liegen die Aktivitäten des Klägers in Bielefeld als Vorstandsmitglied eines später verbotenen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre. Diese sowie die regelmäßige Teilnahme an diversen PKK-nahen Veranstaltungen, auf welche sich der Kläger auch in seinen Asylverfahren berufen hat, zeigen aber, dass er seit seiner Einreise nach Deutschland durchgehend für die PKK aktiv war. Auch der bloße Besuch der angeführten Feiern bzw. Versammlungen mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan sowie so genannte "Märtyrergedenkfeiern" und "Volksversammlungen" (vgl. zu letzteren genauer Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - a.a.O.) fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger. Diese Veranstaltungen haben schon von ihrem Anlass bzw. ihrer Thematik her für die Besucher erkennbar den Charakter einer Propagandaveranstaltung für die PKK und werden auch entsprechend inszeniert. Die durch eine Teilnahme an solchen besonderen Veranstaltungen ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung und Ansehen in der Gesellschaft, namentlich unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, damit ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Sie kann daher - auch in Ansehung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit - als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung anzusehen sein (vgl. dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - sowie Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, jew. a.a.O. und m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.01.2013 - 11 S 1581/12 - juris). Davon ist hier in Anbetracht der Vielzahl von einschlägigen Veranstaltungen, die der Kläger im Laufe von mittlerweile über zwei Jahrzehnten besucht hat, auszugehen. Er hat in der mündlichen Verhandlung zudem deutlich gemacht, dass es ihm tatsächlich darum geht, die PKK zu unterstützen, und dass er sich verpflichtet fühlt, an entsprechenden Veranstaltungen teilzunehmen. Soweit er vorgetragen hat, er sei kein "PKK'ler", das seien doch nur die Kämpfer in den Bergen, und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach nicht darauf an, ob die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre oder ob die Veranstaltung, um deren Besuch es geht, verboten wurde (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O., m.w.N.). Abgesehen davon hat sich der Kläger unter anderem wegen des Einsammelns und Weiterleitens von Spenden für die PKK sogar strafbar gemacht.
121 
Vor dem Hintergrund der langjährigen Aktivitäten des Klägers kann auch nicht allein aus der Tatsache, dass er inzwischen weniger - und seit Ergehen der Ausweisungsverfügung am 27.03.2012 kaum mehr - an entsprechenden Veranstaltungen teilnimmt, geschlossen werden, dass er nicht mehr als Unterstützer der PKK anzusehen wäre. Es ist im Gegenteil bezeichnend, dass er selbst nach der Durchsuchung seiner Wohnung wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz am 10.01.2007 und während des daran anschließenden Strafverfahrens und selbst noch nach Hinweis durch das Regierungspräsidium in einem Schreiben vom 09.10.2009, dass seine Ausweisung geprüft werde, weiter PKK-nahe Veranstaltungen besucht hat. Seit Erlass des Ausweisungsbescheids vom 27.03.2012 ist zudem sein Aufenthalt aufgrund der darin unter Ziffer 2 verfügten sofort vollziehbaren Anordnung auf den Stadtbezirk Mannheims beschränkt. Dies ist seinen Angaben nach auch der Grund dafür, dass er nicht einmal mehr den kurdischen Verein in Ludwigshafen besucht. In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass der Kläger sich lediglich mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und seine Aktivitäten andernfalls zumindest mit dem Besuch von Veranstaltungen der geschilderten Art fortsetzen bzw. wieder aufgreifen würde. Es ist daher davon auszugehen, dass er auch künftig die PKK nachhaltig unterstützen wird.
122 
b) Die Ausweisung ist - bei einer Beurteilung rein nach nationalem Recht - auch im Übrigen rechtmäßig.
123 
Unter anderem wegen seiner Rechtsstellung als anerkannter Asylbewerber und als Flüchtling sowie der bestehenden familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern deutscher Staatsangehörigkeit (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 und 5 AufenthG) genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier in Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, nicht gegeben. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§§ 56 Abs. 1 Satz 5, 55 AufenthG). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung insbesondere als verhältnismäßig anzusehen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Kläger Deutschland nicht - als Folge der Ausweisung - verlassen müsste, sondern jedenfalls weiter geduldet würde.
124 
c) Damit liegen auch die Voraussetzungen für Maßnahmen zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit nach § 54a Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG vor. Die Verpflichtung des Klägers unter Ziffer 2 des Bescheids vom 27.03.2012, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, beruht auf § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG; die Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim folgt aus § 54a Abs. 2 AufenthG.
125 
2. Es ist aber weiter zu prüfen, ob - und gegebenenfalls in welcher Weise - die nach nationalem Recht bei der Ausweisung eines Flüchtlings geltenden Voraussetzungen durch vorrangiges Unionsrecht modifiziert werden. Das würde hier bedeuten, dass der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG mit Blick auf Unionsrecht gegebenenfalls abweichend - unionsrechtskonform - auszulegen ist.
126 
Vorab ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass die Ausweisung des Klägers nicht an Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation zu messen ist. Da der Kläger nie einer Arbeit nachgegangen ist, hat er auch keine Rechtsstellung nach Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses erworben.
127 
Als unionsrechtlicher Prüfungsmaßstab für die Ausweisung des Klägers als anerkannter Flüchtling kommen die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bzw. die entsprechenden Nachfolgevorschriften der Richtlinie 2011/95/EU in Betracht. Der Senat ist der Überzeugung, dass die Voraussetzungen des - auf die Ausweisung anzuwendenden - Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind (dazu unter a). Deshalb stellen sich die Vorlagefragen (b).
128 
a) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG ist auch bei der Ausweisung eines Flüchtlings nach deutschem Recht anwendbar (aa). Dessen Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor (bb).
129 
aa) Gemäß Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG achten die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Nach Absatz 2 der Regelung kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Gemäß Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
130 
Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gilt auch für Fälle, in denen der einem Flüchtling erteilte Aufenthaltstitel vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 RL 2004/83/EG) oder sogar vor deren Inkrafttreten am 20.10.2004 erteilt worden ist. Art. 21 RL 2004/83/EG enthält - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 RL 2004/83/EG bezüglich Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie gestellt werden - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass dessen Anwendbarkeit bei bereits erteilten Aufenthaltstiteln ausgeschlossen wäre. Auf die Frage, ob bereits auf die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, welche am 09.01.2012 in Kraft getreten ist (vgl. dazu deren Art. 41 Abs. 1), abzustellen ist, kommt es nicht an, weil Art. 21 unverändert geblieben ist (soweit im Folgenden auf Art. 21 RL 2004/83/EG abgestellt wird, gelten die entsprechenden Ausführungen daher ebenso bezüglich Art. 21 RL 2011/95/EU).
131 
Eine Ausweisung nach deutschem Recht führt nicht zwingend zu einer Abschiebung des Betreffenden und damit auch nicht zu einer "Zurückweisung" im Sinne des Art. 21 Abs. 1 und 2 RL 2004/83/EG, sie kann daher nicht unmittelbar gegen den in Absatz 1 angeführten Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass er unter anderem wegen der familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern, von denen einige die deutsche Staatsangehörigkeit haben, (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK) und wegen seines Status als anerkannter Asylbewerber und Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) nicht abgeschoben werden darf und soll.
132 
Auf eine Ausweisung finden jedoch die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG über die Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln bei Flüchtlingen Anwendung. Dies folgt daraus, dass nach nationalem Recht (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) eine Ausweisung ohne Weiteres das Erlöschen des dem Betreffenden erteilten Aufenthaltstitels, hier der Niederlassungserlaubnis des Klägers, zur Folge hat. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG wird diesem auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein (neuer) Aufenthaltstitel erteilt (vgl. auch § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Sie hat außerdem Folgen für den Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten, die nach deutschem Recht in der Regel an das Bestehen eines Titels (vgl. §§ 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 AufenthG, 4 Abs. 2 und 3 AufenthG) und nicht wie nach Art. 26 ff. RL 2004/83/EG an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft anknüpfen. Das beklagte Land geht im Übrigen davon aus, dass dem Kläger - sollte die Ausweisung rechtskräftig werden - jedenfalls vorerst kein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, sondern dass er lediglich einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, also auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung hat. Diese lässt die Ausreisepflicht unberührt (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Aus alledem folgt nach Auffassung des Senats, dass die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht der Beendigung eines Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gleichzustellen ist.
133 
bb) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG lässt jedoch im vorliegenden Fall nicht die Beendigung des Aufenthaltstitels - und damit in letzter Konsequenz auch nicht eine Ausweisung - zu. Erforderlich wäre danach, dass "Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet". Dieser Verweis auf den zweiten Absatz bedeutet, dass die Aufhebung bzw. die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels voraussetzt, dass eine Zurückweisung des betreffenden Flüchtlings nicht nach völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt wäre (siehe dazu den Vorbehalt des Einleitungssatzes "sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist") und dass die in den Buchstaben a oder b des Art. 21 Abs. 2 RL der Richtlinie genannten Gefahren gegeben sind (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris). Hier fehlt es schon am Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder b RL 2004/83/EG.
134 
Diese entsprechen im Wesentlichen den in Art. 33 Abs. 2 GFK enthaltenen Voraussetzungen für eine Durchbrechung des völkerrechtlichen Refoulement-Verbots (vgl. dazu Battjes in: Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, Ch. IV.3. Council Directive 2004/83/EC, Art. 21 Rn. 11). Art. 33 Abs. 1 GFK untersagt die Ausweisung oder Zurückweisung eines Flüchtlings über die Grenzen von Gebieten, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach Absatz 2 kann sich auf die Vergünstigung jedoch ein Flüchtling nicht berufen, "der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde". Die Parallelen zwischen den Ausnahmetatbeständen beider Vorschriften zeigen, dass nicht nur eine Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG, sondern auch die Versagung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels nur unter den Voraussetzungen zulässig ist, welche auch die Zurückschiebung eines Flüchtlings in das "Verfolgerland" ermöglichen würden, also nur bei "schwerwiegenden Gründen". Im Übrigen finden sich die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG auch in Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten einem Flüchtling die ihm zuerkannte Rechtsstellung (als Flüchtling) wieder aberkennen, beenden oder ihre Verlängerung ablehnen (Abs. 4), gegebenenfalls die Rechtsstellung von vornherein nicht zuerkennen (Abs. 5), wenn eine der angeführten Gefahren gegeben ist. Auch dies verdeutlicht, dass es sich um besonders gravierende Gefahren handeln muss. Zurückweisung und Ausschluss vom bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus können nur "ultima ratio" sein (vgl. zu Art. 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl 2012, § 37 Rn. 54; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 17.12 - juris). Bei der Gefahr für die Allgemeinheit gelten nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und in Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2004/83/EG mit dem Erfordernis der Verurteilung des Betreffenden wegen "eines besonders schweren Verbrechens" - jedenfalls dem Wortlaut nach - sogar höhere Anforderungen als gemäß Art. 33 Abs. 2, 2. Alternative GFK, wonach eine Verurteilung wegen "eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens" genügt.
135 
Offen bleiben kann hier, ob der Umstand, dass in der deutschen Fassung des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und des Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG nicht "schwerwiegende Gründe" wie in Art. 33 Abs. 2 GFK, sondern lediglich "stichhaltige Gründe" gefordert werden, bedeutet, dass ein geringeres Maß an Überzeugungsgewissheit erforderlich ist (vgl. dazu die englischen Fassungen dieser Bestimmungen: Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”). Mit Blick auf Art. 33 GFK, welcher zwingende Vorgaben für das Refoulement-Verbot und seine Ausnahmen enthält und in Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG aufgegriffen wird, dürften allerdings nicht nur an das Ausmaß der Gefahr, sondern auch an deren Nachweis insgesamt dieselben Anforderungen zu stellen sein wie im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GFK (a.A. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Letztlich kommt es aber hier auf diese Frage nicht an.
136 
Denn selbst wenn man insofern von einer Absenkung des erforderlichen Beweismaßes ausginge, sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht erfüllt. Der vom Kläger begangene Verstoß gegen das Vereinsgesetz, der zu seiner Verurteilung mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen geführt hat, ist ersichtlich nicht als "besonders schwere Straftat" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG anzusehen. Es bestehen aber auch keine "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie bzw. dass er aus "schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes" anzusehen ist im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GFK.
137 
Bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GFK, Art. 14 Abs. 4 und Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten - in bestimmten Grenzen - den Begriff der "Sicherheit" nach dem jeweiligen eigenen Recht selbst definieren, weil auf die Sicherheit des eigenen Staates abzustellen ist und diese im Völkerrecht nicht abschließend festgelegt werden kann (vgl. dazu und zum folgenden: Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich jedenfalls um eine sehr große Gefahr handeln (Marx, a.a.O., § 35 Rn. 182, § 37 Rn. 51, § 54 Rn. 4, m.w.N.). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87). Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 60 Abs. 8 AufenthG von der Möglichkeit der Verweigerung bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus Gebrauch gemacht (vgl. auch § 3 Abs. 4 AsylVfG). Die diesbezügliche Rechtsprechung kann daher zur Auslegung der Voraussetzungen herangezogen werden.
138 
Danach kann die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des Ausweisungstatbestands des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht ausreichen; vielmehr muss sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Stichhaltige bzw. schwerwiegende Gründe liegen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetzt. Vielmehr müssen bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigen, das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK zurücktreten zu lassen. Das ist typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine terroristische Vereinigung bzw. eine Vereinigung, welche den Terrorismus unterstützt, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt. Das kann sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintritt oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mitträgt. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend ist, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lässt sich nicht ab- strakt beantworten, sondern hängt von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt wird (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 30.03.1999 - 9 C 31.98 - juris, zu § 51 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990; Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.).
139 
Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine Aufhebung des Aufenthaltstitels des Klägers und damit seine Ausweisung nicht unter Verweis auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG rechtfertigen. Es bedarf schon genauerer Prüfung, ob tatsächlich noch von einer Gefahr für die (innere und äußere) Sicherheit des deutschen Staates durch Unterstützung der PKK auszugehen sein kann, obwohl diese in den letzten Jahren terroristische Mittel fast überwiegend nur in der Türkei angewandt hat. Abgesehen davon hat der Kläger aber jedenfalls weder selbst Gewalt ausgeübt noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Wie dargelegt, hat er zwar die PKK Anfang der 1990-er Jahre durch die Übernahme einer Vorstandstätigkeit in einem PKK-nahen Verein in Bielefeld, in den Jahren 2005 sowie 2006 durch das Einsammeln von Spenden und das Verkaufen von Zeitschriften sowie ständig durch den Besuch von PKK-nahen Veranstaltungen unterstützt. Der Senat geht aber davon aus, dass der Kläger 2005 und 2006 lediglich vorübergehend wieder eine wichtigere Funktion übernommen hat und nicht weitreichend und vor allem nicht über einen längeren Zeitraum in die Hierarchieebenen der PKK eingebunden war. Schließlich war er nach den Feststellungen im Strafurteil vom 03.12.2008 selbst in der Zeit des Einsammelns von Spenden lediglich unterhalb des Raumverantwortlichen aktiv. Er kann daher nicht - jedenfalls nicht mehr - als ein "Funktionär" der PKK angesehen werden. Bezeichnend ist auch, dass es trotz der dem Senat aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannten engen Überwachung der örtlichen kurdischen Vereine und ihres Umfelds durch das Landesamt für Verfassungsschutz - abgesehen von der Teilnahme an Veranstaltungen - keinerlei Hinweise auf weitere Aktivitäten des Klägers für die PKK bzw. ihr Umfeld gibt. Vor allem in Anbetracht der verstrichenen Zeit seit seiner Betätigung als Spendensammler 2005 und 2006 kann daher derzeit nicht (mehr) von einer gegenwärtigen Gefährdung der Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ausgegangen werden.
140 
b) Damit bedürfen die Vorlagefragen der Klärung durch den Europäischen Gerichtshof. Da die Voraussetzungen für die in Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG eingeräumte Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung der einem Flüchtling erteilten Aufenthaltserlaubnis hier nicht vorliegen, sind zunächst der Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie (aa, Vorlagefragen 1) und gegebenenfalls dessen Voraussetzungen (bb, Vorlagefragen 2) zu klären. Sollte die Regelung keine Anwendung finden auf die Aufhebung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels, stellt sich die Frage, ob eine solche unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist (cc, Vorlagefrage 3).
141 
aa) Vorlagefragen 1
142 
Mit diesen beiden Fragen soll geklärt werden, ob die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels auch bei der Beendigung von Aufenthaltstiteln - und damit für die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht - Anwendung findet, und ob diese gegebenenfalls dahingehend auszulegen ist, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels einer betreffenden Person entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegeben sind.
143 
Zunächst ist festzustellen, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch auf Fälle Anwendung findet, in denen die Flüchtlingsanerkennung vor Geltung dieser Vorschrift erfolgt ist (vgl. dazu oben 2 a) aa)). Derzeit ist noch nicht auf die Neufassung des Art. 24 - in der Fassung der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - abzustellen. Denn diese gilt gemäß Art. 41 Abs. 2 RL 2011/95/EU erst ab dem 22.12.2013. Letztlich kommt es darauf hier aber nicht entscheidend an. Die Vorlagefragen stellen sich ebenso unter Geltung der Richtlinie 2011/95/EU. Denn die beiden Fassungen des ersten Unterabsatzes unterscheiden sich lediglich dadurch, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG an die Zuerkennung des "Schutzstatus" und die geänderte Fassung der Richtlinie 2011/95/EU an die Zuerkennung des "internationalen Schutzes" anknüpft und dass in der älteren Fassung auf die Personen abgestellt wird, denen die "Flüchtlingseigenschaft" zuerkannt worden ist, während in der neuen der Begriff "Flüchtlingseigenschaft" durch "Flüchtlingsstatus" ersetzt wurde. Die materiellen Anforderungen haben sich damit nicht geändert. Abgesehen davon sind in der deutschen Fassung offensichtlich nur Übersetzungsungenauigkeiten beseitigt worden: Der letzte Halbsatz des Absatz 1 Unterabsatz 1 (ebenso in Absatz 3) in der Veröffentlichung in deutscher Sprache (ABl. L 304 vom 30.09.2004, S. 12, in der Fassung der Berichtigung, ABl. L 204 vom 05.08.2005, S. 24) lautete "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen" statt - wie in der neuen Fassung - "es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen" (so aber schon in der englischen Fassung 2004: "unless reasons of compelling national security or public order otherwise reqire", ebenso z.B. in der spanischen, der französischen, der italienischen und der niederländischen Fassung).
144 
Art. 24 RL 2004/83/EG enthält keine ausdrückliche Bestimmung über die Beendigung oder Aufhebung von Aufenthaltstiteln. Dessen Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus (RL 2004/83/EG) - bzw. des internationalen Schutzes (RL 2011/95/EU) - und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel auszustellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (RL 2004/83/EG) - bzw. der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung (RL 2011/95/EU) - dem entgegenstehen. Unterabsatz 2 enthält Regelungen für Familienangehörige, Absatz 2 eine Absatz 1 Unterabsatz 1 entsprechende Verpflichtung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, mit dem Unterschied, dass nicht auf - den nicht für diesen Personenkreis geltenden - Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG verwiesen wird und dass der Aufenthaltstitel eine Geltungsdauer von lediglich einem Jahr enthalten muss. Die Vorschrift bezweckt neben der "Gewährleistung eines Mindestmaßes an Schutz" für "Personen, die tatsächlich Schutz benötigen", die Sicherstellung, dass diesen "ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird" (Erwägungsgrund 6 der RL 2004/83/EG, 12 der RL 2011/95/EU). Dazu gehört die Sicherung des Aufenthaltsstatus von Personen mit internationalem Schutz. Außerdem zielt die Richtlinie auf eine weitgehende Angleichung der Stellung von Flüchtlingen und von Personen mit subsidiärem Schutzstatus (vgl. Erwägungsgrund 7 der RL 2004/83/EG, 13 der RL 2011/95/EU).
145 
Der Senat ist der Auffassung, dass aus der in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG normierten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, anerkannten Flüchtlingen einen mindestens drei Jahre gültigen Aufenthaltstitel zu erteilen, auch das Verbot abzuleiten ist, diesen Aufenthaltstitel bzw. einen bereits bestehenden wieder aufzuheben, ohne dass einer der normierten Gründe gegeben ist, bei deren Vorliegen bereits die Erteilung abgelehnt werden kann. Neben den in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie angeführten zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gehört dazu der Tatbestand des Art. 21 Abs. 3, auf welchen mit dem Vorbehalt des Art. 24 Abs. 1 Unterabsatz 1 „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ explizit verwiesen wird.
146 
Für eine entsprechende Anwendung spricht mit Blick auf das Ziel der Sicherstellung eines "Mindestniveaus von Leistungen" für anerkannte Flüchtlinge schon die grundsätzliche Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Vor allem ist zu bedenken, dass es - neben Art. 21 Abs. 3 RL der Richtlinie - bei bereits erteiltem Titel die Möglichkeit der Aufhebung bzw. Beendigung des Aufenthaltstitels bei Vorliegen der Ausschlusstatbestände der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" geben muss. Schließlich kann es vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Ziel der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn es im letzteren Fall keine Möglichkeit der Aufhebung eines bereits erteilten Titels gäbe. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die maßgeblichen Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden.
147 
Etwas anderes würde zwar gelten, wenn "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" immer voraussetzen würden, dass auch die Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG gegeben sind, also nur einen Unterfall der "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Betreffende eine Gefahr für die Sicherheit oder die Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt," bildeten. Denn dann bestünde kein Bedürfnis für eine entsprechende Auslegung, weil der Aufenthaltstitel gegebenenfalls aufgrund der Ermächtigung in Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie aufgehoben werden könnte. Die Beantwortung der Fragen unter 1 kann daher auch davon abhängen, wie die Fragen unter 2 zur Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie beantwortet werden. Abgesehen davon, dass der Senat der Auffassung ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG hier keine höhere Gefahrenschwelle voraussetzt als der der "stichhaltigen bzw. schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK (vgl. dazu unten zu Vorlagefragen 2), zeigt schon die Verwendung des Begriffs "öffentliche Ordnung", dass die Ausschlussgründe des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG weiter reichen als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie (vgl. dazu genauer unten im Folgenden).
148 
bb) Vorlagefragen 2
149 
Sollte der Europäische Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen, dass die unter 1 angeführten Vorlagefragen zu bejahen sind, stellen sich die unter 2 aufgelisteten zur Auslegung des in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung".
150 
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG ohnehin in den Fällen des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie nicht greifen kann, weil danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie abgelehnt werden kann. Dies wird mit der Einschränkung in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG "unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3" klargestellt. Die Nennung einer weiteren Ausnahme - der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" - dürfte aber wenig Sinn machen, wenn deren Voraussetzungen enger wären als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie. Dafür, dass die Ablehnung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 eher möglich sein soll als nach Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie, sprechen auch Inhalt und Zielsetzung der jeweiligen Regelungen. Bei Art. 21 RL 2004/83/EG geht es primär um den Schutz eines bereits anerkannten Flüchtlings vor Zurückweisung, also einer möglichen Überstellung in das Land, aus dem er wegen Verfolgung geflüchtet ist. Eine solche soll nur - ausnahmsweise - unter den in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie angeführten, Art. 33 Abs. 2 GFK nachgebildeten, Voraussetzungen möglich sein. Dass dann - nach Absatz 3 der Vorschrift - auch der Aufenthaltstitel aufgehoben bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt werden kann, ist lediglich eine folgerichtige Konsequenz der Ausnahmen vom Refoulement-Verbot. Hingegen zielt Art. 24 RL 2004/83/EG auf die Gewährleistung eines Aufenthaltstitels von drei (Abs. 1) bzw. einem Jahr (Abs. 2) für Personen mit zuerkanntem internationalem Schutz. Mit dieser Regelung wurde das erste Mal ein Anspruch anerkannter Flüchtlinge auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels festgelegt. Die Ausnahmen von der Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" erinnern an die des Art. 32 Abs. 1 GFK (vgl. auch Battjes, a.a.O., Art. 24 Rn. 6), nach welchem aus "Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Ausweisung eines Flüchtlings, der sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Staates aufhält, zulässig sein kann. "Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" können im Übrigen auch der Verpflichtung zur Erteilung eines Reiseausweises an Flüchtlinge nach Art. 28 Abs. 1 GFK entgegenstehen. Die mit dem Aufenthaltsstatus - oder auch mit der Frage der Erteilung eines Reiseausweises - verbundenen Fragen sind aber bei weitem nicht von einer derart existentiellen Bedeutung für den Flüchtling wie die, ob er sogar zurückgewiesen werden kann. In der Regel wird bei einem anerkannten Flüchtling allein eine bei Versagung eines Aufenthaltstitels folgende Illegalität des Aufenthalts nicht zu einer Abschiebung führen. Eine solche kommt allenfalls in wenigen Ausnahmefällen und nur in einen aufnahmebereiten Drittstaat in Betracht, welcher seinerseits aber das Refoulement-Verbot zu beachten hat. Dies zeigt auch der vorliegende Fall. Wie ausgeführt, soll und kann auch der Kläger nicht abgeschoben werden. Selbst wenn sein Aufenthaltstitel erlöschen und er derzeit keinen Anspruch auf Erteilung eines anderen Titels haben sollte, müsste er Deutschland nicht verlassen. Er hat nach nationalem Recht einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 AufenthG).
151 
Dafür, dass die Möglichkeiten der Versagung eines Aufenthaltstitel durch die Aufnahme des zusätzlichen Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie bestehenden Ausnahmetatbestände hinaus erweitert werden sollten, sprechen auch die Entstehungsgeschichte des Art. 24 der Richtlinie und deren Erwägungsgrund 28 (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). In der ersten Fassung des - noch vor den Terroranschlägen des 11.09.2001 erarbeiteten - Kommissionsentwurfs vom 12.09.2001 (KOM [2001] 510 endg; Ratsdok. 2001/027 (CNS); siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001) war lediglich die Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels, also ohne explizit geregelte Ausschlussgründe, vorgesehen. Der Vorbehalt "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen" wurde erst später, und zwar zunächst bei der Regelung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, in Absatz 2 (vgl. Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 -, damals Art. 21), dann auch für Absatz 1 Unterabsatz 1 (Ratsdokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -, dort Art. 22), vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang wurde in einer Fußnote zu der entsprechenden Formulierung in Absatz 2 angeführt: Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: "Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt". Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Ratsdokument vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -). Ab 2002 findet sich zudem der Vorbehalt hinsichtlich Art. 21 Abs. 3 (damals 19 Abs. 3; vgl. nur Art. 21 in der Fassung des Ratsdokuments vom 19.12.2002 - 15627/02 -; vgl. auch Dokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -). Die Absätze 2 und 3 des Art. 21 (damals Art. 19) waren bereits kurz zuvor vorgeschlagen worden (vgl. Ratsdokument vom 08.11.2002 - 13468/02 -).
152 
Die geschilderten Ergänzungen und Abänderungen der Richtlinie dürften vor dem Hintergrund der Terroranschläge des 11.09.2001 und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen sein. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 Buchst. a und c die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die Berücksichtigung der Folgen der Anschläge vom 11.09.2001 für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Richtlinie 2004/83/EG wurde zum Beispiel in einer Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002 ausdrücklich gefordert (ABl. EU C 278 vom 14.11.2002, S. 44). Mit diesem Ziel dürften auch weitere Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Richtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf erfolgt sein, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 RL 2004/83/EG und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 (entspricht Erwägungsgrund 31 der RL 2011/95/EU) auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
153 
Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass im Falle von Handlungen zur Unterstützung terroristischer Vereinigungen der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bereits bei Aktivitäten eines niedrigeren Profils mit einem geringeren Gefährdungspotential erfüllt sein kann als dies für die Annahme des Tatbestands der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" in Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie vorausgesetzt wird.
154 
Dabei wäre zunächst zu klären, ob in Anbetracht der Entstehungsgeschichte und mit Blick auf den Zweck der Regelungen nicht sogar anzunehmen ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe" für sich genommen - also ohne diesen in Beziehung zu setzen zu dem Schutzgut, um das es geht - trotz des dagegen sprechenden Wortlauts eine niedrigere Gefahrenschwelle erfordert als der der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG (vgl. dazu Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.; a.A. BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris, unter Verweis auf das Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Die Tatsache, dass die Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, und die Richtlinie 2004/83/EG am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar auf den ersten Blick nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen und entsprechend hohe Anforderungen zu stellen (vgl. zu Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG: EuGH, Urteile vom 23.11.2010 - C-145/09, Tsakouridis - Slg. 2010, I-11979, = juris, und vom 22.05.2012 - C-348/09 I. - juris). Dagegen sprechen aber schon die Unterschiede hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen, der jeweils verfolgten Ziele und der betroffenen Personen. Zudem stellt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG lediglich auf die öffentliche Sicherheit ab, während Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG als Schutzgut neben der öffentlichen Sicherheit auch die Ordnung anführt (vgl. dazu auch Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris). Vor allem geht es um unterschiedlich gravierende Eingriffe. Erlaubt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden," eine Ausweisung, führt das Vorliegen "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 RL 2004/83/EG lediglich zu der für die Betroffenen wesentlich weniger einschneidenden Rechtsfolge der Verweigerung oder des Entzugs des Aufenthaltstitels. Nach Auffassung des Senats ist der Begriff der zwingenden Gründe daher eigenständig und nicht durch Übernahme von Grundsätzen der Unionsbürgerrichtlinie zu entwickeln.
155 
Ungeachtet des Vorgesagten spricht vieles dafür, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" bzw. der "nationalen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG umfassender bzw. weiter zu verstehen ist als der der "Sicherheit des Mitgliedstaats" oder "der Sicherheit des Landes, in dem sich der Betreffende befindet" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK, mit anderen Worten, dass die bedrohten öffentlichen Interessen, die im Falle des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegen die Erteilung oder Aufrechterhaltung des Aufenthaltstitels streiten, von geringerem Gewicht sein können als dies Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie erfordert.
156 
Jedenfalls werden aber die Voraussetzungen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" deshalb eher zu bejahen sein, weil das geschützte Rechtsgut "öffentliche Sicherheit oder Ordnung" allein mit Blick auf die "öffentliche Ordnung" einen weiteren Anwendungsbereich hat als die Sicherheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder auch die Allgemeinheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG (welcher wiederum voraussetzt, dass der Betreffende wegen eine besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde). Dies folgt insbesondere auch aus dem Erwägungsgrund 28, welcher, wie ausgeführt, im Zusammenhang mit der Einfügung des auch in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/83/EG enthaltenen - für Flüchtlinge, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, geltenden - Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" gefasst wurde (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). Wenn danach "der Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auch für die Fälle gilt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt", soll es in diesen Fällen der Unterstützung des internationalen Terrorismus jedenfalls für die Frage der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr darauf ankommen, ob die Sicherheit des Mitgliedstaats in dem Sinne gefährdet ist, dass der Betreffende auch zurückgewiesen bzw. von vornherein von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen werden könnte (Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG, Art. 33 Abs. 2 GFK). Einer genauen Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals der öffentlichen bzw. nationalen Sicherheit von dem der öffentlichen Ordnung bedarf es daher mit Blick auf den Erwägungsgrund 28 der Richtlinie hier nicht. Eine entsprechend weitere Auslegung liegt im Übrigen nicht nur im (Sicherheits-)Interesse des Staates, in welchem sich der Betreffende aufhält, sondern auch in dem der anderen Mitgliedstaaten. Schließlich können sich gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen.
157 
Der Senat verkennt allerdings nicht, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch dahingehend verstanden werden könnte, dass bei Vorliegen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausnahmslos untersagt wird, während Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis ins Ermessen stellt. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Voraussetzungen für die Erfüllung des Ausschlussgrundes der "stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr für den Mitgliedstaat" eher anzunehmen sind als die der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG, könnte dann in der Einführung des Ausschlussgrundes des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG insofern eine Verschärfung zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus gesehen werden, als danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwingend ausgeschlossen wäre (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Zum einen erscheint es aber zweifelhaft, ob die Normierung einer Ausnahme ("es sei denn") von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Folge haben kann - und auch hier hat -, dass den Mitgliedstaaten damit die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen des Ausschlussgrundes gänzlich - und ohne jeden Ermessensspielraum - untersagt wird. Es spricht mehr dafür, dass darin die bloße Einschränkung der Verpflichtung des Mitgliedstaats bzw. des daraus folgenden Anspruchs eines betroffenen Flüchtlings zu sehen ist. Zum anderen erscheint eine solche Auslegung vor allem vor dem Hintergrund fernliegend, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" aus den angeführten Gründen weiter zu verstehen ist als die in den Ausschlussgründen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie genannten Schutzgüter.
158 
Von der Beantwortung der angeführten Fragen hängt ab, ob die Ausweisung des Klägers - und damit auch die gegen ihn aus Sicherheitsgründen verhängte Meldepflicht und die räumliche Beschränkung - wegen entgegenstehenden Unionsrechts als rechtswidrig anzusehen und daher aufzuheben ist. Teilt man das dargelegte weitere Verständnis des Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 2004/83/EG, wäre die Vorlagefrage 2a) zu bejahen. Denn dann könnte dieser Ausschlussgrund erfüllt sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots des Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht vorliegen. „Zwingend“ dürften die Gründe dabei immer dann sein, wenn die für die bloße Verweigerung der Legalität des Aufenthalts maßgeblichen Gründe bezogen auf die Folgen für den Betroffenen verhältnismäßig im engeren Sinn und für die Erreichung dieses Zwecks aus der Sicht der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unerlässlich sind, das heißt mit anderen Worten, wenn auf die Herbeiführung der Rechtsfolge - hier die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels - unter keinen Umständen verzichtet werden kann.
159 
Für den vorliegenden Fall würde dies nach Auffassung des Senats bedeuten, dass wegen des Vorliegens "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" kein Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG besteht, mit der Folge, dass diese Regelung einer Ausweisung nicht entgegensteht. Abgesehen davon, dass beim Kläger nicht ausgeschlossen erscheint, dass er die PKK weiter durch hervorgehobenere Unterstützungshandlungen wie das Einsammeln von Spenden, das Verteilen von Zeitschriften oder die Übernahme anderer Aufgaben unterstützt, ist jedenfalls damit zu rechnen, dass er auch in Zukunft regelmäßig Veranstaltungen besucht, welche in einer besonderen Nähe zur PKK stehen. Zwar hat die letztgenannte Form der Unterstützung für sich genommen keinen besonders hohen Gefährdungsgrad. Mit einer Beteiligung an entsprechenden Veranstaltungen wird aber eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Wie ausgeführt, werden dadurch deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflusst und ihre Aktionsmöglichkeiten sowie ihr Rekrutierungsfeld erweitert. Insgesamt wird damit dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Die vom Kläger über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichem Ausmaß - von der Übernahme der Funktion des Vorstands eines später als Teilorganisation der PKK verbotenen örtlichen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre über das Einsammeln von Spenden 2005 und 2006 bis zur ständigen (bloßen) Teilnahme an unzähligen PKK-nahen Veranstaltungen - vorgenommene Unterstützung der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beseitigung der Legalität des Aufenthalts Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist. Mit einer Aufenthaltserlaubnis könnte sich der Betreffende hingegen im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 SDÜ frei im Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten bewegen und sich auch in anderen Mitgliedstaaten bis zu drei Monate (innerhalb von sechs Monaten) aufhalten. Nach nationalem Recht ist die Ausweisung, die zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führt, zudem Voraussetzung für weitere unter Sicherheitsaspekten wichtige Maßnahmen, wie die des § 54a AufenthG "zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der Sicherheit", insbesondere die Verpflichtung, sich regelmäßig bei der örtlich zuständigen Polizeidienstelle zu melden, (Abs. 1) und die Beschränkung des Aufenthalts auf den Bezirk der Ausländerbehörde (Abs. 2).
160 
Wegen der danach gegebenen individuellen Gefährdung durch den Kläger kann die Frage offen bleiben, ob bei der Prüfung "zwingender Gründe" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch generalpräventive Aspekte - wie die durch die Verweigerung eines Aufenthaltstitels bzw. dessen Aufhebung oder Beendigung gegebenenfalls erzielte abschreckende Wirkung - zu berücksichtigen sind. Die Ausweisung des Klägers (und das Erlöschen seines Aufenthaltstitels als Voraussetzung für die in § 54a Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte vollziehbare Ausreisepflicht) ist hier nach Auffassung des Senats schon deshalb als unerlässlich anzusehen, weil sie Grundlage der ihm gegenüber im Bescheid vom 27.03.2012 verfügten Meldepflicht und der räumlichen Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim ist. Mit diesen Maßnahmen werden die Möglichkeiten des Klägers, die PKK weiter zu unterstützen, effektiv eingeschränkt. So liegt schon der nächste kurdische Verein, welcher einige der PKK-nahen Veranstaltungen ausgerichtet hat, zu deren regelmäßigen Besuch sich der Kläger seinen Angaben nach verpflichtet fühlt, außerhalb des Bezirks der Stadt Mannheim. Die mit der Ausweisung und dem Erlöschen der Niederlassungserlaubnis verbundenen Einschränkungen und Nachteile für den Kläger sind andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls hier nicht als derart gravierend anzusehen, dass darauf verzichtet werden könnte bzw. müsste.
161 
cc) Vorlagefrage 3
162 
Geht man davon aus, dass die Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG in Fällen der Beendigung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung findet, stellt sich die Frage, ob die Regelung des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie als abschließend zu verstehen ist mit der Folge, dass die Aufhebung oder Beendigung des einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels unionsrechtlich nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist. Dann wäre der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Satz 2 AufenthG entsprechend auszulegen. Die Ausweisung des Klägers wäre als rechtswidrig anzusehen.
163 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindestens 18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Asylberechtigten und Ausländern, denen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt worden ist, wird die Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erteilt. Subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes wird die Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erteilt, bei Verlängerung für zwei weitere Jahre. Ausländern, die die Voraussetzungen des § 25 Absatz 3 erfüllen, wird die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr erteilt. Die Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 1 und Absatz 4b werden jeweils für ein Jahr, Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 3 jeweils für zwei Jahre erteilt und verlängert; in begründeten Einzelfällen ist eine längere Geltungsdauer zulässig.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis darf nicht verlängert werden, wenn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen sind.

(3) Einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, ist eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
sein Lebensunterhalt überwiegend gesichert ist,
4.
er über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
§ 9 Absatz 2 Satz 2 bis 6, § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 finden entsprechend Anwendung; von der Voraussetzung in Satz 1 Nummer 3 wird auch abgesehen, wenn der Ausländer die Regelaltersgrenze nach § 35 Satz 2 oder § 235 Absatz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erreicht hat. Abweichend von Satz 1 und 2 ist einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn
1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit drei Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
er die deutsche Sprache beherrscht,
4.
sein Lebensunterhalt weit überwiegend gesichert ist und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
In den Fällen des Satzes 3 finden § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 entsprechend Anwendung. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für einen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4 besitzt, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme vor.

(4) Im Übrigen kann einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 9 Abs. 2 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend. Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens wird abweichend von § 55 Abs. 3 des Asylgesetzes auf die Frist angerechnet. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindestens 18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Asylberechtigten und Ausländern, denen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt worden ist, wird die Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erteilt. Subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes wird die Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erteilt, bei Verlängerung für zwei weitere Jahre. Ausländern, die die Voraussetzungen des § 25 Absatz 3 erfüllen, wird die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr erteilt. Die Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 1 und Absatz 4b werden jeweils für ein Jahr, Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 3 jeweils für zwei Jahre erteilt und verlängert; in begründeten Einzelfällen ist eine längere Geltungsdauer zulässig.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis darf nicht verlängert werden, wenn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen sind.

(3) Einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, ist eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
sein Lebensunterhalt überwiegend gesichert ist,
4.
er über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
§ 9 Absatz 2 Satz 2 bis 6, § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 finden entsprechend Anwendung; von der Voraussetzung in Satz 1 Nummer 3 wird auch abgesehen, wenn der Ausländer die Regelaltersgrenze nach § 35 Satz 2 oder § 235 Absatz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erreicht hat. Abweichend von Satz 1 und 2 ist einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn
1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit drei Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
er die deutsche Sprache beherrscht,
4.
sein Lebensunterhalt weit überwiegend gesichert ist und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
In den Fällen des Satzes 3 finden § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 entsprechend Anwendung. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für einen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4 besitzt, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme vor.

(4) Im Übrigen kann einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 9 Abs. 2 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend. Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens wird abweichend von § 55 Abs. 3 des Asylgesetzes auf die Frist angerechnet. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.

(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.

(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.

(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.

(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.

(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Artikel 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu folgenden Fragen eingeholt:

1. a) Ist die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels an Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, auch bei der Aufhebung eines bereits erteilten Aufenthaltstitels zu beachten?

b) Ist diese daher dahingehend auszulegen, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) eines anerkannten Flüchtlings entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sind?

2. Für den Fall, dass die Fragen unter 1 zu bejahen sind:

a) Wie ist der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG mit Blick auf Gefahren auszulegen, die von der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ausgehen?

b) Können „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots nach Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht erfüllt sind?

3. Für den Fall, dass die Frage unter 1a) zu verneinen ist:

Ist die Aufhebung bzw. Beendigung des einem anerkannten Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (bzw. der gleichlautenden Nachfolgeregelung der Richtlinie 2011/95/EU) zulässig?

