Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 09. Apr. 2009 - 13 S 342/09

bei uns veröffentlicht am09.04.2009

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Dem Europäischen Gerichtshof werden gem. Art. 234 Abs. 1 lit. a) EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist der in Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG vom 29.04.2004 verwendete Begriff der „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit“ dahingehend auszulegen, dass nur unabweisbare Gefährdungen der äußeren oder inneren Sicherheit des Mitgliedstaats eine Ausweisung rechtfertigen können und hierzu nur zählen die Existenz des Staates mit seinen wesentlichen Einrichtungen, deren Funktionsfähigkeit, das Überleben der Bevölkerung sowie die auswärtigen Beziehungen und das friedliche Zusammenleben der Völker?

2. Unter welchen Voraussetzungen geht der nach einem zehnjährigen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat erreichte erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG wieder verloren? Ist in diesem Zusammenhang der Verlusttatbestand für das Daueraufenthaltsrecht nach Art. 16 Abs. 4 RL 2004/38/EG entsprechend anzuwenden?

3. Für den Fall, dass die Frage Ziffer 2 und eine entsprechende Anwendbarkeit des Art. 16 Abs. 4 RL bejaht werden: Geht der erhöhte Ausweisungsschutz allein durch den Zeitlablauf verloren, unabhängig von den maßgeblichen Gründen für die Abwesenheit?

4. Ebenfalls für den Fall, dass die Frage Ziffer 2 und eine entsprechende Anwendbarkeit des Art. 16 Abs. 4 RL bejaht werden: Ist eine zwangsweise Rückkehr in den Aufnahmemitgliedstaat im Rahmen einer Strafverfolgungsmaßnahme vor Ablauf des Zweijahreszeitraums geeignet, den erhöhten Ausweisungsschutz zu erhalten, auch wenn im Anschluss an die Rückkehr zunächst für längere Zeit von den Grundfreiheiten kein Gebrauch gemacht werden kann?

