Bundesgerichtshof Urteil, 09. Apr. 2015 - 4 StR 401/14

bei uns veröffentlicht am09.04.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 401/14
vom
9. April 2015
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––-
Zu den Anforderungen an die Beweiswürdigung bei Prüfung des bedingten Vorsatzes
bei einer Trunkenheitsfahrt.
BGH, Urteil vom 9. April 2015 - 4 StR 401/14 - LG Berlin
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
26. Februar 2015 in der Sitzung am 9. April 2015, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte - in der Verhandlung -,
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. Mai 2014 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall II. 4. der Urteilsgründe wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden ist sowie im Gesamtstrafenausspruch und im Ausspruch über die Dauer der Sperre für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, vorsätzlichen Vollrausches, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Nötigung, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr und wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und eine Sperre von zwei Jahren für die Erteilung der Fahrerlaubnis angeordnet. Die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil ist mit der allgemeinen Sachrüge begründet; die Nichtanordnung einer Unterbringung nach § 64 StGB ist vom Revisionsangriff ausgenommen worden.
2
Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit das Landgericht den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr (Fall II. 4. der Urteilsgründe) verurteilt hat; im Übrigen ist das Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 6. Oktober 2014 unbegründet.

I.


3
Soweit für die Verurteilung im Fall II. 4. der Urteilsgründe von Bedeutung, hat das Landgericht folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Am späten Vormittag des 27. April 2013 hielt sich der alkoholkranke Angeklagte in erheblich alkoholisiertem Zustand auf dem Hofgelände des „R. “ in Berlin auf, wo sich viele Bars und Clubs befinden. Nach einer verbalen Auseinandersetzung mit unbekannt gebliebenen Personen, bei der er sich bei 12 Grad Celsius Außentemperatur die Oberbekleidung vom Körper riss, setzte sich der Angeklagte in einen Pkw und fuhr mit diesem gegen 11.30 Uhr mit nicht angepasster Geschwindigkeit mehrfach über das private Hofgelände, wobei er das Fahrzeug wiederholt mit Handbremsenkehren und quietschenden Reifen wendete. Dabei fuhr er auch auf den im Innern eines geöffneten Werktores stehenden Zeugen Z. zu. Obwohl die unbekannt gebliebene Personengruppe ihn wegen seiner Alkoholisierung mehrfach aufzuhalten versuchte, verließ der Angeklagte mit dem Pkw das Gelände und befuhr öffentliche Straßen, bis er durch Polizeibeamte gestoppt werden konnte. Der Angeklagte wusste, dass er nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war und nahm zumindest billigend in Kauf, dass er infolge seiner alkoholischen Beeinflussung nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen. Eine ihm um 13.05 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,24 ‰ und den Nachweis der Einnahme von Cannabinoiden. Er war aufgrund der Mischintoxikation vermindert schuldfähig.
5
2. Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe hinsichtlich der absoluten Fahruntüchtigkeit zumindest mit Eventualvorsatz gehandelt. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Zeuge Z. ausgesagt habe, die Personengruppe habe den Angeklagten gerade auch wegen seiner deutlichen Alkoholisierung zum Anhalten und Aussteigen bewegen wollen.

II.


6
Die Beweiswürdigung zum bedingten Vorsatz der Trunkenheitsfahrt hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand; sie ist lückenhaft.
7
1. Ob der Täter des § 316 StGB bedingten Vorsatz hinsichtlich der Fahruntüchtigkeit hat, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen. Diese verlangen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 mwN). Eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr setzt daher voraus, dass der Fahrzeugführer seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und sich damit abfindet (vgl. nur Brandenburgisches OLG, Blutalkohol 50, 138 (2013); OLG Hamm, NZV 2005, 161, jeweils mwN; SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 316 Rn. 32; LK-StGB/König, 12. Aufl., § 316 Rn. 186; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 316 Rn. 44). Maßgeblich ist, ob der Fahrzeugführer eine so gravierende Beeinträchtigung seiner Leistungsfähigkeit zumindest für möglich hält und sich mit ihr abfindet oder billigend in Kauf nimmt, dass er den im Verkehr zu stellenden Anforderungen nicht mehr genügt (MüKoStGB /Groeschke, 1. Aufl., § 316 Rn. 83). Absolute Grenzwerte müssen vom Vorsatz nicht umfasst sein, da es sich bei ihnen nicht um Tatbestandsmerkmale , sondern um Beweisregeln handelt (Groeschke aaO; ebenso SSWStGB /Ernemann, 2. Aufl., § 316 Rn. 32; LK-StGB/König, 12. Aufl., § 316 Rn. 188).
8
2. Vom Vorliegen eines bedingten Vorsatzes muss sich der Tatrichter – wievom Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale auch – auf der Grundlage einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände überzeugen (§ 261 StPO). Dabei hat er in seine Erwägungen auch diejenigen Umstände einzubeziehen, die seine Überzeugung vom Vorliegen eines bedingten Vorsatzes in Frage stellen könnten (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, Tz. 33 mwN [zum bedingten Tötungsvorsatz]). Andererseits ist er in diesem Zusammenhang auch durch den Zweifelssatz nicht gehalten, zu Gunsten des Täters Tatvarianten zu unterstellen , für deren Vorliegen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vorhanden sind (vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 – 5 StR 253/07, NStZ 2008, 575 mwN) oder auf die sich der Angeklagte selbst nicht berufen hat (Senatsurteile vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11, Tz. 5 mwN; Urteil vom 11. April 2002 – 4 StR 585/01, NStZ-RR 2002, 243). Unter welchen Voraussetzungen er zu welcher Schlussfolgerung und Überzeugung kommen muss, kann ihm nicht vorgeschrieben werden; an Beweisregeln ist er insofern nicht gebun- den (BGH, Urteil vom 9. Februar 1957 – 2 StR 508/56, BGHSt 10, 208, 210; Senatsbeschluss vom 19. August 1993 – 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291, 295). Dementsprechend ist auch die revisionsgerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob das Ergebnis des Tatrichters hinsichtlich der Annahme bedingten Vorsatzes auf möglichen Schlüssen beruht (SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 316 Rn. 34). Nach Auffassung des Senats ergibt sich daraus Folgendes:
9
3. Zwar gibt es keinen naturwissenschaftlich oder medizinisch gesicherten Erfahrungssatz, dass derjenige, der eine Alkoholmenge trinkt, die zu einer die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit übersteigenden Blutalkoholkonzentration führt, seine Fahruntüchtigkeit auch erkennt (Senatsbeschluss vom 25. August 1983 – 4 StR 452/83, VRS 65, 359; KG Berlin, VRS 126, 95; Brandenburgisches OLG, Blutalkohol 50, 138 (2013); Blutalkohol 47, 426 (2010); VRS 117, 195 (2009); OLG Hamm, Blutalkohol 49, 164 (2012); VRS 107, 431 (2004); NZV 1999, 92; OLG Düsseldorf, Blutalkohol 47, 428 (2010); OLG Stuttgart , NStZ-RR 2011, 187; Blutalkohol 47, 139 (2010); OLG Köln, DAR 1999, 88; DAR 1997, 499; in einer nicht tragenden Erwägung abweichend OLG Celle, NZV 2014, 283). Bei Prüfung der Frage, ob ein Fahrzeugführer den Tatbestand des § 316 StGB bedingt vorsätzlich verwirklicht hat, ist aber eine solche Blutalkoholkonzentration ein gewichtiges Beweisanzeichen für das Vorliegen vorsätzlichen Handelns. Diese in Rechtsprechung und Schrifttum (eingehende Nachweise bei LK-StGB/König, 12. Aufl., § 316 Rn. 191 ff.) nahezu einhellig vertretene Auffassung ändert aber nichts an der Geltung des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO, wonach der Tatrichter den Grad der Alkoholisierung mit dem ihm zukommenden Gewicht – für sich genommen oder zusammen mit anderen Indizien – in seine Überzeugungsbildung vom Vorliegen bedingt vorsätzlichen oder fahrlässigen Handelns einzubeziehen hat.
10
Der Tatrichter ist deshalb durch § 261 StPO nicht gehindert anzunehmen , dass eine Blutalkoholkonzentration umso eher für eine vorsätzliche Tat spricht, je höher sie ist (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 1983 – 4 StR 452/83, VRS 65, 359, 361). Er muss sich jedoch bewusst sein, dass er sich lediglich auf ein (widerlegbares) Indiz stützt, das zwar gewichtig ist, aber im Einzelfall der ergänzenden Berücksichtigung anderer Beweisumstände bedürfen kann. Will er die Annahme bedingten Vorsatzes damit begründen, dass ein Täter mit einer hohen Blutalkoholkonzentration im Allgemeinen weiß, dass er große Mengen Alkohol getrunken hat, so dass sich ihm die Möglichkeit einer Fahruntüchtigkeit aufdrängt, muss er erkennen lassen, dass er lediglich einen Erfahrungssatz mit einer im konkreten Fall widerlegbaren Wahrscheinlichkeitsaussage zur Anwendung bringt, nicht aber einen wissenschaftlichen Erfahrungssatz (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 4. März 1988 – 3 StR 518/87, BGHR StPO § 261 Erfahrungssatz 2). Es ist deshalb einerseits nicht ausgeschlossen, dass der Vorwurf bedingt vorsätzlichen Handelns trotz Aufnahme einer erheblichen Alkoholmenge im konkreten Fall – etwa wegen eines länger zurückliegenden Zeitraums der Alkoholaufnahme oder bei Konsum von Mixgetränken mit unbekanntem Alkoholanteil – als entkräftet angesehen werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 15. November 1990 – 4 StR 486/90, NZV 1991, 117 [BAK von 2,4 ‰ bei Entschluss zur Fahrt]; vgl. zur Erforderlichkeit von Feststellungen zu Trinkverlauf und Trinkende auch Senatsbeschluss vom 23. September 2006 – 4 StR 322/06, Blutalkohol 44, 35 (2007)). Andererseits kann – wenn keine Besonderheiten vorliegen – auch im Einzelfall schon allein die die Aufnahme einer die Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 ‰ nur knapp überschreitenden Alkoholmenge dem Tatrichter die Überzeugung von einer vorsätzlichen Tatbegehung verschaffen (vgl. OLG Koblenz, NZV 2008, 304; 2001, 357 m. Anm. Scheffler, Blutalkohol 38, 468 (2001); OLG Celle, NZV 2014, 283; OLG Düsseldorf, NZV 1994, 367; vgl. auch Senatsbeschluss vom 25. August 1983 – 4 StR 452/83, VRS 65, 359, 361). Schematische Erwägungen der oberge- richtlichen Rechtsprechung etwa dahin, die Notwendigkeit ergänzender Feststellungen zur Begründung des bedingten Vorsatzes bestehe vornehmlich im Bereich von Blutalkoholkonzentrationen zwischen 1,10 und 2,00 ‰ und nehme daher mit der Höhe der festgestellten BAK „reziprok“ ab (so OLG Düsseldorf, NZV 1994, 367), vermögen, zumal sie in dieser Allgemeinheit nicht zutreffen, die Würdigung der Beweisanzeichen des konkreten Einzelfalles nicht zu ersetzen.
11
4. Nicht vereinbar mit den vorgenannten Grundsätzen ist ferner die obergerichtliche Rechtsprechung, soweit sie annimmt, bei weit über dem Grenzwert zur absoluten Fahruntüchtigkeit liegenden Blutalkoholwerten verringere sich die Erkenntnis- und Kritikfähigkeit in einer den Vorsatz ausschließenden Weise und es trete (erneut) vorsatzausschließender Glaube an die Fahrtüchtigkeit ein (so etwa KG Berlin, NStZ-RR 2015, 91; 2014, 321; Brandenburgisches OLG, Blutalkohol 47, 33 (2010); OLG Zweibrücken, Blutalkohol 37, 191 (2000); OLG Hamm, NZV 1999, 92). Denn diese Auffassung beruht auf einem nicht vorhandenen Erfahrungssatz (OLG Düsseldorf, NZV 1994, 367, 368; Nehm, Festschrift Salger 1995, S. 115, 118 f.; Tolksdorf, 33. VGT 1995, S. 79, 82). Vielmehr beseitigt eine bei steigender Blutalkoholkonzentration möglicherweise eintretende Selbstüberschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit nicht die Kenntnis , eine große Menge Alkohol im Blut zu haben und nach den geltenden Regeln deshalb nicht mehr fahren zu dürfen. Dass bei Blutalkoholkonzentrationen von mehr als 2 ‰ die Steuerungsfähigkeit bzw. das Hemmungsvermögen erheblich herabgesetzt sein kann, ändert daher regelmäßig nichts an der für den Vorsatz allein maßgeblichen Einsicht, dass das Fahren im öffentlichen Verkehr in diesem Zustand verboten ist. Dass der Fahruntüchtige möglicherweise hofft, die vorgesehene Fahrstrecke unfallfrei bewältigen zu können, lässt den Vorsatz unberührt. Erst wenn durch den Grad der Trunkenheit die Einsichtsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt ist, kommt ein Vorsatzausschluss in Betracht.
12
5. Gemessen daran hat die Strafkammer ihre Überzeugung vom Vorliegen bedingten Vorsatzes hinsichtlich der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit nicht hinreichend begründet.
13
a) Zwar spricht die festgestellte Alkoholisierung von 1,24 ‰ grundsätzlich für die Kenntnis des Angeklagten von seiner Fahruntüchtigkeit. Indes schließt die Strafkammer die Feststellung, dass der Angeklagte mit zumindest bedingtem Vorsatz gehandelt hat, allein aus dem Umstand, dass die Personengruppe den Angeklagten wegen seiner deutlichen Alkoholisierung zum Anhalten und Aussteigen zu bewegen versucht habe. Das Urteil enthält aber keinerlei Feststellungen dazu, dass der Angeklagte diese Anhalteversuche überhaupt bemerkt und den Grund hierfür erkannt hat. Zum Trinkverlauf und insbesondere zum Trinkende hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen, obwohl diese angesichts der festgestellten Tatzeit von Bedeutung sein konnten. Auch das sonst auffällige Verhalten des Angeklagten hat das Landgericht zur Begründung des Vorsatzes nicht herangezogen. Daher erweist sich die Beweiswürdigung als lücken- und damit rechtsfehlerhaft.
14
b) Die Aufhebung des Urteils im Fall II. 4. der Urteilsgründe, die auch die (rechtsfehlerfreie) tateinheitliche Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaub- nis erfasst, zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe und des Maßregelausspruchs nach sich.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Franke Mutzbauer