Gründe

 
A)
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebt seit 1989 mit seiner Ehefrau, welche ebenfalls türkische Staatsangehörige ist, und mit inzwischen acht gemeinsamen Kindern, von denen fünf die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist bis heute Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Auf seinen Asylantrag wurde er am 24.06.1993 als Asylberechtigter anerkannt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des - damals geltenden - § 51 Abs. 1 AuslG (Flüchtlingsschutz, heute § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen. Die Anerkennung wurde mit den exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland und der ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei drohenden politischen Verfolgung begründet (vgl. Urteil des VG Minden vom 08.02.1993). Der im Wesentlichen mit geänderten Verhältnissen in der Türkei begründete Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.08.2006 wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30.11.2007 aufgehoben. Seit dem 07.10.1993 ist der Kläger im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels.
Der Kläger war in den 1990er-Jahren in vielfältiger Weise für die PKK (Partiya Karkerên Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) bzw. deren Neben- oder Nachfolgeorganisationen exilpolitsch aktiv. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22.11.1993 wurden der PKK und der ENRK (Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) - einer inzwischen aufgelösten, damals in Deutschland für die PKK aktiven "Frontorganisation" - verboten, sich in Deutschland zu betätigen. Nach § 20 Vereinsgesetz macht sich unter anderem strafbar, wer diesem Verbot zuwiderhandelt (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 18 Satz 2 VereinsG). 1992 wurde der Kläger in den Vorstand des "Arbeiter- und Kulturzentrums der Kurden Bielefeld" gewählt. Der Verein wurde 1993 als Teilorganisation der PKK verboten. Im Asylverfahren gab der Kläger selbst an, er besuche alle Veranstaltungen und Demonstrationen der ERNK. Dabei sei er teilweise als Ordner eingesetzt. Diese exilpolitischen Aktivitäten setzte der Kläger auch nach seiner Asylanerkennung fort. Es kam deshalb zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Jahr 2001 beteiligte er sich an der Unterschriftenaktion im Rahmen der so genannten "Identitätskampagne" der PKK und unterzeichnete die Erklärung "Auch ich bin ein PKK'ler". Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg nahm der Kläger in den folgenden Jahren, auch nach dem Umzug seiner Familie aus dem Raum Bielefeld nach Mannheim im Jahr 2002, weiter regelmäßig an Demonstrationen und Veranstaltungen teil, bei welchen es um die Rechte der Kurden, um die PKK und/oder deren Generalsekretär Abdulah Öcalan ging, darunter auch solche mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan, so genannte "Märtyrergedenkfeiern" (Feiern zum Gedenken an gefallene PKK-Kämpfer und Selbstmordattentäter) und "Volksversammlungen".
Im Juni 2006 reiste der Kläger in den Irak. Er hielt sich dort zwei Monate lang auf und besuchte Verwandte sowie diverse Orte bzw. Stationen im Grenzgebiet zur Türkei. 2007 unternahm er mit seinem ältesten Sohn eine weitere Reise in den Irak.
Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 10.01.2007 wegen des Verdachts eines - durch Betätigung für die PKK begangenen - Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden unter anderem eine handschriftlich verfasste Spendenliste mit 16 Namen und Beträgen zwischen 100 und 1000 EUR sowie eine mit dem Computer im Jahr 2006 erstellte Spendenliste, welche in 4 Ortsbezirke unterteilt war und auf der hinter 29 der insgesamt 48 aufgeführten Namen monatliche Spenden im Zeitraum von Januar bis Mai in Höhe von 10 bis 30 EUR pro Monat vermerkt waren, aufgefunden, außerdem ein Zettel und ein Notizbuch mit Vermerken zu eingesammelten Beträgen, Ausdrucke eines Vordrucks für eine Spendenliste, 4 Zeitschriften Serxwebun, Fotos mit Abdullah Öcalan, darunter eines mit der Aufschrift "PKK" im Scheckkartenformat im Geldbeutel des Klägers, Fotos des Klägers neben bewaffneten Personen, welche von der Reise des Klägers in den Irak im Juni 2006 stammten, Flaggen bzw. Fahnen mit dem Emblem der "KKK" (Koma Komalên Kurdistan), Flaggen mit einer Abbildung von Abdullah Öcalan sowie ein Buch von Öcalan. Der Kläger wurde daraufhin mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen im Urteil hat er dem Verbot einer Betätigung für die PKK zuwidergehandelt. Die PKK bzw. die KONGRA-GEL finanzierten sich durch Beiträge für legale kurdische Vereine, monatliche Mitgliedsbeiträge der Anhänger, Verkauf von Publikationen, Einnahmen beim jährlichen „Kurdistanfestival“ und andere Feste auf örtlicher Ebene sowie Einnahmen aus der jährlich im Herbst/Winter durchgeführten „Spendenkampagne“. Bei dieser „Spendenkampagne“ setze der für Europa zuständige „Rat“ fest, welche Beträge von den einzelnen europäischen Ländern zu erbringen seien. Diese würden auf der jeweiligen Hierarchieebene Raum bzw. Gebiet aufgeschlüsselt. Dabei würden Listen der ortsansässigen Kurden verwendet und die von diesen zu erbringenden „Spenden“ nach der Höhe des jeweiligen Einkommens festgesetzt, wobei etwa ein Monatseinkommen zu erbringen sei. Die Spenden würden von so genannten „Sammelteams“ von zwei bis drei Personen eingesammelt, notfalls auch mit Gewalt eingetrieben. Im Zuge der hierarchischen Gebietsstruktur der PKK sei auch die Bundesrepublik Deutschland in mehrere Gebiete gegliedert, denen jeweils ein Gebietsverantwortlicher vorstehe, der regelmäßig nach einem Jahr ausgewechselt werde. Im Jahr 2005 sei dies bis zum Oktober im Gebiet Mannheim der Gebietsverantwortliche M.T., Deckname D., gewesen. Die Gebiete seien wiederum in Räume aufgeteilt, denen jeweils ein Raumverantwortlicher vorstehe. So sei das Gebiet Mannheim in die Räume Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Worms, Bruchsal, Karlsruhe und Germersheim aufgeteilt. Verantwortlicher im Raum Mannheim sei im Jahr 2005 eine nicht identifizierte Person namens Ma. gewesen. Der Kläger sei in den Jahren 2005 und 2006 im Raum Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen. Er sei direkt dem Raumverantwortlichen für Mannheim namens Ma. unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen M.T. gewesen. Dies schließe die Strafkammer daraus, dass er als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen M.T. zwei Rundschreiben per SMS erhalten habe, in welchen er dazu aufgefordert worden sei, als einer der "Freunde, die für die Räume verantwortlich seien, ... die Freunde, mit denen er "zusammenarbeite, zu benachrichtigen". Außerdem seien sein Vorname und seine Handynummer auf sichergestellten Notizzetteln des Gebietsverantwortlichen M.T. notiert gewesen. In der von ihm übernommenen Funktion habe sich der Kläger mit dem Sammeln und der Weiterleitung von Spenden für die PKK und gelegentlich auch mit der Verteilung der Zeitschrift Serxwebun - eines der Publikationsorgane der PKK bzw. der Nachfolgeorganisation KONGRA-GEL - befasst. Er habe in den im einzelnen aufgeführten Fällen (von insgesamt 29 Personen aus vier Bezirken des Raums Mannheim - jeweils von Januar bis Mai, teilweise auch nur bis März oder April 2006) selbst oder unter Einschaltung von Hilfspersonen Spenden für die PKK gesammelt, diese in seiner Spendenliste verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK, wahrscheinlich in Brüssel, abführen lassen. Er habe sich zudem noch am 10.01.2007 von seinem Sohn mit Hilfe des Computers einen neuen Vordruck einer Spendenliste erstellen lassen. Der Kläger habe das gegen die PKK verhängte Betätigungsverbot gekannt. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Spendenkampagnen für die PKK von großer Bedeutung seien. An ihnen und an dem Verkauf der Zeitschrift habe er mit dem Willen teilgenommen, die PKK zu fördern und die Eintreibung von Spenden und Einnahmen aus Zeitungsverkäufen an den Vorgaben der Partei auszurichten. Nach Verwerfung der Revision durch den Bundesgerichtshof wurde das Urteil am 08.04.2009 rechtskräftig.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27.03.2012 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt Mannheim begrenzt (Ziff. 2). Die Ausweisung wurde auf §§ 55, 56 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Als Ausweisungsgrund wurde § 54 Nr. 5 AufenthG herangezogen, wonach ein Ausländer in der Regel ausgewiesen wird, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder unterstützt hat oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Mit Blick auf die bestehende familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und den minderjährigen Kindern und unter Berücksichtigung seines unbefristeten Aufenthaltsrechts sowie des Status als Asylberechtigter und Flüchtling erging die Ausweisungsverfügung jedoch als Ermessensentscheidung (§§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3, 4 und 5, Satz 5 AufenthG, 55 AufenthG, Art. 6 Abs. 1 GG, 8 EMRK). Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle es sich um Vereinigungen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Aktivitäten des Klägers wie insbesondere das Eintreiben von Spenden, der Verkauf der PKK-Zeitung Serxwebun und auch die ständige Teilnahme an Veranstaltungen der PKK bzw. PKK-naher Vereine seien als Unterstützung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Dabei sei auch von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit auszugehen. Schließlich seien bis weit ins Jahr 2011 Unterstützungshandlungen nachgewiesen. Dem Interesse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet, das sich aus den bestehenden persönlichen und familiären Bindungen ergebe, werde durch Duldungen (d.h. eine Aussetzung der Abschiebung ohne Aufenthaltstitel) Rechnung getragen werden.
Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.08.2012 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde dargelegt: Der Umstand, dass der Kläger durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK verurteilt worden sei, rechtfertige ohne weiteres die Annahme einer relevanten Unterstützungstätigkeit, wenn diese Tätigkeiten nicht sogar auf eine Zugehörigkeit zur Organisation selbst hinwiesen. Des Weiteren stelle jedenfalls der regelmäßige, über Jahre erfolgte häufige Besuch der dem Kläger vorgehaltenen Veranstaltungen, insbesondere wenn es sich um so genannte Märtyrergedenkveranstaltungen und Feiern zum Jahrestag der Gründung der PKK handle, eine relevante Unterstützungstätigkeit dar. Durch das Einsammeln der Spenden und deren Weiterleitung habe der Kläger die PKK sogar in qualifizierter Weise unterstützt.
Auf den vom Kläger gestellten Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28.11.2012 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zugelassen.
Der Kläger bestreitet, dass es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung handelt. Jedenfalls habe er diese nicht unterstützt. Außerdem seien die für ihn als anerkannten Flüchtling geltenden Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, Art. 21 und Art. 24, nicht berücksichtigt worden. Eine Ausweisung setze nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie voraus, dass der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen sei. Solche wären nur zu bejahen, wenn er eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt hätte. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, auch nicht mit Blick auf seine strafrechtliche Verurteilung wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot. Dieser lägen Vorgänge aus den Jahren 2005 und 2006 zugrunde. Ob von ihm - unterstellt die vom beklagten Land behaupteten Aktivitäten träfen zu - eine aktuelle Gefährdung, ausginge, sei weder überprüft noch festgestellt worden. Die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG seien schon deshalb eindeutig nicht erfüllt, weil die danach erforderlichen „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ schwerwiegendere Gründe als die in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie genannten Gründe voraussetzten. Diesbezüglich sei zur Auslegung auf Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - abzustellen.
10 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 04.04.2013 hat der Kläger erklärt, er habe die ihm im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zur Last gelegte Straftat nicht begangen und auch nie eingeräumt. Er sei Kurde und sehe sich als "progressiver Kurde", weshalb er sich verpflichtet fühle, an Newroz-Festen, Demonstrationen und Veranstaltungen von Kurden teilzunehmen. Als Kurde möge er die PKK; er stehe hinter ihr. Er sei aber kein "PKK'ler". Zu letzteren zähle er die Personen, die in den Bergen gegen den Feind kämpfen. Veranstaltungen in Gedenken an die PKK, wie zum Beispiel zum Jahrestag ihrer Gründung, seien für ihn persönlich zwar nicht wichtig. Wenn es aber "für das Volk" wichtig sei, dass er daran teilnehme, könne es sein, dass er das auch mache. Feiern aus Anlass des Geburtstages von Öcalan seien nicht verboten und für ihn persönlich "schon wichtig". An Märtyrergedenkveranstaltungen nehme er teil, wenn es ihm danach sei. Wenn in den Räumen des kurdischen Vereins Versammlungen durchgeführt worden seien, sei er hingegangen. Es habe sich immer um erlaubte Veranstaltungen gehandelt. Als Vorstandsmitglied des kurdischen Vereins in Bielefeld Anfang der 1990-er Jahre habe er lediglich die Aufgabe gehabt, die Einkäufe für den Verein zu erledigen. Nach dem Verbot der PKK habe es deshalb bei ihm zu Hause eine Razzia gegeben und er sei auch angeklagt worden. Später habe er keine Aufgaben mehr übernommen. Nach seinem Umzug nach Mannheim 2002 sei er zwar zunächst noch Mitglied des örtlichen Kulturvereins der Kurden gewesen, nach Verlegung des Vereinssitzes in die benachbarte Stadt Ludwigshafen aber nicht mehr. Wegen der mit der Ausweisungsverfügung gegen ihn verhängten Beschränkung seines Aufenthalts auf die Stadt Mannheim sei er auch nicht mehr dorthin gegangen, früher habe er sich einmal die Woche, manchmal auch täglich, in den Vereinsräumen aufgehalten. Seine Reise in den Irak sei für ihn wie eine "Pilgerreise" gewesen. Dies habe er unter anderem deshalb so empfunden, weil dort sogar Staatsbedienstete wie Polizisten, Richter usw. kurdischer Volkszugehörigkeit seien. Mit einem Neffen sei er überall unterwegs gewesen. Bewaffnete Personen wie die, mit denen er sich auf Fotos habe ablichten lassen, gebe es dort überall.
11 
Das beklagte Land verteidigt den angegriffenen Ausweisungsbescheid. Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 21 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG stünden einer Ausweisung nicht entgegen. Der Kläger sei schließlich rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen verurteilt worden. Den Urteilsgründen des Strafurteils sei zu entnehmen, dass er in den Jahren 2005 und 2006 in Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen sei. Durch das Sammeln von Spenden habe er nicht nur die Strukturen der PKK in Deutschland gestärkt, sondern darüber hinaus auch die kämpfende PKK in der Türkei, die sich unter anderem durch die Spenden ihrer Anhänger finanziere, im Vorfeld qualifiziert unterstützt. Die Ausübung der genannten Tätigkeiten und die gehobene Funktion des Klägers im Raum Mannheim verdeutlichten seine strukturelle Einbindung in die Organisation, durch welche er das Gefährdungspotential der PKK mittrage. Dem stehe nicht entgegen, dass seine Verurteilung schon mehrere Jahre zurückliege. Selbst wenn er seither nicht mehr für das Sammeln von Spenden zuständig sei, belege doch die in den darauffolgenden Jahren weiterhin erfolgte regelmäßige Teilnahme an zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen der PKK das Fehlen der inneren und äußeren Abkehr von der PKK und deren Zielen.
B)
12 
Der Rechtsstreit ist in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO auszusetzen und es ist eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen (Art. 267 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AEUV).
I.
13 
Die für die Erörterung der Vorlagefragen maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
14 
1. Völkerrecht und Unionsrecht
15 
a) Genfer Flüchtlingskonvention
16 
(Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951; GFK)
17 
Artikel 28 - Reiseausweise
18 
1. Die vertragschließenden Staaten werden den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise ausstellen, die ihnen Reisen außerhalb dieses Gebietes gestatten, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen; …
19 
Artikel 32 - Ausweisung
20 
1. Die vertragschließenden Staaten werden einen Flüchtling, der sich rechtmäßig in ihrem Gebiet befindet, nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausweisen.
21 
Artikel 33 - Verbot der Ausweisung und Zurückweisung
22 
1. Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.
23 
2. Auf die Vergünstigung dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.
24 
b) Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ)
25 
Artikel 21
26 
(1) Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen.
27 
c) Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 304 vom 30.09.2004, S. 12; im folgenden RL 2004/83/EG bzw. "Richtlinie“)
28 
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
...
29 
in Erwägung nachstehender Gründe:
30 
...
(6) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie ist es einerseits, ein Mindestmaß an Schutz in allen Mitgliedstaaten für Personen zu gewährleisten, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass allen diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
31 
(7) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Anerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Asylbewerbern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht, einzudämmen.
32 
(22) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, “dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“ und “dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“.
...
33 
(28) Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
34 
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
35 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
36 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
37 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
38 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
39 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
40 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
41 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
42 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
43 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
44 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
45 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
46 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
47 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
48 
d) Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 337 vom 20.12.2011, S. 9, im Folgenden RL 2011/95/EU)
49 
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
50 
in Erwägung nachstehender Gründe:
51 
...
(12) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie besteht darin, einerseits zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien zur Bestimmung der Personen anwenden, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
52 
(13) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Zuerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, zwischen Mitgliedstaaten einzudämmen, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht.
...
53 
(31) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, dass die "Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und dass die "wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen".
...
54 
(37) Der Begriff der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
55 
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
56 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
57 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
58 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
59 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
60 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
61 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
62 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
63 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
64 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
65 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
66 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
67 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
68 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, und ihren Familienangehörigen einen verlängerbaren Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr und im Fall der Verlängerung mindestens zwei Jahre gültig sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
69 
e) Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77, ber. ABl. L 229 vom 29.06.2004, S. 35; im Folgenden RL 2004/38/EG)
70 
Artikel 28 - Schutz vor Ausweisung
71 
...
(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie
72 
a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder
b) minderjährig sind, es sei denn, ...
73 
2. Nationales Recht:
74 
a) Aufenthaltsgesetz (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 30.07.2004, BGBl. I 1950, in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.02.2008, BGBl. I, S. 162, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 15.02.2013, BGBl. I, S. 254; AufenthG)
75 
§ 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot
76 
(1) Ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, darf nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Wirkungen werden auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Die Frist beginnt mit der Ausreise. …
(2) ...
77 
§ 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen
78 
(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.
79 
(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat (§ 3 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes). Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
...
80 
(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann abweichend von § 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist...
81 
§ 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen
82 
(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:
83 
...
5. Ausweisung des Ausländers,
84 
§ 54 Ausweisung im Regelfall
85 
Ein Ausländer wird in der Regel ausgewiesen, wenn
1. ...
...
86 
5. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen,
87 
§ 54a Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit
88 
(1) Ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. …
89 
(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.
90 
§ 55 Ermessensausweisung
91 
(1) Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.
92 
(2) Ein Ausländer kann nach Absatz 1 insbesondere ausgewiesen werden, wenn er ...
93 
(3) Bei der Entscheidung über die Ausweisung sind zu berücksichtigen
94 
1. die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet,
2. die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen oder Lebenspartner des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft leben,
3. die in § 60a Abs. 2 und 2b genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung.
95 
§ 56 Besonderer Ausweisungsschutz
96 
(1) Ein Ausländer, der
97 
1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
1a. eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt,
2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 bis 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4. mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
5. als Asylberechtigter anerkannt ist, im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt oder einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, genießt besonderen Ausweisungsschutz. Er wird nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegen in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor. Liegen die Voraussetzungen des § 53 vor, so wird der Ausländer in der Regel ausgewiesen. Liegen die Voraussetzungen des § 54 vor, so wird über seine Ausweisung nach Ermessen entschieden.
98 
§ 60 Verbot der Abschiebung
99 
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurden.
100 
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes erfüllt.
101 
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden.
102 
§ 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
103 

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn…
...
104 
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
105 
b) Vereinsgesetz
106 
(Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 05.08.1964, BGBl. I 1964, S. 593; VereinsG)
107 
§ 18 Räumlicher Geltungsbereich von Vereinsverboten
108 
Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes keine Organisation, so richtet sich das Verbot (§ 3 Abs. 1) gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich.
109 
§ 20 Zuwiderhandlungen gegen Verbote
110 
(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit
111 
...
4. einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5. ...,
112 
wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ ….… des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist.
II.
113 
Zu den im Beschlusstenor angeführten Fragen - welche noch nicht Gegenstand von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs waren - ist eine Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV einzuholen, weil diese entscheidungserheblich sind und der Klärung bedürfen.
114 
Gemessen an den Bestimmungen des nationalen Rechts kann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen, weil die Ausweisung und die mit ihr verfügte Aufenthaltsbeschränkung sowie die Meldeauflage danach als rechtmäßig zu beurteilen sind (dazu unter 1.). Es kommt daher darauf an, ob Unionsrecht - hier Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 oder Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG - einer Ausweisung des Klägers entgegensteht (2.)
115 
1. Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Akten und Unterlagen sowie der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Sachverhalt und die nationale Rechtslage - ohne Berücksichtigung von Art. 21 oder 24 RL 2004/83/EG - derzeit (maßgeblich wäre letztlich der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Senats über das Berufungsverfahren) wie folgt zu beurteilen wären:
116 
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG sind gegeben (a). Die Ausweisung lässt sich nach nationalem Recht auch insgesamt rechtlich nicht beanstanden, insbesondere liegen keine Ermessensfehler vor (b). Danach wären die räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Klägers und die ihm gegenüber verfügte Meldeauflage ebenfalls rechtmäßig (c).
117 
a) Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG liegt vor.
118 
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris, Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, jew. m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16.02.2012 - AK 1/12 und 2/12 - juris) sind die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris) und ändert nichts an deren bislang grundsätzlich weiter bestehenden Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei. Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP - ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2012/765/GASP des Rates vom 10.12.2012, ABl. EU L 337 vom 11.12.2012, S. 50). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09, B. und D. - Slg. 2010, I-10979, = juris).
119 
Zwar hat Abdullah Öcalan im März dieses Jahres eine Waffenruhe verkündet, die das Ergebnis von Verhandlungen mit dem türkischen Geheimdienst sein soll. Diese ist dann von der PKK tatsächlich ausgerufen worden. Inzwischen hat nach Medienberichten der Abzug von PKK-Kämpfern aus der Türkei bereits begonnen; er soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. Allein deshalb kann aber noch nicht angenommen werden, die PKK wäre nicht mehr als terroristische Organisation anzusehen. Schließlich gab es auch in der Vergangenheit entsprechende Erklärungen, die zu keiner wesentlichen Änderung auf Dauer geführt haben. So wurde ein 1999 ausgerufener „Friedenskurs“ 2004 wieder beendet. Selbst in der Zwischenzeit hatte die PKK nicht auf Gewalt verzichtet.
120 
Der Senat ist auch der Überzeugung, dass der Kläger die PKK unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die von ihm ausgeübten Aktivitäten zur Unterstützung haben dabei sicherlich unterschiedliches Gewicht und unterschiedliche Qualität. Von besonderer Bedeutung ist das "Sammeln" bzw. "Eintreiben" und das Weiterleiten von Spenden für die PKK aus vier Bezirken des Raums Mannheim in den Jahren 2005 und 2006. Der Senat folgt insoweit den Feststellungen des Landgerichts Karlsruhe im Strafurteil vom 03.12.2008. Danach war der Kläger zwar nicht in einer Führungsposition, etwa als Gebiets- oder Raumverantwortlicher, für die PKK aktiv, er hatte aber jedenfalls eine besondere Stellung inne, welche einen aktiven Einsatz auch nach außen hin erforderte. Schließlich mussten die Spenden regelmäßig einkassiert und gegebenenfalls eingefordert werden. Die Spendenkampagnen sind für die PKK von großer Bedeutung, was dem Kläger bekannt war. Hinzu kommt der Verkauf der PKK-Zeitschrift Serxwebun. Länger zurück liegen die Aktivitäten des Klägers in Bielefeld als Vorstandsmitglied eines später verbotenen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre. Diese sowie die regelmäßige Teilnahme an diversen PKK-nahen Veranstaltungen, auf welche sich der Kläger auch in seinen Asylverfahren berufen hat, zeigen aber, dass er seit seiner Einreise nach Deutschland durchgehend für die PKK aktiv war. Auch der bloße Besuch der angeführten Feiern bzw. Versammlungen mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan sowie so genannte "Märtyrergedenkfeiern" und "Volksversammlungen" (vgl. zu letzteren genauer Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - a.a.O.) fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger. Diese Veranstaltungen haben schon von ihrem Anlass bzw. ihrer Thematik her für die Besucher erkennbar den Charakter einer Propagandaveranstaltung für die PKK und werden auch entsprechend inszeniert. Die durch eine Teilnahme an solchen besonderen Veranstaltungen ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung und Ansehen in der Gesellschaft, namentlich unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, damit ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Sie kann daher - auch in Ansehung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit - als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung anzusehen sein (vgl. dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - sowie Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, jew. a.a.O. und m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.01.2013 - 11 S 1581/12 - juris). Davon ist hier in Anbetracht der Vielzahl von einschlägigen Veranstaltungen, die der Kläger im Laufe von mittlerweile über zwei Jahrzehnten besucht hat, auszugehen. Er hat in der mündlichen Verhandlung zudem deutlich gemacht, dass es ihm tatsächlich darum geht, die PKK zu unterstützen, und dass er sich verpflichtet fühlt, an entsprechenden Veranstaltungen teilzunehmen. Soweit er vorgetragen hat, er sei kein "PKK'ler", das seien doch nur die Kämpfer in den Bergen, und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach nicht darauf an, ob die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre oder ob die Veranstaltung, um deren Besuch es geht, verboten wurde (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O., m.w.N.). Abgesehen davon hat sich der Kläger unter anderem wegen des Einsammelns und Weiterleitens von Spenden für die PKK sogar strafbar gemacht.
121 
Vor dem Hintergrund der langjährigen Aktivitäten des Klägers kann auch nicht allein aus der Tatsache, dass er inzwischen weniger - und seit Ergehen der Ausweisungsverfügung am 27.03.2012 kaum mehr - an entsprechenden Veranstaltungen teilnimmt, geschlossen werden, dass er nicht mehr als Unterstützer der PKK anzusehen wäre. Es ist im Gegenteil bezeichnend, dass er selbst nach der Durchsuchung seiner Wohnung wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz am 10.01.2007 und während des daran anschließenden Strafverfahrens und selbst noch nach Hinweis durch das Regierungspräsidium in einem Schreiben vom 09.10.2009, dass seine Ausweisung geprüft werde, weiter PKK-nahe Veranstaltungen besucht hat. Seit Erlass des Ausweisungsbescheids vom 27.03.2012 ist zudem sein Aufenthalt aufgrund der darin unter Ziffer 2 verfügten sofort vollziehbaren Anordnung auf den Stadtbezirk Mannheims beschränkt. Dies ist seinen Angaben nach auch der Grund dafür, dass er nicht einmal mehr den kurdischen Verein in Ludwigshafen besucht. In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass der Kläger sich lediglich mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und seine Aktivitäten andernfalls zumindest mit dem Besuch von Veranstaltungen der geschilderten Art fortsetzen bzw. wieder aufgreifen würde. Es ist daher davon auszugehen, dass er auch künftig die PKK nachhaltig unterstützen wird.
122 
b) Die Ausweisung ist - bei einer Beurteilung rein nach nationalem Recht - auch im Übrigen rechtmäßig.
123 
Unter anderem wegen seiner Rechtsstellung als anerkannter Asylbewerber und als Flüchtling sowie der bestehenden familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern deutscher Staatsangehörigkeit (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 und 5 AufenthG) genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier in Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, nicht gegeben. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§§ 56 Abs. 1 Satz 5, 55 AufenthG). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung insbesondere als verhältnismäßig anzusehen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Kläger Deutschland nicht - als Folge der Ausweisung - verlassen müsste, sondern jedenfalls weiter geduldet würde.
124 
c) Damit liegen auch die Voraussetzungen für Maßnahmen zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit nach § 54a Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG vor. Die Verpflichtung des Klägers unter Ziffer 2 des Bescheids vom 27.03.2012, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, beruht auf § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG; die Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim folgt aus § 54a Abs. 2 AufenthG.
125 
2. Es ist aber weiter zu prüfen, ob - und gegebenenfalls in welcher Weise - die nach nationalem Recht bei der Ausweisung eines Flüchtlings geltenden Voraussetzungen durch vorrangiges Unionsrecht modifiziert werden. Das würde hier bedeuten, dass der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG mit Blick auf Unionsrecht gegebenenfalls abweichend - unionsrechtskonform - auszulegen ist.
126 
Vorab ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass die Ausweisung des Klägers nicht an Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation zu messen ist. Da der Kläger nie einer Arbeit nachgegangen ist, hat er auch keine Rechtsstellung nach Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses erworben.
127 
Als unionsrechtlicher Prüfungsmaßstab für die Ausweisung des Klägers als anerkannter Flüchtling kommen die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bzw. die entsprechenden Nachfolgevorschriften der Richtlinie 2011/95/EU in Betracht. Der Senat ist der Überzeugung, dass die Voraussetzungen des - auf die Ausweisung anzuwendenden - Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind (dazu unter a). Deshalb stellen sich die Vorlagefragen (b).
128 
a) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG ist auch bei der Ausweisung eines Flüchtlings nach deutschem Recht anwendbar (aa). Dessen Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor (bb).
129 
aa) Gemäß Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG achten die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Nach Absatz 2 der Regelung kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Gemäß Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
130 
Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gilt auch für Fälle, in denen der einem Flüchtling erteilte Aufenthaltstitel vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 RL 2004/83/EG) oder sogar vor deren Inkrafttreten am 20.10.2004 erteilt worden ist. Art. 21 RL 2004/83/EG enthält - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 RL 2004/83/EG bezüglich Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie gestellt werden - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass dessen Anwendbarkeit bei bereits erteilten Aufenthaltstiteln ausgeschlossen wäre. Auf die Frage, ob bereits auf die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, welche am 09.01.2012 in Kraft getreten ist (vgl. dazu deren Art. 41 Abs. 1), abzustellen ist, kommt es nicht an, weil Art. 21 unverändert geblieben ist (soweit im Folgenden auf Art. 21 RL 2004/83/EG abgestellt wird, gelten die entsprechenden Ausführungen daher ebenso bezüglich Art. 21 RL 2011/95/EU).
131 
Eine Ausweisung nach deutschem Recht führt nicht zwingend zu einer Abschiebung des Betreffenden und damit auch nicht zu einer "Zurückweisung" im Sinne des Art. 21 Abs. 1 und 2 RL 2004/83/EG, sie kann daher nicht unmittelbar gegen den in Absatz 1 angeführten Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass er unter anderem wegen der familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern, von denen einige die deutsche Staatsangehörigkeit haben, (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK) und wegen seines Status als anerkannter Asylbewerber und Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) nicht abgeschoben werden darf und soll.
132 
Auf eine Ausweisung finden jedoch die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG über die Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln bei Flüchtlingen Anwendung. Dies folgt daraus, dass nach nationalem Recht (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) eine Ausweisung ohne Weiteres das Erlöschen des dem Betreffenden erteilten Aufenthaltstitels, hier der Niederlassungserlaubnis des Klägers, zur Folge hat. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG wird diesem auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein (neuer) Aufenthaltstitel erteilt (vgl. auch § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Sie hat außerdem Folgen für den Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten, die nach deutschem Recht in der Regel an das Bestehen eines Titels (vgl. §§ 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 AufenthG, 4 Abs. 2 und 3 AufenthG) und nicht wie nach Art. 26 ff. RL 2004/83/EG an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft anknüpfen. Das beklagte Land geht im Übrigen davon aus, dass dem Kläger - sollte die Ausweisung rechtskräftig werden - jedenfalls vorerst kein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, sondern dass er lediglich einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, also auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung hat. Diese lässt die Ausreisepflicht unberührt (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Aus alledem folgt nach Auffassung des Senats, dass die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht der Beendigung eines Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gleichzustellen ist.
133 
bb) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG lässt jedoch im vorliegenden Fall nicht die Beendigung des Aufenthaltstitels - und damit in letzter Konsequenz auch nicht eine Ausweisung - zu. Erforderlich wäre danach, dass "Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet". Dieser Verweis auf den zweiten Absatz bedeutet, dass die Aufhebung bzw. die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels voraussetzt, dass eine Zurückweisung des betreffenden Flüchtlings nicht nach völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt wäre (siehe dazu den Vorbehalt des Einleitungssatzes "sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist") und dass die in den Buchstaben a oder b des Art. 21 Abs. 2 RL der Richtlinie genannten Gefahren gegeben sind (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris). Hier fehlt es schon am Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder b RL 2004/83/EG.
134 
Diese entsprechen im Wesentlichen den in Art. 33 Abs. 2 GFK enthaltenen Voraussetzungen für eine Durchbrechung des völkerrechtlichen Refoulement-Verbots (vgl. dazu Battjes in: Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, Ch. IV.3. Council Directive 2004/83/EC, Art. 21 Rn. 11). Art. 33 Abs. 1 GFK untersagt die Ausweisung oder Zurückweisung eines Flüchtlings über die Grenzen von Gebieten, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach Absatz 2 kann sich auf die Vergünstigung jedoch ein Flüchtling nicht berufen, "der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde". Die Parallelen zwischen den Ausnahmetatbeständen beider Vorschriften zeigen, dass nicht nur eine Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG, sondern auch die Versagung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels nur unter den Voraussetzungen zulässig ist, welche auch die Zurückschiebung eines Flüchtlings in das "Verfolgerland" ermöglichen würden, also nur bei "schwerwiegenden Gründen". Im Übrigen finden sich die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG auch in Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten einem Flüchtling die ihm zuerkannte Rechtsstellung (als Flüchtling) wieder aberkennen, beenden oder ihre Verlängerung ablehnen (Abs. 4), gegebenenfalls die Rechtsstellung von vornherein nicht zuerkennen (Abs. 5), wenn eine der angeführten Gefahren gegeben ist. Auch dies verdeutlicht, dass es sich um besonders gravierende Gefahren handeln muss. Zurückweisung und Ausschluss vom bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus können nur "ultima ratio" sein (vgl. zu Art. 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl 2012, § 37 Rn. 54; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 17.12 - juris). Bei der Gefahr für die Allgemeinheit gelten nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und in Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2004/83/EG mit dem Erfordernis der Verurteilung des Betreffenden wegen "eines besonders schweren Verbrechens" - jedenfalls dem Wortlaut nach - sogar höhere Anforderungen als gemäß Art. 33 Abs. 2, 2. Alternative GFK, wonach eine Verurteilung wegen "eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens" genügt.
135 
Offen bleiben kann hier, ob der Umstand, dass in der deutschen Fassung des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und des Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG nicht "schwerwiegende Gründe" wie in Art. 33 Abs. 2 GFK, sondern lediglich "stichhaltige Gründe" gefordert werden, bedeutet, dass ein geringeres Maß an Überzeugungsgewissheit erforderlich ist (vgl. dazu die englischen Fassungen dieser Bestimmungen: Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”). Mit Blick auf Art. 33 GFK, welcher zwingende Vorgaben für das Refoulement-Verbot und seine Ausnahmen enthält und in Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG aufgegriffen wird, dürften allerdings nicht nur an das Ausmaß der Gefahr, sondern auch an deren Nachweis insgesamt dieselben Anforderungen zu stellen sein wie im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GFK (a.A. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Letztlich kommt es aber hier auf diese Frage nicht an.
136 
Denn selbst wenn man insofern von einer Absenkung des erforderlichen Beweismaßes ausginge, sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht erfüllt. Der vom Kläger begangene Verstoß gegen das Vereinsgesetz, der zu seiner Verurteilung mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen geführt hat, ist ersichtlich nicht als "besonders schwere Straftat" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG anzusehen. Es bestehen aber auch keine "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie bzw. dass er aus "schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes" anzusehen ist im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GFK.
137 
Bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GFK, Art. 14 Abs. 4 und Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten - in bestimmten Grenzen - den Begriff der "Sicherheit" nach dem jeweiligen eigenen Recht selbst definieren, weil auf die Sicherheit des eigenen Staates abzustellen ist und diese im Völkerrecht nicht abschließend festgelegt werden kann (vgl. dazu und zum folgenden: Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich jedenfalls um eine sehr große Gefahr handeln (Marx, a.a.O., § 35 Rn. 182, § 37 Rn. 51, § 54 Rn. 4, m.w.N.). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87). Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 60 Abs. 8 AufenthG von der Möglichkeit der Verweigerung bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus Gebrauch gemacht (vgl. auch § 3 Abs. 4 AsylVfG). Die diesbezügliche Rechtsprechung kann daher zur Auslegung der Voraussetzungen herangezogen werden.
138 
Danach kann die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des Ausweisungstatbestands des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht ausreichen; vielmehr muss sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Stichhaltige bzw. schwerwiegende Gründe liegen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetzt. Vielmehr müssen bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigen, das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK zurücktreten zu lassen. Das ist typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine terroristische Vereinigung bzw. eine Vereinigung, welche den Terrorismus unterstützt, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt. Das kann sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintritt oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mitträgt. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend ist, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lässt sich nicht ab- strakt beantworten, sondern hängt von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt wird (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 30.03.1999 - 9 C 31.98 - juris, zu § 51 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990; Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.).
139 
Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine Aufhebung des Aufenthaltstitels des Klägers und damit seine Ausweisung nicht unter Verweis auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG rechtfertigen. Es bedarf schon genauerer Prüfung, ob tatsächlich noch von einer Gefahr für die (innere und äußere) Sicherheit des deutschen Staates durch Unterstützung der PKK auszugehen sein kann, obwohl diese in den letzten Jahren terroristische Mittel fast überwiegend nur in der Türkei angewandt hat. Abgesehen davon hat der Kläger aber jedenfalls weder selbst Gewalt ausgeübt noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Wie dargelegt, hat er zwar die PKK Anfang der 1990-er Jahre durch die Übernahme einer Vorstandstätigkeit in einem PKK-nahen Verein in Bielefeld, in den Jahren 2005 sowie 2006 durch das Einsammeln von Spenden und das Verkaufen von Zeitschriften sowie ständig durch den Besuch von PKK-nahen Veranstaltungen unterstützt. Der Senat geht aber davon aus, dass der Kläger 2005 und 2006 lediglich vorübergehend wieder eine wichtigere Funktion übernommen hat und nicht weitreichend und vor allem nicht über einen längeren Zeitraum in die Hierarchieebenen der PKK eingebunden war. Schließlich war er nach den Feststellungen im Strafurteil vom 03.12.2008 selbst in der Zeit des Einsammelns von Spenden lediglich unterhalb des Raumverantwortlichen aktiv. Er kann daher nicht - jedenfalls nicht mehr - als ein "Funktionär" der PKK angesehen werden. Bezeichnend ist auch, dass es trotz der dem Senat aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannten engen Überwachung der örtlichen kurdischen Vereine und ihres Umfelds durch das Landesamt für Verfassungsschutz - abgesehen von der Teilnahme an Veranstaltungen - keinerlei Hinweise auf weitere Aktivitäten des Klägers für die PKK bzw. ihr Umfeld gibt. Vor allem in Anbetracht der verstrichenen Zeit seit seiner Betätigung als Spendensammler 2005 und 2006 kann daher derzeit nicht (mehr) von einer gegenwärtigen Gefährdung der Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ausgegangen werden.
140 
b) Damit bedürfen die Vorlagefragen der Klärung durch den Europäischen Gerichtshof. Da die Voraussetzungen für die in Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG eingeräumte Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung der einem Flüchtling erteilten Aufenthaltserlaubnis hier nicht vorliegen, sind zunächst der Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie (aa, Vorlagefragen 1) und gegebenenfalls dessen Voraussetzungen (bb, Vorlagefragen 2) zu klären. Sollte die Regelung keine Anwendung finden auf die Aufhebung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels, stellt sich die Frage, ob eine solche unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist (cc, Vorlagefrage 3).
141 
aa) Vorlagefragen 1
142 
Mit diesen beiden Fragen soll geklärt werden, ob die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels auch bei der Beendigung von Aufenthaltstiteln - und damit für die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht - Anwendung findet, und ob diese gegebenenfalls dahingehend auszulegen ist, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels einer betreffenden Person entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegeben sind.
143 
Zunächst ist festzustellen, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch auf Fälle Anwendung findet, in denen die Flüchtlingsanerkennung vor Geltung dieser Vorschrift erfolgt ist (vgl. dazu oben 2 a) aa)). Derzeit ist noch nicht auf die Neufassung des Art. 24 - in der Fassung der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - abzustellen. Denn diese gilt gemäß Art. 41 Abs. 2 RL 2011/95/EU erst ab dem 22.12.2013. Letztlich kommt es darauf hier aber nicht entscheidend an. Die Vorlagefragen stellen sich ebenso unter Geltung der Richtlinie 2011/95/EU. Denn die beiden Fassungen des ersten Unterabsatzes unterscheiden sich lediglich dadurch, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG an die Zuerkennung des "Schutzstatus" und die geänderte Fassung der Richtlinie 2011/95/EU an die Zuerkennung des "internationalen Schutzes" anknüpft und dass in der älteren Fassung auf die Personen abgestellt wird, denen die "Flüchtlingseigenschaft" zuerkannt worden ist, während in der neuen der Begriff "Flüchtlingseigenschaft" durch "Flüchtlingsstatus" ersetzt wurde. Die materiellen Anforderungen haben sich damit nicht geändert. Abgesehen davon sind in der deutschen Fassung offensichtlich nur Übersetzungsungenauigkeiten beseitigt worden: Der letzte Halbsatz des Absatz 1 Unterabsatz 1 (ebenso in Absatz 3) in der Veröffentlichung in deutscher Sprache (ABl. L 304 vom 30.09.2004, S. 12, in der Fassung der Berichtigung, ABl. L 204 vom 05.08.2005, S. 24) lautete "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen" statt - wie in der neuen Fassung - "es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen" (so aber schon in der englischen Fassung 2004: "unless reasons of compelling national security or public order otherwise reqire", ebenso z.B. in der spanischen, der französischen, der italienischen und der niederländischen Fassung).
144 
Art. 24 RL 2004/83/EG enthält keine ausdrückliche Bestimmung über die Beendigung oder Aufhebung von Aufenthaltstiteln. Dessen Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus (RL 2004/83/EG) - bzw. des internationalen Schutzes (RL 2011/95/EU) - und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel auszustellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (RL 2004/83/EG) - bzw. der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung (RL 2011/95/EU) - dem entgegenstehen. Unterabsatz 2 enthält Regelungen für Familienangehörige, Absatz 2 eine Absatz 1 Unterabsatz 1 entsprechende Verpflichtung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, mit dem Unterschied, dass nicht auf - den nicht für diesen Personenkreis geltenden - Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG verwiesen wird und dass der Aufenthaltstitel eine Geltungsdauer von lediglich einem Jahr enthalten muss. Die Vorschrift bezweckt neben der "Gewährleistung eines Mindestmaßes an Schutz" für "Personen, die tatsächlich Schutz benötigen", die Sicherstellung, dass diesen "ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird" (Erwägungsgrund 6 der RL 2004/83/EG, 12 der RL 2011/95/EU). Dazu gehört die Sicherung des Aufenthaltsstatus von Personen mit internationalem Schutz. Außerdem zielt die Richtlinie auf eine weitgehende Angleichung der Stellung von Flüchtlingen und von Personen mit subsidiärem Schutzstatus (vgl. Erwägungsgrund 7 der RL 2004/83/EG, 13 der RL 2011/95/EU).
145 
Der Senat ist der Auffassung, dass aus der in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG normierten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, anerkannten Flüchtlingen einen mindestens drei Jahre gültigen Aufenthaltstitel zu erteilen, auch das Verbot abzuleiten ist, diesen Aufenthaltstitel bzw. einen bereits bestehenden wieder aufzuheben, ohne dass einer der normierten Gründe gegeben ist, bei deren Vorliegen bereits die Erteilung abgelehnt werden kann. Neben den in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie angeführten zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gehört dazu der Tatbestand des Art. 21 Abs. 3, auf welchen mit dem Vorbehalt des Art. 24 Abs. 1 Unterabsatz 1 „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ explizit verwiesen wird.
146 
Für eine entsprechende Anwendung spricht mit Blick auf das Ziel der Sicherstellung eines "Mindestniveaus von Leistungen" für anerkannte Flüchtlinge schon die grundsätzliche Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Vor allem ist zu bedenken, dass es - neben Art. 21 Abs. 3 RL der Richtlinie - bei bereits erteiltem Titel die Möglichkeit der Aufhebung bzw. Beendigung des Aufenthaltstitels bei Vorliegen der Ausschlusstatbestände der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" geben muss. Schließlich kann es vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Ziel der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn es im letzteren Fall keine Möglichkeit der Aufhebung eines bereits erteilten Titels gäbe. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die maßgeblichen Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden.
147 
Etwas anderes würde zwar gelten, wenn "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" immer voraussetzen würden, dass auch die Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG gegeben sind, also nur einen Unterfall der "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Betreffende eine Gefahr für die Sicherheit oder die Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt," bildeten. Denn dann bestünde kein Bedürfnis für eine entsprechende Auslegung, weil der Aufenthaltstitel gegebenenfalls aufgrund der Ermächtigung in Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie aufgehoben werden könnte. Die Beantwortung der Fragen unter 1 kann daher auch davon abhängen, wie die Fragen unter 2 zur Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie beantwortet werden. Abgesehen davon, dass der Senat der Auffassung ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG hier keine höhere Gefahrenschwelle voraussetzt als der der "stichhaltigen bzw. schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK (vgl. dazu unten zu Vorlagefragen 2), zeigt schon die Verwendung des Begriffs "öffentliche Ordnung", dass die Ausschlussgründe des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG weiter reichen als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie (vgl. dazu genauer unten im Folgenden).
148 
bb) Vorlagefragen 2
149 
Sollte der Europäische Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen, dass die unter 1 angeführten Vorlagefragen zu bejahen sind, stellen sich die unter 2 aufgelisteten zur Auslegung des in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung".
150 
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG ohnehin in den Fällen des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie nicht greifen kann, weil danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie abgelehnt werden kann. Dies wird mit der Einschränkung in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG "unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3" klargestellt. Die Nennung einer weiteren Ausnahme - der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" - dürfte aber wenig Sinn machen, wenn deren Voraussetzungen enger wären als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie. Dafür, dass die Ablehnung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 eher möglich sein soll als nach Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie, sprechen auch Inhalt und Zielsetzung der jeweiligen Regelungen. Bei Art. 21 RL 2004/83/EG geht es primär um den Schutz eines bereits anerkannten Flüchtlings vor Zurückweisung, also einer möglichen Überstellung in das Land, aus dem er wegen Verfolgung geflüchtet ist. Eine solche soll nur - ausnahmsweise - unter den in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie angeführten, Art. 33 Abs. 2 GFK nachgebildeten, Voraussetzungen möglich sein. Dass dann - nach Absatz 3 der Vorschrift - auch der Aufenthaltstitel aufgehoben bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt werden kann, ist lediglich eine folgerichtige Konsequenz der Ausnahmen vom Refoulement-Verbot. Hingegen zielt Art. 24 RL 2004/83/EG auf die Gewährleistung eines Aufenthaltstitels von drei (Abs. 1) bzw. einem Jahr (Abs. 2) für Personen mit zuerkanntem internationalem Schutz. Mit dieser Regelung wurde das erste Mal ein Anspruch anerkannter Flüchtlinge auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels festgelegt. Die Ausnahmen von der Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" erinnern an die des Art. 32 Abs. 1 GFK (vgl. auch Battjes, a.a.O., Art. 24 Rn. 6), nach welchem aus "Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Ausweisung eines Flüchtlings, der sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Staates aufhält, zulässig sein kann. "Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" können im Übrigen auch der Verpflichtung zur Erteilung eines Reiseausweises an Flüchtlinge nach Art. 28 Abs. 1 GFK entgegenstehen. Die mit dem Aufenthaltsstatus - oder auch mit der Frage der Erteilung eines Reiseausweises - verbundenen Fragen sind aber bei weitem nicht von einer derart existentiellen Bedeutung für den Flüchtling wie die, ob er sogar zurückgewiesen werden kann. In der Regel wird bei einem anerkannten Flüchtling allein eine bei Versagung eines Aufenthaltstitels folgende Illegalität des Aufenthalts nicht zu einer Abschiebung führen. Eine solche kommt allenfalls in wenigen Ausnahmefällen und nur in einen aufnahmebereiten Drittstaat in Betracht, welcher seinerseits aber das Refoulement-Verbot zu beachten hat. Dies zeigt auch der vorliegende Fall. Wie ausgeführt, soll und kann auch der Kläger nicht abgeschoben werden. Selbst wenn sein Aufenthaltstitel erlöschen und er derzeit keinen Anspruch auf Erteilung eines anderen Titels haben sollte, müsste er Deutschland nicht verlassen. Er hat nach nationalem Recht einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 AufenthG).
151 
Dafür, dass die Möglichkeiten der Versagung eines Aufenthaltstitel durch die Aufnahme des zusätzlichen Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie bestehenden Ausnahmetatbestände hinaus erweitert werden sollten, sprechen auch die Entstehungsgeschichte des Art. 24 der Richtlinie und deren Erwägungsgrund 28 (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). In der ersten Fassung des - noch vor den Terroranschlägen des 11.09.2001 erarbeiteten - Kommissionsentwurfs vom 12.09.2001 (KOM [2001] 510 endg; Ratsdok. 2001/027 (CNS); siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001) war lediglich die Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels, also ohne explizit geregelte Ausschlussgründe, vorgesehen. Der Vorbehalt "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen" wurde erst später, und zwar zunächst bei der Regelung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, in Absatz 2 (vgl. Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 -, damals Art. 21), dann auch für Absatz 1 Unterabsatz 1 (Ratsdokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -, dort Art. 22), vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang wurde in einer Fußnote zu der entsprechenden Formulierung in Absatz 2 angeführt: Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: "Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt". Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Ratsdokument vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -). Ab 2002 findet sich zudem der Vorbehalt hinsichtlich Art. 21 Abs. 3 (damals 19 Abs. 3; vgl. nur Art. 21 in der Fassung des Ratsdokuments vom 19.12.2002 - 15627/02 -; vgl. auch Dokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -). Die Absätze 2 und 3 des Art. 21 (damals Art. 19) waren bereits kurz zuvor vorgeschlagen worden (vgl. Ratsdokument vom 08.11.2002 - 13468/02 -).
152 
Die geschilderten Ergänzungen und Abänderungen der Richtlinie dürften vor dem Hintergrund der Terroranschläge des 11.09.2001 und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen sein. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 Buchst. a und c die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die Berücksichtigung der Folgen der Anschläge vom 11.09.2001 für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Richtlinie 2004/83/EG wurde zum Beispiel in einer Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002 ausdrücklich gefordert (ABl. EU C 278 vom 14.11.2002, S. 44). Mit diesem Ziel dürften auch weitere Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Richtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf erfolgt sein, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 RL 2004/83/EG und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 (entspricht Erwägungsgrund 31 der RL 2011/95/EU) auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
153 
Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass im Falle von Handlungen zur Unterstützung terroristischer Vereinigungen der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bereits bei Aktivitäten eines niedrigeren Profils mit einem geringeren Gefährdungspotential erfüllt sein kann als dies für die Annahme des Tatbestands der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" in Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie vorausgesetzt wird.
154 
Dabei wäre zunächst zu klären, ob in Anbetracht der Entstehungsgeschichte und mit Blick auf den Zweck der Regelungen nicht sogar anzunehmen ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe" für sich genommen - also ohne diesen in Beziehung zu setzen zu dem Schutzgut, um das es geht - trotz des dagegen sprechenden Wortlauts eine niedrigere Gefahrenschwelle erfordert als der der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG (vgl. dazu Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.; a.A. BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris, unter Verweis auf das Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Die Tatsache, dass die Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, und die Richtlinie 2004/83/EG am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar auf den ersten Blick nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen und entsprechend hohe Anforderungen zu stellen (vgl. zu Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG: EuGH, Urteile vom 23.11.2010 - C-145/09, Tsakouridis - Slg. 2010, I-11979, = juris, und vom 22.05.2012 - C-348/09 I. - juris). Dagegen sprechen aber schon die Unterschiede hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen, der jeweils verfolgten Ziele und der betroffenen Personen. Zudem stellt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG lediglich auf die öffentliche Sicherheit ab, während Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG als Schutzgut neben der öffentlichen Sicherheit auch die Ordnung anführt (vgl. dazu auch Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris). Vor allem geht es um unterschiedlich gravierende Eingriffe. Erlaubt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden," eine Ausweisung, führt das Vorliegen "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 RL 2004/83/EG lediglich zu der für die Betroffenen wesentlich weniger einschneidenden Rechtsfolge der Verweigerung oder des Entzugs des Aufenthaltstitels. Nach Auffassung des Senats ist der Begriff der zwingenden Gründe daher eigenständig und nicht durch Übernahme von Grundsätzen der Unionsbürgerrichtlinie zu entwickeln.
155 
Ungeachtet des Vorgesagten spricht vieles dafür, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" bzw. der "nationalen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG umfassender bzw. weiter zu verstehen ist als der der "Sicherheit des Mitgliedstaats" oder "der Sicherheit des Landes, in dem sich der Betreffende befindet" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK, mit anderen Worten, dass die bedrohten öffentlichen Interessen, die im Falle des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegen die Erteilung oder Aufrechterhaltung des Aufenthaltstitels streiten, von geringerem Gewicht sein können als dies Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie erfordert.
156 
Jedenfalls werden aber die Voraussetzungen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" deshalb eher zu bejahen sein, weil das geschützte Rechtsgut "öffentliche Sicherheit oder Ordnung" allein mit Blick auf die "öffentliche Ordnung" einen weiteren Anwendungsbereich hat als die Sicherheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder auch die Allgemeinheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG (welcher wiederum voraussetzt, dass der Betreffende wegen eine besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde). Dies folgt insbesondere auch aus dem Erwägungsgrund 28, welcher, wie ausgeführt, im Zusammenhang mit der Einfügung des auch in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/83/EG enthaltenen - für Flüchtlinge, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, geltenden - Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" gefasst wurde (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). Wenn danach "der Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auch für die Fälle gilt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt", soll es in diesen Fällen der Unterstützung des internationalen Terrorismus jedenfalls für die Frage der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr darauf ankommen, ob die Sicherheit des Mitgliedstaats in dem Sinne gefährdet ist, dass der Betreffende auch zurückgewiesen bzw. von vornherein von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen werden könnte (Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG, Art. 33 Abs. 2 GFK). Einer genauen Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals der öffentlichen bzw. nationalen Sicherheit von dem der öffentlichen Ordnung bedarf es daher mit Blick auf den Erwägungsgrund 28 der Richtlinie hier nicht. Eine entsprechend weitere Auslegung liegt im Übrigen nicht nur im (Sicherheits-)Interesse des Staates, in welchem sich der Betreffende aufhält, sondern auch in dem der anderen Mitgliedstaaten. Schließlich können sich gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen.
157 
Der Senat verkennt allerdings nicht, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch dahingehend verstanden werden könnte, dass bei Vorliegen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausnahmslos untersagt wird, während Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis ins Ermessen stellt. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Voraussetzungen für die Erfüllung des Ausschlussgrundes der "stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr für den Mitgliedstaat" eher anzunehmen sind als die der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG, könnte dann in der Einführung des Ausschlussgrundes des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG insofern eine Verschärfung zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus gesehen werden, als danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwingend ausgeschlossen wäre (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Zum einen erscheint es aber zweifelhaft, ob die Normierung einer Ausnahme ("es sei denn") von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Folge haben kann - und auch hier hat -, dass den Mitgliedstaaten damit die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen des Ausschlussgrundes gänzlich - und ohne jeden Ermessensspielraum - untersagt wird. Es spricht mehr dafür, dass darin die bloße Einschränkung der Verpflichtung des Mitgliedstaats bzw. des daraus folgenden Anspruchs eines betroffenen Flüchtlings zu sehen ist. Zum anderen erscheint eine solche Auslegung vor allem vor dem Hintergrund fernliegend, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" aus den angeführten Gründen weiter zu verstehen ist als die in den Ausschlussgründen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie genannten Schutzgüter.
158 
Von der Beantwortung der angeführten Fragen hängt ab, ob die Ausweisung des Klägers - und damit auch die gegen ihn aus Sicherheitsgründen verhängte Meldepflicht und die räumliche Beschränkung - wegen entgegenstehenden Unionsrechts als rechtswidrig anzusehen und daher aufzuheben ist. Teilt man das dargelegte weitere Verständnis des Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 2004/83/EG, wäre die Vorlagefrage 2a) zu bejahen. Denn dann könnte dieser Ausschlussgrund erfüllt sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots des Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht vorliegen. „Zwingend“ dürften die Gründe dabei immer dann sein, wenn die für die bloße Verweigerung der Legalität des Aufenthalts maßgeblichen Gründe bezogen auf die Folgen für den Betroffenen verhältnismäßig im engeren Sinn und für die Erreichung dieses Zwecks aus der Sicht der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unerlässlich sind, das heißt mit anderen Worten, wenn auf die Herbeiführung der Rechtsfolge - hier die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels - unter keinen Umständen verzichtet werden kann.
159 
Für den vorliegenden Fall würde dies nach Auffassung des Senats bedeuten, dass wegen des Vorliegens "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" kein Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG besteht, mit der Folge, dass diese Regelung einer Ausweisung nicht entgegensteht. Abgesehen davon, dass beim Kläger nicht ausgeschlossen erscheint, dass er die PKK weiter durch hervorgehobenere Unterstützungshandlungen wie das Einsammeln von Spenden, das Verteilen von Zeitschriften oder die Übernahme anderer Aufgaben unterstützt, ist jedenfalls damit zu rechnen, dass er auch in Zukunft regelmäßig Veranstaltungen besucht, welche in einer besonderen Nähe zur PKK stehen. Zwar hat die letztgenannte Form der Unterstützung für sich genommen keinen besonders hohen Gefährdungsgrad. Mit einer Beteiligung an entsprechenden Veranstaltungen wird aber eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Wie ausgeführt, werden dadurch deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflusst und ihre Aktionsmöglichkeiten sowie ihr Rekrutierungsfeld erweitert. Insgesamt wird damit dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Die vom Kläger über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichem Ausmaß - von der Übernahme der Funktion des Vorstands eines später als Teilorganisation der PKK verbotenen örtlichen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre über das Einsammeln von Spenden 2005 und 2006 bis zur ständigen (bloßen) Teilnahme an unzähligen PKK-nahen Veranstaltungen - vorgenommene Unterstützung der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beseitigung der Legalität des Aufenthalts Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist. Mit einer Aufenthaltserlaubnis könnte sich der Betreffende hingegen im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 SDÜ frei im Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten bewegen und sich auch in anderen Mitgliedstaaten bis zu drei Monate (innerhalb von sechs Monaten) aufhalten. Nach nationalem Recht ist die Ausweisung, die zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führt, zudem Voraussetzung für weitere unter Sicherheitsaspekten wichtige Maßnahmen, wie die des § 54a AufenthG "zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der Sicherheit", insbesondere die Verpflichtung, sich regelmäßig bei der örtlich zuständigen Polizeidienstelle zu melden, (Abs. 1) und die Beschränkung des Aufenthalts auf den Bezirk der Ausländerbehörde (Abs. 2).
160 
Wegen der danach gegebenen individuellen Gefährdung durch den Kläger kann die Frage offen bleiben, ob bei der Prüfung "zwingender Gründe" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch generalpräventive Aspekte - wie die durch die Verweigerung eines Aufenthaltstitels bzw. dessen Aufhebung oder Beendigung gegebenenfalls erzielte abschreckende Wirkung - zu berücksichtigen sind. Die Ausweisung des Klägers (und das Erlöschen seines Aufenthaltstitels als Voraussetzung für die in § 54a Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte vollziehbare Ausreisepflicht) ist hier nach Auffassung des Senats schon deshalb als unerlässlich anzusehen, weil sie Grundlage der ihm gegenüber im Bescheid vom 27.03.2012 verfügten Meldepflicht und der räumlichen Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim ist. Mit diesen Maßnahmen werden die Möglichkeiten des Klägers, die PKK weiter zu unterstützen, effektiv eingeschränkt. So liegt schon der nächste kurdische Verein, welcher einige der PKK-nahen Veranstaltungen ausgerichtet hat, zu deren regelmäßigen Besuch sich der Kläger seinen Angaben nach verpflichtet fühlt, außerhalb des Bezirks der Stadt Mannheim. Die mit der Ausweisung und dem Erlöschen der Niederlassungserlaubnis verbundenen Einschränkungen und Nachteile für den Kläger sind andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls hier nicht als derart gravierend anzusehen, dass darauf verzichtet werden könnte bzw. müsste.
161 
cc) Vorlagefrage 3
162 
Geht man davon aus, dass die Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG in Fällen der Beendigung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung findet, stellt sich die Frage, ob die Regelung des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie als abschließend zu verstehen ist mit der Folge, dass die Aufhebung oder Beendigung des einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels unionsrechtlich nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist. Dann wäre der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Satz 2 AufenthG entsprechend auszulegen. Die Ausweisung des Klägers wäre als rechtswidrig anzusehen.
163 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 214/10
vom
28. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. September 2010
einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 7. August 2009 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu der Begründung der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten im Hinblick auf seine Tätigkeit als Führungsfunktionär der DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi = Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front) als Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung innerhalb der DHKP-C verurteilt. Es hat dabei ausdrücklich offen gelassen, ob die DHKP-C insgesamt, also auch jenseits der "mit der Planung und Ausführung von Anschlägen betrauten Kader(n)" und des engeren Funktionärskörpers einschließlich der "Führungsverantwortlichen innerhalb der europäischen Rückfront", als eine solche Vereinigung anzusehen ist. Hierzu hätte angesichts der Feststellungen im angefochtenen Urteil keine Veranlassung bestanden. Diese belegen, dass die DHKP-C als solche eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Tot- schlag zu begehen (§ 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB). Anhaltspunkte dafür, dass insoweit zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren ist, sind den Feststellungen in Ansehung der Struktur der Vereinigung nicht zu entnehmen. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört. Auch die Listung der DHKP-C als terroristische Vereinigung (Ratsbeschlüsse 2002/460/EG vom 17. Juni 2002 und zuletzt vom 28. Juni 2007 - 2007/445/EG - zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der VO (EG) 2580/2001 vom 27. Dezember 2001) enthält keine Einschränkung auf einen bestimmten Personenkreis innerhalb der Organisation.
Becker Pfister von Lienen Sost-Scheible Schäfer

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Artikel 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu folgenden Fragen eingeholt:

1. a) Ist die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels an Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, auch bei der Aufhebung eines bereits erteilten Aufenthaltstitels zu beachten?

b) Ist diese daher dahingehend auszulegen, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) eines anerkannten Flüchtlings entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sind?