Gründe

 
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet sowie gegen die ihm angedrohte Abschiebung.
Der am … 1978 im Bundesgebiet geborene Kläger ist griechischer Staatsangehöriger und seit Oktober 2001 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis/EG. Im Jahr 1996 machte er seinen Hauptschulabschluss; eine Berufsausbildung schloss er jedoch nicht ab. Von März 2004 bis Mitte Oktober 2004 betrieb er auf Rhodos einen Crêpe-Stand. Er kehrte sodann in die Bundesrepublik Deutschland zurück und arbeitete ab Dezember 2004 in einem Fitnessstudio. Mitte Oktober 2005 kehrte er nach Rhodos zurück und betrieb seinen Crêpe-Stand weiter. Am 22.11.2005 erließ das Amtsgericht Stuttgart einen internationalen Haftbefehl gegen ihn. Am 19.11.2006 wurde er in Rhodos festgenommen und am 19.03.2007 nach Deutschland überführt. Seitdem befindet er sich in Haft.
Der Kläger ist wie folgt vorbestraft:
1. Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 14.10.1998 wegen Besitzes eines verbotenen Gegenstandes: Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen.
2. Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 15.06.1999 wegen gefährlicher Körperverletzung: Geldstrafe in Höhe 100 Tagessätzen.
3. Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 08.02.2000 wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung: Geldstrafe von 50 Tagessätzen.
4. Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart vom 05.09.2002 wegen Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung: Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen.
5. Durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 28.08.2007 wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen: Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten.
Mit Bescheid vom 19.08.2008 stellte das Regierungspräsidium Stuttgart nach Anhörung des Klägers den Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet fest und drohte die Abschiebung nach Griechenland ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise an.
10 
Zur Begründung führte das Regierungspräsidium aus: Mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 28.08.2007 werde das Mindeststrafmaß von 5 Jahren Freiheitsstrafe überschritten, so dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit im Sinne von Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG bzw. § 6 Abs. 5 FreizügG/EU vorlägen. Das persönliche Verhalten des Klägers gefährde aktuell die öffentliche Ordnung. Die von ihm begangenen Betäubungsmittelstraftaten seien ausgesprochen schwerwiegend. Es bestehe eine konkrete Wiederholungsgefahr. Der Kläger sei offensichtlich allein aus finanziellen Gründen bereit gewesen, sich am illegalen Handel mit Rauschgift aktiv zu beteiligen. Die mit dem Handeltreiben von Betäubungsmitteln verbundenen Probleme für rauschgiftabhängige Personen und für die Gesellschaft seien ihm vollkommen gleichgültig gewesen. Es bestehe ein Grundinteresse der Gesellschaft daran, dass die besonders sozial schädliche Rauschgiftkriminalität mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wirksam bekämpft werde. Der Kläger sei entweder nicht willens oder nicht in der Lage gewesen, sich an die bestehende Rechtsordnung zu halten. Er habe mit einer ausgesprochen hohen kriminellen Energie Straftaten begangen. Ein eventuell beanstandungsfreies Verhalten im Strafvollzug lasse keinen Rückschluss auf eine fehlende Wiederholungsgefahr zu. Nachdem somit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 FreizügG/EU erfüllt seien, stehe die Entscheidung im Ermessen der Behörde. Sein privates Interesse, von der Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalt wegen der Dauer seines langen rechtmäßigen Aufenthaltes verschont zu bleiben, überwiege nicht das herausragende öffentliche Interesse an der wirksamen Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität. Die Wahrscheinlichkeit, dass er erneut ähnlich gelagerte Straftaten begehe, sei ausgesprochen hoch. Da er sich in den letzten Jahren mehrere Monate in seinem Heimatland aufgehalten habe, sei nicht zu erwarten, dass er nach der Abschiebung in seinem Heimatland Schwierigkeiten haben werde, sich an die dortigen Lebensverhältnisse zu gewöhnen. Eventuelle persönliche Bindungen im Bundesgebiet hätten ihn nicht davon abgehalten, Straftaten zu begehen. Die Wiederholungsgefahr rechtfertige auch den Eingriff in das freie Zugangsrecht des Klägers als EG-Angehöriger zum deutschen Arbeitsmarkt. Die angeordnete Maßnahme sei geeignet, die vom Kläger ausgehende Gefahr zu beseitigen. Ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich. Durch die angeordnete Maßnahme werde eine bereits aufgebaute wirtschaftliche Existenzgrundlage nicht zerstört. Auch unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten seien gleichwertige Maßnahmen nicht erkennbar. Der besondere Ausweisungsschutz aus § 56 Abs. 1 AufenthG sei nicht höher einzustufen als der des § 6 FreizügG/EU. Der Eingriff in das Privat- und Familienleben des Klägers sei im Hinblick auf die von ihm verübten schwerwiegenden Straftaten im überwiegenden Interesse der Verteidigung der öffentlichen Ordnung und der Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK gerechtfertigt, ohne dass gleichwertige private, familiäre Belange ersichtlich wären, die ein Absehen von der Feststellung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebieten würden.
11 
Am 17.09.2008 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und zur Begründung vorgetragen, seine Familie lebe zum großen Teil in Deutschland. Das Landgericht Stuttgart habe in seinem Urteil vom 28.08.2007 festgestellt, dass er nur untergeordnetes Bandenmitglied und auf Grund seiner familiären Verpflichtung in die Straftat involviert gewesen sei. Da er in Deutschland aufgewachsen sei und seine schulische Ausbildung in Deutschland genossen habe, sei eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinne von § 6 Abs. 1 FreizügG/EU nicht ersichtlich. Auch habe er eine intensive Bindung zu seinem in Deutschland lebenden Vater, der ihn regelmäßig in der JVA H. besuche. Die Tatsache, dass er sich freiwillig der Polizei gestellt habe, zeige, dass er mit den ihm vorgeworfenen Straftaten abgeschlossen habe. Im Rahmen einer Zukunftsprognose sei deshalb davon auszugehen, dass er nach Verbüßung der Strafhaft keine Gefahr für die öffentliche Ordnung mehr darstelle. Die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet sei somit unverhältnismäßig. In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers ergänzend vorgetragen, die Mutter des Klägers halte sich gegenwärtig bei deren Tochter in Australien auf. Ein Bruder befinde sich in Haft, ein weiterer Bruder sei noch auf der Flucht. Ab Frühjahr 2009 werde sich die Mutter endgültig wieder bei ihrem Ehemann in Deutschland aufhalten.
12 
Der Beklagte ist der Klage aus den Gründen des angegriffenen Bescheids entgegen getreten.
13 
Durch Urteil vom 24.11.2008 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Regierungspräsidiums vom 19.08.2008 aufgehoben und zur Begründung u.a. ausgeführt: Der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt könne bei Unionsbürgern wie dem Kläger nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit festgestellt werden, wobei die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung für sich allein nicht genüge, um eine derartige Entscheidung zu begründen. Es müsse ferner eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre (§ 6 Abs. 2 FreizügG/EU). In Umsetzung von Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG vom 29.04.2004 dürfe eine Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU bei mehr als zehnjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit getroffen werden (§ 6 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU). Zu Gunsten des Klägers greife § 6 Abs. 5 FreizügG/EU ein, da er sich seit seiner Geburt und damit weit mehr als die letzten zehn Jahre im Bundesgebiet aufgehalten und er das Daueraufenthaltsrecht aufgrund seiner Aufenthalte auf Rhodos auch nicht verloren habe (§ 4a Abs. 7 FreizügG/EU). Zwar habe er sich von März 2004 bis Mitte Oktober 2004 sowie von Mitte Oktober 2005 bis März 2007 in Griechenland aufgehalten. § 6 Abs. 5 S. 1 FreizügG/EU fordere jedoch keinen ununterbrochenen Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet. Da er im Bundesgebiet geboren sei und mit Ausnahme der genannten Aufenthaltszeiten in Griechenland sein gesamtes Leben im Bundesgebiet zugebracht habe, bestehe für das Gericht kein Zweifel daran, dass er sich auf § 6 Abs. 5 FreizügG/EU berufen könne. Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums Stuttgart lägen jedoch die von § 6 Abs. 5 S. 3 FreizügG/EU geforderten zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit nicht vor. Der gemeinschaftsrechtliche Rechtsbegriff der öffentlichen Sicherheit umfasse nur die innere und die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaates und sei damit enger als der Begriff der öffentlichen Ordnung, der auch die innerstaatliche Strafrechtsordnung umfasse. Es sei deshalb verfehlt, aus dem Überschreiten des in § 6 Abs. 5 S. 3 FreizügG/EU genannten Mindeststrafmaßes stets auf das Vorliegen von zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit zu schließen, wie dies im angefochtenen Bescheid geschehen sei. In Anwendung dieser Grundsätze gehe für das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit vom Kläger keine Bedrohung aus. Der Kläger stelle möglicherweise eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung, jedoch keineswegs für den Bestand des Staates und seiner Institutionen oder das Überleben der Bevölkerung dar. Derartiges werde vom Beklagten auch nicht geltend gemacht.
14 
Gegen das am 07.01.2009 zugestellte Urteil hat der Beklagte rechtzeitig die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zugleich mit einer kurzen Begründung die Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 22.07.2008 beantragt.
15 
Der Kläger verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts.
II.
16 
Der Senat setzt das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO aus, um gem. Art. 234 Abs. 1 lit. a) EG ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zu richten.
17 
Vorab weist der Senat darauf hin, dass die vom Beklagten vorgelegte Berufungsbegründung vom 26.01.2009 gerade noch dem Formerfordernis des § 124 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügt. Zwar befasst sich der Schriftsatz in erster Linie mit der Frage einer Aussetzung des Berufungsverfahrens in entsprechender Anwendung des § 94 VwGO im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 22.07.2008 (13 S 1917/07), ohne einen förmlichen Berufungsantrag zu stellen; vielmehr hat der Beklagte ausdrücklich nur eine Aussetzung des Verfahrens beantragt. Ausnahmsweise ist aber ein förmlicher Berufungsantrag entbehrlich, wenn bei einer klaren prozessualen Ausgangs- und Interessenlage keinerlei Zweifel bestehen kann, welches Ziel der Rechtsmittelführer verfolgt (vgl. Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 124a Rdn. 36 m.w.N.). Dieses ist hier aber der Fall. Auch die Begründung ist noch ausreichend, weil der Beklagte unzweideutig auf sein abweichendes, seinem Bescheid zugrunde liegendes Verständnis des Begriffs der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit verweist.
18 
Die vom Senat dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung unterbreiteten Fragen sind für den Ausgang des Rechtsstreits erheblich. Wäre der Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit nicht in dem vom Senat für richtig gehaltenen engen Sinne zu verstehen, müsste die Klage abgewiesen werden. Das Gleiche wäre dann der Fall, wenn der erhöhte Ausweisungsschutz nicht nur unter den engen Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 4 RL 2004/38/EG verloren ginge, sondern vielmehr bereits bei Vorliegen der hier die Kontinuität des Aufenthalts im Sinne des Art. 16 Abs. 3 RL 2004/38/EG unterbrechenden Aufenthaltszeiten außerhalb des Aufnahmemitgliedstaates von Oktober 2005 bis März 2007.
19 
Zur Klarstellung weist der Senat im Hinblick auf das Vorbringen des Beklagten darauf hin, dass dem Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 22.07.2008 zwar die Problematik der im vorliegenden Verfahren zur Beantwortung gestellte Frage Ziffer 1 ebenfalls zugrunde liegt, dort aber nicht zur Vorabentscheidung unterbreitet worden war.
20 
1. Zur ersten Vorlagefrage:
21 
Nach § 6 Abs. 5 Satz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU - FreizügG/EU - i.d.F. v. 19.09.2007 können zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit, die nach einem zehnjährigen Aufenthalt eine Ausweisung rechtfertigen, nur dann vorliegen, wenn der oder die Betroffene wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt wurde und wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist oder von dem oder der Betroffenen eine terroristische Gefahr ausgeht.
22 
Der Beklagte versteht den Begriff der öffentlichen Sicherheit entgegen der im angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vertretenen Auffassung in einem weiteren Sinne. Nach seiner Sichtweise werden hiervon auch schwere kriminelle Taten, wie Betäubungsmitteldelikte erfasst, die sich aber vornehmlich gegen individuelle Rechtsgüter richten. Der Beklagte geht somit von einem Begriffsverständnis aus, dass die öffentliche Sicherheit die gesamte Rechtsordnung, insbesondere die Strafrechtsordnung umfasst.
23 
Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Vielmehr entnimmt er der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung des primärrechtlichen Begriffs der „öffentlichen Sicherheit“, dass hierunter nur die innere und äußere Sicherheit in dem in der Vorlagefrage Ziffer 1 beschriebenen engen Sinne zu verstehen ist (vgl. insbesondere U.v. 10.07.1984 - Rs. 72/83 - Campus Oil - Slg. 1984, 2727; U.v. 04.10.1991 - C-367/89 - Richardt und Les Accessoires Scientifique - Slg. I-4621; U.v. 26.10.1999 - C-273/97 - Sirdar - Slg. I-7403; U.v. 11.03.2003 - C-186/01 - Dory - Slg. I-2479). Dieses wird nach Auffassung des Senats auch in besonderem Maße deutlich zum Ausdruck gebracht im Urteil des Gerichtshofs v. 29.04.2004 (C-482/01 und C-4937/01 - Orfanopoulos und Olivieri - Slg. I-5257), in dem die schwere Kriminalität, namentlich auch aus dem Bereich der Drogendelikte ausschließlich und durchgängig unter dem Aspekt der „öffentlichen Ordnung“ erörtert wird. Die Betroffenheit bzw. Gefährdung eines „Grundinteresses der Gesellschaft“ im Sinne der ständigen Spruchpraxis der Europäischen Gerichtshofs (vgl. U.v. 29.04.2004 C-482/01 und C-4937/01 – a.a.O.) ist damit lediglich eine notwendige Bedingung für die Bejahung eines zwingenden Grundes der öffentlichen Sicherheit.
24 
Es sind für den Senat keine durchgreifenden Einwände ersichtlich, weshalb dieses Begriffsverständnis nicht auf die sekundärrechtliche Bestimmung des Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG zu übertragen sein sollte. Dann aber kann die nationale Bestimmung des § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU, die zwingende Gründe dann als gegeben ansieht, wenn neben einer strafgerichtlichen Verurteilung „die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist“ nicht abweichend ausgelegt und angewandt werden. Darüber hinaus wäre die Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens 5 Jahren, weder eine notwendige noch eine hinreichende gemeinschaftsrechtliche Bedingung für die Eröffnung eines Ausweisungsermessens.
25 
Für ein enges Verständnis des Begriffs der „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit“ spricht zudem der dreistufige Schutzmechanismus des Art. 28 RL 2004/38/EG, der auf der ersten und zweiten Stufe noch die Gründe der öffentlichen Ordnung als für eine Ausweisung bzw. Verlustfeststellung relevant anerkennt, nicht mehr jedoch auf der - hier zu erörternden - dritten Stufe, während zugleich die bereits bei der Gruppe der Daueraufenthaltsberechtigten (Absatz 2) erforderlichen „schwerwiegenden Gründe“ nochmals in ihrem Gewicht nach in den Fällen des Absatzes 3 erhöht werden, wenn hiernach zwingende, d.h. unabweisbare Gründe gefordert werden. Dass die Ausweisung auf der dritten Stufe nur äußerstenfalls und im Sinne einer „ultima ratio“ erfolgen soll, wird auch unübersehbar im 23. und 24. Erwägungsgrund zum Ausdruck gebracht und nicht zuletzt auch durch den Umstand unterstrichen, dass der Kommissionsentwurf ursprünglich schon bei Daueraufenthaltsberechtigten (vgl. Art. 26 Abs. 2 des Entwurfs) einen absoluten Ausweisungsschutz vorsah (vgl. KOM/2001/0257 endg - ABl. C Nr. 270 E v. 25.09.2001. 150; wie hier auch etwa Harms, in: Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 2. Aufl., § 6 FreizügG/EU, Rdn. 21 ff.).
26 
2. Zur zweiten Vorlagefrage:
27 
Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG macht nach seinem Wortlaut den erhöhten Ausweisungsschutz nur von einem mindestens zehnjährigen Aufenthalt abhängig, der nicht einmal rechtmäßig gewesen sein muss. Da der Kläger sich seit seiner Geburt bis März 2004 und sodann wieder ab Oktober 2004 rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hatte, gibt der vorliegende Fall keine Veranlassung, der Frage nachzugehen, ob über den bloßen zehnjährigen Aufenthalt hinaus weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um in den Genuss des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG zu gelangen, insbesondere ob der Aufenthalt rechtmäßig gewesen sein muss, ob zunächst sogar die Stufe des Daueraufenthaltsrechts nach Art. 16 RL 2004/38/EG erreicht worden sein muss und ob danach auch bis zum Erreichen des zehnjährigen Aufenthalts die Bestimmung des Art. 16 Abs. 3 RL 2004/38/EG entsprechend anzuwenden wäre.
28 
Der vorliegende Fall gibt allerdings Anlass, die Frage aufzuwerfen, ob und unter welchen Voraussetzungen der erhöhte Ausweisungsschutz wieder entfallen kann. Die Richtlinie selbst enthält keine Regelung, die sich unmittelbar mit dieser Frage befasst. Der Senat vermag allerdings keinen nachvollziehbaren Grund zu erkennen, weshalb diese Rechtsstellung gewissermaßen auf Lebenszeit beibehalten werden soll, wenn der oder die Betroffene auf Dauer keinerlei inhaltlichen und räumlichen Bezug zu diesem Mitgliedstaat mehr hat und eine dauerhafte Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat oder auch in einem Drittstaat erfolgt. Der Senat entnimmt vielmehr dem Art. 16 Abs. 4 RL 2004/38/EG, der sich mit den Voraussetzungen eines Verlustes des Daueraufenthaltsrechts befasst, eine Wertung, die auch auf den Fall des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG übertragen werden kann und eine entsprechende Anwendung rechtfertigt. Nicht möglich ist nach Auffassung des Senats hingegen ein Rückgriff auf Art. 16 Abs. 3 RL 2004/38/EG. Denn bei dieser Bestimmung handelt es sich um einen Regelungskomplex, der eine gänzlich andere Ausgangs- und Interessenlage betrifft, geht es hierbei doch um die Frage, welche Unterbrechungen des Aufenthalts, die vor dem Erwerb des erhöhten Ausweisungsschutzes liegen, schädlich bzw. unschädlich für den Erwerb dieser Rechtsstellung sind. Zudem hätte dies zur Folge, dass der höhere Ausweisungsschutz nach Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG u. U. leichter verloren gehen könnte als der weniger starke Schutz nach Art. 28 Abs. 2 RL 2004/38/EG.
29 
3. Zur dritten Vorlagefrage:
30 
Art. 16 Abs. 4 RL 2004/38/EG stellt nach seinem Wortlaut lediglich darauf ab, dass den oder die Betreffende für die Dauer von mehr als zwei aufeinander folgenden Jahren vom Aufnahmemitgliedstaat abwesend war, ohne nach den Gründen für diese Abwesenheit zu fragen. Insbesondere wird hiernach nicht darauf abgestellt, dass etwa bis zu zweijährige Abwesenheiten nur dann unschädlich sein sollen, wenn sie aus einem der Natur nach nur vorübergehenden Grund erfolgt sind, wie dies der Tendenz nach in Art. 16 Abs. 3 RL 2004/38/EG getan wird. Umgekehrt ist nach dem Wortlaut auch eine Abwesenheit von über zwei Jahren schädlich, selbst wenn sie auf einem der Natur nach nur vorübergehenden Grund beruhen sollte. Der Wortlaut der Bestimmung des Art. 16 Abs. 4 RL 2004/38/EG und der hiernach deutliche Gegensatz zu Art. 16 Abs. 3 RL 2004/38/EG lässt nach Auffassung des Senats auch keine entsprechende Einschränkung zu, weshalb es allein auf den bloßen Zeitablauf ankommt, nicht jedoch auf die für die Betroffenen maßgeblichen Gründe für die Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat.
31 
4. Zur vierten Vorlagefrage:
32 
Im Falle des Klägers, der zwischen dem Aufenthalt in Griechenland von März bis Oktober 2004 wieder ein Jahr bis Oktober 2005 in der Bundesrepublik Deutschland lebte und sich sodann bis März 2007 erneut in Griechenland aufhielt, liegen die Voraussetzungen einer Abwesenheit für mehr als „zwei aufeinander folgende Jahre“ nicht vor. Allerdings zeichnet sich die Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland im März 2007, die zur Unterbrechung und zum Neubeginn des Zweijahreszeitraum führen konnte, durch die Besonderheit aus, dass diese nicht in Ausübung einer gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeit erfolgte, sondern unfreiwillig im Rahmen einer Strafverfolgungsmaßnahme, die in der Folge dazu führte, dass der Kläger über mehrere Jahre von einer der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten keinen Gebrauch machen konnte und, solange er nicht etwa vorzeitig gem. § 57 StGB zur Bewährung in Freiheit kommt, auch weiter keinen Gebrauch machen kann. Soweit der Kläger allerdings in der Strafhaft gegen Entgelt einer Beschäftigung nachgehen sollte, was dem Senat nicht im Einzelnen bekannt ist, wäre allerdings zu erwägen, dass er Arbeitnehmer im Sinne von Art. 39 EG ist. Dächte man daher diese zwangsweise Rückkehr hinweg, so läge eine über zweijährige Abwesenheit vor, die den erhöhten Ausweisungsschutz entfallen ließe. Da aber der erhöhte Ausweisungsschutz durch eine auch langjährige Inhaftierung im Aufnahmemitgliedstaat allein, die dazu führt, dass die Betroffenen tatsächlich nicht von ihren Grundfreiheiten Gebrauch machen können, nicht tangiert wird, spricht nach Auffassung des Senats nichts dafür, dass eine zwangsweise Rückkehr nicht geeignet sein soll, den Zweijahreszeitraum wieder zu unterbrechen.
33 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 09. Apr. 2009 - 13 S 342/09