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 09. Apr. 2015 - 4 StR 401/14

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(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.

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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.

(2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht.

Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

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IM NAMEN DES VOLKES
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4 StR 558/11
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22. März 2012
in der Strafsache
gegen
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________
Zur "Hemmschwellentheorie" bei Tötungsdelikten.
BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11 - LG Saarbrücken
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. März
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 17. Juni 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist,
b) in den Aussprüchen über die Gesamtfreiheitsstrafe, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtstrafe vor der Unterbringung.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben ,
a) soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und
c) im gesamten Ausspruch über die verhängten Maßnahmen.
3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtstrafe angeordnet sowie Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB verhängt. Hiergegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Staatsanwaltschaft hat ihr Rechtsmittel nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist mit Einzelausführungen zur Verneinung des Tötungsvorsatzes und zur Anordnung der Unterbringung in dem angefochtenen Urteil näher begründet; im danach verbleibenden Umfang hat ihre Revision Erfolg. Der Angeklagte erzielt mit seinem Rechtsmittel einen Teilerfolg.

A.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
I. Nach den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen war der Angeklagte vor den hier abgeurteilten Taten u.a. bereits wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten: Am 8. Juni 2009 ordnete das Amtsgericht Saarbrücken gegen ihn wegen gefährlicher Körperverletzung eine Erziehungsmaßregel und ein Zuchtmittel an. Der Angeklagte hatte im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung zweimal mit einem Schraubenzieher in den linken Mittelbauch des Geschädigten gestochen. Wegen einer etwa sechs Wochen nach dieser Ahndung begangenen (ersichtlich: vorsätzlichen) Körperverletzung verhängte das Amtsgericht Saarbrücken gegen ihn mit Strafbefehl vom 2. Oktober 2009 eine Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen. Er hatte seine damalige Lebensgefährtin so lange gewürgt, bis diese Angst hatte zu ersticken; von ihr hatte er erst abgelassen, als sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Sechs Tage vor dem hier abgeurteilten Angriff auf den Nebenkläger (nachfolgend zu Ziff. III.) stellte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken ein gegen den Angeklagten geführtes Ermittlungsverfahren mangels öffentlichen Interesses ein; der Angeklagte hatte einem Besucher der Saarbrücker Diskothek „ “ angedroht, er werde ihn „abstechen, wenn er herauskomme“.
4
Bei der konkreten Strafzumessung teilt das Landgericht mit, dass der Angeklagte sich darauf berufen habe, in sämtlichen Fällen von den Zeugen bewusst der Wahrheit zuwider belastet worden zu sein.
5
II. Am 12. Oktober 2010 befuhr der Angeklagte mit einem entliehenen und abredewidrig weiter genutzten Pkw Smart gegen 5.45 Uhr öffentliche Straßen in Saarbrücken, u.a. die Straße in Saarbrücken-St. Johann. Infolge seiner alkoholischen Beeinflussung – er wies bei der Tat einen Blutalko- holgehalt von mindestens 1,35 ‰ auf – verkannteer den Straßenverlauf und überfuhr ein Stopp-Schild. Es kam beinahe zu einem Zusammenstoß mit dem Kleinbus des V. , der die vorfahrtberechtigte straße befuhr. An der Kreuzung Straße/ straße stieß der Angeklagte an ei- nen eisernen Begrenzungspfosten und riss diesen um; er kam mit dem von ihm gefahrenen, schwer beschädigten Fahrzeug erst auf einem angrenzenden Schulhof zum Stehen. Seine Fahrunsicherheit hätte er bei gewissenhafter Prüfung vor Antritt der Fahrt erkennen können.
6
III. In der Nacht zum 18. November 2010 beobachtete der Angeklagte in der Saarbrücker Diskothek „ “ einen Streit zwischen zwei ihm nicht näher bekannten Personen. Als der Nebenkläger diesen Streit schlichten wollte, mischte sich auch der Angeklagte in die Auseinandersetzung ein und geriet mit dem Nebenkläger in Streit. Es kam zu wechselseitigen Beleidigungen; der Angeklagte schlug dem Nebenkläger ins Gesicht. Anschließend trennten die Türsteher die Streitenden. Etwa 20 Minuten später lebte die Auseinandersetzung vor der Diskothek erneut auf; nach weiteren wechselseitigen Beleidigungen schlug nunmehr der Nebenkläger dem Angeklagten ins Gesicht. Auch dieses Mal trennten die Türsteher die Streitenden. Nachdem man sich kurzzeitig in unterschiedliche Richtungen entfernt hatte, setzte der Nebenkläger dem Angeklagten nach und schlug ihm ein weiteres Mal ins Gesicht; im Rahmen der sich anschließenden Rangelei blieb der Angeklagte der körperlich Unterlegene. Ein drittes Mal trennten die herbeigeeilten Türsteher die Streitenden. Der Angeklagte entfernte sich. Der Nebenkläger begab sich in Begleitung eines Freundes zu einem Taxistand, an dem sich eine Gruppe von „Nachtschwärmern“ ver- sammelt hatte.
7
Nach etwa 15 Minuten kam der Angeklagte plötzlich hinter einer Ecke hervor. Er lief unmittelbar auf den Nebenkläger zu und stach seinem nichts ahnenden Opfer sofort von seitlich hinten kommend in den Rücken. Mit den Wor- ten „Verreck‘, du Hurensohn“ rammte er ihm ein 22 cm langesdoppelklingiges Messer mit einer Klingenlänge von 11 cm derart heftig in den Rücken, dass die achte Rippe des Opfers durchtrennt wurde und die Klinge anschließend noch in die Lunge eindrang. Der Nebenkläger sackte auf dem Boden zusammen. Es entwickelten sich tumultartige Zustände; der Begleiter des Nebenklägers brachte den Angeklagten zu Boden und hielt ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest. Die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit betrug beim Angeklagten maximal 1,58 ‰.
8
Der Nebenkläger erlitt einen Hämatopneumothorax; es bestand akute Lebensgefahr. Ohne eine sofort durchgeführte Notoperation wäre er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verstorben. Er leidet nach wie vor unter erheblichen physischen und psychischen Beeinträchtigungen.

B.


9
Die Revision des Angeklagten
10
I. Der Angeklagte hat mit seinem Revisionsangriff Erfolg, soweit er sich gegen seine Verurteilung wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 2 StGB und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wendet.
11
1. Die Feststellungen des Landgerichts belegen die für die Annahme einer Tat nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 2 StGB vorausgesetzte Herbeiführung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert nicht. Nach gefestigter Rechtsprechung muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt haben, in der - was nach all- gemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (BGH, Urteile vom 30. März 1995 – 4 StR 725/94, NJW 1995, 3131 f., zu § 315 c StGB, und vom 4. September 1995 – 4 StR 471/95, NJW 1996, 329 f., zu § 315 b StGB; vgl. weiter SSW-Ernemann, StGB, § 315 c Rn. 22 ff.).
12
Da für den Eintritt des danach erforderlichen konkreten Gefahrerfolgs das vom Angeklagten geführte fremde Fahrzeug nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1976 – 4 StR 465/76, BGHSt 27, 40; Beschluss vom 19. Januar 1999 – 4 StR 663/98, NStZ 1999, 350, 351), auch der Verkehrswert und die Höhe des Schadens an dem Begrenzungspfosten nicht festgestellt sind (vgl. OLG Stuttgart DAR 1974, 106, 107; OLG Jena OLGSt § 315 c StGB Nr. 16; zur maßgeblichen Wertgrenze s. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215), kommt es auf die Begegnung mit dem Kleinbus des V. an. Nach den in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Maßstäben genügen die hierauf bezogenen Feststellungen des Landgerichts den Anforderungen zur Darlegung einer konkreten Gefahr nicht. Einen Verkehrsvorgang, bei dem es zu einem "Beinahe-Unfall" gekommen wäre - also ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, "das sei noch einmal gut gegangen" (Senat, Urteile vom 30. März 1995 und vom 4. September 1995, jew. aaO) -, hat das Schwurgericht nicht mit Tatsachen belegt. Dass sich beide Fahrzeuge beim Querverkehr in enger räumlicher Nähe zueinander befunden haben, genügt für sich allein nicht. Insbesondere ergeben die bisher getroffenen Feststellungen nicht, dass es dem Angeklagten und V. etwa nur auf Grund überdurchschnittlich guter Re- aktion sozusagen im allerletzten Moment gelungen ist, einer sonst drohenden Kollision durch Ausweichen zu begegnen.
13
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs entzieht der hierwegen verhängten Einzelstrafe, der Gesamtstrafe und den Maßnahmen nach §§ 69, 69 a StGB die Grundlage.
14
3. Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht ist „vollumfänglich“ der psychiatrischen Sachverständigen gefolgt, welche die negative Gefahrenprognose mit „seiner (des Angeklagten) offenkundigen sich steigernden Neigung zu körperlichen Übergriffen“ begründet hat.Im Rahmen der konkreten Strafzumessung teilt das Schwurgericht mit, dass es, nachdem der Angeklagte behauptet hatte, früherer Aggressionsdelikte bewusst wahrheitswidrig beschuldigt worden zu sein, „die Anträge der Verteidigung auf Sachverhaltsaufklärung aller vorheriger Verfahren zurückgewiesen“ und „lediglich die Warn- funktion der beiden Vorstrafen“ berücksichtigt hat. Danach findet die die Prog- nose tragende Erwägung in den getroffenen Feststellungen keine ausreichende Grundlage.
15
II. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
16
III. 1. Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird zunächst die Verkehrssituation, in der sich die beiden beteiligten Fahrzeuge bei ihrer Annäherung im Vorfallszeitpunkt befanden, näher aufzuklären haben. Auch wenn an die diesbezüglichen Feststellungen im Urteil keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. Senat, Urteil vom 30. März 1995, aaO), wird sich der Tatrichter um nähere Ermittlung der von beiden Fahrzeugen im Vorfallszeitpunkt gefahrenen Geschwindigkeiten, ihrer Entfernung zueinander, zur Beschaffenheit des Straßenverlaufs und der Kreuzung sowie der am Vorfallsort bestehenden Ausweichmöglichkeiten zu bemühen und das Ergebnis in einer Weise im Urteil darzulegen haben, die dem Revisionsgericht eine Nachprüfung ermöglicht, ob eine - wie beschrieben - konkrete Gefahr im Sinne eines "Beinahe -Unfalls" bereits vorlag.
17
2. Der neue Tatrichter wird auch die Einwendungen der revisionsführenden Staatsanwaltschaft und des Generalbundesanwalts gegen die Unterbringungsanordnung zu berücksichtigen haben.