2. Für den Fall, dass die Fragen unter 1 zu bejahen sind:

a) Wie ist der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG mit Blick auf Gefahren auszulegen, die von der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ausgehen?

b) Können „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots nach Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht erfüllt sind?

3. Für den Fall, dass die Frage unter 1a) zu verneinen ist:

Ist die Aufhebung bzw. Beendigung des einem anerkannten Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (bzw. der gleichlautenden Nachfolgeregelung der Richtlinie 2011/95/EU) zulässig?

Gründe

 
A)
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebt seit 1989 mit seiner Ehefrau, welche ebenfalls türkische Staatsangehörige ist, und mit inzwischen acht gemeinsamen Kindern, von denen fünf die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist bis heute Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Auf seinen Asylantrag wurde er am 24.06.1993 als Asylberechtigter anerkannt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des - damals geltenden - § 51 Abs. 1 AuslG (Flüchtlingsschutz, heute § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen. Die Anerkennung wurde mit den exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland und der ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei drohenden politischen Verfolgung begründet (vgl. Urteil des VG Minden vom 08.02.1993). Der im Wesentlichen mit geänderten Verhältnissen in der Türkei begründete Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.08.2006 wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30.11.2007 aufgehoben. Seit dem 07.10.1993 ist der Kläger im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels.
Der Kläger war in den 1990er-Jahren in vielfältiger Weise für die PKK (Partiya Karkerên Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) bzw. deren Neben- oder Nachfolgeorganisationen exilpolitsch aktiv. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22.11.1993 wurden der PKK und der ENRK (Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) - einer inzwischen aufgelösten, damals in Deutschland für die PKK aktiven "Frontorganisation" - verboten, sich in Deutschland zu betätigen. Nach § 20 Vereinsgesetz macht sich unter anderem strafbar, wer diesem Verbot zuwiderhandelt (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 18 Satz 2 VereinsG). 1992 wurde der Kläger in den Vorstand des "Arbeiter- und Kulturzentrums der Kurden Bielefeld" gewählt. Der Verein wurde 1993 als Teilorganisation der PKK verboten. Im Asylverfahren gab der Kläger selbst an, er besuche alle Veranstaltungen und Demonstrationen der ERNK. Dabei sei er teilweise als Ordner eingesetzt. Diese exilpolitischen Aktivitäten setzte der Kläger auch nach seiner Asylanerkennung fort. Es kam deshalb zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Jahr 2001 beteiligte er sich an der Unterschriftenaktion im Rahmen der so genannten "Identitätskampagne" der PKK und unterzeichnete die Erklärung "Auch ich bin ein PKK'ler". Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg nahm der Kläger in den folgenden Jahren, auch nach dem Umzug seiner Familie aus dem Raum Bielefeld nach Mannheim im Jahr 2002, weiter regelmäßig an Demonstrationen und Veranstaltungen teil, bei welchen es um die Rechte der Kurden, um die PKK und/oder deren Generalsekretär Abdulah Öcalan ging, darunter auch solche mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan, so genannte "Märtyrergedenkfeiern" (Feiern zum Gedenken an gefallene PKK-Kämpfer und Selbstmordattentäter) und "Volksversammlungen".
Im Juni 2006 reiste der Kläger in den Irak. Er hielt sich dort zwei Monate lang auf und besuchte Verwandte sowie diverse Orte bzw. Stationen im Grenzgebiet zur Türkei. 2007 unternahm er mit seinem ältesten Sohn eine weitere Reise in den Irak.
Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 10.01.2007 wegen des Verdachts eines - durch Betätigung für die PKK begangenen - Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden unter anderem eine handschriftlich verfasste Spendenliste mit 16 Namen und Beträgen zwischen 100 und 1000 EUR sowie eine mit dem Computer im Jahr 2006 erstellte Spendenliste, welche in 4 Ortsbezirke unterteilt war und auf der hinter 29 der insgesamt 48 aufgeführten Namen monatliche Spenden im Zeitraum von Januar bis Mai in Höhe von 10 bis 30 EUR pro Monat vermerkt waren, aufgefunden, außerdem ein Zettel und ein Notizbuch mit Vermerken zu eingesammelten Beträgen, Ausdrucke eines Vordrucks für eine Spendenliste, 4 Zeitschriften Serxwebun, Fotos mit Abdullah Öcalan, darunter eines mit der Aufschrift "PKK" im Scheckkartenformat im Geldbeutel des Klägers, Fotos des Klägers neben bewaffneten Personen, welche von der Reise des Klägers in den Irak im Juni 2006 stammten, Flaggen bzw. Fahnen mit dem Emblem der "KKK" (Koma Komalên Kurdistan), Flaggen mit einer Abbildung von Abdullah Öcalan sowie ein Buch von Öcalan. Der Kläger wurde daraufhin mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen im Urteil hat er dem Verbot einer Betätigung für die PKK zuwidergehandelt. Die PKK bzw. die KONGRA-GEL finanzierten sich durch Beiträge für legale kurdische Vereine, monatliche Mitgliedsbeiträge der Anhänger, Verkauf von Publikationen, Einnahmen beim jährlichen „Kurdistanfestival“ und andere Feste auf örtlicher Ebene sowie Einnahmen aus der jährlich im Herbst/Winter durchgeführten „Spendenkampagne“. Bei dieser „Spendenkampagne“ setze der für Europa zuständige „Rat“ fest, welche Beträge von den einzelnen europäischen Ländern zu erbringen seien. Diese würden auf der jeweiligen Hierarchieebene Raum bzw. Gebiet aufgeschlüsselt. Dabei würden Listen der ortsansässigen Kurden verwendet und die von diesen zu erbringenden „Spenden“ nach der Höhe des jeweiligen Einkommens festgesetzt, wobei etwa ein Monatseinkommen zu erbringen sei. Die Spenden würden von so genannten „Sammelteams“ von zwei bis drei Personen eingesammelt, notfalls auch mit Gewalt eingetrieben. Im Zuge der hierarchischen Gebietsstruktur der PKK sei auch die Bundesrepublik Deutschland in mehrere Gebiete gegliedert, denen jeweils ein Gebietsverantwortlicher vorstehe, der regelmäßig nach einem Jahr ausgewechselt werde. Im Jahr 2005 sei dies bis zum Oktober im Gebiet Mannheim der Gebietsverantwortliche M.T., Deckname D., gewesen. Die Gebiete seien wiederum in Räume aufgeteilt, denen jeweils ein Raumverantwortlicher vorstehe. So sei das Gebiet Mannheim in die Räume Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Worms, Bruchsal, Karlsruhe und Germersheim aufgeteilt. Verantwortlicher im Raum Mannheim sei im Jahr 2005 eine nicht identifizierte Person namens Ma. gewesen. Der Kläger sei in den Jahren 2005 und 2006 im Raum Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen. Er sei direkt dem Raumverantwortlichen für Mannheim namens Ma. unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen M.T. gewesen. Dies schließe die Strafkammer daraus, dass er als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen M.T. zwei Rundschreiben per SMS erhalten habe, in welchen er dazu aufgefordert worden sei, als einer der "Freunde, die für die Räume verantwortlich seien, ... die Freunde, mit denen er "zusammenarbeite, zu benachrichtigen". Außerdem seien sein Vorname und seine Handynummer auf sichergestellten Notizzetteln des Gebietsverantwortlichen M.T. notiert gewesen. In der von ihm übernommenen Funktion habe sich der Kläger mit dem Sammeln und der Weiterleitung von Spenden für die PKK und gelegentlich auch mit der Verteilung der Zeitschrift Serxwebun - eines der Publikationsorgane der PKK bzw. der Nachfolgeorganisation KONGRA-GEL - befasst. Er habe in den im einzelnen aufgeführten Fällen (von insgesamt 29 Personen aus vier Bezirken des Raums Mannheim - jeweils von Januar bis Mai, teilweise auch nur bis März oder April 2006) selbst oder unter Einschaltung von Hilfspersonen Spenden für die PKK gesammelt, diese in seiner Spendenliste verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK, wahrscheinlich in Brüssel, abführen lassen. Er habe sich zudem noch am 10.01.2007 von seinem Sohn mit Hilfe des Computers einen neuen Vordruck einer Spendenliste erstellen lassen. Der Kläger habe das gegen die PKK verhängte Betätigungsverbot gekannt. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Spendenkampagnen für die PKK von großer Bedeutung seien. An ihnen und an dem Verkauf der Zeitschrift habe er mit dem Willen teilgenommen, die PKK zu fördern und die Eintreibung von Spenden und Einnahmen aus Zeitungsverkäufen an den Vorgaben der Partei auszurichten. Nach Verwerfung der Revision durch den Bundesgerichtshof wurde das Urteil am 08.04.2009 rechtskräftig.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27.03.2012 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt Mannheim begrenzt (Ziff. 2). Die Ausweisung wurde auf §§ 55, 56 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Als Ausweisungsgrund wurde § 54 Nr. 5 AufenthG herangezogen, wonach ein Ausländer in der Regel ausgewiesen wird, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder unterstützt hat oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Mit Blick auf die bestehende familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und den minderjährigen Kindern und unter Berücksichtigung seines unbefristeten Aufenthaltsrechts sowie des Status als Asylberechtigter und Flüchtling erging die Ausweisungsverfügung jedoch als Ermessensentscheidung (§§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3, 4 und 5, Satz 5 AufenthG, 55 AufenthG, Art. 6 Abs. 1 GG, 8 EMRK). Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle es sich um Vereinigungen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Aktivitäten des Klägers wie insbesondere das Eintreiben von Spenden, der Verkauf der PKK-Zeitung Serxwebun und auch die ständige Teilnahme an Veranstaltungen der PKK bzw. PKK-naher Vereine seien als Unterstützung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Dabei sei auch von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit auszugehen. Schließlich seien bis weit ins Jahr 2011 Unterstützungshandlungen nachgewiesen. Dem Interesse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet, das sich aus den bestehenden persönlichen und familiären Bindungen ergebe, werde durch Duldungen (d.h. eine Aussetzung der Abschiebung ohne Aufenthaltstitel) Rechnung getragen werden.
Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.08.2012 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde dargelegt: Der Umstand, dass der Kläger durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK verurteilt worden sei, rechtfertige ohne weiteres die Annahme einer relevanten Unterstützungstätigkeit, wenn diese Tätigkeiten nicht sogar auf eine Zugehörigkeit zur Organisation selbst hinwiesen. Des Weiteren stelle jedenfalls der regelmäßige, über Jahre erfolgte häufige Besuch der dem Kläger vorgehaltenen Veranstaltungen, insbesondere wenn es sich um so genannte Märtyrergedenkveranstaltungen und Feiern zum Jahrestag der Gründung der PKK handle, eine relevante Unterstützungstätigkeit dar. Durch das Einsammeln der Spenden und deren Weiterleitung habe der Kläger die PKK sogar in qualifizierter Weise unterstützt.
Auf den vom Kläger gestellten Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28.11.2012 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zugelassen.
Der Kläger bestreitet, dass es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung handelt. Jedenfalls habe er diese nicht unterstützt. Außerdem seien die für ihn als anerkannten Flüchtling geltenden Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, Art. 21 und Art. 24, nicht berücksichtigt worden. Eine Ausweisung setze nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie voraus, dass der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen sei. Solche wären nur zu bejahen, wenn er eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt hätte. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, auch nicht mit Blick auf seine strafrechtliche Verurteilung wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot. Dieser lägen Vorgänge aus den Jahren 2005 und 2006 zugrunde. Ob von ihm - unterstellt die vom beklagten Land behaupteten Aktivitäten träfen zu - eine aktuelle Gefährdung, ausginge, sei weder überprüft noch festgestellt worden. Die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG seien schon deshalb eindeutig nicht erfüllt, weil die danach erforderlichen „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ schwerwiegendere Gründe als die in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie genannten Gründe voraussetzten. Diesbezüglich sei zur Auslegung auf Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - abzustellen.
10 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 04.04.2013 hat der Kläger erklärt, er habe die ihm im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zur Last gelegte Straftat nicht begangen und auch nie eingeräumt. Er sei Kurde und sehe sich als "progressiver Kurde", weshalb er sich verpflichtet fühle, an Newroz-Festen, Demonstrationen und Veranstaltungen von Kurden teilzunehmen. Als Kurde möge er die PKK; er stehe hinter ihr. Er sei aber kein "PKK'ler". Zu letzteren zähle er die Personen, die in den Bergen gegen den Feind kämpfen. Veranstaltungen in Gedenken an die PKK, wie zum Beispiel zum Jahrestag ihrer Gründung, seien für ihn persönlich zwar nicht wichtig. Wenn es aber "für das Volk" wichtig sei, dass er daran teilnehme, könne es sein, dass er das auch mache. Feiern aus Anlass des Geburtstages von Öcalan seien nicht verboten und für ihn persönlich "schon wichtig". An Märtyrergedenkveranstaltungen nehme er teil, wenn es ihm danach sei. Wenn in den Räumen des kurdischen Vereins Versammlungen durchgeführt worden seien, sei er hingegangen. Es habe sich immer um erlaubte Veranstaltungen gehandelt. Als Vorstandsmitglied des kurdischen Vereins in Bielefeld Anfang der 1990-er Jahre habe er lediglich die Aufgabe gehabt, die Einkäufe für den Verein zu erledigen. Nach dem Verbot der PKK habe es deshalb bei ihm zu Hause eine Razzia gegeben und er sei auch angeklagt worden. Später habe er keine Aufgaben mehr übernommen. Nach seinem Umzug nach Mannheim 2002 sei er zwar zunächst noch Mitglied des örtlichen Kulturvereins der Kurden gewesen, nach Verlegung des Vereinssitzes in die benachbarte Stadt Ludwigshafen aber nicht mehr. Wegen der mit der Ausweisungsverfügung gegen ihn verhängten Beschränkung seines Aufenthalts auf die Stadt Mannheim sei er auch nicht mehr dorthin gegangen, früher habe er sich einmal die Woche, manchmal auch täglich, in den Vereinsräumen aufgehalten. Seine Reise in den Irak sei für ihn wie eine "Pilgerreise" gewesen. Dies habe er unter anderem deshalb so empfunden, weil dort sogar Staatsbedienstete wie Polizisten, Richter usw. kurdischer Volkszugehörigkeit seien. Mit einem Neffen sei er überall unterwegs gewesen. Bewaffnete Personen wie die, mit denen er sich auf Fotos habe ablichten lassen, gebe es dort überall.
11 
Das beklagte Land verteidigt den angegriffenen Ausweisungsbescheid. Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 21 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG stünden einer Ausweisung nicht entgegen. Der Kläger sei schließlich rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen verurteilt worden. Den Urteilsgründen des Strafurteils sei zu entnehmen, dass er in den Jahren 2005 und 2006 in Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen sei. Durch das Sammeln von Spenden habe er nicht nur die Strukturen der PKK in Deutschland gestärkt, sondern darüber hinaus auch die kämpfende PKK in der Türkei, die sich unter anderem durch die Spenden ihrer Anhänger finanziere, im Vorfeld qualifiziert unterstützt. Die Ausübung der genannten Tätigkeiten und die gehobene Funktion des Klägers im Raum Mannheim verdeutlichten seine strukturelle Einbindung in die Organisation, durch welche er das Gefährdungspotential der PKK mittrage. Dem stehe nicht entgegen, dass seine Verurteilung schon mehrere Jahre zurückliege. Selbst wenn er seither nicht mehr für das Sammeln von Spenden zuständig sei, belege doch die in den darauffolgenden Jahren weiterhin erfolgte regelmäßige Teilnahme an zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen der PKK das Fehlen der inneren und äußeren Abkehr von der PKK und deren Zielen.
B)
12 
Der Rechtsstreit ist in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO auszusetzen und es ist eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen (Art. 267 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AEUV).
I.
13 
Die für die Erörterung der Vorlagefragen maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
14 
1. Völkerrecht und Unionsrecht
15 
a) Genfer Flüchtlingskonvention
16 
(Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951; GFK)
17 
Artikel 28 - Reiseausweise
18 
1. Die vertragschließenden Staaten werden den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise ausstellen, die ihnen Reisen außerhalb dieses Gebietes gestatten, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen; …
19 
Artikel 32 - Ausweisung
20 
1. Die vertragschließenden Staaten werden einen Flüchtling, der sich rechtmäßig in ihrem Gebiet befindet, nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausweisen.
21 
Artikel 33 - Verbot der Ausweisung und Zurückweisung
22 
1. Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.
23 
2. Auf die Vergünstigung dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.
24 
b) Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ)
25 
Artikel 21
26 
(1) Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen.
27 
c) Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 304 vom 30.09.2004, S. 12; im folgenden RL 2004/83/EG bzw. "Richtlinie“)
28 
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
...
29 
in Erwägung nachstehender Gründe:
30 
...
(6) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie ist es einerseits, ein Mindestmaß an Schutz in allen Mitgliedstaaten für Personen zu gewährleisten, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass allen diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
31 
(7) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Anerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Asylbewerbern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht, einzudämmen.
32 
(22) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, “dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“ und “dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“.
...
33 
(28) Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
34 
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
35 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
36 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
37 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
38 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
39 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
40 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
41 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
42 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
43 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
44 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
45 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
46 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
47 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
48 
d) Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 337 vom 20.12.2011, S. 9, im Folgenden RL 2011/95/EU)
49 
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
50 
in Erwägung nachstehender Gründe:
51 
...
(12) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie besteht darin, einerseits zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien zur Bestimmung der Personen anwenden, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
52 
(13) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Zuerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, zwischen Mitgliedstaaten einzudämmen, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht.
...
53 
(31) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, dass die "Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und dass die "wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen".
...
54 
(37) Der Begriff der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
55 
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
56 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
57 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
58 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
59 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
60 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
61 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
62 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
63 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
64 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
65 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
66 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
67 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
68 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, und ihren Familienangehörigen einen verlängerbaren Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr und im Fall der Verlängerung mindestens zwei Jahre gültig sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
69 
e) Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77, ber. ABl. L 229 vom 29.06.2004, S. 35; im Folgenden RL 2004/38/EG)
70 
Artikel 28 - Schutz vor Ausweisung
71 
...
(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie
72 
a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder
b) minderjährig sind, es sei denn, ...
73 
2. Nationales Recht:
74 
a) Aufenthaltsgesetz (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 30.07.2004, BGBl. I 1950, in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.02.2008, BGBl. I, S. 162, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 15.02.2013, BGBl. I, S. 254; AufenthG)
75 
§ 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot
76 
(1) Ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, darf nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Wirkungen werden auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Die Frist beginnt mit der Ausreise. …
(2) ...
77 
§ 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen
78 
(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.
79 
(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat (§ 3 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes). Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
...
80 
(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann abweichend von § 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist...
81 
§ 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen
82 
(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:
83 
...
5. Ausweisung des Ausländers,
84 
§ 54 Ausweisung im Regelfall
85 
Ein Ausländer wird in der Regel ausgewiesen, wenn
1. ...
...
86 
5. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen,
87 
§ 54a Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit
88 
(1) Ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. …
89 
(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.
90 
§ 55 Ermessensausweisung
91 
(1) Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.
92 
(2) Ein Ausländer kann nach Absatz 1 insbesondere ausgewiesen werden, wenn er ...
93 
(3) Bei der Entscheidung über die Ausweisung sind zu berücksichtigen
94 
1. die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet,
2. die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen oder Lebenspartner des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft leben,
3. die in § 60a Abs. 2 und 2b genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung.
95 
§ 56 Besonderer Ausweisungsschutz
96 
(1) Ein Ausländer, der
97 
1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
1a. eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt,
2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 bis 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4. mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
5. als Asylberechtigter anerkannt ist, im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt oder einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, genießt besonderen Ausweisungsschutz. Er wird nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegen in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor. Liegen die Voraussetzungen des § 53 vor, so wird der Ausländer in der Regel ausgewiesen. Liegen die Voraussetzungen des § 54 vor, so wird über seine Ausweisung nach Ermessen entschieden.
98 
§ 60 Verbot der Abschiebung
99 
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurden.
100 
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes erfüllt.
101 
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden.
102 
§ 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
103 

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn…
...
104 
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
105 
b) Vereinsgesetz
106 
(Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 05.08.1964, BGBl. I 1964, S. 593; VereinsG)
107 
§ 18 Räumlicher Geltungsbereich von Vereinsverboten
108 
Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes keine Organisation, so richtet sich das Verbot (§ 3 Abs. 1) gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich.
109 
§ 20 Zuwiderhandlungen gegen Verbote
110 
(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit
111 
...
4. einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5. ...,
112 
wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ ….… des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist.
II.
113 
Zu den im Beschlusstenor angeführten Fragen - welche noch nicht Gegenstand von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs waren - ist eine Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV einzuholen, weil diese entscheidungserheblich sind und der Klärung bedürfen.
114 
Gemessen an den Bestimmungen des nationalen Rechts kann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen, weil die Ausweisung und die mit ihr verfügte Aufenthaltsbeschränkung sowie die Meldeauflage danach als rechtmäßig zu beurteilen sind (dazu unter 1.). Es kommt daher darauf an, ob Unionsrecht - hier Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 oder Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG - einer Ausweisung des Klägers entgegensteht (2.)
115 
1. Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Akten und Unterlagen sowie der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Sachverhalt und die nationale Rechtslage - ohne Berücksichtigung von Art. 21 oder 24 RL 2004/83/EG - derzeit (maßgeblich wäre letztlich der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Senats über das Berufungsverfahren) wie folgt zu beurteilen wären:
116 
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG sind gegeben (a). Die Ausweisung lässt sich nach nationalem Recht auch insgesamt rechtlich nicht beanstanden, insbesondere liegen keine Ermessensfehler vor (b). Danach wären die räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Klägers und die ihm gegenüber verfügte Meldeauflage ebenfalls rechtmäßig (c).
117 
a) Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG liegt vor.
118 
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris, Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, jew. m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16.02.2012 - AK 1/12 und 2/12 - juris) sind die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris) und ändert nichts an deren bislang grundsätzlich weiter bestehenden Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei. Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP - ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2012/765/GASP des Rates vom 10.12.2012, ABl. EU L 337 vom 11.12.2012, S. 50). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09, B. und D. - Slg. 2010, I-10979, = juris).
119 
Zwar hat Abdullah Öcalan im März dieses Jahres eine Waffenruhe verkündet, die das Ergebnis von Verhandlungen mit dem türkischen Geheimdienst sein soll. Diese ist dann von der PKK tatsächlich ausgerufen worden. Inzwischen hat nach Medienberichten der Abzug von PKK-Kämpfern aus der Türkei bereits begonnen; er soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. Allein deshalb kann aber noch nicht angenommen werden, die PKK wäre nicht mehr als terroristische Organisation anzusehen. Schließlich gab es auch in der Vergangenheit entsprechende Erklärungen, die zu keiner wesentlichen Änderung auf Dauer geführt haben. So wurde ein 1999 ausgerufener „Friedenskurs“ 2004 wieder beendet. Selbst in der Zwischenzeit hatte die PKK nicht auf Gewalt verzichtet.
120 
Der Senat ist auch der Überzeugung, dass der Kläger die PKK unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die von ihm ausgeübten Aktivitäten zur Unterstützung haben dabei sicherlich unterschiedliches Gewicht und unterschiedliche Qualität. Von besonderer Bedeutung ist das "Sammeln" bzw. "Eintreiben" und das Weiterleiten von Spenden für die PKK aus vier Bezirken des Raums Mannheim in den Jahren 2005 und 2006. Der Senat folgt insoweit den Feststellungen des Landgerichts Karlsruhe im Strafurteil vom 03.12.2008. Danach war der Kläger zwar nicht in einer Führungsposition, etwa als Gebiets- oder Raumverantwortlicher, für die PKK aktiv, er hatte aber jedenfalls eine besondere Stellung inne, welche einen aktiven Einsatz auch nach außen hin erforderte. Schließlich mussten die Spenden regelmäßig einkassiert und gegebenenfalls eingefordert werden. Die Spendenkampagnen sind für die PKK von großer Bedeutung, was dem Kläger bekannt war. Hinzu kommt der Verkauf der PKK-Zeitschrift Serxwebun. Länger zurück liegen die Aktivitäten des Klägers in Bielefeld als Vorstandsmitglied eines später verbotenen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre. Diese sowie die regelmäßige Teilnahme an diversen PKK-nahen Veranstaltungen, auf welche sich der Kläger auch in seinen Asylverfahren berufen hat, zeigen aber, dass er seit seiner Einreise nach Deutschland durchgehend für die PKK aktiv war. Auch der bloße Besuch der angeführten Feiern bzw. Versammlungen mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan sowie so genannte "Märtyrergedenkfeiern" und "Volksversammlungen" (vgl. zu letzteren genauer Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - a.a.O.) fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger. Diese Veranstaltungen haben schon von ihrem Anlass bzw. ihrer Thematik her für die Besucher erkennbar den Charakter einer Propagandaveranstaltung für die PKK und werden auch entsprechend inszeniert. Die durch eine Teilnahme an solchen besonderen Veranstaltungen ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung und Ansehen in der Gesellschaft, namentlich unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, damit ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Sie kann daher - auch in Ansehung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit - als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung anzusehen sein (vgl. dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - sowie Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, jew. a.a.O. und m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.01.2013 - 11 S 1581/12 - juris). Davon ist hier in Anbetracht der Vielzahl von einschlägigen Veranstaltungen, die der Kläger im Laufe von mittlerweile über zwei Jahrzehnten besucht hat, auszugehen. Er hat in der mündlichen Verhandlung zudem deutlich gemacht, dass es ihm tatsächlich darum geht, die PKK zu unterstützen, und dass er sich verpflichtet fühlt, an entsprechenden Veranstaltungen teilzunehmen. Soweit er vorgetragen hat, er sei kein "PKK'ler", das seien doch nur die Kämpfer in den Bergen, und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach nicht darauf an, ob die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre oder ob die Veranstaltung, um deren Besuch es geht, verboten wurde (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O., m.w.N.). Abgesehen davon hat sich der Kläger unter anderem wegen des Einsammelns und Weiterleitens von Spenden für die PKK sogar strafbar gemacht.
121 
Vor dem Hintergrund der langjährigen Aktivitäten des Klägers kann auch nicht allein aus der Tatsache, dass er inzwischen weniger - und seit Ergehen der Ausweisungsverfügung am 27.03.2012 kaum mehr - an entsprechenden Veranstaltungen teilnimmt, geschlossen werden, dass er nicht mehr als Unterstützer der PKK anzusehen wäre. Es ist im Gegenteil bezeichnend, dass er selbst nach der Durchsuchung seiner Wohnung wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz am 10.01.2007 und während des daran anschließenden Strafverfahrens und selbst noch nach Hinweis durch das Regierungspräsidium in einem Schreiben vom 09.10.2009, dass seine Ausweisung geprüft werde, weiter PKK-nahe Veranstaltungen besucht hat. Seit Erlass des Ausweisungsbescheids vom 27.03.2012 ist zudem sein Aufenthalt aufgrund der darin unter Ziffer 2 verfügten sofort vollziehbaren Anordnung auf den Stadtbezirk Mannheims beschränkt. Dies ist seinen Angaben nach auch der Grund dafür, dass er nicht einmal mehr den kurdischen Verein in Ludwigshafen besucht. In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass der Kläger sich lediglich mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und seine Aktivitäten andernfalls zumindest mit dem Besuch von Veranstaltungen der geschilderten Art fortsetzen bzw. wieder aufgreifen würde. Es ist daher davon auszugehen, dass er auch künftig die PKK nachhaltig unterstützen wird.
122 
b) Die Ausweisung ist - bei einer Beurteilung rein nach nationalem Recht - auch im Übrigen rechtmäßig.
123 
Unter anderem wegen seiner Rechtsstellung als anerkannter Asylbewerber und als Flüchtling sowie der bestehenden familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern deutscher Staatsangehörigkeit (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 und 5 AufenthG) genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier in Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, nicht gegeben. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§§ 56 Abs. 1 Satz 5, 55 AufenthG). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung insbesondere als verhältnismäßig anzusehen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Kläger Deutschland nicht - als Folge der Ausweisung - verlassen müsste, sondern jedenfalls weiter geduldet würde.
124 
c) Damit liegen auch die Voraussetzungen für Maßnahmen zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit nach § 54a Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG vor. Die Verpflichtung des Klägers unter Ziffer 2 des Bescheids vom 27.03.2012, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, beruht auf § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG; die Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim folgt aus § 54a Abs. 2 AufenthG.
125 
2. Es ist aber weiter zu prüfen, ob - und gegebenenfalls in welcher Weise - die nach nationalem Recht bei der Ausweisung eines Flüchtlings geltenden Voraussetzungen durch vorrangiges Unionsrecht modifiziert werden. Das würde hier bedeuten, dass der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG mit Blick auf Unionsrecht gegebenenfalls abweichend - unionsrechtskonform - auszulegen ist.
126 
Vorab ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass die Ausweisung des Klägers nicht an Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation zu messen ist. Da der Kläger nie einer Arbeit nachgegangen ist, hat er auch keine Rechtsstellung nach Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses erworben.
127 
Als unionsrechtlicher Prüfungsmaßstab für die Ausweisung des Klägers als anerkannter Flüchtling kommen die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bzw. die entsprechenden Nachfolgevorschriften der Richtlinie 2011/95/EU in Betracht. Der Senat ist der Überzeugung, dass die Voraussetzungen des - auf die Ausweisung anzuwendenden - Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind (dazu unter a). Deshalb stellen sich die Vorlagefragen (b).
128 
a) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG ist auch bei der Ausweisung eines Flüchtlings nach deutschem Recht anwendbar (aa). Dessen Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor (bb).
129 
aa) Gemäß Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG achten die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Nach Absatz 2 der Regelung kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Gemäß Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
130 
Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gilt auch für Fälle, in denen der einem Flüchtling erteilte Aufenthaltstitel vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 RL 2004/83/EG) oder sogar vor deren Inkrafttreten am 20.10.2004 erteilt worden ist. Art. 21 RL 2004/83/EG enthält - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 RL 2004/83/EG bezüglich Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie gestellt werden - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass dessen Anwendbarkeit bei bereits erteilten Aufenthaltstiteln ausgeschlossen wäre. Auf die Frage, ob bereits auf die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, welche am 09.01.2012 in Kraft getreten ist (vgl. dazu deren Art. 41 Abs. 1), abzustellen ist, kommt es nicht an, weil Art. 21 unverändert geblieben ist (soweit im Folgenden auf Art. 21 RL 2004/83/EG abgestellt wird, gelten die entsprechenden Ausführungen daher ebenso bezüglich Art. 21 RL 2011/95/EU).
131 
Eine Ausweisung nach deutschem Recht führt nicht zwingend zu einer Abschiebung des Betreffenden und damit auch nicht zu einer "Zurückweisung" im Sinne des Art. 21 Abs. 1 und 2 RL 2004/83/EG, sie kann daher nicht unmittelbar gegen den in Absatz 1 angeführten Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass er unter anderem wegen der familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern, von denen einige die deutsche Staatsangehörigkeit haben, (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK) und wegen seines Status als anerkannter Asylbewerber und Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) nicht abgeschoben werden darf und soll.
132 
Auf eine Ausweisung finden jedoch die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG über die Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln bei Flüchtlingen Anwendung. Dies folgt daraus, dass nach nationalem Recht (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) eine Ausweisung ohne Weiteres das Erlöschen des dem Betreffenden erteilten Aufenthaltstitels, hier der Niederlassungserlaubnis des Klägers, zur Folge hat. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG wird diesem auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein (neuer) Aufenthaltstitel erteilt (vgl. auch § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Sie hat außerdem Folgen für den Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten, die nach deutschem Recht in der Regel an das Bestehen eines Titels (vgl. §§ 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 AufenthG, 4 Abs. 2 und 3 AufenthG) und nicht wie nach Art. 26 ff. RL 2004/83/EG an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft anknüpfen. Das beklagte Land geht im Übrigen davon aus, dass dem Kläger - sollte die Ausweisung rechtskräftig werden - jedenfalls vorerst kein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, sondern dass er lediglich einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, also auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung hat. Diese lässt die Ausreisepflicht unberührt (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Aus alledem folgt nach Auffassung des Senats, dass die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht der Beendigung eines Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gleichzustellen ist.
133 
bb) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG lässt jedoch im vorliegenden Fall nicht die Beendigung des Aufenthaltstitels - und damit in letzter Konsequenz auch nicht eine Ausweisung - zu. Erforderlich wäre danach, dass "Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet". Dieser Verweis auf den zweiten Absatz bedeutet, dass die Aufhebung bzw. die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels voraussetzt, dass eine Zurückweisung des betreffenden Flüchtlings nicht nach völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt wäre (siehe dazu den Vorbehalt des Einleitungssatzes "sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist") und dass die in den Buchstaben a oder b des Art. 21 Abs. 2 RL der Richtlinie genannten Gefahren gegeben sind (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris). Hier fehlt es schon am Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder b RL 2004/83/EG.
134 
Diese entsprechen im Wesentlichen den in Art. 33 Abs. 2 GFK enthaltenen Voraussetzungen für eine Durchbrechung des völkerrechtlichen Refoulement-Verbots (vgl. dazu Battjes in: Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, Ch. IV.3. Council Directive 2004/83/EC, Art. 21 Rn. 11). Art. 33 Abs. 1 GFK untersagt die Ausweisung oder Zurückweisung eines Flüchtlings über die Grenzen von Gebieten, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach Absatz 2 kann sich auf die Vergünstigung jedoch ein Flüchtling nicht berufen, "der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde". Die Parallelen zwischen den Ausnahmetatbeständen beider Vorschriften zeigen, dass nicht nur eine Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG, sondern auch die Versagung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels nur unter den Voraussetzungen zulässig ist, welche auch die Zurückschiebung eines Flüchtlings in das "Verfolgerland" ermöglichen würden, also nur bei "schwerwiegenden Gründen". Im Übrigen finden sich die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG auch in Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten einem Flüchtling die ihm zuerkannte Rechtsstellung (als Flüchtling) wieder aberkennen, beenden oder ihre Verlängerung ablehnen (Abs. 4), gegebenenfalls die Rechtsstellung von vornherein nicht zuerkennen (Abs. 5), wenn eine der angeführten Gefahren gegeben ist. Auch dies verdeutlicht, dass es sich um besonders gravierende Gefahren handeln muss. Zurückweisung und Ausschluss vom bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus können nur "ultima ratio" sein (vgl. zu Art. 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl 2012, § 37 Rn. 54; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 17.12 - juris). Bei der Gefahr für die Allgemeinheit gelten nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und in Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2004/83/EG mit dem Erfordernis der Verurteilung des Betreffenden wegen "eines besonders schweren Verbrechens" - jedenfalls dem Wortlaut nach - sogar höhere Anforderungen als gemäß Art. 33 Abs. 2, 2. Alternative GFK, wonach eine Verurteilung wegen "eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens" genügt.
135 
Offen bleiben kann hier, ob der Umstand, dass in der deutschen Fassung des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und des Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG nicht "schwerwiegende Gründe" wie in Art. 33 Abs. 2 GFK, sondern lediglich "stichhaltige Gründe" gefordert werden, bedeutet, dass ein geringeres Maß an Überzeugungsgewissheit erforderlich ist (vgl. dazu die englischen Fassungen dieser Bestimmungen: Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”). Mit Blick auf Art. 33 GFK, welcher zwingende Vorgaben für das Refoulement-Verbot und seine Ausnahmen enthält und in Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG aufgegriffen wird, dürften allerdings nicht nur an das Ausmaß der Gefahr, sondern auch an deren Nachweis insgesamt dieselben Anforderungen zu stellen sein wie im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GFK (a.A. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Letztlich kommt es aber hier auf diese Frage nicht an.
136 
Denn selbst wenn man insofern von einer Absenkung des erforderlichen Beweismaßes ausginge, sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht erfüllt. Der vom Kläger begangene Verstoß gegen das Vereinsgesetz, der zu seiner Verurteilung mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen geführt hat, ist ersichtlich nicht als "besonders schwere Straftat" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG anzusehen. Es bestehen aber auch keine "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie bzw. dass er aus "schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes" anzusehen ist im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GFK.
137 
Bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GFK, Art. 14 Abs. 4 und Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten - in bestimmten Grenzen - den Begriff der "Sicherheit" nach dem jeweiligen eigenen Recht selbst definieren, weil auf die Sicherheit des eigenen Staates abzustellen ist und diese im Völkerrecht nicht abschließend festgelegt werden kann (vgl. dazu und zum folgenden: Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich jedenfalls um eine sehr große Gefahr handeln (Marx, a.a.O., § 35 Rn. 182, § 37 Rn. 51, § 54 Rn. 4, m.w.N.). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87). Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 60 Abs. 8 AufenthG von der Möglichkeit der Verweigerung bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus Gebrauch gemacht (vgl. auch § 3 Abs. 4 AsylVfG). Die diesbezügliche Rechtsprechung kann daher zur Auslegung der Voraussetzungen herangezogen werden.
138 
Danach kann die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des Ausweisungstatbestands des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht ausreichen; vielmehr muss sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Stichhaltige bzw. schwerwiegende Gründe liegen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetzt. Vielmehr müssen bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigen, das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK zurücktreten zu lassen. Das ist typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine terroristische Vereinigung bzw. eine Vereinigung, welche den Terrorismus unterstützt, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt. Das kann sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintritt oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mitträgt. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend ist, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lässt sich nicht ab- strakt beantworten, sondern hängt von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt wird (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 30.03.1999 - 9 C 31.98 - juris, zu § 51 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990; Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.).
139 
Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine Aufhebung des Aufenthaltstitels des Klägers und damit seine Ausweisung nicht unter Verweis auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG rechtfertigen. Es bedarf schon genauerer Prüfung, ob tatsächlich noch von einer Gefahr für die (innere und äußere) Sicherheit des deutschen Staates durch Unterstützung der PKK auszugehen sein kann, obwohl diese in den letzten Jahren terroristische Mittel fast überwiegend nur in der Türkei angewandt hat. Abgesehen davon hat der Kläger aber jedenfalls weder selbst Gewalt ausgeübt noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Wie dargelegt, hat er zwar die PKK Anfang der 1990-er Jahre durch die Übernahme einer Vorstandstätigkeit in einem PKK-nahen Verein in Bielefeld, in den Jahren 2005 sowie 2006 durch das Einsammeln von Spenden und das Verkaufen von Zeitschriften sowie ständig durch den Besuch von PKK-nahen Veranstaltungen unterstützt. Der Senat geht aber davon aus, dass der Kläger 2005 und 2006 lediglich vorübergehend wieder eine wichtigere Funktion übernommen hat und nicht weitreichend und vor allem nicht über einen längeren Zeitraum in die Hierarchieebenen der PKK eingebunden war. Schließlich war er nach den Feststellungen im Strafurteil vom 03.12.2008 selbst in der Zeit des Einsammelns von Spenden lediglich unterhalb des Raumverantwortlichen aktiv. Er kann daher nicht - jedenfalls nicht mehr - als ein "Funktionär" der PKK angesehen werden. Bezeichnend ist auch, dass es trotz der dem Senat aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannten engen Überwachung der örtlichen kurdischen Vereine und ihres Umfelds durch das Landesamt für Verfassungsschutz - abgesehen von der Teilnahme an Veranstaltungen - keinerlei Hinweise auf weitere Aktivitäten des Klägers für die PKK bzw. ihr Umfeld gibt. Vor allem in Anbetracht der verstrichenen Zeit seit seiner Betätigung als Spendensammler 2005 und 2006 kann daher derzeit nicht (mehr) von einer gegenwärtigen Gefährdung der Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ausgegangen werden.
140 
b) Damit bedürfen die Vorlagefragen der Klärung durch den Europäischen Gerichtshof. Da die Voraussetzungen für die in Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG eingeräumte Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung der einem Flüchtling erteilten Aufenthaltserlaubnis hier nicht vorliegen, sind zunächst der Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie (aa, Vorlagefragen 1) und gegebenenfalls dessen Voraussetzungen (bb, Vorlagefragen 2) zu klären. Sollte die Regelung keine Anwendung finden auf die Aufhebung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels, stellt sich die Frage, ob eine solche unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist (cc, Vorlagefrage 3).
141 
aa) Vorlagefragen 1
142 
Mit diesen beiden Fragen soll geklärt werden, ob die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels auch bei der Beendigung von Aufenthaltstiteln - und damit für die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht - Anwendung findet, und ob diese gegebenenfalls dahingehend auszulegen ist, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels einer betreffenden Person entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegeben sind.
143 
Zunächst ist festzustellen, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch auf Fälle Anwendung findet, in denen die Flüchtlingsanerkennung vor Geltung dieser Vorschrift erfolgt ist (vgl. dazu oben 2 a) aa)). Derzeit ist noch nicht auf die Neufassung des Art. 24 - in der Fassung der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - abzustellen. Denn diese gilt gemäß Art. 41 Abs. 2 RL 2011/95/EU erst ab dem 22.12.2013. Letztlich kommt es darauf hier aber nicht entscheidend an. Die Vorlagefragen stellen sich ebenso unter Geltung der Richtlinie 2011/95/EU. Denn die beiden Fassungen des ersten Unterabsatzes unterscheiden sich lediglich dadurch, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG an die Zuerkennung des "Schutzstatus" und die geänderte Fassung der Richtlinie 2011/95/EU an die Zuerkennung des "internationalen Schutzes" anknüpft und dass in der älteren Fassung auf die Personen abgestellt wird, denen die "Flüchtlingseigenschaft" zuerkannt worden ist, während in der neuen der Begriff "Flüchtlingseigenschaft" durch "Flüchtlingsstatus" ersetzt wurde. Die materiellen Anforderungen haben sich damit nicht geändert. Abgesehen davon sind in der deutschen Fassung offensichtlich nur Übersetzungsungenauigkeiten beseitigt worden: Der letzte Halbsatz des Absatz 1 Unterabsatz 1 (ebenso in Absatz 3) in der Veröffentlichung in deutscher Sprache (ABl. L 304 vom 30.09.2004, S. 12, in der Fassung der Berichtigung, ABl. L 204 vom 05.08.2005, S. 24) lautete "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen" statt - wie in der neuen Fassung - "es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen" (so aber schon in der englischen Fassung 2004: "unless reasons of compelling national security or public order otherwise reqire", ebenso z.B. in der spanischen, der französischen, der italienischen und der niederländischen Fassung).
144 
Art. 24 RL 2004/83/EG enthält keine ausdrückliche Bestimmung über die Beendigung oder Aufhebung von Aufenthaltstiteln. Dessen Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus (RL 2004/83/EG) - bzw. des internationalen Schutzes (RL 2011/95/EU) - und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel auszustellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (RL 2004/83/EG) - bzw. der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung (RL 2011/95/EU) - dem entgegenstehen. Unterabsatz 2 enthält Regelungen für Familienangehörige, Absatz 2 eine Absatz 1 Unterabsatz 1 entsprechende Verpflichtung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, mit dem Unterschied, dass nicht auf - den nicht für diesen Personenkreis geltenden - Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG verwiesen wird und dass der Aufenthaltstitel eine Geltungsdauer von lediglich einem Jahr enthalten muss. Die Vorschrift bezweckt neben der "Gewährleistung eines Mindestmaßes an Schutz" für "Personen, die tatsächlich Schutz benötigen", die Sicherstellung, dass diesen "ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird" (Erwägungsgrund 6 der RL 2004/83/EG, 12 der RL 2011/95/EU). Dazu gehört die Sicherung des Aufenthaltsstatus von Personen mit internationalem Schutz. Außerdem zielt die Richtlinie auf eine weitgehende Angleichung der Stellung von Flüchtlingen und von Personen mit subsidiärem Schutzstatus (vgl. Erwägungsgrund 7 der RL 2004/83/EG, 13 der RL 2011/95/EU).
145 
Der Senat ist der Auffassung, dass aus der in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG normierten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, anerkannten Flüchtlingen einen mindestens drei Jahre gültigen Aufenthaltstitel zu erteilen, auch das Verbot abzuleiten ist, diesen Aufenthaltstitel bzw. einen bereits bestehenden wieder aufzuheben, ohne dass einer der normierten Gründe gegeben ist, bei deren Vorliegen bereits die Erteilung abgelehnt werden kann. Neben den in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie angeführten zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gehört dazu der Tatbestand des Art. 21 Abs. 3, auf welchen mit dem Vorbehalt des Art. 24 Abs. 1 Unterabsatz 1 „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ explizit verwiesen wird.
146 
Für eine entsprechende Anwendung spricht mit Blick auf das Ziel der Sicherstellung eines "Mindestniveaus von Leistungen" für anerkannte Flüchtlinge schon die grundsätzliche Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Vor allem ist zu bedenken, dass es - neben Art. 21 Abs. 3 RL der Richtlinie - bei bereits erteiltem Titel die Möglichkeit der Aufhebung bzw. Beendigung des Aufenthaltstitels bei Vorliegen der Ausschlusstatbestände der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" geben muss. Schließlich kann es vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Ziel der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn es im letzteren Fall keine Möglichkeit der Aufhebung eines bereits erteilten Titels gäbe. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die maßgeblichen Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden.
147 
Etwas anderes würde zwar gelten, wenn "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" immer voraussetzen würden, dass auch die Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG gegeben sind, also nur einen Unterfall der "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Betreffende eine Gefahr für die Sicherheit oder die Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt," bildeten. Denn dann bestünde kein Bedürfnis für eine entsprechende Auslegung, weil der Aufenthaltstitel gegebenenfalls aufgrund der Ermächtigung in Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie aufgehoben werden könnte. Die Beantwortung der Fragen unter 1 kann daher auch davon abhängen, wie die Fragen unter 2 zur Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie beantwortet werden. Abgesehen davon, dass der Senat der Auffassung ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG hier keine höhere Gefahrenschwelle voraussetzt als der der "stichhaltigen bzw. schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK (vgl. dazu unten zu Vorlagefragen 2), zeigt schon die Verwendung des Begriffs "öffentliche Ordnung", dass die Ausschlussgründe des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG weiter reichen als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie (vgl. dazu genauer unten im Folgenden).
148 
bb) Vorlagefragen 2
149 
Sollte der Europäische Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen, dass die unter 1 angeführten Vorlagefragen zu bejahen sind, stellen sich die unter 2 aufgelisteten zur Auslegung des in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung".
150 
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG ohnehin in den Fällen des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie nicht greifen kann, weil danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie abgelehnt werden kann. Dies wird mit der Einschränkung in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG "unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3" klargestellt. Die Nennung einer weiteren Ausnahme - der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" - dürfte aber wenig Sinn machen, wenn deren Voraussetzungen enger wären als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie. Dafür, dass die Ablehnung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 eher möglich sein soll als nach Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie, sprechen auch Inhalt und Zielsetzung der jeweiligen Regelungen. Bei Art. 21 RL 2004/83/EG geht es primär um den Schutz eines bereits anerkannten Flüchtlings vor Zurückweisung, also einer möglichen Überstellung in das Land, aus dem er wegen Verfolgung geflüchtet ist. Eine solche soll nur - ausnahmsweise - unter den in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie angeführten, Art. 33 Abs. 2 GFK nachgebildeten, Voraussetzungen möglich sein. Dass dann - nach Absatz 3 der Vorschrift - auch der Aufenthaltstitel aufgehoben bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt werden kann, ist lediglich eine folgerichtige Konsequenz der Ausnahmen vom Refoulement-Verbot. Hingegen zielt Art. 24 RL 2004/83/EG auf die Gewährleistung eines Aufenthaltstitels von drei (Abs. 1) bzw. einem Jahr (Abs. 2) für Personen mit zuerkanntem internationalem Schutz. Mit dieser Regelung wurde das erste Mal ein Anspruch anerkannter Flüchtlinge auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels festgelegt. Die Ausnahmen von der Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" erinnern an die des Art. 32 Abs. 1 GFK (vgl. auch Battjes, a.a.O., Art. 24 Rn. 6), nach welchem aus "Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Ausweisung eines Flüchtlings, der sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Staates aufhält, zulässig sein kann. "Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" können im Übrigen auch der Verpflichtung zur Erteilung eines Reiseausweises an Flüchtlinge nach Art. 28 Abs. 1 GFK entgegenstehen. Die mit dem Aufenthaltsstatus - oder auch mit der Frage der Erteilung eines Reiseausweises - verbundenen Fragen sind aber bei weitem nicht von einer derart existentiellen Bedeutung für den Flüchtling wie die, ob er sogar zurückgewiesen werden kann. In der Regel wird bei einem anerkannten Flüchtling allein eine bei Versagung eines Aufenthaltstitels folgende Illegalität des Aufenthalts nicht zu einer Abschiebung führen. Eine solche kommt allenfalls in wenigen Ausnahmefällen und nur in einen aufnahmebereiten Drittstaat in Betracht, welcher seinerseits aber das Refoulement-Verbot zu beachten hat. Dies zeigt auch der vorliegende Fall. Wie ausgeführt, soll und kann auch der Kläger nicht abgeschoben werden. Selbst wenn sein Aufenthaltstitel erlöschen und er derzeit keinen Anspruch auf Erteilung eines anderen Titels haben sollte, müsste er Deutschland nicht verlassen. Er hat nach nationalem Recht einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 AufenthG).
151 
Dafür, dass die Möglichkeiten der Versagung eines Aufenthaltstitel durch die Aufnahme des zusätzlichen Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie bestehenden Ausnahmetatbestände hinaus erweitert werden sollten, sprechen auch die Entstehungsgeschichte des Art. 24 der Richtlinie und deren Erwägungsgrund 28 (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). In der ersten Fassung des - noch vor den Terroranschlägen des 11.09.2001 erarbeiteten - Kommissionsentwurfs vom 12.09.2001 (KOM [2001] 510 endg; Ratsdok. 2001/027 (CNS); siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001) war lediglich die Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels, also ohne explizit geregelte Ausschlussgründe, vorgesehen. Der Vorbehalt "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen" wurde erst später, und zwar zunächst bei der Regelung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, in Absatz 2 (vgl. Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 -, damals Art. 21), dann auch für Absatz 1 Unterabsatz 1 (Ratsdokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -, dort Art. 22), vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang wurde in einer Fußnote zu der entsprechenden Formulierung in Absatz 2 angeführt: Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: "Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt". Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Ratsdokument vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -). Ab 2002 findet sich zudem der Vorbehalt hinsichtlich Art. 21 Abs. 3 (damals 19 Abs. 3; vgl. nur Art. 21 in der Fassung des Ratsdokuments vom 19.12.2002 - 15627/02 -; vgl. auch Dokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -). Die Absätze 2 und 3 des Art. 21 (damals Art. 19) waren bereits kurz zuvor vorgeschlagen worden (vgl. Ratsdokument vom 08.11.2002 - 13468/02 -).
152 
Die geschilderten Ergänzungen und Abänderungen der Richtlinie dürften vor dem Hintergrund der Terroranschläge des 11.09.2001 und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen sein. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 Buchst. a und c die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die Berücksichtigung der Folgen der Anschläge vom 11.09.2001 für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Richtlinie 2004/83/EG wurde zum Beispiel in einer Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002 ausdrücklich gefordert (ABl. EU C 278 vom 14.11.2002, S. 44). Mit diesem Ziel dürften auch weitere Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Richtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf erfolgt sein, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 RL 2004/83/EG und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 (entspricht Erwägungsgrund 31 der RL 2011/95/EU) auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
153 
Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass im Falle von Handlungen zur Unterstützung terroristischer Vereinigungen der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bereits bei Aktivitäten eines niedrigeren Profils mit einem geringeren Gefährdungspotential erfüllt sein kann als dies für die Annahme des Tatbestands der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" in Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie vorausgesetzt wird.
154 
Dabei wäre zunächst zu klären, ob in Anbetracht der Entstehungsgeschichte und mit Blick auf den Zweck der Regelungen nicht sogar anzunehmen ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe" für sich genommen - also ohne diesen in Beziehung zu setzen zu dem Schutzgut, um das es geht - trotz des dagegen sprechenden Wortlauts eine niedrigere Gefahrenschwelle erfordert als der der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG (vgl. dazu Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.; a.A. BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris, unter Verweis auf das Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Die Tatsache, dass die Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, und die Richtlinie 2004/83/EG am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar auf den ersten Blick nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen und entsprechend hohe Anforderungen zu stellen (vgl. zu Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG: EuGH, Urteile vom 23.11.2010 - C-145/09, Tsakouridis - Slg. 2010, I-11979, = juris, und vom 22.05.2012 - C-348/09 I. - juris). Dagegen sprechen aber schon die Unterschiede hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen, der jeweils verfolgten Ziele und der betroffenen Personen. Zudem stellt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG lediglich auf die öffentliche Sicherheit ab, während Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG als Schutzgut neben der öffentlichen Sicherheit auch die Ordnung anführt (vgl. dazu auch Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris). Vor allem geht es um unterschiedlich gravierende Eingriffe. Erlaubt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden," eine Ausweisung, führt das Vorliegen "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 RL 2004/83/EG lediglich zu der für die Betroffenen wesentlich weniger einschneidenden Rechtsfolge der Verweigerung oder des Entzugs des Aufenthaltstitels. Nach Auffassung des Senats ist der Begriff der zwingenden Gründe daher eigenständig und nicht durch Übernahme von Grundsätzen der Unionsbürgerrichtlinie zu entwickeln.
155 
Ungeachtet des Vorgesagten spricht vieles dafür, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" bzw. der "nationalen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG umfassender bzw. weiter zu verstehen ist als der der "Sicherheit des Mitgliedstaats" oder "der Sicherheit des Landes, in dem sich der Betreffende befindet" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK, mit anderen Worten, dass die bedrohten öffentlichen Interessen, die im Falle des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegen die Erteilung oder Aufrechterhaltung des Aufenthaltstitels streiten, von geringerem Gewicht sein können als dies Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie erfordert.
156 
Jedenfalls werden aber die Voraussetzungen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" deshalb eher zu bejahen sein, weil das geschützte Rechtsgut "öffentliche Sicherheit oder Ordnung" allein mit Blick auf die "öffentliche Ordnung" einen weiteren Anwendungsbereich hat als die Sicherheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder auch die Allgemeinheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG (welcher wiederum voraussetzt, dass der Betreffende wegen eine besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde). Dies folgt insbesondere auch aus dem Erwägungsgrund 28, welcher, wie ausgeführt, im Zusammenhang mit der Einfügung des auch in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/83/EG enthaltenen - für Flüchtlinge, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, geltenden - Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" gefasst wurde (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). Wenn danach "der Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auch für die Fälle gilt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt", soll es in diesen Fällen der Unterstützung des internationalen Terrorismus jedenfalls für die Frage der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr darauf ankommen, ob die Sicherheit des Mitgliedstaats in dem Sinne gefährdet ist, dass der Betreffende auch zurückgewiesen bzw. von vornherein von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen werden könnte (Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG, Art. 33 Abs. 2 GFK). Einer genauen Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals der öffentlichen bzw. nationalen Sicherheit von dem der öffentlichen Ordnung bedarf es daher mit Blick auf den Erwägungsgrund 28 der Richtlinie hier nicht. Eine entsprechend weitere Auslegung liegt im Übrigen nicht nur im (Sicherheits-)Interesse des Staates, in welchem sich der Betreffende aufhält, sondern auch in dem der anderen Mitgliedstaaten. Schließlich können sich gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen.
157 
Der Senat verkennt allerdings nicht, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch dahingehend verstanden werden könnte, dass bei Vorliegen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausnahmslos untersagt wird, während Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis ins Ermessen stellt. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Voraussetzungen für die Erfüllung des Ausschlussgrundes der "stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr für den Mitgliedstaat" eher anzunehmen sind als die der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG, könnte dann in der Einführung des Ausschlussgrundes des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG insofern eine Verschärfung zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus gesehen werden, als danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwingend ausgeschlossen wäre (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Zum einen erscheint es aber zweifelhaft, ob die Normierung einer Ausnahme ("es sei denn") von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Folge haben kann - und auch hier hat -, dass den Mitgliedstaaten damit die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen des Ausschlussgrundes gänzlich - und ohne jeden Ermessensspielraum - untersagt wird. Es spricht mehr dafür, dass darin die bloße Einschränkung der Verpflichtung des Mitgliedstaats bzw. des daraus folgenden Anspruchs eines betroffenen Flüchtlings zu sehen ist. Zum anderen erscheint eine solche Auslegung vor allem vor dem Hintergrund fernliegend, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" aus den angeführten Gründen weiter zu verstehen ist als die in den Ausschlussgründen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie genannten Schutzgüter.
158 
Von der Beantwortung der angeführten Fragen hängt ab, ob die Ausweisung des Klägers - und damit auch die gegen ihn aus Sicherheitsgründen verhängte Meldepflicht und die räumliche Beschränkung - wegen entgegenstehenden Unionsrechts als rechtswidrig anzusehen und daher aufzuheben ist. Teilt man das dargelegte weitere Verständnis des Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 2004/83/EG, wäre die Vorlagefrage 2a) zu bejahen. Denn dann könnte dieser Ausschlussgrund erfüllt sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots des Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht vorliegen. „Zwingend“ dürften die Gründe dabei immer dann sein, wenn die für die bloße Verweigerung der Legalität des Aufenthalts maßgeblichen Gründe bezogen auf die Folgen für den Betroffenen verhältnismäßig im engeren Sinn und für die Erreichung dieses Zwecks aus der Sicht der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unerlässlich sind, das heißt mit anderen Worten, wenn auf die Herbeiführung der Rechtsfolge - hier die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels - unter keinen Umständen verzichtet werden kann.
159 
Für den vorliegenden Fall würde dies nach Auffassung des Senats bedeuten, dass wegen des Vorliegens "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" kein Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG besteht, mit der Folge, dass diese Regelung einer Ausweisung nicht entgegensteht. Abgesehen davon, dass beim Kläger nicht ausgeschlossen erscheint, dass er die PKK weiter durch hervorgehobenere Unterstützungshandlungen wie das Einsammeln von Spenden, das Verteilen von Zeitschriften oder die Übernahme anderer Aufgaben unterstützt, ist jedenfalls damit zu rechnen, dass er auch in Zukunft regelmäßig Veranstaltungen besucht, welche in einer besonderen Nähe zur PKK stehen. Zwar hat die letztgenannte Form der Unterstützung für sich genommen keinen besonders hohen Gefährdungsgrad. Mit einer Beteiligung an entsprechenden Veranstaltungen wird aber eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Wie ausgeführt, werden dadurch deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflusst und ihre Aktionsmöglichkeiten sowie ihr Rekrutierungsfeld erweitert. Insgesamt wird damit dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Die vom Kläger über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichem Ausmaß - von der Übernahme der Funktion des Vorstands eines später als Teilorganisation der PKK verbotenen örtlichen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre über das Einsammeln von Spenden 2005 und 2006 bis zur ständigen (bloßen) Teilnahme an unzähligen PKK-nahen Veranstaltungen - vorgenommene Unterstützung der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beseitigung der Legalität des Aufenthalts Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist. Mit einer Aufenthaltserlaubnis könnte sich der Betreffende hingegen im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 SDÜ frei im Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten bewegen und sich auch in anderen Mitgliedstaaten bis zu drei Monate (innerhalb von sechs Monaten) aufhalten. Nach nationalem Recht ist die Ausweisung, die zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führt, zudem Voraussetzung für weitere unter Sicherheitsaspekten wichtige Maßnahmen, wie die des § 54a AufenthG "zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der Sicherheit", insbesondere die Verpflichtung, sich regelmäßig bei der örtlich zuständigen Polizeidienstelle zu melden, (Abs. 1) und die Beschränkung des Aufenthalts auf den Bezirk der Ausländerbehörde (Abs. 2).
160 
Wegen der danach gegebenen individuellen Gefährdung durch den Kläger kann die Frage offen bleiben, ob bei der Prüfung "zwingender Gründe" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch generalpräventive Aspekte - wie die durch die Verweigerung eines Aufenthaltstitels bzw. dessen Aufhebung oder Beendigung gegebenenfalls erzielte abschreckende Wirkung - zu berücksichtigen sind. Die Ausweisung des Klägers (und das Erlöschen seines Aufenthaltstitels als Voraussetzung für die in § 54a Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte vollziehbare Ausreisepflicht) ist hier nach Auffassung des Senats schon deshalb als unerlässlich anzusehen, weil sie Grundlage der ihm gegenüber im Bescheid vom 27.03.2012 verfügten Meldepflicht und der räumlichen Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim ist. Mit diesen Maßnahmen werden die Möglichkeiten des Klägers, die PKK weiter zu unterstützen, effektiv eingeschränkt. So liegt schon der nächste kurdische Verein, welcher einige der PKK-nahen Veranstaltungen ausgerichtet hat, zu deren regelmäßigen Besuch sich der Kläger seinen Angaben nach verpflichtet fühlt, außerhalb des Bezirks der Stadt Mannheim. Die mit der Ausweisung und dem Erlöschen der Niederlassungserlaubnis verbundenen Einschränkungen und Nachteile für den Kläger sind andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls hier nicht als derart gravierend anzusehen, dass darauf verzichtet werden könnte bzw. müsste.
161 
cc) Vorlagefrage 3
162 
Geht man davon aus, dass die Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG in Fällen der Beendigung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung findet, stellt sich die Frage, ob die Regelung des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie als abschließend zu verstehen ist mit der Folge, dass die Aufhebung oder Beendigung des einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels unionsrechtlich nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist. Dann wäre der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Satz 2 AufenthG entsprechend auszulegen. Die Ausweisung des Klägers wäre als rechtswidrig anzusehen.
163 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers ist räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt. Von der räumlichen Beschränkung nach Satz 1 kann abgewichen werden, wenn der Ausländer zur Ausübung einer Beschäftigung ohne Prüfung nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 berechtigt ist oder wenn dies zum Zwecke des Schulbesuchs, der betrieblichen Aus- und Weiterbildung oder des Studiums an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung erforderlich ist. Das Gleiche gilt, wenn dies der Aufrechterhaltung der Familieneinheit dient.

