Wirtschaftsstrafrecht: Noch nicht in das Betriebsvermögen integrierte Gelder stehen nicht für Erfüllung fremder Verbindlichkeiten zur Verfügung

bei uns veröffentlicht am31.01.2011

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Nach der Rechtsprechung des BGH sind sämtliche Einkü
Der BGH hat mit dem Urteil vom 19.04.2007 (Az: 5 StR 505/06) folgendes entschieden:

Das LG hat den Angeklagten wegen Betrugs in zwei Fällen sowie wegen vorsätzlichen Unterlassens der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter Einbeziehung von anderweitig verhängten Geldstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn in weiteren Punkten freigesprochen. Mit Ausnahme des Freispruchs im Fall VI. 1. der Urteilsgründe wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt nichtvertreten wird, gegen die übrigen Freisprüche. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat teilweise Erfolg.

Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet, soweit sie sich gegen die Freisprüche in den Fällen VI. 2. und 4. der Urteilsgründe (entspricht Fällen 2, 5 und 6 der Anklage vom 5. 10. 2004) richtet. Im Übrigen – bezüglich der Fälle VI. 3. der Urteilsgründe (entspricht Fällen 3 und 4 der Anklage vom 5. 10. 2004) – ist sie unbegründet.

Im Fall VI. 2. der Urteilsgründe hat das LG den Angeklagten aus rechtlichen Gründen vom Vorwurf freigesprochen, in Kenntnis der seit dem 1. 12. 1999 bestehenden Zahlungsunfähigkeit der W. GmbH (W. ), deren Geschäftsführer er war, spätestens bis zum Dezember 1999 keinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt zu haben. Das LG nimmt an, dass die Zahlungsunfähigkeit der WSP dadurch entfallen sei, dass ihr ca. 2,2 Mio. DM gutgeschrieben wurden. Mit diesem Betrag sollte nach den Feststellungen des LG der Angeklagte für den türkischen Staatsangehörigen B. Aktien einer Bank erwerben. Entgegen der Auffassung des LG hat die am Dezember 1999 eingegangene Überweisung über mehr als 2 Mio. DM die Zahlungsunfähigkeit der WSP nicht ohne weiteres beseitigt.

Die Zahlungsunfähigkeit ist in § 17 II InsO legaldefiniert. Danach tritt Zahlungsunfähigkeit ein, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Hieran knüpfen die Insolvenzantragungspflicht des § 64 I Satz 1 GmbHG und die einen diesbezüglichen Pflichtverstoß pönalisierende Strafvorschrift des § 84 I Nr. 2 GmbHG an. Nach der Rechtsprechung des BGH bedeutet Zahlungsunfähigkeit in diesem Sinne das nach außen in Erscheinung tretende, auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende, voraussichtlich dauernde Unvermögen des Unternehmens, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen zu begleichen.

Aufgrund der schuldrechtlichen Vereinbarung über den Verwendungszweck stand das Bankguthaben von 2,2 Mio. DM für die Begleichung der fälligen Verbindlichkeiten der W. nicht zur Verfügung. Maßgeblich für die Frage der Zahlungsunfähigkeit ist, was dem Schuldner an flüssigen Mitteln zur freien Verfügung steht. Für den Schuldner wäre eine freie Verfügung in diesem Sinne dann nicht mehr gegeben, wenn er die Gelder nur um den Preis einer neuerlichen Straftat für die Begleichung fälliger Verbindlichkeiten einsetzen könnte. Jedenfalls aber liegt eine Zahlungsunfähigkeit in den Fällen vor, in denen am Vermögenswert, der für die Begleichung der fälligen Verbindlichkeiten eingesetzt werden könnte, ein nach §§ 47 ff. InsO liquides Recht des Gläubigers fortbestehen würde, das ihm auch im Insolvenzfalle den Zugriff sichern würde. Denn dann stünde der Vermögenswert selbst in der Insolvenz nicht mehr den Gläubigern als Verteilungsmasse zur Verfügung.

Dass ein solches Aussonderungsrecht i.S. des § 47 InsO hier gegeben ist, liegt auf Grund der Feststellungen des LG nahe. Den Urteilsgründen ist nämlich zu entnehmen, dass die Gelder auf ein erst kurz zuvor eröffnetes Konto der W. überwiesen wurden und auf Grund des notariellen Vertrages hierfür auch eine eindeutige vertragliche Grundlage bestanden hat.