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 56 Überwachung ausreisepflichtiger Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit


(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei de

Strafgesetzbuch - StGB | § 57 Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe


(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn 1. zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,2. dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der
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(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Art. 234 Abs.1 und 2 EG eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der europäischen Gemeinschaften zu folgender Frage eingeholt:

Richtet sich der Ausweisungsschutz des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zugunsten eines türkischen Staatsangehörigen, der eine Rechtsposition nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 besitzt und der seinen Aufenthalt in den letzten zehn Jahren in dem Mitgliedstaat gehabt hat, dem gegenüber diese Rechtsposition gilt, nach Art. 28 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 2004/38 EG in ihrer Umsetzung durch den jeweiligen Mitgliedstaat, so dass eine Ausweisung nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, zulässig ist?

Gründe

 
I.  
Der rechtliche Rahmen
Der Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ANBA 1981, 2 - im Folgenden: ARB 1/80) bestimmt u.a.:
Art. 7
        
Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,
        
- haben vorbehaltlich des den Arbeitsnehmern aus dem Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahre ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben;
        
- haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.
        
Die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, können sich unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedsstaat dort auf jedes Stellenangebot bewerben, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war.
        
Art. 14
        
(1) Dieser Abschnitt gilt vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind.
        
(2) Er berührt nicht die Rechte und Pflichten, die sich aus den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder zweitseitigen Abkommen zwischen der Türkei und den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ergeben, soweit sie für ihre Staatsangehörigen keine günstigere Regelung vorsehen.
Die Richtlinie 2004/38 EG des Europäischen Parlaments und des Rates über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWB, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG vom 29. April 2004 (ABl. L 158 S. 77; ber. ABl. L 229 S. 35 - im Folgenden: RL 2004/38/EG) enthält folgende Regelung:
        
Art. 28 Schutz vor Ausweisung.
        
(1) Bevor der Aufnahmemitgliedstaat eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt, berücksichtigt er insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.
        
(2) Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.
        
(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie
        
a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im  Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder
        
b) minderjährig sind, es sei denn, die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
Das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - im Folgenden: AufenthG) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 (BGBl. I S. 1970), enthält folgende Regelungen:
        
§ 53 Zwingende Ausweisung.
        
Ein Ausländer wird ausgewiesen, wenn er
        
1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist oder wegen vorsätzlicher Straftaten innerhalb von fünf Jahren zu mehreren Freiheits- oder Jugendstrafen von zusammen mindestens drei Jahren rechtskräftig verurteilt oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
        
2. wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz, wegen Landfriedensbruches unter den in § 125 a Satz 2 des Strafgesetzbuches genannten Voraussetzungen oder wegen eines im Rahmen einer verbotenen öffentlichen Versammlung oder eines verbotenen Aufzugs begangenen Landfriedensbruches gemäß § 125 des Strafgesetzbuches rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren oder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist oder
        
3. wegen Einschleusens von Ausländern gemäß § 96 oder § 97 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
        
§ 55 Ermessensausweisung.
        
(1) Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt des öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.
        
(2) …
        
§ 56 Besonderer Ausweisungsschutz.
        
(1) ¹Ein Ausländer, der
        
1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
        
2. …
genießt besonderen Ausweisungsschutz. ²Er wird nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. ³Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegen in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5, 5a und 7 vor. 4Liegen die Voraussetzungen des § 53 vor, so wird der Ausländer in der Regel ausgewiesen. 5Liegen die Voraussetzungen des § 54 vor, so wird über seine Ausweisung nach Ermessen entschieden.
        
(2) …
Das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - im Folgenden: FreizügG/EU) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I, S. 1950, 1986), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 (BGBl. I S. 1970) sieht u.a. vor:
        
§ 1 Anwendungsbereich
        
Dieses Gesetz regelt die Einreise und den Aufenthalt von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Unionsbürger) und ihrer Familienangehörigen.
        
§ 6 Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt
        
(1) Der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 kann unbeschadet des § 5 Abs. 5 nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Artikel 39 Abs. 3, Artikel 46 Abs. 1 des Vertrages über die Europäische Gemeinschaft) festgestellt und die Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht oder über den Daueraufenthalt eingezogen und die Aufenthaltskarte oder Daueraufenthaltskarte widerrufen werden. …
        
(5) Eine Feststellung nach Absatz 1 darf bei Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen, die ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, und bei Minderjährigen nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit getroffen werden. Für Minderjährige gilt dies nicht, wenn der Verlust des Aufenthaltsrechts zum Wohl des Kindes notwendig ist. Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit können nur vorliegen, wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist oder wenn vom Betroffenen eine terroristische Gefahr ausgeht.
        
(6) …
 
II.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung.
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er wurde am 18.12.1973 in der Bundesrepublik Deutschland geboren. Er wuchs bei seinen Eltern auf; sein Vater, ebenfalls ein türkischer Staatsangehöriger, hielt sich in der Bundesrepublik rechtmäßig als Arbeitnehmer auf. Einen Schulabschluss erzielte der Kläger nicht. Auch eine Lehre als Maler brach er ab. Er ging gelegentlichen Aushilfstätigkeiten nach, die immer wieder von Zeiten der Arbeitslosigkeit und durch Strafhaftverbüßung unterbrochen waren. Seit Juli 2000 geht er keiner Erwerbstätigkeit mehr nach.
Der Vater des Klägers ist im Jahr 1991 verstorben. Seine Mutter ist mittlerweile in einem Pflegeheim untergebracht. Der Kläger lebte zuletzt mit keinem Familienmitglied zusammen; seine Geschwister führen selbständige Haushalte. Ein älterer Bruder wurde im August 2002 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und abgeschoben.
Seit dem 28.1.1991 ist der Kläger im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die seit dem 1.1.2005 als unbefristete Niederlassungserlaubnis fortgilt. Ein zwischenzeitlich gestellter Einbürgerungsantrag wurde wegen der von ihm begangenen Straftaten abgelehnt.
1991 begann der Kläger erstmals Marihuana zu rauchen. Ab 1998 konsumierte er regelmäßig Heroin und Kokain. Ein im Jahr 2001 durchlaufendes Methadonprogramm und eine im Jahr 2003 absolvierte stationäre Drogentherapie blieben erfolglos.
10 
Der Kläger wurde seit 1993 mehrfach straffällig und wie folgt verurteilt:
        
1. Am 15.4.1993 wegen Bandendiebstahls in 24 Fällen zu zwei Jahren und sechs Monaten Jugendstrafe;
        
2. am 17.10.1994 wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung des Urteils unter 1. zu zwei Jahren und sieben Monaten Jugendstrafe;
        
3. am 9.1.1997 wegen vorsätzlichen Ausübens der tatsächlichen Gewalt über einen verbotenen Gegenstand zu einer Geldstrafe;
        
4. am 9.4.1998 wegen Diebstahls in drei Fällen zu zwei Jahren Gesamtfreiheitsstrafe;
        
5. am 7.3.2002 wegen Geldfälschung, Diebstahls im besonders schweren Fall in vier Fällen und versuchten Diebstahls im besonders schweren Fall zu zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe;
        
6. am 28.7.2006 wegen Diebstahls im besonders schweren Fall in acht Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten.
11 
Zur Verbüßung der Freiheitsstrafen befand sich der Kläger von Januar 1993 bis Dezember 1994,  August 1997 bis Oktober 1998, Juli bis Oktober 2000, September 2001 bis Mai 2002 und seit November 2005 in Haft.
12 
Am 28.10.1996 wurde der Kläger wegen der von ihm zu diesem Zeitpunkt begangenen Straftaten von der Ausländerbehörde ausländerrechtlich verwarnt. Mit Bescheid vom 6.3.2007 verfügte das Regierungspräsidium Stuttgart die Ausweisung des Klägers und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zwischenzeitlich ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung bis zu einer Entscheidung des EuGH in dem vorliegenden Verfahren ausgesetzt worden.
13 
Das Regierungspräsidium hat die Ausweisung wie folgt begründet: Der Kläger besitze eine Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80, da er im Bundesgebiet geboren und als Kind eines türkischen Arbeitnehmers in der Vergangenheit über fünf Jahre ordnungsgemäß im Haushalt seines Vaters gelebt habe. Da diese Rechtsposition nicht erloschen sei, genieße er Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80. Danach könne eine Ausweisung nur erfolgen, wenn aufgrund seines persönlichen Verhaltens eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Erforderlich sei das Vorliegen einer konkreten und hohen Wiederholungsgefahr weiterer schwerwiegender Straftaten. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Die häufigen und schwerwiegenden Straftaten im Bereich der Eigentumskriminalität stellten eine Störung der öffentlichen Ordnung dar, die auf der Persönlichkeit des Klägers beruhe. Eine konkrete Wiederholungsgefahr folge aus der Häufigkeit der Straftaten und der hohen Rückfallgeschwindigkeit. Die bisherigen Verurteilungen, die Hafterfahrung sowie die ausländerrechtlichen Verwarnungen hätten den Kläger nicht von weiteren Straftaten abgehalten. Die Straftaten des Klägers hätten sich außerdem durch eine hohe kriminelle Energie und eine professionelle Vorgehensweise ausgezeichnet. Zudem sei die Drogenproblematik des Klägers nicht gelöst. Der Kläger könne sich nicht auf den besonderen Ausweisungsschutz aus Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG berufen. Diese Vorschrift gelte nur für Unionsbürger, nicht dagegen für Familienangehörige von Unionsbürgern, die nicht selbst Unionsbürger, sondern Drittstaatsangehörige sind. Als Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers nach Art. 7 ARB 1/80 könne der Kläger nicht besser gestellt werden als Familienangehörige von Unionsbürgern. Da der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besitze und sich seit mehr als fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, könne er nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Derartige Gründe lägen nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5, 5a und 7 AufenthG vor. Diese Voraussetzungen seien hier durch die Verurteilung vom 28.7.2006 gegeben. Anhaltspunkte für ein Abweichen von der gesetzlichen Regelvermutung des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG seien nicht ersichtlich. Insbesondere lasse das abgeurteilte kriminelle Fehlverhalten eine hohe Verwerflichkeit und Missachtung der hiesigen Rechtsordnung erkennen. Unabhängig von der Regelvermutung des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG erfolge die Ausweisung aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, weil der Ausweisungsanlass schwer wiege und eine konkrete Wiederholungsgefahr weiterer Straftaten bestehe.
14 
Über die Ausweisung sei daher nach Art. 14 ARB 1/80 und § 55 Abs. 1 AufenthG nach Ermessen zu entscheiden. Nach § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG seien bei der Entscheidung über die Ausweisung die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet zu berücksichtigen. Der Kläger sei im Bundesgebiet geboren worden und halte sich seitdem hier auf. Allerdings schütze auch eine lange Anwesenheit im Bundesgebiet nicht vor einer Ausweisung, wenn von dem straffällig gewordenen Ausländer eine hohe und konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe. Der Kläger habe häufig und ausgesprochen schwerwiegend gegen die bestehende Rechtsordnung im Bundesgebiet verstoßen. Trotz seines über 30jährigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet habe das herausragende öffentliche Interesse an der Ausweisung als Maßnahme der polizeilichen Gefahrenabwehr nicht hinter dem privaten Interesse des Klägers, von der Ausweisung verschont zu bleiben, zurücktreten. Insbesondere gehe von dem Kläger auch zukünftig eine hohe Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus. Der Kläger habe es nicht geschafft, sich eine eigene tragfähige Existenzgrundlage aufzubauen. Seine finanzielle Lage sei desolat. Angesichts der zu erwartenden Schadensersatzforderungen von durch die Straftaten Geschädigten werde sie sich weiter drastisch verschärfen. Die Ausweisung zerstöre daher keine im Bundesgebiet aufgebaute sichere wirtschaftliche Lebensbasis. Dabei werde nicht übersehen, dass er nach erfolgter Abschiebung in die Türkei zunächst Schwierigkeiten haben werde, sich an die dortigen Lebensverhältnisse zu gewöhnen. Diese seien jedoch nicht unüberwindbar. Der Kläger sei 33 Jahre alt und könne damit ohne weiteres allein klarkommen. Auch sei davon auszugehen, dass er zumindest Grundkenntnisse der türkischen Sprache besitze. Es spreche einiges dafür, bei Ausländern der zweiten Generation regelmäßig anzunehmen, dass diese die Muttersprache erlernt hätten und zumindest in den Grundszügen beherrschten. Außerdem habe er seine Straftaten häufig gemeinsam mit anderen türkischen Staatsangehörigen begangen, so dass bereits deshalb der Bezug zu Landsleuten offenkundig sei. Zudem seien ausweislich der in der Akte befindlichen Schreiben des Klägers seine Kenntnisse der deutschen Sprache als eher bescheiden zu bezeichnen. Daher könne kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass er zumindest Grundkenntnisse der türkischen Sprache besitze. Der Kläger könne auch nicht wegen seines langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet als faktischer Inländer betrachtet werden. Er habe im Bundesgebiet noch nicht einmal eine abgeschlossene Schulausbildung, geschweige denn eine berufliche Qualifikation erlangt. Auch sein beharrliches strafrechtlich relevantes Verhalten spreche gegen eine Integration. Zu einer Integration gehöre auch die Beachtung der Rechtsordnung. Dieser handle der Kläger mit erschreckender Beharrlichkeit zuwider. Schutzwürdige persönliche Bindungen lägen nicht vor. Eine familiäre Gemeinschaft mit der Mutter des Klägers und seinen Geschwistern bestünde nicht mehr. Es sei nichts dafür ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden, dass Familienangehörige des Klägers auf die persönliche Lebenshilfe durch ihn in unbedingter Weise angewiesen sein könnten. Dies gelte auch hinsichtlich der offenbar in einem Pflegeheim untergebrachten Mutter. Zudem habe der Kläger es bei der Begehung der Straftaten in Kauf genommen, zumindest während der Dauer seiner Inhaftierung von seinen Familienangehörigen getrennt zu sein. Der Kläger besitze ein freies Zugangsrecht zum deutschen Arbeitsmarkt und sei auch zeitweilig unselbständigen Erwerbstätigkeiten nachgegangen. Eine kontinuierliche Erwerbstätigkeit habe er zumindest seit dem Jahr 2000 nicht mehr ausgeübt. Trotz der schutzwürdigen Rechtsposition eines freien Zugangsrechts zum Arbeitsmarkt sei aber die Ausweisung nicht unverhältnismäßig. Dies gelte besonders wegen der dargelegten konkreten Wiederholungsgefahr weiterer Straftaten. Schutzwürdige sonstige Bindungen im Bundesgebiet seien weder ersichtlich noch vorgetragen worden. Dabei werde der normale Umstand, dass der Kläger Freunde und Bekannte habe, vorausgesetzt. Insgesamt stünden die mit der Ausweisung für den Kläger verbundenen Nachteile nicht außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg. Die Verhinderung weiterer schwerwiegender Straftaten durch den Kläger überwiege die Nachteile für den Kläger, die darin bestünden, aus dem Bundesgebiet ausreisen zu müssen und das Bundesgebiet nicht erneut betreten zu dürfen. Die Ausweisung sei geeignet, die von dem Kläger ausgehende erhebliche Gefahr wirksam zu beseitigen. Ein milderes Mittel als die Ausweisung sei nicht ersichtlich. Dem Kläger sei es zumutbar, in seinen Heimatstaat zurückzukehren. Daran ändere der Umstand nichts, dass in seinem Heimatstaat wirtschaftliche Probleme bestünden. Hiervon seien zahlreiche seiner Landsleute ebenfalls betroffen. Zudem existiere auch im Bundesgebiet eine hohe Arbeitslosigkeit. Auch die Drogenabhängigkeit des Klägers sei selbst bei einer unterstellten Therapiewilligkeit kein Grund,  von einer Ausweisung abzusehen. Er habe bereits eine stationäre Drogentherapie durchlaufen, die vollkommen erfolglos geblieben sei. Das Europäische Niederlassungsabkommen (ENA) vom 13.12.1955 stehe der Ausweisung nicht entgegen. Der Kläger besitze zwar den Ausweisungsschutz nach Art. 3 Nr. 3 des ENA. Dieser sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber mit den vom Kläger erfüllten Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG identisch (Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 11.6.1996, Az.: 1 C 24.94, InfAuslR 1997, S. 8). Die Ausweisung verstoße auch nicht gegen das durch Art. 8 Abs. 1 der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Die Ausweisung stelle einen gesetzlich vorgesehenen Eingriff in dieses Recht dar, der in einer demokratischen Gesellschaft für die öffentliche Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen notwendig sei.
15 
Die gegen die Ausweisung erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 3.7.2007 - 6 K 2790/07 - abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere folgendes ausgeführt: Die Ausweisungsverfügung sei formell und materiell rechtmäßig. Zutreffend sei das Regierungspräsidium davon ausgegangen, dass der Kläger aufgrund seiner Rechtstellung nach Art. 7 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 den besonderen Ausweisungsschutz nach Art. 14 ARB 1/80 genieße und daher nur auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung nach § 55 AufenthG aus spezialpräventiven Gründen ausgewiesen werden könne, wobei für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage die letzte mündliche Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts maßgebend sei (Bezugnahme auf EuGH, Urteile vom 29.4.2004, C-482/01 „Orfanopoulos“ u.a., Slg. 2004, I-5257). Im Fall des Klägers sei Art. 28 Abs. 3 der RL 2004/38/EG dagegen nicht zu berücksichtigen. Diese Regelung gelte zunächst nur für Unionsbürger. Sie könne aber auf türkische Staatsangehörige, die ein Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 besitzen, nicht angewendet werden. Mit der RL 2004/38/EG sei die Einschränkbarkeit der Freizügigkeit durch Ausweisungen auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene für Unionsbürger weiter ausgestaltet und konkretisiert worden. Würde man auch dies auf assoziationsberechtigte türkische Staatsbürger übertragen, käme der Bestimmung des Art. 14 ARB 1/80 die Wirkung einer dynamischen Verweisung zu. Mit dem Wortlaut des Art. 14 ARB 1/80 und der Intention der Vertragsparteien wäre eine so weitgehende Einschränkung der Rechte der Vertragsparteien aber kaum zu vereinbaren. Das Regierungspräsidium sei von einem zutreffenden Maßstab für die Ausweisung ausgegangen, indem es aus Art. 3 Abs. 3 ENA, § 56 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und Art. 14 ARB 1/80 das Erfordernis abgeleitet habe, dass ein Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht und konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen müssten, dass eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft drohe und damit eine gewichtige Gefahr für ein wichtiges Schutzgut bestehe. Das Regierungspräsidium habe auch zutreffend bejaht, dass diese Voraussetzungen hier vorlägen. Der Kläger sei nicht nur einmal zu einer hohen Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten wegen Diebstahls in acht Fällen, jeweils gemeinschaftlich begangen, und in einem besonders schweren Fall, verurteilt worden, sondern habe eine Vielzahl von einschlägigen Vorstrafen vorzuweisen, größtenteils auch zu Zeiten, als er noch unter Bewährung gestanden habe. Nachdem der Kläger durch Automatenaufbrüche erhebliche Beute gemacht und - allein bei den zuletzt abgeurteilten Straftaten - einen Sachschaden von mehr als 100.000,-- EUR verursacht habe, sei auch die Einschätzung, dass die Straftaten besonders schwer wögen, kaum zu beanstanden. Zutreffend sei eine konkrete Wiederholungsgefahr mit der außerordentlich hohen Rückfallgeschwindigkeit begründet worden, nachdem sich der Kläger weder von Vorverurteilungen noch von Hafterfahrungen oder von ausländerrechtlichen Verwarnungen von weiteren einschlägigen Straftaten habe abhalten lassen. Dabei sei auch gesehen worden, dass die Straftaten zwar durch den jahrelangen Drogenkonsum und die Drogenabhängigkeit des Klägers beeinflusst gewesen seien, allerdings die durchgeführten Therapien nur kurzzeitig Erfolg gehabt hätten. Selbst nach Abschluss seiner Therapie im Juli 2003 mit günstiger Prognose habe der Kläger bereits kurze Zeit später erneut Drogen konsumiert und sei dann sogar zwei Jahre später erneut, in erheblichem Umfang und über einen längeren Zeitraum, straffällig geworden. Dass das Regierungspräsidium die vom Kläger bekundete Therapiewilligkeit nicht als Garant für eine dauerhafte Verhaltensänderung ansehe, sei nicht zu beanstanden. Die Ermessensentscheidung des Regierungspräsidiums sei fehlerfrei. Bedenken im Hinblick auf Art. 8 EMRK bestünden nicht.
16 
Mit seiner Berufung erstrebt der Kläger die Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts und die Aufhebung der Ausweisungsverfügung des beklagten Landes vom 6.3.2007. Er macht geltend, dass mit der RL 2004/38/EG die Einschränkbarkeit der Freizügigkeit durch Ausweisungen auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene für Unionsbürger weiter ausgestaltet und konkretisiert worden sei. Derartige Ausgestaltungen und Konkretisierungen der Freizügigkeitsgewährleistungen übertrage der EuGH in ständiger Rechtsprechung auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige. Daher habe sich sein Ausweisungsschutz an Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG zu orientieren. Die danach maßgebliche Voraussetzung, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit die Ausweisung rechtfertigen, sei in seinem Fall nicht erfüllt.
17 
Das beklagte Land ist der Berufung entgegengetreten. Seiner Auffassung nach ist Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG auf türkische Staatsangehörige, die ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen, auch nicht entsprechend anwendbar. Der hier maßgebliche Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nenne gerade - anders als Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG - als Schranke nicht nur Gründe der öffentlichen Sicherheit, sondern auch solche der öffentlichen Ordnung und Gesundheit. Die Assoziationsregelungen bedeuteten gerade nicht eine völlige Gleichstellung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger mit Staatsangehörigen der Mitgliedsstaaten der europäischen Gemeinschaft und Unionsbürgern, sondern dienten lediglich der schrittweisen Herstellung deren Freizügigkeit.
 
III.
Entscheidungsgründe
18 
Der Rechtsstreit ist auszusetzen und es ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der europäischen Gemeinschaften zur Auslegung des Art. 14 ARB 1/80 einzuholen (Art. 234 Abs. 1 EG). Die vorgelegte Frage zur Auslegung des Assoziationsratsbeschlusses ist entscheidungserheblich (1.) und bedarf einer Klärung durch den Gerichtshof (2.).
19 
1. Die vorgelegte Frage ist entscheidungserheblich, weil nach Auffassung des Senats die Ausweisung des Klägers rechtswidrig ist, wenn sich der Kläger aufgrund seiner Rechtsposition nach Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 auf den Ausweisungsschutz des Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG berufen kann (a), während gegen die Rechtmäßigkeit der Ausweisung aus Sicht des Senats keine Bedenken bestehen, wenn sich der Ausweisungsschutz nur nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 in seiner bisherigen Auslegung durch den EuGH richtet (b).
20 
a) Bei einer entsprechenden Anwendung des Art. 28 RL 2004/38/EG im Rahmen der Auslegung des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 ist die gegen den Kläger verfügte Ausweisung rechtswidrig.
21 
aa) Der Kläger besitzt als in Deutschland geborener Familienangehöriger eines in der Vergangenheit dem regulären deutschen Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Arbeitnehmers (sein Vater) nach über fünfjährigem ordnungsgemäßen Wohnsitz in Deutschland eine Rechtsposition nach Art. 7 Abs. 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 (zu den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 siehe Hailbronner, Ausländerrecht, D 5.2, Art. 7 ARB 1/80 Rn. 3, 7, 9). Hieraus folgt, dass seine Ausweisung aus Deutschland nur nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zulässig ist (EuGH, Urteil vom 11.11.2004, Rs. C-467/02 „Cetinkaya“, Slg. 2004, I-10895, Rn. 38).
22 
bb) Wenn von einer entsprechenden Anwendbarkeit des Art. 28 RL 2004/38/EG im Rahmen der Anwendung des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 ausgegangen wird, ist der Kläger einem Unionsbürger gleichzustellen und nicht - wie im vorliegenden Verfahren von dem beklagten Land geltend gemacht - einem Familienangehörigen, der einem Drittstaat angehört. Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 und Art. 28 RL 2004/38/EG gelten sowohl für Familienangehörige mit derselben Staatsangehörigkeit wie der originär freizügigkeitsberechtigte Arbeitnehmer als auch für Familienangehörige mit Drittstaatsangehörigkeit (zu Art. 7 ARB 1/80 siehe insoweit Gutmann, in: Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, ARB Nr. 1/80 Art. 7 Rn. 57). Soll Art. 28 RL 2004/38/EG für Familienangehörige nach Art. 7 ARB 1/80 entsprechend gelten, sind daher konsequenterweise die Vorschriften des Art. 28 RL 2004/38/EG für Familienangehörige mit Unionsbürgerschaft auf die Familienangehörigen nach Art. 7 ARB 1/80 mit türkischer Staatsangehörigkeit anzuwenden.
23 
cc) Richtet sich der Ausweisungsschutz des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 inhaltlich nach der gemeinschaftsrechtlichen Regelung in Art. 28 RL 2004/38, kann daher der Kläger nur entsprechend den Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG ausgewiesen werden, da er wie ein Unionsbürger zu behandeln ist, der in den letzten zehn Jahren seinen Aufenthalt in Deutschland gehabt hat. Die Ausweisung darf also nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, verfügt werden.
24 
dd) Die Ausweisung des Klägers beruht aber nicht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit im Sinne des Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG.
25 
(1) Bei dem Begriff der öffentlichen Sicherheit in Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG handelt es sich um einen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsbegriff, der nicht einseitig durch einen einzelnen Mitgliedstaat bestimmt werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 4.12.1974, 41/74 „van Duyn“, Slg. 1974, 1337, Rn. 19; Brechmann, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Auflage 2007, Art. 39 EG Rn. 93). Zwar besitzen die Mitgliedstaaten bei der Bestimmung des Schutzumfangs einen Beurteilungsspielraum, der in Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG auch ausdrücklich normiert worden ist; dieser Beurteilungsspielraum bezieht sich aber nur auf die nähere Konkretisierung einzelner Schutzgüter und rechtfertigt keine grundsätzliche Abweichung von dem gemeinschaftsrechtlichen Begriff (vgl. EuGH, Urteil vom 4.6.2002, C-483/99 „Kommission/Frankreich“, Slg. 2002, I-4781, Rn. 48).
26 
Nach der Rechtsprechung des EuGH schützt die öffentliche Sicherheit sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit des Staates. Die innere Sicherheit umfasst den Bestand des Staates, seiner Einrichtungen und wichtiger öffentlicher Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung. Zur äußeren Sicherheit gehören die auswärtigen Beziehungen, die Freiheit von militärischen Bedrohungen und das friedliche Zusammenleben der Völker (vgl. EuGH, Urteil vom 10.7.1984, 72/83 „Campus Oil“, Slg. 1984, 2727, Rn. 34; Urteil vom 4.10.1991, C-367/89 „Richardt und Les Accessoires Scientifiques“, Slg. 1991, I-4621, Rn. 22; Urteil vom 17.10.1995, C-70/94 „Werner“, Slg. 1995,    I-3189, Rn. 27; Urteil vom 17.10.1995, C-83/94 „Leifer“, Slg. 1995, I-3231; Urteil vom 26.10.1999, C-273/97 „Sirdar“, Slg. 1999, I-7403, Rn. 17, Urteil vom 11.3.2003, C-186/01 „Dory“, Slg. 2003, I-I-2479, Rn. 32; Streinz, EUV/EGV, Art. 39 EG Rn. 138). Unter die innere Sicherheit fallen „begrenzte außergewöhnliche Tatbestände“, die sich nicht für eine extensive Auslegung eignen (EuGH, Urteil vom 15.5.1986, 222/84 „Johnston“, Slg. 1986, 1651 Rn. 26; Urteil vom 16.9.1999, C-414/97 „Kommission/Spanien“, Slg. 1999, I-5585, Rn. 21). Der Begriff der öffentlichen Sicherheit ist damit enger als der Begriff der öffentlichen Ordnung, der auch die innerstaatliche (Straf-)Rechtsordnung umfasst (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 4.5.2006 - 24 K 6197/04 -InfAuslR 2006, 356; Streinz, EUV/EGV, Art. 39 Rn. 134ff).
27 
Für das in dieser Weise verstandene Schutzgut der öffentlichen Sicherheit geht von dem Kläger keine Bedrohung aus. Der Kläger stellt zwar eine erhebliche Gefahr für hochrangige private Rechtsgüter, jedoch nicht für den Bestand des Staates und seiner Institutionen oder das Überleben der Bevölkerung dar.
28 
(2) Selbst wenn der Begriff der öffentlichen Sicherheit weiter verstanden und darunter auch der Schutz von Individualgütern vor einer strafbaren Beeinträchtigung gefasst wird, liegen hier jedenfalls keine „zwingenden Gründe“ der öffentlichen Sicherheit vor. Insoweit räumt Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG den Mitgliedstaaten die Befugnis ein, näher zu bestimmen, wann zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit vorliegen. Diese mitgliedstaatliche Konkretisierung ist bei einer entsprechenden Anwendung des Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 ebenfalls heranzuziehen. In Deutschland gilt insoweit § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU. Danach können zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit nur vorliegen, wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist oder wenn vom Betroffenen eine terroristische Gefahr ausgeht. Diese Voraussetzungen sind hier schon deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger nicht zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt worden ist. Zwar ist der Kläger zu mehreren Freiheitsstrafen von insgesamt mehr als fünf Jahren verurteilt worden; dies reicht nach dem klaren Gesetzeswortlaut jedoch nicht aus.
29 
b) Wenn sich die Anwendung des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nicht nach Art. 28 RL 2004/38/EG richtet, ist die Ausweisung des Kläger rechtmäßig.
30 
aa) Rechtsgrundlage für die Ausweisung sind die §§ 55 Abs. 1, 56 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4, 53 Nr. 1 AufenthG. Danach kann ein Ausländer, der (wie der Kläger) eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Unter anderem liegen solche schwerwiegenden Gründe in der Regel in den Fällen des § 53 Nr. 1 AufenthG vor, also wenn der Ausländer (wie der Kläger) wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Liegen die Voraussetzungen des § 53 AufenthG vor, wird der Ausländer in der Regel ausgewiesen.
31 
Der nationale Maßstab für die Zulässigkeit einer Ausweisung wird jedoch durch den vorrangig geltenden assoziationsrechtlichen Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 verschärft. Aus Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 folgt nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH, dass eine Ausweisung nur zulässig ist, wenn außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstellt, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (EuGH, Urteil vom 10.2.2000, C-340/97 „Nazli“, Slg. 2000, I-957, Rn. 57). Die Ausweisung darf nicht aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung automatisch verfügt werden, ohne dass das persönliche Verhalten des Täters oder die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung berücksichtigt wird. Das persönliche Verhalten des Betroffenen muss daher auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeuten (EuGH, a.a.O., Rn. 59 ff). Dies bedeutet nach Auffassung der deutschen Rechtsprechung, dass eine Ausweisung nicht regelhaft, sondern nur auf Grundlage einer umfassenden Ermessensausübung erfolgen darf (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Art. 14 ARB 1/80, Rn. 19 m.w.N.). Im Rahmen der Ermessensausübung muss auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 26.11.2002, Rs. C-100/01 „Olazabal“, Slg. 2002, I-10981). Schließlich muss die Ausweisung in Übereinstimmung mit den Grundrechten der Gemeinschaftsrechtsordnung stehen; insoweit ergibt sich das maßgebliche Schutzniveau aus dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK in der Auslegung durch den EGMR. Danach müssen bei der Prüfung, ob eine Ausweisung verhältnismäßig ist, insbesondere folgende Gesichtspunkte berücksichtigt werden: Die Art und Schwere der begangenen Straftat, die Dauer des Aufenthalts in dem Land, aus dem die Ausweisung erfolgen soll, die seit der Tatzeit verstrichene Zeitspanne und das Verhalten in dieser Zeit, die familiäre Situation des Betroffenen, die Intensität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland oder zum Bestimmungsland (EGMR, Urteil vom 18.10.2006, Nr. 46410/99 „Üner“, NVwZ 2007, 1279; vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 2. Senats vom 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 -, InfAuslR 2007, 275).
32 
bb) Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist die Ausweisung des Klägers rechtmäßig, insbesondere ermessensfehlerfrei und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, verfügt worden.
33 
Der Kläger ist seit 1993 kontinuierlich und schwerwiegend straffällig geworden. Die Straftaten, überwiegend Vermögensdelikte, waren mit erheblichen Schäden verbunden und in ihnen ist eine hohe kriminelle Energie zum Ausdruck gekommen. Da die persönliche Situation des Klägers sich seit der letzten Verurteilung nicht verändert hat, er insbesondere weiterhin mit finanziellen Schwierigkeiten rechnen muss, und die bisherigen, zahlreichen Strafen ihm gegenüber keine abschreckende Wirkung erzielt haben, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass er nach seiner Entlassung aus der Strafhaft sehr bald wieder vergleichbare Straftaten begehen wird. Diesem erheblichen öffentlichen Interesse an einer spezialpräventiven Ausweisung steht vor allem entgegen, dass der Kläger sich seit seiner Geburt in Deutschland rechtmäßig aufhält und daher hier über vielfältige persönliche, familiäre und kulturelle Bindungen verfügt. Dieses Gewicht der privaten Belange ist im Fall des Klägers jedoch niedriger als bei anderen Ausländern der zweiten Generation anzusetzen: Die familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet sind nicht besonders intensiv, da der Kläger weder verheiratet ist oder Kinder hat, noch mit sonstigen Familienangehörigen eine enge Gemeinschaft besteht. Eine wirtschaftliche Integration ist nicht erfolgt; vielmehr hat der Kläger keinen Schulabschluss erreicht und keine Berufsausbildung absolviert, so dass er bislang auch überwiegend nicht erwerbstätig war. Es ist auch nicht zu befürchten, dass der Kläger wegen seiner geringeren Bindungen zu seinem Herkunftsland dort auf ernsthafte Schwierigkeiten stoßen wird. Der plausiblen Einschätzung des Regierungspräsidiums und des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger Türkisch spricht und vielfältige Verbindungen zur türkischen Gesellschaft und Kultur hat, ist der Kläger im Klageverfahren nicht entgegen getreten. Zudem lebt auch der Bruder des Klägers in der Türkei. Der 34 Jahre alte Kläger hat auch noch kein Alter erreicht, in dem der Aufbau einer neuen Existenz in seinem Herkunftsland unzumutbar wäre. Diese  Umstände hat das Regierungspräsidium in seiner Ermessensentscheidung berücksichtigt und ist dabei zu der nicht zu beanstandenden Entscheidung gekommen, dass die Ausweisung des Klägers verhältnismäßig ist.
34 
2. Die Frage, ob Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 unter Berücksichtigung des Ausweisungsschutzes nach Art. 28 RL 2004/38/EWG auszulegen ist, bedarf einer Entscheidung des EuGH. Der EuGH hat sich hierzu bislang nicht geäußert. Zwar wurde ihm eine entsprechende Frage vom VG Darmstadt vorgelegt; jedoch hielt der Gerichtshof sie nicht für entscheidungserheblich (EuGH, Urteil vom 4.10.2007, Rs. C-349/06, „Polat“, NVwZ 2008, 59, Rn. 23 ff).
35 
a) Der EuGH legt in ständiger Rechtsprechung die Beschränkungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 entsprechend den im Rahmen der Art. 48 bis 50 EG für die gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeit geltenden Grundsätze aus (vgl. EuGH, „Nazli“, a.a.O., m.w.N.). So hat der EuGH sogar die verfahrensrechtlichen Schutzvorschriften der inzwischen außer Kraft getretenen RL 64/221 auf Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 übertragen (EuGH, Urteil vom 2.6.2005, C-136/03, „Dörr“, NVwZ 2006, 72). Dies spricht zunächst dafür, auf Grundlage eines dynamischen Verständnisses des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 auch die Ausweisungsschutzregelungen in Art. 28 RL 2004/38/EG im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 entsprechend anzuwenden (so OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5.12.2006 - 7 A 10924/06 -, InfAuslR 2007, 148; Hessischer VGH, Urteil vom 25.6.2007 - 11 UE 52/07 -, juris; Beschluss vom 4.12.2006 - 12 TG 2190/06 -, InfAuslR 2007, 98; VG Karlsruhe, Urteil vom 9.11.2006 - 2 K 1559/06 -, juris; Gutmann, a.a.O. Art. 14 ARB 1/80 Rn. 27.1 ff).
36 
b) Die Heranziehung gemeinschaftsrechtlicher Regelungen zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Bestimmung des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 beruht jedoch darauf, dass nach Auffassung des EuGH die fraglichen Vorschriften des ARB 1/80 eine weitere Stufe bei der Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Geiste der Art. 48 bis 50 EG bilden (EuGH, „Nazli“, a.a.O., Rn. 54). Übertragbar sind daher nur Regelungen mit einem spezifischen Bezug zur Arbeitnehmerfreizügigkeit. Art. 28 RL 2004/38/EG weist einen solchen Bezug aber nicht mehr auf. Das Regelungskonzept der RL 2004/38/EG besteht gerade darin, die „bereichsspezifischen und fragmentarischen Ansätze des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts zu überwinden“ (RL 2004/38/EG, Erwägungsgrund Nr. 4); als Anknüpfungspunkt für Freizügigkeitsrechte wird daher nicht auf die Ausübung einzelner Grundfreiheiten abgestellt, sondern auf die Unionsbürgerschaft, die „der grundsätzliche Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten sein [sollte], wenn sie ihr Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt wahrnehmen“ (RL 2004/38/EG, Erwägungsgrund Nr. 3). Auch die abgestufte Ausweisungsschutzregelung des Art. 28 RL 2004/38/EG weist daher keinen spezifischen Bezug zur Arbeitnehmerfreizügigkeit auf, sondern gilt für alle Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die ein Recht auf Daueraufenthalt besitzen oder ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben. Das Recht auf Daueraufenthalt in Kapitel IV der Richtlinie knüpft explizit nicht an ein durch Grundfreiheiten vermitteltes Aufenthaltsrecht an, wozu Kapitel III der Richtlinie besondere Vorschriften enthält, sondern ausschließlich an die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 RL 2004/38/EG).
37 
Die RL 2004/38/EG unterscheidet sich daher qualitativ von früheren gemeinschaftsrechtlichen Kodifikationen: Im Vordergrund steht nicht mehr die fortschreitende Ausgestaltung der Grundfreiheiten, sondern die Stärkung der  Unionsbürgerschaft. So nennt auch der siebte Erwägungsgrund als Ziel des Rechts auf Daueraufenthalt, dass dieser das „Gefühl der Unionsbürgerschaft verstärken und entscheidend zum sozialen Zusammenhalt - einem grundlegenden Ziel der Union - beitragen“ soll. Auch der Zweck des Ausweisungsschutzes nach Art. 28 RL 2008/38/EG wird in den Erwägungsgründen ausschließlich aus Sicht der Unionsbürgerschaft definiert: „Daher sollte der Schutz vor Ausweisung in dem Maße zunehmen, wie die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen in den Aufnahmemitgliedstaat stärker integriert sind. Gegen Unionsbürger, die sich viele Jahre im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufgehalten haben, insbesondere in Fällen, in denen sie dort geboren sind und dort ihr ganzes Leben lang ihren Aufenthalt gehabt haben, sollte nur unter außergewöhnlichen Umständen aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit eine Ausweisung verfügt werden.“ (Erwägungsgrund Nr. 24)
38 
Handelt es sich bei Art. 28 RL 2004/38/EG daher nicht mehr um eine Regelung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, sondern um eine Ausgestaltung der Unionsbürgerschaft, kommt eine Übertragung auf die Anwendung des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nicht in Betracht (so im Ergebnis auch Bayerischer VGH, Urteil vom 20.3.2008 - 10 BV 07.1856 -, juris; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 5.10.2005 - 11 ME 247/05 -, InfAuslR 2005, 453; vom 6.6.2005 - 11 ME 39/05 -, NVwZ-RR 2005, 654, OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.5.2007 - 18 B 2389/06 -, NVwZ 2007, 1445; VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.2.2006 - 24 L 2122/05 -, InfAuslR 2006, 263; Hailbronner, a.a.O. Art. 14 ARB 1/80 Rn. 12 ff).
39 
Dass der Ausweisungsschutz des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 somit von dem durch Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG gewährten Schutz abweicht (zu dem nach der früheren Rechtslage gebotenen Gleichlauf siehe die Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro vom 21.10.2004, Rs. C-136/03 „Dörr“, Slg. 2005, I-4759, Rn. 59), ist daher eine Konsequenz des höheren Integrationsgrads, den die Europäische Union durch die Einführung der Unionsbürgerschaft und das Inkrafttreten der RL 2004/38/EG erreicht hat. „Der Bürgerstatus symbolisiert den Charakter einer Gemeinschaft als Solidargemeinschaft und politische Schicksalsgemeinschaft“ (Kluth, in: Calliess/Ruffert, a.a.O. Art. 17 EGV Rn. 3). Die Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Türkei besitzt diesen Charakter nicht (vgl. die beschränkten Ziele in Art. 2 des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (Amtsblatt Nr. 217 vom 29/12/1964 S. 3687). Das Assoziationsrecht kennt keine „Assoziationsbürgerschaft“.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.