(1a) In den Fällen des § 60a Abs. 2a wird der Aufenthalt auf den Bezirk der zuletzt zuständigen Ausländerbehörde im Inland beschränkt. Der Ausländer muss sich nach der Einreise unverzüglich dorthin begeben. Ist eine solche Behörde nicht feststellbar, gilt § 15a entsprechend.

(1b) Die räumliche Beschränkung nach den Absätzen 1 und 1a erlischt, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält.

(1c) Eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers kann unabhängig von den Absätzen 1 bis 1b angeordnet werden, wenn

1.
der Ausländer wegen einer Straftat, mit Ausnahme solcher Straftaten, deren Tatbestand nur von Ausländern verwirklicht werden kann, rechtskräftig verurteilt worden ist,
2.
Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat, oder
3.
konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung gegen den Ausländer bevorstehen.
Eine räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde soll angeordnet werden, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(1d) Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist, ist verpflichtet, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Soweit die Ausländerbehörde nichts anderes angeordnet hat, ist das der Wohnort, an dem der Ausländer zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gewohnt hat. Die Ausländerbehörde kann die Wohnsitzauflage von Amts wegen oder auf Antrag des Ausländers ändern; hierbei sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht zu berücksichtigen. Der Ausländer kann den durch die Wohnsitzauflage festgelegten Ort ohne Erlaubnis vorübergehend verlassen.

(1e) Auflagen können zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht angeordnet werden, wenn konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung unmittelbar bevorstehen. Insbesondere kann ein Ausländer verpflichtet werden, sich einmal wöchentlich oder in einem längeren Intervall bei der für den Aufenthaltsort des Ausländers zuständigen Ausländerbehörde zu melden.

(1f) Weitere Bedingungen und Auflagen können angeordnet werden.

(2) Die Länder können Ausreiseeinrichtungen für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer schaffen. In den Ausreiseeinrichtungen soll durch Betreuung und Beratung die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden.

(1) Der Aufenthaltstitel wird für das Bundesgebiet erteilt. Seine Gültigkeit nach den Vorschriften des Schengener Durchführungsübereinkommens für den Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien bleibt unberührt.

(2) Das Visum und die Aufenthaltserlaubnis können mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können, auch nachträglich, mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Insbesondere kann die Aufenthaltserlaubnis mit einer räumlichen Beschränkung versehen werden, wenn ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 oder 1a besteht und dies erforderlich ist, um den Ausländer aus einem Umfeld zu lösen, welches die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten begünstigt.

(3) Ein Ausländer hat den Teil des Bundesgebiets, in dem er sich ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde einer räumlichen Beschränkung zuwider aufhält, unverzüglich zu verlassen.

(4) Der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden.

(5) Die Ausländerbehörde kann dem Ausländer das Verlassen des auf der Grundlage dieses Gesetzes beschränkten Aufenthaltsbereichs erlauben. Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn hieran ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Der Ausländer kann Termine bei Behörden und Gerichten, bei denen sein persönliches Erscheinen erforderlich ist, ohne Erlaubnis wahrnehmen.

(1) Die Niederlassungserlaubnis ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel. Sie kann nur in den durch dieses Gesetz ausdrücklich zugelassenen Fällen mit einer Nebenbestimmung versehen werden. § 47 bleibt unberührt.

(2) Einem Ausländer ist die Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er seit fünf Jahren die Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
sein Lebensunterhalt gesichert ist,
3.
er mindestens 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet hat oder Aufwendungen für einen Anspruch auf vergleichbare Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens nachweist; berufliche Ausfallzeiten auf Grund von Kinderbetreuung oder häuslicher Pflege werden entsprechend angerechnet,
4.
Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unter Berücksichtigung der Schwere oder der Art des Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder der vom Ausländer ausgehenden Gefahr unter Berücksichtigung der Dauer des bisherigen Aufenthalts und dem Bestehen von Bindungen im Bundesgebiet nicht entgegenstehen,
5.
ihm die Beschäftigung erlaubt ist, sofern er Arbeitnehmer ist,
6.
er im Besitz der sonstigen für eine dauernde Ausübung seiner Erwerbstätigkeit erforderlichen Erlaubnisse ist,
7.
er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
8.
er über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt und
9.
er über ausreichenden Wohnraum für sich und seine mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen verfügt.
Die Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 7 und 8 sind nachgewiesen, wenn ein Integrationskurs erfolgreich abgeschlossen wurde. Von diesen Voraussetzungen wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann. Im Übrigen kann zur Vermeidung einer Härte von den Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 7 und 8 abgesehen werden. Ferner wird davon abgesehen, wenn der Ausländer sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann und er nach § 44 Abs. 3 Nr. 2 keinen Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs hatte oder er nach § 44a Abs. 2 Nr. 3 nicht zur Teilnahme am Integrationskurs verpflichtet war. Darüber hinaus wird von den Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 abgesehen, wenn der Ausländer diese aus den in Satz 3 genannten Gründen nicht erfüllen kann.

(3) Bei Ehegatten, die in ehelicher Lebensgemeinschaft leben, genügt es, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3, 5 und 6 durch einen Ehegatten erfüllt werden. Von der Voraussetzung nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 wird abgesehen, wenn sich der Ausländer in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder einem Hochschulabschluss führt. Satz 1 gilt in den Fällen des § 26 Abs. 4 entsprechend.

(4) Auf die für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis erforderlichen Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis werden folgende Zeiten angerechnet:

1.
die Zeit des früheren Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis, wenn der Ausländer zum Zeitpunkt seiner Ausreise im Besitz einer Niederlassungserlaubnis war, abzüglich der Zeit der dazwischen liegenden Aufenthalte außerhalb des Bundesgebiets, die zum Erlöschen der Niederlassungserlaubnis führten; angerechnet werden höchstens vier Jahre,
2.
höchstens sechs Monate für jeden Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets, der nicht zum Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis führte,
3.
die Zeit eines rechtmäßigen Aufenthalts zum Zweck des Studiums oder der Berufsausbildung im Bundesgebiet zur Hälfte.

(1) Der Aufenthaltstitel wird für das Bundesgebiet erteilt. Seine Gültigkeit nach den Vorschriften des Schengener Durchführungsübereinkommens für den Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien bleibt unberührt.

(2) Das Visum und die Aufenthaltserlaubnis können mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können, auch nachträglich, mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Insbesondere kann die Aufenthaltserlaubnis mit einer räumlichen Beschränkung versehen werden, wenn ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 oder 1a besteht und dies erforderlich ist, um den Ausländer aus einem Umfeld zu lösen, welches die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten begünstigt.

(3) Ein Ausländer hat den Teil des Bundesgebiets, in dem er sich ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde einer räumlichen Beschränkung zuwider aufhält, unverzüglich zu verlassen.

(4) Der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden.

(5) Die Ausländerbehörde kann dem Ausländer das Verlassen des auf der Grundlage dieses Gesetzes beschränkten Aufenthaltsbereichs erlauben. Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn hieran ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Der Ausländer kann Termine bei Behörden und Gerichten, bei denen sein persönliches Erscheinen erforderlich ist, ohne Erlaubnis wahrnehmen.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Der Aufenthaltstitel wird für das Bundesgebiet erteilt. Seine Gültigkeit nach den Vorschriften des Schengener Durchführungsübereinkommens für den Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien bleibt unberührt.

(2) Das Visum und die Aufenthaltserlaubnis können mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können, auch nachträglich, mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Insbesondere kann die Aufenthaltserlaubnis mit einer räumlichen Beschränkung versehen werden, wenn ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 oder 1a besteht und dies erforderlich ist, um den Ausländer aus einem Umfeld zu lösen, welches die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten begünstigt.

(3) Ein Ausländer hat den Teil des Bundesgebiets, in dem er sich ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde einer räumlichen Beschränkung zuwider aufhält, unverzüglich zu verlassen.

(4) Der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden.

(5) Die Ausländerbehörde kann dem Ausländer das Verlassen des auf der Grundlage dieses Gesetzes beschränkten Aufenthaltsbereichs erlauben. Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn hieran ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Der Ausländer kann Termine bei Behörden und Gerichten, bei denen sein persönliches Erscheinen erforderlich ist, ohne Erlaubnis wahrnehmen.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2011 - 11 K 2424/10 - ist unwirksam, soweit damit Ziffer 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10. Juni 2010 aufgehoben worden ist.