Nach der Rechtsprechung des BGH sind allerdings sämtliche Einkünfte bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit heranzuziehen. Dies gilt selbst dann, wenn sie aus Straftaten herrühren. Der Unterschied zu der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation ist jedoch darin zu sehen, dass die Gelder noch nicht in das Betriebsvermögen der W. integriert waren. Deshalb standen sie auch für die Erfüllung fremder Verbindlichkeiten nicht zur Verfügung. Anders ist die Sachlage zu beurteilen, wenn der Verantwortliche die Gelder – ob im Wege einer strafbaren Handlung oder in nicht strafbarer Weise – dem Unternehmen zuführt, indem er ihre Separierung aufhebt. Deshalb würde, wenn der Angeklagte die zweckgebundenen Gelder tatsächlich für die Begleichung der fälligen Verbindlichkeiten der W. eingesetzt hätte, dies deren Zahlungsunfähigkeit beseitigen. Solange die Gesellschaft ihren Zahlungspflichten nachkommt, ist nämlich unerheblich, aus welcher Quelle ihre Einnahmen stammen.

Die Strafkammer hat nicht festgestellt, dass der Angeklagte die auf dem neu eröffneten Konto gutgeschriebenen Geldbeträge für die W. und insbesondere zur Tilgung fälliger Verbindlichkeiten verwandt hat. Sowohl das weitere Schicksal der Verbindlichkeiten als auch des Überweisungsbetrages blieben unaufgeklärt. Ob der Angeklagte die zum Zwecke des Aktienkaufs überwiesenen 2,2 Mio. DM veruntreut hat, ist Gegenstand eines Strafverfahrens, das vorläufig gem. § 154 II StPO eingestellt worden ist. Für die Frage, ob die W. zahlungsunfähig war, ist allerdings eine nähere Aufklärung hierzu unumgänglich.

Entgegen der Auffassung des LG bestehen im vorliegenden Fall hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Überschuldung i.S. des § 19 InsO. Besteht für fällige Verbindlichkeiten in erheblicher Größenordung keine Deckung, kann dies auch darauf hindeuten, dass kein Aktivvermögen vorhanden ist, das für deren Ausgleich herangezogen werden oder jedenfalls die Grundlage für eine kurzfristige Kreditgewährung bilden könnte. Die Überschuldung ist der Zahlungsunfähigkeit häufig vorgelagert. Bei der Erstellung einer Überschuldungsbilanz hätte im Übrigen die zweckgebundene Überweisung außer Betracht zu bleiben, weil solche Gelder kein Aktivvermögen des Unternehmens darstellen. Selbst wenn der Angeklagte sie in das Unternehmen „eingebracht“ ha- ben sollte, wäre zugleich eine entsprechende Verbindlichkeit entstanden, die auf Ersatz des durch die zweckwidrige Verwendung entstandenen Schadens gerichtet wäre.

Hinsichtlich der Fälle VI. 4., die den Vorwurf zum Gegenstand haben, der Angeklagte habe als Geschäftsführer der W. trotz Kenntnis der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit die Bilanzen für die Jahre 1999 und 2000 nicht erstellt, kann das Urteil ebenfalls keinen Bestand haben. Da die Ausführungen des LG zur Zahlungsunfähigkeit der W. durchgreifenden rechtlichen Bedenken unterliegen, ergreift dieser Begründungsmangel auch die Freisprüche vom Vorwurf des Bankrotts nach § 283 I Nr. 7 lit. b StGB. Es bedürfen sowohl das Tatbestandsmerkmal der Zahlungsunfähigkeit nach § 283 I StGB als auch das des Eintritts der Zahlungseinstellung – als objektive Bedingung der Strafbarkeit gem. § 283 Abs. 6 StGB – umfassender tatrichterlicher Prüfung.

Dagegen hat die Revision der Staatsanwaltschaft in den Fällen VI. 3. der Urteilsgründe keinen Erfolg. Das LG hat den Angeklagten aus rechtlichen Gründen insoweit im Ergebnis zu Recht freigesprochen.

Dem Angeklagten liegt zur Last, es als Geschäftsführer der S. GmbH trotz Kenntnis der am 1. 12. 1999 eingetretenen Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft unterlassen zu haben, jeweils eine Bilanz zum 31. 12. 1999 und zum 31. 12. 2000 aufzustellen. Das LG hat den Freispruch damit begründet, dass das Unternehmen nicht über die erforderlichen Mittel verfügt hätte, die beiden Bilanzen über den Steuerberater aufstellen zu lassen, und ferner keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Angeklagte die Bilanzen selbst hätte aufstellen können.