C.


18
Die Revision der Staatsanwaltschaft
19
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg.
20
I. Das Rechtsmittel ist zulässig.
21
1. Zwar hat die Staatsanwaltschaft entgegen § 344 Abs. 1 StPO innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 Satz 2 StPO) keinen Revisionsantrag gestellt. Sie hat bis zu diesem Zeitpunkt lediglich die bereits in ihrer Einlegungsschrift vorgebrachte allgemeine Sachrüge erhoben. Diese – auch Nr. 156 Abs. 2 RiStBV widersprechende – Verfahrensweise ist in dem hier gegebenen Einzelfall aber unschädlich. Freilich hat der Bundesgerichtshof wie- derholt Revisionen der Staatsanwaltschaft, die ohne Antragstellung lediglich mit der allgemeinen Sachrüge begründet waren, für unzulässig gehalten. Dies betraf jedoch Strafverfahren, in denen einem (BGH, Beschluss vom 21. Mai 2003 – 5 StR 69/03, bei Becker NStZ-RR 2004, 228) oder mehreren Angeklagten (BGH, Beschluss vom 7. November 2002 – 5 StR 336/02, NJW 2003, 839) eine Vielzahl von Straftaten zur Last gelegt oder in denen der Angeklagte teilweise freigesprochen worden war und die Angriffsrichtung des Rechtsmittels bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist unklar blieb (BGH, Beschluss vom 5. November 2009 – 2 StR 324/09, NStZ-RR 2010, 288). So verhält es sich hier nicht: Gegenstand des von der Staatsanwaltschaft angefochtenen Urteils sind lediglich zwei Taten; in der Erhebung der uneingeschränkten allgemeinen Sachrüge ist daher die Erklärung der revisionsführenden Staatsanwaltschaft zu sehen, dass das Urteil insgesamt angefochten werde (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 344 Rn. 3 m.w.N.).
22
2. Nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hat die Staatsanwaltschaft mit Schriftsatz vom 12. September 2011 einen umfassenden Aufhebungsantrag gestellt. Mit ihren Einzelausführungen hat sie sodann jedoch lediglich gerügt, dass das Landgericht in dem oben unter A. III. geschilderten Fall zu Unrecht den Tötungsvorsatz des Angeklagten verneint hat; außerdem hat sie die Anordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beanstandet. Dies ist als Teilrücknahme gemäß § 302 Abs. 1 Satz 1 StPO zu werten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 2005 – 5 StR 86/05 und vom 6. Juli 2005 – 2 StR 131/05) und führt dazu, dass der Schuldspruch wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs, die dieserhalb verhängte Einzelstrafe und die Maßnahmen nach §§ 69, 69 a StGB nicht (mehr) auf Revision der Staatsanwaltschaft zu überprüfen sind.
23
II. In dem vorgenannten Umfang erweist sich das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft als begründet. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
24
1. Nach Auffassung des Schwurgerichts sprechen zwar nicht unerhebliche Gesichtspunkte für einen zumindest bedingten Tötungsvorsatz, nämlich insbesondere die erhebliche Wucht des von dem Ausspruch „Verreck‘, du Hurensohn“ begleiteten Messerstichs. Dagegenstehe indes die Tatsache, dass der Angeklagte lediglich einen Stich ausgeführt habe und darüber hinaus auch nicht unerheblich alkoholisiert gewesen sei. „Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Hemmschwellentheorie sieht die Kammer im Zweifel zu Gunsten des Angeklagten einen Tötungsvorsatz als nicht mit letzter Sicherheit erwiesen an.“
25
2. Diese Beweiserwägungen halten – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11, m.w.N.) – rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Begründung, mit der das Landgericht meinte, dem Angeklagten nicht wenigstens bedingten Tötungsvorsatz nachweisen zu können, ist lückenhaft und teilweise widersprüchlich.
26
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 m.w.N.). Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7; Schroth NStZ 1990, 324, 325) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f., vom 20. Dezember 2011 – VI ZR 309/10, WM 2012, 260, 262, und vom 21. Dezember 2011 – 1StR 400/11) darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet werden kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; vgl. zusammenfassend zuletzt BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11 m.w.N.).
27
b) Diese Prüfung lässt das Landgericht vermissen. Seinen knappen Ausführungen kann der Senat schon nicht die erforderliche Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände entnehmen. Es wird darüber hinaus nicht erkennbar, ob das Schwurgericht bereits Zweifel daran hatte, dass der Angeklagte den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkannte, oder nur daran, dass er ihn billigte oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfand.
28
aa) Soweit die Alkoholisierung des Angeklagten angesprochen wird, könnte dies für Zweifel des Landgerichts auch am Wissenselement sprechen. Abgesehen davon jedoch, dass eine maximale Alkoholkonzentration von 1,58 ‰ bei dem zur Tatzeit trinkgewohnten Angeklagten keinen Anhalt für solche Zweifel begründet, leidet das angefochtene Urteil an dieser Stelle – wie der Generalstaatsanwalt in Saarbrücken zu Recht geltend macht – an einem inneren Widerspruch: Während die Alkoholisierung bei der Prüfung des Tötungsvorsatzes als „nicht unerheblich“ bezeichnet wird, geht das Schwurgericht im Zusammenhang mit § 64 StGB – in Übereinstimmung mit der gehörten Sachverständigen – von einer „lediglich geringe(n) Beeinträchtigung durch Alkohol“ aus. Auch bei der Prüfung verminderter Schuldfähigkeit gelangt das sachverständig beratene Landgericht „nicht zu der Annahme einer erheblichen Beeinflussung“ des Angeklagten. Es legt auch nicht dar, wieso die den Stich begleitende Bemerkung überhaupt Raum für Zweifel daran lässt, dass der Angeklagte, dem die Lebensgefährlichkeit des Messerstichs bewusst war (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB), die Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs erkannt hat. Insgesamt ergeben sich aus den bisherigen Feststellungen keine Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen könnten, eine psychische Beeinträchtigung habe dem Angeklagten die Erkenntnis einer möglichen tödlichen Wirkung seines in den oberen Rückenbereich zielenden, in hohem Maße lebensgefährlichen Angriffs verstellt (vgl. zur Allgemeinkundigkeit dieses Umstands BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08 und zur Entbehrlichkeit medizinischen Detailwissens BGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 – 1 StR 410/05, NStZ 2006, 444, 445).
29
bb) Die Annahme einer Billigung liegt nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz erkannter Lebensgefährlichkeit durchführt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juli 2005 – 4 StR 109/05, NStZ-RR 2005, 372; Urteil vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.). Hierbei sind die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise –, die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Mo- tivation in die Beweiswürdigung mit einzubeziehen (vgl. BGH, Urteile vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372, und vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Vertrauen auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolgs regelmäßig dann zu verneinen, wenn der vorgestellte Ablauf des Geschehens einem tödlichen Ausgang so nahe kommt, dass nur noch ein glücklicher Zufall diesen verhindern kann (BGH, Urteile vom 16. September 2004 – 1 StR 233/04, NStZ 2005, 92, vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630, und vom 1. Dezember 2011 - 5 StR 360/11).
30
Rechtlich tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte trotz der Lebensgefährlichkeit des Messerstichs ernsthaft und nicht nur vage (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Oktober 1990 – 3 StR 332/90, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 24) darauf vertraut haben könnte, der Nebenkläger würde nicht zu Tode kommen, hat das Landgericht nicht festgestellt und liegen bei dem Tatgeschehen auch fern (vgl. BGH, Urteile vom 6. März 1991 – 2 StR 333/90, NStE Nr. 27 zu § 212 StGB, und vom 18. Oktober 2006 – 2 StR 340/06, NStZ 2007, 150, 151). Entgegen der Meinung des Landgerichts spricht insbesondere das Unterlassen weiterer Angriffe nicht gegen die Billigung des Todes. Nach dem Messerstich sackte der – nach dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen konkret lebensbedrohlich verletzte – Nebenkläger zu Boden; es ist schon nicht festgestellt, ob der Angeklagte davon ausging, ihn bereits tödlich verletzt zu haben, so dass es aus seiner Sicht weiterer Stiche nicht bedurfte (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08). Außerdem brachte der Begleiter des Nebenklägers den Angeklagten mit Gewalt zu Boden und hielt ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest; auch brach infolge der Tat ein Tumult aus. Danach liegt es nicht nahe, dass der Angeklagte überhaupt noch die Gelegenheit zu einem weiteren Messerstich auf sein am Boden liegendes Opfer hatte.
31
cc) Soweit das Landgericht sich ergänzend auf eine „Hemmschwellentheorie“ berufen hat, hat es deren Bedeutung für die Beweiswürdigung verkannt.
32
Es hat schon nicht mitgeteilt, was es darunter im Einzelnen versteht und in welchem Bezug eine solche „Theorie“ zu dem von ihm zu beurteilenden Fall stehen soll. Die bloße Erwähnung dieses Schlagworts wird vom Generalstaatsanwalt in Saarbrücken und vom Generalbundesanwalt daher mit Recht als „pauschal“ bzw. „formelhaft“ bezeichnet. Zwarhat auch der Bundesgerichtshof immer wieder auf die „für Tötungsdelikte deutlich höhere Hemmschwelle“ hin- gewiesen (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; abl. z.B. Brammsen JZ 1989, 71, 78; Fahl NStZ 1997, 392; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 212 Rn. 15 f.; Geppert Jura 2001, 55, 59; SSW-StGB/Momsen § 212 Rn. 12; Paeffgen, FS für Puppe, 791, 797 Fn. 25, 798 Fn. 30; NKStGB /Puppe, 3. Aufl., § 212 Rn. 97 ff.; Rissing-van Saan, FS für Geppert, 497, 505 f., 510; Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, 4. Aufl., § 12 Rn. 79 ff.; MünchKommStGB /Schneider § 212 Rn. 48 f.; SK-StGB/Sinn § 212 Rn. 35; Trück NStZ 2005, 233, 234 f.; Verrel NStZ 2004, 233 ff.; vgl. auch Altvater NStZ 2005, 22, 23), allerdings auch gemeint, in Fällen des Unterlassens bestünden „generell keine psychologisch vergleichbaren Hemmschwellen vor einem Tötungs- vorsatz“ (BGH,Urteil vom 7. November 1991 – 4 StR 451/91, NJW 1992, 583, 584; dazu Puppe NStZ 1992, 576, 577: „Anfang vom Ende der Hemm- schwellentheorie“).Für Fälle des positiven Tuns hat er an das Postulat einer Hemmschwelle anknüpfend weiter ausgeführt, dass selbst die offen zutage tretende Lebensgefährlichkeit zugefügter Verletzungen ein zwar gewichtiges Indiz, nicht aber einen zwingenden Beweisgrund für einen (bedingten) Tötungsvorsatz des Täters bedeute, der Tatrichter vielmehr gehalten sei, in seine Beweiserwägungen alle Umstände einzubeziehen, welche die Überzeugung von einem Handeln mit (bedingtem) Tötungsvorsatz in Frage stellen könnten (BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 1997 – 3 StR 569/97, NStZ-RR 1998, 101, vom 8. Mai 2001 – 1 StR 137/01, NStZ 2001, 475, 476, und vom 2. Februar 2010 – 3 StR 558/09, NStZ 2010, 511, 512);sachlich vergleichbar fordern andere Entscheidungen vom Tatrichter, immer auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen , dass der Täter die Gefahr der Tötung nicht erkannt oder jedenfalls darauf vertraut habe, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten (BGH, Beschlüsse vom 8. Mai 2008 – 3 StR 142/08, NStZ 2009, 91, und vom 22. April 2009 – 5 StR 88/09, NStZ 2009, 503; Urteil vom 25. März 2010 – 4 StR 594/09 m.w.N.). Wieder andere Entscheidungen verlangen „eine eingehende Prüfung anhand aller Umstände des Einzelfalles“ (BGH, Urteil vom 8. März 2001 – 4 StR 477/00, StV 2001, 572; ähnlich bereits BGH, Beschluss vom 27. November 1975 – 4 StR 637/75, VRS 50, 94, 95).
33
An den rechtlichen Anforderungen ändert sich indessen nichts, wenn die zur Annahme oder Verneinung bedingten Tötungsvorsatzes führende Beweiswürdigung ohne Rückgriff auf das Postulat einer Hemmschwelle überprüft wird (BGH, Urteile vom 3. Juli 1986 – 4 StR 258/86, NStZ 1986, 549, 550, und vom 7. August 1986 – 4 StR 308/86, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 3 [jeweils: sorgfältige Prüfung], sowie vom 11. Dezember 2001 – 1 StR 408/01, NStZ 2002, 541, 542 [Ausführungen zu einer Hemmschwelle bei stark alkoholisiertem Täter ohne Motiv nicht geboten]; ebenso für Fälle affektiv erregter, alkoholisierter , ohne Motiv, spontan oder unüberlegt handelnder Täter BGH, Beschlüsse vom 21. Oktober 1986 – 4 StR 563/86, StV 1987, 92, vom 7. Juli 1999 – 2 StR 177/99, NStZ 1999, 507, 508,und vom 7. November 2002 – 3 StR 216/02, NStZ 2004, 51; Urteil vom 14. November 2001 – 3 StR 276/01; Beschluss vom 2. Dezember 2003 – 4 StR 385/03, NStZ 2004, 329, 330; Urteil vom 14. Dezember 2004 - 4 StR 465/04; Beschluss vom 20. September2005 – 3StR 324/05, NStZ 2006, 169, 170; Urteile vom 30. August 2006 – 2 StR 198/06, NStZ-RR 2007, 43, 44 [zusätzlich gruppendynamischer Prozess], vom 18. Januar 2007 – 4 StR 489/06, NStZ-RR 2007, 141, 142, und vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630; Beschluss vom 6. Dezember 2011 – 3 StR 398/11; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Januar 2003 – 4 StR 526/02, NStZ 2003, 369).
34
Im Verständnis des Bundesgerichtshofs erschöpft sich die „Hemmschwellentheorie“ somit in einem Hinweis auf § 261 StPO (BGH, Urteil vom 11. Januar 1984 – 2 StR 615/83, StV 1984, 187, Beschluss vom 27. Juni 1986 – 2 StR 312/86, StV 1986, 421, Urteile vom 22. November 2001 – 1 StR 369/01, NStZ 2002, 314, 315, vom 23. April 2003 – 2 StR 52/03, NStZ 2003, 603, 604, und vom 16. Oktober 2008 – 4 StR 369/08, NStZ 2009, 210, 211: jeweils sorgfältige Prüfung; vgl. weiter BGH, Urteil vom 25. November 1987 – 3 StR 449/87, NStZ 1988, 175; Beschlüsse vom 19. Juli 1994 – 4 StR 348/94, NStZ 1994, 585, und vom 25. November 2010 – 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338, 339; Urteil vom 15. Dezember 2010 – 2 StR 531/10, NStZ 2011, 210, 211; MünchKommStGB/Schneider § 212 Rn. 48: „prozessuale Selbstver- ständlichkeit“).Der Bundesgerichtshof hat demgemäß immer wieder hervorgehoben , dass durch sie die Wertung der hohen und offensichtlichen Lebensge- fährlichkeit von Gewalthandlungen als ein gewichtiges auf Tötungsvorsatz hinweisendes Beweisanzeichen (BGH, Urteil vom 24. April 1991 – 3 StR 493/90) in der praktischen Rechtsanwendung nicht in Frage gestellt oder auch nur relativiert werden solle (BGH, Urteile vom 24. März 1993 – 3 StR 485/92, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 35, vom 12. Januar 1994 – 3 StR 636/93, NStE Nr. 33 zu § 212 StGB, vom 11. Oktober 2000 – 3 StR 321/00, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51, und vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372), auch nicht bei Taten zum Nachteil des eigenen Kindes (BGH, Urteil vom 17. Juli 2007 – 5 StR 92/07, NStZ-RR 2007, 304, 305). Zur Verneinung des voluntativen Vorsatzelements bedarf es vielmehr in jedem Einzelfall tragfähiger Anhaltspunkte dafür, dass der Täter ernsthaft darauf vertraut haben könnte, der Geschädigte werde nicht zu Tode kommen (BGH, Urteile vom 24. März 2005 – 3 StR 402/04, vom 9. August 2005 – 5 StR 352/04, NStZ 2006, 98, 99, vom 25. Mai 2007 – 1 StR 126/07, NStZ 2007, 639, 640, und vom 16. Oktober 2008 aaO; Trück aaO S. 239 f.). Daran fehlt es hier (vgl. vorstehend unter bb).
35
Der Hinweis des Landgerichts auf eine „Hemmschwellentheorie“ entbehrt somit jedes argumentativen Gewichts. Im Übrigen hätte das Schwurgericht sich – von seinem Standpunkt aus – damit auseinander setzen müssen, dass schon der festgestellte Handlungsablauf, nämlich das wuchtige und zielgerichtete Stechen eines Messers aus schnellem Lauf in den Rücken eines ahnungslosen Opfers, das Überwinden einer etwa vorhandenen Hemmschwelle voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08). Auch ist eine erhebliche Alkoholisierung (oder ein Handeln in affektiver Erregung und aufgrund spontanen Entschlusses) nach sicherer Erfahrung gerade besonders geeignet, eine etwa vorhandene Hemmschwelle auch für äußerst gefährliche Gewalthandlungen herabzusetzen (BGH, Urteil vom 24. Februar 2010 – 2 StR 577/09, NStZ- RR 2010, 214, 215; NK-StGB/Puppe, 3. Aufl., § 15 Rn. 93; Rissing-van Saan, aaO, S. 515; Roxin, aaO, Rn. 81; MünchKommStGB/Schneider § 212 Rn. 50; Trück aaO S. 238; Verrel aaO S. 311).
36
dd) Nach alledem kann der Senat offen lassen, ob die zusammenfassende Bemerkung des Landgerichts, es sehe „einen Tötungsvorsatz als nicht mit letzter Sicherheit erwiesen an“, nicht auf eine Überspannung der Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung hindeutet. Auch bedarf es keiner Entscheidung, ob hier nicht – etwa im Blick auf die den Messerstich begleitende Äußerung des Angeklagten – die Annahme direkten Tötungsvorsatzes näher liegt.
37
3. Auf der fehlerhaften Beweiswürdigung beruht der Schuldspruch wegen der Tat zum Nachteil des Nebenklägers. Nach den bisherigen Feststellungen liegt die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts vom Tötungsversuch nicht nahe (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2010 – 2 StR 536/10, NStZ 2011, 209).
38
III. Der aufgezeigte Mangel zwingt zur Aufhebung der für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung , weil ein versuchtes Tötungsdelikt hierzu in Tateinheit stünde (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, NStZ 1997, 276; Beschluss vom 27. Juni 2000 – 4 StR 211/00). Dies entzieht der hierwegen verhängten Einzelfreiheitsstrafe , der Gesamtfreiheitsstrafe und der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nebst teilweisem Vorwegvollzug der Gesamtstrafe die Grundlage.
39
IV. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von der Rechtsprechung anderer Senate des Bundesgerichtshofs zum Tötungsvorsatz ab. Er legt ihr vielmehr die sog. Hemmschwellentheorie in dem in der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Verständnis zu Grunde (vgl. oben C. II. 2. b) cc).
Ernemann Cierniak Franke
Mutzbauer Quentin
5 StR 253/07

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 24. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 22. und 24. Januar 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt T.
alsVerteidigerfürdenA ngeklagten B. ,
Rechtsanwalt L. ,
Rechtsanwalt G.
alsVerteidigerfürden Angeklagten E. ,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
am 24. Januar 2008 für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten E. wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 12. September 2006, soweit dieser Angeklagte verurteilt worden ist, mit Ausnahme der Feststellungen zu den Beihilfehandlungen, die aufrechterhalten bleiben, aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft, die hierdurch dem Angeklagten B. entstandenen notwendigen Auslagen sowie die ausscheidbaren notwendigen Auslagen des Angeklagten E. , soweit sich das Rechtsmittel auf dessen Teilfreispruch bezieht.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision des Angeklagten E. und die weiteren Kosten der diesen Angeklagten betreffenden Revision der Staatsanwaltschaft – an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten E. wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Vom Vorwurf der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in weiteren 19 Fällen, jeweils begangen in Tateinheit mit Unterstützen einer kriminellen Vereinigung, hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Den Angeklagten B. hat es von dem Vorwurf des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung ebenfalls aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte E. mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen die Freisprüche und erstrebt im Übrigen – abweichend von der Anklage – eine Verurteilung des Angeklagten E. als täterschaftlich handelndes Bandenmitglied. Der Generalbundesanwalt vertritt die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft mit Ausnahme der erstrebten Verurteilung gemäß § 129 StGB. Die Rechtsmittel führen zur Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten E. , allerdings unter Aufrechterhaltung der Feststellungen. Zu den Freisprüchen bleiben die Revisionen der Staatsanwaltschaft ohne Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat hinsichtlich des Angeklagten E. folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Im Zeitraum von März bis Dezember 2001 betrieben die Mitangeklagten K. , O. und Gr. in folgender Weise Handel mit Kokain: Mindestens einmal im Monat fuhr der Mitangeklagte Gr. in die Niederlande , wo er jeweils ein Kilogramm Kokain erwarb und dieses in die Woh- nung des gesondert verfolgten Li. in Neustadt/Dosse brachte. Dort wurde das Kokain – entsprechend dem gemeinsamen Tatplan und einer Bandenabrede – mit Milchzucker im Verhältnis 1:1 gestreckt, in Teilmengen von jeweils 100 g gepresst und verpackt. Auf Abruf lieferte Li. die Tütchen mit dem Kokain in „F. ´s Bar“ nach Neuruppin, wo das Kokain in der Damentoilette versteckt wurde. Sofern das Kokain nach der Verarbeitung nicht sofort in die Bar gebracht wurde, bewahrte es Li. in seiner Wohnung – ab Mai 2001 in einem dort aufgestellten Tresor – auf, bis es von den Mitgliedern der Bande abgerufen wurde. Da die Abrufe nicht telefonisch erfolgen sollten, war es die Aufgabe des Angeklagten E. , der nicht zur Bande gehörte, jeweils im Wechsel mit dem Mitangeklagten Ku. auf Anweisung der Bandenmitglieder zur Wohnung des Li. zu fahren und diesen aufzufordern, bestimmte Teilmengen des Kokains zu „F. ´s Bar“ nach Neuruppin zu bringen. Ab Verwendung des Tresors als Verwahrungsort für das Kokain brachte der Angeklagte E. jeweils den zur Entnahme des Rauschgifts aus dem Tresor erforderlichen Safeschlüssel mit und übergab ihn Li. . Nachdem Li. dem Tresor die benötigte Rauschgiftmenge entnommen hatte, um sie nach Neuruppin zu bringen, nahm der Angeklagte E. den Schlüssel jeweils wieder an sich. Sowohl der Angeklagte E. als auch der Mitangeklagte Ku. beteiligten sich jeweils mindestens dreimal in dieser Weise am Kokainhandel.
4
Das Landgericht hat seine Überzeugung im Wesentlichen auf die Aussagen des Zeugen Li. gestützt. Da dieser jedoch keine ausreichend bestimmten Angaben zu den einzelnen Abrufen gemacht habe, hat das Landgericht keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Feststellung weiterer Fahrten des Angeklagten zur Wohnung des Zeugen Li. gesehen. Zudem hat sich das Landgericht nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte E. selbst Bandenmitglied gewesen ist. Schließlich hat es das Landgericht auch abgelehnt, die Bande als eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB einzustufen. Die festgestellten drei Fahrten des Angeklagten E. zum Abruf von Kokainlieferungen hat das Landgericht zu einer Tat im Rechtssinne (Bewertungseinheit) zusammengefasst.

II.


5
Die Anklage legt dem Angeklagten B. zur Last, sich zwischen März 2001 und Januar 2002 an der Weitergabe von 25 kg Marihuana durch den Mitangeklagten K. an den Zeugen Li. zum gewinnbringenden Verkauf als Mittäter und Bandenmitglied beteiligt zu haben. Ihm wird vorgeworfen , sein Wohngrundstück in Neuruppin als Zwischenlager für die Abholung des Rauschgifts durch Li. zur Verfügung gestellt zu haben. Das Landgericht konnte sich von einer Tatbeteiligung des Angeklagten B. , der in der Hauptverhandlung von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat, nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit überzeugen. Es hat ihn deshalb aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Das Landgericht hat allerdings mehrere den Angeklagten belastende Indizien angeführt (UA S. 182 ff.):
6
Der Zeuge Li. habe ausgesagt, auf Veranlassung des Mitangeklagten K. von dem Grundstück 25 kg Marihuana abgeholt zu haben, die in einem Schuppen auf dem Hinterhof des Grundstücks in einer schwarzen Mülltonne zwischengelagert worden seien und die er zunächst in zwei Reisetaschen gefüllt habe. Auch spreche die persönliche Nähe des Angeklagten B. zu K. dafür, dass dieses Versteck nicht ohne Wissen und Billigung des B. gewählt worden sei. B. sei der langjährige Lebensgefährte der Schwester des K. und pflege mit diesem auch eine eigene Beziehung. Er habe sich regelmäßig in der Gaststätte „F. ´s Bar“, später umbenannt in „B. “, aufgehalten, die der Gruppe um K. als regelmäßiger Treffpunkt gedient habe. Verdächtig gemacht, zum engsten Kreis der „Familie“ zu gehören und auch von dem illegalen Drogenhandel gewusst zu haben, habe er sich auch in einem abgehörten Telefonat mit dem Mitangeklagten D. und durch seine „im Einklang“ mit K.
vorgenommene „provokante Befragung“ des verdeckten Ermittlers „A. N. “ zum Grund von dessen Aufenthalt in Neuruppin. Schließlich habe sich auch aus der Aussage des Zeugen Ba. ein vager Hinweis auf eine unterstützende Tätigkeit des Angeklagten B. hinsichtlich des Rauschmittelhandels ergeben. Ba. habe angegeben, im Auftrag des K. aus einer Wohnung in Neuruppin Kokain abgeholt zu haben, deren Vermieter der Angeklagte B. gewesen sei.
7
Die festgestellten Indizien reichten dem Landgericht jedoch für eine sichere Überzeugung nicht aus, dass der Angeklagte sein Grundstück als Zwischenlager für das Marihuana wissentlich und willentlich zur Verfügung gestellt habe. Zwar sei trotz des Bestreitens des Mitangeklagten K. aufgrund der Angaben des Zeugen Li. davon auszugehen, dass Li. das Marihuana aus einem Schuppen auf dem Grundstück des Angeklagten B. abgeholt habe. Dies ziehe jedoch nicht den „zwingenden Schluss“ nach sich, dass der Angeklagte B. vorsätzlich sein Anwesen als Lagerstätte zur Verfügung gestellt habe. Li. habe angegeben, B. überhaupt nicht zu kennen. Es sei mit Blick auf die baulichen Verhältnisse der Örtlichkeit nicht ausgeschlossen, dass Li. ohne Wissen und Kenntnis des B. in den Schuppen auf den Hinterhof des Anwesens habe gelangen können , weil der Angeklagte B. mit der Schwester des K. die obere Etage bewohnt habe. Die Wohnung in der unteren Etage sei aber an den Zeugen S. vermietet gewesen, der eingeräumt habe, K. schon viele Jahre gut zu kennen. Damit habe der Mitangeklagte K. zu zwei weiteren Personen in dem Anwesen eine vertraute Beziehung gehabt, die ihm bei der kurzfristigen Bunkerung des Rauschgifts im dortigen Schuppen behilflich gewesen sein könnten. Eine Verurteilung des Angeklagten B. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung komme ebenfalls nicht in Betracht.

III.


8
Hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten E. haben die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft teilweise Erfolg. Insoweit hält das Urteil der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
1. Das Rechtsmittel des Angeklagten E. dringt bereits mit der Sachrüge weitgehend durch; lediglich die Feststellungen können aufrechterhalten bleiben.
10
a) Die Urteilsfeststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG i.V.m. § 27 StGB nicht. Nach der Überzeugung der Strafkammer handelte der Angeklagte E. zwar als enger Vertrauter des Mitangeklagten K. , war aber selbst nicht Mitglied der Bande. Die Bandenmitgliedschaft stellt indes ein strafschärfendes besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB dar (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 4. Dezember 2007 – 5 StR 404/07; Beschluss vom 6. November 2007 – 5 StR 449/07; jeweils m.w.N.). Das Fehlen dieses Merkmals führt zu einer Tatbestandsverschiebung (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 28 Rdn. 8 m.w.N.). Damit kann ein Gehilfe, der nicht selbst Bandenmitglied ist, nur wegen Beteiligung am Grunddelikt, nicht aber aus der Qualifikation der bandenmäßigen Begehung bestraft werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. März 2006 – 2 StR 609/05 – und vom 19. Juli 2006 – 2 StR 162/06; BGH NStZ-RR 2007, 279, 280).
11
Das Landgericht, das die Strafe dem gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG entnommen hat (UA S. 393), ist somit von einem unrichtigen Strafrahmen mit einer Untergrenze von zwei Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafe auf der fehlerhaften Strafrahmenwahl beruht. Zwar erhöht es den Unrechtsgehalt der Hilfeleistung zu einer Straftat gemäß § 29a BtMG, wenn mit ihr die Tätigkeit einer Bande gefördert wird, die sich zum unerlaubten Rauschgifthandel verbunden hat. Die Untergrenze des gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens des § 29a BtMG liegt jedoch mit drei Monaten Freiheitsstrafe so erheblich unter derjenigen von zwei Jahren, die das Landgericht seiner Strafzumessung zugrundegelegt hat, dass hier ein Beruhen nicht auszuschließen ist. Die Strafe kann auch nicht dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (Mindeststrafe: Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr) entnommen werden. Denn es liegt nicht etwa ein Fall vor, in dem eine „Doppelmilderung“ deshalb ausscheidet, weil derselbe Umstand nach verschiedenen Vorschriften eine Milderung zulässt oder vorschreibt (vgl. Fischer aaO § 50 Rdn. 7 m.w.N.). Der Angeklagte E. ist nicht lediglich deswegen, weil er nicht Bandenmitglied ist, als Gehilfe verurteilt worden, sondern weil er nur untergeordnete Unterstützungshandlungen zu einem fremden Drogengeschäft geleistet hat (UA S. 369).
12
Von einer an sich auf die Revision des Angeklagten angezeigten Schuldspruchänderung sieht der Senat im Blick auf die Revision der Staatsanwaltschaft , die – wie noch auszuführen sein wird – erfolgreich die rechtsfehlerhafte Ablehnung der Bandenmitgliedschaft beanstandet, ab.
13
b) Soweit der Beschwerdeführer die Überzeugung des Landgerichts beanstandet, der Angeklagte E. sei über alle Umstände des Drogenhandels , und zwar auch über die Größenordnung der Kokainmengen, mit denen Handel getrieben wurde, informiert gewesen (UA S. 177), deckt der Beschwerdeführer keinen Rechtsfehler auf. Dieser Schluss, den die Strafkammer aus der Stellung des Angeklagten E. als enger Vertrauter und ständiger Begleiter des Mitangeklagten K. gezogen hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
14
c) Eines Eingehens auf die vom Angeklagten E. erhobene Verfahrensrüge bedarf es nicht, da diese nur den Strafausspruch betrifft, der ohnehin entfällt.
15
2. Die zu Ungunsten des Angeklagten E. eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat teilweise Erfolg.
16
a) Das Landgericht hat die Verneinung einer Bandenmitgliedschaft des Angeklagten E. nicht tragfähig begründet. Es hat lediglich den Umstand in den Blick genommen, dass der Angeklagte nur untergeordnete, den Mitangeklagten K. unterstützende Tätigkeiten ausgeführt habe. Dies lässt besorgen, dass die Strafkammer von fehlerhaften Maßstäben ausgegangen ist. Mitglied einer Bande kann auch derjenige sein, dem nach der Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeit darstellen (vgl. BGHSt 47, 214, 218 f.). Für die Annahme einer Bandenabrede ist es auch nicht erforderlich, dass sich sämtliche Mitglieder einer bandenmäßig organisierten Gruppe persönlich verabredet haben und untereinander kennen, wenn nur jeder den Willen hat, sich zur künftigen Begehung von Straftaten mit mindestens zwei anderen zu verbinden (vgl. BGHSt 50, 160, 164).
17
In die Würdigung ist zudem ein für die Frage einer Bandenmitgliedschaft nicht gänzlich unbedeutender Umstand nicht einbezogen worden. Nach den Urteilsfeststellungen benutzte auch der Angeklagte E. Fahrzeuge , die mit Kraftfahrzeugkennzeichen mit der Buchstabenkombination „XY“ zugelassen worden waren (UA S. 200). Nach der Wertung des Landgerichts wollten aber hier die Nutzer der „XY-Kennzeichen“ das Gefühl ihrer Zusammengehörigkeit nach außen kundtun.
18
Da die Urteilsfeststellungen auch bei Zugrundelegung zutreffender Wertungsmaßstäbe eine Bandenmitgliedschaft des Angeklagten E. nicht ohne weiteres belegen, kann der Senat den Schuldspruch nicht selbst – hier im Sinne einer Änderung (vgl. oben 1a) – aufrechterhalten. Es bedarf daher insoweit einer neuen tatrichterlichen Wertung auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, die durch weitere, hierzu nicht im Widerspruch stehende ergänzt werden können.
19
b) Der Teilfreispruch erweist sich als nicht durchgreifend rechtsfehlerhaft. Der Senat nimmt die überaus vorsichtige, aber rechtlich nicht zu beanstandende Annahme des Landgerichts, dem Angeklagten E. seien im Tatzeitraum nur drei Unterstützungshandlungen nachzuweisen, hin.
20
c) Dass das Landgericht die Gruppierung um den Mitangeklagten K. nicht zugleich als kriminelle Vereinigung eingestuft hat, hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls stand. Nach ständiger Rechtsprechung ist unter einer kriminellen Vereinigung ein auf eine gewisse Dauer angelegter organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen zu verstehen , die bei Unterordnung des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (BGHSt 28, 147; 31, 239, 240; BGH wistra 2006, 462; NStZ 2005, 377). In organisatorischer Hinsicht ist eine interne Verbandsstruktur dergestalt erforderlich, dass sich die arbeitsteilig koordinierte Durchsetzung der Vereinigungsziele nach bestimmten Gruppenregeln vollzieht. Hinzukommen muss die subjektive Einbindung der Beteiligten in die internen Willensbildungsprozesse der Vereinigung. Ausgehend von dem Schutzzweck der Vorschrift ist Anwendungsvoraussetzung die Feststellung von verbandsinternen Entscheidungsstrukturen zur Herausbildung eines Gruppenwillens, den die Mitglieder als verbindlich anerkennen und zur Maxime ihres Handelns machen (BGHSt 31, 239, 240; BGH wistra 2006, 462; NStZ 2005, 377). Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Bande; denn diese muss weder eine festgefügte Organisationsnoch Entscheidungsstruktur zur Herausbildung eines Gesamtwillens der Mitglieder aufweisen (BGHSt 31, 202, 205).
21
Das Landgericht ist bei der Abgrenzung des Begriffs der Bande von dem der kriminellen Vereinigung von zutreffenden Maßstäben ausgegangen und hat alle hier für und gegen das Vorliegen einer kriminellen Vereinigung sprechenden Umstände erkannt und bewertet. Es ist dabei aufgrund einer Gesamtschau der insoweit bedeutsamen Tatsachen zum Ergebnis gelangt, dass eine ausreichend feste Verbandsstruktur zur organisierten Herausbildung eines Gruppenwillens, dem sich die Mitglieder unterordneten, hier ebenso wenig vorhanden war, wie verbindliche Regeln, nach denen die Entscheidungen innerhalb der Gruppe zu treffen waren. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das im Vordergrund stehende gemeinsame Ziel der Gruppenmitglieder, aus dem Handel mit Rauschgift Einnahmen zu erzielen, ist auch mit der Annahme einer bloßen Bandenstruktur vereinbar.
22
3. Die rechtliche Bewertung der – nunmehr allein verfahrensgegenständlichen – drei Teilakte bedarf demnach insgesamt (einschließlich der Frage einer etwaigen täterschaftlichen Beteiligung) neuer tatrichterlicher Prüfung. Die dazu getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von den hier allein vorliegenden Subsumtionsfehlern nicht betroffen sind. Der neue Tatrichter darf ergänzende Feststellungen treffen, die zu den bisherigen nicht im Widerspruch stehen. Er wird zudem die Bewertungseinheit und damit die Annahme von Tateinheit gerade auch unter dem Gesichtspunkt zu hinterfragen haben, dass der Angeklagte E. nur Beiträge zu Teilverkäufen leistete (vgl. BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 22; vgl. aber auch BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 21; BGH NStZ 2007, 102).

IV.


23
Die Freisprechung des Angeklagten B. hat insgesamt Bestand.
24
1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 16; BGH StV 1994, 580; BGH wistra 2008, 22, 24 m.w.N.). Bei einem Freispruch unterliegt der Überprüfung auch, ob das Landgericht überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat. Schließlich kann ein Rechtsfehler auch darin liegen, dass der Tatrichter nach den Feststellungen nicht naheliegende Schlussfolgerungen gezogen hat, ohne tragfähige Gründe anzuführen , die dieses Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte vorhanden sind (st. Rspr.; BGH wistra 2008, 22, 24 m.w.N.). Wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt, obwohl nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss es freilich in seiner Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (BGHSt 25, 285, 286; BGH wistra 2007, 18, 19; 2002, 430 m.w.N.).
25
Unter diesen Voraussetzungen hält die Beweiswürdigung des Landgerichts der revisionsgerichtlichen Prüfung noch stand. Die Strafkammer hat gesehen, dass sehr viel für eine Beteiligung des Angeklagten an dem Rauschgiftgeschäft spricht. Sie hält indes die von ihr erörterten Indizien nicht für geeignet, sich eine sichere Überzeugung zu verschaffen, dass der Angeklagte B. sein Grundstück als Zwischenlager für das Marihuana wissentlich und willentlich zur Verfügung gestellt hatte (UA S. 183).
26
Die Beweiswürdigung ist letztlich nicht lückenhaft. Zwar hat sich das Landgericht nicht ausdrücklich mit dem durchaus bedeutsamen Umstand auseinandergesetzt, dass sich B. für seine Kraftfahrzeuge Wunschkennzeichen mit der Buchstabenkombination „XY“ zuteilen ließ (UA S. 200). Eine Abhandlung dieses Umstands wäre wünschenswert gewesen, da das Landgericht selbst die gemeinsame Nutzung von „XY-Kennzeichen“ als Anzeichen für ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Gruppe angesehen hat, das auch nach außen kundgetan werden sollte. Der Senat schließt indes aus, dass das Landgericht dieses selbst festgestellte und in anderem Zusammenhang im Urteil ausdrücklich ausgewertete markant wirkende („XYBande“ ), gleichwohl nur begrenzt aussagekräftige Indiz (UA S. 199 f.) etwa gänzlich aus dem Blick verloren hätte. Es hat die persönliche Nähe B. s zu K. im Rahmen der Beweiswürdigung hervorgehoben und dabei auch dessen Kontakte zu anderen Bandenmitgliedern nicht außer Acht gelassen (UA S. 182 f.).
27
Der Senat sieht auch vor dem Hintergrund deutlicher, allerdings nicht konkret fallbezogener Belastungsindizien – der Angeklagte bediente sich in einem abgehörten Telefonat gegenüber dem Mitangeklagten D. der der Bande eigenen und auf Betäubungsmittelgeschäfte hinweisenden „Tarnsprache“ und bedrängte mit K. einen verdeckten Ermittler (UA S. 183, 211) – noch keine tatrichterliche Überspannung der Verurteilungsvoraussetzungen. Dies gilt im Blick auf die konkrete Möglichkeit der Einschaltung eines Alternativtäters, des Zeugen S. . Dessen wenig ergiebiges Aussageverhalten ist nicht etwa nur unzulänglich ausgewertet worden, auch nicht angesichts eines Risikos der Bande, erhebliche Mengen von Marihuana auf einem Grundstück zu deponieren, ohne den Grundstückseigentümer hierüber zu informieren (vgl. dazu BGH wistra 2005, 33, 34). Soweit das Landgericht im Zusammenhang mit der Freisprechung des Angeklagten B. einen „zwingenden Schluss“ erwähnt, handelt es sich nach dem Zusammenhang der Begründung allenfalls um eine unpräzise sprachliche Wendung, die nicht besorgen lässt, das Landgericht könne die Beweisanforderungen für eine Verurteilung grundlegend verkannt haben.
28
2. Soweit das Landgericht den Angeklagten B. nicht als Mitglied einer kriminellen Vereinigung um den Mitangeklagten K. angesehen hat, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Das Vorliegen einer kriminellen Vereinigung hat das Landgericht, wie bereits ausgeführt, rechtsfehlerfrei verneint. Basdorf Gerhardt Raum Schaal Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 499/11
vom
12. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Januar
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 17. Mai 2011 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen wurde.
2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil wird als unbegründet verworfen.
4. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „schweren Raubes in zwei tateinheitlichen Fällen, jeweils im Zusammentreffen mit gefährlicher Körperverletzung“ zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und ihn vom Vorwurf , einen weiteren Raubüberfall begangen zu haben, aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen den Freispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft, deren Rechtsmittel vom Generalbundesanwalt vertreten wird, mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision. Dieses Rechtsmittel hat Erfolg. Die Revision des Angeklagten, mit der er allgemein die Verletzung materiellen Rechts rügt und eine Verfahrensrüge erhebt, ist unbegründet.
2
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils schloss sich der Angeklagte spätestens im August 2007 mit dem M. K. und dem C. zusammen, um durch Raubüberfälle auf potentiell vermögende Tatopfer in deren Wohnungen an Geld und Wertgegenstände zu gelangen. Der Bande schlossen sich im weiteren Verlauf noch vier Personen an. Der erste Überfall, an dem der Angeklagte teilnahm, erfolgte am 29. August 2007 in M. . Dieser ist nicht Gegenstand des Verfahrens. Von dem Vorwurf, am 28. Juli 2009 an dem Überfall auf L. in O. beteiligt gewesen zu sein, wurde der Angeklagte freigesprochen. Verurteilt wurde er wegen einer Tat in der Nacht vom 30. auf den 31. Dezember 2009. Opfer waren die Ehefrau des M. K. , H. K. , und die im selben Haus wohnende E. .

II.


3
Der Senat ist mit Vorsitzendem Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann , Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck sowie den Richtern am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Mutzbauer und Bender vorschriftsmäßig besetzt. Das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Absatz 1 Satz 2 GG) ist gewahrt (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 523/11).

III.


4
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 mwN). Aus den Urteilsgründen muss sich auch ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet , sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793 mwN). Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung zudem, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR § 261 Beweiswürdigung 16 mwN; BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36; BGH, Urteil vom 17. März 2005 – 4 StR 581/04, NStZ-RR 2005, 209; BGH, Urteil vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, jew. mwN).
6
2. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht.
7
a) Die Erwägungen des Landgerichts, warum eine aktive Beteiligung des Angeklagten an der Tat vom 28. Juli 2009 trotz seiner eindeutigen Identifizierung als Spurenleger an einem am Tatort aufgefundenen 60 cm langen Klebeband (Spur T06.06) nicht nachweisbar sei, lassen besorgen, dass es überspannte Anforderungen an die zu einer Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat. Das Landgericht hat nicht ausschließen können, dass die DNA-Antragung bei einem Anlass erfolgt sei, der in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Geschehen zum Nachteil des L. stehe. Die DNA-Antragung befand sich an der gerissenen Seite des Klebebandes, während die andere Kante mittels eines Abrollers durchtrennt war. Aufgrund der generellen persönlichen Verflechtung des Angeklagten mit den Tätern bestehe die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass der Angeklagte die Klebebandrolle im anderen Zusammenhang in der Hand gehabt habe. Selbst wenn sich die gerissene Kante bei Tatbeginn noch im Rolleninneren befunden hätte, könne die DNA-Antragung seitlich der späteren Abrisskante erfolgt sein. Hierfür spreche , dass die Täter bei der Tatausführung Gummihandschuhe getragen hätten, also darauf bedacht gewesen seien, keine Spuren zu hinterlassen.
8
Das Landgericht hat der Spur T06.06 den Beweiswert rechtsfehlerhaft aufgrund lediglich theoretischer Erklärungsansätze abgesprochen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte vor der Tat zum Nachteil des L. und ohne Zusammenhang mit dieser die dort verwendete Klebebandrolle angefasst hätte, sind nicht festgestellt. Soweit das Landgericht darauf abstellt, dass die Täter bei der Tatausführung Gummihandschuhe trugen, ist die Beweiswürdigung lückenhaft, denn sie setzt sich nicht mit dem Umstand ausei- nander, dass auch am Tatort in M. DNA-Spuren des nach der Überzeugung des Landgerichts tatbeteiligten Angeklagten gesichert worden sind. Im Übrigen belegen auch die Spuren an drei weiteren Gegenständen am Tatort (im Folgenden unter b), insbesondere diejenige am Küchenmesser des Geschädigten, dass es trotz der von den Tätern getragenen Gummihandschuhe zu Spurenantragungen am Tatort gekommen ist. Auch dies wird vom Landgericht nicht bedacht.
9
b) Das Landgericht hat bei weiteren Spuren vom Tatort zu Unrecht eine Indizwirkung für eine Anwesenheit des Angeklagten verneint. Es wurden DNASpuren an einem weiteren Stück Klebeband (Spur RL51.03), an einem Küchenmesser des Geschädigten und an einem Kabelbinder gesichert, die jeweils Mischprofile ergaben. An dem Klebeband RL51.03 waren in allen bewerteten PCR-Systemen Merkmale nachweisbar, die mit denen des Geschädigten und denen des Angeklagten übereinstimmen. Hinsichtlich des Küchenmessers ergaben sich in allen elf überprüften PCR-Systemen Hinweise auf Übereinstimmungen des überwiegenden Spurenanteils mit dem Vergleichsprofil des Angeklagten. An dem Kabelbinder waren neben Merkmalen, die mit denen des Geschädigten übereinstimmen, zusätzliche Allele nachweisbar, die Hinweise auf Übereinstimmungen mit dem Vergleichsprofil des Angeklagten ergaben. Das Landgericht hat diesen Spuren jeglichen belastenden Beweiswert abgesprochen , weil sie keine Aussage zur Identitätswahrscheinlichkeit zuließen.
10
Auch wenn von den drei am Tatort gesicherten Mischspuren jede für sich allein eine Überführung des Angeklagten nicht zuließ, durfte ihnen ein Indizwert in der Zusammenschau mit anderen Beweisanzeichen, insbesondere mit der Spur T06.06, nicht abgesprochen werden. Das Vorhandensein von Übereinstimmungen von DNA-Spuren mit dem Vergleichsprofil des Angeklagten an drei (weiteren) Gegenständen am Tatort, wovon das Küchenmesser nicht von den Tätern mitgebracht worden war, kann für eine Anwesenheit des Angeklagten sprechen.
11
c) Schließlich fehlt hinsichtlich des hier angegriffenen Freispruchs auch die gebotene Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Umstände. Das Landgericht beschränkt sich rechtsfehlerhaft darauf, den Beweiswert der DNA-Spuren einzeln zu erörtern und auf ihren Beweiswert zu prüfen. Es setzt sich hingegen nicht damit auseinander, ob die Belastungsindizien, die für sich genommen jeweils zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, in ihrer Gesamtheit insbesondere auch zusammen mit denjenigen Indizien, die das Landgericht für die Zuordnung der Tat zu der Bande um M. K. angeführt hat (UA S. 30 f, 33), die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung hätten begründen können. Es ist nicht auszuschließen, dass der Freispruch auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht. Die Sache muss daher neu verhandelt und entschieden werden.

IV.


12
Die Revision des Angeklagten zeigt keinen ihn belastenden Rechtsfehler auf.
13
1. Der Angeklagte ist für die Verfolgung der verfahrensgegenständlichen Taten, die auch dem Europäischen Auslieferungshaftbefehl zugrunde lagen, von der Russischen Föderation ausgeliefert worden. Die Revision beanstandet mit einer Verfahrensrüge, dass das Landgericht Beweiserhebungen zu dem Raubüberfall am 29. August 2007 durchgeführt hat, der nicht Gegenstand des Europäischen Haftbefehls und der Auslieferungsbewilligung war. Als Ergebnis dieser Beweiserhebungen sei das Landgericht zu der Feststellung gelangt, dass der Angeklagte den Überfall vom 30./31. Dezember 2009 als Bandenmitglied ausgeführt und so die Qualifikation des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB verwirklicht habe, was sich strafschärfend ausgewirkt habe.
14
Ob der Verurteilung des Angeklagten mit Rücksicht auf seine Auslieferung gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen entgegenstehen, ist auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen. Die Nachprüfung ergibt, dass die Verurteilung nicht gegen den Grundsatz der Spezialität verstößt.
15
a) Die Auslieferungsbewilligung der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation vom 27. August 2010 erfasst ausdrücklich die Verfolgung des Angeklagten wegen Raubes nach § 250 StGB. Sie enthält keine Einschränkung hinsichtlich bestimmter Tatmodalitäten.
16
Darüber hinaus schließt Art. 14 Abs. 3 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (EuAlÜbk) eine Verurteilung unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt nicht aus, sofern ihr derselbe Sachverhalt zugrunde liegt und die Tatbestandsmerkmale der rechtlich neu gewürdigten strafbaren Handlung die Auslieferung gestatten würden (BGH, Urteil vom 6. März 1985 – 2 StR 782/84, NStZ 1985, 318; Urteil vom 28. Mai 1986 – 3 StR 177/86, StV 1987, 6). Dies gilt auch im Verhältnis von Grundtatbestand und qualifizierenden bzw. privilegierenden Tatbeständen (vgl. BGH, Urteile vom 6. März 1985 – 2 StR 782/84, NStZ 1985, 318 und vom 11. Januar 2000 – 1 StR 505/99, NStZ-RR 2000, 333; vgl. auch Vogel/Burchard in Grütz- ner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 3. Aufl. § 11 IRG Rn. 43).
17
Die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 EuAlÜbk sind im konkreten Fall erfüllt. Der Verurteilung liegt derselbe Sachverhalt zu Grunde. Der im Europäischen Auslieferungshaftbefehl nicht explizit angeführte Bandenraub ist eine auslieferungsfähige Straftat. Das Strafgesetzbuch der Russischen Föderation kennt den Tatbestand des Raubes begangen „von einer organisierten Gruppe“, der mit Freiheitsentzug von acht bis fünfzehn Jahren geahndet wird (Art. 162 Nr. 4a, siehe Schroeder, Strafgesetzbuch der Russischen Föderation nach dem Stand vom 1.1.2007).
18
b) Das Landgericht war auch nicht gehindert, Feststellungen zur Zugehörigkeit des Angeklagten zu der Bande um M. K. zu treffen, und zu diesem Zweck Beweiserhebungen über frühere Überfälle durchzuführen. Der Spezialitätsgrundsatz schließt nicht aus, Umstände, die eine Straftat darstellen, auf die sich die Auslieferung nicht erstreckt, bei der Überzeugungsbildung hinsichtlich der Täterschaft der Auslieferungstat als Indiz zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 15. April 1987 – 2 StR 697/86, BGHSt 34, 352 = NStZ 1987, 417; Urteil vom 20. Dezember 1968 – 1 StR 508/67, BGHSt 22, 307, 310 f.; aA Gillmeister NStZ 2000, 344, 345). Art. 14 Abs. 1 EuAlÜbk verbietet u. a. die Aburteilung und die Verfolgung des Ausgelieferten wegen einer anderen Straftat als derjenigen , für welche die Auslieferung bewilligt worden ist. Von der „Verfolgung“ einer Tat kann aber nur bei einem Verfahren gesprochen werden, das diese Tat zum Gegenstand hat und mit dem Ziel ihrer Ahndung oder der Verhängung einer wegen ihr gebotenen Maßnahme durchgeführt wird. Gegenstand eines solchen eigenständigen Verfahrens wird eine Tat nicht schon dadurch, dass die Beweisaufnahme in dem eine andere Tat betreffenden Prozess auf sie erstreckt wird, weil sie als Indiz zum Nachweis dieser anderen Tat in Betracht kommt.
19
c) Aufgrund der festgestellten Bandenmitgliedschaft hat das Landgericht hinsichtlich der Tat vom 30./31. Dezember 2009 den Tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB neben dem des § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB als erfüllt angesehen und dies dem Angeklagten bei der Strafzumessung angelastet. Auch dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zwar darf ein Sachverhalt, der nicht zu der Auslieferungstat im Sinne des § 264 StPO gehört, nicht bei der Bestimmung der Strafhöhe zum Nachteil des Angeklagten Verwendung finden (BGH, Urteil vom 15. April 1987 – 2 StR 697/86 aaO; Urteil vom 19. Februar 1969 – 2 StR 612/68, BGHSt 22, 318). Danach ist nicht nur die Festsetzung selbständiger Strafen für andere Taten als die Auslieferungstat ausgeschlossen, sondern auch deren Mitbestrafung auf dem Wege der Erhöhung der für die Auslieferungstat verwirkten Strafe. Dies schließt jedoch nicht aus, den Strafrahmen eines festgestellten Qualifikationstatbestandes der Verurteilung wegen der Auslieferungstat auch dann zu Grunde zu legen, wenn diese Feststellungen mittels Beweiserhebungen zu einer verfahrensfremden Tat getroffen wurden. Ob dies auch für die Verwirklichung von Regelbeispielen gelten würde, kann der Senat hier offen lassen. Das Vorliegen eines qualifizierenden Merkmals ist jedenfalls Teil des Tatbestandes der Auslieferungstat selbst. Die dem Qualifikationsstrafrahmen entnommene Strafe ahndet allein die Auslieferungstat, sie kennzeichnet deren Gefährlichkeit. Eine „Mitbestrafung“ der anderen Tat ist damit nicht verbunden. Dies gilt auch dann, wenn – wie hier – die Erfüllung mehrerer Qualifikationsmerkmale zusätzlich strafschärfend gewertet wird. Die Strafschärfung berücksichtigt allein die bei der Auslieferungstat erfüllten qualifizierenden Merkmale und damit deren erhöhte Gefährlichkeit, nicht die Begehung einer anderen Tat. Nur der nicht zum Tatbestand der Auslieferungstat gehörige Sachverhalt als solcher darf innerhalb des Strafrahmens nicht strafschärfend gewertet werden. Dies hat das Landgericht auch nicht getan; die Teilnahme an dem Überfall in M. hat es bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt.
20
2. Die weitere Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben. Das Landgericht hat zwar übersehen, dass Pfefferspray ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB sein kann (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 – 5 StR 445/08, BGHSt 52, 376, 377). Dadurch, dass es nicht geprüft hat,ob das Einnebeln des Schlafzimmers von H. K. mit Pfefferspray geeignet war, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 3 StR 338/10 Rn. 7), ist der Angeklagte aber nicht beschwert. Dies gilt auch für die Annahme der Strafkammer, dass die tateinheitliche fahrlässige Körperverletzung hinter der vorsätzlichen Körperverletzung zurück tritt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juni 1997 – 2 StR 231/97, NStZ 1997, 493).
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 585/01
vom
11. April 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts des Mordes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. April
2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Kuckein,
Athing,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanoviæ,
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
die Angeklagte in Person,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenkläger-Vertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 18. Mai 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagte vom Vorwurf, ihren schlafenden Ehemann B. P. heimtückisch getötet zu haben, freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wenden sich mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen gegen diesen Freispruch. Die Rechtsmittel haben Erfolg.
1. Nach den - insoweit rechtsfehlerfrei - getroffenen Feststellungen tötete die Angeklagte in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 6.30 Uhr des folgenden Morgens im Schlafzimmer der gemeinsamen Wohnung ihren Ehemann durch zwei Schüsse aus einer Kleinkaliberpistole. Jeder der beiden Schüsse, die das Opfer linksseitig vorne in den Oberkörper und in die rechte Hinterkopfseite getroffen hatten, war für sich genommen tödlich. Die Waffe hatte sich die Angeklagte tags zuvor für einige Tage in einem Schützenverein ausgeliehen. Zwei zugehörige Patronen hatte sie dort heimlich an sich genommen. Die Leiche,
sowie die mit Blut verschmierte Bettwäsche und eine Reisetasche verbrannte und vergrub die Angeklagte zwei Tage später in einem Waldstück.
2. Das Landgericht hat nicht auszuschließen vermocht, daß die Angeklagte , die bestreitet, ihren Ehemann getötet zu haben, in Notwehr gehandelt hat. Es hat sie deshalb aus Rechtsgründen freigesprochen.
Die Strafkammer geht davon aus, B. P. , der seit Jahren immer wieder aus nichtigen Anlässen gegen die Angeklagte gewalttätig geworden sei, habe diese auch in der Tatnacht angegriffen, um sie zu schlagen. Der Angeklagten sei es gelungen, die Tatwaffe, die sie in der Wohnung versteckt gehalten habe, zu ergreifen. Sie habe ihrem Ehemann zunächst damit gedroht. Als dieser sich ihr trotzdem bedrohlich genähert und versucht habe, ihr die Waffe wegzunehmen und sie zu "verprügeln", habe sie aus "Angst und Erregung" zweimal kurz hintereinander geschossen. Der erste Schuß habe das Opfer vorne in den Oberkörper getroffen. Als B. P. , "sich nach links unten drehend" (UA 10), auf sie gestürzt sei und versucht habe, sie an den Beinen oder am Rumpf zu packen, habe sie den zweiten Schuß abgegeben, der das Opfer in den Hinterkopf getroffen habe.
3. Die Erwägungen, auf die die Strafkammer das nicht ausschließbare Vorliegen des Rechtfertigungsgrundes der Notwehr stützt, halten sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Zwar darf der Angeklagten kein Nachteil daraus erwachsen, daß sie die Tat bestreitet und deshalb nicht in der Lage ist, ohne sich in Widerspruch zu ihrer Einlassung zu setzen, entlastende Umstände zum Vorliegen einer
Notwehrsituation vorzutragen. In einem solchen Fall ist von der für sie günstigsten Möglichkeit auszugehen, die nach den gesamten Umständen in Betracht kommt (vgl. BGH StV 1990, 9). Dabei sind jedoch nicht alle nur denkbaren Gesichtspunkte , zu denen keine Feststellungen getroffen werden können, zu Gunsten der Angeklagten zu berücksichtigen. Vielmehr berechtigen nur vernünftige Zweifel, die reale Anknüpfungspunkte haben, den Tatrichter zu Unterstellungen zu Gunsten der Angeklagten (vgl. BGH aaO; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 18, 22). Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, daû die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Grundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schluûfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloûe Vermutung erweist (BGHR StPO § 261 Vermutung 11).
Diesen Anforderungen an die Beweiswürdigung genügt das angefochtene Urteil nicht.
Einziger Anhaltspunkt dafür, daû die Angeklagte in Notwehr gehandelt haben könnte, ist der Umstand, daûB. P. seine Ehefrau nicht nur seit Jahren betrog, sondern häufig auch schlug. Die Annahme, daû ein solcher körperlicher Übergriff durch B. P. auch in der Tatnacht stattgefunden und die Angeklagte zur Notwehr berechtigt hat, stützt die Strafkammer auf zwei Umstände, denen sie "erhebliches Gewicht" beimiût (UA 34): Gegen eine Tatplanung und für eine Notwehrsituation spreche zum einen der Zeitpunkt der Tatausführung. Wegen eines auf den Folgetag der Tat kurzfristig angekündigten Besuchs eines Verwandten ihres Ehemannes habe die Angeklagte mit einer alsbaldigen Nachfrage nach dessen Verbleib rechnen müssen. Wäre die Tat geplant gewesen, hätte es nahegelegen, diese zu verschieben, was möglich gewesen wäre, da die Angeklagte sich die Waffe erneut hätte verschaffen
können. Zum anderen spreche gegen eine geplante Tötung, daû die Angeklagte das Fahrzeug, mit welchem sie die Leiche abtransportiert habe, nicht bereits vor der Tat, sondern erst danach ausgeliehen habe.
Weder der Frage des Tatzeitpunkts, noch dem Umstand, daû die Angeklagte erst nach der Tat das Fahrzeug zum Abtransport der Leiche organisierte , kann jedoch der von der Strafkammer zugrundegelegte Beweiswert zugemessen werden.
aa) Das Landgericht legt nicht dar, weshalb es sich für die Angeklagte für den Fall einer Tatplanung ihres Ehemannes aufgedrängt haben könnte, sich schon im Rahmen der Tatvorbereitung um ein Fahrzeug für den Abtransport der Leiche zu bemühen. Vielmehr spricht die Feststellung, daû sich der Getötete häufig, auch über Nacht, auûer Haus aufhielt, ohne die Angeklagte hierüber zuvor zu informieren (UA 7) - dies war auch in der ersten Nacht nach Beschaffung der Tatwaffe der Fall (UA 8) - dafür, daû die Angeklagte selbst bei Planung der Tat wegen des für sie nicht vorhersehbaren Tatzeitpunkts jedenfalls keine bis ins einzelne gehende Vorkehrungen für die Spurenbeseitigung treffen konnte. Mit diesem Umstand setzt sich die Strafkammer nicht auseinander.
bb) Mit ihrer Annahme, der Zeitpunkt der Ausführung der Tat spreche wegen des erhöhten Entdeckungsrisikos gegen eine geplante Tat, trägt die Strafkammer den übrigen Urteilsfeststellungen nicht hinreichend Rechnung. Danach gelang es der Angeklagten nämlich am Morgen nach der Tötung ihres Ehemannes, ihrem Schwager, ohne bei diesem Miûtrauen zu erwecken, eine plausible Erklärung für die Abwesenheit ihres Ehemannes zu geben (UA 10).
Auch der Tatzeitpunkt ist deshalb kein geeignetes Argument, eine Notwehrlage "naheliegender erscheinen" zu lassen als eine auf einem spontanen Entschluû der Angeklagten beruhende, nicht gerechtfertigte Tötung ihres Ehemannes.

b) Dagegen hat das Landgericht eine Vielzahl von Umständen festgestellt , die dafür sprechen, daû die Angeklagte nicht gehandelt hat, um einen gegenwärtigen Angriff von sich abzuwenden, sondern um sich ihres Ehemannes , dessen Demütigungen und Gewalttätigkeiten sie nicht länger hinnehmen wollte, auf Dauer zu entledigen.
aa) Soweit das Landgericht jedes dieser Indizien einzeln in seiner Beweisbedeutung untersucht hat und dabei zu dem Ergebnis gelangt ist, daû auch eine die Angeklagte nicht belastende Deutung möglich erscheint, läût diese Vorgehensweise besorgen, daû die Strafkammer den Zweifelsgrundsatz rechtsfehlerhaft schon auf einzelne Indiztatsachen angewandt und sich so den Blick dafür verstellt hat, daû mehrdeutige Indizien mit der ihnen zukommenden Ungewiûheit in die erforderliche Gesamtwürdigung einzustellen sind (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 24). So gelangt das sachverständig beratene Landgericht beispielsweise in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis, die Reihenfolge der Schuûabgabe könne nicht mehr festgestellt werden (UA 28). Es durfte dieses "non liquet" jedoch nicht, wie geschehen , zum Anlaû nehmen, auûerhalb der gebotenen Gesamtabwägung zu Gunsten der Angeklagten davon auszugehen, daû das Tatopfer zuerst in die linke vordere Oberkörperhälfte getroffen wurde und der Schuû in den Hinterkopf erst erfolgte, als B. P. in Richtung der Angeklagten stürzte, sie zu packen versuchte und sich dabei nach links unten drehte. Es läût sich nicht ausschlieûen , daû die isolierte Bewertung dieser und weiterer Indiztatsachen sich im
Rahmen der Gesamtabwägung rechtsfehlerhaft zum Vorteil der Angeklagten ausgewirkt hat.
bb) Hinzu kommt, daû die Strafkammer einem vom Zeugen R. geschilderten Gespräch mit der Angeklagten (UA 31 f.) in rechtlich zu beanstandender Weise keine entscheidende Aussagekraft zugebilligt hat. Diese Schluûfolgerung beruht auf einer unzureichenden Beweiswürdigung. Der Zeuge hat angegeben, mit der Angeklagten ca. zwei bis drei Monate vor der Tat ein Gespräch über "genau die Art der Tötung und Leichenbeseitigung" geführt zu haben, wie sie beim Tatopfer "später angewandt" worden sei. Die Strafkammer hat zwar nicht ausgeschlossen, daû es ein Gespräch dieses Inhalts gab, hat aber nicht festzustellen vermocht, daû die Angeklagte dieses Gespräch mit dem ihr "in keiner Weise nahestehenden" Mitschüler suchte, um sich bei diesem gezielt nach Möglichkeiten, einen Menschen zu töten und die Spuren einer solchen Tat zu beseitigen, zu erkundigen. Das Landgericht ist deshalb der Auffassung, daû dieses Gespräch mit einer Tatplanung ebenso vereinbar sei, wie mit der Möglichkeit, daû sich die Angeklagte erst nach der gerechtfertigten Tötung ihres Ehemannes dieses Gesprächs erinnerte und ihre Erkenntnisse daraus für die Beseitigung der Leiche nutzte. Hiermit nicht in Einklang zu bringen ist die Aussage des Zeugen bei der Polizei, er sei von der Angeklagten angesprochen worden. Die Strafkammer berücksichtigt bei ihrer Würdigung auch nicht, daû das Gespräch mit dem Zeugen R. nicht nur die Spurenbeseitigung, sondern auch die "Art der Tötung" eines Menschen betraf. Ihre Schluûfolgerung, die Angeklagte habe ihre Erkenntnisse aus dem Gespräch nur für die Beseitigung der Leiche genutzt, schöpft den Beweiswert der Zeugenaussage daher nicht vollständig aus. Um die dem Gespräch beigemessene Bedeutung nachvollziehen zu können, hätte es deshalb der näheren
Darlegung der Aussage des Zeugen zum Zustandekommen, Verlauf und Inhalt seiner Unterhaltung mit der Angeklagten bedurft.
cc) Daû keiner der Wohnungsnachbarn die beiden Schüsse akustisch wahrgenommen hat, bewertet die Strafkammer ebenfalls als "mehrdeutiges" Indiz (UA 27). Die fehlende Wahrnehmung der Schüsse läût sich nach Auffassung des Landgerichts sowohl auf eine mögliche Geräuschabdeckung bei Abgabe der Schüsse unter Zuhilfenahme des später von der Angeklagten verbrannten Kopfkissens als auch auf den alltäglich herrschenden Lärm in der Hochhaussiedlung, in der sich die eheliche Wohnung der Angeklagten befand, zurückführen. Auch hier weist die Beweiswürdigung Lücken auf. Die Strafkammer setzt sich - trotz erfolgter Tatrekonstruktion - weder mit der Tatsache auseinander , daû in den späten Abend- bzw. Nachtstunden auch in einem Hochhaus die Intensität von Alltagsgeräuschen nachläût, noch damit, daû die Schüsse nach den getroffenen Feststellungen nicht unmittelbar nacheinander abgegeben wurden, sondern ein kurzer zeitlicher Abstand zwischen den Schüssen liegen muûte, was bei fehlender Schalldämpfung zusätzlich zu einer besseren Wahrnehmbarkeit führen konnte.
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
4. Mit der Urteilsaufhebung ist die sofortige Beschwerde der Angeklagten gegen die Kostenentscheidung und die Entscheidung über die Haftentschädigung im angefochtenen Urteil gegenstandslos.
Tepperwien Kuckein Athing
Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanoviæ ist infolge Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Tepperwien Sost-Scheible

(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.

(2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.