Im Übrigen wird auf die Berufung des beklagten Landes das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2011 - 11 K 2424/10 - geändert. Die Klage gegen Ziffern 1 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10. Juni 2010 wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der am ... in .../Türkei geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 19.12.1995 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung trug er unter anderem vor, er und seine Ehefrau hätten in der Türkei die PKK unterstützt. So hätten sie z.B. Uniformen gewaschen und den Guerillas ab und zu Lebensmittel gegeben. Sie seien deshalb verfolgt worden. Auf die vom Kläger gegen den seinen Asylantrag ablehnenden Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge – heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – (im Folgenden: Bundesamt) vom 21.03.1996 erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 01.07.1998 die Bundesrepublik Deutschland festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. In der Folge erhielt der Kläger befristete Aufenthaltsbefugnisse bzw. Aufenthaltserlaubnisse, erstmals zum 01.09.1998. Zuletzt wurde ihm am 13.09.2006 eine bis zum 12.09.2007 geltende Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt.
Der Kläger ist mit der am ... geborenen M... A..., geb. G..., verheiratet. Sie haben sieben gemeinsame Kinder: B... (* ...1988), Ex ... (* ...1990), C... (* ...1992), K... (* ...1993), E... (* ...1996), M... (* ...1998) und A... A... (* ...2005). Mit Bescheid des Bundesamts vom 09.07.1996 wurden die Ehefrau des Klägers und die fünf älteren Kinder, mit denen diese am 28.05.1996 nach Deutschland eingereist war, als Asylberechtigte anerkannt. Bezüglich M..., C..., K... ... und E... wurden die Asylanerkennungen mit Bescheid des Bundesamts vom 02.03.2007 widerrufen. Die Ehefrau und die fünf älteren Kinder sind im Besitz einer Niederlassungserlaubnis, M... ist Inhaber einer bis zum 07.01.2014 befristeten Aufenthaltserlaubnis. Der jüngste Sohn A... ist deutscher Staatsangehöriger.
Bis auf einen Zeitraum vom 24.04.2006 bis zum 01.03.2007, in welchem der Kläger in L... gewohnt hatte, war er durchgehend mit Hauptwohnsitz in H... gemeldet. Er und seine Familie bezogen zunächst (ergänzende) Sozialleistungen. In den ersten Jahren war er gelegentlich geringfügig beschäftigt, danach bei wechselnden Arbeitgebern, überwiegend in H... Er war wie folgt tätig: vom 01.07.2002 bis zum 30.11.2002 bei einer Gebäudereinigung, vom 13.03.2004 bis zum 31.03.2005 bei C.M.A. Télécafé, vom 01.04.2005 bis zum 31.01.2006 bei M.S.A. Télécafé, dann - nach Bezug von Arbeitslosengeld II in der Zeit vom 01.05.2005 bis zum 30.04.2006 - vom 01.04.2006 bis zum 15.06.2006 bei einer Vertriebs GmbH in W..., vom 17.07.2006 bis zum 31.07.2006 bei B... K., Abbruch und Demontage, vom 01.08.2006 bis zum 31.01.2007 bei M... K., Abbruch und Demontage, beide in L... und vom 01.04.2007 bis zum 31.05.2009 als Fahrer bei Ü.S. Paletten-Depot in H... Seit dem 01.07.2009 ist der Kläger bei einer Gebäudereinigung tätig.
Am 25.01.1997 wurde der Kläger in einer Sitzung der Mitglieder des Vereins „Kurd... V... e.V.“, H..., - als Zuständiger für die Bücherei - in den Vorstand gewählt. Die Mitglieder des Vereins „Gebetshaus E... ... ...“, H..., wählten ihn am 12.12.1998 als zweiten Vertreter für den Bereich Sport und am 19.05.2002 als zweiten Vorsitzenden in den Vorstand. Mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.03.1998 - KLs 71 Js 1603/96 - wurde der Kläger wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot zu einer Geldstrafe von 35 Tagesätzen zu je 15,-- DM verurteilt. Am 16.02.1999 wurde er aus Anlass der Besetzung des griechischen Generalkonsulats in Stuttgart (nach der Festnahme von Öcalan) gemeinsam mit 176 anderen Kurden einen Tag lang in „Vorbeugewahrsam“ nach § 28 PolG genommen. In einem gegen ihn wegen der Selbsterklärung „Auch ich bin ein PKK´ler“ eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 30.05.2003 von der Verfolgung abgesehen (§ 153 Abs. 1 Satz 2 StPO).
Mit Bescheid vom 16.04.2007 widerrief das Bundesamt die mit Bescheid vom 27.08.1998 getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Die dagegen vom Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage - A 17 K 480/07 - wurde von ihm am 25.09.2007 zurückgenommen.
Bereits am 17.07.2007 hatte der Kläger (zum wiederholten Mal) die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis beantragt. Unter anderem im Hinblick auf ein Schreiben des Ministeriums des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz vom 13.11.2006, mit welchem die damals zuständige Ausländerbehörde der Stadt L... über die Wahl des Klägers in den Vorstand des Kurd... V... e.V. am 25.01.1997 und zum stellvertretenden Vorstandsmitglied des Gebetshauses „E... ...“ am 12.12.1998 sowie über diverse exilpolitische Aktivitäten des Klägers informiert worden war, forderte die Ausländerbehörde der Stadt H... den Kläger auf, an einer sog. Sicherheitsbefragung gemäß §§ 54 Nr. 6 i.V.m. § 82 Abs. 4 AufenthG teilzunehmen. Bei der daraufhin am 08.08.2007 durchgeführten Befragung verneinte der Kläger die Frage, ob er bestimmte Gruppen oder Organisationen, darunter die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) alias KADEK alias KONGRA-GEL, unterstütze oder für diese tätig geworden sei. Die Zusatzfrage, welcher Art diese Unterstützungshandlungen oder Tätigkeiten (z.B. Spenden) gewesen seien, beantwortete er sinngemäß wie folgt: Er sei nur Kurde; die PKK und die KONGRA-GEL interessierten ihn nicht. Er sei auch nicht Mitglied in einem kurdischen Verein.
Mit Schreiben des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg an das Innenministerium Baden-Württemberg vom 26.02.2008 und an das Regierungspräsidium Stuttgart vom 18.11.2008 wurde mitgeteilt, dass der Kläger dem Landesamt im Zusammenhang mit der im November 1993 verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – welche 2002 in „Freiheit- und Demokratiekongress Kurdistans“ (KADEK) und 2003 in „Volkskongress Kurdistans“ (KONGRA-GEL) umbenannt worden sei – bekannt geworden sei. Neben den Vorstandstätigkeiten in den PKK-nahen Vereinen „Kurd... V...“ und „E... ... - ...“ in H... lägen folgende Erkenntnisse vor: Der Kläger habe an einer Vielzahl von Versammlungen, Demonstrationen oder Feiern von KADEK bzw. KONRAG-GEL-Anhängern teilgenommen, so am 06.04.2003 in H... an einer Versammlung anlässlich des Geburtstags von Abdullah Öcalan, am 05.02.2005 an einer Solidaritätsdemonstration für den am 22.01.2005 in Nürnberg festgenommenen stellvertretenden Vorsitzenden dieser Organisation, R... K..., am 03.04.2005 an einer Versammlung anlässlich des Geburtstags von Öcalan, am 27.11.2005 in I... (bei H...) an einer Veranstaltung zum 27. Gründungsjahrestag der PKK, am 17.12.2005 an einer Versammlung in H..., am 28.01.2006 an einer Demonstration in Mannheim, am 11.02.2006 an einer Demonstration von KONGRA-GEL-Anhängern anlässlich des 7. Jahrestages der Festnahme Öcalans in Straßburg/Frankreich, am 16.02.2007 an einer Demonstration zu den Haftbedingungen Öcalans sowie zuvor stattgefundenen Exekutivmaßnahmen der deutschen und französischen Behörden gegen mutmaßliche KONGRA-GEL-Strukturen in H..., am 27.10.2007 an einer weiteren Demonstration in H..., am 24.11.2007 an einer Versammlung anlässlich einer Feier zum Parteigründungstag der PKK in H..., am 30.03.2008 an einer weiteren Versammlung von KONGRA-GEL-Anhängern und am 18.05.2008 an einer Märtyrer-Veranstaltung in H...
Nachdem das Regierungspräsidiums Stuttgart den Kläger mit Schreiben vom 20.08.2008 unter anderem auf die Möglichkeit einer Ausweisung hingewiesen hatte, erklärte der Kläger in einem Schreiben vom 26.08.2008, er wolle zunächst feststellen, dass er kein Terrorist und kein Verbrecher sei, sondern ein einfacher Arbeiter. Jede Veranstaltung und Demonstration, an der er teilgenommen habe, sei bei den Behörden angemeldet und genehmigt gewesen. Die Vereine, in deren Vorstand er gewählt worden sei, seien Kulturvereine von Kurden für Kurden. Sicher habe auch er, als er noch in der Türkei gelebt habe, die PKK unterstützt, aber eher mit humanitären als mit militärischen Mitteln. Seit die PKK als terroristische Vereinigung gelte, habe er diese Hilfe komplett eingestellt. Er unterstütze als Kurde die kurdische Sache. Er distanziere sich aber von jeder kriminellen Handlung, die im Namen des kurdischen Volkes begangen werde, somit auch von der PKK als terroristischer Vereinigung.
10 
Am 10.02.2009 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart (Untätigkeits-) Klage gegen die Stadt H... mit dem Antrag, diese zu verpflichten, ihm eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen (8 K 487/09). Diese Klage wurde 25.05.2009 zurückgenommen; stattdessen erhob er Klage gegen das Land Baden-Württemberg (11 K 2004/09).
11 
Mit Schreiben vom 09.04.2009 und vom 01.02.2010 berichtete das Landesamt für Verfassungsschutz, es seien noch die folgenden gerichtsverwertbaren Erkenntnisse angefallen: Ausweislich eines Fotos und eines Zeitungsartikels in der der KONGRA-GEL nahestehenden türkischen Tageszeitung „Yeni Özgür Politika“ vom ...2008 habe er am ...2008 an einer Märtyrer-Gedenkveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern in H... und außerdem am 17.08.2008 anlässlich des 24. Jahrestags der Gründung des militärischen Arms der PKK an einem Grillfest von KONGRA-GEL-Anhängern bei Bad Wimpfen sowie am 25.10.2008 an einer Demonstration gegen die angebliche Misshandlung von Öcalan in H... teilgenommen. Am 23.11.2008 und am 27.11.2009 sei der Kläger in I... (bei H...) Teilnehmer von Versammlungen zur Feier des 30. bzw. 31. Gründungsjahrestages der PKK gewesen, am 20.03.2009 habe er an der „Newroz“-Veranstaltung in H... teilgenommen.
12 
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland spätestens innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise innerhalb der Ausreisefrist wurde ihm die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, angedroht (Ziff. 2). Außerdem wurde sein Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis abgelehnt (Ziff. 3). Der Kläger wurde verpflichtet, sich einmal wöchentlich unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers bei dem Polizeirevier H... zu melden. Sein Aufenthalt sei bis zu seiner Ausreise bzw. Abschiebung auf das Stadtgebiet des Stadtkreises H... beschränkt (Ziff. 4). Die sofortige Vollziehung der Ausweisung unter Ziffer 1 des Bescheids und der Meldeauflage sowie der Aufenthaltsbeschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids wurde angeordnet (Ziff. 5). In den Gründen des Bescheids wurde im Wesentlichen dargelegt: Die Voraussetzungen der Ausweisungstatbestände des § 55 AufenthG i.V.m. §§ 54 Nr. 5, Nr. 5a und Nr. 6 AufenthG seien gegeben. Der Kläger sei nicht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats/EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) privilegiert. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 und/oder des Art. 7 ARB 1/80 lägen nicht vor. Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG sei erfüllt. Die PKK sei als eine terroristische Vereinigung zu qualifizieren. Der Kläger habe diese tatbestandsmäßig im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Er sei bereits vor seiner Einreise ins Bundesgebiet 1995 fünf bis sechs Jahre in der Türkei für die PKK tätig gewesen. Bereits Anfang 1996 habe er an einer verbotenen und gewalttätigen PKK-Demonstration in Dortmund teilgenommen und sei deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Außerdem habe er im Jahr 1999 an der Besetzung des griechischen Generalkonsulats in Stuttgart anlässlich der Gefangennahme des PKK-Führers Öcalan teilgenommen und zudem im Jahr 2001 die PKK-Selbsterklärung unterzeichnet. Hinzu kämen die ab 1997 bis zumindest 2002 ausgeübten Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen. In der Folge habe er kontinuierlich ab dem Jahr 2003 bis Ende des Jahres 2009 an zahlreichen politisch-extremistischen und auch gewaltbereiten Veranstaltungen der PKK alias KADEK alias KONGRA-GEL aktiv teilgenommen. Die vorliegenden Erkenntnisse und Tatsachen rechtfertigten in ihrer wertenden Gesamtbetrachtung die Schlussfolgerung, dass er der PKK „angehöre“. Zudem seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5a und 6 AufenthG erfüllt. Da der Kläger und seine Ehefrau mit ihrem minderjährigen deutschen Kind A... A... in familiärer Lebensgemeinschaft lebten, genieße er allerdings besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG. Seine Ausweisung sei daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zulässig. Solche lägen jedoch in den Fällen des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG, also auch hier, vor. Im vorliegenden Fall seien auch keine besonderen Umstände gegeben, die zur Annahme eines Ausnahmefalls führen könnten. Nach dem Grundsatz der Herabstufung sei daher gemäß § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden. Hierbei seien nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sämtliche für und gegen die Ausweisung sprechenden Gründe in die Entscheidung einzubeziehen, zu gewichten und gegeneinander abzuwägen und zu prüfen, ob die Ausweisung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sei. Im Ergebnis überwiege das öffentliche Interesse an der Ausweisung das private Interesse des Klägers an einem weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Es bestehe ein gewichtiges öffentliches Sicherheitsinteresse, die vom Kläger persönlich ausgehende nicht unerhebliche und extremistische Gefahr für höchste Rechtsgüter durch seine Ausweisung mit dem Entzug seines Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet abzuwehren. Zudem verfolge die Ausweisung general- und spezialpräventive Zwecke. Außerdem sei von einer gesteigerten Wiederholungsgefahr auszugehen. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und schutzwürdige persönliche, wirtschaftliche und sonstige Bindungen des Klägers im Bundesgebiet hätten Berücksichtigung gefunden. Auch seien die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen des Klägers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebten, gemäß § 55 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG bedacht worden. Es handle sich um eine schutzwürdige Ehe im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG. Auch seien die Interessen der Kinder, insbesondere des jüngsten deutschen Kindes, an der Fortsetzung der familiären Lebensgemeinschaft in Deutschland zu berücksichtigen. Bei der Gewichtung und Abwägung des jeweiligen Interesses habe jedoch der Schutz der Ehe und Familie hinter das höher einzuschätzende Sicherheitsinteresse des Staates und seiner Bevölkerung vor Unterstützungshandlungen für terroristische Vereinigungen zurückzutreten. Die Ausweisungsentscheidung stehe auch mit Art. 8 EMRK im Einklang. Der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis sei abzulehnen, weil dieser bereits die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG entgegenstehe. Aufgrund der Ausweisungsverfügung, deren sofortige Vollziehung angeordnet worden sei, sei der Kläger nach §§ 50 Abs. 1 und 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Gemäß § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliege er der gesetzlichen Verpflichtung, sich einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Gemäß § 54a Abs. 2 AufenthG sei sein Aufenthalt kraft Gesetzes auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt.
13 
Mit am 01.07.2010 beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingegangenem Schriftsatz vom 28.06.2010 machte der Kläger den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 im Wege der Klageänderung bzw. -erweiterung zum Gegenstand des bereits anhängigen Verfahrens 11 K 2004/09. In der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2010 wurde die Klage insoweit abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 11 K 2424/10 fortgesetzt, als sie auf Anfechtung von Ziffern 1, 2 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidium Stuttgart vom 10.06.2010 gerichtet ist. Im Übrigen (bezüglich der Niederlassungserlaubnis) ist nach entsprechenden Anträgen der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.
14 
Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen vorgetragen: Obwohl der Kläger offensichtlich seit Jahren intensiv und engmaschig vom Verfassungsschutz beobachtet werde, könne das beklagte Land nicht einen konkreten Anhaltspunkt für eine objektive oder subjektive Unterstützungsleistung des Klägers benennen außer der schlichten Teilnahme an diversen, wohl gemerkt angemeldeten und erlaubten Versammlungen. Weder aus der Tatsache, dass er an diversen Kundgebungen teilnehme, noch daraus, dass er eine Zeitlang und bis 2002 in kurdischen Kulturvereinen in den Vorstand gewählt worden sei, habe er jemals einen Hehl gemacht. Er könne nicht für die Äußerungen irgendwelcher Redner auf irgendwelchen Veranstaltungen im Sinne einer Sippenhaft verantwortlich gemacht werden. Insgesamt bemühe sich das Land geradezu krampfhaft, eine über ein Jahrzehnt zurückliegende strafrechtliche Verurteilung und sogar ein von der Staatsanwaltschaft eingestelltes Ermittlungsverfahren, welches ebenfalls Jahre zurückliege, zur Begründung eines vermeintlichen Versagungsgrundes heranzuziehen. Tatsache sei, dass er weder Mitglied einer terroristischen Vereinigung sei noch eine solche unterstützt habe. Insoweit werde auf seine Erklärung vom 26.08.2008 Bezug genommen. Obwohl es nicht darauf ankomme, werde bestritten, dass die PKK eine terroristische Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG sei. Die Aufnahme einer Vereinigung in die EU-Terrorliste entbinde weder Behörden noch Gerichte von der eigenständigen Prüfung. Eine Ausweisung könne zudem nur erfolgen, wenn vom Ausländer persönlich eine Gefahr für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgehe. Er habe lediglich sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und Information wahrgenommen. Dass er sich einen eigenen Staat wünsche und auch das Recht habe, als Kurde seine Auffassung kundzutun, dürfte auf der Hand liegen. Die Entscheidung verstoße im Übrigen gegen Art. 6 GG.
15 
Das Regierungspräsidium Stuttgart trat der Klage entgegen. Zur Begründung verwies es auf den angefochtenen Bescheid. Entgegen dem Vortrag des Klägers habe dieser nachweisbar im dargelegten Umfang an Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen. Seine Teilnahme an den Veranstaltungen der PKK alias KONGRA-GEL vom 06.04.2003 bis zum 27.11.2009 sei durch offene und gerichtsverwertbare Tatsachen des Landesamts für Verfassungsschutz belegt, die vor Gericht durch einen Zeugen vom Hörensagen nachgewiesen werden könnten. Die PKK/KADEK/KONGRA-GEL sei auch als terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG einzustufen. Dass das „Gebetshaus E... ... - ... e.V.“ in H..., in dessen Vorstand der Kläger in den Jahren 1998 und 2002 gewählt worden sei, der PKK nahestehe, folge aus einem beigefügten Bericht des Bundeskriminalamts, Stand 11/2006. Die PKK-Nähe des Vereins Kurdx ... V... e.V.“ in H..., in dessen Vorstand der Kläger 1997 gewählt worden sei, ergebe sich aus Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz. Unerheblich sei, dass die Wahl des Klägers in den Vorstand der genannten Vereinigungen bereits 1997, 1998 und 2002 erfolgt sei, da die Annahme einer Unterstützung der PKK durch den Kläger auf einer wertenden Gesamtbetrachtung beruhe und maßgeblich auch auf die bereits zu Beginn seines Aufenthalts in der Bundesrepublik erfolgten Tätigkeiten im Funktionärsstatus abzustellen sei, denen sich in den folgenden Jahren weitere politische Aktivitäten für die PKK angeschlossen hätten, und die sich bis in die Gegenwart fortsetzten. Selbst wenn es nur um die „bloße Teilnahme“ an Veranstaltungen und Demonstrationen gehen würde, könnte auch diese unter bestimmten Voraussetzungen eine Vorfeldunterstützung des Internationalen Terrorismus darstellen. Die Versammlungen und Demonstrationen, an denen der Kläger teilgenommen habe, hätten entgegen seinem Vorbringen auch keinen „legalen und friedlichen“, sondern einen politisch-militanten Grundcharakter. Die Ausweisung verstoße auch nicht im Hinblick auf die eheliche Lebensgemeinschaft mit der Ehefrau des Klägers und mit den minderjährigen Kindern gegen Art. 6 GG. An dem Übergewicht des öffentlichen Interesses vermöge ein mögliches Abschiebungshindernis aufgrund familiärer Belange nichts zu ändern. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei nicht ausgeschlossen, dass auch unter Berücksichtigung selbst eines strikten Abschiebungsverbotes - nach § 60 Abs. 1 AufenthG - und bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Duldung eine Ausweisung ermessensfehlerfrei ausgesprochen werden könne. Die Behörde habe dann das Abschiebungsverbot in die Ermessenserwägungen einzustellen. In Anwendung dieser Grundsätze werde ergänzend vorgetragen, dass zwar die Familienschutzvorschriften des Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG gewähren und einer Abschiebung entgegenstehen könnten. Selbst wenn von einem solchen Abschiebungshindernis ausgegangen werde, führe dies aber nicht zur Unzulässigkeit der Ausweisung, sondern sei gemäß seiner Bedeutung zu werten und in die Ermessenserwägungen einzustellen. Im Ergebnis könne von einem Überwiegen des staatlichen Sicherheitsinteresses ausgegangen werden, so dass die Ausweisung des Klägers trotz eines - möglichen - Abschiebungshindernisses nicht unverhältnismäßig sei.
16 
Auf einen am 01.07.2010 vom Kläger gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO stellte das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 19.11.2010 - 11 K 2430/10 - die aufschiebende Wirkung der Klage - 11 K 2424/10 - gegen die Ziffern 1, 2 und 3 im Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 wieder her. Bezüglich Ziffer 4 des Bescheids wurde der Antrag abgelehnt.
17 
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 - 11 K 2424/10 - wurden die Ziffern 1, 2 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen wird im Wesentlichen dargelegt: Alle Vorgänge vor 2002 lägen derart weit in der Vergangenheit, dass sich aus ihnen eine gegenwärtige Gefährlichkeit nicht ablesen lasse. In der Zeit nach 2002 habe der Kläger lediglich an 13 Versammlungen, Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen - was er auch nicht bestritten habe. Im angefochtenen Bescheid seien allerdings keinerlei Ausführungen dazu enthalten, was der Kläger bei den Veranstaltungen konkret gemacht haben solle. Allein seine Anwesenheit könne noch nicht als Unterstützungshandlung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG gewertet werden, von der auf eine gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers geschlossen werden dürfe. Der Kläger erfülle aber auch nicht den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 6 AufenthG. Zwar dürfte die Beantwortung zahlreicher Fragen zur Nähe zur PKK durch den Kläger anlässlich des mit ihm durchgeführten Sicherheitsgesprächs am 08.08.2007 falsch gewesen sein. Es gebe keine gesetzlich angeordnete Rechtspflicht, an einer Sicherheitsbefragung aktiv teilzunehmen. Der Kläger hätte daher vor Beginn des Sicherheitsgesprächs auf diese Freiwilligkeit hingewiesen werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei das Ergebnis rechtlich nicht verwertbar. Damit erwiesen sich auch die Abschiebungsandrohung und die unter Ziffer 4 des Bescheids angeordneten Überwachungsmaßnahmen als rechtswidrig.
18 
Am 14.03.2011 hat das beklagte Land die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen das am 21.02.2011 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt und diese mit am 19.04.2011 eingegangenem Schriftsatz begründet. Ergänzend wird unter anderem dargelegt: Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass es nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2005 für die Annahme einer Unterstützungshandlung nach § 54 Nr. 5 AufenthG genügen könne, wenn der Betreffende an einschlägigen Versammlungen und Kundgebungen teilnehme. In diesem Zusammenhang sei vorab richtig zu stellen, dass der Kläger ab dem Jahr 2002 nicht lediglich an 13, sondern an 18 bzw. 19 Versammlungen, Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen habe. Die jeweiligen Veranstaltungen seien terrorgeneigt und politisch-militant orientiert gewesen, woraus sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts das objektiv Vorteilhafte der Teilnahme des Klägers an den Veranstaltungen ohne weiteres ergebe. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Aufteilung der Gesamtaktivitäten des Klägers in solche vor und solche nach dem Jahr 2002 unter Außerachtlassung der älteren Aktivitäten sei rechtlich nicht haltbar. Im Übrigen habe der Kläger nach den aktuellen sicherheitsrelevanten Stellungnahmen des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.12.2010 und vom 18.04.2011 noch am 28.02.2010 an einer „Volksversammlung“ mit qualitativ hochstehendem Gefährdungspotential teilgenommen. Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a und Nr. 6 AufenthG seien ebenfalls gegeben. Die Ausweisungsentscheidung sei auch ermessensfehlerfrei erfolgt. Die familiären Bindungen des Klägers seien im Rahmen der Ermessensausübung vollständig berücksichtigt worden. Im Falle des Klägers sei davon auszugehen, dass aus familiären Gründen ein Abschiebungsverbot bestehe, weshalb es bei ihm nicht um eine Beendigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik gehe. Eine Ausweisung sei gleichwohl möglich.
19 
Nachdem das Regierungspräsidium Stuttgart in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Abschiebungsandrohung unter Ziffer 2 des Bescheids vom 10.06.2010 aufgehoben hat, haben die Beteiligten den Rechtstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
20 
Das beklagte Land beantragt,
21 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 - 11 K 2424/10 - zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen Ziffern 1 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 richtet.
22 
Der Kläger beantragt,
23 
die Berufung zurückzuweisen.
24 
Zur Begründung wird auf das bisherige Vorbringen Bezug genommen und ergänzend unter anderem vorgetragen: Er habe eine Rechtsstellung nach Art. 6 ARB 1/80 inne. In der Zeit vom 01.04.2007 bis einschließlich Mai 2009 sei er durchgehend bei demselben Arbeitgeber in L... tätig gewesen. M... K. habe den Betrieb von B... K. übernommen. Nach einmonatiger Arbeitslosigkeit habe er dann zum 01.07.2009 seine Tätigkeit bei einer Gebäudereinigungsfirma angetreten, bei der er heute noch beschäftigt sei. Er lebe weiter mit seiner Ehefrau und seinen Kindern zusammen, auch mit den volljährigen. Die minderjährigen Kinder befänden sich noch in der allgemeinen Schulausbildung. Die Tochter K... nehme seit dem 22.11.2011 an einem Berufsvorbereitungslehrgang teil. C... habe eine Ausbildungsstelle zur Kauffrau im Einzelhandel und arbeite seit einigen Jahren in Nebentätigkeit bei einem Schnellimbiss.
25 
In weiteren Stellungnahmen des Landesamts für Verfassungsschutz an das Regierungspräsidium vom 17.12.2010, vom 18.04.2011 und vom 12.09.2011 wird mitgeteilt: Wie bereits am 17.12.2005 und am 30.03.2008 habe der Kläger auch am 28.02.2010 an einer „Volksversammlung“ in den Räumlichkeiten des PKK-nahen Vereins „Kurd... G...“ H... – dem Nachfolgeverein des „Kurd... V...“ – teilgenommen. Volksversammlungen gehörten zum organisatorischen Rahmen der PKK. Dabei bestehe der Teilnehmerkreis zu annähernd 100 % aus PKK-Anhängern. Sie dienten in erster Linie der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Am 20.11.2010 habe sich der Kläger außerdem an einer „Kurdistan Solidaritätsdemonstration“ in H... beteiligt, bei der Transparente/Plakate mit den Aufschriften „Freiheit für Öcalan - Frieden für Kurdistan“ u.ä. skandiert worden seien.
26 
In der mündlichen Verhandlung sind der Kläger und – informatorisch – Herr I.V. vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg angehört worden. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Die Vertreterin des beklagten Landes hat in der mündlichen Verhandlung ein Schreiben des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.12.2011 übergeben, in welchem erklärt wird, dass der Kläger bis auf Weiteres eine Duldung aus familiären Gründen erhalte.
27 
Dem Senat liegen die ausländerrechtlichen Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart (5 Hefte) und der Stadt H... (2 Hefte), die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart über Asylverfahren des Klägers (A 3 K 12680/98 und A 17 K 480/07), bezüglich Klagen wegen Niederlassungserlaubnis gegen die Stadt H... (8 K 487/09), wegen Niederlassungserlaubnis u.a. gegen das beklagte Land (11 K 2004/09, mit Beiakte) und wegen Ausweisung u.a. gegen das beklagte Land (11 K 2424/10, 2 Bände) sowie über das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hinsichtlich des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 (11 K 2430/10) vor. Der Inhalt dieser Akten ist ebenso wie der Inhalt der Gerichtsakten zum vorliegenden Verfahren (11 S 897/11) Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen; hierauf wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
28 
Soweit die Beteiligten - nach Aufhebung der Abschiebungsandrohung unter Ziffer 2 des Bescheids vom 10.06.2010 in der mündlichen Verhandlung - den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit unwirksam (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entspr.).
29 
Im Übrigen ist die aufgrund der Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage gegen die Ausweisung unter Ziffer 1 (dazu unter A) und die Meldeauflage sowie die Aufenthaltsbeschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 (B) abweisen müssen. Denn diese Verfügungen sind zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20) rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
A.
30 
Rechtsgrundlage der Ausweisung ist § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG (I.). Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG liegen vor (II.), die Ausweisungsentscheidung lässt sich auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden (III.).
I.
31 
Das Regierungspräsidium hat diese rechtsfehlerfrei auf § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob als Rechtsgrundlage daneben § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5a oder Nr. 6 AufenthG herangezogen werden könnten.
32 
Diese Regelungen sind hier uneingeschränkt anwendbar.
33 
1. Aus der Tatsache, dass der Kläger Vater eines minderjährigen deutschen Kindes – dem am ...2005 geborenen A... A... – ist, folgt nicht, dass er wie ein Unionsbürger oder nach unionsrechtlichen Grundsätzen zu behandeln wäre.
34 
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 08.03.2011 in der Rechtssache Ruiz Zambrano (C-34/09 - InfAuslR 2011, 179) entschieden, dass dem drittstaatsangehörigen Vater eines minderjährigen Kindes mit der Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates, dem er Unterhalt gewährt, unmittelbar aus der Unionsbürgerschaft (des Kindes) nach Art. 20 AEUV ein Aufenthalts- und Arbeitsanspruch zustehen kann. Ausschlaggebend war ausweislich der Gründe der Umstand, dass die Kinder, welche Unionsbürger waren, bei einer „Verweigerung von Aufenthalt und Arbeitserlaubnis“ ihrer drittstaatsangehörigen Eltern gezwungen gewesen wären, das Unionsgebiet zu verlassen. Art. 20 AEUV sei daher dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehre, einem Drittstaatsangehörigen, der seinen minderjährigen Kindern, die Unionsbürger sind, Unterhalt gewährt, den Aufenthalt im Wohnsitzstaat und eine Arbeitserlaubnis zu verweigern, da derartige Entscheidungen diesen Kindern den tatsächlichen Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleihe, verwehren würden. Folge eines entsprechenden Aufenthaltsrechts wäre eine allenfalls eingeschränkte Anwendbarkeit der Ausweisungsvorschriften der §§ 53 ff. AufenthG (vgl. dazu Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291; allgemein zum Urteil des EuGH vom 08.03.2011: OVG NRW, Beschluss vom 29.04.2011 - 18 B 377/11 -; Hess. VGH, Beschluss vom 27.10.2011 - 6 D 1633/11 - juris). Wie auch inzwischen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 05.05.2011 in der Rechtssache McCarthy (C-434/09 - InfAuslR 2011, 268) und vom 15.11.2011 in der Rechtssache Dereci (C-256/11 - juris) deutlich machen, ist ein Aufenthaltsanspruch des Drittstaatsangehörigen aus der Unionsbürgerschaft seines Kindes – oder auch seines Ehepartners – aber nur abzuleiten, wenn der betreffende Unionsbürger andernfalls zwingend das Unionsgebiet verlassen müsste (weitergehend noch Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - a.a.O., und Beschluss des Senats vom 12.05.2011 - 11 S 765/11 - NVwZ 2011, 1213). Vorliegend kann aber das jüngste deutsche Kind des Klägers zusammen mit dessen Ehefrau, welche im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, in Deutschland bleiben und wäre daher nicht gezwungen, das Unionsgebiet zu verlassen. Ob gegebenenfalls eine Trennung des Klägers von seiner Familie, insbesondere seinem minderjährigen deutschen Kind zulässig ist, ist somit keine unionsrechtliche Fragestellung, sondern nach den allgemeinen Maßstäben (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 8 EMRK) zu beantworten.
35 
2. Eine nur beschränkte Anwendbarkeit der Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG folgt hier auch nicht aus dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: ARB 1/80; vgl. insbesondere Art. 14 ARB 1/80). Der Kläger verfügt über kein Aufenthaltsrecht gemäß der - hier allein in Betracht kommenden - Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80.
36 
Nach dem gestuften Regelungssystem des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 kann im Rahmen der ersten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 1) ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht bei einjähriger Beschäftigung nur zum Zwecke der Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses bei dem gleichen Arbeitgeber erworben werden. Im Rahmen der zweiten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 2) wird nach dreijähriger ordnungsgemäßer Beschäftigung das Recht erworben, Stellenangebote eines anderen Arbeitgebers im gleichen Beruf zu akzeptieren. Erst im Rahmen der dritten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 3), d.h. nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung, erwirbt der türkische Arbeitnehmer gemäß Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht nur das Recht, auf ein bereits existierendes Stellenangebot einzugehen, sondern auch das unbedingte Recht, Arbeit zu suchen und jede beliebige Beschäftigung aufzunehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 23.01.1997 - C-171/95 - [Tetik] InfAuslR 1997, 146). Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 berühren Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche. Entsprechendes gilt auch bei einem „unverschuldeten Arbeitgeberwechsel“ (vgl. Renner, AufenthG, 9. Aufl. 2011, § 4 AufenthG Rn. 124 f.), und zwar selbst dann, wenn keine Unterbrechung der Beschäftigung eingetreten ist. Voraussetzung ist nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 allerdings, dass die Zeiten der unverschuldeten Arbeitslosigkeit „von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind“, das bedeutet, dass sich der Betreffende arbeitslos gemeldet und der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestanden hat.
37 
Nach diesen Grundsätzen verfügt der Kläger nicht über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht. Seine Arbeitstätigkeit in einer Gebäudereinigung im Jahr 2002 war zu kurz, um zum Erwerb von Ansprüchen nach dem ARB 1/80 zu führen. Selbst wenn man die sozialversicherungsfreien (Neben-)Tätigkeiten in einem Internetcafé in H... vom 13.03.2004 bis zum 31.01.2006 und die Tätigkeit bei einer Vertriebs GmbH vom 01.04.2006 bis zum 15.06.2006 insgesamt anerkennen und die damaligen Unterbrechungen durch – ordnungsgemäß festgestellte – Arbeitslosigkeit sowie den Wechsel der Arbeitgeber wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit als unschädlich ansehen würde, wäre der Kläger danach zum 15.06.2006 maximal 2 Jahre 3 Monate und 2 Tage ordnungsgemäß beschäftigt gewesen. Die damit allenfalls erreichte Rechtsposition nach dem ersten Spiegelstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 wäre durch die anschließende beschäftigungslose Zeit bis zur Aufnahme einer Arbeit bei einem Abbruchunternehmen in L... unterbrochen gewesen. Denn ausweislich der vorliegenden Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung (vgl. den vom Kläger mit Schriftsatz vom 30.06.2011 vorgelegten Versicherungsverlauf vom 06.06.2011) war er in dieser Zeit nicht arbeitslos gemeldet. Letztlich kommt es aber darauf nicht an. Selbst wenn man – trotz des Betriebsinhaberwechsels – die anschließende Beschäftigung bei den Abbruchunternehmen in L... vom 17.07.2006 bis zum 31.01.2007 hinzurechnen würde, wäre der Kläger seit dem 13.03.2004 noch keine drei Jahre beschäftigt gewesen, hätte also nur die Rechtsposition der ersten Stufe des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht gehabt. Diese hätte er durch die anschließende Kündigung und die folgende zweimonatige Arbeitslosigkeit aber wieder verloren gehabt. Denn diese Kündigung erfolgte nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung durch ihn. Da seine Kinder sich geweigert hätten, zu ihm nach L... zu ziehen, habe er wieder zu seiner Familie ziehen wollen.
38 
Im Anschluss war der Kläger zwar noch vom 02.04.2007 bis zum 31.05.2009 als Fahrer bei einer Firma in H... beschäftigt und ist seit dem 01.07.2009 bei einer Gebäudereinigung angestellt. Die Beschäftigungszeiten als Fahrer können aber schon deshalb nicht mehr zum Erreichen eines Rechts nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 führen, weil der Kläger seinen Angaben nach zwar entlassen wurde, sich aber nicht unmittelbar anschließend bei der Arbeitsverwaltung gemeldet hat. Abgesehen davon war er seit dem 13.09.2007 nicht mehr „ordnungsgemäß beschäftigt“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Denn seine letzte Aufenthaltserlaubnis lief am 12.09.2007 aus und galt lediglich aufgrund seines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis als fortbestehend (§ 81 Abs. 4 AufenthG). Grundsätzlich setzt aber eine „ordnungsgemäße Beschäftigung“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt voraus (vgl. nur EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], NVwZ 1991, 255). Keine gesicherte, sondern nur eine vorläufige verfahrenssichernde Rechtsstellung hat ein türkischer Arbeitnehmer während des Zeitraums, in dem sein Widerspruch oder seine Klage aufschiebende Wirkung gegen eine die Erteilung oder die Verlängerung eines Aufenthaltstitels ablehnende behördliche Entscheidung entfaltet (vgl. EuGH, Urteil vom 16.12.1992 - C-237/91 - [Kus], InfAuslR 1993, 41). Dies gilt auch in Bezug auf die Titelfunktion des § 81 Abs. 4 AufenthG (vgl. Renner, a.a.O., § 4 AufenthG, Rn. 117 m.w.N.). Etwas anderes folgt hier auch nicht daraus, dass über die am 25.05.2009 gegen das Land Baden-Württemberg erhobene Klage des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (11 K 2004/09) noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Zwar können Zeiten der Arbeitstätigkeit, in denen der Betreffende lediglich über ein fiktives Aufenthaltsrecht verfügt hat, später - rückwirkend - doch wieder als Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung zu berücksichtigen sein, wenn in der Folge eine positive behördliche oder gerichtliche Entscheidung getroffen wird. Denn dann werden die zurückliegenden Beschäftigungszeiten anrechnungsfähig (EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], a.a.O.), und zwar gegebenenfalls selbst dann, wenn während kurzer Zeiträume kein Aufenthaltstitel und auch keine Fiktionswirkung bestand, etwa weil der Betreffende eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erst kurz nach Ablauf der geltenden Aufenthaltserlaubnis beantragt hatte (EuGH, Urteil vom 16.03.2000 - C-329/97 - [Ergat], InfAuslR 2000, 217). Diese Fragen können hier jedoch dahingestellt bleiben. Denn es ist wegen des vom Kläger verwirklichten Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 5 AufenthG (dazu unten) offensichtlich, dass er keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Niederlassungserlaubnis oder auf Verlängerung der früher bestehenden Aufenthaltserlaubnis hat (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 AufenthG). Abgesehen davon kommt es darauf auch deshalb nicht an, weil die Fiktionswirkung entsprechend § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG jedenfalls mit Bekanntgabe der Ausweisung vom 10.06.2010 – und damit vor Ablauf eines Jahres seit Beginn der Tätigkeit am 01.07.2009 und Erreichen einer Position nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 – erloschen ist. Zwar kommt der vom Kläger gegen die Ausweisung erhobenen Klage aufschiebende Wirkung zu, weil das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19.11.2010 - 11 K 2430/10 - auch insoweit die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt hat. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lassen jedoch Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit unter anderem der Ausweisung unberührt, solange diese nicht unanfechtbar aufgehoben worden ist.
II.
39 
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG sind erfüllt.
40 
Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Die Zugehörigkeit zu einer entsprechenden Vereinigung oder ihre Unterstützung muss danach nicht erwiesen sein, es genügt das Vorliegen von Tatsachen, die die entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen. Dass es sich dabei um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, muss hingegen feststehen (Bay.VGH, Urteil vom 22.02.2010 - 19 B 09.929 - juris, bestätigt mit Urteil des BVerwG vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -).
41 
1. Zunächst sind das Verwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Stuttgart zu Recht davon ausgegangen, dass die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen sind (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - VBlBW 2011, 478, und vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris sowie Beschlüsse des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - und vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - InfAuslRAuslR 2011, 105). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie selbst ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln – wie dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen und mit Angriffen auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele – verfolgt (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris, m.w.N.; vgl. im Einzelnen zum Begriff des Terrorismus GK-AufenthG, Stand: Sept. 2011, § 54 Rn. 436 ff.). Das ist bei der PKK in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis heute der Fall. Insbesondere verzichtete die PKK auch während der Phase des 1999 ausgerufenen und 2004 wieder beendeten „Friedenskurses“ nicht auf Gewalt. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - 1 A 111/09 - InfAuslR 2011, 37) und ändert nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei (so etwa am 22.06.2010 in Istanbul, vgl. ZEIT-ONLINE vom 23.06.2010: www.zeit.de/politik/ausland/2010-06/kurden-tuerkei-politik; WELT ONLINE vom 22.06.2010 www.welt.de/politik/ausland/ article8142791/Tuerkei-Touristen-im-Fadenkreuz-kurdischen-Terrors.html; am 27. und 28.08 2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, vgl. SPIEGEL ONLINE vom 28.08.2006 www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,434039,00.html) oder der Entführung Unbeteiligter (vgl. zur Entführung von drei deutschen Staatsangehörigen am Berg Ararat am 08.07.2008 SPIEGEL ONLINE vom 09.07.2011: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,564783,00.html). Insoweit wird ergänzend auf die ausführliche und zutreffende Darstellung im angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums vom 10.06.2010 verwiesen (vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ., „Ausländerextremismus“, August 2007, S. 9 ff., sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)“, März 2007). Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP – ABl. L 116, S. 75). Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 - InfAuslR 2011, 40; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.2010 - 1 B 24.10 - juris; noch offengelassen im Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).
42 
2. Ob der Kläger der PKK „angehört“ im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, kann hier offen bleiben. Denn aus den vorliegenden Tatsachen ist jedenfalls die Folgerung gerechtfertigt, dass er diese seit vielen Jahren in mehrfacher Weise unterstützt hat und weiter unterstützt.
43 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -BVerwGE 123, 114 - zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O., m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O.; Urteile des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris und vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.).
44 
Nach diesen Grundsätzen liegen hier eine Vielzahl von Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen (a) und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten PKK-nahen Aktionen und Veranstaltungen (b). Dabei sind entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch die länger zurückliegenden Tatsachen noch zu berücksichtigen (c).
45 
a) Zunächst steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die kurdischen Vereine in H..., in denen der Kläger Vorstandsmitglied war, den Terrorismus unterstützen. Dabei zu berücksichtigen, dass - wie dargelegt - bereits jede Tätigkeit als tatbestandliches Unterstützen anzusehen ist, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der betreffenden Vereinigung, hier der PKK, auswirkt.
46 
aa) Der Verein „Kurd... V...“ e.V. wurde in den 1990-er Jahren gegründet und im Jahr 2000 wieder aufgelöst. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich deutlich gemacht, dass er in dem im Anschluss gegründeten „Kurd... K...“ und in dem derzeit bestehenden Verein „Kurd... G...“ Nachfolgevereine des Vereins Kurdx ... V...“ sieht. Es handle sich um „den Verein“, in welchem er bis heute Mitglied sei und mit seinen Familienangehörigen jedes Wochenende verbringe. Er hat damit die entsprechende Einschätzung des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, die in der mündlichen Verhandlung von dem angehörten Mitarbeiter I.V. weiter erläutert worden ist, bestätigt. Der Kläger ist in einer Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 in den Vorstand des Vereins „K... V...“ gewählt worden und war als solcher für die Bücherei des Vereins zuständig. Darauf hat er sich auch in seinem Asylverfahren berufen und geltend gemacht, dass ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei Verfolgung drohe (Schriftsatz vom 01.07.1997 zum Verfahren A 3 K 12680/98).
47 
Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder – nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM – für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010“ im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.
48 
Hinzu kommen die Veranstaltungen, die vom Verein „Kurd... V...“ durchgeführt wurden, so zum Beispiel aus der Zeit, in der der Kläger Vorstandsmitglied war, eine Demonstration zum Newroz-Fest am 20.03.1998. In einem Bericht der Stadt H... vom 29.04.1998 über diese Demonstration wird dargelegt, dass Fahnen mit Symbolen der PKK gezeigt worden seien. Nach Einschätzung der Polizei und der Stadt H... habe nicht das Thema „Newroz-Fest“ im Vordergrund gestanden, sondern das Thema „Politische Lösung der kurdischen Frage und Aufhebung des Verbots der PKK“. Wie sich außerdem einem Bescheid der Stadt H... vom 14.05.1998 über das Verbot einer für den 17.05.1998 im Schlachthof in H... geplanten Veranstaltung entnehmen lässt, wurde zu dieser angeblichen „Folkloreveranstaltung“ mit Flugblättern der ENRK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans, eine Organisation der PKK) eingeladen. In den Räumen des Vereins wurde dafür mit einem Aushang mit dem Text „Sieg im Frieden, Freiheit im Leben, Volksversammlung wird stattfinden. Ort = Schlachthof“ geworben. Herr I.V. vom Landesamt für Verfassungsschutz hat zudem in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren überzeugend dargelegt, dass „der Verein“ in H... – derzeit die „Kurd... G...“ – seit Jahren durch regelmäßige PKK-Veranstaltungen auffalle. Er rufe immer wieder zu Veranstaltungen und zu Kundgebungen auf, die inhaltlich die PKK, Abdullah Öcalan als PKK-Führer u.ä zum Thema hätten. Insofern trete der Verein immer wieder aktiv auf und führe diese Kundgebungen durch. Bei den Veranstaltungen würden PKK-Slogans skandiert, es werde die Freilassung Öcalans und die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert und die Türkei werde als terroristischer Staat bezeichnet. Das alles seien für das Landesamt für Verfassungsschutz Indizien, um die entsprechende Veranstaltung – anders als normale kulturelle Veranstaltungen von Kurden – als „PKK-nah“ anzusehen. Schließlich existierten auch zahlreiche andere kurdische Vereine, die vom Verfassungsschutz nicht als „PKK-nah“ eingestuft würden, etwa solche, die dem Dachverband der KOMKAR (Verband der Vereine aus Kurdistan) angehörten. Es gebe also eine Alternative. Der Verein in H... wie auch andere PKK-nahe Vereine fielen dadurch auf, dass sie sich stets und immer wieder PKK-spezifischen Themen annähmen. Das ziehe sich seit den 1980er-Jahren wie ein „roter Faden“ durch die Betätigung des Vereins.
49 
bb) Dass sich auch der Verein „Gebetshaus E... ... - I... ... e.V., H...“ – in dessen Vorstand der Kläger erstmals im Dezember 1998 (als stellvertretendes Vorstandsmitglied) und erneut im Mai 2002 (als 2. Vorsitzender des Vorstands) gewählt worden war – der PKK verbunden gefühlt hat, folgt bereits aus dem Formular zur Anmeldung des Vereins am 29.04.1998 bei der Stadt H... Darin wird ausgeführt, „Wir glauben, dass die kurdische Sache unter Führung der PKK gelöst wird“ und „Abgrenzung zum Kurd... V... e.V. durch Schwerpunkt Religion“. Auch wird als Zweck des Vereins angegeben „Versammlung von allen Kurden, auch revolutionäre Kurden, unter einem Dach“. Außerdem verdeutlicht die vorliegende Stellungnahme des Bundeskriminalamts, Stand 11/2006, „Religiöse Vereinigungen innerhalb der PKK“ die Anbindung auch dieses Vereins an die PKK. Danach sei im Zuge des 4. Parteikongresses der PKK im Dezember 1990 die Gründung der Union der patriotischen Gläubigen aus Kurdistan (kurz: YOWK, ab 1991 YDK), einem Dachverband von Muslimen, beschlossen worden. 1993 sei die Umbenennung in „Islamischer Bund Kurdistans - HIK“ bzw. „Islamische Bewegung Kurdistans - KIH“ erfolgt. Die regionale Aufteilung sei in drei Funktionsbereiche, darunter eine Föderation in Süddeutschland mit Sitz in Heilbronn, erfolgt. Im Mai 2005 sei eine erneute Umbenennung, diesmal in „Islamische Gesellschaft Kurdistans - CIK“ beschlossen worden. Nach Auffassung des Bundesamts für Verfassungsschutz sei die CIK/HIK eine Massenorganisation der PKK, über die muslimische Kurden an die PKK gebunden werden sollen. In der Herbstausgabe der Baweri, dem seit 1995 erscheinenden Publikationsorgan der CIK/HIK, werde diese als eine religiös-politische Kampfesbewegung bezeichnet, die den nationalen Befreiungskampf Kurdistans unterstütze. In diesem Rahmen rufe sie regelmäßig zu Spenden oder Kampagnen auf, wie beispielsweise zur Sammlung von Spenden für kurdische Bedürftige und Waisen oder der Opferkampagne. Zu den der CIK/HIK angehörenden Moschen gehöre u.a. die „Mizgevta E... ...“ in H... ... Die Anbindung der CIK/HIK an die PKK und deren Abhängigkeit von der Organisation werde auch durch verschiedene Asservate belegt. In einem Fazit heißt es, die PKK unterhalte eine Vielzahl von Organisationen, mit deren Hilfe sie ihren Einfluss auf alle Lebensbereiche auszudehnen versuche. In ihrem Bestreben, auch die religiösen Gruppierungen der Kurden in ihren Strukturen einzubinden, habe sie die Gruppe der Muslime durch die CIK/HIK an ihre Organisation angebunden. Die Verlautbarungen führender Parteikader sowie die Organisationsbeschlüsse belegten die strukturelle Anbindung an die CDK (Nachfolgeorganisation der YDK) und damit an eine in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegte Organisation.
50 
Ist danach davon auszugehen, dass beide ausländerrechtlichen Vereine, in deren Vorstand der Kläger gewählt war, die PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen unterstützt haben, so ist dem Kläger diese Unterstützung bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied zuzurechnen, ohne dass der Frage seiner tatsächlichen inneren Einstellung weiter nachgegangen werden müsste (vgl. zu § 11 StAG: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - VBlBW 2009, 29, m.w.N). Davon abgesehen greift § 54 Nr. 5 AufenthG auch in Fällen, in denen der Betreffende einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, hier dem Verein „Kurdx... V...“ und der „E... ...“, d.h. es kommt auch deshalb nicht darauf an, ob und in welchem Umfang er persönlich Unterstützung geleistet hat.
51 
b) Hinzu kommt, dass schon allein wegen der Teilnahme des Klägers an diversen PKK-nahen Veranstaltungen davon auszugehen ist, dass er die PKK unterstützt hat und bis heute unterstützt. Denn er war bei einer Reihe von Veranstaltungen, die geeignet sind, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und Organisationen im politischen Umfeld zu stärken. Diese Teilnahmen sind daher bereits für sich genommen ohne Weiteres als selbstständige Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, die zum Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führen. Umso mehr gilt dies bei einer Gesamtschau aller festgestellten Aktivitäten des Klägers einschließlich der Vorstandstätigkeiten in den Vereinen.
52 
Zu den Veranstaltungen, deren Besuch als Unterstützung der PKK anzusehen ist, gehören insbesondere die Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK. Nach den Mitteilungen des Landesamts für Verfassungsschutz hat der Kläger in den Jahren 2005, 2007, 2008 und 2009, jeweils in I... bei H..., den 27., 29., 30. und den 31. Gründungsjahrestag der PKK mitgefeiert. Dies wurde von ihm in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt. Nach den Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz seien bei diesen Feiern Fahnen der KONGRA-GEL bzw. der KCK oder der KKK und Bilder Öcalans aufgehängt gewesen bzw. entrollt worden (27.11.2005, 23.11.2008 und 27.11.2009), Filme über das Leben des Öcalan (27.11.2005 und 23.11.2008) oder die Guerilla (27.11.2009) vorgeführt und jeweils Reden über die PKK gehalten worden – zum Beispiel mit einem Überblick über die Entwicklung der PKK seit deren Gründung (23.11.2008). Regelmäßig werde die Bedeutung der PKK für die Kurden in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hervorgehoben. Zudem werde regelmäßig die PKK-Guerilla positiv herausgestellt, wenn nicht gar glorifiziert, indem zum Beispiel - wie im Jahr 2009 - ein Film über diese gezeigt werde (vgl. Bericht des LfV vom 17.12.2010). Solche Veranstaltungen haben in spezifischer Weise Propagandacharakter und dienen erkennbar der Förderung und Stärkung der PKK. Mit dem Besuch zeigt der Teilnehmer seine Anhängerschaft und fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger (vgl. Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -). Typisch für PKK-nahe Veranstaltungen ist auch der Personenkult um den in der Türkei inhaftierten PKK-Vorsitzenden Öcalan. Seiner Person kommt nach wie vor ein Symbolgehalt auch für den bewaffneten Kampf der PKK gegen den Staat zu (BVerwG, Beschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - a.a.O.). Es ist daher auch bezeichnend, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Fragen zu dem vom Landesamt für Verfassungsschutz geschilderten Ablauf der Veranstaltung zum 31. Gründungsjahrestag der PKK am 27.11.2009 und nach dem Hinweis darauf, dass dort auch ein Film über den Guerilla-Kampf und Öcalan vorgeführt worden sei, entgegnete: Man brauche ihm nicht zu sagen, dass in diesem Saal ein Bild von Öcalan angebracht gewesen sei; Öcalan sei in seinem Herzen.
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Ebenso als Unterstützung der PKK zu werten ist der Besuch einer Veranstaltung am 17.08.2008 anlässlich des 24. Jahrestages der Gründung des militärischen Arms der PKK, bei welchem in einer Rede Öcalan und die PKK gewürdigt worden seien.
54 
Besonders ins Gewicht fallen auch die vom Kläger nicht in Abrede gestellten Besuche bei so genannten Volksversammlungen in den Räumlichkeiten des „Kurd... K...“ bzw. der „Kurd... G... H...“ am 17.12.2005, 30.03.2008 und am 28.02.2010. Den vorliegenden Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz (vgl. vor allem Bericht vom 17.12.2010) lässt sich entnehmen, dass es – anders als bei Vereinsversammlungen, die sich schwerpunktmäßig mit Vereinsthemen beschäftigten – bei Volksversammlungen thematisch im Wesentlichen um den mit einem Betätigungsverbot belegten und deshalb streng konspirativ arbeitenden Teil der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen gehe. Demgemäß dienten Volksversammlungen in erster Linie der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Meist halte ein hochrangiger PKK-Funktionär eine „emotionalisierende“ Rede, die durchaus ein bis zwei Stunden dauern könne. Dabei würden die Zuhörer über alle Aspekte, die die PKK beträfen, ausführlich informiert, insbesondere über Verlautbarungen, Haftbedingungen und Gesundheitszustand des PKK-Führers Öcalan, Anweisungen der Organisation, Lageentwicklung in der Türkei, in Deutschland und in Europa und aktuelle Kampagnen. Sie würden außerdem unter Hinweis auf die angebliche patriotische Verpflichtung zur Teilnahme an entsprechenden Aktionen aufgerufen. Häufig legten in Volksversammlungen Frontarbeiter und Aktivisten Rechenschaft gegenüber höherrangigen Funktionären ab und übten dabei gegebenenfalls – bei Schlechterfüllung ihrer Pflichten – entsprechende Selbstkritik. Bei der Versammlung am 28.02.2010 sei nach einer Gedenkminute für die verstorbenen „PKK-Märtyrer“ die aktuelle Lage in der Türkei thematisiert und ein Bericht des Volksgebietsrats verlesen worden. Anschließend hätten die Vertreter verschiedener Kommissionen (Justiz, Außenkontakte u.ä.) des Volksgebietsrats über ihre Arbeit berichtet. Danach seien der Leiter des Volksgebietsrats und die Vertreter dieser Kommissionen neu gewählt worden. Eine Ausnahme gelte für zwei Kommissionen: Die „Vereinskommission“ bestehe „automatisch“ aus dem Vorstand der „Kurd... G...“. Die „Organisationskommission“ verfüge über 25 „Frontarbeiter“; diese Aktivisten hätten gute Arbeit geleistet.
55 
Hinzu kommt die Teilnahme des Klägers an Treffen, bei denen der gefallenen und verstorbenen PKK-Kämpfer oder -Aktivisten gedacht wird (18.05.2008 und ...2008). Wie dem Senat aus einer Reihe anderer Verfahren bekannt ist, sind gerade auch solche Märtyrergedenkveranstaltungen ein wesentliches Element zur Herstellung eines engeren ideologischen und emotionalen Zusammenhalts der PKK-Mitglieder und PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vgl. zum Märtyrerkult bei der PKK auch BVerwG, Beschluss vom 24.02.1010 - 6 A 7.08 - a.a.O.).
56 
Bezeichnend ist der Besuch von Versammlungen anlässlich des Geburtstages von Öcalan (06.04.2003, 03.04.2005). Auch hat der Kläger ausweislich der Feststellungen des Landesamts für Verfassungsschutz an mehreren Demonstrationen zu verschiedenen Anlässen (05.02.2005, 28.01.2006, 16.02.2007, 27.10.2007, 25.10.2008, 20.11.2010) teilgenommen, bei denen jeweils Rufe wie „ Es lebe Öcalan“, „Hoch leben Apo“ oder „PKK“ skandiert und „Freiheit für Öcalan“ gefordert wurde. Bei einer „Kurdistan-Solidaritätsdemonstration“ in H... am 20.11.2010 seien auch Parolen wie „Die PKK ist das Volk, das Volk ist hier“ gerufen und Plakate bzw. Transparente mit der Aufschrift „Freiheit für Öcalan – Frieden für Kurdistan“ mitgeführt worden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt, an dieser Veranstaltung vom 20.11.2010 teilgenommen zu haben, und darüber hinaus erklärt, er nehme an (allen) „offiziell genehmigten Demonstrationen“ teil. Es sei um die Freiheit der Kurden gegangen.
57 