Diese Begründung des LG begegnet allerdings durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil die Urteilsgründe keine – bei einem solchen Begründungsansatz erforderliche – Übersicht über die wirtschaftliche Situation und die Geschäftstätigkeit der S. GmbH enthalten. Indes ist dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend deutlich zu entnehmen, dass jedenfalls keine ausreichenden Mittel mehr vorhanden gewesen sein dürften, um den Steuerberater mit der Erstellung einer Bilanz zu betrauen. Angesichts dieser Sachlage kann der Senat dahinstehen lassen, ob eine Strafbarkeit schon dann nicht in Betracht kommt, wenn die Zahlungseinstellung erfolgt (§ 283 Abs. 6 StGB), bevor die Frist zur rechtzeitigen Bilanzerstellung abgelaufen ist.

Im Hinblick auf den erheblichen Ermittlungsaufwand in den Fällen, in denen eine Zurückverweisung der Sache an das LG erfolgen musste, könnte eine Sachbehandlung nach § 154 II StPO angezeigt erscheinen. Die auch im Blick auf die lange zurückliegenden Tatzeiten hier allenfalls zu erwartenden Strafen fallen gegenüber den gegen den Angeklagten bereits rechtskräftig verhängten Strafen nicht wesentlich ins Gewicht.



Gesetze

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Strafgesetzbuch - StGB | § 283 Bankrott


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit 1. Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Ins

Insolvenzordnung - InsO | § 19 Überschuldung


(1) Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund. (2) Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den n

Insolvenzordnung - InsO | § 47 Aussonderung


Wer auf Grund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, daß ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, ist kein Insolvenzgläubiger. Sein Anspruch auf Aussonderung des Gegenstands bestimmt sich nach den Gesetzen, die außerhal

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Bundesgerichtshof Urteil, 19. Apr. 2007 - 5 StR 505/06

bei uns veröffentlicht am 19.04.2007

5 StR 505/06 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 19. April 2007 in der Strafsache gegen wegen Betruges u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. April 2007, an der teilgenommen haben: Richter Häger als

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Referenzen

5 StR 505/06

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 19. April 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. April
2007, an der teilgenommen haben:
Richter Häger als Vorsitzender,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Bundesanwalt
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt P. ,
So.
alsVerteidiger,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Mai 2006 aufgehoben, soweit der Angeklagte in den Fällen VI. 2. und 4. der Urteilsgründe freigesprochen worden ist.
Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in zwei Fällen sowie wegen vorsätzlichen Unterlassens der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter Einbeziehung von anderweitig verhängten Geldstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn in weiteren Punkten freigesprochen. Mit Ausnahme des Freispruchs im Fall VI. 1. der Urteilsgründe wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, gegen die übrigen Freisprüche. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat teilweise Erfolg.

I.


2
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet, soweit sie sich gegen die Freisprüche in den Fällen VI. 2. und 4. der Urteilsgründe (entspricht Fällen 2, 5 und 6 der Anklage vom 5. Oktober 2004) richtet. Im Übrigen – bezüglich der Fälle VI. 3. der Urteilsgründe (entspricht Fällen 3 und 4 der Anklage vom 5. Oktober 2004) – ist sie unbegründet.
3
1. Im Fall VI. 2. der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten aus rechtlichen Gründen vom Vorwurf freigesprochen, in Kenntnis der seit dem 1. Dezember 1999 bestehenden Zahlungsunfähigkeit der W. GmbH (W. ), deren Geschäftsführer er war, spätestens bis zum 22. Dezember 1999 keinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt zu haben. Das Landgericht nimmt an, dass die Zahlungsunfähigkeit der WSP dadurch entfallen sei, dass ihr ca. 2,2 Mio. DM gutgeschrieben wurden. Mit diesem Betrag sollte nach den Feststellungen des Landgerichts der Angeklagte für den türkischen Staatsangehörigen B. Aktien einer Bank erwerben. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat die am 23. Dezember 1999 eingegangene Überweisung über mehr als 2 Mio. DM die Zahlungsunfähigkeit der WSP nicht ohne weiteres beseitigt.
4
a) Die Zahlungsunfähigkeit ist in § 17 Abs. 2 InsO legaldefiniert. Danach tritt Zahlungsunfähigkeit ein, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Hieran knüpfen die Insolvenzantragungspflicht des § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG und die einen diesbezüglichen Pflichtverstoß pönalisierende Strafvorschrift des § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG an. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedeutet Zahlungsunfähigkeit in diesem Sinne das nach außen in Erscheinung tretende, auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende, voraussichtlich dauernde Unvermö- gen des Unternehmens, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen zu begleichen (BGHR GmbHG § 64 Abs. 1 Zahlungsunfähigkeit

1).