Tatsächlich ist bei der Teilnahme an Demonstrationen besonders zu beachten, dass nicht unverhältnismäßig in das Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.; Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.). Zum einen können aber auch Aktivitäten, die dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen, das Tatbestandsmerkmal des Unterstützens im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllen (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.). Zum anderen ging es bei diesen Demonstrationen nicht nur um Themen, die nicht ausschließlich von der PKK besetzt sind – wie die Forderung eines unabhängigen Kurdistans, die Kritik am Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen die kurdisches Zivilbevölkerung, die Anmahnung der Einhaltung von Menschenrechten, oder auch die Kritik an Haftbedingung politischer Gefangener einschließlich Öcalans – sondern um die Bekundung der Anhängerschaft zu Öcalan und der PKK durch entsprechende Parolen und Transparente. Damit bestand eine klare politisch-ideologische Verbindung zur PKK und ihren Zielen bzw. ihren Mitteln zur Durchsetzung dieser Ziele, zu denen auch der Terror zählte und zählt. Dies war und ist auch für den Kläger erkennbar. Er hat dazu in der mündlichen Verhandlung erklärt, es sei ihm egal, welche Parolen gerufen und welche Transparente getragen würden; er selbst habe weder Parolen gerufen noch Plakate getragen. Wie ausgeführt, kommt es darauf jedoch nicht an. Auch überzeugt die Erklärung des Klägers nicht, er habe die Plakate bzw. Transparente nicht lesen können, weil er dann von vorne gegen die Demonstration hätte laufen müssen. Jedenfalls konnte ihm die Solidarisierung mit der PKK schon vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen bei ähnlichen Veranstaltungen und den offensichtlich eindeutigen Parolen nicht entgehen, so dass ihm diese zuzurechnen ist.
58 
Vor dem Hintergrund des Charakters und der Vielzahl der vom Kläger besuchten anderen Veranstaltungen, wie den Volksversammlungen, den Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK und dem Geburtstag von Öcalan sowie den Märtyrergedenkfeiern, ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Urteil, es wären zusätzliche Erkenntnisse darüber erforderlich, was der Kläger bei den Veranstaltungen getan habe, unzutreffend. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts waren bereits zum Zeitpunkt von dessen Entscheidung mehr als 13 Beteiligungen des Klägers an Veranstaltungen bekannt. Inzwischen sind es 20, die vom Landesamt für Verfassungsschutz benannt worden sind. Wie ausgeführt, kommt es zudem auf Anlass und Charakter der betreffenden Veranstaltungen an. In Anbetracht des konkreten Falles ist jedenfalls der Hinweis des Verwaltungsgerichts unverständlich, man könne einer Versammlung oder Veranstaltung auch „kopfschüttelnd“ zu Informationszwecken beiwohnen, ohne eine „unterstützende Haltung“ durch Applaus, Rufen von Parolen, Tragen von Schildern oder Transparenten einzunehmen. Dabei wird verkannt, dass bereits die regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen wie den angeführten, welche erkennbar auch dazu dienen, die PKK einschließlich ihrer terroristischen Aktionen zu fördern, eine Unterstützung der PKK darstellt. Die durch die – auch rein passive – Teilnahme ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung in der Gesellschaft, hier insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.).
59 
Soweit der Kläger vorträgt, die Vereine, bei denen er Mitglied gewesen und auch heute noch Mitglied sei und in deren Vorstand er gewesen sei, seien nicht verboten gewesen, er sei doch kein Terrorist und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach weder darauf an, dass die in Frage stehende Vereinigung verboten ist noch darauf, dass die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.).
60 
In Anbetracht der bereits zur Überzeugung des Senats festgestellten Umstände kommt weiteren länger zurückliegenden Tatsachen wie etwa der Ingewahrsamnahme des Klägers anlässlich der Besetzung des griechischen Generalkonsulats nach der Festnahme von Öcalan am 16.02.1999 und der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung im Jahr 2001 nur noch eine das Gesamtbild abrundende Bedeutung zu.
61 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger im Übrigen keinen Zweifel an seiner Verehrung von Abdullah Öcalan und seiner Anhängerschaft zur PKK gelassen. Er hat deutlich gemacht, dass er auf Veranstaltungen wie die angeführten, auch solche zur Feier des Gründungsjahrestages der PKK, weiter gehen werde, solange diese nicht verboten seien. Seiner Meinung nach trete die PKK – wie auch er selbst – für die Freiheit der Kurden ein und sei nicht terroristisch. Wenn man die PKK als terroristisch ansähe, wäre er auch ein Terrorist. Soweit der Kläger mehrmals darauf hingewiesen hat, dass er aber kein „Vertreter“ der PKK sei, verkennt er, dass es darauf nicht ankommt.
62 
c) Die hiernach maßgeblichen Umstände – die Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeiten in den Vereinen „Kurd... V...“ und „E... ...“ und die beschriebenen Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen – sind auch noch zu berücksichtigen, soweit sie bereits länger zurückliegen.
63 
Das Verwertungsverbot für getilgte Strafen nach § 51 Abs. 1 BZRG kann schon deshalb nicht greifen, weil der Kläger wegen der angeführten Umstände bzw. Aktivitäten nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Ob seine Teilnahme an einer Demonstration der PKK in Dortmund am 16.03.1996 noch berücksichtigt werden könnte, obwohl die deswegen gegen den Kläger mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.03.1998 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot verhängte Geldstrafe bereits aus dem Bundeszentralregister getilgt ist, kann hier offen bleiben. Denn auf diese Tat kommt es in Anbetracht der Vielzahl von sonstigen maßgeblichen Tatsachen – wie die Teilnahme an den angeführten Veranstaltungen 2002 bis 2010 und die Vorstandstätigkeit sowie die Mitgliedschaft in den kurdischen Vereinen in H... – hier nicht an. Jedenfalls ist weder bei Unterstützungshandlungen, die strafbar gewesen wären, aber nicht zu einer Verurteilung geführt haben, noch bei den nicht mit einer Strafe bewehrten Aktivitäten eine „fiktive Tilgung“ mit der Folge eines Verwertungsverbots nach § 51 Abs. 1 BZRG vorzunehmen (ausführlich dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 Bs 2/10 - InfAuslR 2011, 193, m.w.N.; zu den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 1491/05 - AuAS 2011, 89; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2011 - 5 N 30.08 - juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 -, juris – auch zum Fall einer möglichen Atypik im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
64 
Die länger zurückliegenden Tätigkeiten des Klägers sowie insbesondere seine Stellung als Vorstand in den Vereinen sind auch nicht aus anderen Gründen nicht mehr „verwertbar“. Insbesondere bestehen keinerlei Anhaltspunkte für einen „Verbrauch“, etwa weil die Ausländerbehörde dem Kläger in Kenntnis der Ausweisungsgründe einen Aufenthaltstitel erteilt hätte (vgl. dazu GK-AufenthG, a.a.O., § 5 AufenthG Rn. 106 ff., m.w.N.). Soweit im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14.02.2011 die Aktivitäten des Klägers und seine Tätigkeiten in den Vereinsvorständen in solche bis zum Jahr 2002 und solche danach aufgeteilt und nur die neueren berücksichtigt worden sind, ist diese Aufteilung nicht nachvollziehbar. Da der Kläger noch im Mai Jahr 2002 als 2. Vorsitzender in den Vorstand des Vereins „E... ...“ gewählt wurde und diese Funktion danach mindestens ein Jahr lang - so seinen eigenen Angaben nach -, ausweislich des Vereinsregisters sogar bis zur Löschung des Vereins im Jahr 2007 innehatte, hätte diese Vorstandsmitgliedschaft ohnehin mit einbezogen werden müssen. Jedenfalls fehlt es schon in Anbetracht der bis heute andauernden Aktivitäten des Klägers in und für PKK-nahe Vereine in H... bzw. für die PKK und seiner fortdauernden Mitgliedschaft in den Nachfolgevereinen des Vereins „Kurd... V...“ an einer Zäsur, die zur Folge haben könnte, dass frühere Unterstützungshandlungen nicht mehr berücksichtigt werden könnten.
65 
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die des § 54 Nr. 5a AufenthG) grundsätzlich weder vom Wortlaut noch nach deren Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefährdung voraussetzt. Eine “gegenwärtige Gefährlichkeit“ muss nur dann festgestellt werden, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind (ausführlich dazu Urteile des Senats vom 25.05.2011- 11 S 308/11 - und vom 21.04.2010 - 11 S 200/11 - jew. a.a.O.). Wegen der fortdauernden Unterstützungshandlungen des Klägers und seiner ständigen Präsenz bei lokalen PKK-Veranstaltungen liegt eine solche im Übrigen hier eindeutig vor.
III.
66 
Die Entscheidung, den Kläger wegen des Vorliegens des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG auszuweisen, lässt sich rechtlich nicht beanstanden.
67 
1. Das Regierungspräsidiums ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 55 AufenthG über die Ausweisung zu entscheiden hat.
68 
a) Offen bleiben kann, ob schon deshalb Ermessen auszuüben ist, weil eine Ausnahme von der Regel des § 54 AufenthG gegeben ist. Allerdings geht das Regierungspräsidium zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst davon aus, dass der Kläger jedenfalls derzeit „aus familiären Gründen“ (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK), und zwar vor allem im Hinblick auf sein jüngstes, noch minderjähriges Kind A..., welches die deutsche Staatsangehörigkeit hat, nicht abgeschoben werden kann. Mit Schreiben vom 02.12.2011 hat das dafür zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe erklärt, dass dem Kläger daher eine Duldung erteilt werde. Das Vorliegen eines Duldungsgrundes oder eines Abschiebungsverbots führt zwar nicht zur Unzulässigkeit einer Ausweisung, kann aber atypische Umstände in Bezug auf den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG begründen (so zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG: Beschluss des Senats vom 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - InfAuslR 2011, 19; Urteil des Senats vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - a.a.O., m.w.N.¸ vgl. zur Atypik auch GK-AufenthG, a.a.O., § 54 AufenthG Rn. 50 ff., 124 ff.) mit der Folge, dass der Betreffende nur nach Ermessen ausgewiesen werden kann. Ob deshalb oder aus anderen Gründen von einer Atypik auszugehen ist, bedarf hier aber keiner anschließenden Klärung.
69 
b) Denn die Entscheidung über die Ausweisung des Klägers hat bereits mit Blick auf den dem Kläger zustehenden besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG nach Ermessen zu erfolgen.
70 
Zwar liegen die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG unstreitig nicht vor, weil der Kläger nicht „im Besitz“ einer Niederlassungserlaubnis ist. Weil er mit seinem jüngsten, am ...2005 geborenen deutschen Sohn A... in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, kommt ihm aber nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG besonderer Ausweisungsschutz zu. Er kann daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen solche Gründe in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 AufenthG vor. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ist in Fällen, in denen die Voraussetzungen des § 54 AufenthG vorliegen, nach Ermessen über die Ausweisung zu entscheiden.
71 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Sept. 2011, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Hartnäckigkeit und Unbelehrbarkeit, mit der der Kläger trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter an PKK-nahen Veranstaltungen teilgenommen hat, und der in der mündlichen Verhandlung von ihm demonstrierten tiefen Verehrung von Öcalan und Anhängerschaft zur PKK ist damit zu rechnen, dass der Kläger weiter die PKK unterstützt.
72 
2. Die danach erforderliche Ermessensentscheidung ist vom Regierungspräsidium in rechtlich nicht zu beanstandender Weise getroffen worden (§ 114 Satz 1 VwGO).
73 
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris, m.w.N.). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umstände auch andere gewichtige persönlichen Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Im Übrigen sind bei der nach § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG zur Ermessensausweisung herabgestuften Regelausweisung die vom Ausländer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits und dessen private schutzwürdige Belange andererseits auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367, Beschluss vom 21.01.2011 - 1 B 17.10, 1 PKH 8/10 - juris, vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - NVwZ 2007, 1300).
74 
Danach sind hier zugunsten des Klägers in erster Linie seine Familie bzw. seine familiären Bindungen zu berücksichtigen. Seine Ehefrau und fast alle Kinder sind im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Nicht nur der jüngste Sohn A... ist deutscher Staatsgenhöriger; vielmehr hat sich nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat inzwischen auch seine älteste Tochter einbürgern lassen, bei einer anderen laufe derzeit das Einbürgerungsverfahren. Der Kläger hat berichtet, noch mit allen Kindern in einem Haushalt zu leben. Diesen Umständen, denen sicherlich eine aufenthaltsrechtlich erhebliche und weitreichende, durch Art. 6 Abs. 1 Abs. 2 GG und Art. 8 EMRK vermittelte Schutzwirkung zukommt, hat das Regierungspräsidium Stuttgart jedoch hinreichend Rechnung getragen. Im Rahmen der von ihm angestellten und in späteren Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung ergänzten umfassenden Ermessenserwägungen hat es auch alle anderen relevanten Belange eingestellt und zutreffend gewichtet.
75 
Zwar hat das Regierungspräsidium in der Ausgangsentscheidung noch angenommen, dass der Kläger auch tatsächlich ausreisen müsse. Es hat aber später allein darauf abgestellt, dass er mit Rücksicht auf seine familiäre Situation nicht abgeschoben werden könne. Im Hinblick darauf ist dem Kläger inzwischen die Duldung aus familiären Gründen erteilt worden. In der mündlichen Verhandlung ist zudem die im Bescheid vom 10.06.2010 verfügte Abschiebungsandrohung aufgehoben worden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger bis auf Weiteres – das bedeutet jedenfalls solange seinen familiären Belangen insbesondere im Hinblick auf das jüngste deutsche Kind keine geringere Bedeutung einzuräumen ist oder sich andere maßgebliche Umstände ändern – zumindest geduldet wird und seine Familie nicht verlassen muss. Die Ausweisung ist damit schon deshalb auch im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK als verhältnismäßig anzusehen.
76 
Die Entscheidung, den Kläger auszuweisen, begegnet auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil sich das in erster Linie mit einer Ausweisung verfolgte Ziel, die von dem betreffenden Ausländer ausgehende (Wiederholungs-) Gefahr mit der Ausreise zu bannen, hier bis auf Weiteres nicht verwirklichen lässt. Denn immerhin wird mit der Ausweisung zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst bzw. der Erlass entsprechender Überwachungsmaßnahmen ermöglicht (Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.; vgl. auch Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O., ebenso Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 - InfAuslR 2005, 49).
77 
Auch die sonstigen Ermessenserwägungen des Regierungspräsidiums sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vertreterin des beklagten Landes hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Ausweisungsverfügung selbstständig tragend auf den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt sei und dass für diese schon allein die angestellten spezialpräventiven Erwägungen ausschlaggebend seien. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Klägers und schutzwürdige persönliche wirtschaftliche und sonstige Bindungen (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG) wurden eingestellt und zutreffend gewürdigt. Dabei durfte zu Lasten des Klägers berücksichtigt werden, dass dieser nur sehr schlecht Deutsch spricht, lediglich wechselnden und unqualifizierten Berufstätigkeiten nachgegangen ist und offensichtlich bis heute nur im Umfeld seiner kurdischen Landsleute und „des Vereins“ Umgang und Bekanntschaften pflegt.
78 
Beim Kläger handelt es sich zwar um keine führende Persönlichkeit in der PKK. Angesichts seiner jahrelangen Unterstützung der PKK, der beschriebenen Hartnäckigkeit, mit der er trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter einschlägige Veranstaltungen besucht hat, und der deshalb weiter bestehenden gegenwärtigen Gefährlichkeit im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erweist sich die Ausweisung aber auch in Ansehung des langjährigen Aufenthalts des Klägers und insbesondere seiner familiären Bindungen nicht als unverhältnismäßig, und zwar selbst dann, wenn der Kläger nicht weiter geduldet würde (vgl. dazu auch die vom EGMR entwickelten sog. „Boultif/Üner-Kriterien, mit denen die Verhältnismäßigkeitsprüfung plausibel und operationabel gemacht werden kann; vgl. Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 - [Boultif] InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - 46410/99 - [Üner] NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - 1683/04 - [Maslov II] InfAuslR 2008, 333, vom 25.03.2010 - 40601/05 - [Mutlag] InfAuslR 2010, 325, und vom 13.10.2011 - 41548/06 - [Trabelsi]).
IV.
79 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
80 
Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht odernicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
81 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/ Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
82 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
83 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).
84 
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
85 
Die hier vom Senat allein zu beurteilende Ausweisungsverfügung bleibt nach dem Vorgesagten aber hiervon unberührt.
B)
86 
Die Klage gegen die die Meldeauflage sowie die räumliche Beschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids vom 10.06.2010 ist vom Verwaltungsgericht zu Recht als zulässig angesehen worden. Beide Verfügungen stellen die gesetzlichen Pflichten des § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. § 54a Abs. 2 AufenthG konkretisierende Regelungen dar (ebenso Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.).
87 
Die Klage ist jedoch auch insoweit unbegründet. Zwar setzen beide Maßnahmen voraus, dass die Ausweisung sofort vollziehbar ist (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 29.11.2010 - 11 S 2481/10 - juris). Dementsprechend wurde auch unter Ziffer 5 des Bescheids vom 10.06.2011 die sofortige Vollziehung angeordnet, weshalb zum Zeitpunkt ihres Erlasses die Verfügung unter dem hier zu behandelnden Aspekt nicht zu beanstanden war. Allerdings wurde mit Beschluss des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 19.11.2010 (11 K 2430/10 - juris) unter anderem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausweisung wiederhergestellt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung nunmehr allein wegen der fehlenden Vollziehbarkeit der Ausweisung vorübergehend als rechtswidrig anzusehen wären. Denn mit Eintritt der Rechtskraft des Senatsurteils wäre die Erlassvoraussetzung der Vollziehbarkeit wieder erfüllt. Namentlich müsste in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden in einem von den Beteiligten angestrengten Revisionsverfahren das Bundesverwaltungsgericht, dessen Entscheidung mit ihrem Erlass notwendigerweise rechtkräftig wird, die Klage gegen die auf § 54a AufenthG gestützten Maßnahmen als unbegründet abweisen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung galt bzw. gilt lediglich vorläufig – bis zum Eintritt der Bestands- bzw. Rechtskraft der Ausweisung. Dies legt ein Verständnis der aufschiebenden Wirkung nahe, nach welchem auch die Folgemaßnahmen nach § 54a AufenthG vom Wiedereintritt der aufschiebenden Wirkung bis zur Rechtskraft der Entscheidung bezüglich der Ausweisung in ihrer Wirksamkeit nur vorläufig suspendiert sind, selbst wenn die aufschiebende Wirkung insoweit nicht ausdrücklich angeordnet wurde (ebenso zu vergleichbaren verwaltungsverfahrensrechtlichen Konstellationen Kopp/ Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 80 Rn. 31; Bader, VwGO, 5. Aufl. 2011, § 80 Rn. 23). Schließlich würden die Meldepflicht und die räumliche Beschränkung nach § 54a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG auch ohne Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt, wie sie hier erfolgt ist, unmittelbar mit der Vollziehbarkeit der Ausweisung kraft Gesetzes (wieder) eintreten. Weitergehende Rechtswirkungen müssen der aufschiebenden Wirkung im Interesse des Betroffenen, insbesondere aus Gründen effektiver Rechtsschutzgewährung, nicht beigemessen werden.
88 
In Anbetracht der Rechtmäßigkeit der Ausweisung und der aktuell bestehenden Gefahr weiterer Unterstützung der PKK durch den Kläger lassen sich die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden; sie verstoßen insbesondere nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
89 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, 161 Abs. 2 VwGO.
90 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
91 
Beschluss
92 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
93 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
28 
Soweit die Beteiligten - nach Aufhebung der Abschiebungsandrohung unter Ziffer 2 des Bescheids vom 10.06.2010 in der mündlichen Verhandlung - den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit unwirksam (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entspr.).
29 
Im Übrigen ist die aufgrund der Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage gegen die Ausweisung unter Ziffer 1 (dazu unter A) und die Meldeauflage sowie die Aufenthaltsbeschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 (B) abweisen müssen. Denn diese Verfügungen sind zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20) rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
A.
30 
Rechtsgrundlage der Ausweisung ist § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG (I.). Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG liegen vor (II.), die Ausweisungsentscheidung lässt sich auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden (III.).
I.
31 
Das Regierungspräsidium hat diese rechtsfehlerfrei auf § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob als Rechtsgrundlage daneben § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5a oder Nr. 6 AufenthG herangezogen werden könnten.
32 
Diese Regelungen sind hier uneingeschränkt anwendbar.
33 
1. Aus der Tatsache, dass der Kläger Vater eines minderjährigen deutschen Kindes – dem am ...2005 geborenen A... A... – ist, folgt nicht, dass er wie ein Unionsbürger oder nach unionsrechtlichen Grundsätzen zu behandeln wäre.
34 
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 08.03.2011 in der Rechtssache Ruiz Zambrano (C-34/09 - InfAuslR 2011, 179) entschieden, dass dem drittstaatsangehörigen Vater eines minderjährigen Kindes mit der Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates, dem er Unterhalt gewährt, unmittelbar aus der Unionsbürgerschaft (des Kindes) nach Art. 20 AEUV ein Aufenthalts- und Arbeitsanspruch zustehen kann. Ausschlaggebend war ausweislich der Gründe der Umstand, dass die Kinder, welche Unionsbürger waren, bei einer „Verweigerung von Aufenthalt und Arbeitserlaubnis“ ihrer drittstaatsangehörigen Eltern gezwungen gewesen wären, das Unionsgebiet zu verlassen. Art. 20 AEUV sei daher dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehre, einem Drittstaatsangehörigen, der seinen minderjährigen Kindern, die Unionsbürger sind, Unterhalt gewährt, den Aufenthalt im Wohnsitzstaat und eine Arbeitserlaubnis zu verweigern, da derartige Entscheidungen diesen Kindern den tatsächlichen Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleihe, verwehren würden. Folge eines entsprechenden Aufenthaltsrechts wäre eine allenfalls eingeschränkte Anwendbarkeit der Ausweisungsvorschriften der §§ 53 ff. AufenthG (vgl. dazu Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291; allgemein zum Urteil des EuGH vom 08.03.2011: OVG NRW, Beschluss vom 29.04.2011 - 18 B 377/11 -; Hess. VGH, Beschluss vom 27.10.2011 - 6 D 1633/11 - juris). Wie auch inzwischen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 05.05.2011 in der Rechtssache McCarthy (C-434/09 - InfAuslR 2011, 268) und vom 15.11.2011 in der Rechtssache Dereci (C-256/11 - juris) deutlich machen, ist ein Aufenthaltsanspruch des Drittstaatsangehörigen aus der Unionsbürgerschaft seines Kindes – oder auch seines Ehepartners – aber nur abzuleiten, wenn der betreffende Unionsbürger andernfalls zwingend das Unionsgebiet verlassen müsste (weitergehend noch Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - a.a.O., und Beschluss des Senats vom 12.05.2011 - 11 S 765/11 - NVwZ 2011, 1213). Vorliegend kann aber das jüngste deutsche Kind des Klägers zusammen mit dessen Ehefrau, welche im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, in Deutschland bleiben und wäre daher nicht gezwungen, das Unionsgebiet zu verlassen. Ob gegebenenfalls eine Trennung des Klägers von seiner Familie, insbesondere seinem minderjährigen deutschen Kind zulässig ist, ist somit keine unionsrechtliche Fragestellung, sondern nach den allgemeinen Maßstäben (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 8 EMRK) zu beantworten.
35 
2. Eine nur beschränkte Anwendbarkeit der Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG folgt hier auch nicht aus dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: ARB 1/80; vgl. insbesondere Art. 14 ARB 1/80). Der Kläger verfügt über kein Aufenthaltsrecht gemäß der - hier allein in Betracht kommenden - Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80.
36 
Nach dem gestuften Regelungssystem des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 kann im Rahmen der ersten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 1) ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht bei einjähriger Beschäftigung nur zum Zwecke der Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses bei dem gleichen Arbeitgeber erworben werden. Im Rahmen der zweiten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 2) wird nach dreijähriger ordnungsgemäßer Beschäftigung das Recht erworben, Stellenangebote eines anderen Arbeitgebers im gleichen Beruf zu akzeptieren. Erst im Rahmen der dritten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 3), d.h. nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung, erwirbt der türkische Arbeitnehmer gemäß Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht nur das Recht, auf ein bereits existierendes Stellenangebot einzugehen, sondern auch das unbedingte Recht, Arbeit zu suchen und jede beliebige Beschäftigung aufzunehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 23.01.1997 - C-171/95 - [Tetik] InfAuslR 1997, 146). Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 berühren Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche. Entsprechendes gilt auch bei einem „unverschuldeten Arbeitgeberwechsel“ (vgl. Renner, AufenthG, 9. Aufl. 2011, § 4 AufenthG Rn. 124 f.), und zwar selbst dann, wenn keine Unterbrechung der Beschäftigung eingetreten ist. Voraussetzung ist nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 allerdings, dass die Zeiten der unverschuldeten Arbeitslosigkeit „von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind“, das bedeutet, dass sich der Betreffende arbeitslos gemeldet und der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestanden hat.
37 
Nach diesen Grundsätzen verfügt der Kläger nicht über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht. Seine Arbeitstätigkeit in einer Gebäudereinigung im Jahr 2002 war zu kurz, um zum Erwerb von Ansprüchen nach dem ARB 1/80 zu führen. Selbst wenn man die sozialversicherungsfreien (Neben-)Tätigkeiten in einem Internetcafé in H... vom 13.03.2004 bis zum 31.01.2006 und die Tätigkeit bei einer Vertriebs GmbH vom 01.04.2006 bis zum 15.06.2006 insgesamt anerkennen und die damaligen Unterbrechungen durch – ordnungsgemäß festgestellte – Arbeitslosigkeit sowie den Wechsel der Arbeitgeber wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit als unschädlich ansehen würde, wäre der Kläger danach zum 15.06.2006 maximal 2 Jahre 3 Monate und 2 Tage ordnungsgemäß beschäftigt gewesen. Die damit allenfalls erreichte Rechtsposition nach dem ersten Spiegelstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 wäre durch die anschließende beschäftigungslose Zeit bis zur Aufnahme einer Arbeit bei einem Abbruchunternehmen in L... unterbrochen gewesen. Denn ausweislich der vorliegenden Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung (vgl. den vom Kläger mit Schriftsatz vom 30.06.2011 vorgelegten Versicherungsverlauf vom 06.06.2011) war er in dieser Zeit nicht arbeitslos gemeldet. Letztlich kommt es aber darauf nicht an. Selbst wenn man – trotz des Betriebsinhaberwechsels – die anschließende Beschäftigung bei den Abbruchunternehmen in L... vom 17.07.2006 bis zum 31.01.2007 hinzurechnen würde, wäre der Kläger seit dem 13.03.2004 noch keine drei Jahre beschäftigt gewesen, hätte also nur die Rechtsposition der ersten Stufe des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht gehabt. Diese hätte er durch die anschließende Kündigung und die folgende zweimonatige Arbeitslosigkeit aber wieder verloren gehabt. Denn diese Kündigung erfolgte nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung durch ihn. Da seine Kinder sich geweigert hätten, zu ihm nach L... zu ziehen, habe er wieder zu seiner Familie ziehen wollen.
38 
Im Anschluss war der Kläger zwar noch vom 02.04.2007 bis zum 31.05.2009 als Fahrer bei einer Firma in H... beschäftigt und ist seit dem 01.07.2009 bei einer Gebäudereinigung angestellt. Die Beschäftigungszeiten als Fahrer können aber schon deshalb nicht mehr zum Erreichen eines Rechts nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 führen, weil der Kläger seinen Angaben nach zwar entlassen wurde, sich aber nicht unmittelbar anschließend bei der Arbeitsverwaltung gemeldet hat. Abgesehen davon war er seit dem 13.09.2007 nicht mehr „ordnungsgemäß beschäftigt“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Denn seine letzte Aufenthaltserlaubnis lief am 12.09.2007 aus und galt lediglich aufgrund seines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis als fortbestehend (§ 81 Abs. 4 AufenthG). Grundsätzlich setzt aber eine „ordnungsgemäße Beschäftigung“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt voraus (vgl. nur EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], NVwZ 1991, 255). Keine gesicherte, sondern nur eine vorläufige verfahrenssichernde Rechtsstellung hat ein türkischer Arbeitnehmer während des Zeitraums, in dem sein Widerspruch oder seine Klage aufschiebende Wirkung gegen eine die Erteilung oder die Verlängerung eines Aufenthaltstitels ablehnende behördliche Entscheidung entfaltet (vgl. EuGH, Urteil vom 16.12.1992 - C-237/91 - [Kus], InfAuslR 1993, 41). Dies gilt auch in Bezug auf die Titelfunktion des § 81 Abs. 4 AufenthG (vgl. Renner, a.a.O., § 4 AufenthG, Rn. 117 m.w.N.). Etwas anderes folgt hier auch nicht daraus, dass über die am 25.05.2009 gegen das Land Baden-Württemberg erhobene Klage des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (11 K 2004/09) noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Zwar können Zeiten der Arbeitstätigkeit, in denen der Betreffende lediglich über ein fiktives Aufenthaltsrecht verfügt hat, später - rückwirkend - doch wieder als Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung zu berücksichtigen sein, wenn in der Folge eine positive behördliche oder gerichtliche Entscheidung getroffen wird. Denn dann werden die zurückliegenden Beschäftigungszeiten anrechnungsfähig (EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], a.a.O.), und zwar gegebenenfalls selbst dann, wenn während kurzer Zeiträume kein Aufenthaltstitel und auch keine Fiktionswirkung bestand, etwa weil der Betreffende eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erst kurz nach Ablauf der geltenden Aufenthaltserlaubnis beantragt hatte (EuGH, Urteil vom 16.03.2000 - C-329/97 - [Ergat], InfAuslR 2000, 217). Diese Fragen können hier jedoch dahingestellt bleiben. Denn es ist wegen des vom Kläger verwirklichten Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 5 AufenthG (dazu unten) offensichtlich, dass er keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Niederlassungserlaubnis oder auf Verlängerung der früher bestehenden Aufenthaltserlaubnis hat (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 AufenthG). Abgesehen davon kommt es darauf auch deshalb nicht an, weil die Fiktionswirkung entsprechend § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG jedenfalls mit Bekanntgabe der Ausweisung vom 10.06.2010 – und damit vor Ablauf eines Jahres seit Beginn der Tätigkeit am 01.07.2009 und Erreichen einer Position nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 – erloschen ist. Zwar kommt der vom Kläger gegen die Ausweisung erhobenen Klage aufschiebende Wirkung zu, weil das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19.11.2010 - 11 K 2430/10 - auch insoweit die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt hat. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lassen jedoch Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit unter anderem der Ausweisung unberührt, solange diese nicht unanfechtbar aufgehoben worden ist.
II.
39 
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG sind erfüllt.
40 
Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Die Zugehörigkeit zu einer entsprechenden Vereinigung oder ihre Unterstützung muss danach nicht erwiesen sein, es genügt das Vorliegen von Tatsachen, die die entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen. Dass es sich dabei um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, muss hingegen feststehen (Bay.VGH, Urteil vom 22.02.2010 - 19 B 09.929 - juris, bestätigt mit Urteil des BVerwG vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -).
41 
1. Zunächst sind das Verwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Stuttgart zu Recht davon ausgegangen, dass die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen sind (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - VBlBW 2011, 478, und vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris sowie Beschlüsse des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - und vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - InfAuslRAuslR 2011, 105). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie selbst ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln – wie dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen und mit Angriffen auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele – verfolgt (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris, m.w.N.; vgl. im Einzelnen zum Begriff des Terrorismus GK-AufenthG, Stand: Sept. 2011, § 54 Rn. 436 ff.). Das ist bei der PKK in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis heute der Fall. Insbesondere verzichtete die PKK auch während der Phase des 1999 ausgerufenen und 2004 wieder beendeten „Friedenskurses“ nicht auf Gewalt. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - 1 A 111/09 - InfAuslR 2011, 37) und ändert nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei (so etwa am 22.06.2010 in Istanbul, vgl. ZEIT-ONLINE vom 23.06.2010: www.zeit.de/politik/ausland/2010-06/kurden-tuerkei-politik; WELT ONLINE vom 22.06.2010 www.welt.de/politik/ausland/ article8142791/Tuerkei-Touristen-im-Fadenkreuz-kurdischen-Terrors.html; am 27. und 28.08 2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, vgl. SPIEGEL ONLINE vom 28.08.2006 www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,434039,00.html) oder der Entführung Unbeteiligter (vgl. zur Entführung von drei deutschen Staatsangehörigen am Berg Ararat am 08.07.2008 SPIEGEL ONLINE vom 09.07.2011: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,564783,00.html). Insoweit wird ergänzend auf die ausführliche und zutreffende Darstellung im angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums vom 10.06.2010 verwiesen (vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ., „Ausländerextremismus“, August 2007, S. 9 ff., sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)“, März 2007). Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP – ABl. L 116, S. 75). Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 - InfAuslR 2011, 40; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.2010 - 1 B 24.10 - juris; noch offengelassen im Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).
42 
2. Ob der Kläger der PKK „angehört“ im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, kann hier offen bleiben. Denn aus den vorliegenden Tatsachen ist jedenfalls die Folgerung gerechtfertigt, dass er diese seit vielen Jahren in mehrfacher Weise unterstützt hat und weiter unterstützt.
43 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -BVerwGE 123, 114 - zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O., m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O.; Urteile des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris und vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.).
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Nach diesen Grundsätzen liegen hier eine Vielzahl von Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen (a) und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten PKK-nahen Aktionen und Veranstaltungen (b). Dabei sind entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch die länger zurückliegenden Tatsachen noch zu berücksichtigen (c).
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a) Zunächst steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die kurdischen Vereine in H..., in denen der Kläger Vorstandsmitglied war, den Terrorismus unterstützen. Dabei zu berücksichtigen, dass - wie dargelegt - bereits jede Tätigkeit als tatbestandliches Unterstützen anzusehen ist, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der betreffenden Vereinigung, hier der PKK, auswirkt.
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aa) Der Verein „Kurd... V...“ e.V. wurde in den 1990-er Jahren gegründet und im Jahr 2000 wieder aufgelöst. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich deutlich gemacht, dass er in dem im Anschluss gegründeten „Kurd... K...“ und in dem derzeit bestehenden Verein „Kurd... G...“ Nachfolgevereine des Vereins Kurdx ... V...“ sieht. Es handle sich um „den Verein“, in welchem er bis heute Mitglied sei und mit seinen Familienangehörigen jedes Wochenende verbringe. Er hat damit die entsprechende Einschätzung des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, die in der mündlichen Verhandlung von dem angehörten Mitarbeiter I.V. weiter erläutert worden ist, bestätigt. Der Kläger ist in einer Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 in den Vorstand des Vereins „K... V...“ gewählt worden und war als solcher für die Bücherei des Vereins zuständig. Darauf hat er sich auch in seinem Asylverfahren berufen und geltend gemacht, dass ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei Verfolgung drohe (Schriftsatz vom 01.07.1997 zum Verfahren A 3 K 12680/98).
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Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder – nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM – für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010“ im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.
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Hinzu kommen die Veranstaltungen, die vom Verein „Kurd... V...“ durchgeführt wurden, so zum Beispiel aus der Zeit, in der der Kläger Vorstandsmitglied war, eine Demonstration zum Newroz-Fest am 20.03.1998. In einem Bericht der Stadt H... vom 29.04.1998 über diese Demonstration wird dargelegt, dass Fahnen mit Symbolen der PKK gezeigt worden seien. Nach Einschätzung der Polizei und der Stadt H... habe nicht das Thema „Newroz-Fest“ im Vordergrund gestanden, sondern das Thema „Politische Lösung der kurdischen Frage und Aufhebung des Verbots der PKK“. Wie sich außerdem einem Bescheid der Stadt H... vom 14.05.1998 über das Verbot einer für den 17.05.1998 im Schlachthof in H... geplanten Veranstaltung entnehmen lässt, wurde zu dieser angeblichen „Folkloreveranstaltung“ mit Flugblättern der ENRK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans, eine Organisation der PKK) eingeladen. In den Räumen des Vereins wurde dafür mit einem Aushang mit dem Text „Sieg im Frieden, Freiheit im Leben, Volksversammlung wird stattfinden. Ort = Schlachthof“ geworben. Herr I.V. vom Landesamt für Verfassungsschutz hat zudem in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren überzeugend dargelegt, dass „der Verein“ in H... – derzeit die „Kurd... G...“ – seit Jahren durch regelmäßige PKK-Veranstaltungen auffalle. Er rufe immer wieder zu Veranstaltungen und zu Kundgebungen auf, die inhaltlich die PKK, Abdullah Öcalan als PKK-Führer u.ä zum Thema hätten. Insofern trete der Verein immer wieder aktiv auf und führe diese Kundgebungen durch. Bei den Veranstaltungen würden PKK-Slogans skandiert, es werde die Freilassung Öcalans und die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert und die Türkei werde als terroristischer Staat bezeichnet. Das alles seien für das Landesamt für Verfassungsschutz Indizien, um die entsprechende Veranstaltung – anders als normale kulturelle Veranstaltungen von Kurden – als „PKK-nah“ anzusehen. Schließlich existierten auch zahlreiche andere kurdische Vereine, die vom Verfassungsschutz nicht als „PKK-nah“ eingestuft würden, etwa solche, die dem Dachverband der KOMKAR (Verband der Vereine aus Kurdistan) angehörten. Es gebe also eine Alternative. Der Verein in H... wie auch andere PKK-nahe Vereine fielen dadurch auf, dass sie sich stets und immer wieder PKK-spezifischen Themen annähmen. Das ziehe sich seit den 1980er-Jahren wie ein „roter Faden“ durch die Betätigung des Vereins.
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bb) Dass sich auch der Verein „Gebetshaus E... ... - I... ... e.V., H...“ – in dessen Vorstand der Kläger erstmals im Dezember 1998 (als stellvertretendes Vorstandsmitglied) und erneut im Mai 2002 (als 2. Vorsitzender des Vorstands) gewählt worden war – der PKK verbunden gefühlt hat, folgt bereits aus dem Formular zur Anmeldung des Vereins am 29.04.1998 bei der Stadt H... Darin wird ausgeführt, „Wir glauben, dass die kurdische Sache unter Führung der PKK gelöst wird“ und „Abgrenzung zum Kurd... V... e.V. durch Schwerpunkt Religion“. Auch wird als Zweck des Vereins angegeben „Versammlung von allen Kurden, auch revolutionäre Kurden, unter einem Dach“. Außerdem verdeutlicht die vorliegende Stellungnahme des Bundeskriminalamts, Stand 11/2006, „Religiöse Vereinigungen innerhalb der PKK“ die Anbindung auch dieses Vereins an die PKK. Danach sei im Zuge des 4. Parteikongresses der PKK im Dezember 1990 die Gründung der Union der patriotischen Gläubigen aus Kurdistan (kurz: YOWK, ab 1991 YDK), einem Dachverband von Muslimen, beschlossen worden. 1993 sei die Umbenennung in „Islamischer Bund Kurdistans - HIK“ bzw. „Islamische Bewegung Kurdistans - KIH“ erfolgt. Die regionale Aufteilung sei in drei Funktionsbereiche, darunter eine Föderation in Süddeutschland mit Sitz in Heilbronn, erfolgt. Im Mai 2005 sei eine erneute Umbenennung, diesmal in „Islamische Gesellschaft Kurdistans - CIK“ beschlossen worden. Nach Auffassung des Bundesamts für Verfassungsschutz sei die CIK/HIK eine Massenorganisation der PKK, über die muslimische Kurden an die PKK gebunden werden sollen. In der Herbstausgabe der Baweri, dem seit 1995 erscheinenden Publikationsorgan der CIK/HIK, werde diese als eine religiös-politische Kampfesbewegung bezeichnet, die den nationalen Befreiungskampf Kurdistans unterstütze. In diesem Rahmen rufe sie regelmäßig zu Spenden oder Kampagnen auf, wie beispielsweise zur Sammlung von Spenden für kurdische Bedürftige und Waisen oder der Opferkampagne. Zu den der CIK/HIK angehörenden Moschen gehöre u.a. die „Mizgevta E... ...“ in H... ... Die Anbindung der CIK/HIK an die PKK und deren Abhängigkeit von der Organisation werde auch durch verschiedene Asservate belegt. In einem Fazit heißt es, die PKK unterhalte eine Vielzahl von Organisationen, mit deren Hilfe sie ihren Einfluss auf alle Lebensbereiche auszudehnen versuche. In ihrem Bestreben, auch die religiösen Gruppierungen der Kurden in ihren Strukturen einzubinden, habe sie die Gruppe der Muslime durch die CIK/HIK an ihre Organisation angebunden. Die Verlautbarungen führender Parteikader sowie die Organisationsbeschlüsse belegten die strukturelle Anbindung an die CDK (Nachfolgeorganisation der YDK) und damit an eine in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegte Organisation.
50 
Ist danach davon auszugehen, dass beide ausländerrechtlichen Vereine, in deren Vorstand der Kläger gewählt war, die PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen unterstützt haben, so ist dem Kläger diese Unterstützung bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied zuzurechnen, ohne dass der Frage seiner tatsächlichen inneren Einstellung weiter nachgegangen werden müsste (vgl. zu § 11 StAG: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - VBlBW 2009, 29, m.w.N). Davon abgesehen greift § 54 Nr. 5 AufenthG auch in Fällen, in denen der Betreffende einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, hier dem Verein „Kurdx... V...“ und der „E... ...“, d.h. es kommt auch deshalb nicht darauf an, ob und in welchem Umfang er persönlich Unterstützung geleistet hat.
51 
b) Hinzu kommt, dass schon allein wegen der Teilnahme des Klägers an diversen PKK-nahen Veranstaltungen davon auszugehen ist, dass er die PKK unterstützt hat und bis heute unterstützt. Denn er war bei einer Reihe von Veranstaltungen, die geeignet sind, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und Organisationen im politischen Umfeld zu stärken. Diese Teilnahmen sind daher bereits für sich genommen ohne Weiteres als selbstständige Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, die zum Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führen. Umso mehr gilt dies bei einer Gesamtschau aller festgestellten Aktivitäten des Klägers einschließlich der Vorstandstätigkeiten in den Vereinen.
52 
Zu den Veranstaltungen, deren Besuch als Unterstützung der PKK anzusehen ist, gehören insbesondere die Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK. Nach den Mitteilungen des Landesamts für Verfassungsschutz hat der Kläger in den Jahren 2005, 2007, 2008 und 2009, jeweils in I... bei H..., den 27., 29., 30. und den 31. Gründungsjahrestag der PKK mitgefeiert. Dies wurde von ihm in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt. Nach den Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz seien bei diesen Feiern Fahnen der KONGRA-GEL bzw. der KCK oder der KKK und Bilder Öcalans aufgehängt gewesen bzw. entrollt worden (27.11.2005, 23.11.2008 und 27.11.2009), Filme über das Leben des Öcalan (27.11.2005 und 23.11.2008) oder die Guerilla (27.11.2009) vorgeführt und jeweils Reden über die PKK gehalten worden – zum Beispiel mit einem Überblick über die Entwicklung der PKK seit deren Gründung (23.11.2008). Regelmäßig werde die Bedeutung der PKK für die Kurden in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hervorgehoben. Zudem werde regelmäßig die PKK-Guerilla positiv herausgestellt, wenn nicht gar glorifiziert, indem zum Beispiel - wie im Jahr 2009 - ein Film über diese gezeigt werde (vgl. Bericht des LfV vom 17.12.2010). Solche Veranstaltungen haben in spezifischer Weise Propagandacharakter und dienen erkennbar der Förderung und Stärkung der PKK. Mit dem Besuch zeigt der Teilnehmer seine Anhängerschaft und fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger (vgl. Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -). Typisch für PKK-nahe Veranstaltungen ist auch der Personenkult um den in der Türkei inhaftierten PKK-Vorsitzenden Öcalan. Seiner Person kommt nach wie vor ein Symbolgehalt auch für den bewaffneten Kampf der PKK gegen den Staat zu (BVerwG, Beschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - a.a.O.). Es ist daher auch bezeichnend, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Fragen zu dem vom Landesamt für Verfassungsschutz geschilderten Ablauf der Veranstaltung zum 31. Gründungsjahrestag der PKK am 27.11.2009 und nach dem Hinweis darauf, dass dort auch ein Film über den Guerilla-Kampf und Öcalan vorgeführt worden sei, entgegnete: Man brauche ihm nicht zu sagen, dass in diesem Saal ein Bild von Öcalan angebracht gewesen sei; Öcalan sei in seinem Herzen.
53 
Ebenso als Unterstützung der PKK zu werten ist der Besuch einer Veranstaltung am 17.08.2008 anlässlich des 24. Jahrestages der Gründung des militärischen Arms der PKK, bei welchem in einer Rede Öcalan und die PKK gewürdigt worden seien.
54 
Besonders ins Gewicht fallen auch die vom Kläger nicht in Abrede gestellten Besuche bei so genannten Volksversammlungen in den Räumlichkeiten des „Kurd... K...“ bzw. der „Kurd... G... H...“ am 17.12.2005, 30.03.2008 und am 28.02.2010. Den vorliegenden Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz (vgl. vor allem Bericht vom 17.12.2010) lässt sich entnehmen, dass es – anders als bei Vereinsversammlungen, die sich schwerpunktmäßig mit Vereinsthemen beschäftigten – bei Volksversammlungen thematisch im Wesentlichen um den mit einem Betätigungsverbot belegten und deshalb streng konspirativ arbeitenden Teil der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen gehe. Demgemäß dienten Volksversammlungen in erster Linie der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Meist halte ein hochrangiger PKK-Funktionär eine „emotionalisierende“ Rede, die durchaus ein bis zwei Stunden dauern könne. Dabei würden die Zuhörer über alle Aspekte, die die PKK beträfen, ausführlich informiert, insbesondere über Verlautbarungen, Haftbedingungen und Gesundheitszustand des PKK-Führers Öcalan, Anweisungen der Organisation, Lageentwicklung in der Türkei, in Deutschland und in Europa und aktuelle Kampagnen. Sie würden außerdem unter Hinweis auf die angebliche patriotische Verpflichtung zur Teilnahme an entsprechenden Aktionen aufgerufen. Häufig legten in Volksversammlungen Frontarbeiter und Aktivisten Rechenschaft gegenüber höherrangigen Funktionären ab und übten dabei gegebenenfalls – bei Schlechterfüllung ihrer Pflichten – entsprechende Selbstkritik. Bei der Versammlung am 28.02.2010 sei nach einer Gedenkminute für die verstorbenen „PKK-Märtyrer“ die aktuelle Lage in der Türkei thematisiert und ein Bericht des Volksgebietsrats verlesen worden. Anschließend hätten die Vertreter verschiedener Kommissionen (Justiz, Außenkontakte u.ä.) des Volksgebietsrats über ihre Arbeit berichtet. Danach seien der Leiter des Volksgebietsrats und die Vertreter dieser Kommissionen neu gewählt worden. Eine Ausnahme gelte für zwei Kommissionen: Die „Vereinskommission“ bestehe „automatisch“ aus dem Vorstand der „Kurd... G...“. Die „Organisationskommission“ verfüge über 25 „Frontarbeiter“; diese Aktivisten hätten gute Arbeit geleistet.
55 
Hinzu kommt die Teilnahme des Klägers an Treffen, bei denen der gefallenen und verstorbenen PKK-Kämpfer oder -Aktivisten gedacht wird (18.05.2008 und ...2008). Wie dem Senat aus einer Reihe anderer Verfahren bekannt ist, sind gerade auch solche Märtyrergedenkveranstaltungen ein wesentliches Element zur Herstellung eines engeren ideologischen und emotionalen Zusammenhalts der PKK-Mitglieder und PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vgl. zum Märtyrerkult bei der PKK auch BVerwG, Beschluss vom 24.02.1010 - 6 A 7.08 - a.a.O.).
56 
Bezeichnend ist der Besuch von Versammlungen anlässlich des Geburtstages von Öcalan (06.04.2003, 03.04.2005). Auch hat der Kläger ausweislich der Feststellungen des Landesamts für Verfassungsschutz an mehreren Demonstrationen zu verschiedenen Anlässen (05.02.2005, 28.01.2006, 16.02.2007, 27.10.2007, 25.10.2008, 20.11.2010) teilgenommen, bei denen jeweils Rufe wie „ Es lebe Öcalan“, „Hoch leben Apo“ oder „PKK“ skandiert und „Freiheit für Öcalan“ gefordert wurde. Bei einer „Kurdistan-Solidaritätsdemonstration“ in H... am 20.11.2010 seien auch Parolen wie „Die PKK ist das Volk, das Volk ist hier“ gerufen und Plakate bzw. Transparente mit der Aufschrift „Freiheit für Öcalan – Frieden für Kurdistan“ mitgeführt worden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt, an dieser Veranstaltung vom 20.11.2010 teilgenommen zu haben, und darüber hinaus erklärt, er nehme an (allen) „offiziell genehmigten Demonstrationen“ teil. Es sei um die Freiheit der Kurden gegangen.
57 
Tatsächlich ist bei der Teilnahme an Demonstrationen besonders zu beachten, dass nicht unverhältnismäßig in das Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.; Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.). Zum einen können aber auch Aktivitäten, die dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen, das Tatbestandsmerkmal des Unterstützens im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllen (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.). Zum anderen ging es bei diesen Demonstrationen nicht nur um Themen, die nicht ausschließlich von der PKK besetzt sind – wie die Forderung eines unabhängigen Kurdistans, die Kritik am Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen die kurdisches Zivilbevölkerung, die Anmahnung der Einhaltung von Menschenrechten, oder auch die Kritik an Haftbedingung politischer Gefangener einschließlich Öcalans – sondern um die Bekundung der Anhängerschaft zu Öcalan und der PKK durch entsprechende Parolen und Transparente. Damit bestand eine klare politisch-ideologische Verbindung zur PKK und ihren Zielen bzw. ihren Mitteln zur Durchsetzung dieser Ziele, zu denen auch der Terror zählte und zählt. Dies war und ist auch für den Kläger erkennbar. Er hat dazu in der mündlichen Verhandlung erklärt, es sei ihm egal, welche Parolen gerufen und welche Transparente getragen würden; er selbst habe weder Parolen gerufen noch Plakate getragen. Wie ausgeführt, kommt es darauf jedoch nicht an. Auch überzeugt die Erklärung des Klägers nicht, er habe die Plakate bzw. Transparente nicht lesen können, weil er dann von vorne gegen die Demonstration hätte laufen müssen. Jedenfalls konnte ihm die Solidarisierung mit der PKK schon vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen bei ähnlichen Veranstaltungen und den offensichtlich eindeutigen Parolen nicht entgehen, so dass ihm diese zuzurechnen ist.
58 
Vor dem Hintergrund des Charakters und der Vielzahl der vom Kläger besuchten anderen Veranstaltungen, wie den Volksversammlungen, den Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK und dem Geburtstag von Öcalan sowie den Märtyrergedenkfeiern, ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Urteil, es wären zusätzliche Erkenntnisse darüber erforderlich, was der Kläger bei den Veranstaltungen getan habe, unzutreffend. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts waren bereits zum Zeitpunkt von dessen Entscheidung mehr als 13 Beteiligungen des Klägers an Veranstaltungen bekannt. Inzwischen sind es 20, die vom Landesamt für Verfassungsschutz benannt worden sind. Wie ausgeführt, kommt es zudem auf Anlass und Charakter der betreffenden Veranstaltungen an. In Anbetracht des konkreten Falles ist jedenfalls der Hinweis des Verwaltungsgerichts unverständlich, man könne einer Versammlung oder Veranstaltung auch „kopfschüttelnd“ zu Informationszwecken beiwohnen, ohne eine „unterstützende Haltung“ durch Applaus, Rufen von Parolen, Tragen von Schildern oder Transparenten einzunehmen. Dabei wird verkannt, dass bereits die regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen wie den angeführten, welche erkennbar auch dazu dienen, die PKK einschließlich ihrer terroristischen Aktionen zu fördern, eine Unterstützung der PKK darstellt. Die durch die – auch rein passive – Teilnahme ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung in der Gesellschaft, hier insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.).
59 
Soweit der Kläger vorträgt, die Vereine, bei denen er Mitglied gewesen und auch heute noch Mitglied sei und in deren Vorstand er gewesen sei, seien nicht verboten gewesen, er sei doch kein Terrorist und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach weder darauf an, dass die in Frage stehende Vereinigung verboten ist noch darauf, dass die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.).
60 
In Anbetracht der bereits zur Überzeugung des Senats festgestellten Umstände kommt weiteren länger zurückliegenden Tatsachen wie etwa der Ingewahrsamnahme des Klägers anlässlich der Besetzung des griechischen Generalkonsulats nach der Festnahme von Öcalan am 16.02.1999 und der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung im Jahr 2001 nur noch eine das Gesamtbild abrundende Bedeutung zu.
61 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger im Übrigen keinen Zweifel an seiner Verehrung von Abdullah Öcalan und seiner Anhängerschaft zur PKK gelassen. Er hat deutlich gemacht, dass er auf Veranstaltungen wie die angeführten, auch solche zur Feier des Gründungsjahrestages der PKK, weiter gehen werde, solange diese nicht verboten seien. Seiner Meinung nach trete die PKK – wie auch er selbst – für die Freiheit der Kurden ein und sei nicht terroristisch. Wenn man die PKK als terroristisch ansähe, wäre er auch ein Terrorist. Soweit der Kläger mehrmals darauf hingewiesen hat, dass er aber kein „Vertreter“ der PKK sei, verkennt er, dass es darauf nicht ankommt.
62 
c) Die hiernach maßgeblichen Umstände – die Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeiten in den Vereinen „Kurd... V...“ und „E... ...“ und die beschriebenen Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen – sind auch noch zu berücksichtigen, soweit sie bereits länger zurückliegen.
63 
Das Verwertungsverbot für getilgte Strafen nach § 51 Abs. 1 BZRG kann schon deshalb nicht greifen, weil der Kläger wegen der angeführten Umstände bzw. Aktivitäten nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Ob seine Teilnahme an einer Demonstration der PKK in Dortmund am 16.03.1996 noch berücksichtigt werden könnte, obwohl die deswegen gegen den Kläger mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.03.1998 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot verhängte Geldstrafe bereits aus dem Bundeszentralregister getilgt ist, kann hier offen bleiben. Denn auf diese Tat kommt es in Anbetracht der Vielzahl von sonstigen maßgeblichen Tatsachen – wie die Teilnahme an den angeführten Veranstaltungen 2002 bis 2010 und die Vorstandstätigkeit sowie die Mitgliedschaft in den kurdischen Vereinen in H... – hier nicht an. Jedenfalls ist weder bei Unterstützungshandlungen, die strafbar gewesen wären, aber nicht zu einer Verurteilung geführt haben, noch bei den nicht mit einer Strafe bewehrten Aktivitäten eine „fiktive Tilgung“ mit der Folge eines Verwertungsverbots nach § 51 Abs. 1 BZRG vorzunehmen (ausführlich dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 Bs 2/10 - InfAuslR 2011, 193, m.w.N.; zu den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 1491/05 - AuAS 2011, 89; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2011 - 5 N 30.08 - juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 -, juris – auch zum Fall einer möglichen Atypik im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
64 
Die länger zurückliegenden Tätigkeiten des Klägers sowie insbesondere seine Stellung als Vorstand in den Vereinen sind auch nicht aus anderen Gründen nicht mehr „verwertbar“. Insbesondere bestehen keinerlei Anhaltspunkte für einen „Verbrauch“, etwa weil die Ausländerbehörde dem Kläger in Kenntnis der Ausweisungsgründe einen Aufenthaltstitel erteilt hätte (vgl. dazu GK-AufenthG, a.a.O., § 5 AufenthG Rn. 106 ff., m.w.N.). Soweit im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14.02.2011 die Aktivitäten des Klägers und seine Tätigkeiten in den Vereinsvorständen in solche bis zum Jahr 2002 und solche danach aufgeteilt und nur die neueren berücksichtigt worden sind, ist diese Aufteilung nicht nachvollziehbar. Da der Kläger noch im Mai Jahr 2002 als 2. Vorsitzender in den Vorstand des Vereins „E... ...“ gewählt wurde und diese Funktion danach mindestens ein Jahr lang - so seinen eigenen Angaben nach -, ausweislich des Vereinsregisters sogar bis zur Löschung des Vereins im Jahr 2007 innehatte, hätte diese Vorstandsmitgliedschaft ohnehin mit einbezogen werden müssen. Jedenfalls fehlt es schon in Anbetracht der bis heute andauernden Aktivitäten des Klägers in und für PKK-nahe Vereine in H... bzw. für die PKK und seiner fortdauernden Mitgliedschaft in den Nachfolgevereinen des Vereins „Kurd... V...“ an einer Zäsur, die zur Folge haben könnte, dass frühere Unterstützungshandlungen nicht mehr berücksichtigt werden könnten.
65 
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die des § 54 Nr. 5a AufenthG) grundsätzlich weder vom Wortlaut noch nach deren Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefährdung voraussetzt. Eine “gegenwärtige Gefährlichkeit“ muss nur dann festgestellt werden, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind (ausführlich dazu Urteile des Senats vom 25.05.2011- 11 S 308/11 - und vom 21.04.2010 - 11 S 200/11 - jew. a.a.O.). Wegen der fortdauernden Unterstützungshandlungen des Klägers und seiner ständigen Präsenz bei lokalen PKK-Veranstaltungen liegt eine solche im Übrigen hier eindeutig vor.
III.
66 
Die Entscheidung, den Kläger wegen des Vorliegens des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG auszuweisen, lässt sich rechtlich nicht beanstanden.
67 
1. Das Regierungspräsidiums ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 55 AufenthG über die Ausweisung zu entscheiden hat.
68 
a) Offen bleiben kann, ob schon deshalb Ermessen auszuüben ist, weil eine Ausnahme von der Regel des § 54 AufenthG gegeben ist. Allerdings geht das Regierungspräsidium zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst davon aus, dass der Kläger jedenfalls derzeit „aus familiären Gründen“ (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK), und zwar vor allem im Hinblick auf sein jüngstes, noch minderjähriges Kind A..., welches die deutsche Staatsangehörigkeit hat, nicht abgeschoben werden kann. Mit Schreiben vom 02.12.2011 hat das dafür zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe erklärt, dass dem Kläger daher eine Duldung erteilt werde. Das Vorliegen eines Duldungsgrundes oder eines Abschiebungsverbots führt zwar nicht zur Unzulässigkeit einer Ausweisung, kann aber atypische Umstände in Bezug auf den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG begründen (so zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG: Beschluss des Senats vom 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - InfAuslR 2011, 19; Urteil des Senats vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - a.a.O., m.w.N.¸ vgl. zur Atypik auch GK-AufenthG, a.a.O., § 54 AufenthG Rn. 50 ff., 124 ff.) mit der Folge, dass der Betreffende nur nach Ermessen ausgewiesen werden kann. Ob deshalb oder aus anderen Gründen von einer Atypik auszugehen ist, bedarf hier aber keiner anschließenden Klärung.
69 
b) Denn die Entscheidung über die Ausweisung des Klägers hat bereits mit Blick auf den dem Kläger zustehenden besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG nach Ermessen zu erfolgen.
70 
Zwar liegen die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG unstreitig nicht vor, weil der Kläger nicht „im Besitz“ einer Niederlassungserlaubnis ist. Weil er mit seinem jüngsten, am ...2005 geborenen deutschen Sohn A... in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, kommt ihm aber nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG besonderer Ausweisungsschutz zu. Er kann daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen solche Gründe in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 AufenthG vor. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ist in Fällen, in denen die Voraussetzungen des § 54 AufenthG vorliegen, nach Ermessen über die Ausweisung zu entscheiden.
71 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Sept. 2011, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Hartnäckigkeit und Unbelehrbarkeit, mit der der Kläger trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter an PKK-nahen Veranstaltungen teilgenommen hat, und der in der mündlichen Verhandlung von ihm demonstrierten tiefen Verehrung von Öcalan und Anhängerschaft zur PKK ist damit zu rechnen, dass der Kläger weiter die PKK unterstützt.
72 
2. Die danach erforderliche Ermessensentscheidung ist vom Regierungspräsidium in rechtlich nicht zu beanstandender Weise getroffen worden (§ 114 Satz 1 VwGO).
73 
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris, m.w.N.). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umstände auch andere gewichtige persönlichen Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Im Übrigen sind bei der nach § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG zur Ermessensausweisung herabgestuften Regelausweisung die vom Ausländer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits und dessen private schutzwürdige Belange andererseits auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367, Beschluss vom 21.01.2011 - 1 B 17.10, 1 PKH 8/10 - juris, vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - NVwZ 2007, 1300).
74 
Danach sind hier zugunsten des Klägers in erster Linie seine Familie bzw. seine familiären Bindungen zu berücksichtigen. Seine Ehefrau und fast alle Kinder sind im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Nicht nur der jüngste Sohn A... ist deutscher Staatsgenhöriger; vielmehr hat sich nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat inzwischen auch seine älteste Tochter einbürgern lassen, bei einer anderen laufe derzeit das Einbürgerungsverfahren. Der Kläger hat berichtet, noch mit allen Kindern in einem Haushalt zu leben. Diesen Umständen, denen sicherlich eine aufenthaltsrechtlich erhebliche und weitreichende, durch Art. 6 Abs. 1 Abs. 2 GG und Art. 8 EMRK vermittelte Schutzwirkung zukommt, hat das Regierungspräsidium Stuttgart jedoch hinreichend Rechnung getragen. Im Rahmen der von ihm angestellten und in späteren Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung ergänzten umfassenden Ermessenserwägungen hat es auch alle anderen relevanten Belange eingestellt und zutreffend gewichtet.
75 
Zwar hat das Regierungspräsidium in der Ausgangsentscheidung noch angenommen, dass der Kläger auch tatsächlich ausreisen müsse. Es hat aber später allein darauf abgestellt, dass er mit Rücksicht auf seine familiäre Situation nicht abgeschoben werden könne. Im Hinblick darauf ist dem Kläger inzwischen die Duldung aus familiären Gründen erteilt worden. In der mündlichen Verhandlung ist zudem die im Bescheid vom 10.06.2010 verfügte Abschiebungsandrohung aufgehoben worden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger bis auf Weiteres – das bedeutet jedenfalls solange seinen familiären Belangen insbesondere im Hinblick auf das jüngste deutsche Kind keine geringere Bedeutung einzuräumen ist oder sich andere maßgebliche Umstände ändern – zumindest geduldet wird und seine Familie nicht verlassen muss. Die Ausweisung ist damit schon deshalb auch im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK als verhältnismäßig anzusehen.
76 
Die Entscheidung, den Kläger auszuweisen, begegnet auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil sich das in erster Linie mit einer Ausweisung verfolgte Ziel, die von dem betreffenden Ausländer ausgehende (Wiederholungs-) Gefahr mit der Ausreise zu bannen, hier bis auf Weiteres nicht verwirklichen lässt. Denn immerhin wird mit der Ausweisung zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst bzw. der Erlass entsprechender Überwachungsmaßnahmen ermöglicht (Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.; vgl. auch Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O., ebenso Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 - InfAuslR 2005, 49).
77 
Auch die sonstigen Ermessenserwägungen des Regierungspräsidiums sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vertreterin des beklagten Landes hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Ausweisungsverfügung selbstständig tragend auf den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt sei und dass für diese schon allein die angestellten spezialpräventiven Erwägungen ausschlaggebend seien. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Klägers und schutzwürdige persönliche wirtschaftliche und sonstige Bindungen (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG) wurden eingestellt und zutreffend gewürdigt. Dabei durfte zu Lasten des Klägers berücksichtigt werden, dass dieser nur sehr schlecht Deutsch spricht, lediglich wechselnden und unqualifizierten Berufstätigkeiten nachgegangen ist und offensichtlich bis heute nur im Umfeld seiner kurdischen Landsleute und „des Vereins“ Umgang und Bekanntschaften pflegt.
78 
Beim Kläger handelt es sich zwar um keine führende Persönlichkeit in der PKK. Angesichts seiner jahrelangen Unterstützung der PKK, der beschriebenen Hartnäckigkeit, mit der er trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter einschlägige Veranstaltungen besucht hat, und der deshalb weiter bestehenden gegenwärtigen Gefährlichkeit im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erweist sich die Ausweisung aber auch in Ansehung des langjährigen Aufenthalts des Klägers und insbesondere seiner familiären Bindungen nicht als unverhältnismäßig, und zwar selbst dann, wenn der Kläger nicht weiter geduldet würde (vgl. dazu auch die vom EGMR entwickelten sog. „Boultif/Üner-Kriterien, mit denen die Verhältnismäßigkeitsprüfung plausibel und operationabel gemacht werden kann; vgl. Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 - [Boultif] InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - 46410/99 - [Üner] NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - 1683/04 - [Maslov II] InfAuslR 2008, 333, vom 25.03.2010 - 40601/05 - [Mutlag] InfAuslR 2010, 325, und vom 13.10.2011 - 41548/06 - [Trabelsi]).
IV.
79 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
80 
Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht odernicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
81 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/ Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
82 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
83 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).
84 
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
85 
Die hier vom Senat allein zu beurteilende Ausweisungsverfügung bleibt nach dem Vorgesagten aber hiervon unberührt.
B)
86 
Die Klage gegen die die Meldeauflage sowie die räumliche Beschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids vom 10.06.2010 ist vom Verwaltungsgericht zu Recht als zulässig angesehen worden. Beide Verfügungen stellen die gesetzlichen Pflichten des § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. § 54a Abs. 2 AufenthG konkretisierende Regelungen dar (ebenso Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.).
87 
Die Klage ist jedoch auch insoweit unbegründet. Zwar setzen beide Maßnahmen voraus, dass die Ausweisung sofort vollziehbar ist (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 29.11.2010 - 11 S 2481/10 - juris). Dementsprechend wurde auch unter Ziffer 5 des Bescheids vom 10.06.2011 die sofortige Vollziehung angeordnet, weshalb zum Zeitpunkt ihres Erlasses die Verfügung unter dem hier zu behandelnden Aspekt nicht zu beanstanden war. Allerdings wurde mit Beschluss des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 19.11.2010 (11 K 2430/10 - juris) unter anderem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausweisung wiederhergestellt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung nunmehr allein wegen der fehlenden Vollziehbarkeit der Ausweisung vorübergehend als rechtswidrig anzusehen wären. Denn mit Eintritt der Rechtskraft des Senatsurteils wäre die Erlassvoraussetzung der Vollziehbarkeit wieder erfüllt. Namentlich müsste in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden in einem von den Beteiligten angestrengten Revisionsverfahren das Bundesverwaltungsgericht, dessen Entscheidung mit ihrem Erlass notwendigerweise rechtkräftig wird, die Klage gegen die auf § 54a AufenthG gestützten Maßnahmen als unbegründet abweisen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung galt bzw. gilt lediglich vorläufig – bis zum Eintritt der Bestands- bzw. Rechtskraft der Ausweisung. Dies legt ein Verständnis der aufschiebenden Wirkung nahe, nach welchem auch die Folgemaßnahmen nach § 54a AufenthG vom Wiedereintritt der aufschiebenden Wirkung bis zur Rechtskraft der Entscheidung bezüglich der Ausweisung in ihrer Wirksamkeit nur vorläufig suspendiert sind, selbst wenn die aufschiebende Wirkung insoweit nicht ausdrücklich angeordnet wurde (ebenso zu vergleichbaren verwaltungsverfahrensrechtlichen Konstellationen Kopp/ Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 80 Rn. 31; Bader, VwGO, 5. Aufl. 2011, § 80 Rn. 23). Schließlich würden die Meldepflicht und die räumliche Beschränkung nach § 54a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG auch ohne Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt, wie sie hier erfolgt ist, unmittelbar mit der Vollziehbarkeit der Ausweisung kraft Gesetzes (wieder) eintreten. Weitergehende Rechtswirkungen müssen der aufschiebenden Wirkung im Interesse des Betroffenen, insbesondere aus Gründen effektiver Rechtsschutzgewährung, nicht beigemessen werden.
88 
In Anbetracht der Rechtmäßigkeit der Ausweisung und der aktuell bestehenden Gefahr weiterer Unterstützung der PKK durch den Kläger lassen sich die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden; sie verstoßen insbesondere nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
89 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, 161 Abs. 2 VwGO.
90 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
91 
Beschluss
92 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
93 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. April 2011 - 8 K 219/11 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das beklagte Land verpflichtet wird, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von vier Jahren und sechs Monaten ab dem 27. Juli 2012 zu befristen. Der Bescheid vom 27. Juli 2012 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung.
Er ist am ...1985 in Skopje/Mazedonien geboren und mazedonischer Staatsangehöriger sowie Angehöriger der Volksgruppe der Roma. Seine Eltern hielten sich mit ihm erstmals ab dem 28.08.1989 in der Bundesrepublik Deutschland auf und führten erfolglos ein Asylverfahren durch. Nachdem sie zwischendurch unbekannten Aufenthalts waren, reisten der Kläger und seine Eltern sowie sein am 15.01.1991 in Mazedonien geborener Bruder im Oktober 1992 erneut ein und stellten Asyl- bzw. Asylfolgeanträge, welche abgelehnt wurden. Im Dezember 1994 verließ die Familie das Bundesgebiet. Nach der Wiedereinreise am 30.11.1998 gestellte Asylfolgeanträge wurden mit - seit 19.06.1999 bestandskräftigem - Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 11.12.1998 abgelehnt.
In der Folge erhielt der Kläger zunächst Duldungen. Die Ehe seiner Eltern wurde 1999 geschieden. Sein Vater ist im Besitz einer Niederlassungserlaubnis, seine Mutter und sein Bruder erhielten Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen.
Der Kläger hat die Hauptschule abgeschlossen und ein Berufsvorbereitungsjahr absolviert. Nach Ausbildung zum Bäcker in den Jahren 2004 bis 2006 war er bis zu einer Inhaftierung im Juni 2009 als Bäcker angestellt.
Am 24.11.2003 erkannte der Kläger die Vaterschaft für den am 15.11.2003 in Ostfildern geborenen deutschen Staatsangehörigen A.R. an. Daraufhin wurde ihm am 07.06.2004 eine - zunächst bis 06.09.2004 befristete - Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft mit seinem Sohn erteilt, zum 28.06.2004 meldete er sich unter der Adresse seines Sohnes und dessen Mutter Annett R. an. In der Folge wurde die Aufenthaltserlaubnis mehrmals verlängert, zuletzt mit Geltung bis zum 02.09.2008.
Am 23.07.2008 beantragte der Kläger die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass er bereits zum 29.06.2006 zu seinem Vater gezogen war und damit die familiäre Lebensgemeinschaft mit seinem Sohn und dessen Mutter beendet hatte, beschränkte er auf Vorschlag der Ausländerbehörde am 02.06.2009 seinen Antrag auf eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.
Seit 1999 ist der Kläger immer wieder im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln und wegen Straftaten wie Diebstahl, Erschleichen von Leistungen, Körperverletzung u.a. aufgefallen. Das Bundeszentralregister enthält (Stand: 06.08.2012) noch Eintragungen ab dem Jahr 2005:
- Verurteilung vom 22.07.2005 durch das Amtsgericht Esslingen wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen;
- Verurteilung vom 31.05.2007 durch das Amtsgericht Stuttgart wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen;
- Verurteilung vom 13.09.2007 durch das Amtsgericht Stuttgart - Bad Cannstatt wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen;
- Verurteilung vom 10.06.2008 durch das Amtsgericht Stuttgart wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten; die Vollstreckung der Strafe wurde zunächst zur Bewährung ausgesetzt, die Aussetzung später aber widerrufen; die Strafvollstreckung ist erledigt seit dem 24.09.2009;
- Verurteilung vom 02.02.2009 durch das Amtsgericht Waiblingen wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen;
- Verurteilung vom 11.02.2009 durch das Amtsgericht Stuttgart - Bad Cannstatt wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen;
- Verurteilung vom 13.02.2009 durch das Amtsgericht Stuttgart - Bad Cannstatt wegen Erschleichens von Leistungen mit geringwertigem Schaden in drei Fällen zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen;
- nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe durch Beschluss des Amtsgericht Waiblingen vom 23.04.2009 von einer Geldstrafe von 125 Tagessätzen (unter Einbeziehung der Entscheidungen des Amtsgerichts Stuttgart - Bad Cannstatt vom 13.02.2009 und vom 11.02.2009 sowie des Amtsgerichts Waiblingen vom 02.02.2009);
- Verurteilung vom 15.10.2009 durch das Amtsgericht Stuttgart wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten; die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt;
- nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe durch Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 10.02.2010 von einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten und zwei Wochen (unter Einbeziehung der Entscheidung des Amtsgerichts Waiblingen vom 02.02.2009, des Amtsgerichts Stuttgart - Bad Cannstatt vom 13.02.2009 und vom 11.02.2009 und des Amtsgerichts Stuttgart vom 15.10.2009); die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zunächst zur Bewährung ausgesetzt; die Strafaussetzung später aber widerrufen;
- Verurteilung vom 26.02.2010 durch das Amtsgericht Stuttgart - Bad Cannstatt wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten.
Vom 28.06.2009 bis zum 24.09.2009 verbüßte der Kläger die im Urteil des Amtsgericht Stuttgart vom 10.06.2008 verhängte Freiheitsstrafe, vom 18.08.2010 bis zum 26.11.2010 die im Urteil des Amtsgericht Stuttgart - Bad Cannstatt vom 26.02.2010 festgesetzte Strafe.
10 
Das Regierungspräsidium Stuttgart wies den Kläger mit Schreiben vom 10.11.2010 darauf hin, dass seine Ausweisung und Abschiebung geprüft werde. Er erklärte dazu mit Schreiben vom 20.12.2010: Er wolle sein Leben wieder in den Griff bekommen und sei deshalb auch auf der Suche nach einem Arbeitsplatz. Er bitte um eine nochmalige Chance.
11 
Die frühere Lebensgefährtin des Klägers schilderte auf Anfrage des Regierungspräsidiums in einem Schreiben vom 21.11.2010, der Kläger habe seinen Sohn vor etwa drei Jahren das letzte Mal gesehen. Er habe noch nie Interesse an einem Kontakt zu seinem Sohn gehabt. Sie vermute, dass er diesen nur benutzt habe, um eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland zu haben. Mit einem Umgang des Klägers mit seinem Sohn sei sie nicht einverstanden, weil ein Kontakt für ihren Sohn eher schädlich wäre. Der Kläger habe insgesamt nur etwa ein halbes Jahr lang Unterhalt für seinen Sohn gezahlt; danach habe sie keinerlei Unterstützung mehr von ihm erhalten.
12 
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 03.01.2011 wurde der Kläger aus dem Bundesgebiet ausgewiesen (Ziff. 1). Außerdem wurde sein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt (Ziff. 2) und er wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland bis zum 10.02.2011 zu verlassen; für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise wurde ihm die Abschiebung angedroht (Ziff. 3). Zur Begründung wurde dargelegt: Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 1 AufenthG für eine Regelausweisung lägen vor, weil der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts Stuttgart - Bad Cannstatt vom 26.02.2010 wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, welche nicht zur Bewährung ausgesetzt worden sei, verurteilt worden sei. Er genieße keinen besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Insbesondere sei er nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Selbst wenn dem Kläger der besondere Ausweisungsschutz des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG zur Seite stehen würde, würde dies die Ausweisung nicht hindern. Er könnte dann zwar nach § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Solche lägen aber vor, weil die von ihm begangenen zahlreichen Straftaten allein wegen deren Häufigkeit schwer wögen. Dies gelte auch - sozusagen isoliert betrachtet - für die letzte Verurteilung, bei welcher die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden sei. In seinem Fall bestehe auch eine konkrete Wiederholungsgefahr ähnlich gelagerter schwerer Straftaten. Dabei sei zunächst die hohe Zahl der Verurteilungen sowie der eingestellten Strafverfahren auffallend. Sämtliche Vorverurteilungen hätten ihm nicht zur Warnung dienen können. Die Rückfallgeschwindigkeit sei hoch. Beispielsweise sei er nur wenige Wochen nach der Verurteilung am 15.10.2009 erneut straffällig geworden. Die zuletzt abgeurteilte Straftat habe er innerhalb einer Bewährungszeit begangen. Selbst eine drohende Strafvollstreckung habe ihn nicht von einer weiteren kriminellen Handlung abhalten können. Er sei vom 28.06.2009 bis zum 24.09.2009 inhaftiert gewesen und nur drei Monate später erneut straffällig geworden. Eine echte Einsicht und Reue sei nicht erkennbar. Hinzutrete, dass er offensichtlich ein ungelöstes Drogenproblem habe. Ihm könne heute keinesfalls eine günstige Sozialprognose gestellt werden. Aus all diesen Gründen habe das herausragende öffentliche Interesse an der Erhaltung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung im Vergleich zu dem dem Kläger zur Seite stehenden - hilfsweise unterstellten - Schutz des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ein deutliches Übergewicht. Im Übrigen sei in der Rechtsprechung geklärt, dass nach einer strafgerichtlichen Verurteilung generalpräventive Ausweisungsgründe schwer wögen, wenn sehr häufiges straffälliges Verhalten vorliege und deshalb ein dringendes Bedürfnis dafür bestehe, über eine etwaige strafrechtliche Sanktion hinaus durch die Ausweisung andere Ausländer von ähnlichen Straftaten abzuhalten. Davon sei hier auszugehen. Für den Fall des Vorliegens des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG sei außerdem über die Ausweisung nach Ermessen zu entscheiden. Eine Ermessensentscheidung müsste unabhängig davon ohnehin getroffen werden, weil die Ausweisung in das Grundrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 GG und in das Achtungsgebot aus Art. 8 EMRK eingreife. Dabei seien die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet zu berücksichtigen. Der Kläger habe sich insgesamt etwas mehr als zwölf Jahre im Bundesgebiet aufgehalten. Seit Juni 2004 sei sein Aufenthalt rechtmäßig. Die von ihm begangenen Straftaten ließen jedoch eine hohe Missachtung der Rechtsordnung erkennen, die eine hohe und konkrete Wiederholungsgefahr weiterer Straftaten begründe. Damit habe das herausragende öffentliche Interesse an der Erhaltung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung im Vergleich zur Dauer seines Aufenthalts deutliches Übergewicht. Der Kläger habe zwar erfolgreich eine Ausbildung zum Bäcker abgeschlossen und auch als solcher gearbeitet, doch weitere Integrationsleistungen wie Aufbau einer eigenen Existenzgrundlage, eigener Wohnraum oder ähnliches seien nicht erkennbar. Ganz entscheidend gegen eine abgeschlossene Integration sprächen die ausgesprochen häufigen Straftaten. Er habe sich auch nicht derart lange in der Bundesrepublik aufgehalten, dass von einer Verwurzelung in Deutschland und einer damit einhergehenden Entwurzelung in seinem Heimatstaat auszugehen sei, zumal er als Kind insgesamt etwa neun Jahre im heutigen Mazedonien gelebt habe und die Kindeszeit prägend sei. Dabei werde nicht übersehen, dass er sicherlich nach erfolgter Abschiebung in Mazedonien zunächst Schwierigkeiten haben werde, sich an die dortigen Lebensverhältnisse zu gewöhnen; doch seien diese Schwierigkeiten nicht unüberwindbar. Insbesondere sei davon auszugehen, dass er seine Muttersprache noch beherrsche. Persönliche schutzwürdige Bindungen im Bundesgebiet lägen zwar vor, denn seine Eltern, ein Bruder sowie sein Sohn lebten hier. Seit März 2006 lebe er mit seinem Vater in Stuttgart zusammen. Diese hinderten jedoch eine Ausweisung hier nicht. Bezüglich des Verhältnisses zu seinem Sohn sei zu berücksichtigen, dass er zu diesem seit drei Jahren keinen Kontakt mehr gehabt und lediglich für die Dauer von sechs Monaten Unterhalt geleistet habe. Ein Sorgerecht besitze er nicht. Die Ausweisung stehe auch im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und verstoße nicht gegen Art. 8 EMRK. Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis sei abzulehnen. Die Abschiebungsandrohung beruhe auf § 59 AufenthG.
13 
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 21.01.2011 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage; das beklagte Land trat der Klage entgegen.
14 
Anträge des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren wurden vom Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 11.02.2011 - 8 K 222/11 - abgelehnt; die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Senatsbeschlüssen vom 15.03.2011 - 11 S 547/11 - und - 11 S 548/11 - zurückgewiesen. Mit weiterem Senatsbeschluss vom 15.03.2011 - 11 S 549/11 - wurde die Beschwerde des Klägers gegen die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.02.2011 - 8 K 219/11 - erfolgte Ablehnung seines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren zurückgewiesen.
15 
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.04.2011 - 8 K 219/11 -wurde die Klage des Klägers abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, der Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 03.01.2011 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Zur Begründung wird auf die vorangegangenen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts und des Senats in den Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren verwiesen.
16 
Auf einen entsprechenden Antrag des Klägers hin wurde diesem mit Beschluss des Amtsgerichts Esslingen - Familiengericht - vom 06.05.2011 betreuter Umgang mit seinem Sohn eingeräumt, bestimmt, dass zur Anbahnung des Umgangs am 29.06.2011 beim örtlichen Kinderschutzbund ein Eltern-Erstgespräch und dass ab Mitte Juli alle 14 Tage ein vom Kinderschutzbund betreuter Umgang für zwei Stunden stattfinde. Die Beschwerde der Mutter des Kindes gegen diesen Beschluss wurde vom Oberlandesgerichts Stuttgart am 19.08.2011 zurückgewiesen. Mit Schreiben an das Regierungspräsidium vom 05.10.2011 teilte der Kinderschutzbund Esslingen mit, dass der Kläger zum Eltern-Erstgespräch gekommen sei, weitere Gespräche hätten nicht stattgefunden.
17 
Gegen das am 29.04.2011 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.04.2011 hat der Kläger am 27.05.2011 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Mit Senatsbeschluss vom 16.08.2011 - 11 S 1656/11 -, zugestellt am 29.08.2011, ist die Berufung zugelassen worden, soweit mit dem Urteil die Klage des Klägers gegen die unter Ziffer 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 03.01.2011 verfügte Ausweisung abgewiesen worden ist. Im Übrigen ist der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt worden. Mit am 22. und 23.09.2012 eingegangenen Schriftsätzen hat der Kläger die Berufung unter Stellung eines Antrags begründet.
18 
Nachdem mit Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 29.03.2011 die in dessen Gesamtstrafenbeschluss vom 10.02.2010 gewährte Aussetzung der Freiheitstrafe von sechs Monaten und zwei Wochen zur Bewährung widerrufen worden war, wurde der Kläger am 27.09.2011 in Haft genommen.
19 
Zwei strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Erschleichens von Leistungen (am 03.04.2010 und am 05.02.2011) wurden von der Staatsanwaltschaft Stuttgart nach § 154 StPO, ein weiteres Verfahren wegen Unterschlagung eines Kraftfahrzeugs, Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Wohnungseinbruchdiebstahls u.a. (am 07.08.2011 und am 08.08.2011) nach §§ 153b ff. StPO eingestellt. Ein Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 22.07.2010, mit welchem der Kläger wegen Urkundenfälschung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden war, wurde nach Rücknahme der zunächst sowohl vom Kläger als auch von der Staatsanwaltschaft Heilbronn eingelegten Berufungen am 09.10.2012 rechtskräftig.
20 
Ein am 24.11.2011 gestellter Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bezüglich der bevorstehenden Abschiebung nach § 123 VwGO wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.11.2011 - 8 K 4179/11 - abgelehnt; die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Senatsbeschluss vom 08.12.2011 - 11 S 3155/11 - zurückgewiesen.
21 
Am 15.12.2011 wurde der Kläger aus der Haft nach Mazedonien abgeschoben. Nach seiner Wiedereinreise in das Bundesgebiet am 26.06.2012 - mit gefälschten bulgarischen Papieren - wurde er wegen des Vorwurfs der Urkundenfälschung u.a. festgenommen. Mit - seit dem 31.08.2012 rechtskräftigem -Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 23.08.2012 wurde er wegen unerlaubter Einreise nach Abschiebung in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt nach Abschiebung in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt ohne Pass in Tateinheit mit Urkundenfälschung in Tateinheit mit Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Bis zum 06.09.2012 verbüßte er die Reststrafe aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 10.02.2010, am 07.09.2012 begann der Vollzug der vom Amtsgericht Rosenheim verhängten viermonatigen Freiheitsstrafe.
22 
Bereits mit Bescheid vom 27.07.2012 ergänzte das Regierungspräsidium Stuttgart die Ausweisung vom 03.01.2011 dahingehend, dass deren Wirkungen auf vier Jahre und sechs Monate nach erfolgter Ausreise oder erneuter Abschiebung befristet wurden, wobei der Bezugspunkt für die Berechnung der Frist eine zukünftige Ausreise bzw. Abschiebung nach der Wiedereinreise sei (Ziff. 1). Zudem wurden die Wirkungen der bereits durchgeführten Abschiebung auf den 01.08.2012 befristet (Ziff. 2). Zur Begründung wurde unter anderem dargelegt: Der Kläger sei seiner Ausreisepflicht nicht nachgekommen, weshalb er am 15.12.2011 abgeschoben worden sei. Am 26.06.2012 sei er wieder eingereist. Die ursprünglich beabsichtigte Eheschließung sei bislang nicht realisiert worden. Soweit das Verhältnis zu seinem heute achtjährigen deutschen Kind betroffen sei, habe das Familiengericht Esslingen am 06.05.2011 die Durchführung eines betreuten Umgangs angeordnet. Ein Umgang zwischen Vater und Kind habe aber - auch wegen des Widerstands der Kindesmutter - nicht stattgefunden. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 AufenthG für eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung und der durchgeführten Abschiebung lägen vor. Zwar fordere diese nationale Vorschrift, dass eine Befristung nur auf Antrag erfolge, welcher bis heute nicht gestellt worden sei, doch gehe das Bundesverwaltungsgericht inzwischen davon aus, dass ein solcher nicht erforderlich sei. Da die Abschiebung aus der Haft erfolgt sei, habe der Kläger zumindest nach der Inhaftierung ab dem 27.09.2011 auch keine Möglichkeit mehr gehabt, die Abschiebung zu vermeiden. Dieser Gesichtspunkt rechtfertige die kurze Frist bezüglich der Wirkungen der Abschiebung bis zum 01.08.2012. Soweit dagegen die Ausweisung betroffen sei, müsse bei dieser eine Prognose darüber getroffen werden, wann der spezialpräventive Ausweisungszweck voraussichtlich erreicht sei, also keine Wiederholungsgefahr mehr bestehe. Gleichfalls sei insbesondere der generalpräventive Ausweisungszweck zu würdigen. Auch die Befristungsentscheidung sei insoweit eine ordnungsrechtliche Maßnahme. Dieser ordnungsrechtliche Gesichtspunkt müsse mit dem privaten Interesse des Klägers an einer baldigen erlaubten Wiedereinreisemöglichkeit nach erfolgter Abschiebung abgewogen werden. Dabei seien insbesondere neu eingetretene positive oder negative Umstände zu beachten. Das Regierungspräsidium orientiere sich an Art. 11 Abs. 2 Rückführungsrichtlinie (RFRL), nach welcher die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt werde und grundsätzlich nicht fünf Jahre überschreite. Sie könne jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstelle. Die vom Regierungspräsidium in Ziffer 1 des Bescheids verfügte Frist betrage mit der erzwungenen Abwesenheit vom Bundesgebiet vom 15.12.2011 bis zum 27.06.2012 ziemlich genau die fünf Jahre, die in Art. 11 Abs. 2 RFRL genannt seien. Diese Orientierung sei hier insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil sich das Regierungspräsidium im Fall des Klägers in einem „unauflösbaren Dilemma“ befinde. Denn nach wie vor bestehe eine aktuelle hohe und konkrete Wiederholungsgefahr weiterer Straftaten und der Zeitpunkt, ab welchem diese Wiederholungsgefahr nicht mehr vorliege, könne nur schwer prognostiziert und bestimmt werden. Besonders zu berücksichtigen sei der Umstand, dass der Kläger ausgesprochen häufig und selbst nach erfolgter Ausweisung straffällig geworden sei. Auch handle es sich bei der anlässlich der Wiedereinreise begangenen unerlaubten Einreise sowie der Urkundenfälschung um nicht unerhebliche Straftaten. Daraus sei ersichtlich, dass mit der Frist von vier Jahren und sechs Monaten nach zukünftiger Ausreise sogar ein gewisses Risiko in Kauf genommen werde. Deshalb fordere das Achtungsgebot aus Art. 8 EMRK nicht, die Frist kürzer zu bestimmen.
23 
Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger unter anderem vor: Bei der Ausweisung sei die Beziehung zu seinem Sohn nicht hinreichend berücksichtigt worden. Zwar sei zutreffend, dass er aufgrund seiner Abschiebung nach Mazedonien das Umgangsrecht mit seinem deutschen Kind zunächst nicht optimal habe wahrnehmen können. Er wolle aber den Kontakt zu diesem herstellen. Auch beabsichtige er weiter, seine Verlobte zu heiraten. Die Eheschließung sei vom beklagten Land vor seiner Abschiebung im Dezember 2011 allein dadurch verhindert worden, dass keine Duldung erteilt worden sei. In Mazedonien habe er ausschließlich von dem Geld gelebt, welches sein Vater und sein Bruder ihm geschickt hätten. Er habe dort keinen festen Wohnsitz gehabt; er sei nur "notdürftig" bei seiner Tante und bei seinem Onkel untergekommen. Später habe er keinerlei finanzielle Unterstützung mehr erhalten. Er wolle jetzt mit seinem Sohn in Deutschland zusammenleben. Mit der vom Regierungspräsidium im Bescheid vom 27.07.2012 verfügten Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf vier Jahre und sechs Monate nach erfolgter Ausreise oder erneuter Abschiebung sei er daher nicht einverstanden, vielmehr begehre er hilfsweise eine Befristung "auf null Tage".
24 
Der Kläger beantragt zuletzt,
25 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.04.2011 - 8 K 219/11 - zu ändern und die unter Ziffer 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 03.01.2011 verfügte Ausweisung in der Fassung des Bescheids vom 27.07.2012 aufzuheben,
26 
hilfsweise: das beklagte Land zu verpflichten, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG angeführten Wirkungen der Ausweisung auf sofort zu befristen.
27 
Das beklagte Land beantragt,
28 
die Berufung zurückzuweisen
29 
Es verweist zur Begründung auf die Bescheide vom 03.01.2011 und vom 27.07.2012. Das Kindeswohl gebiete es hier nicht, trotz der im Falle des Klägers gegebenen hohen Gefahr der Wiederholung von Straftaten von einer Ausweisung abzusehen. Bei der Ausübung des Ermessens seien alle denkbaren Gesichtspunkte und Umstände wie Dauer des Aufenthalts usw. in den Blick genommen, eingestellt und gewürdigt worden.
30 
In einem am 25.07.2012 durchgeführten Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vor der Berichterstatterin ist der Kläger angehört worden. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
31 
Dem Senat liegen die Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart über das Ausweisungsverfahren (insgesamt zwei Hefte), die ausländerrechtlichen Akten der Landeshauptstadt Stuttgart (vier Hefte) und die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart bezüglich des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - 8 K 222/11 - und bezüglich des Klageverfahrens - 8 K 219/11 - vor. Diese sind ebenso wie der Inhalt der Gerichtsakten des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg über das Berufungsverfahren - 11 S 2307/11 - sowie über die Beschwerdeverfahren - 11 S 547/11, 11 S 548/11, 11 S 549/11 und 11 S 3155/11 - Gegenstand der Entscheidung; hierauf wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
32 
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).
33 
Die - nach teilweiser Zulassung durch den Senat - statthafte Berufung des Klägers richtet sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.04.2011, soweit damit (auch) seine Klage gegen die Ausweisung unter Ziffer 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 03.01.2011 abgewiesen worden ist. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründet worden (vgl. § 124a Abs. 6 und Abs. 3 VwGO). Aufgrund der im Berufungsverfahren - mit dem hilfsweise gestellten Verpflichtungsantrag - erfolgten, zulässigen Einbeziehung der unter Ziffer 1 des Ergänzungsbescheids vom 27.07.2012 verfügten Befristung der Wirkungen der Ausweisung ist diese ebenfalls Gegenstand des Verfahrens. Darin liegt insbesondere keine Klageänderung im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - juris). Abgesehen davon hat das beklagte Land in diesem Ergänzungsbescheid explizit darauf hingewiesen, dass die Befristungsentscheidung in dem anhängigen Berufungsverfahren wegen Ausweisung rechtlich überprüft werde, und sich in der Folge sachlich darauf eingelassen. Sollte von einer Klageänderung auszugehen sein, wäre diese daher wegen Einwilligung des beklagten Landes als zulässig anzusehen (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 VwGO).
34 
Die Berufung ist aber nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringen Umfang begründet. Die Klage des Klägers gegen die Ausweisung ist vom Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen worden (dazu unter I.). Denn diese Verfügung - in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 27.07.2012 -ist auch zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - InfAuslR 2008, 156 und vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - juris) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sein - hilfsweise - gestellter Antrag auf Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen der Ausweisung "auf sofort" hat zu einem geringen Teil Erfolg (II.). Die unter Ziffer 1 des Ergänzungsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 27.07.2012 erfolgte Befristung auf vier Jahre und sechs Monate ist insoweit rechtswidrig als der Beginn der Frist danach eine erneute Ausreise oder Abschiebung des Klägers voraussetzt. Er hat aber keinen Anspruch auf eine weitergehende Befristung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
35 
Die Ausweisung ist rechtsfehlerfrei. Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 1 AufenthG liegen vor (1.). Der Kläger genießt keinen besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG (2.). Die Entscheidung des Regierungspräsidiums, den Kläger auszuweisen, ist verhältnismäßig und lässt sich auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden (3.). Auch verstößt die Ausweisung nicht gegen § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG (4.).
36 
1. Rechtsgrundlage der Ausweisung ist § 54 Nr. 1 AufenthG. Diese Regelung ist hier uneingeschränkt anwendbar. Insbesondere folgt nicht etwa allein aus dem Umstand, dass der Kläger Vater eines deutschen Staatsangehörigen - des am 15.11.2003 geborenen A.R. - ist, dass besondere unionsrechtliche Anforderungen zu beachten wären (vgl. hierzu EuGH, Urteile vom 05.05.2011 - Rs. C-434/09 InfAuslR 2011, 268 und vom 15.11.2011 - Rs. C-256/11 InfAuslR 2012, 47; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -NVwZ-RR 2012, 412).
37 
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Abs. 1 AufenthG sind unstreitig erfüllt. Danach wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren oder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Das ist hier allein schon wegen der Verurteilung des Klägers durch das Amtsgerichts Stuttgart - Bad Cannstatt vom 26.02.2010 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten der Fall. Inzwischen ist zudem das Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 22.07.2010, mit welchem er wegen Urkundenfälschung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden war, rechtskräftig. Außerdem erfolgte mit dem Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 23.08.2012 - wegen unerlaubter Einreise nach Abschiebung u.a. - eine weitere Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe.
38 
2. Dem Kläger kommt kein besonderer Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG zu.
39 
Auf § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG kann er sich nicht berufen, weil er bereits seit dem 03.09.2008 nicht mehr im Besitz eines Aufenthaltstitels ist. Sein Antrag auf Verlängerung der zuvor bestehenden Aufenthaltserlaubnis ist unter Ziffer 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart 03.01.2011 abgelehnt worden; diese Entscheidung ist inzwischen bestandskräftig. Die zunächst gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG (in der damals geltenden Fassung, welche § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG n.F. entspricht) eingetretene Fiktionswirkung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist daher zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats jedenfalls bereits beendet. Abgesehen davon hat das Regierungspräsidium zu Recht ausgeführt, dass Zeiten der Fiktionswirkung nicht dem (tatsächlichen) Besitz einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG gleichgestellt werden können, wenn später die Erteilung des Titels unanfechtbar abgelehnt wurde (vgl. Senatsurteil vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - InfAuslR 2012, 1, m.w.N.).
40 
Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Der Kläger lebt nicht mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft. Zwar kann regelmäßiger Umgang mit einem deutschen Kind für die Annahme dieses Ausweisungsschutzes ausreichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.01.2009 - 2 BvR 1064/08 - NVwZ 2009, 387 ff.). Einen solchen hat der Kläger mit seinem Sohn jedoch seit vielen Jahren nicht mehr.
41 
3. Danach ist der Kläger gemäß § 54 Nr. 1 AufenthG "in der Regel auszuweisen". Selbst wenn man - mit dem Regierungspräsidium - zugunsten des Klägers annimmt, dass wegen der zumindest noch bis zur Abschiebung des Klägers im Dezember 2011 bestehenden Bindungen in bzw. an Deutschland mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK von einer Ausnahme vom Regelfall auszugehen ist und daher die Ausweisung im Ermessen steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - InfAuslR 2008, 116), erweist sich diese als rechtmäßig. Die Ermessenserwägungen des Regierungspräsidiums im Bescheid vom 03.01.2011, welche in der Folge mehrmals, unter anderem im Bescheid über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung und der Abschiebung vom 27.07.2012, ergänzt und aktualisiert worden sind, lassen sich rechtlich nicht beanstanden.
42 
Bei der Entscheidung, ob eine im Ermessen der Ausländerbehörde stehende Ausweisung tatsächlich verfügt wird, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die in § 55 Abs. 3 AufenthG aufgeführten, nämlich die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts, die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige oder Lebenspartner des Ausländer, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft leben und die in § 60a Abs. 2 und 2b AufenthG genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung. Dabei sind der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Grundrechte des Betroffenen zu beachten, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG). Liegt ein Eingriff in diese Rechte vor, ist ohnehin eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris, m.w.N.; Urteil vom 22.10.2009 - 1 C 26.08 - InfAuslR 2010, 91). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umständen auch andere gewichtige persönliche Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK darf eine Behörde in die Ausübung des Rechts aus Art. 8 Abs. 1 EMRK nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Die Frage, ob der durch eine Ausweisung bewirkte Eingriff im konkreten Einzelfall in diesem Sinne „notwendig“, insbesondere verhältnismäßig ist, ist anhand einer Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Ausweisung eines straffällig gewordenen Ausländers mit seinem Interesse an der Aufrechterhaltung seiner faktisch gewachsenen und von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten privaten und familiären Bindungen im Bundesgebiet zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für ist dabei von einem bestimmten, nicht notwendigerweise abschließenden Kriterien- und Prüfkatalog auszugehen, den so genannten Boultif/Üner-Kriterien Menschenrechte (vgl. zu den Kriterien im Einzelnen: EGMR, Urteile vom 02.08.2001 - Nr. 54273/00 InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - Nr. 46410/99 <Üner> NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - Nr. 1683/03 InfAuslR 2008, 333, vom 25.03.2010 - Nr. 40601/05 InfAuslR 2010, 325, und vom 13.10.2011 - Nr. 41548/06 juris).
43 
Nach diesen Grundsätzen ist die Ausweisung des Klägers rechtmäßig. Sie ist in Ansehung der von diesem ausgehenden Gefahr der Begehung erneuter Straftaten (a) trotz des damit verbundenen Eingriffs in sein Privatleben als gerechtfertigt bzw. als verhältnismäßig zu beurteilen (b) und auch im Übrigen ermessensfehlerfrei erfolgt (c).
44 
a) Zunächst ist das Regierungspräsidium in den Bescheiden vom 03.01.2011 und vom 27.07.2012 zu Recht davon ausgegangen, dass weiterhin die erhebliche Gefahr der Begehung erneuter Straftaten durch den Kläger besteht, welche ein öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründet.
45 
Der Kläger hat sich über einen langen Zeitraum hinweg unter anderem wegen Betäubungsmitteldelikten immer wieder strafbar gemacht. Ausweislich der vom Senat zum Verfahren eingeholten Auskunft des Bundesamts für Justiz aus dem Zentralregister enthielt dieses am 06.08.2012 insgesamt neun Eintragungen über strafgerichtliche Verurteilungen. Die älteste betrifft das Urteil des Amtsgerichts Esslingen vom 22.07.2005 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln. Danach folgen Verurteilungen wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln vom 31.05.2007, unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in zwei Fällen vom 13.09.2007, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vom 10.06.2008, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln vom 02.02.2009, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis vom 11.02.2009, Erschleichens von Leistungen mit geringwertigem Schaden in drei Fällen vom 13.02.2009, gefährlicher Körperverletzung vom 15.10.2009 und wegen Diebstahls vom 26.02.2010.
46 
In Anbetracht dieser im Zeitraum zwischen Juli 2005 und Februar 2010 erfolgten Verurteilungen kann hier offen bleiben, ob - und gegebenenfalls inwieweit - frühere strafgerichtliche Entscheidungen, die nicht im Bundeszentral-, sondern lediglich im Erziehungsregister eingetragen sind, bei der Ausweisung zu berücksichtigen wären (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 23.09.2009 - 1 B 16.09 - InfAuslR 2009, 447; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.05.2009 - 13 S 116/09 - VBlBW 2010, 77; Saarl. OVG, Urteil vom 12.10.2011 - 1 A 246/11 -juris). Denn bereits die im Bundeszentralregister aufgeführten strafgerichtlichen Entscheidungen begründen die Annahme eines besonderen öffentlichen Interesses an einer Ausweisung des Klägers.
47 
Zwar handelt es sich bei den zugrundeliegenden Straftaten nicht um außerordentlich gravierende Delikte. Bei der gefährlichen Körperverletzung ist das Amtsgericht von einem minder schweren Fall ausgegangen. Die Hartnäckigkeit, mit der der Kläger allein zwischen 2005 und Februar 2010 immer wieder straffällig geworden ist, belegt aber eine besonders hohe Wiederholungsgefahr. Zu den angeführten und im Bundeszentralregister eingetragenen Straftaten kommt zudem noch eine Vielzahl von nach §§ 153b ff. StPO bzw. §§ 31a, 37, 38 BtMG eingestellten Verfahren, zuletzt wegen Erschleichens von Leistungen (am 03.04.2010 und am 05.02.2011) und wegen Unterschlagung eines Kraftfahrzeugs, Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Wohnungseinbruchdiebstahls (am 07.08.2011 und am 08.08.2011). Mit - erst seit dem 09.10.2012 rechtskräftigem - Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 22.07.2010 wurde der Kläger zudem wegen Urkundenfälschung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Vom 28.06.2009 bis zum 24.09.2009, vom 18.08.2010 bis zum 26.11.2010 und zuletzt vom 27.09.2011 bis zu seiner Abschiebung nach Mazedonien am 15.12.2011 verbüßte er Freiheitsstrafen. Weder diese Freiheitsstrafen noch andere Vorverurteilungen, laufende Ermittlungsverfahren oder der drohende Widerruf von Aussetzungen der Vollstreckung von Freiheitsstrafen zur Bewährung hielten ihn von der Begehung weiterer Straftaten ab. Auch die möglichen ausländerrechtlichen Konsequenzen waren ihm offensichtlich keine Warnung. Selbst nach Bekanntgabe des Bescheids vom 03.01.2011, mit welchem der Kläger nicht nur ausgewiesen, sondern auch sein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und ihm die Abschiebung angedroht worden war, wurden gegen ihn die angeführten weiteren Ermittlungsverfahren - wegen einer am 05.02.2011 begangenen "Beförderungserschleichung" und wegen des Verdachts des Wohnungseinbruchdiebstahls, der Unterschlagung eines Kraftfahrzeugs u.a. am 07. bzw. 08.08.2011 - eingeleitet. Die "Rückfallgeschwindigkeit" war danach außerordentlich hoch. In den Jahren 2009 bis 2011 gelang es dem Kläger letztlich nur in Zeiten, in welchen er sich in Haft befand, mehrere Monate lang strafrechtlich unauffällig zu bleiben.
48 
Vor diesem Hintergrund war bereits zum Zeitpunkt der Ausweisung und ist auch weiter jederzeit mit der Begehung erneuter Straftaten zu rechnen. Davon gehen auch die Strafgerichte aus. Bereits im Urteil des Amtsgerichts Stuttgart - Bad Cannstatt vom 26.02.2010, mit welchem der Kläger wegen des Diebstahls von drei Flaschen Parfum zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt wurde, wurde die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt, weil dem Kläger keine positive Sozialprognose gestellt werden könne. Im Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 29.03.2011 - mit welchem die Aussetzung der im Beschluss vom 10.02.2010 gewährten Strafaussetzung zur Bewährung bezüglich der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten und zwei Wochen widerrufen wurde - wird dargelegt, die Freiheitsstrafe sei zur Einwirkung auf den Kläger und zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich. Auch in den erst nach Wiedereinreise des Klägers ergangenen bzw. rechtskräftig gewordenen Urteilen des Amtsgerichts Heilbronn vom 22.07.2010 und des Amtsgerichts Rosenheim vom 23.08.2012 wurde keine Aussetzung der Freiheitsstrafen zur Bewährung gewährt.
49 
Anhaltspunkte dafür, dass sich die Einstellung des Klägers inzwischen maßgeblich geändert haben könnte und die Gefahr der erneuten Begehung von Straftaten gesunken wäre, bestehen nicht. Der Kläger hat sich weder mit seinen Straftaten auseinandergesetzt noch mit seinem (früheren) Drogenkonsum. Ernsthafte Reue oder Einsicht sind weder vorgetragen noch erkennbar. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, dass allein die erfolgte Abschiebung des Klägers im Dezember 2011 zu einer solchen Zäsur geführt haben könnte, dass die Wiederholungsgefahr jetzt anders zu beurteilen wäre. Dagegen spricht schon der Umstand, dass er inzwischen weitere Straftaten begangen hat. Er ist am 26.06.2012 unerlaubt und mit gefälschten bulgarischen Personalpapieren wieder nach Deutschland eingereist, weshalb er mit dem bereits angeführten Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 23.08.2012 zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt wurde. Es ist auch nicht anzunehmen, dass der Wunsch des Klägers, Kontakt zu seinem Sohn zu bekommen und zu halten sowie die Beziehung zu seiner Verlobten wieder aufzunehmen, ihn von der Begehung weiterer Straftaten abhalten würde. Schließlich hatten in der Vergangenheit weder die Beziehung zu seiner Verlobten noch die Vaterschaft entsprechende Auswirkungen.
50 
Bei dieser Sachlage - vor allem in Anbetracht von Anzahl sowie Art und Gewicht der vom Kläger begangenen Straftaten, seines früheren Drogenkonsums, der außerordentlich hohen "Rückfallgeschwindigkeit", der bislang gezeigten Uneinsichtigkeit und der bis heute fehlenden Tataufarbeitung - ist auch der Senat der Überzeugung, dass vom Kläger weiter eine erhebliche Gefahr der Begehung von diversen Straftaten, darunter Eigentums-, Betäubungsmittel- und auch Gewaltdelikten ausgeht. Das Regierungspräsidium hat daher zu Recht ein erhebliches öffentliches Interesse an seiner Ausweisung angenommen.
51 
b) Mit Blick auf das danach vom Kläger immer noch ausgehende Gefahrenpotential stellt die Ausweisung hier trotz seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland und seiner in dieser Zeit gewachsenen persönlichen Bindungen eine verhältnismäßige und insbesondere mit Art. 8 EMRK und Art. 2 Abs. 1 GG vereinbare Maßnahme dar.
52 
Allerdings hat die Ausweisung gravierende Folgen für den Kläger. Dieser besitzt zwar nach rechtskräftiger Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Ziffer 2 des Bescheids vom 03.01.2011 ohnehin kein Aufenthaltsrecht in Deutschland mehr. Die Ausweisung führt aber - ebenso wie eine Zurück- oder Abschiebung - gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22.11.2011, BGBl. I S. 2258 - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz 2011) zu einer Wiedereinreisesperre sowie einem Aufenthaltsverbot und sie steht gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG - in der Regel - der Erteilung eines neuen Titels entgegen (vgl. zum ganzen Renner, AuslR, 9. Aufl. 2011, Vor §§ 53-56 Rn 1 ff.). Die entsprechenden, durch die am 15.12.2011 erfolgte Abschiebung des Klägers nach Mazedonien ebenfalls nach § 11 Satz 1 und 2 AufenthG eingetretenen Wirkungen sind unter Ziffer 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 27.07.2012 bereits auf den 01.08.2012 befristet worden und damit beendet. Hingegen ist die Frist bezüglich der Ausweisung auf vier Jahre und sechs Monaten festgesetzt worden (Ziffer 1 des Bescheids, vgl. zum Beginn der Frist unten II.). Dies bedeutet für den Kläger, dass er - jedenfalls bei unveränderter Sachlage - in den nächsten Jahren nicht mehr ohne Weiteres nach Deutschland einreisen und sich hier aufhalten kann. Die Ausweisung hat daher noch weitgehendere Folgen für seine familiären und sozialen Bindungen zu in Deutschland lebenden Personen - insbesondere zu Eltern und Bruder, zu seiner Verlobten und zu seinem am 15.11.2003 geborenen Sohn - als es allein der fehlende Aufenthaltstitel und die erfolgte Abschiebung haben.
53 
Der Kläger hat sich bereits - wenn auch nicht ununterbrochen - von 1989 bis 1994 und erneut von 1998 bis zu seiner Abschiebung am 15.12.2011 in Deutschland aufgehalten. Vom 07.06.2004 bis zum 02.09.2008 war er im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, im Anschluss galt sein Aufenthalt bis zur Ablehnung seines Verlängerungsantrags mit Bescheid vom 03.01.2011 als erlaubt. Er hat eine Lehre als Bäcker abschlossen und war bis Juni 2009 als Bäcker tätig. Die Eltern des Klägers und sein Bruder leben in Deutschland. Zuletzt wohnte er bei seinem Vater. Der Kläger ist - oder war jedenfalls - außerdem mit einer deutschen Staatsangehörigen verlobt; beide wollten noch vor der Abschiebung des Klägers im Dezember 2011 heiraten. Nach der Abschiebung bestand offensichtlich kein enger Kontakt mehr; der Kläger hat aber im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vor der Berichterstatterin am 25.07.2012 erläutert, dass er vor allem deshalb Ende Juni 2012 erneut eingereist sei, um die Beziehung wieder aufzunehmen. Seinen Sohn hat der Kläger zwar nach seinem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung mit der Mutter des Sohnes offensichtlich jahrelang nicht mehr gesehen; er hat aber kurz vor seiner erneuten Inhaftierung am 27.09.2011 ein (betreutes) Umgangsrecht erstritten, zu dessen Anbahnung beim Kinderschutzbund bereits ein Eltern-Erstgespräch stattgefunden hatte. Im Erörterungstermin am 25.07.2012 hat er dargelegt, dass ihm an einer Beziehung zu seinem Sohn gelegen sei. Er habe die Mutter angeschrieben und gebeten, einen normalen Kontakt zu ermöglichen.
54 
Da der Kläger danach nicht in einer familiären Lebensgemeinschaft mit seinem Sohn lebt und er auch seit Jahren keinen unmittelbaren Kontakt zu seinem Sohn mehr hatte, kann er sich nicht mit Erfolg auf Art. 6 Abs. 1 GG berufen und auch nicht auf das in Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Recht auf Achtung des Familienlebens (vgl. dazu ausführlich Senatsbeschluss vom 16.08.2011 im Verfahren auf Zulassung der Berufung - 11 S 1656/11 - m.w.N.; BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 - InfAuslR 2007, 275; EGMR, Urteil vom 11.07.2000 - 29192/95 InfAuslR 2000, 473). Die Ausweisung greift aber in sein Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EMRK und in sein durch Art. 2 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein. Da der Kläger inzwischen über kein Aufenthaltsrecht mehr verfügt und bereits abgeschoben wurde, kann seinen Bindungen nicht mehr dasselbe Gewicht beigemessen werden wie zu Zeiten, in denen er sich rechtmäßig hier aufgehalten hat. Selbst wenn man insoweit aber zu seinen Gunsten auf den Zeitpunkt der Ausweisung abstellen würde, ist der Eingriff in sein Privatleben hier auch in Ansehung der früheren Bindungen in Deutschland und der für ihn mit einem Leben in Mazedonien verbundenen Schwierigkeiten wegen der Schwere der begangenen Straftaten und der besonders hohen Wiederholungsgefahr als - mit Blick auf das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG - verfassungsrechtlich gerechtfertigt bzw. als gerechtfertigt im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und insbesondere als verhältnismäßig anzusehen.
55 