5
b) Aufgrund der schuldrechtlichen Vereinbarung über den Verwendungszweck stand das Bankguthaben von 2,2 Mio. DM für die Begleichung der fälligen Verbindlichkeiten der W. nicht zur Verfügung. Maßgeblich für die Frage der Zahlungsunfähigkeit ist, was dem Schuldner an flüssigen Mitteln zur freien Verfügung steht (Kirchhof in HK InsO 4. Aufl. § 17 Rdn. 14). Für den Schuldner wäre eine freie Verfügung in diesem Sinne dann nicht mehr gegeben, wenn er die Gelder nur um den Preis einer neuerlichen Straftat für die Begleichung fälliger Verbindlichkeiten einsetzen könnte. Jedenfalls aber liegt eine Zahlungsunfähigkeit in den Fällen vor, in denen am Vermögenswert , der für die Begleichung der fälligen Verbindlichkeiten eingesetzt werden könnte, ein nach §§ 47 ff. InsO liquides Recht des Gläubigers fortbestehen würde, das ihm auch im Insolvenzfalle den Zugriff sichern würde. Denn dann stünde der Vermögenswert selbst in der Insolvenz nicht mehr den Gläubigern als Verteilungsmasse zur Verfügung.
6
Dass ein solches Aussonderungsrecht im Sinne des § 47 InsO hier gegeben ist, liegt aufgrund der Feststellungen des Landgerichts nahe. Den Urteilsgründen ist nämlich zu entnehmen, dass die Gelder auf ein erst kurz zuvor eröffnetes Konto der W. überwiesen wurden und aufgrund des notariellen Vertrages hierfür auch eine eindeutige vertragliche Grundlage bestanden hat (vgl. BGH ZIP 2005, 1465, 1466; Ganter in MüKo InsO 2001 § 47 Rdn. 354 ff.).
7
c) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind allerdings sämtliche Einkünfte bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit heranzuziehen. Dies gilt selbst dann, wenn sie aus Straftaten herrühren (BGH NJW 1982, 1952, 1954 m.w.N.). Der Unterschied zu der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation ist jedoch darin zu sehen, dass die Gelder noch nicht in das Betriebsvermögen der W. integriert waren. Deshalb standen sie auch für die Erfüllung fremder Verbindlichkeiten nicht zur Verfügung. Anders ist die Sachlage zu beurteilen, wenn der Verantwortliche die Gelder – ob im Wege einer strafbaren Handlung oder in nicht strafbarer Weise – dem Unternehmen zuführt, indem er ihre Separierung aufhebt. Deshalb würde, wenn der Angeklagte die zweckgebundenen Gelder tatsächlich für die Begleichung der fälligen Verbindlichkeiten der W. eingesetzt hätte, dies deren Zahlungsunfähigkeit beseitigen. Solange die Gesellschaft ihren Zahlungspflichten nachkommt, ist nämlich unerheblich, aus welcher Quelle ihre Einnahmen stammen (BGH NJW 1982, 1952, 1954).
8
Die Strafkammer hat nicht festgestellt, dass der Angeklagte die auf dem neu eröffneten Konto gutgeschriebenen Geldbeträge für die W. und insbesondere zur Tilgung fälliger Verbindlichkeiten verwandt hat. Sowohl das weitere Schicksal der Verbindlichkeiten als auch des Überweisungsbetrages blieben unaufgeklärt. Ob der Angeklagte die zum Zwecke des Aktienkaufs überwiesenen 2,2 Mio. DM veruntreut hat, ist Gegenstand eines Strafverfahrens , das vorläufig gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Für die Frage, ob die W. zahlungsunfähig war, ist allerdings eine nähere Aufklärung hierzu unumgänglich.
9
d) Entgegen der Auffassung des Landgerichts bestehen im vorliegenden Fall hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Überschuldung im Sinne des § 19 InsO. Besteht für fällige Verbindlichkeiten in erheblicher Größenordung keine Deckung, kann dies auch darauf hindeuten, dass kein Aktivvermögen vorhanden ist, das für deren Ausgleich herangezogen werden oder jedenfalls die Grundlage für eine kurzfristige Kreditgewährung bilden könnte. Die Überschuldung ist der Zahlungsunfähigkeit häufig vorgelagert (Kirchhof in HK aaO § 16 Rdn. 6). Bei der Erstellung einer Überschuldungsbilanz hätte im Übrigen die zweckgebundene Überweisung außer Betracht zu bleiben, weil solche Gelder kein Aktivvermögen des Unternehmens darstellen. Selbst wenn der Angeklagte sie in das Unternehmen „eingebracht“ ha- ben sollte, wäre zugleich eine entsprechende Verbindlichkeit entstanden, die auf Ersatz des durch die zweckwidrige Verwendung entstandenen Schadens gerichtet wäre.
10
2. Hinsichtlich der Fälle VI. 4., die den Vorwurf zum Gegenstand haben , der Angeklagte habe als Geschäftsführer der W. trotz Kenntnis der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit die Bilanzen für die Jahre 1999 und 2000 nicht erstellt, kann das Urteil ebenfalls keinen Bestand haben. Da die Ausführungen des Landgerichts zur Zahlungsunfähigkeit der W. durchgreifenden rechtlichen Bedenken unterliegen, ergreift dieser Begründungsmangel auch die Freisprüche vom Vorwurf des Bankrotts nach § 283 Abs. 1 Nr. 7 lit. b StGB. Es bedürfen sowohl das Tatbestandsmerkmal der Zahlungsunfähigkeit nach § 283 Abs. 1 StGB als auch das des Eintritts der Zahlungseinstellung – als objektive Bedingung der Strafbarkeit gemäß § 283 Abs. 6 StGB – umfassender tatrichterlicher Prüfung.
11
3. Dagegen hat die Revision der Staatsanwaltschaft in den Fällen VI. 3. der Urteilsgründe keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Angeklagten aus rechtlichen Gründen insoweit im Ergebnis zu Recht freigesprochen.
12
a) Dem Angeklagten liegt zur Last, es als Geschäftsführer der S. GmbH trotz Kenntnis der am 1. Dezember 1999 eingetretenen Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft unterlassen zu haben, jeweils eine Bilanz zum 31. Dezember 1999 und zum 31. Dezember 2000 aufzustellen. Das Landgericht hat den Freispruch damit begründet, dass das Unternehmen nicht über die erforderlichen Mittel verfügt hätte, die beiden Bilanzen über den Steuerberater aufstellen zu lassen, und ferner keine Anhaltspunkte dafür bestünden , dass der Angeklagte die Bilanzen selbst hätte aufstellen können.
13
b) Diese Begründung des Landgerichts begegnet allerdings durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil die Urteilsgründe keine – bei einem solchen Begründungsansatz erforderliche – Übersicht über die wirtschaftliche Situation und die Geschäftstätigkeit der S. GmbH enthalten. Indes ist dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend deutlich zu entnehmen , dass jedenfalls keine ausreichenden Mittel mehr vorhanden gewesen sein dürften, um den Steuerberater mit der Erstellung einer Bilanz zu betrauen. Angesichts dieser Sachlage kann der Senat dahinstehen lassen, ob eine Strafbarkeit schon dann nicht in Betracht kommt, wenn die Zahlungseinstellung erfolgt (§ 283 Abs. 6 StGB), bevor die Frist zur rechtzeitigen Bilanzerstellung abgelaufen ist (vgl. BGHR StGB § 283 Abs. 1 Nr. 7b Zeit 1, Bilanz 2).