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger offensichtlich nur in den ersten drei bis vier Lebensjahren näheren Kontakt zu seinem Kind A.R. hatte. Im Beschluss des Amtsgerichts Esslingen vom 06.05.2011, mit welchem ihm ein betreuter Umgang eingeräumt wurde, wird ausgeführt, dass die Mutter des Kindes und der Kläger sich getrennt hätten, als A.R. drei Jahre alt gewesen sei. Eine kurze Zeit danach habe die Kindsmutter noch die Eltern des Klägers und den Kläger besucht. Danach hätten keinerlei Kontakte mehr stattgefunden. Der Kläger habe auch nach eigenen Angaben seinen Sohn nicht mehr besucht, keinen telefonischen Kontakt zu ihm gehabt, ihm keine Karten geschickt und auch keine Geschenke gemacht. Ausweislich der vorliegenden Unterlagen hat der Kläger zudem viele Jahre keinen - oder zu wenig - Unterhalt geleistet. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass die Mutter des Kindes schon früher gegen einen Umgang des Klägers mit A.R. gewesen sein und diesen verhindert haben sollte, fällt doch auf, dass der Kläger sich erstmals nach Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und Ausweisung im Bescheid vom 03.01.2011 ernsthaft um einen Umgang mit seinem Sohn bemüht hat. Im dem danach von ihm angestrengten gerichtlichen Verfahren wegen Umgangs wurde davon ausgegangen, dass der Sohn den Kläger erst kennenlernen müsse; er sei "neugierig" auf ihn. Tatsächlich ist es dann offensichtlich nicht mehr zu einem Treffen gekommen.
56 
Soweit sich der Kläger auf sein Verlöbnis mit einer deutschen Staatsangehörigen beruft, kann offen bleiben, ob diese Beziehung noch besteht. Allerdings hat er nach seiner Abschiebung im Dezember 2011 offensichtlich kaum mehr Kontakt zu seiner Verlobten gehabt; insbesondere ist es nicht zu der zunächst für Februar 2012 angekündigten Heirat gekommen. Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass beide weiterhin die Absicht haben, einander zu heiraten, steht dies einer Ausweisung hier in Ansehung der vom Kläger ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ebenso wenig entgegen wie die Beziehung des Klägers zu seinen Eltern, seinem Bruder und zu in Deutschland lebenden Freunden und Bekannten.
57 
Dem Kläger ist ein Leben in Mazedonien auch zuzumuten. Er lebte nicht seit seiner Geburt, sondern erst seit November 1998 - also seit seinem 14. Lebensjahr - bis zu seiner Abschiebung am 15.12.2011 durchgehend in Deutschland. Obwohl er sich mit seinen Eltern bereits zuvor - mit Unterbrechungen vom 28.08.1989 bis November 1994 - in Deutschland aufgehalten hat, hat er jedenfalls einen wesentlichen Teil seiner Kindheit noch im heutigen Mazedonien verbracht. Von Dezember 2011 bis zu seiner unerlaubten Wiedereinreise am 26.06.2012 hat er sich wieder dort aufgehalten. Er hat in Mazedonien Verwandte. Zwar hat er vorgetragen, er habe nicht mehr länger bei seiner Tante wohnen dürften, bei der er nach seiner Abschiebung zunächst drei Monate lang gelebt habe. Er habe dann ohne Papiere, welche man ihm beim Versuch einer Ausreise nach Serbien abgenommen habe, und in ständiger Angst vor willkürlichen Verhaftungen wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma "auf der Straße leben" müssen. Tatsächlich haben Roma in Mazedonien mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Auch kann zwangsweise zurückgeführten mazedonischen Straftätern oder Asylbewerbern für die Dauer von einem Jahr der Pass entzogen werden. Dies kann unter anderem zur Verweigerung einer Ausreise des Betreffenden aus Mazedonien führen (vgl. AA an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 06.08.2012). Ohne Papiere kann es außerdem zu Problemen beim Zugang zu Sozialhilfe- und Gesundheitsfürsorgeleistungen kommen (vgl. a.i. Mazedonien-Report 2012). Im Falle des 27-jährigen Klägers ist aber nicht zu erwarten, dass er ein Leben unterhalb des Existenzminimums führen müsste. Zudem könnte er sich gegebenenfalls zumindest vorübergehend von seinen im Bundesgebiet lebenden Eltern und seinem Bruder unterstützen lassen. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere nicht vom Bestehen eines Abschiebungsverbots auszugehen.
58 
c) Die Ausweisung ist ermessensfehlerfrei erfolgt.
59 
Das Regierungspräsidium hat die im Bescheid vom 03.01.2011 angeführten Ermessenserwägungen in mehreren Schriftsätzen, im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vor der Berichterstatterin am 25.07.2012 und im Bescheid vom 27.07.2012 ergänzt und alle nach Erlass der Ausweisungsverfügung eingetretenen Tatsachen und Umstände, insbesondere auch das dem Kläger eingeräumte Umgangsrecht mit seinem Sohn und das Verlöbnis mit einer deutschen Staatsangehörigen berücksichtigt. Bei der umfassenden Abwägung wurden alle für die Ausweisungsentscheidung relevanten Umstände eingestellt und rechtsfehlerfrei abgewogen.
60 
Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid vom 03.01.2011, im Falle des Klägers liege keine "abgeschlossene Integration in deutsche Lebensverhältnisse" vor, begründen hier keinen Ermessensfehler. Allerdings kann diese - mehrfach verwendete - Formulierung Anlass zu Missverständnissen sein. Schließlich ist der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK unter anderem bei Ausländern eröffnet, die - wie der Kläger jedenfalls früher - wegen ihres langjährigen (rechtmäßigen) Aufenthalts in Deutschland und einer erfolgreichen Schul- sowie Berufsausbildung als "verwurzelt" anzusehen sind. Allein der Umstand, dass der Betreffende Straftaten begangen hat, bedeutet nicht, dass er sich nicht mehr auf den Schutz des Privatlebens berufen könnte. Vielmehr sind die Straftaten gegebenenfalls bei der nach Art. 8 Abs. 2 EMRK erforderlichen Abwägung aller Umstände entsprechend zu gewichten (vgl. dazu Senatsurteil vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - InfAuslR 2012, 1, m.w.N.). Davon ist das Regierungspräsidium im angegriffenen Bescheid aber auch ausgegangen.
61 
Ein Ermessensfehler folgt hier auch nicht daraus, dass das Regierungspräsidium im Bescheid vom 03.01.2011 zudem darauf verwiesen hat, dass bei sehr häufigem straffälligen Verhalten ein dringendes Bedürfnis dafür bestehe, durch die Ausweisung andere Ausländer von ähnlichen Straftaten abzuhalten. Denn es durfte die Ausweisung des Klägers ergänzend auch mit dem Aspekt der Generalprävention begründen. Dabei kommt es hier nicht auf die Frage an, ob eine Ausweisung von in Deutschland "nachhaltig verwurzelten“ Ausländern noch (allein) tragend generalpräventiv begründet werden kann (einschränkend Senatsurteil vom 18.03.2011 - 11 S 2/11 - InfAuslR 2011, 293; a.A. im Revisionsverfahren bezüglich dieses Urteils: BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - InfAuslR 2012, 255). Denn jedenfalls ist hier der Aspekt der Abschreckung anderer potentieller Straftäter vom Regierungspräsidium lediglich ergänzend - neben der bestehenden großen Gefahr der Begehung erneuter Straftaten durch den Kläger - herangezogen worden. Dies lässt sich nicht beanstanden.
62 
4. Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bezüglich der Abschiebung im Dezember 2011 - 11 S 3155/11 - weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Regelung des § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG der Ausweisung hier nicht entgegensteht. Danach darf ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, nur im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft abgeschoben werden. Diese Vorschrift dient der Wahrung des staatlichen Strafverfolgungsinteresses und nicht dem Schutz des Betreffenden vor einer Ausweisung oder Abschiebung (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 08.12.2011 - 11 S 3155/11 - AuAS 2012, 38). Auf die Frage, ob sich der Kläger gegenüber seiner Ausweisung mit Erfolg auf das Fehlen eines nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderlichen Einvernehmens berufen könnte, kommt es hier schon deshalb nicht an, weil derzeit keine entsprechenden Verfahren mehr offen sind. Soweit strafrechtliche Ermittlungsverfahren nicht eingestellt worden sind, haben sie zu Anklagen geführt, über welche inzwischen in allen Fällen rechtskräftig entschieden worden ist.
II.
63 
Der Hilfsantrag des Klägers, mit welchem dieser die Befristung der in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf sofort begehrt, hat lediglich teilweise Erfolg. Die vom Regierungspräsidium unter Ziffer 1 des Bescheids vom 27.07.2012 verfügte Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf vier Jahre und sechs Monate nach (erneuter) Ausreise bzw. Abschiebung ist insoweit rechtswidrig, als danach die Frist erst mit einer erneuten Ausreise oder Abschiebung und nicht bereits mit dem Erlass des Bescheids zu laufen beginnt. Der Kläger hat einen Anspruch auf entsprechende Änderung der Befristungsentscheidung; er hat jedoch keinen Anspruch auf eine weitergehende Befristung oder gar auf die von ihm begehrte Fristsetzung "auf sofort".
64 
Nach § 11 Abs. 1 AufenthG - in der hier maßgeblichen Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 - darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten (Satz 1). Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt (Satz 2). Die in den Sätzen 1 und 2 (des § 11 Abs. 1 AufenthG) bezeichneten Wirkungen werden gemäß Satz 3 auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (Satz 4). Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist (Satz 5). Die Frist beginnt mit der Ausreise (Satz 6). Nach § 11 Abs. 1 Satz 7 AufenthG erfolgt keine Befristung, wenn ein Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde.
65 
Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - juris) hat - infolge der Änderung von § 11 AufenthG durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 - ein Ausländer einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit Erlass einer Ausweisung zugleich deren in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannte Wirkungen befristet. Dabei genügt für den nach dem Wortlaut des § 11 Absatz 1 Satz 3 AufenthG erforderlichen Antrag jede Willensbekundung des Antragstellers, mit welcher sich dieser gegen eine Ausweisung wendet. Der Betreffende kann dann gegebenenfalls zugleich mit Anfechtung der Ausweisung - hilfsweise - seinen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung gerichtlich durchsetzen (so schon BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - InfAuslR 2012, 255). Erachtet das Gericht die Ausweisung für rechtmäßig, hat es auf den Hilfsantrag des Betroffenen hin die Befristungsentscheidung der Ausländerbehörde vollumfänglich zu überprüfen. Hat eine Ausländerbehörde eine zu lange Frist festgesetzt oder fehlt eine behördliche Befristungsentscheidung, hat es über die konkrete Dauer einer angemessenen Frist selbst zu befinden und die Ausländerbehörde zu einer entsprechenden Befristung zu verpflichten (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 10.07.2012, a.a.O., m.w.N.).
66 
Zur Wahrung der Rechtseinheitlichkeit folgt der Senat unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung (vgl. zum Antragserfordernis Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - DVBl. 2012, 1170; vgl. auch Urteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - NVwZ-RR 2012, 412) dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach ist auch hier davon auszugehen, dass es für die an sich nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG erforderliche Stellung eines Antrags auf Befristung genügt, dass sich der Kläger gegen die Ausweisung selbst gewandt hat.
67 
2. Die im vorliegenden Fall mit Blick auf das angeführte das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.07.2012 (- 1 C 19.11 - juris) vom Regierungspräsidium unter Ziffer 1 des Bescheids vom 27.07.2012 erfolgte Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf vier Jahre und sechs Monate nach erfolgter Ausreise oder erneuter Abschiebung ist lediglich hinsichtlich des Fristbeginns rechtswidrig.
68 
Die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Höchstfrist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) und den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen. Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen (BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - juris, m.w.N.).
69 
Nach diesen Grundsätzen lässt sich die vom Regierungspräsidium verfügte Frist im Grundsatz rechtlich nicht beanstanden. Auch der Senat erachtet eine Frist von vier Jahren und sechs Monaten - allerdings gerechnet ab dem 27.07.2012 - als angemessen.
70 
Dabei kann hier letztlich offen bleiben, ob bei der Bemessung der Frist zwingend die Zeiten "anzurechnen" sind, die der Kläger bereits nach seiner Abschiebung am 15.12.2011 bis zu seiner Wiedereinreise am 27.06.2012 außerhalb des Bundesgebiets verbracht hat. Zwar wäre dann insgesamt die in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannte Höchstfrist von fünf Jahren um 12 Tage überschritten; von dieser kann hier aber abgewichen werden.
71 
Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums kann die Zulässigkeit einer Überschreitung der Frist von fünf Jahren im Fall des Klägers allerdings nicht damit begründet werden, dass von diesem eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe (§ 11 Abs. 1 Satz 4, 2. Alt. AufenthG, vgl., auch Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie -, ABl EU Nr. L 348 vom 24.12.2008 S. 98). Denn eine solche kann wohl nur bei gravierenderen Straftaten angenommen werden. Die Grenze von fünf Jahren ist hier aber jedenfalls deshalb nicht zwingend, weil der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist (§ 11 Abs. 1 Satz 4, 1. Alt. AufenthG). Eine andere Beurteilung folgt nicht aus der Rückführungsrichtlinie. Nach deren Art. 11 Abs. 1 gehen Rückkehrentscheidungen mit einem Einreiseverbot einher. Gemäß Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Zum einen stellt eine Ausweisung nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteile vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - DVBl. 2012, 1170 und vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, jew. m.w.N.) aber keine Rückkehrentscheidung in diesem Sinne dar, so dass die Rückführungsrichtlinie schon deshalb insoweit nicht anzuwenden ist. Zum anderen bestimmt Art. 2 Abs. 2 Buchstabe b der Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten beschließen können, diese unter anderem nicht auf solche Drittstaatsangehörigen anzuwenden, die nach einzelstaatlichem Recht aufgrund einer strafrechtlichen Sanktion oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sind. Von dieser "opt-out-Möglichkeit" hat der Gesetzgeber bezüglich der Dauer der für ein Einreiseverbot zu bestimmenden Frist explizit Gebrauch gemacht. In der Begründung zum Entwurf des Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 (Bundestags-Drucks. 17/2740, S. 4, 21) wird zur Änderung von § 11 AufenthG ausgeführt: "Die in dem neuen Satz 4 vorgesehenen Ausnahmen von der regelmäßigen Höchstfrist von 5 Jahren beruhen auf Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b – gegenüber verurteilten Straftätern wird der Anwendungsbereich der Richtlinie insoweit eingeschränkt – und Artikel 11 Absatz 2 Satz 2 (schwerwiegende Gefahr für die Sicherheit und Ordnung) der Rückführungsrichtlinie. Eine strafrechtliche Verurteilung im Sinne der Ausnahme erfordert das Zugrundeliegen schwerwiegender Straftaten."
72 
Insbesondere in Anbetracht der hohen Wiederholungsgefahr, der "Rückfallgeschwindigkeit" und der erneuten Straffälligkeit des Klägers erachtet der Senat die Frist von vier Jahren und sechs Monaten ab dem 27.07.2012 auch unter Berücksichtigung des nach seiner Abschiebung bereits außerhalb des Bundesgebiets verbrachen Zeitraums und im Hinblick auf die familiären und persönlichen Bindungen des Klägers im Bundesgebiet für erforderlich, aber auch ausreichend. Es bleibt dem Kläger unbenommen, bei einer wesentlichen Änderung der maßgeblichen Sachlage, etwa seiner persönlichen Verhältnisse, einen Antrag auf weitergehende Befristung zu stellen.
73 
Die Befristungsentscheidung des Regierungspräsidiums ist jedoch rechtswidrig, soweit der Lauf der Frist danach eine erneute Ausreise oder Abschiebung des Klägers voraussetzt. § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG bestimmt zwar ausdrücklich, dass die Frist (erst) mit der Ausreise beginnt - wobei darunter sowohl die freiwillige als auch die erzwungene Ausreise fallen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.01.2012 - 1 C 1.11 - InfAuslR 2012, 173). Eine solche liegt hier aber schon in der am 15.12.2011 durchgeführten Abschiebung des Klägers nach Mazedonien. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass diese aufgrund der Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und der mit dieser verbundenen Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 03.01.2011 erfolgte und keinen Vollzug der Ausweisung bzw. einer von dieser abhängigen Abschiebungsandrohung darstellte. Denn der Kläger ist damit jedenfalls unter Geltung der Ausweisungsentscheidung vom 03.01.2011 ausgereist im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG. Die Ausweisung entfaltete zu diesem Zeitpunkt bereits die Sperrwirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG. Dann kann der Beginn der Frist auch nach (unerlaubter) Wiedereinreise nicht mehr von einer vorhergehenden - zweiten - Ausreise abhängig gemacht werden (vgl. auch Renner, a.a.O., § 11 Rn. 25; Hamb.OVG, Beschluss vom 15.08.1991 - Bs VII 67/91 -InfAuslR 1992, 250). Es ist Sache des beklagten Landes, durch einen zeitnahen Vollzug der Ausreisepflicht das mit der Ausweisung verbundene Einreiseverbot effektiv durchzusetzen.
74 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Soweit der Kläger mit seinem Hilfsantrag teilweise Erfolg hat, handelt es sich um ein geringfügiges Obsiegen, so dass ihm trotzdem die Kosten des Verfahrens ganz aufzuerlegen sind (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).
75 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
76 
Beschluss vom 6. November 2012
77 
Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird – unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts Stuttgart im Beschluss vom 20. April 2011 – auf 10.000,-- EUR, der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
78 
Gründe
79 
Die Änderung des Streitwerts für das Verfahren im ersten Rechtszug von Amts wegen sowie die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruhen auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 und 2, 39 Abs. 1 GKG. Die beim Verwaltungsgericht erhobene Klage war nicht nur auf Aufhebung der unter Ziffer 1 des Bescheids vom 03.01.2011 verfügten Ausweisung gerichtet, sondern auch auf Verpflichtung des beklagten Landes zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (vgl. Ziff. 2) und auf Aufhebung der Abschiebungsandrohung (Ziff. 3). Während es sich bei den ersten beiden Begehren um zwei selbstständige prozessuale Ansprüche handelt, für die jeweils der Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000,-- EUR anzusetzen ist (vgl. Ziffern 8.1 und 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327), kommt der Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung hier keine streitwerterhöhende Bedeutung zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.04.1982 - 1 B 38.82 - InfAuslR 1982, 167). Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren ist demnach auf 10.000,-- EUR festzusetzen, der für das Berufungsverfahren, in welchem es nur noch um die Ausweisung ging, auf 5.000,-- EUR (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -juris).
80 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
32 
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).
33 
Die - nach teilweiser Zulassung durch den Senat - statthafte Berufung des Klägers richtet sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.04.2011, soweit damit (auch) seine Klage gegen die Ausweisung unter Ziffer 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 03.01.2011 abgewiesen worden ist. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründet worden (vgl. § 124a Abs. 6 und Abs. 3 VwGO). Aufgrund der im Berufungsverfahren - mit dem hilfsweise gestellten Verpflichtungsantrag - erfolgten, zulässigen Einbeziehung der unter Ziffer 1 des Ergänzungsbescheids vom 27.07.2012 verfügten Befristung der Wirkungen der Ausweisung ist diese ebenfalls Gegenstand des Verfahrens. Darin liegt insbesondere keine Klageänderung im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - juris). Abgesehen davon hat das beklagte Land in diesem Ergänzungsbescheid explizit darauf hingewiesen, dass die Befristungsentscheidung in dem anhängigen Berufungsverfahren wegen Ausweisung rechtlich überprüft werde, und sich in der Folge sachlich darauf eingelassen. Sollte von einer Klageänderung auszugehen sein, wäre diese daher wegen Einwilligung des beklagten Landes als zulässig anzusehen (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 VwGO).
34 
Die Berufung ist aber nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringen Umfang begründet. Die Klage des Klägers gegen die Ausweisung ist vom Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen worden (dazu unter I.). Denn diese Verfügung - in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 27.07.2012 -ist auch zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - InfAuslR 2008, 156 und vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - juris) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sein - hilfsweise - gestellter Antrag auf Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen der Ausweisung "auf sofort" hat zu einem geringen Teil Erfolg (II.). Die unter Ziffer 1 des Ergänzungsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 27.07.2012 erfolgte Befristung auf vier Jahre und sechs Monate ist insoweit rechtswidrig als der Beginn der Frist danach eine erneute Ausreise oder Abschiebung des Klägers voraussetzt. Er hat aber keinen Anspruch auf eine weitergehende Befristung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
35 
Die Ausweisung ist rechtsfehlerfrei. Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 1 AufenthG liegen vor (1.). Der Kläger genießt keinen besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG (2.). Die Entscheidung des Regierungspräsidiums, den Kläger auszuweisen, ist verhältnismäßig und lässt sich auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden (3.). Auch verstößt die Ausweisung nicht gegen § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG (4.).
36 
1. Rechtsgrundlage der Ausweisung ist § 54 Nr. 1 AufenthG. Diese Regelung ist hier uneingeschränkt anwendbar. Insbesondere folgt nicht etwa allein aus dem Umstand, dass der Kläger Vater eines deutschen Staatsangehörigen - des am 15.11.2003 geborenen A.R. - ist, dass besondere unionsrechtliche Anforderungen zu beachten wären (vgl. hierzu EuGH, Urteile vom 05.05.2011 - Rs. C-434/09 InfAuslR 2011, 268 und vom 15.11.2011 - Rs. C-256/11 InfAuslR 2012, 47; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -NVwZ-RR 2012, 412).
37 
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Abs. 1 AufenthG sind unstreitig erfüllt. Danach wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren oder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Das ist hier allein schon wegen der Verurteilung des Klägers durch das Amtsgerichts Stuttgart - Bad Cannstatt vom 26.02.2010 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten der Fall. Inzwischen ist zudem das Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 22.07.2010, mit welchem er wegen Urkundenfälschung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden war, rechtskräftig. Außerdem erfolgte mit dem Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 23.08.2012 - wegen unerlaubter Einreise nach Abschiebung u.a. - eine weitere Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe.
38 
2. Dem Kläger kommt kein besonderer Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG zu.
39 
Auf § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG kann er sich nicht berufen, weil er bereits seit dem 03.09.2008 nicht mehr im Besitz eines Aufenthaltstitels ist. Sein Antrag auf Verlängerung der zuvor bestehenden Aufenthaltserlaubnis ist unter Ziffer 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart 03.01.2011 abgelehnt worden; diese Entscheidung ist inzwischen bestandskräftig. Die zunächst gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG (in der damals geltenden Fassung, welche § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG n.F. entspricht) eingetretene Fiktionswirkung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist daher zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats jedenfalls bereits beendet. Abgesehen davon hat das Regierungspräsidium zu Recht ausgeführt, dass Zeiten der Fiktionswirkung nicht dem (tatsächlichen) Besitz einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG gleichgestellt werden können, wenn später die Erteilung des Titels unanfechtbar abgelehnt wurde (vgl. Senatsurteil vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - InfAuslR 2012, 1, m.w.N.).
40 
Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Der Kläger lebt nicht mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft. Zwar kann regelmäßiger Umgang mit einem deutschen Kind für die Annahme dieses Ausweisungsschutzes ausreichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.01.2009 - 2 BvR 1064/08 - NVwZ 2009, 387 ff.). Einen solchen hat der Kläger mit seinem Sohn jedoch seit vielen Jahren nicht mehr.
41 
3. Danach ist der Kläger gemäß § 54 Nr. 1 AufenthG "in der Regel auszuweisen". Selbst wenn man - mit dem Regierungspräsidium - zugunsten des Klägers annimmt, dass wegen der zumindest noch bis zur Abschiebung des Klägers im Dezember 2011 bestehenden Bindungen in bzw. an Deutschland mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK von einer Ausnahme vom Regelfall auszugehen ist und daher die Ausweisung im Ermessen steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - InfAuslR 2008, 116), erweist sich diese als rechtmäßig. Die Ermessenserwägungen des Regierungspräsidiums im Bescheid vom 03.01.2011, welche in der Folge mehrmals, unter anderem im Bescheid über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung und der Abschiebung vom 27.07.2012, ergänzt und aktualisiert worden sind, lassen sich rechtlich nicht beanstanden.
42 
Bei der Entscheidung, ob eine im Ermessen der Ausländerbehörde stehende Ausweisung tatsächlich verfügt wird, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die in § 55 Abs. 3 AufenthG aufgeführten, nämlich die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts, die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige oder Lebenspartner des Ausländer, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft leben und die in § 60a Abs. 2 und 2b AufenthG genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung. Dabei sind der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Grundrechte des Betroffenen zu beachten, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG). Liegt ein Eingriff in diese Rechte vor, ist ohnehin eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris, m.w.N.; Urteil vom 22.10.2009 - 1 C 26.08 - InfAuslR 2010, 91). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umständen auch andere gewichtige persönliche Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK darf eine Behörde in die Ausübung des Rechts aus Art. 8 Abs. 1 EMRK nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Die Frage, ob der durch eine Ausweisung bewirkte Eingriff im konkreten Einzelfall in diesem Sinne „notwendig“, insbesondere verhältnismäßig ist, ist anhand einer Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Ausweisung eines straffällig gewordenen Ausländers mit seinem Interesse an der Aufrechterhaltung seiner faktisch gewachsenen und von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten privaten und familiären Bindungen im Bundesgebiet zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für ist dabei von einem bestimmten, nicht notwendigerweise abschließenden Kriterien- und Prüfkatalog auszugehen, den so genannten Boultif/Üner-Kriterien Menschenrechte (vgl. zu den Kriterien im Einzelnen: EGMR, Urteile vom 02.08.2001 - Nr. 54273/00 InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - Nr. 46410/99 <Üner> NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - Nr. 1683/03 InfAuslR 2008, 333, vom 25.03.2010 - Nr. 40601/05 InfAuslR 2010, 325, und vom 13.10.2011 - Nr. 41548/06 juris).
43 
Nach diesen Grundsätzen ist die Ausweisung des Klägers rechtmäßig. Sie ist in Ansehung der von diesem ausgehenden Gefahr der Begehung erneuter Straftaten (a) trotz des damit verbundenen Eingriffs in sein Privatleben als gerechtfertigt bzw. als verhältnismäßig zu beurteilen (b) und auch im Übrigen ermessensfehlerfrei erfolgt (c).
44 
a) Zunächst ist das Regierungspräsidium in den Bescheiden vom 03.01.2011 und vom 27.07.2012 zu Recht davon ausgegangen, dass weiterhin die erhebliche Gefahr der Begehung erneuter Straftaten durch den Kläger besteht, welche ein öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründet.
45 
Der Kläger hat sich über einen langen Zeitraum hinweg unter anderem wegen Betäubungsmitteldelikten immer wieder strafbar gemacht. Ausweislich der vom Senat zum Verfahren eingeholten Auskunft des Bundesamts für Justiz aus dem Zentralregister enthielt dieses am 06.08.2012 insgesamt neun Eintragungen über strafgerichtliche Verurteilungen. Die älteste betrifft das Urteil des Amtsgerichts Esslingen vom 22.07.2005 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln. Danach folgen Verurteilungen wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln vom 31.05.2007, unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in zwei Fällen vom 13.09.2007, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vom 10.06.2008, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln vom 02.02.2009, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis vom 11.02.2009, Erschleichens von Leistungen mit geringwertigem Schaden in drei Fällen vom 13.02.2009, gefährlicher Körperverletzung vom 15.10.2009 und wegen Diebstahls vom 26.02.2010.
46 
In Anbetracht dieser im Zeitraum zwischen Juli 2005 und Februar 2010 erfolgten Verurteilungen kann hier offen bleiben, ob - und gegebenenfalls inwieweit - frühere strafgerichtliche Entscheidungen, die nicht im Bundeszentral-, sondern lediglich im Erziehungsregister eingetragen sind, bei der Ausweisung zu berücksichtigen wären (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 23.09.2009 - 1 B 16.09 - InfAuslR 2009, 447; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.05.2009 - 13 S 116/09 - VBlBW 2010, 77; Saarl. OVG, Urteil vom 12.10.2011 - 1 A 246/11 -juris). Denn bereits die im Bundeszentralregister aufgeführten strafgerichtlichen Entscheidungen begründen die Annahme eines besonderen öffentlichen Interesses an einer Ausweisung des Klägers.
47 
Zwar handelt es sich bei den zugrundeliegenden Straftaten nicht um außerordentlich gravierende Delikte. Bei der gefährlichen Körperverletzung ist das Amtsgericht von einem minder schweren Fall ausgegangen. Die Hartnäckigkeit, mit der der Kläger allein zwischen 2005 und Februar 2010 immer wieder straffällig geworden ist, belegt aber eine besonders hohe Wiederholungsgefahr. Zu den angeführten und im Bundeszentralregister eingetragenen Straftaten kommt zudem noch eine Vielzahl von nach §§ 153b ff. StPO bzw. §§ 31a, 37, 38 BtMG eingestellten Verfahren, zuletzt wegen Erschleichens von Leistungen (am 03.04.2010 und am 05.02.2011) und wegen Unterschlagung eines Kraftfahrzeugs, Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Wohnungseinbruchdiebstahls (am 07.08.2011 und am 08.08.2011). Mit - erst seit dem 09.10.2012 rechtskräftigem - Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 22.07.2010 wurde der Kläger zudem wegen Urkundenfälschung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Vom 28.06.2009 bis zum 24.09.2009, vom 18.08.2010 bis zum 26.11.2010 und zuletzt vom 27.09.2011 bis zu seiner Abschiebung nach Mazedonien am 15.12.2011 verbüßte er Freiheitsstrafen. Weder diese Freiheitsstrafen noch andere Vorverurteilungen, laufende Ermittlungsverfahren oder der drohende Widerruf von Aussetzungen der Vollstreckung von Freiheitsstrafen zur Bewährung hielten ihn von der Begehung weiterer Straftaten ab. Auch die möglichen ausländerrechtlichen Konsequenzen waren ihm offensichtlich keine Warnung. Selbst nach Bekanntgabe des Bescheids vom 03.01.2011, mit welchem der Kläger nicht nur ausgewiesen, sondern auch sein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und ihm die Abschiebung angedroht worden war, wurden gegen ihn die angeführten weiteren Ermittlungsverfahren - wegen einer am 05.02.2011 begangenen "Beförderungserschleichung" und wegen des Verdachts des Wohnungseinbruchdiebstahls, der Unterschlagung eines Kraftfahrzeugs u.a. am 07. bzw. 08.08.2011 - eingeleitet. Die "Rückfallgeschwindigkeit" war danach außerordentlich hoch. In den Jahren 2009 bis 2011 gelang es dem Kläger letztlich nur in Zeiten, in welchen er sich in Haft befand, mehrere Monate lang strafrechtlich unauffällig zu bleiben.
48 
Vor diesem Hintergrund war bereits zum Zeitpunkt der Ausweisung und ist auch weiter jederzeit mit der Begehung erneuter Straftaten zu rechnen. Davon gehen auch die Strafgerichte aus. Bereits im Urteil des Amtsgerichts Stuttgart - Bad Cannstatt vom 26.02.2010, mit welchem der Kläger wegen des Diebstahls von drei Flaschen Parfum zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt wurde, wurde die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt, weil dem Kläger keine positive Sozialprognose gestellt werden könne. Im Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 29.03.2011 - mit welchem die Aussetzung der im Beschluss vom 10.02.2010 gewährten Strafaussetzung zur Bewährung bezüglich der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten und zwei Wochen widerrufen wurde - wird dargelegt, die Freiheitsstrafe sei zur Einwirkung auf den Kläger und zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich. Auch in den erst nach Wiedereinreise des Klägers ergangenen bzw. rechtskräftig gewordenen Urteilen des Amtsgerichts Heilbronn vom 22.07.2010 und des Amtsgerichts Rosenheim vom 23.08.2012 wurde keine Aussetzung der Freiheitsstrafen zur Bewährung gewährt.
49 
Anhaltspunkte dafür, dass sich die Einstellung des Klägers inzwischen maßgeblich geändert haben könnte und die Gefahr der erneuten Begehung von Straftaten gesunken wäre, bestehen nicht. Der Kläger hat sich weder mit seinen Straftaten auseinandergesetzt noch mit seinem (früheren) Drogenkonsum. Ernsthafte Reue oder Einsicht sind weder vorgetragen noch erkennbar. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, dass allein die erfolgte Abschiebung des Klägers im Dezember 2011 zu einer solchen Zäsur geführt haben könnte, dass die Wiederholungsgefahr jetzt anders zu beurteilen wäre. Dagegen spricht schon der Umstand, dass er inzwischen weitere Straftaten begangen hat. Er ist am 26.06.2012 unerlaubt und mit gefälschten bulgarischen Personalpapieren wieder nach Deutschland eingereist, weshalb er mit dem bereits angeführten Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 23.08.2012 zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt wurde. Es ist auch nicht anzunehmen, dass der Wunsch des Klägers, Kontakt zu seinem Sohn zu bekommen und zu halten sowie die Beziehung zu seiner Verlobten wieder aufzunehmen, ihn von der Begehung weiterer Straftaten abhalten würde. Schließlich hatten in der Vergangenheit weder die Beziehung zu seiner Verlobten noch die Vaterschaft entsprechende Auswirkungen.
50 
Bei dieser Sachlage - vor allem in Anbetracht von Anzahl sowie Art und Gewicht der vom Kläger begangenen Straftaten, seines früheren Drogenkonsums, der außerordentlich hohen "Rückfallgeschwindigkeit", der bislang gezeigten Uneinsichtigkeit und der bis heute fehlenden Tataufarbeitung - ist auch der Senat der Überzeugung, dass vom Kläger weiter eine erhebliche Gefahr der Begehung von diversen Straftaten, darunter Eigentums-, Betäubungsmittel- und auch Gewaltdelikten ausgeht. Das Regierungspräsidium hat daher zu Recht ein erhebliches öffentliches Interesse an seiner Ausweisung angenommen.
51 
b) Mit Blick auf das danach vom Kläger immer noch ausgehende Gefahrenpotential stellt die Ausweisung hier trotz seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland und seiner in dieser Zeit gewachsenen persönlichen Bindungen eine verhältnismäßige und insbesondere mit Art. 8 EMRK und Art. 2 Abs. 1 GG vereinbare Maßnahme dar.
52 
Allerdings hat die Ausweisung gravierende Folgen für den Kläger. Dieser besitzt zwar nach rechtskräftiger Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Ziffer 2 des Bescheids vom 03.01.2011 ohnehin kein Aufenthaltsrecht in Deutschland mehr. Die Ausweisung führt aber - ebenso wie eine Zurück- oder Abschiebung - gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22.11.2011, BGBl. I S. 2258 - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz 2011) zu einer Wiedereinreisesperre sowie einem Aufenthaltsverbot und sie steht gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG - in der Regel - der Erteilung eines neuen Titels entgegen (vgl. zum ganzen Renner, AuslR, 9. Aufl. 2011, Vor §§ 53-56 Rn 1 ff.). Die entsprechenden, durch die am 15.12.2011 erfolgte Abschiebung des Klägers nach Mazedonien ebenfalls nach § 11 Satz 1 und 2 AufenthG eingetretenen Wirkungen sind unter Ziffer 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 27.07.2012 bereits auf den 01.08.2012 befristet worden und damit beendet. Hingegen ist die Frist bezüglich der Ausweisung auf vier Jahre und sechs Monaten festgesetzt worden (Ziffer 1 des Bescheids, vgl. zum Beginn der Frist unten II.). Dies bedeutet für den Kläger, dass er - jedenfalls bei unveränderter Sachlage - in den nächsten Jahren nicht mehr ohne Weiteres nach Deutschland einreisen und sich hier aufhalten kann. Die Ausweisung hat daher noch weitgehendere Folgen für seine familiären und sozialen Bindungen zu in Deutschland lebenden Personen - insbesondere zu Eltern und Bruder, zu seiner Verlobten und zu seinem am 15.11.2003 geborenen Sohn - als es allein der fehlende Aufenthaltstitel und die erfolgte Abschiebung haben.
53 
Der Kläger hat sich bereits - wenn auch nicht ununterbrochen - von 1989 bis 1994 und erneut von 1998 bis zu seiner Abschiebung am 15.12.2011 in Deutschland aufgehalten. Vom 07.06.2004 bis zum 02.09.2008 war er im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, im Anschluss galt sein Aufenthalt bis zur Ablehnung seines Verlängerungsantrags mit Bescheid vom 03.01.2011 als erlaubt. Er hat eine Lehre als Bäcker abschlossen und war bis Juni 2009 als Bäcker tätig. Die Eltern des Klägers und sein Bruder leben in Deutschland. Zuletzt wohnte er bei seinem Vater. Der Kläger ist - oder war jedenfalls - außerdem mit einer deutschen Staatsangehörigen verlobt; beide wollten noch vor der Abschiebung des Klägers im Dezember 2011 heiraten. Nach der Abschiebung bestand offensichtlich kein enger Kontakt mehr; der Kläger hat aber im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vor der Berichterstatterin am 25.07.2012 erläutert, dass er vor allem deshalb Ende Juni 2012 erneut eingereist sei, um die Beziehung wieder aufzunehmen. Seinen Sohn hat der Kläger zwar nach seinem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung mit der Mutter des Sohnes offensichtlich jahrelang nicht mehr gesehen; er hat aber kurz vor seiner erneuten Inhaftierung am 27.09.2011 ein (betreutes) Umgangsrecht erstritten, zu dessen Anbahnung beim Kinderschutzbund bereits ein Eltern-Erstgespräch stattgefunden hatte. Im Erörterungstermin am 25.07.2012 hat er dargelegt, dass ihm an einer Beziehung zu seinem Sohn gelegen sei. Er habe die Mutter angeschrieben und gebeten, einen normalen Kontakt zu ermöglichen.
54 
Da der Kläger danach nicht in einer familiären Lebensgemeinschaft mit seinem Sohn lebt und er auch seit Jahren keinen unmittelbaren Kontakt zu seinem Sohn mehr hatte, kann er sich nicht mit Erfolg auf Art. 6 Abs. 1 GG berufen und auch nicht auf das in Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Recht auf Achtung des Familienlebens (vgl. dazu ausführlich Senatsbeschluss vom 16.08.2011 im Verfahren auf Zulassung der Berufung - 11 S 1656/11 - m.w.N.; BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 - InfAuslR 2007, 275; EGMR, Urteil vom 11.07.2000 - 29192/95 InfAuslR 2000, 473). Die Ausweisung greift aber in sein Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EMRK und in sein durch Art. 2 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein. Da der Kläger inzwischen über kein Aufenthaltsrecht mehr verfügt und bereits abgeschoben wurde, kann seinen Bindungen nicht mehr dasselbe Gewicht beigemessen werden wie zu Zeiten, in denen er sich rechtmäßig hier aufgehalten hat. Selbst wenn man insoweit aber zu seinen Gunsten auf den Zeitpunkt der Ausweisung abstellen würde, ist der Eingriff in sein Privatleben hier auch in Ansehung der früheren Bindungen in Deutschland und der für ihn mit einem Leben in Mazedonien verbundenen Schwierigkeiten wegen der Schwere der begangenen Straftaten und der besonders hohen Wiederholungsgefahr als - mit Blick auf das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG - verfassungsrechtlich gerechtfertigt bzw. als gerechtfertigt im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und insbesondere als verhältnismäßig anzusehen.
55 
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger offensichtlich nur in den ersten drei bis vier Lebensjahren näheren Kontakt zu seinem Kind A.R. hatte. Im Beschluss des Amtsgerichts Esslingen vom 06.05.2011, mit welchem ihm ein betreuter Umgang eingeräumt wurde, wird ausgeführt, dass die Mutter des Kindes und der Kläger sich getrennt hätten, als A.R. drei Jahre alt gewesen sei. Eine kurze Zeit danach habe die Kindsmutter noch die Eltern des Klägers und den Kläger besucht. Danach hätten keinerlei Kontakte mehr stattgefunden. Der Kläger habe auch nach eigenen Angaben seinen Sohn nicht mehr besucht, keinen telefonischen Kontakt zu ihm gehabt, ihm keine Karten geschickt und auch keine Geschenke gemacht. Ausweislich der vorliegenden Unterlagen hat der Kläger zudem viele Jahre keinen - oder zu wenig - Unterhalt geleistet. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass die Mutter des Kindes schon früher gegen einen Umgang des Klägers mit A.R. gewesen sein und diesen verhindert haben sollte, fällt doch auf, dass der Kläger sich erstmals nach Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und Ausweisung im Bescheid vom 03.01.2011 ernsthaft um einen Umgang mit seinem Sohn bemüht hat. Im dem danach von ihm angestrengten gerichtlichen Verfahren wegen Umgangs wurde davon ausgegangen, dass der Sohn den Kläger erst kennenlernen müsse; er sei "neugierig" auf ihn. Tatsächlich ist es dann offensichtlich nicht mehr zu einem Treffen gekommen.
56 
Soweit sich der Kläger auf sein Verlöbnis mit einer deutschen Staatsangehörigen beruft, kann offen bleiben, ob diese Beziehung noch besteht. Allerdings hat er nach seiner Abschiebung im Dezember 2011 offensichtlich kaum mehr Kontakt zu seiner Verlobten gehabt; insbesondere ist es nicht zu der zunächst für Februar 2012 angekündigten Heirat gekommen. Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass beide weiterhin die Absicht haben, einander zu heiraten, steht dies einer Ausweisung hier in Ansehung der vom Kläger ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ebenso wenig entgegen wie die Beziehung des Klägers zu seinen Eltern, seinem Bruder und zu in Deutschland lebenden Freunden und Bekannten.
57 
Dem Kläger ist ein Leben in Mazedonien auch zuzumuten. Er lebte nicht seit seiner Geburt, sondern erst seit November 1998 - also seit seinem 14. Lebensjahr - bis zu seiner Abschiebung am 15.12.2011 durchgehend in Deutschland. Obwohl er sich mit seinen Eltern bereits zuvor - mit Unterbrechungen vom 28.08.1989 bis November 1994 - in Deutschland aufgehalten hat, hat er jedenfalls einen wesentlichen Teil seiner Kindheit noch im heutigen Mazedonien verbracht. Von Dezember 2011 bis zu seiner unerlaubten Wiedereinreise am 26.06.2012 hat er sich wieder dort aufgehalten. Er hat in Mazedonien Verwandte. Zwar hat er vorgetragen, er habe nicht mehr länger bei seiner Tante wohnen dürften, bei der er nach seiner Abschiebung zunächst drei Monate lang gelebt habe. Er habe dann ohne Papiere, welche man ihm beim Versuch einer Ausreise nach Serbien abgenommen habe, und in ständiger Angst vor willkürlichen Verhaftungen wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma "auf der Straße leben" müssen. Tatsächlich haben Roma in Mazedonien mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Auch kann zwangsweise zurückgeführten mazedonischen Straftätern oder Asylbewerbern für die Dauer von einem Jahr der Pass entzogen werden. Dies kann unter anderem zur Verweigerung einer Ausreise des Betreffenden aus Mazedonien führen (vgl. AA an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 06.08.2012). Ohne Papiere kann es außerdem zu Problemen beim Zugang zu Sozialhilfe- und Gesundheitsfürsorgeleistungen kommen (vgl. a.i. Mazedonien-Report 2012). Im Falle des 27-jährigen Klägers ist aber nicht zu erwarten, dass er ein Leben unterhalb des Existenzminimums führen müsste. Zudem könnte er sich gegebenenfalls zumindest vorübergehend von seinen im Bundesgebiet lebenden Eltern und seinem Bruder unterstützen lassen. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere nicht vom Bestehen eines Abschiebungsverbots auszugehen.
58 
c) Die Ausweisung ist ermessensfehlerfrei erfolgt.
59 
Das Regierungspräsidium hat die im Bescheid vom 03.01.2011 angeführten Ermessenserwägungen in mehreren Schriftsätzen, im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vor der Berichterstatterin am 25.07.2012 und im Bescheid vom 27.07.2012 ergänzt und alle nach Erlass der Ausweisungsverfügung eingetretenen Tatsachen und Umstände, insbesondere auch das dem Kläger eingeräumte Umgangsrecht mit seinem Sohn und das Verlöbnis mit einer deutschen Staatsangehörigen berücksichtigt. Bei der umfassenden Abwägung wurden alle für die Ausweisungsentscheidung relevanten Umstände eingestellt und rechtsfehlerfrei abgewogen.
60 
Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid vom 03.01.2011, im Falle des Klägers liege keine "abgeschlossene Integration in deutsche Lebensverhältnisse" vor, begründen hier keinen Ermessensfehler. Allerdings kann diese - mehrfach verwendete - Formulierung Anlass zu Missverständnissen sein. Schließlich ist der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK unter anderem bei Ausländern eröffnet, die - wie der Kläger jedenfalls früher - wegen ihres langjährigen (rechtmäßigen) Aufenthalts in Deutschland und einer erfolgreichen Schul- sowie Berufsausbildung als "verwurzelt" anzusehen sind. Allein der Umstand, dass der Betreffende Straftaten begangen hat, bedeutet nicht, dass er sich nicht mehr auf den Schutz des Privatlebens berufen könnte. Vielmehr sind die Straftaten gegebenenfalls bei der nach Art. 8 Abs. 2 EMRK erforderlichen Abwägung aller Umstände entsprechend zu gewichten (vgl. dazu Senatsurteil vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - InfAuslR 2012, 1, m.w.N.). Davon ist das Regierungspräsidium im angegriffenen Bescheid aber auch ausgegangen.
61 
Ein Ermessensfehler folgt hier auch nicht daraus, dass das Regierungspräsidium im Bescheid vom 03.01.2011 zudem darauf verwiesen hat, dass bei sehr häufigem straffälligen Verhalten ein dringendes Bedürfnis dafür bestehe, durch die Ausweisung andere Ausländer von ähnlichen Straftaten abzuhalten. Denn es durfte die Ausweisung des Klägers ergänzend auch mit dem Aspekt der Generalprävention begründen. Dabei kommt es hier nicht auf die Frage an, ob eine Ausweisung von in Deutschland "nachhaltig verwurzelten“ Ausländern noch (allein) tragend generalpräventiv begründet werden kann (einschränkend Senatsurteil vom 18.03.2011 - 11 S 2/11 - InfAuslR 2011, 293; a.A. im Revisionsverfahren bezüglich dieses Urteils: BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - InfAuslR 2012, 255). Denn jedenfalls ist hier der Aspekt der Abschreckung anderer potentieller Straftäter vom Regierungspräsidium lediglich ergänzend - neben der bestehenden großen Gefahr der Begehung erneuter Straftaten durch den Kläger - herangezogen worden. Dies lässt sich nicht beanstanden.
62 
4. Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bezüglich der Abschiebung im Dezember 2011 - 11 S 3155/11 - weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Regelung des § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG der Ausweisung hier nicht entgegensteht. Danach darf ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, nur im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft abgeschoben werden. Diese Vorschrift dient der Wahrung des staatlichen Strafverfolgungsinteresses und nicht dem Schutz des Betreffenden vor einer Ausweisung oder Abschiebung (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 08.12.2011 - 11 S 3155/11 - AuAS 2012, 38). Auf die Frage, ob sich der Kläger gegenüber seiner Ausweisung mit Erfolg auf das Fehlen eines nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderlichen Einvernehmens berufen könnte, kommt es hier schon deshalb nicht an, weil derzeit keine entsprechenden Verfahren mehr offen sind. Soweit strafrechtliche Ermittlungsverfahren nicht eingestellt worden sind, haben sie zu Anklagen geführt, über welche inzwischen in allen Fällen rechtskräftig entschieden worden ist.
II.
63 
Der Hilfsantrag des Klägers, mit welchem dieser die Befristung der in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf sofort begehrt, hat lediglich teilweise Erfolg. Die vom Regierungspräsidium unter Ziffer 1 des Bescheids vom 27.07.2012 verfügte Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf vier Jahre und sechs Monate nach (erneuter) Ausreise bzw. Abschiebung ist insoweit rechtswidrig, als danach die Frist erst mit einer erneuten Ausreise oder Abschiebung und nicht bereits mit dem Erlass des Bescheids zu laufen beginnt. Der Kläger hat einen Anspruch auf entsprechende Änderung der Befristungsentscheidung; er hat jedoch keinen Anspruch auf eine weitergehende Befristung oder gar auf die von ihm begehrte Fristsetzung "auf sofort".
64 
Nach § 11 Abs. 1 AufenthG - in der hier maßgeblichen Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 - darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten (Satz 1). Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt (Satz 2). Die in den Sätzen 1 und 2 (des § 11 Abs. 1 AufenthG) bezeichneten Wirkungen werden gemäß Satz 3 auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (Satz 4). Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist (Satz 5). Die Frist beginnt mit der Ausreise (Satz 6). Nach § 11 Abs. 1 Satz 7 AufenthG erfolgt keine Befristung, wenn ein Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde.
65 
Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - juris) hat - infolge der Änderung von § 11 AufenthG durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 - ein Ausländer einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit Erlass einer Ausweisung zugleich deren in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannte Wirkungen befristet. Dabei genügt für den nach dem Wortlaut des § 11 Absatz 1 Satz 3 AufenthG erforderlichen Antrag jede Willensbekundung des Antragstellers, mit welcher sich dieser gegen eine Ausweisung wendet. Der Betreffende kann dann gegebenenfalls zugleich mit Anfechtung der Ausweisung - hilfsweise - seinen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung gerichtlich durchsetzen (so schon BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - InfAuslR 2012, 255). Erachtet das Gericht die Ausweisung für rechtmäßig, hat es auf den Hilfsantrag des Betroffenen hin die Befristungsentscheidung der Ausländerbehörde vollumfänglich zu überprüfen. Hat eine Ausländerbehörde eine zu lange Frist festgesetzt oder fehlt eine behördliche Befristungsentscheidung, hat es über die konkrete Dauer einer angemessenen Frist selbst zu befinden und die Ausländerbehörde zu einer entsprechenden Befristung zu verpflichten (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 10.07.2012, a.a.O., m.w.N.).
66 
Zur Wahrung der Rechtseinheitlichkeit folgt der Senat unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung (vgl. zum Antragserfordernis Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - DVBl. 2012, 1170; vgl. auch Urteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - NVwZ-RR 2012, 412) dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach ist auch hier davon auszugehen, dass es für die an sich nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG erforderliche Stellung eines Antrags auf Befristung genügt, dass sich der Kläger gegen die Ausweisung selbst gewandt hat.
67 
2. Die im vorliegenden Fall mit Blick auf das angeführte das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.07.2012 (- 1 C 19.11 - juris) vom Regierungspräsidium unter Ziffer 1 des Bescheids vom 27.07.2012 erfolgte Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf vier Jahre und sechs Monate nach erfolgter Ausreise oder erneuter Abschiebung ist lediglich hinsichtlich des Fristbeginns rechtswidrig.
68 
Die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Höchstfrist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) und den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen. Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen (BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - juris, m.w.N.).
69 
Nach diesen Grundsätzen lässt sich die vom Regierungspräsidium verfügte Frist im Grundsatz rechtlich nicht beanstanden. Auch der Senat erachtet eine Frist von vier Jahren und sechs Monaten - allerdings gerechnet ab dem 27.07.2012 - als angemessen.
70 
Dabei kann hier letztlich offen bleiben, ob bei der Bemessung der Frist zwingend die Zeiten "anzurechnen" sind, die der Kläger bereits nach seiner Abschiebung am 15.12.2011 bis zu seiner Wiedereinreise am 27.06.2012 außerhalb des Bundesgebiets verbracht hat. Zwar wäre dann insgesamt die in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannte Höchstfrist von fünf Jahren um 12 Tage überschritten; von dieser kann hier aber abgewichen werden.
71 
Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums kann die Zulässigkeit einer Überschreitung der Frist von fünf Jahren im Fall des Klägers allerdings nicht damit begründet werden, dass von diesem eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe (§ 11 Abs. 1 Satz 4, 2. Alt. AufenthG, vgl., auch Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie -, ABl EU Nr. L 348 vom 24.12.2008 S. 98). Denn eine solche kann wohl nur bei gravierenderen Straftaten angenommen werden. Die Grenze von fünf Jahren ist hier aber jedenfalls deshalb nicht zwingend, weil der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist (§ 11 Abs. 1 Satz 4, 1. Alt. AufenthG). Eine andere Beurteilung folgt nicht aus der Rückführungsrichtlinie. Nach deren Art. 11 Abs. 1 gehen Rückkehrentscheidungen mit einem Einreiseverbot einher. Gemäß Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Zum einen stellt eine Ausweisung nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteile vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - DVBl. 2012, 1170 und vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, jew. m.w.N.) aber keine Rückkehrentscheidung in diesem Sinne dar, so dass die Rückführungsrichtlinie schon deshalb insoweit nicht anzuwenden ist. Zum anderen bestimmt Art. 2 Abs. 2 Buchstabe b der Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten beschließen können, diese unter anderem nicht auf solche Drittstaatsangehörigen anzuwenden, die nach einzelstaatlichem Recht aufgrund einer strafrechtlichen Sanktion oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sind. Von dieser "opt-out-Möglichkeit" hat der Gesetzgeber bezüglich der Dauer der für ein Einreiseverbot zu bestimmenden Frist explizit Gebrauch gemacht. In der Begründung zum Entwurf des Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 (Bundestags-Drucks. 17/2740, S. 4, 21) wird zur Änderung von § 11 AufenthG ausgeführt: "Die in dem neuen Satz 4 vorgesehenen Ausnahmen von der regelmäßigen Höchstfrist von 5 Jahren beruhen auf Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b – gegenüber verurteilten Straftätern wird der Anwendungsbereich der Richtlinie insoweit eingeschränkt – und Artikel 11 Absatz 2 Satz 2 (schwerwiegende Gefahr für die Sicherheit und Ordnung) der Rückführungsrichtlinie. Eine strafrechtliche Verurteilung im Sinne der Ausnahme erfordert das Zugrundeliegen schwerwiegender Straftaten."
72 
Insbesondere in Anbetracht der hohen Wiederholungsgefahr, der "Rückfallgeschwindigkeit" und der erneuten Straffälligkeit des Klägers erachtet der Senat die Frist von vier Jahren und sechs Monaten ab dem 27.07.2012 auch unter Berücksichtigung des nach seiner Abschiebung bereits außerhalb des Bundesgebiets verbrachen Zeitraums und im Hinblick auf die familiären und persönlichen Bindungen des Klägers im Bundesgebiet für erforderlich, aber auch ausreichend. Es bleibt dem Kläger unbenommen, bei einer wesentlichen Änderung der maßgeblichen Sachlage, etwa seiner persönlichen Verhältnisse, einen Antrag auf weitergehende Befristung zu stellen.
73 
Die Befristungsentscheidung des Regierungspräsidiums ist jedoch rechtswidrig, soweit der Lauf der Frist danach eine erneute Ausreise oder Abschiebung des Klägers voraussetzt. § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG bestimmt zwar ausdrücklich, dass die Frist (erst) mit der Ausreise beginnt - wobei darunter sowohl die freiwillige als auch die erzwungene Ausreise fallen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.01.2012 - 1 C 1.11 - InfAuslR 2012, 173). Eine solche liegt hier aber schon in der am 15.12.2011 durchgeführten Abschiebung des Klägers nach Mazedonien. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass diese aufgrund der Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und der mit dieser verbundenen Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 03.01.2011 erfolgte und keinen Vollzug der Ausweisung bzw. einer von dieser abhängigen Abschiebungsandrohung darstellte. Denn der Kläger ist damit jedenfalls unter Geltung der Ausweisungsentscheidung vom 03.01.2011 ausgereist im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG. Die Ausweisung entfaltete zu diesem Zeitpunkt bereits die Sperrwirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG. Dann kann der Beginn der Frist auch nach (unerlaubter) Wiedereinreise nicht mehr von einer vorhergehenden - zweiten - Ausreise abhängig gemacht werden (vgl. auch Renner, a.a.O., § 11 Rn. 25; Hamb.OVG, Beschluss vom 15.08.1991 - Bs VII 67/91 -InfAuslR 1992, 250). Es ist Sache des beklagten Landes, durch einen zeitnahen Vollzug der Ausreisepflicht das mit der Ausweisung verbundene Einreiseverbot effektiv durchzusetzen.
74 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Soweit der Kläger mit seinem Hilfsantrag teilweise Erfolg hat, handelt es sich um ein geringfügiges Obsiegen, so dass ihm trotzdem die Kosten des Verfahrens ganz aufzuerlegen sind (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).
75 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
76 
Beschluss vom 6. November 2012
77 
Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird – unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts Stuttgart im Beschluss vom 20. April 2011 – auf 10.000,-- EUR, der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
78 
Gründe
79 
Die Änderung des Streitwerts für das Verfahren im ersten Rechtszug von Amts wegen sowie die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruhen auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 und 2, 39 Abs. 1 GKG. Die beim Verwaltungsgericht erhobene Klage war nicht nur auf Aufhebung der unter Ziffer 1 des Bescheids vom 03.01.2011 verfügten Ausweisung gerichtet, sondern auch auf Verpflichtung des beklagten Landes zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (vgl. Ziff. 2) und auf Aufhebung der Abschiebungsandrohung (Ziff. 3). Während es sich bei den ersten beiden Begehren um zwei selbstständige prozessuale Ansprüche handelt, für die jeweils der Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000,-- EUR anzusetzen ist (vgl. Ziffern 8.1 und 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327), kommt der Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung hier keine streitwerterhöhende Bedeutung zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.04.1982 - 1 B 38.82 - InfAuslR 1982, 167). Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren ist demnach auf 10.000,-- EUR festzusetzen, der für das Berufungsverfahren, in welchem es nur noch um die Ausweisung ging, auf 5.000,-- EUR (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -juris).
80 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.