II.


14
Im Hinblick auf den erheblichen Ermittlungsaufwand in den Fällen, in denen eine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht erfolgen musste , könnte eine Sachbehandlung nach § 154 Abs. 2 StPO angezeigt erscheinen. Die auch im Blick auf die lange zurückliegenden Tatzeiten hier allenfalls zu erwartenden Strafen fallen gegenüber den gegen den Angeklagten bereits rechtskräftig verhängten Strafen nicht wesentlich ins Gewicht.
Häger Gerhardt Raum Brause Jäger

Wer auf Grund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, daß ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, ist kein Insolvenzgläubiger. Sein Anspruch auf Aussonderung des Gegenstands bestimmt sich nach den Gesetzen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten.

(1) Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund.

(2) Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(3) Ist bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit

1.
Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft oder verheimlicht oder in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht,
2.
in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise Verlust- oder Spekulationsgeschäfte oder Differenzgeschäfte mit Waren oder Wertpapieren eingeht oder durch unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel oder Wette übermäßige Beträge verbraucht oder schuldig wird,
3.
Waren oder Wertpapiere auf Kredit beschafft und sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt,
4.
Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt,
5.
Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterläßt oder so führt oder verändert, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird,
6.
Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung ein Kaufmann nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehenden Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert,
7.
entgegen dem Handelsrecht
a)
Bilanzen so aufstellt, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder
b)
es unterläßt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen, oder
8.
in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.

(2) Ebenso wird bestraft, wer durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen seine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit herbeiführt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit wenigstens fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit wenigstens leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Die Tat ist nur dann strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist.