Bundessozialgericht Urteil, 20. Apr. 2016 - B 3 KR 18/15 R

bei uns veröffentlicht am20.04.2016

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2015 aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Mai 2012 zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 29 041,50 Euro festgesetzt.

Tatbestand

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Streitig ist die Vergütung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege im Oktober/November 2008.

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Der bei der Beklagten versicherte E. A. (im Folgenden: Versicherter) erlitt bei seiner Geburt am 10.8.2008 eine cerebrale Blutung mit perinataler Asphyxie, Krampfanfällen, Abnoen und respiratorischer Insuffizienz. Er wurde bis zum 19.8.2008 beatmet und erhielt bis zum 16.9.2008 eine antiepileptische Therapie, in deren Anschluss bis zur Entlassung aus der stationären Behandlung am 1.10.2008 keine Krampfanfälle mehr beobachtet wurden. Die Klinikärzte befürworteten in einem Arztbrief vom 24.9.2008 die Unterstützung der Mutter durch einen 24-stündigen Pflegedienst, da eine kontinuierliche Beobachtung bezüglich neu auftretender Anfälle zwingend erforderlich und durch die Mutter alleine nicht zu gewährleisten sei. Der Versicherte wurde am 1.10.2008 gemeinsam mit seiner Mutter in eine 24 Stunden täglich durch einen Sozialarbeiter betreute Mutter-Kind-Wohnung in Berlin entlassen.

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Die klagende GmbH erbringt im Raum Berlin häusliche Krankenpflegeleistungen und stand im Streitzeitraum ua mit der damaligen AOK Berlin, nicht aber mit der beklagten AOK in vertraglichen Beziehungen nach § 132a Abs 2 SGB V über die Erbringung häuslicher Krankenpflege. Mit einem in Berlin ansässigen Krankenpflegeunternehmen hatte die Beklagte keinen Vertrag nach § 132a Abs 2 SGB V.

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Die Klägerin beantragte unter Vorlage des genannten Arztbriefes per Telefax am 29.9.2008 bei der Beklagten die Kostenübernahme für häusliche Krankenpflege im Umfang von 24 Stunden täglich ab 1.10.2008 für den Versicherten in der betreuten Mutter-Kind-Wohnung, da es dort keine examinierte Kinderkrankenschwester gebe. Die Beklagte lehnte den Antrag zunächst ab, weil eine Mitgliedschaft bei ihr unter den angegebenen Daten nicht festzustellen sei.

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Mit Schreiben vom 9.10.2008, das am 13.10.2008 bei der Beklagten einging, bat die Klägerin erneut um Bewilligung häuslicher Krankenpflege in dem genannten Umfang und fügte eine entsprechende Verordnung der Kinderärztin vom 8.10.2008 bezüglich des Zeitraums vom 1.10.2008 bis 30.11.2008 sowie einen ausführlichen Entlassungsbericht des Krankenhauses bei.

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Nach Anforderung auch der Pflegedokumentation führte der Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) am 4.11.2008 aus, Krankenbehandlungen seien nicht erfolgt, und kontinuierliche Krankenpflege sei auch nicht erforderlich. Ausreichend sei vielmehr eine normale Säuglingskontrolle, -beobachtung und -versorgung, die auch von eingewiesenen Laien erbracht werden könne. Die Beklagte lehnte die Leistung häuslicher Krankenpflege daraufhin ab (Schreiben an die Klägerin und die verordnende Kinderärztin sowie Bescheid an die Mutter des Versicherten jeweils vom 17.11.2008). In einem nach Aktenlage gefertigten Sozialmedizinischen Gutachten des MDK vom 22.1.2009 wurde das Ergebnis des Vorgutachters bestätigt.

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Die Klägerin stellte der Beklagten für die Zeit vom 1.10.2008 bis 19.11.2008 insgesamt 1187 Stunden häuslicher Krankenpflege zu einem Stundensatz von 35 Euro (insgesamt 41 545 Euro) in Rechnung. Die Klage ist vor dem SG erfolglos geblieben (Urteil vom 16.5.2012). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 29 041,50 Euro zu zahlen und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 11.2.2015). Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Vergütungsanspruch der Klägerin sei in Höhe des ortsüblichen Stundensatzes von 28,50 Euro für die Zeit ab 8.10.2008 begründet. Die ärztliche Verordnung datiere erst von diesem Tag und eine rückwirkende Verordnung sei nicht möglich. Dem Grunde nach ergebe sich der Vergütungsanspruch unmittelbar aus Nr 26 der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von "häuslicher Krankenpflege" nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 und Abs 7 SGB V (HKP-RL). Zweck der Regelung sei es, Leistungsverzögerungen dadurch zu vermeiden, dass die Vergütung bereits während des Bewilligungsverfahrens gewährleistet werde, wenn die ärztliche Verordnung zeitnah vorgelegt werde. Für die Zeit ab 8.10.2008 hätten diese Voraussetzungen vorgelegen. Die in Berlin wohnhaften Versicherten der Beklagten könnten ihren Anspruch, häusliche Krankenpflege unverzüglich nach entsprechender vertragsärztlicher Verordnung zu erhalten, nur über vertragslose Pflegedienste verwirklichen, da die Beklagte als auswärtige Ortskrankenkasse keine vertraglichen Beziehungen nach § 132a Abs 2 SGB V zu in Berlin tätigen Pflegeunternehmen unterhalte. Aus diesem Grund könne eine Vertragsbeziehung zum Leistungserbringer keine Voraussetzung für den Vergütungsanspruch sein. Das Pflegeunternehmen trage bis zur Entscheidung der Krankenkasse nicht das Risiko, dass die vertragsärztlich verordnete häusliche Krankenpflege möglicherweise medizinisch nicht notwendig war, solange dies nicht offensichtlich gewesen sei.

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Mit ihrer Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V sowie gegen § 37 Abs 6 SGB V iVm § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V iVm Nr 26 HKP-RL. § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V setze für einen Vergütungsanspruch des Leistungserbringers einen Vertrag mit der Krankenkasse voraus. Dieser könne mit dem Leistungserbringer direkt oder auf Verbandsebene geschlossen werden, ggf auch nur für einen konkreten Einzelfall. Die Klägerin stehe jedoch in keiner vertraglichen Beziehung zur Beklagten, und es habe auch kein Kontrahierungszwang zu den Bedingungen der Klägerin bestanden. Sie - die Beklagte - habe vielmehr fortlaufend gegenüber der Klägerin erklärt, dass sie die Leistungen nicht für angemessen halte. Die HKP-RL beschreibe in erster Linie Art und Umfang der verordnungsfähigen Krankenpflegeleistungen für die Vertragsärzte, auch mit Wirkung für die Versicherten und die Krankenkassen. Die Pflegedienste würden durch diese Richtlinien nicht in eigenen Rechten betroffen. Jedenfalls enthielten die HKP-RL keine Anspruchsgrundlage für Vergütungsansprüche vertragsloser Pflegeunternehmen. Nr 26 HKP-RL verweise ausdrücklich auf die "vereinbarte Vergütung nach § 132a Abs 2 SGB V" und setze damit einen Vergütungsvertrag zwischen dem Leistungserbringer und der Krankenkasse voraus. Schließlich habe das Berufungsgericht zu Unrecht in Anwendung des § 812 Abs 1 Satz 1 1. Alt BGB, § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V die ortsübliche Vergütung zugrunde gelegt. Die Grundsätze der ungerechtfertigten Bereicherung seien auch dann nicht anwendbar, wenn im Übrigen ordnungsgemäß erbrachte und für den Versicherten geeignete und nützliche Leistungen von einem hierzu nicht berechtigten Leistungserbringer erbracht worden seien. Zudem sei nach den Ausführungen des MDK häusliche Krankenpflege in Form der 24-stündigen Krankenbeobachtung weder notwendig gewesen noch erbracht worden. Es habe sich vielmehr um eine "normale" Säuglingskontrolle, -beobachtung und -versorgung gehandelt.

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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2015 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Mai 2012 zurückzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie stützt sich im Wesentlichen auf die Ausführungen des Berufungsgerichts und weist die von der Beklagten geltend gemachten Rechtsverletzungen zurück.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung der von ihr für den Versicherten erbrachten Leistungen.

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1. Leistungserbringer können ihre Zahlungsansprüche grundsätzlich im Wege der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG geltend machen, denn es handelt sich dabei um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, ein Vorverfahren nicht durchzuführen und eine Klagefrist nicht einzuhalten ist (vgl zB BSGE 86, 166, 167 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 1; BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 20 RdNr 7; für Apotheken: BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 1 bis 3, 6, 7, 9 sowie SozR 4-2500 § 129a Nr 1; BSG Urteil vom 25.11.2015 - B 3 KR 16/15 R - für BSGE und SozR 4-2500 § 129 Nr 11 vorgesehen, jeweils mwN).

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2. Rechtsgrundlage der Vergütungsansprüche von Pflegediensten für die Versorgung von Versicherten mit häuslicher Krankenpflege ist für den hier betroffenen Zeitraum im Oktober/November 2008 § 132a Abs 2 SGB V idF durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) iVm dem jeweils geltenden Vertrag zwischen der Krankenkasse und dem Leistungserbringer nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V. Rahmenempfehlungen über die einheitliche Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 1 SGB V waren für diesen Zeitraum nicht vereinbart(vgl BT-Drucks 17/10170 S 26). Auch gelten für die Klägerin keine durch einen insoweit bevollmächtigten Verband abgeschlossenen Rahmenbedingungen.

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Die Voraussetzungen für das Entstehen eines solchen öffentlich-rechtlichen Vergütungsanspruchs lagen für die streitgegenständliche Forderung mangels eines Versorgungs- und Vergütungsvertrags zwischen der Beklagten und der Klägerin nicht vor. Verträge nach § 132a Abs 2 SGB V(in der og Fassung) werden zwischen einzelnen Krankenkassen und Pflegediensten oder auf Verbandsebene, dh durch einen Verband von Krankenkassen und einen Verband von Pflegediensten geschlossen, wenn diese zum Abschluss entsprechender Vereinbarungen für ihre Mitglieder bevollmächtigt sind oder die auf Verbandsebene ausgehandelten Verträge akzeptieren (vgl hierzu zB Dalichau in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 132a SGB V RdNr 28). Die Klägerin und die Beklagte sind weder selbst noch über entsprechende Verbände vertragliche Beziehungen nach § 132a Abs 2 SGB V eingegangen.

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3. Nach Nr 26 der HKP-RL id am 11.6.2008 in Kraft getretenen Fassung vom 17.1.2008 übernimmt die Krankenkasse bis zur Entscheidung über die Genehmigung die Kosten für die vom Vertragsarzt verordneten und vom Pflegedienst erbrachten Leistungen entsprechend der vereinbarten Vergütung nach § 132a Abs 2 SGB V, wenn die Verordnung spätestens an dem dritten der Ausstellung folgenden Arbeitstag der Krankenkasse vorgelegt wird. Das Nähere regeln die Partner der Rahmenempfehlungen nach § 132a Abs 1 SGB V.

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Nach dieser Vorschrift kann dem Vergütungsanspruch des Leistungserbringers unter den genannten Voraussetzungen zwar grundsätzlich bis zur Entscheidung der Krankenkasse über die Genehmigung die fehlende medizinische Notwendigkeit der Leistung nur in engen Grenzen entgegengehalten werden (hierzu a), und die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) erlassene Regelung der HKP-RL ist verfassungskonform und auch für Leistungserbringer verbindlich (hierzu b). Die Vorschrift bildet jedoch keine vom Vertrag nach § 132a Abs 2 SGB V unabhängige Anspruchsgrundlage für den Vergütungsanspruch, sondern setzt grundsätzlich eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Leistungserbringer und der Krankenkasse voraus(hierzu c). Zudem muss die tatsächlich erbrachte Leistung der häuslichen Krankenpflege der vertraglichen (Vergütungs-)Vereinbarung (hierzu d) und der Leistungsbeschreibung der HKP-RL (hierzu e) entsprechen. Nach der Gesamtbetrachtung besteht hier kein Anlass, einen Ausnahmefall anzunehmen, in dem ausnahmsweise eine Vergütung ohne entsprechenden Vertrag zu zahlen wäre (hierzu f).

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a) Wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, richtet sich der Anspruch des Leistungserbringers auf die vertraglich vereinbarte Vergütung gemäß § 132a Abs 2 SGB V aufgrund der Regelung der Nr 26 der HKP-RL (idF vom 17.1.2008) in der Zeit von der Ausstellung der ärztlichen Verordnung bis zur Entscheidung über die Genehmigung seitens der Krankenkasse allein nach der vertragsärztlichen Verordnung und den vom Pflegedienst entsprechend erbrachten Leistungen, wenn die Verordnung spätestens an dem dritten der Ausstellung folgenden Arbeitstag der Krankenkasse vorgelegt wird. Diesem Vergütungsanspruch des Leistungserbringers kann die Krankenkasse bis zu ihrer Entscheidung über die Leistung die fehlende medizinische Notwendigkeit nur entgegenhalten, wenn für den Leistungserbringer klar erkennbar war, dass die häusliche Krankenpflege nicht wie verordnet medizinisch notwendig sein konnte (vgl hierzu BSG Urteil vom 20.4.2016 - B 3 KR 17/15 R - vorgesehen für BSGE und SozR). Der GBA will mit dieser Regelung (heute: § 6 Abs 6 HKP-RL) dem Leistungserbringer das Risiko abnehmen, dass sich die vertragsärztlich verordnete Leistung bei der Prüfung im Genehmigungsverfahren als medizinisch nicht notwendig erweisen sollte, damit der Versicherte für die Dauer des Genehmigungsverfahrens nicht auf eigenes Risiko in Vorleistung treten muss und der Leistungserbringer unabhängig von Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft des Versicherten von Anfang an zur Leistungserbringung bereit ist.

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b) Dem Berufungsgericht ist darüber hinaus auch insoweit zu folgen, als die HKP-RL als untergesetzliche Rechtsnormen auch für die Leistungserbringer verbindliche Regelungen enthalten, und Nr 26 HKP-RL verfassungsgemäß ist. Der Gesetzgeber hat mWv 1.1.2004 durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) in § 91 Abs 9 SGB V ausdrücklich bestimmt, dass die Beschlüsse des GBA - mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 137b SGB V und zu Empfehlungen nach § 137f SGB V - für die Versicherten, die Krankenkassen und für die an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer sowie die zugelassenen Krankenhäuser verbindlich sind. Für den hier maßgeblichen Zeitraum Oktober/November 2008 bestimmt § 91 Abs 6 SGB V die Verbindlichkeit der Beschlüsse des GBA ua für die Leistungserbringer, was - mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 136d SGB V - bis heute gilt.

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Das BSG hatte bereits vor Einführung dieser gesetzlichen Regelung entschieden, dass die von dem damaligen Bundesausschuss für Ärzte und Krankenkassen erlassenen Richtlinien als außenwirksame Rechtsnormen auch zu Lasten von Ärzten und Versicherten zu qualifizieren sind und daran in ständiger Rechtsprechung aller mit diesen Fragen betrauten Senate festgehalten (so zuerst der 6. Senat BSGE 78, 70, 74 ff = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 29 ff - Methadon-Richtlinie; und jüngst BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 14/14 R - SozR 4-2500 § 34 Nr 17 RdNr 35 mwN, auch für BSGE vorgesehen; zur Rechtsprechung des 3. Senats s etwa: BSGE 87, 105, 110 f = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 7 f und jüngst Urteil vom 22.4.2015 - B 3 KR 16/14 R - NZS 2015, 617, 621 RdNr 25 mwN; zur Rechtsprechung des 1. Senats vgl zB BSGE 81, 54, 63 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 18 f; SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 20; SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 11; sowie Urteil vom 2.9.2014 - B 1 KR 65/12 R - Juris RdNr 13 mwN).

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An der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsetzung des GBA hat der Senat auch unter Berücksichtigung der hierzu jüngst ergangenen Entscheidung des BVerfG vom 10.11.2015 (1 BvR 2056/12, KrV 2015, 236) bezogen auf die HKP-RL nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6, Abs 7 SGB V keine Zweifel(zur HKP-RL so zuletzt auch BSGE 118, 122 = SozR 4-2500 § 37 Nr 13, RdNr 21; vgl daneben auch BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21, RdNr 26; BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 34; bereits die og Entscheidung des BVerfG berücksichtigend: BSG Urteil vom 15.12.2015 - B 1 KR 30/15 R - Juris RdNr 42 ff, für BSGE und SozR 4-2500 § 34 Nr 18 vorgesehen). Das BVerfG hat in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass die demokratische Legitimation des GBA zum Erlass einer verbindlichen Richtlinie fehlen könne, wenn diese zB mit hoher Intensität Angelegenheiten Dritter regele, die an deren Entstehung nicht mitwirken könnten. Maßgeblich sei insbesondere, inwieweit der GBA für seine zu treffenden Entscheidungen gesetzlich angeleitet sei (vgl Beschluss des BVerfG vom 10.11.2015 - 1 BvR 2056/12 - KrV 2015, 236). § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 iVm Abs 7 SGB V enthält eine hinreichend bestimmte Anleitung des GBA zum Erlass von Richtlinien zur Verordnung von häuslicher Krankenpflege. Neben einer Generalermächtigung und einer Aufgabenzuweisung enthalten § 92 Abs 7 Satz 1 Nr 1 bis 5 SGB V nF detaillierte Ermächtigungen, die inhaltlich hinreichend bestimmt sind, insbesondere im Hinblick auf die HKP-RL. Die vom GBA erlassene HKP-RL (hier die am 11.6.2008 in Kraft getretene Fassung) hält sich - soweit sie hier zur Anwendung kommt - im Rahmen dieser konkreten inhaltlichen Vorgaben der gesetzlichen Ermächtigung. Zudem ist den in § 132a Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Leistungserbringern vor der Entscheidung des GBA über die Richtlinien zur Verordnung von häuslicher Krankenpflege Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen(§ 92 Abs 7 Satz 2 SGB V). Damit sind die Leistungserbringer an der Entscheidungsfindung beteiligt, auch wenn sie an dem eigentlichen Normsetzungsakt nicht mitwirken.

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c) Nr 26 der HKP-RL (idF vom 17.1.2008) enthält jedoch keine eigene, von den gesetzlichen Vorschriften unabhängige Anspruchsgrundlage für den Vergütungsanspruch der Leistungserbringer, sondern setzt ebenfalls eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Leistungserbringer und der Krankenkasse voraus. Denn die HKP-RL enthalten Vorgaben zur Konkretisierung der gesetzlichen Ansprüche für alle Beteiligten, dh sowohl für die Versorgungsansprüche der Versicherten als auch insbesondere Regelungen zur Umsetzung dieser Ansprüche und zur Zusammenarbeit mit dem Leistungserbringer (vgl § 92 Abs 7 Satz 1 SGB V). Es ist inzwischen ständige Rechtsprechung (vgl zB BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5, RdNr 15; BSGE 106, 303 = SozR 4-2500 § 129 Nr 6, RdNr 12 f; BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 3 RdNr 12; BSG Urteil vom 17.11.2015 - B 1 KR 30/14 R - Juris), dass es sich bei den Vergütungsansprüchen der Leistungserbringer gegenüber den Krankenkassen grundsätzlich um öffentlich-rechtliche Ansprüche handelt, die auf gesetzlich näher konkretisierten Verträgen mit regelmäßig normativem Charakter beruhen. Inhaltliche Vorgaben für diese Vergütungsverträge finden sich ua auch in den Richtlinien des GBA, hier in den HKP-RL. Diese kann aber keine selbstständige, von den gesetzlichen Vorgaben und dem entsprechenden Vertrag unabhängigen Ansprüche begründen, sondern lediglich innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens konkretisierende inhaltliche Vorgaben (zB zur Ausgestaltung der Verträge) geben. Nr 26 HKP-RL hat allein die Funktion, für den Zeitraum zwischen Ausstellung der vertragsärztlichen Verordnung über häusliche Krankenpflege und der Entscheidung der Krankenkasse über den Anspruch des Versicherten auf diese Leistung die Verordnung als Grundlage für den Anspruch ausreichen zu lassen. Insbesondere erweitert sie nicht den Kreis der leistungsberechtigten Pflegedienste und unterscheidet sich insoweit deutlich etwa von § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V, der es den Versicherten ermöglicht, in Notfällen auch nicht zugelassene Ärzte in Anspruch zu nehmen mit der Folge, dass diesem unmittelbar kraft Gesetzes Vergütungsansprüche gegen die Kassenärztliche Vereinigung zuwachsen(vgl BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 2 RdNr 5). Ob und unter welchen Voraussetzungen die HKP-RL noch ermächtigungskonform wäre, wenn sie abweichend von § 132a Abs 2 SGB V auch vertragslosen Leistungserbringern - ggf unter besonderen Voraussetzungen - eine Leistungsberechtigung und einen entsprechenden Vergütungsanspruch zubilligen würde, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn der eindeutige Wortlaut der Nr 26 der HKP-RL setzt gerade in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften grundsätzlich eine "vereinbarte Vergütung nach § 132a Abs 2 SGB V" voraus.

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Damit knüpft der Wortlaut der Regelung der Nr 26 HKP-RL ausdrücklich an einen mit dem Leistungserbringer der häuslichen Krankenpflege geschlossenen Vergütungsvertrag nach § 132a Abs 2 SGB V an. Der GBA geht bei dieser Regelung - ebenso wie der Gesetzgeber - davon aus, dass die Krankenkassen die Versorgung ihrer Versicherten mit häuslicher Krankenpflege durch den Abschluss von Verträgen nach § 132a Abs 2 SGB V sicherstellen. Um zugleich Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen zu gewährleisten (§ 12 SGB V), kann sich die Kostenübernahme nur an den Versorgungs- und Vergütungsverträgen nach § 132a Abs 2 SGB V orientieren. Denn die personellen und qualitativen Voraussetzungen der Leistungserbringung werden bei der häuslichen Krankenpflege erst durch die vertraglichen Beziehungen zu dem einzelnen Leistungserbringer sichergestellt. Während zB die Leistungserbringer von Heilmitteln zur Versorgung der Versicherten erst berechtigt sind, wenn die Landesverbände der Krankenkassen bzw die Ersatzkassen ihnen eine Zulassung erteilt haben (§ 124 Abs 5 SGB V), sieht das Gesetz eine solche Zulassung der Pflegedienste zur Versorgung der Versicherten mit häuslicher Krankenpflege nicht vor. Hier kommt eine entsprechende Zulassungswirkung und Zulassungsfunktion den Verträgen nach § 132a Abs 2 SGB V zu(vgl hierzu zB Dalichau in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 132a SGB V RdNr 29). Ohne vertragliche Beziehungen der Krankenkasse zu dem einzelnen Leistungserbringer sind daher die personellen und qualitativen Voraussetzungen sowie die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung nicht gewährleistet. Leistungserbringer, die zu einer anderen Krankenkasse in Vertragsbeziehungen stehen, haben nur dieser gegenüber die Einhaltung der vertraglichen Bedingungen zugesichert. Mangels vertragsübergreifend gültiger Rahmenempfehlungen und Rahmenbedingungen wird die Einhaltung von personellen und qualitativen Mindeststandards der Leistungserbringung sowie des Wirtschaftlichkeitsgebotes nur durch Verträge gesichert, die als Einzelverträge oder auf Verbandsebene geschlossen werden können, jeweils aber nur Wirkungen "inter pares" nicht "inter omnes" entfalten.

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d) Die Vorschrift der Nr 26 HKP-RL (idF vom 17.1.2008) gewährt darüber hinaus ihrem Wortlaut nach einen Vergütungsanspruch nur für solche Leistungen, die in der Vergütungsvereinbarung aufgeführt sind. Nicht alle Verträge nach § 132a Abs 2 SGB V sehen hinsichtlich der Versorgung mit spezieller Krankenbeobachtung für 24 Stunden täglich eine Vergütungsregelung vor. Ohne vertragliche Regelung wird - soweit diese Leistung vom Vertragsarzt verordnet wird und medizinisch erforderlich ist - eine Einzelvereinbarung abgeschlossen, in der sich die Höhe der Vergütung nach den im konkreten Einzelfall erforderlichen medizinischen (und ggf pflegerischen) Leistungen richtet. Dies basiert darauf, dass bei dieser Leistung der Aufwand und die Anforderungen an die Leistungserbringung je nach Einzelfall ganz unterschiedlich sein können. Vielfach trägt auch die Pflegekasse oder der Versicherte selbst oder ein anderer Träger einen Teil der Kosten; diese sind dann an der Vereinbarung zu beteiligen. Gerade im Bereich dieser besonders zeitaufwendigen und damit teuren Leistung der häuslichen Krankenpflege können sich daher auch solche Leistungserbringer, die mit der Krankenkasse ihres Patienten einen gültigen Versorgungs- und Vergütungsvertrag geschlossen haben, nicht darauf verlassen, dass die allein aufgrund der ärztlichen Verordnung erbrachte Leistung ohne Weiteres vergütet wird, wenn sich in dem Vergütungsvertrag keine Regelung zu dieser Leistung findet. Es sind dann vor der Leistungserbringung Absprachen mit der Krankenkasse erforderlich.

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Die Vertragspartner dieser Verträge halten die Nichteinigung in Bezug auf eine generelle Vergütung für die spezielle Krankenbeobachtung für 24 Stunden täglich offenbar für sachgerecht, sonst könnten sie nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V den Vertragsinhalt durch eine von den Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson festlegen lassen.

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Gerade im Bereich der häuslichen Krankenpflege für 24 Stunden täglich kann daher eine Leistung nur dann dem Wirtschaftlichkeitsgebot genügen, wenn sie auf einer konkreten Vergütungsvereinbarung beruht. Das wird nicht nur an der Komplexität der Leistung deutlich, sondern auch daran, dass bei nachträglicher Festsetzung einer angemessenen Vergütung unklar bleibt, ob diese an den üblichen Verträgen der Klägerin oder der Beklagten oder der Ortskrankenkasse am Wohnsitz des Versicherten zu bemessen ist.

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e) Offenbleiben kann, ob die von der Klägerin erbrachten Leistungen den Vorgaben der HKP-RL (in der am 11.6.2008 in Kraft getretenen Fassung) entsprechen. Der öffentlich-rechtliche Vergütungsanspruch setzt grundsätzlich voraus, dass die vom Pflegedienst erbrachte Leistung der Leistungsbeschreibung der HKP-RL entspricht. Denn diese ist auch für die Leistungserbringer verbindlich. Die HKP-RL enthält in der Anlage ein Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege. Dort nicht aufgeführte Maßnahmen sind nach I. Nr 4 der HKP-RL (in der og Fassung) nicht als häusliche Krankenpflege verordnungs- und genehmigungsfähig. Eine Leistungsbeschreibung für die spezielle Krankenbeobachtung findet sich unter der laufenden Nr 24 der Anlage (in der og Fassung). Danach setzt diese Leistung die kontinuierliche Dokumentation der Vitalfunktionen wie: Puls, Blutdruck, Temperatur, Haut, Schleimhaut über mindestens 24 Stunden voraus - in begründeten Fällen auch weniger - mit dem Ziel festzustellen, ob die ärztliche Behandlung zu Hause sichergestellt werden kann oder ob Krankenhausbehandlung erforderlich ist, einschließlich aller in diesem Zeitraum anfallender pflegerischen Maßnahmen.

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Obwohl der Senat im Hinblick auf die Stellungnahme und das Gutachten des MDK sowie die vorliegende Pflegedokumentation erhebliche Zweifel daran hat, ob die von der Klägerin erbrachten Leistungen diesen Vorgaben entsprechen (danach hat die Klägerin lediglich einzelne Vitalfunktionen und diese auch nicht kontinuierlich sondern lediglich punktuell dokumentiert, was auch im Rahmen punktueller Einsätze des häuslichen Pflegedienstes hätte erfolgen können), bedurfte es diesbezüglich keiner Anhörung der Klägerin bzw Zurückverweisung zur näheren Aufklärung des Sachverhalts. Denn angesichts der fehlenden vertraglichen Beziehungen zwischen den Beteiligten nach § 132a Abs 2 SGB V kommt es hierauf nicht entscheidend an.

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f) Ohne vertragliche Beziehungen zwischen dem Krankenversicherungsträger und dem Leistungserbringer nach § 132a Abs 2 SGB V kommt ein Vergütungsanspruch für Leistungen der häuslichen Krankenpflege nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht. Es kann dahingestellt bleiben, wann das ausnahmsweise der Fall sein könnte (denkbar sind solche Ausnahmefälle zB in Notfällen oder für den Zeitraum zwischen der Kündigung eines Vergütungsvertrages und dem Abschluss neuer Preisvereinbarungen), denn in der hier zu beurteilenden Konstellation besteht jedenfalls kein Anlass für die Annahme einer notstandsähnlichen Lage.

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aa) Ein solcher Ausnahmefall kann sich nicht daraus ergeben, dass die Klägerin möglicherweise einen Anspruch auf Abschluss eines Versorgungs- und Vergütungsvertrages hatte. Aufgrund ihrer vertraglichen Beziehungen zu anderen Krankenkassen bestanden zwar keine grundsätzlichen Bedenken gegen ihre Eignung und Befähigung, und in ihren Anträgen auf Versorgung des Versicherten mit häuslicher Krankenpflege könnte zugleich auch ein Antrag auf Abschluss eines Vertrages für den Einzelfall liegen. Gerade aber bezüglich der Versorgung des Versicherten war die Beklagte nicht verpflichtet, mit der Klägerin einen Versorgungs- und Vergütungsvertrag zu schließen, bevor nicht die Sach- und Rechtslage - insbesondere die medizinische Notwendigkeit der Versorgung des Versicherten mit häuslicher Krankenpflege - abschließend geklärt war. Nach Nr 21 der HKP-RL (idF vom 17.1.2008) bedürfen die vom Versicherten durch Vorlage der vertragsärztlichen Verordnung beantragten Leistungen der Genehmigung durch die Krankenkasse. Soweit Nr 26 HKP-RL (idF vom 17.1.2008) abweichend davon bereits für die Zeit vor der Erteilung der Genehmigung die Leistungserbringung allein aufgrund einer vertragsärztlichen Verordnung zulässt, kann diese Regelung nicht ohne Weiteres über ihren Wortlaut hinaus auf vertragslose Leistungserbringer ausgedehnt werden.

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bb) Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, der Versicherte habe die Leistung zeitgerecht nicht anders als durch ein vertragsloses Unternehmen in Anspruch nehmen können. Nach § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V dürfen zwar im Notfall auch andere als zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Ärzte und die übrigen in Abs 1 der Vorschrift genannten Einrichtungen und Krankenhäuser in Anspruch genommen werden und erwerben durch die Notfallbehandlung einen eigenen Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse(vgl zB BSGE 15, 169 = SozR Nr 1 zu § 368d RVO; BSGE 71, 117, 118 f = SozR 3-2500 § 120 Nr 2 S 12 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 2 RdNr 5; vgl auch BGHZ 23, 227 ff; BSG Urteil vom 8.9.2015 - B 1 KR 14/14 R - Juris RdNr 14). Unabhängig davon, dass es für die Inanspruchnahme von häuslicher Krankenpflege an einer vergleichbaren gesetzlichen Regelung fehlt, lag auch kein Notfall in dem Sinne vor, wie ihn ein Behandlungsanspruch durch Nichtvertragsärzte voraussetzt. Denn dazu muss ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf vorliegen, der sofort befriedigt werden muss und keine Zeit zum Aufsuchen oder Herbeirufen von zugelassenen Leistungserbringern belässt (vgl BSG SozR 3-2500 § 76 Nr 2 S 4; BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 30 mwN; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 23; s ferner zu § 368d RVO: BSGE 19, 270, 272 = SozR Nr 2 zu § 368d RVO; BSGE 34, 172, 174 = SozR Nr 6 zu § 368d RVO; zum unterschiedlichen Dringlichkeitsbedarf auch gegenüber einer unaufschiebbaren Leistung iS des § 13 Abs 3 SGB V vgl BSG Urteil vom 8.9.2015 - B 1 KR 14/14 R - Juris RdNr 15).

32

Zum Zeitpunkt der Entlassung des Versicherten aus der stationären Behandlung am 1.10.2008 lag ein solcher Notfall mit besonderer Eilbedürftigkeit nicht vor. Die Klinikärzte befürworteten in dem Arztbrief vom 24.9.2008 zwar die Unterstützung der Mutter durch einen 24-stündigen Pflegedienst zur Beobachtung im Hinblick auf neu auftretende Krampfanfälle, sie verordneten indes keine häusliche Krankenpflege. Nach Nr 31 der HKP-RL (id am 11.6.2008 in Kraft getretenen Fassung vom 10.4.2008) kann der Krankenhausarzt anstelle des Vertragsarztes häusliche Krankenpflege bis zum Ablauf des dritten auf die Entlassung folgenden Werktags verordnen; er soll in diesem Fall den weiterbehandelnden Vertragsarzt rechtzeitig vor der Entlassung aus dem Krankenhaus informieren. Außerdem hat das Krankenhaus nach dem durch § 11 Abs 4 SGB V(idF vom 28.5.2008) geregelten Versorgungsmanagement beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche für eine sachgerechte Anschlussversorgung zu sorgen. Es war also verpflichtet, eine im Anschluss an die stationäre Behandlung erforderliche häusliche Krankenpflege rechtzeitig vor der Entlassung des Versicherten zu planen und einzuleiten.

33

Deshalb darf ein Krankenpflegedienst - jedenfalls solange weder ein Vertragsarzt noch die behandelnden Krankenhausärzte für die ersten Tage nach der Entlassung häusliche Krankenpflege verordnet haben, obwohl sich der Versicherte in deren medizinischer Behandlung befindet - nicht von sich aus vom Vorliegen eines medizinischen Notfalls zur Erbringung häuslicher Krankenpflege ausgehen. Die Klägerin hatte die Kostenübernahme für die häusliche Krankenpflege bereits zwei Tage vor der Entlassung des Versicherten, am 29.9.2008 per Fax bei der Beklagten beantragt und sich dabei lediglich auf den genannten Arztbrief gestützt. Trotz der daraufhin erfolgten falschen Auskunft der Beklagten in Bezug auf die Mitgliedschaft des Versicherten, wäre jedenfalls genügend Zeit gewesen - ggf gemeinsam mit der Mutter des versicherten Säuglings - auf eine entsprechende ärztliche Verordnung durch die Klinikärzte oder einen Vertragsarzt hinzuwirken. Der genannte Arztbrief zeigt indes, dass die Klinikärzte die Situation gesehen, häusliche Krankenpflege aber gerade nicht verordnet haben, sondern im Rahmen des Versorgungsmanagements den Arztbrief und die Unterbringung des Versicherten in einer 24 Stunden täglich durch einen Sozialarbeiter betreuten Mutter-Kind-Wohnung für ausreichend hielten. Ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf im Sinne eines Notfalls, der sofort befriedigt werden muss, lag mithin nicht vor.

34

Vor diesem - auch der Klägerin bekannten - Hintergrund konnte bei unveränderter medizinischer Situation auch am 8.10.2008, als erstmals häusliche Krankenpflege (vertrags)ärztlich verordnet wurde, nicht von einem Notfall ausgegangen werden, der sofort befriedigt werden musste und keine Zeit zum Aufsuchen oder Herbeirufen von zugelassenen Leistungserbringern bzw entsprechenden Absprachen mit der Klägerin beließ. Zwar hat die verordnende Vertragsärztin - anders als die Krankenhausärzte - die Verordnung von häuslicher Krankenpflege medizinisch für notwendig erachtet, für eine besondere Eilbedürftigkeit liegen jedoch - auch unter Berücksichtigung der zeitlichen Abfolge - keine Anhaltspunkte vor. Insbesondere enthält die ärztliche Verordnung keine Angaben dazu, welche Leistungen der medizinischen Behandlungspflege im Einzelnen zu erbringen sind oder welche Vitalparameter iS der Nr 24 des Verzeichnisses verordnungsfähiger Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege nach der Anlage zur HKP-RL kontinuierlich über 24 Stunden täglich zu dokumentieren sind. Erst daraus hätten sich aber die konkreten Anforderungen an die Leistungserbringung im Einzelfall ergeben können. Vor dem Hintergrund der vorliegend erkennbar schwierigen Abgrenzung der sozialen Indikation für die Unterstützung der Mutter bei der sachgerechten Versorgung des Versicherten von Gründen für eine medizinische Versorgung des Versicherten mit häuslicher Krankenpflege konnte die Beklagte ohne eindeutige ärztliche Stellungnahme nicht gezwungen sein, die erst am 13.10.2008 bei ihr eingegangene vertragsärztliche Verordnung ohne Prüfung der medizinischen Notwendigkeit sofort - und nach Auffassung des Berufungsgerichts sogar rückwirkend seit Ausstellung der vertragsärztlichen Verordnung am 8.10.2008 - zu den Bedingungen der Klägerin umzusetzen.

35

cc) Außerhalb von Notfällen können sich Leistungserbringer grundsätzlich nicht darauf berufen, die Krankenkasse könne eine Leistung nicht oder nicht zeitgerecht zur Verfügung stellen. Denn sollte eine Krankenkasse im Einzelfall ihrem Sicherstellungsauftrag nicht gerecht werden, könnte ein Leistungserbringer daraus grundsätzlich keine Rechte für sich ableiten. Der Sicherstellungsauftrag dient lediglich den Interessen der Versicherten. Aus diesem Grund ist es auch unerheblich, ob die Beklagte zur Sicherstellung des Pflegebedarfs ihrer Versicherten verpflichtet war, mit (mindestens) einem in Berlin ansässigen Pflegeunternehmen einen entsprechenden Versorgungs- und Vergütungsvertrag abzuschließen. Das ergibt sich schon daraus, dass die Beklagte ihrem Sicherstellungsauftrag auch durch Verträge mit anderen in Berlin ansässigen Pflegeunternehmen oder mit bei ihr selbst angestellten geeigneten Personen (§ 132a Abs 2 Satz 10 SGB V idF vom 26.3.2007) hätte nachkommen können.

36

Für den Fall, dass die Krankenkasse eine Leistung nicht zeitgerecht zur Verfügung stellen kann, sind zudem die Rechte der Versicherten gesetzlich detailliert geregelt. Diese gesetzlichen Regelungen zu den Ansprüchen der Versicherten lassen es nicht zu, einem vertragslosen Leistungserbringer einen direkten Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse einzuräumen. So hat die Krankenkasse nach § 37 Abs 4 SGB V dem Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft für die häusliche Krankenpflege in angemessener Höhe zu erstatten, wenn sie selbst keine Kraft stellen kann oder Grund besteht, davon abzusehen. § 13 Abs 3 SGB V gewährt dem Versicherten ebenfalls einen Anspruch auf Kostenerstattung für die selbstbeschaffte Leistung, der auch als Anspruch auf Freistellung von Kosten anerkannt ist, soweit eine Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann. Der Versicherte wäre also - für den Fall einer unaufschiebbaren Leistung - berechtigt gewesen, sich die Leistung zu Lasten der Beklagten durch einen geeigneten, vertragslosen Leistungserbringer wie die Klägerin selbst zu beschaffen. Auf diesem Weg erwirbt aber lediglich der Versicherte, nicht der Leistungserbringer, Ansprüche gegen die Krankenkasse.

37

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG.

Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Urteil, 20. Apr. 2016 - B 3 KR 18/15 R

Urteilsbesprechungen zu Bundessozialgericht Urteil, 20. Apr. 2016 - B 3 KR 18/15 R

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
Bundessozialgericht Urteil, 20. Apr. 2016 - B 3 KR 18/15 R zitiert 26 §§.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 13 Kostenerstattung


(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. (2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 92 Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses


(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erforder

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 12 Wirtschaftlichkeitsgebot


(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungs

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 69 Anwendungsbereich


(1) Dieses Kapitel sowie die §§ 63 und 64 regeln abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der B

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 91 Gemeinsamer Bundesausschuss


(1) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden einen Gemeinsamen Bundesausschuss. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist rechtsfähig. Er wird durch den Vorsitzenden

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 37 Häusliche Krankenpflege


(1) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen neben der ärztl

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 11 Leistungsarten


(1) Versicherte haben nach den folgenden Vorschriften Anspruch auf Leistungen 1. bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§§ 24c bis 24i),2. zur Verhütung von Krankheiten und von deren Verschlimmerung sowie zur Empfängnisverhütung, bei Sterilisation und

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 76 Freie Arztwahl


(1) Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach § 116b an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, de

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 124 Zulassung


(1) Heilmittel, die als Dienstleistungen abgegeben werden, insbesondere Leistungen der Physiotherapie, der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie, der Ergotherapie, der Podologie oder der Ernährungstherapie, dürfen an Versicherte nur von zugelassenen Lei

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 132a Versorgung mit häuslicher Krankenpflege


(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene haben unter Berücksichtigung der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 gemeinsam Rahmen

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 137f Strukturierte Behandlungsprogramme bei chronischen Krankheiten


(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 legt in Richtlinien nach Maßgabe von Satz 2 geeignete chronische Krankheiten fest, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizi

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 137b Aufträge des Gemeinsamen Bundesausschusses an das Institut nach § 137a


(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt zur Entwicklung und Durchführung der Qualitätssicherung sowie zur Verbesserung der Transparenz über die Qualität der ambulanten und stationären Versorgung Aufträge nach § 137a Absatz 3 an das Institut nac

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 136d Evaluation und Weiterentwicklung der Qualitätssicherung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss


Der Gemeinsame Bundesausschuss hat den Stand der Qualitätssicherung im Gesundheitswesen festzustellen, sich daraus ergebenden Weiterentwicklungsbedarf zu benennen, eingeführte Qualitätssicherungsmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin zu bewerten und Empf

Referenzen - Urteile

Bundessozialgericht Urteil, 20. Apr. 2016 - B 3 KR 18/15 R zitiert oder wird zitiert von 13 Urteil(en).

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Bundessozialgericht Urteil, 15. Dez. 2015 - B 1 KR 30/15 R

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Bundessozialgericht Urteil, 17. Nov. 2015 - B 1 KR 30/14 R

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Bundessozialgericht Urteil, 13. Mai 2015 - B 6 KA 14/14 R

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Bundessozialgericht Urteil, 22. Apr. 2015 - B 3 KR 16/14 R

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Bundessozialgericht Urteil, 02. Sept. 2014 - B 1 KR 65/12 R

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Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. November 2012 wird zurückgewiesen.
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Bundessozialgericht Urteil, 16. März 2017 - B 3 KR 24/15 R

bei uns veröffentlicht am 16.03.2017

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 16. März 2017 - B 3 KR 14/16 R

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Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 16. März 2017 - B 3 KR 15/16 R

bei uns veröffentlicht am 16.03.2017

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene haben unter Berücksichtigung der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 gemeinsam Rahmenempfehlungen über die einheitliche und flächendeckende Versorgung mit häuslicher Krankenpflege abzugeben; für Pflegedienste, die einer Kirche oder einer Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts oder einem sonstigen freigemeinnützigen Träger zuzuordnen sind, können die Rahmenempfehlungen gemeinsam mit den übrigen Partnern der Rahmenempfehlungen auch von der Kirche oder der Religionsgemeinschaft oder von dem Wohlfahrtsverband abgeschlossen werden, dem die Einrichtung angehört. Vor Abschluß der Vereinbarung ist der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in den Entscheidungsprozeß der Partner der Rahmenempfehlungen einzubeziehen. In den Rahmenempfehlungen sind insbesondere zu regeln:

1.
Eignung der Leistungserbringer einschließlich Anforderungen an die Eignung zur Versorgung nach § 37 Absatz 7,
2.
Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Fortbildung,
3.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des Leistungserbringers mit dem verordnenden Vertragsarzt und dem Krankenhaus,
4.
Grundsätze der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung einschließlich deren Prüfung,
5.
Grundsätze der Vergütungen und ihrer Strukturen einschließlich der Transparenzvorgaben für die Vergütungsverhandlungen zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Tariflöhne oder Arbeitsentgelte sowie erstmals bis zum 30. Juni 2019 Grundsätze für die Vergütung von längeren Wegezeiten, insbesondere in ländlichen Räumen, durch Zuschläge unter Einbezug der ambulanten Pflege nach dem Elften Buch,
6.
Grundsätze zum Verfahren der Prüfung der Leistungspflicht der Krankenkassen sowie zum Abrechnungsverfahren einschließlich der für diese Zwecke jeweils zu übermittelnden Daten und
7.
Anforderungen an die Eignung der Pflegefachkräfte, die Leistungen im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbringen, sowie Maßnahmen zur Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit der im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbrachten Leistungen.
Um den Besonderheiten der intensivpflegerischen Versorgung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege Rechnung zu tragen, sind in den Rahmenempfehlungen auch Regelungen über die behandlungspflegerische Versorgung von Versicherten, die auf Grund eines besonders hohen Bedarfs an diesen Leistungen oder einer Bedrohung ihrer Vitalfunktion einer ununterbrochenen Anwesenheit einer Pflegekraft bedürfen, vorzusehen. In den Rahmenempfehlungen nach Satz 4 Nummer 6 können auch Regelungen über die nach § 302 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 in Richtlinien geregelten Inhalte getroffen werden; in diesem Fall gilt § 302 Absatz 4. Die Inhalte der Rahmenempfehlungen sind den Verträgen nach Absatz 4 zugrunde zu legen.

(2) Kommt eine Rahmenempfehlung nach Absatz 1 ganz oder teilweise nicht zu Stande, können die Rahmenempfehlungspartner die Schiedsstelle nach Absatz 3 anrufen. Die Schiedsstelle kann auch vom Bundesministerium für Gesundheit angerufen werden. Sie setzt innerhalb von drei Monaten den betreffenden Rahmenempfehlungsinhalt fest.

(3) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene bilden erstmals bis zum 1. Juli 2017 eine gemeinsame Schiedsstelle. Sie besteht aus Vertretern der Krankenkassen und der Pflegedienste in gleicher Zahl sowie aus einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Die Amtsdauer beträgt vier Jahre. Über den Vorsitzenden und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die Rahmenempfehlungspartner einigen. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, gilt § 89 Absatz 6 Satz 3 entsprechend. Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zahl und die Bestellung der Mitglieder, die Erstattung der baren Auslagen und die Entschädigung für den Zeitaufwand der Mitglieder, das Verfahren sowie über die Verteilung der Kosten regeln. § 129 Absatz 9 und 10 Satz 1 gilt entsprechend.

(4) Über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung schließen diedieLandesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich Verträge mit den Leistungserbringern. Wird die Fortbildung nicht nachgewiesen, sind Vergütungsabschläge vorzusehen. Dem Leistungserbringer ist eine Frist zu setzen, innerhalb derer er die Fortbildung nachholen kann. Erbringt der Leistungserbringer in diesem Zeitraum die Fortbildung nicht, ist der Vertrag zu kündigen. Die Krankenkassen haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden. Verträge dürfen nur mit zuverlässigen Leistungserbringern abgeschlossen werden, die die Gewähr für eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung bieten. Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden; insoweit gilt § 71 nicht. Bei nicht tarifgebundenen oder nicht an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Leistungserbringern gilt § 82c Absatz 2 Satz 1 des Elften Buches entsprechend. Der Leistungserbringer ist verpflichtet, die entsprechende Bezahlung der Beschäftigten nach Satz 7 jederzeit einzuhalten und sie auf Verlangen einer Vertragspartei nachzuweisen. Im Fall der Nichteinigung wird der Vertragsinhalt durch eine von den Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson innerhalb von drei Monaten festgelegt. Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese vom Bundesamt für Soziale Sicherung innerhalb eines Monats nach Vorliegen der für die Bestimmung der Schiedsperson notwendigen Informationen bestimmt; Widerspruch und Klage gegen die Bestimmung der Schiedsperson durch das Bundesamt für Soziale Sicherung haben keine aufschiebende Wirkung. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihrer Vielfalt, insbesondere der Bedeutung der freien Wohlfahrtspflege, Rechnung zu tragen. Die Leistungserbringer sind verpflichtet, an Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen nach § 275b teilzunehmen; § 114 Absatz 2 des Elften Buches bleibt unberührt. Soweit bei einer Prüfung nach § 275b Absatz 1 Satz 1 bis 3 Qualitätsmängel festgestellt werden, entscheiden die Landesverbände der Krankenkassen oder die Krankenkassen nach Anhörung des Leistungserbringers, welche Maßnahmen zu treffen sind, erteilen dem Leistungserbringer hierüber einen Bescheid und setzen ihm darin zugleich eine angemessene Frist zur Beseitigung der festgestellten Mängel. Der Leistungserbringer hat der Krankenkasse anzuzeigen, dass er behandlungspflegerische Leistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 5 erbringt, wenn er diese Leistungen für mindestens zwei Versicherte in einer durch den Leistungserbringer oder einen Dritten organisierten Wohneinheit erbringt. Abweichend von Satz 1 kann die Krankenkasse zur Gewährung von häuslicher Krankenpflege geeignete Personen anstellen.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Qualitätssicherung der Früherkennungsuntersuchungen sowie zur Durchführung organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a einschließlich der systematischen Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität dieser Programme,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden,
6.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes,
7.
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches,
8.
Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation,
9.
Bedarfsplanung,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 sowie die Kryokonservierung nach § 27a Absatz 4,
11.
Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Krankentransporten,
13.
Qualitätssicherung,
14.
spezialisierte ambulante Palliativversorgung,
15.
Schutzimpfungen.

(1a) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 sind auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben, einen Beschluss zu einzelnen dem Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu überprüfen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Bei Nichteinhaltung der Frist fasst eine aus den Mitgliedern des Bundesausschusses zu bildende Schiedsstelle innerhalb von 30 Tagen den erforderlichen Beschluss. Die Schiedsstelle besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Bundesausschusses und je einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmten Vertreter. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ist den für die Wahrnehmung der Interessen von Zahntechnikern maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1b) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 ist den in § 134a Absatz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(2) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a und 35b so zusammenzustellen, daß dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, sind zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zu den Therapiekosten und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt; § 73 Abs. 8 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können ferner für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:

1.
Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind,
2.
Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind,
3.
Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
Absatz 3a gilt entsprechend. In den Therapiehinweisen nach den Sätzen 1 und 7 können Anforderungen an die qualitätsgesicherte Anwendung von Arzneimitteln festgestellt werden, insbesondere bezogen auf die Qualifikation des Arztes oder auf die zu behandelnden Patientengruppen. In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 können auch Therapiehinweise zu Arzneimitteln außerhalb von Zusammenstellungen gegeben werden; die Sätze 3 und 4 sowie Absatz 1 Satz 1 dritter Halbsatz gelten entsprechend. Die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 können Empfehlungen zu den Anteilen einzelner Wirkstoffe an den Verordnungen im Indikationsgebiet vorsehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt die Grundsätze für die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 in seiner Verfahrensordnung. Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse nach Absatz 1 für Arzneimittel beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss gesondert in Richtlinien außerhalb von Therapiehinweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 hergestellt werden kann. Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nach Absatz 1 Satz 1 dürfen den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen.

(2a) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Absatz 3a gilt für die Forderung nach Satz 1 entsprechend. Das Nähere zu den Voraussetzungen, zu der Forderung ergänzender Studien, zu Fristen sowie zu den Anforderungen an die Studien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Werden die Studien nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der Gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine gesonderte Klage gegen die Forderung ergänzender Studien ist ausgeschlossen.

(3) Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach Absatz 2 gelten die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen nach Absatz 2 Satz 2, die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen nach Absatz 2 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach Absatz 2 ist unzulässig.

(3a) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes und Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gutachten oder Empfehlungen von Sachverständigen, die er bei Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes sowie bei Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 zu Grunde legt, bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zu benennen und zu veröffentlichen sowie in den tragenden Gründen der Beschlüsse zu benennen.

(4) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 sind insbesondere zu regeln

1.
die Anwendung wirtschaftlicher Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen mehrere Maßnahmen zur Früherkennung zusammenzufassen sind,
2.
das Nähere über die Bescheinigungen und Aufzeichnungen bei Durchführung der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
3.
Einzelheiten zum Verfahren und zur Durchführung von Auswertungen der Aufzeichnungen sowie der Evaluation der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einschließlich der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a.

(4a) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2021 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung in geeigneten Fällen. Bei der Festlegung der Regelungen nach Satz 1 ist zu beachten, dass im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung diese nicht über einen Zeitraum von bis zu drei Kalendertagen hinausgehen und ihr keine Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit folgen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen nach Satz 1 über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Bei der Erstellung des Berichtes ist den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In Ergänzung der nach Satz 1 beschlossenen Regelungen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Januar 2024 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen sowie ausschließlich bezogen auf in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannte Patientinnen und Patienten auch nach telefonischer Anamnese.

(5) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 ist den in § 111b Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer, den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Neunten Buches) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. In den Richtlinien ist zu regeln, bei welchen Behinderungen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Verfahren die Vertragsärzte die Krankenkassen über die Behinderungen von Versicherten zu unterrichten haben.

(6) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist insbesondere zu regeln

1.
der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel,
2.
die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen,
3.
die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung,
4.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer,
5.
auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Absatz 11 Satz 1 verzichtet werden kann sowie
6.
die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Absatz 11 Satz 1.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Heilmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 125 Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen Anforderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.

(6b) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die diagnoseorientiert und leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. In der Richtlinie sind auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs von der stationären in die ambulante Versorgung zu treffen.

(6c) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierzu Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Er kann den Anwendungsbereich seiner Richtlinie auf die Versorgung von Versicherten erstrecken, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.

(7) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 sind insbesondere zu regeln

1.
die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung,
2.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus,
3.
die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege und für die Mitgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt,
4.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur Dekolonisation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA),
5.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Leistungserbringern und zu den Regelungen gemäß Satz 1 Nummer 5 zusätzlich den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7a) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Hilfsmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 127 Absatz 9 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer und den Spitzenorganisationen der betroffenen Hilfsmittelhersteller auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7b) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 14 ist den maßgeblichen Organisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7c) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Soziotherapie nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7d) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e ist den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Methoden, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung am Menschen angewandt werden, ist auch der Strahlenschutzkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7e) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht. Es wird durch zwei Vertreter der Länder ausgeübt, die von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder benannt werden. Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über Anträge der Länder in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Entscheidungen über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe und die Bestellung von Sachverständigen durch den zuständigen Unterausschuss sind nur im Einvernehmen mit den beiden Vertretern der Länder zu treffen. Dabei haben diese ihr Votum einheitlich abzugeben.

(7f) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 und den Beschlüssen nach den §§ 136b und 136c erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht; Absatz 7e Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach § 136 Absatz 1 in Verbindung mit § 136a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ist dem Robert Koch-Institut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Robert Koch-Institut hat die Stellungnahme mit den wissenschaftlichen Kommissionen am Robert Koch-Institut nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes abzustimmen. Die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(7g) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ist den in § 132l Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer sowie den für die Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Versicherten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(8) Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Bestandteil der Bundesmantelverträge.

(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene haben unter Berücksichtigung der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 gemeinsam Rahmenempfehlungen über die einheitliche und flächendeckende Versorgung mit häuslicher Krankenpflege abzugeben; für Pflegedienste, die einer Kirche oder einer Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts oder einem sonstigen freigemeinnützigen Träger zuzuordnen sind, können die Rahmenempfehlungen gemeinsam mit den übrigen Partnern der Rahmenempfehlungen auch von der Kirche oder der Religionsgemeinschaft oder von dem Wohlfahrtsverband abgeschlossen werden, dem die Einrichtung angehört. Vor Abschluß der Vereinbarung ist der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in den Entscheidungsprozeß der Partner der Rahmenempfehlungen einzubeziehen. In den Rahmenempfehlungen sind insbesondere zu regeln:

1.
Eignung der Leistungserbringer einschließlich Anforderungen an die Eignung zur Versorgung nach § 37 Absatz 7,
2.
Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Fortbildung,
3.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des Leistungserbringers mit dem verordnenden Vertragsarzt und dem Krankenhaus,
4.
Grundsätze der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung einschließlich deren Prüfung,
5.
Grundsätze der Vergütungen und ihrer Strukturen einschließlich der Transparenzvorgaben für die Vergütungsverhandlungen zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Tariflöhne oder Arbeitsentgelte sowie erstmals bis zum 30. Juni 2019 Grundsätze für die Vergütung von längeren Wegezeiten, insbesondere in ländlichen Räumen, durch Zuschläge unter Einbezug der ambulanten Pflege nach dem Elften Buch,
6.
Grundsätze zum Verfahren der Prüfung der Leistungspflicht der Krankenkassen sowie zum Abrechnungsverfahren einschließlich der für diese Zwecke jeweils zu übermittelnden Daten und
7.
Anforderungen an die Eignung der Pflegefachkräfte, die Leistungen im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbringen, sowie Maßnahmen zur Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit der im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbrachten Leistungen.
Um den Besonderheiten der intensivpflegerischen Versorgung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege Rechnung zu tragen, sind in den Rahmenempfehlungen auch Regelungen über die behandlungspflegerische Versorgung von Versicherten, die auf Grund eines besonders hohen Bedarfs an diesen Leistungen oder einer Bedrohung ihrer Vitalfunktion einer ununterbrochenen Anwesenheit einer Pflegekraft bedürfen, vorzusehen. In den Rahmenempfehlungen nach Satz 4 Nummer 6 können auch Regelungen über die nach § 302 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 in Richtlinien geregelten Inhalte getroffen werden; in diesem Fall gilt § 302 Absatz 4. Die Inhalte der Rahmenempfehlungen sind den Verträgen nach Absatz 4 zugrunde zu legen.

(2) Kommt eine Rahmenempfehlung nach Absatz 1 ganz oder teilweise nicht zu Stande, können die Rahmenempfehlungspartner die Schiedsstelle nach Absatz 3 anrufen. Die Schiedsstelle kann auch vom Bundesministerium für Gesundheit angerufen werden. Sie setzt innerhalb von drei Monaten den betreffenden Rahmenempfehlungsinhalt fest.

(3) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene bilden erstmals bis zum 1. Juli 2017 eine gemeinsame Schiedsstelle. Sie besteht aus Vertretern der Krankenkassen und der Pflegedienste in gleicher Zahl sowie aus einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Die Amtsdauer beträgt vier Jahre. Über den Vorsitzenden und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die Rahmenempfehlungspartner einigen. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, gilt § 89 Absatz 6 Satz 3 entsprechend. Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zahl und die Bestellung der Mitglieder, die Erstattung der baren Auslagen und die Entschädigung für den Zeitaufwand der Mitglieder, das Verfahren sowie über die Verteilung der Kosten regeln. § 129 Absatz 9 und 10 Satz 1 gilt entsprechend.

(4) Über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung schließen diedieLandesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich Verträge mit den Leistungserbringern. Wird die Fortbildung nicht nachgewiesen, sind Vergütungsabschläge vorzusehen. Dem Leistungserbringer ist eine Frist zu setzen, innerhalb derer er die Fortbildung nachholen kann. Erbringt der Leistungserbringer in diesem Zeitraum die Fortbildung nicht, ist der Vertrag zu kündigen. Die Krankenkassen haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden. Verträge dürfen nur mit zuverlässigen Leistungserbringern abgeschlossen werden, die die Gewähr für eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung bieten. Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden; insoweit gilt § 71 nicht. Bei nicht tarifgebundenen oder nicht an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Leistungserbringern gilt § 82c Absatz 2 Satz 1 des Elften Buches entsprechend. Der Leistungserbringer ist verpflichtet, die entsprechende Bezahlung der Beschäftigten nach Satz 7 jederzeit einzuhalten und sie auf Verlangen einer Vertragspartei nachzuweisen. Im Fall der Nichteinigung wird der Vertragsinhalt durch eine von den Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson innerhalb von drei Monaten festgelegt. Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese vom Bundesamt für Soziale Sicherung innerhalb eines Monats nach Vorliegen der für die Bestimmung der Schiedsperson notwendigen Informationen bestimmt; Widerspruch und Klage gegen die Bestimmung der Schiedsperson durch das Bundesamt für Soziale Sicherung haben keine aufschiebende Wirkung. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihrer Vielfalt, insbesondere der Bedeutung der freien Wohlfahrtspflege, Rechnung zu tragen. Die Leistungserbringer sind verpflichtet, an Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen nach § 275b teilzunehmen; § 114 Absatz 2 des Elften Buches bleibt unberührt. Soweit bei einer Prüfung nach § 275b Absatz 1 Satz 1 bis 3 Qualitätsmängel festgestellt werden, entscheiden die Landesverbände der Krankenkassen oder die Krankenkassen nach Anhörung des Leistungserbringers, welche Maßnahmen zu treffen sind, erteilen dem Leistungserbringer hierüber einen Bescheid und setzen ihm darin zugleich eine angemessene Frist zur Beseitigung der festgestellten Mängel. Der Leistungserbringer hat der Krankenkasse anzuzeigen, dass er behandlungspflegerische Leistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 5 erbringt, wenn er diese Leistungen für mindestens zwei Versicherte in einer durch den Leistungserbringer oder einen Dritten organisierten Wohneinheit erbringt. Abweichend von Satz 1 kann die Krankenkasse zur Gewährung von häuslicher Krankenpflege geeignete Personen anstellen.

(1) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Die häusliche Krankenpflege umfaßt die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung. Der Anspruch besteht bis zu vier Wochen je Krankheitsfall. In begründeten Ausnahmefällen kann die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege für einen längeren Zeitraum bewilligen, wenn der Medizinische Dienst (§ 275) festgestellt hat, daß dies aus den in Satz 1 genannten Gründen erforderlich ist.

(1a) Versicherte erhalten an geeigneten Orten im Sinne von Absatz 1 Satz 1 wegen schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung, soweit keine Pflegebedürftigkeit mit Pflegegrad 2, 3, 4 oder 5 im Sinne des Elften Buches vorliegt, die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung. Absatz 1 Satz 4 und 5 gilt entsprechend.

(2) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Der Anspruch nach Satz 1 besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 des Elften Buches, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben; § 37c Absatz 3 gilt entsprechend. Die Satzung kann bestimmen, dass die Krankenkasse zusätzlich zur Behandlungspflege nach Satz 1 als häusliche Krankenpflege auch Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erbringt. Die Satzung kann dabei Dauer und Umfang der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nach Satz 4 bestimmen. Leistungen nach den Sätzen 4 und 5 sind nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne des Elften Buches nicht zulässig. Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs. 2 oder 4 des Elften Buches aufgenommen sind, erhalten Leistungen nach Satz 1 und den Sätzen 4 bis 6 auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen nur zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder in einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Versicherte erhalten in stationären Einrichtungen im Sinne des § 43a des Elften Buches Leistungen nach Satz 1, wenn der Bedarf an Behandlungspflege eine ständige Überwachung und Versorgung durch eine qualifizierte Pflegefachkraft erfordert.

(2a) Die gesetzliche Krankenversicherung beteiligt sich an den Kosten der medizinischen Behandlungspflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen mit einem jährlichen Pauschalbetrag in Höhe von 640 Millionen Euro, der an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung zu leisten ist. Die Zahlung erfolgt anteilig quartalsweise. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erhebt hierzu von den Krankenkassen eine Umlage gemäß dem Anteil der Versicherten der Krankenkassen an der Gesamtzahl der Versicherten aller Krankenkassen. Das Nähere zum Umlageverfahren und zur Zahlung an die Pflegeversicherung bestimmt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

(2b) Die häusliche Krankenpflege nach den Absätzen 1 und 2 umfasst auch die ambulante Palliativversorgung. Für Leistungen der ambulanten Palliativversorgung ist regelmäßig ein begründeter Ausnahmefall im Sinne von Absatz 1 Satz 5 anzunehmen. § 37b Absatz 4 gilt für die häusliche Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung entsprechend.

(3) Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann.

(4) Kann die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen oder besteht Grund, davon abzusehen, sind den Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft in angemessener Höhe zu erstatten.

(5) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 3 ergebenden Betrag, begrenzt auf die für die ersten 28 Kalendertage der Leistungsinanspruchnahme je Kalenderjahr anfallenden Kosten an die Krankenkasse.

(6) Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in Richtlinien nach § 92 fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in Richtlinien nach § 92 unter Berücksichtigung bestehender Therapieangebote das Nähere zur Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden. Die Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden kann auch in spezialisierten Einrichtungen an einem geeigneten Ort außerhalb der Häuslichkeit von Versicherten erfolgen.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in der Richtlinie über die Verordnung häuslicher Krankenpflege nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Juli 2022 Rahmenvorgaben zu einzelnen nach dem Leistungsverzeichnis der Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 verordnungsfähigen Maßnahmen, bei denen Pflegefachkräfte, die die in den Rahmenempfehlungen nach § 132a Absatz 1 Satz 4 Nummer 7 geregelten Anforderungen erfüllen, innerhalb eines vertragsärztlich festgestellten Verordnungsrahmens selbst über die erforderliche Häufigkeit und Dauer bestimmen können, sowie Vorgaben zur Notwendigkeit eines erneuten Arztkontaktes und zur Information der Vertragsärztin oder des Vertragsarztes durch den Leistungserbringer über die erbrachten Maßnahmen.

(9) Zur Feststellung des tatsächlichen Ausgabenvolumens für die im Rahmen einer Versorgung nach Absatz 8 erbrachten Leistungen pseudonymisieren die Krankenkassen die Angaben zu den Ausgaben jeweils arztbezogen sowie versichertenbezogen. Sie übermitteln diese Angaben nach Durchführung der Abrechnungsprüfung dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der diese Daten für den Zweck der nach Absatz 10 durchzuführenden Evaluierung kassenartenübergreifend zusammenführt und diese Daten dem nach Absatz 10 Satz 2 beauftragten unabhängigen Dritten übermittelt. Das Nähere zur Datenübermittlung und zum Verfahren der Pseudonymisierung regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der beauftragte unabhängige Dritte nach Absatz 10 Satz 2 haben die ihnen nach Satz 2 übermittelten pseudonymisierten Daten spätestens ein Jahr nach Abschluss der Evaluierung zu löschen.

(10) Drei Jahre nach Inkrafttreten der Regelungen nach Absatz 8 evaluieren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die in § 132a Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer unter Berücksichtigung der nach Absatz 9 Satz 2 übermittelten Daten insbesondere die mit der Versorgung nach Absatz 8 verbundenen Auswirkungen auf das Versorgungsgeschehen im Bereich der häuslichen Krankenpflege, die finanziellen Auswirkungen auf die Krankenkassen, die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nach Absatz 8 sowie die Auswirkungen auf die Behandlungs- und Ergebnisqualität. Die Evaluierung hat durch einen durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die in § 132a Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer gemeinsam zu beauftragenden unabhängigen Dritten zu erfolgen.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Qualitätssicherung der Früherkennungsuntersuchungen sowie zur Durchführung organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a einschließlich der systematischen Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität dieser Programme,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden,
6.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes,
7.
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches,
8.
Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation,
9.
Bedarfsplanung,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 sowie die Kryokonservierung nach § 27a Absatz 4,
11.
Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Krankentransporten,
13.
Qualitätssicherung,
14.
spezialisierte ambulante Palliativversorgung,
15.
Schutzimpfungen.

(1a) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 sind auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben, einen Beschluss zu einzelnen dem Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu überprüfen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Bei Nichteinhaltung der Frist fasst eine aus den Mitgliedern des Bundesausschusses zu bildende Schiedsstelle innerhalb von 30 Tagen den erforderlichen Beschluss. Die Schiedsstelle besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Bundesausschusses und je einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmten Vertreter. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ist den für die Wahrnehmung der Interessen von Zahntechnikern maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1b) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 ist den in § 134a Absatz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(2) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a und 35b so zusammenzustellen, daß dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, sind zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zu den Therapiekosten und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt; § 73 Abs. 8 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können ferner für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:

1.
Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind,
2.
Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind,
3.
Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
Absatz 3a gilt entsprechend. In den Therapiehinweisen nach den Sätzen 1 und 7 können Anforderungen an die qualitätsgesicherte Anwendung von Arzneimitteln festgestellt werden, insbesondere bezogen auf die Qualifikation des Arztes oder auf die zu behandelnden Patientengruppen. In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 können auch Therapiehinweise zu Arzneimitteln außerhalb von Zusammenstellungen gegeben werden; die Sätze 3 und 4 sowie Absatz 1 Satz 1 dritter Halbsatz gelten entsprechend. Die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 können Empfehlungen zu den Anteilen einzelner Wirkstoffe an den Verordnungen im Indikationsgebiet vorsehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt die Grundsätze für die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 in seiner Verfahrensordnung. Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse nach Absatz 1 für Arzneimittel beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss gesondert in Richtlinien außerhalb von Therapiehinweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 hergestellt werden kann. Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nach Absatz 1 Satz 1 dürfen den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen.

(2a) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Absatz 3a gilt für die Forderung nach Satz 1 entsprechend. Das Nähere zu den Voraussetzungen, zu der Forderung ergänzender Studien, zu Fristen sowie zu den Anforderungen an die Studien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Werden die Studien nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der Gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine gesonderte Klage gegen die Forderung ergänzender Studien ist ausgeschlossen.

(3) Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach Absatz 2 gelten die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen nach Absatz 2 Satz 2, die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen nach Absatz 2 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach Absatz 2 ist unzulässig.

(3a) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes und Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gutachten oder Empfehlungen von Sachverständigen, die er bei Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes sowie bei Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 zu Grunde legt, bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zu benennen und zu veröffentlichen sowie in den tragenden Gründen der Beschlüsse zu benennen.

(4) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 sind insbesondere zu regeln

1.
die Anwendung wirtschaftlicher Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen mehrere Maßnahmen zur Früherkennung zusammenzufassen sind,
2.
das Nähere über die Bescheinigungen und Aufzeichnungen bei Durchführung der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
3.
Einzelheiten zum Verfahren und zur Durchführung von Auswertungen der Aufzeichnungen sowie der Evaluation der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einschließlich der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a.

(4a) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2021 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung in geeigneten Fällen. Bei der Festlegung der Regelungen nach Satz 1 ist zu beachten, dass im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung diese nicht über einen Zeitraum von bis zu drei Kalendertagen hinausgehen und ihr keine Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit folgen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen nach Satz 1 über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Bei der Erstellung des Berichtes ist den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In Ergänzung der nach Satz 1 beschlossenen Regelungen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Januar 2024 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen sowie ausschließlich bezogen auf in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannte Patientinnen und Patienten auch nach telefonischer Anamnese.

(5) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 ist den in § 111b Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer, den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Neunten Buches) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. In den Richtlinien ist zu regeln, bei welchen Behinderungen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Verfahren die Vertragsärzte die Krankenkassen über die Behinderungen von Versicherten zu unterrichten haben.

(6) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist insbesondere zu regeln

1.
der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel,
2.
die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen,
3.
die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung,
4.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer,
5.
auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Absatz 11 Satz 1 verzichtet werden kann sowie
6.
die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Absatz 11 Satz 1.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Heilmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 125 Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen Anforderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.

(6b) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die diagnoseorientiert und leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. In der Richtlinie sind auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs von der stationären in die ambulante Versorgung zu treffen.

(6c) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierzu Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Er kann den Anwendungsbereich seiner Richtlinie auf die Versorgung von Versicherten erstrecken, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.

(7) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 sind insbesondere zu regeln

1.
die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung,
2.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus,
3.
die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege und für die Mitgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt,
4.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur Dekolonisation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA),
5.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Leistungserbringern und zu den Regelungen gemäß Satz 1 Nummer 5 zusätzlich den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7a) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Hilfsmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 127 Absatz 9 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer und den Spitzenorganisationen der betroffenen Hilfsmittelhersteller auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7b) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 14 ist den maßgeblichen Organisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7c) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Soziotherapie nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7d) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e ist den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Methoden, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung am Menschen angewandt werden, ist auch der Strahlenschutzkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7e) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht. Es wird durch zwei Vertreter der Länder ausgeübt, die von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder benannt werden. Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über Anträge der Länder in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Entscheidungen über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe und die Bestellung von Sachverständigen durch den zuständigen Unterausschuss sind nur im Einvernehmen mit den beiden Vertretern der Länder zu treffen. Dabei haben diese ihr Votum einheitlich abzugeben.

(7f) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 und den Beschlüssen nach den §§ 136b und 136c erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht; Absatz 7e Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach § 136 Absatz 1 in Verbindung mit § 136a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ist dem Robert Koch-Institut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Robert Koch-Institut hat die Stellungnahme mit den wissenschaftlichen Kommissionen am Robert Koch-Institut nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes abzustimmen. Die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(7g) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ist den in § 132l Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer sowie den für die Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Versicherten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(8) Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Bestandteil der Bundesmantelverträge.

(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene haben unter Berücksichtigung der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 gemeinsam Rahmenempfehlungen über die einheitliche und flächendeckende Versorgung mit häuslicher Krankenpflege abzugeben; für Pflegedienste, die einer Kirche oder einer Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts oder einem sonstigen freigemeinnützigen Träger zuzuordnen sind, können die Rahmenempfehlungen gemeinsam mit den übrigen Partnern der Rahmenempfehlungen auch von der Kirche oder der Religionsgemeinschaft oder von dem Wohlfahrtsverband abgeschlossen werden, dem die Einrichtung angehört. Vor Abschluß der Vereinbarung ist der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in den Entscheidungsprozeß der Partner der Rahmenempfehlungen einzubeziehen. In den Rahmenempfehlungen sind insbesondere zu regeln:

1.
Eignung der Leistungserbringer einschließlich Anforderungen an die Eignung zur Versorgung nach § 37 Absatz 7,
2.
Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Fortbildung,
3.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des Leistungserbringers mit dem verordnenden Vertragsarzt und dem Krankenhaus,
4.
Grundsätze der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung einschließlich deren Prüfung,
5.
Grundsätze der Vergütungen und ihrer Strukturen einschließlich der Transparenzvorgaben für die Vergütungsverhandlungen zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Tariflöhne oder Arbeitsentgelte sowie erstmals bis zum 30. Juni 2019 Grundsätze für die Vergütung von längeren Wegezeiten, insbesondere in ländlichen Räumen, durch Zuschläge unter Einbezug der ambulanten Pflege nach dem Elften Buch,
6.
Grundsätze zum Verfahren der Prüfung der Leistungspflicht der Krankenkassen sowie zum Abrechnungsverfahren einschließlich der für diese Zwecke jeweils zu übermittelnden Daten und
7.
Anforderungen an die Eignung der Pflegefachkräfte, die Leistungen im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbringen, sowie Maßnahmen zur Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit der im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbrachten Leistungen.
Um den Besonderheiten der intensivpflegerischen Versorgung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege Rechnung zu tragen, sind in den Rahmenempfehlungen auch Regelungen über die behandlungspflegerische Versorgung von Versicherten, die auf Grund eines besonders hohen Bedarfs an diesen Leistungen oder einer Bedrohung ihrer Vitalfunktion einer ununterbrochenen Anwesenheit einer Pflegekraft bedürfen, vorzusehen. In den Rahmenempfehlungen nach Satz 4 Nummer 6 können auch Regelungen über die nach § 302 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 in Richtlinien geregelten Inhalte getroffen werden; in diesem Fall gilt § 302 Absatz 4. Die Inhalte der Rahmenempfehlungen sind den Verträgen nach Absatz 4 zugrunde zu legen.

(2) Kommt eine Rahmenempfehlung nach Absatz 1 ganz oder teilweise nicht zu Stande, können die Rahmenempfehlungspartner die Schiedsstelle nach Absatz 3 anrufen. Die Schiedsstelle kann auch vom Bundesministerium für Gesundheit angerufen werden. Sie setzt innerhalb von drei Monaten den betreffenden Rahmenempfehlungsinhalt fest.

(3) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene bilden erstmals bis zum 1. Juli 2017 eine gemeinsame Schiedsstelle. Sie besteht aus Vertretern der Krankenkassen und der Pflegedienste in gleicher Zahl sowie aus einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Die Amtsdauer beträgt vier Jahre. Über den Vorsitzenden und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die Rahmenempfehlungspartner einigen. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, gilt § 89 Absatz 6 Satz 3 entsprechend. Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zahl und die Bestellung der Mitglieder, die Erstattung der baren Auslagen und die Entschädigung für den Zeitaufwand der Mitglieder, das Verfahren sowie über die Verteilung der Kosten regeln. § 129 Absatz 9 und 10 Satz 1 gilt entsprechend.

(4) Über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung schließen diedieLandesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich Verträge mit den Leistungserbringern. Wird die Fortbildung nicht nachgewiesen, sind Vergütungsabschläge vorzusehen. Dem Leistungserbringer ist eine Frist zu setzen, innerhalb derer er die Fortbildung nachholen kann. Erbringt der Leistungserbringer in diesem Zeitraum die Fortbildung nicht, ist der Vertrag zu kündigen. Die Krankenkassen haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden. Verträge dürfen nur mit zuverlässigen Leistungserbringern abgeschlossen werden, die die Gewähr für eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung bieten. Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden; insoweit gilt § 71 nicht. Bei nicht tarifgebundenen oder nicht an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Leistungserbringern gilt § 82c Absatz 2 Satz 1 des Elften Buches entsprechend. Der Leistungserbringer ist verpflichtet, die entsprechende Bezahlung der Beschäftigten nach Satz 7 jederzeit einzuhalten und sie auf Verlangen einer Vertragspartei nachzuweisen. Im Fall der Nichteinigung wird der Vertragsinhalt durch eine von den Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson innerhalb von drei Monaten festgelegt. Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese vom Bundesamt für Soziale Sicherung innerhalb eines Monats nach Vorliegen der für die Bestimmung der Schiedsperson notwendigen Informationen bestimmt; Widerspruch und Klage gegen die Bestimmung der Schiedsperson durch das Bundesamt für Soziale Sicherung haben keine aufschiebende Wirkung. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihrer Vielfalt, insbesondere der Bedeutung der freien Wohlfahrtspflege, Rechnung zu tragen. Die Leistungserbringer sind verpflichtet, an Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen nach § 275b teilzunehmen; § 114 Absatz 2 des Elften Buches bleibt unberührt. Soweit bei einer Prüfung nach § 275b Absatz 1 Satz 1 bis 3 Qualitätsmängel festgestellt werden, entscheiden die Landesverbände der Krankenkassen oder die Krankenkassen nach Anhörung des Leistungserbringers, welche Maßnahmen zu treffen sind, erteilen dem Leistungserbringer hierüber einen Bescheid und setzen ihm darin zugleich eine angemessene Frist zur Beseitigung der festgestellten Mängel. Der Leistungserbringer hat der Krankenkasse anzuzeigen, dass er behandlungspflegerische Leistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 5 erbringt, wenn er diese Leistungen für mindestens zwei Versicherte in einer durch den Leistungserbringer oder einen Dritten organisierten Wohneinheit erbringt. Abweichend von Satz 1 kann die Krankenkasse zur Gewährung von häuslicher Krankenpflege geeignete Personen anstellen.

(1) Dieses Kapitel sowie die §§ 63 und 64 regeln abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94. Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden werden abschließend in diesem Kapitel, in den §§ 63, 64 und in dem Krankenhausfinanzierungsgesetz, dem Krankenhausentgeltgesetz sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Für die Rechtsbeziehungen nach den Sätzen 1 und 2 gelten im Übrigen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind.

(2) Die §§ 1 bis 3 Absatz 1, die §§ 19 bis 21, 32 bis 34a, 48 bis 81 Absatz 2 Nummer 1, 2 Buchstabe a und Nummer 6 bis 11, Absatz 3 Nummer 1 und 2 sowie die §§ 81a bis 95 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gelten für die in Absatz 1 genannten Rechtsbeziehungen entsprechend. Satz 1 gilt nicht für Verträge und sonstige Vereinbarungen von Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern oder deren Verbänden, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind. Satz 1 gilt auch nicht für Beschlüsse, Empfehlungen, Richtlinien oder sonstige Entscheidungen der Krankenkassen oder deren Verbände, zu denen sie gesetzlich verpflichtet sind, sowie für Beschlüsse, Richtlinien und sonstige Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, zu denen er gesetzlich verpflichtet ist.

(3) Auf öffentliche Aufträge nach diesem Buch sind die Vorschriften des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden.

(4) Bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach den §§ 63 und 140a über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014, die im Rahmen einer heilberuflichen Tätigkeit erbracht werden, kann der öffentliche Auftraggeber abweichend von § 119 Absatz 1 und § 130 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sowie von § 14 Absatz 1 bis 3 der Vergabeverordnung andere Verfahren vorsehen, die die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung gewährleisten. Ein Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb und ohne vorherige Veröffentlichung nach § 66 der Vergabeverordnung darf der öffentliche Auftraggeber nur in den Fällen des § 14 Absatz 4 und 6 der Vergabeverordnung vorsehen. Von den Vorgaben der §§ 15 bis 36 und 42 bis 65 der Vergabeverordnung, mit Ausnahme der §§ 53, 58, 60 und 63, kann abgewichen werden. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen berichtet dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 17. April 2019 über die Anwendung dieses Absatzes durch seine Mitglieder.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 29. August 2014 geändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 70 502,35 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Abrechnungsbetrag in Höhe von 70 502,35 Euro, den die beklagte Krankenkasse von dem klagenden Inhaber der F.-Apotheke in D. zurückfordern will.

2

In dieser Apotheke werden seit vielen Jahren anwendungsfertige Zytostatikazubereitungen hergestellt, die aufgrund einer Absprache nach § 11 Abs 2 Apothekengesetz (ApoG) unmittelbar an eine in demselben Gebäude betriebene onkologische Praxis abgegeben werden. Dort werden sie den Versicherten durch die behandelnden Ärzte verabreicht.

3

Im Juli 2013 schrieb die Beklagte 23 Gebietslose für den Abschluss von Verträgen nach § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V zur Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren Anwendung bei Patienten öffentlich aus. Der Kläger erhielt für die F.-Apotheke keinen Zuschlag. Die Beklagte bat die onkologische Arztpraxis im November 2013, ab 1.12.2013 parenterale zytostatische Zubereitungen nur noch bei der konkret bezeichneten Apotheke in M. zu bestellen, die für das Gebietslos in D. den Zuschlag erhalten habe. Den Kläger wies sie darauf hin, dass zukünftig nur die Apotheken Vergütungen für parenterale Zubereitungen erhalten könnten, die im Ausschreibungsverfahren den Zuschlag erhalten hätten.

4

Der Kläger stellte dennoch weiterhin parenterale onkologische Zubereitungen auf Anforderung der onkologischen Praxis her. In der Zeit vom 5. bis 30.12.2013 belieferte er die Praxis auf der Basis von 149 ärztlichen Verordnungen für 38 Versicherte der Beklagten und berechnete ihr dafür 70 502,35 Euro. Die Versicherten hatten jeweils eine unter dem Briefkopf der onkologischen Praxis vorformulierte Erklärung zur Ausübung des Apothekenwahlrechts gemäß § 31 Abs 1 Satz 5 SGB V unterzeichnet, in der sie als eine von mehreren vorformulierten Alternativen angekreuzt hatten, sich von der bislang mit der onkologischen Praxis nach § 11 Abs 2 ApoG kooperierenden Apotheke des Klägers versorgen lassen zu wollen, soweit sie im Rahmen einer onkologischen Therapie individuell herzustellende parenterale Zubereitungen benötigten.

5

Die Beklagte beanstandete die Abrechnungen des Klägers für den Monat Dezember 2013 (Schreiben vom 14.2.2014) und setzte den Betrag am 16.5.2014 in voller Höhe von einer weiteren Rechnung des Klägers ab. In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren einigten sich die Beteiligten vorläufig darauf, dass die Beklagte die Zahlungen jeden dritten Monat retaxiere, die für Dezember 2013 abgesetzte Summe in Höhe von 70 502,35 Euro jedoch vorläufig wieder zur Auszahlung bringe.

6

Der Kläger änderte seine zunächst auf Zahlung gerichtete Klage nach der vorläufigen Rückauszahlung in eine Klage auf Feststellung, dass die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung des vorläufig erneut zur Auszahlung gebrachten Betrages in Höhe von 70 502,35 Euro für im Dezember 2013 vom Kläger gelieferte und abgerechnete parenterale, onkologische Zubereitungen hat. Er hat vorgetragen, die belieferten Ärzte der onkologischen Praxis entschieden anlässlich eines Patiententermins über die Durchführung der Therapie und gäben die Herstellung der jeweils benötigten Zubereitung körpergewichtsadaptiert und nach einer sofort ausgewerteten Blutuntersuchung und ggf auch körperlichen Untersuchung bei ihm in Auftrag. Er könne diese in der Regel innerhalb von 30 Minuten ausliefern. Diese "ad hoc"-Zubereitungen ermöglichten schnelle Änderungen der zunächst vorgesehenen Therapie, zu denen es nach seiner eigenen Auswertung in knapp 20 % der Fälle gekommen sei.

7

Die Beklagte hat ausgeführt, eine generell praktizierte "ad hoc"-Zubereitung von Zytostatika sei ihr nicht bekannt. Im Regelfall stelle der behandelnde Arzt einen ärztlichen Therapieplan auf, in dem die Pharmakotherapie sowie die Arzttermine für die Infusionen im Voraus festgelegt würden. Im Falle einer Kooperation zwischen dem behandelnden Arzt und einer Apotheke nach § 11 Abs 2 ApoG könne diese die onkologische Zubereitung auf der Grundlage des Therapieplans rechtzeitig zum Applikationstermin in die Arztpraxis liefern. Eine "ad hoc"-Belieferung sei nur in Ausnahmefällen bzw bei speziellen Indikationen erforderlich. In diesen Fällen werde die Zubereitung auf Abruf vorbestellt und nach Kenntnis der erforderlichen Untersuchungsergebnisse tatsächlich angefordert. Hierfür sei in den Ausschreibungsbedingungen eine Lieferfrist von 45 Minuten ab Abruf vorgegeben. Die Quote der "ad hoc"-Belieferung sei sehr niedrig.

8

Das SG hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 29.8.2014) und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe die Vergütung von ihm hergestellter parenteraler onkologischer Zubereitungen für den Monat Dezember 2013 für die bei der Beklagten Versicherten zu, weil diese ihr Apothekenwahlrecht gemäß § 31 Abs 1 Satz 5 SGB V wirksam zu Gunsten des Klägers ausgeübt hätten. Durch den Vertrag nach § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V zwischen der Beklagten und der Apotheke in M., die im Ausschreibungsverfahren den Zuschlag erhalten habe, könne weder das Apothekenwahlrecht der Versicherten beschnitten, noch der Vergütungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten ausgeschlossen werden. Das Leistungsrecht des SGB V werde von dem Grundsatz bestimmt, dass die Versicherten unter den zugelassenen Leistungserbringern frei wählen könnten. Dies betreffe nicht nur die freie Arztwahl nach § 76 SGB V, sondern darüber hinaus alle zugelassenen Krankenhäuser, Einrichtungen, Heil- und Hilfsmittelerbringer. Wegen dieses durchgreifenden Prinzips müsse das Apothekenwahlrecht nach § 31 Abs 1 Satz 5 SGB V auch dann gelten, wenn die Krankenkasse die Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten durch entsprechende Verträge nach § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V sichergestellt habe. In den Gesetzesmaterialien sei ausdrücklich ausgeführt, dass das Recht der Versicherten zur freien Wahl der Apotheken erhalten bleibe (BT-Drucks 16/3100 S 142). Schließlich werde das Apothekenwahlrecht nicht durch die Regelung des § 11 Abs 2 ApoG eingeschränkt, nach der der Apotheker Zytostatikazubereitungen unmittelbar an den anwendenden Arzt abgeben dürfe. Im Ausschreibungsverfahren sei die Beklagte selbst davon ausgegangen, dass das Apothekenwahlrecht der Versicherten gemäß § 31 Abs 1 Satz 5 SGB V unberührt bleibe. Die 38 Versicherten der Beklagten hätten von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Das Verhalten des Klägers im Zusammenspiel mit der onkologischen Praxis sei nicht zu beanstanden, denn die Wahl der Apotheke des Klägers liege im Interesse der hier betroffenen Versicherten. Deren Zytostatikazubereitungen könnten aufgrund der räumlichen Nähe zu der onkologischen Praxis auch bei Dosierungsänderungen schnell und sicher geliefert werden. Die nach dem Ausschreibungsverfahren allein versorgungsberechtigte Apotheke könne demgegenüber die vorgesehene Belieferung innerhalb von 45 Minuten (§ 3 Abs 6 des Rahmenvertrags für die Ausschreibung der Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie gemäß § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V) nicht sicherstellen. Zudem pflege der Kläger nach seinen Angaben intensiven Kontakt zu den Versicherten auch im Hinblick auf die Begleitmedikation und erörtere mit ihnen Fragen im Zusammenhang mit der Ernährung und Behandlung.

9

Die Beklagte macht mit der Sprungrevision eine Verletzung des § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V und des § 11 Abs 2 ApoG geltend. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollten die toxischen und gesundheitsschädigenden onkologischen Zubereitungen den Patienten nicht ausgehändigt, sondern aufgrund einer Absprache nach § 11 Abs 2 ApoG zwischen Arzt und Apotheker direkt in die Praxis geliefert und dort verabreicht werden. Deshalb komme das Apothekenwahlrecht der Versicherten regelmäßig nicht zur Anwendung, wenn die Versorgung mit Zystostatikazubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten durch Selektivverträge nach § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V, § 11 Abs 2 ApoG sichergestellt werde. Vergleichbar mit der Arzneimittelversorgung im Rahmen einer stationären Behandlung hätten die Versicherten auch in diesem Fall kein schutzwürdiges Interesse an der Auswahl einer bestimmten Apotheke. Jedenfalls aber könne das Apothekenwahlrecht nicht gegenüber dem Vertragsarzt auf dessen vorbereiteten Formularen ausgeübt werden. Ein solches "Kombinationsmodell" aus Regelversorgung und Direktbelieferung nach § 11 Abs 2 ApoG, in dem der Vertragsarzt als "Mittler" zwischen Versichertem und Apotheke agiere, sei mit der strengen Trennung der Leistungsbereiche von Arzt und Apotheker nach § 11 Abs 1 ApoG nicht vereinbar. Das Verhalten der onkologischen Praxis stelle eine berufsrechtswidrige Empfehlung einer Apotheke dar, die zudem evident gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoße. Ein Vertragsarzt sei nach der Rechtsprechung des für das Vertragsarztrecht zuständigen 6. Senats des BSG verpflichtet, die kostengünstigere Bezugsvariante zu wählen.

10

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 29.8.2014 zu ändern und die Klage abzuweisen.

11

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Er macht sich die Begründung des SG zu eigen und führt ergänzend aus, durch die "ad hoc"-Bestellungen komme es nicht zu Stornierungen vorbestellter Zubereitungen. Dies sei für die Kassen mit einer "Einsparungsquote" von etwa 18 % verbunden. Die Belieferung durch die 49,8 km entfernt liegende Vertragsapotheke in M. sei mit der Therapiesicherheit nicht zu vereinbaren, da nach der Fachinformation beispielsweise für den Wirkstoff Melphalan die Dauer von der Herstellung bis zur Beendigung der Infusion nicht mehr als 1,5 Stunden betragen solle. Der Kläger beruft sich zudem auf ein Schreiben des Regierungspräsidiums als Aufsichtsbehörde, nach dem Apotheken zur Belieferung von Kassenrezepten verpflichtet seien, und Krankenkassen diese gesetzliche Verpflichtung weder durch Rabattverträge noch durch Ausschreibungen aushebeln könnten. Schließlich nimmt er auf eine Stellungnahme der Landesapothekerkammer Bezug, die aufgrund des Kontrahierungszwangs von einer Lieferpflicht aller Apotheker ausgehe, auch der, die nicht an der Ausschreibung teilgenommen hätten, und bei Zuwiderhandeln das Risiko einer Zwangsfestsetzung durch die Überwachungsbehörde sehe.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist begründet, denn die Beklagte hat Anspruch auf Rückerstattung des vorläufig erneut zur Auszahlung gebrachten Betrages in Höhe von 70 502,35 Euro für die im Dezember 2013 vom Kläger an die onkologische Praxis gelieferten und abgerechneten parenteralen onkologischen Zubereitungen für Versicherte der Beklagten. Die vom Kläger darauf bezogene negative Feststellungsklage war daher abzuweisen, denn sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.

14

1. Nach der Retaxierung des Zahlungsbetrages seitens der Beklagten hatte der Kläger zunächst eine auf Zahlung gerichtete Klage erhoben. Grundsätzlich können Leistungserbringer ihre Zahlungsansprüche im Wege der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG geltend machen, denn es handelt sich dabei um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, ein Vorverfahren nicht durchzuführen und eine Klagefrist nicht einzuhalten ist (vgl zB BSGE 86, 166, 167 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 1; BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 20; für Apotheken: BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 1 bis 9 sowie SozR 4-2500 § 129a Nr 1 jeweils mwN). Nachdem die Beklagte zur Beilegung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens dem Kläger die streitige Summe vorläufig wieder ausgezahlt hatte, und der Kläger daher seine Rechte nicht weiter im Wege der Leistungsklage verfolgen konnte, war die Umstellung auf eine negative Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG zulässig. Eine Klageänderung liegt darin nicht (§ 99 Abs 3 Nr 2 SGG). Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der negativen Feststellung, weil die Beklagte die streitige Summe im Falle eines für sie günstigen Ausgangs des vorliegenden Hauptsacheverfahrens zeitnah von einer der nächsten Rechnungen des Klägers einbehalten wird. Es ist weder prozessökonomisch noch dem Kläger zumutbar, zunächst eine erneute Retaxierung der Summe durch die Beklagte abzuwarten, um dagegen im Wege der Leistungsklage vorgehen zu können. Es ist auch anzunehmen, dass der Streitfall mit der gerichtlichen Feststellung endgültig geklärt ist.

15

2. Der Beklagten steht für die im Dezember 2013 vom Kläger an die onkologische Praxis gelieferten und abgerechneten parenteralen onkologischen Zubereitungen für ihre Versicherten ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegen den Kläger zu; sie kann die insoweit ohne Rechtsgrund erfolgte Zahlung zurückfordern oder im Wege der Aufrechnung von einer späteren Rechnung absetzen (retaxieren), soweit sie dabei die hierfür vorgesehenen vertraglichen Vereinbarungen einhält (§ 16 des Arzneimittellieferungsvertrag Hessen nach § 129 Abs 5 Satz 1 SGB V in der Fassung vom 1.4.2008; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 9 mwN).

16

Dem Kläger steht für die Belieferung der onkologischen Praxis mit parenteralen onkologischen Zubereitungen kein Vergütungsanspruch (hierzu a) und auch kein Anspruch auf Wertersatz oder Erstattung der Kosten der Warenbeschaffung oder der "Sowiesokosten" zu (hierzu b).

17

a) Der Kläger war zur Belieferung der onkologischen Praxis mit parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten nicht berechtigt. Er erfüllte daher keine öffentlich-rechtliche Leistungspflicht. Der Vergütungsanspruch für vom Kläger abgegebene Arzneimittel ergibt sich grundsätzlich aus § 129 SGB V in Verbindung mit dem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs 2 SGB V in der Fassung vom 15.6.2012 sowie dem ALV Hessen; für die hier streitigen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln zudem aus der Anlage 3 zur Hilfstaxe in der seit dem 1.3.2012 anwendbaren Fassung.

18

Die Voraussetzungen für das Entstehen eines solchen öffentlich-rechtlichen Vergütungsanspruchs lagen für die streitgegenständliche Forderung jedoch nicht vor, weil die Beklagte nach § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V berechtigt war, mit einer Apotheke einen Exklusivliefervertrag im Wege eines Ausschreibungsverfahrens abzuschließen und von diesem Recht Gebrauch gemacht hat (hierzu aa)). Dem stehen weder verfassungsrechtliche Bedenken (hierzu bb)), noch der Kontrahierungszwang nach § 17 Abs 4 Apothekenbetriebsordnung (hierzu cc)) oder das Apothekenwahlrecht der Versicherten nach § 31 Abs 1 Satz 5 SGB V (hierzu dd)) entgegen. Aufgrund dieses Exklusivliefervertrags durfte die onkologische Praxis parenterale, onkologische Zubereitungen für die Versicherten der Beklagten grundsätzlich nur noch von der M. Apotheke beziehen, die die Ausschreibung gewonnen hat, und der Kläger durfte diese Leistungen nicht mehr zu Lasten der Beklagten erbringen (hierzu ee)). Datenschutzrechtliche Bestimmungen werden dadurch nicht verletzt (hierzu ff)).

19

aa) Nach § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V kann die Krankenkasse die Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten durch Verträge mit Apotheken sicherstellen; dabei können Abschläge auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens und die Preise und Preisspannen der Apotheken vereinbart werden.

20

Soweit die Krankenkasse von dieser Berechtigung Gebrauch macht und zur Sicherstellung der Versorgung ihrer Versicherten mit parenteralen onkologischen Zubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten Verträge mit Apotheken schließt, können hiervon abweichende Regelungen des Rahmenvertrags nach § 129 Abs 2 SGB V und der ergänzenden Verträge nach § 129 Abs 5 Satz 1 SGB V keine Anwendung mehr finden. Für die vertragsschließenden Parteien ergibt sich dies ohne weiteres aus dem Grundsatz des Vorrangs der spezielleren Regelung. Die Regelungen des Rahmenvertrags werden in diesem Spezialbereich durch speziellere Regelungen in dem Einzelvertrag verdrängt. Speziellere Regelungen finden sich insbesondere in den Abschlägen auf die ansonsten geltenden Preise. Für alle übrigen Arzneimittel und anderen Anwendungssituationen verbleibt es - auch zwischen der vertragsschließenden Apotheke und der Beklagten - bei den Regelungen des Rahmenvertrags.

21

Für die anderen Apotheken und im Verhältnis zu den übrigen Krankenkassen verbleibt es zwar grundsätzlich bei der Anwendbarkeit der Regelungen des Rahmenvertrags nach § 129 Abs 2 SGB V einschließlich der ergänzenden Verträge nach § 129 Abs 5 Satz 1 SGB V und der Anlage 3 zur Hilfstaxe. In dem Umfang, in dem die Leistungserbringung Gegenstand eines Einzelvertrags mit einer bestimmten Apotheke geworden ist, werden die anderen Apotheken jedoch notwendig von der Leistungserbringung zu Lasten der vertragsschließenden Krankenkasse ausgeschlossen. Ihre grundsätzliche Leistungsberechtigung und -verpflichtung entfällt im Umfang des vorrangigen Einzelvertrags, weil jede Leistung nur einmal erbracht werden kann. Diese Konsequenz ist unausweichlich mit der gesetzlichen Zulassung von Einzelverträgen verbunden. Schließt eine Krankenkasse beispielsweise mit einer Apotheke einen Einzelvertrag über 500 Einzelleistungen, so können die übrigen Apotheken diese 500 Einzelleistungen nicht mehr erbringen. Schließt eine Krankenkasse mit einer Apotheke in einem bestimmten Gebiet einen Exklusivliefervertrag, kann in diesem Gebiet die Versorgung der Versicherten dieser Krankenkasse nur noch durch diese Apotheke erfolgen.

22

Mit der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit zum Abschluss von Einzelverträgen hat der Gesetzgeber den Ausschluss der anderen Apotheken von der Leistungsberechtigung und -verpflichtung bewusst in Kauf genommen. Der Exklusivliefervertrag für ein bestimmtes Gebiet, der alle anderen Leistungserbringer von der Versorgung der Versicherten der vertragsschließenden Krankenkasse in diesem Gebiet ausschließt, gehört inzwischen zu den regelmäßig im Wege einer Ausschreibung vergebenen Leistungserbringungsverträgen. Schon deshalb kann ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit von Exklusivverträgen im Zusammenhang mit der Einführung der Vorschrift des § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V übersehen hat. Aus der Gesetzesbegründung wird darüber hinaus deutlich, dass der Gesetzgeber insbesondere im Bereich der Zytostatikazubereitungen einen Bedarf zur Hebung von Wirtschaftlichkeitsreserven durch den Abschluss von preisgünstigeren Einzelverträgen gesehen hat. In der Begründung des Fraktionsentwurfs zum Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG - BT-Drucks 16/3100 S 142; ebenso die Regierungsvorlage, BR-Drucks 755/06 S 387) ist ausgeführt, dass Apotheken durch die Neuregelung des § 129 Abs 5 SGB V die Möglichkeit erhalten sollten, die auf Landesebene vereinbarten Preise für Arzneimittel, die nicht der Arzneimittelpreisverordnung unterliegen, sowie die auf Bundesebene vereinbarten Höchstpreise für Rezepturarzneimittel bei der Abrechnung mit einer Krankenkasse zu unterschreiten. Soweit eine Direktlieferung an Arztpraxen nach den geltenden Vorschriften des Arzneimittelgesetzes vorgesehen sei, sollten Apotheken und Krankenkassen zur Versorgung von Arztpraxen mit Arzneimitteln Vereinbarungen schließen können. Eine Bindung von Versicherten an eine Apotheke außerhalb von vertraglich vereinbarten Versorgungsformen erfolge gemäß § 11 Abs 1 ApoG nicht. Das Recht der Versicherten zur freien Wahl der Apotheke bleibe erhalten (BT-Drucks 16/3100 S 142 zu § 129 SGB V; ebenso die Regierungsvorlage, BR-Drucks 755/06 S 387). Der ursprünglich sehr weit gefasste Vorschlag zur Neuregelung des § 129 Abs 5 Satz 3 bis 6 SGB V, die ua alle Arzneimittel umfasste, die von Ärzten in der Arztpraxis während der Behandlung angewendet werden(vgl BR-Drucks 755/06 S 79), wurde - weil sich dies nach einer Stellungnahme des Bundesrates (vgl BT-Drucks 16/3950 S 22) nicht durchsetzen konnte (vgl auch BT-Drucks 16/4020 S 5) - aufgrund einer Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses (BT-Drucks 16/4200 S 78) ua auf in Apotheken hergestellte Zytostatika zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten reduziert. In der hierzu ergangenen Begründung wird von einer redaktionellen Anpassung der im Gesetzentwurf vorgesehenen Möglichkeit gesprochen, Preisabschläge für diese spezielle Versorgung zu vereinbaren und dadurch besondere Fallgestaltungen der Versorgung mit Zytostatika-Rezepturen sachgerecht zu berücksichtigen (BT-Drucks 16/4247 S 46 f). Mit dem Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.7.2009 (BGBl I S 1990 - 2020) wurde in § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V das Wort "Zytostatika" durch die Wörter "parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie" ersetzt. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/12256, S 65 zu § 129 SGB V) wird dadurch "erreicht, dass Krankenkassen Versorgungsverträge mit einzelnen Apotheken nicht nur für Zytostatika-Zubereitungen schließen können, sondern auch für andere parenterale Zubereitungen (Infusionen) aus Fertigarzneimitteln, die für onkologische Behandlungen erforderlich sind. Damit können Verträge, insbesondere auch für biotechnologische Fertigarzneimittel, vereinbart werden, die in der Onkologie einen zunehmenden Versorgungsbeitrag erbringen. Der Anteil dieser Zubereitungen wächst jährlich zweistellig". Mit diesem Gesetz wurde auch die Regelung des § 129 Abs 5c SGB V neu eingefügt.

23

Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber zur Erschließung von Wirtschaftlichkeitsreserven (vgl hierzu BT-Drucks 16/3100 S 142 zu § 129 SGB V; ebenso die Regierungsvorlage, BR-Drucks 755/06 S 387) Verträge mit einzelnen Apotheken ermöglichen wollte (so auch Knittel in: Krauskopf, § 129 SGB V, RdNr 16) und sich insbesondere durch die Vereinbarung von Abschlägen auf die nach Anlage 3 zur Hilfstaxe maßgeblichen Preise Einsparungen versprach. Die Durchsetzung des in § 12 Abs 1 SGB V normierten und das gesamte krankenversicherungsrechtliche Leistungs- und Leistungserbringerrecht durchziehenden Wirtschaftlichkeitsgebots ist der Vorschrift damit immanent. Mit einem gegenüber den herkömmlichen Konditionen für den Apotheker wirtschaftlich ungünstigeren Einzelvertrag kann die Versorgung der Versicherten jedoch nur dann "sichergestellt" werden, wenn die Krankenkasse dem Leistungserbringer eines abgegrenzten Versorgungsbereiches einen gewissen Leistungsumfang garantieren kann. Ohne diese Garantie gäbe es für den Apotheker keinen Anreiz, einen Vertrag mit Abschlägen gegenüber den ansonsten geltenden Preisen zu vereinbaren. Die Vorschrift des § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V würde leerlaufen. Um den Krankenkassen neben der rechtlichen auch die tatsächliche Möglichkeit einzuräumen, im Verhandlungsweg Abschläge auf die ansonsten geltenden Preise zu erzielen, muss die Krankenkasse deshalb in der Lage sein, die Abnahme einer bestimmten Menge verlässlich zuzusagen. Eine zumindest prinzipielle Exklusivität der Lieferbeziehungen gehört daher zu den Essentialia eines entsprechenden Vertrags, und im Umfang eines solchen Exklusivliefervertrags werden alle anderen Apotheken von der Versorgungsberechtigung zu Lasten der vertragsschließenden Krankenkasse ausgeschlossen (vgl hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 14.10.2010 - L 1 SF 191/10 B - Verg - Juris).

24

bb) Dieses Normverständnis begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Krankenkassen haben grundsätzlich jedem zugelassenen und geeigneten Leistungserbringer die Möglichkeit zur Beteiligung an der Versorgung der Versicherten nach Maßgabe sachgerechter, vorhersehbarer und transparenter Kriterien im Rahmen der jeweils geltenden gesetzlichen Vorgaben einzuräumen. Zwar steht dabei jedem Leistungserbringer im Rahmen der gesetzlichen und untergesetzlichen Vorgaben eine Beteiligung offen, solange und soweit das Leistungserbringungsrecht nicht selbst den Zugang zur GKV-Versorgung begrenzt, und Beschränkungen des Zugangs bedürfen einer gesetzlichen Grundlage (vgl BSGE 106, 29 = SozR 4-2500 § 126 Nr 2, RdNr 22 ff). Allerdings bietet § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V für Einzelverträge, die notwendig den Zugang zur Versorgung von Versicherten mit parenteralen Zubereitungen in der Onkologie in einem gewissen Umfang exklusiv einer Einzelapotheke zuweist, hierfür eine hinreichende Rechtsgrundlage, die dem Wirtschaftlichkeitsgebot gerecht wird. In diesem Rahmen ist es auch im Hinblick auf die durch Art 12 Abs 1 GG garantierte Berufsfreiheit ausreichend, wenn den Leistungserbringern im Wege einer Ausschreibung der Leistung gleicher Zugang zur Leistungserbringung gewährt wird. Art 12 Abs 1 GG gewährt den Leistungserbringern keinen Anspruch auf unveränderte Wettbewerbsbedingungen und Marktverhältnisse. Das BVerfG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an Mitbewerber grundsätzlich nicht den Schutzbereich der Berufsfreiheit des unterlegenen Bieters berührt (vgl zB BVerfG SozR 4-2500 § 130a Nr 7; BVerfGE 116, 135 <151 f> RdNr 58 ff). Vielmehr sind die Kassen bei der Vergabe von Leistungen an Leistungserbringer europarechtlich zur Ausschreibung der Verträge verpflichtet, gerade um den Leistungserbringern gleichen Zugang zu den Verträgen zu gewähren, soweit den Krankenkassen die Möglichkeit eingeräumt ist, Versorgungsverträge mit einzelnen Leistungserbringern, dh selektivvertraglich, zu schließen (vgl LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 22.7.2010 - L 21 SF 152/10 Verg - RdNr 71 ff Juris). Eine Ausschreibung kann aber sinnvoll nur erfolgen, wenn die Leistungsmenge - beispielsweise durch die Einräumung eines exklusiven Lieferrechts - hinreichend bestimmbar ist (vgl §§ 97 Abs 6, 98 Nr 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, § 4 Abs 1 VgV iVm § 3a Nr 4 Abs 1 Satz 2 VOL/A; vgl hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 7.5.2010 - L 1 SF 95/10 B Verg - Juris, RdNr 51).

25

cc) Dem steht auch nicht die in § 17 Abs 4 ApBetrO geregelte Pflicht zur unverzüglichen Ausführung einer Arzneimittelverordnung und der damit verbundene Kontrahierungszwang entgegen. Denn das SGB V geht als förmliches Bundesgesetz der als Rechtsverordnung erlassenen ApBetrO grundsätzlich vor. Auf dieser rechtlichen Vorrangigkeit basiert die Regelung des § 17 Abs 5 Satz 1 ApBetrO, nach der die abgegebenen Arzneimittel den Verschreibungen und den damit verbundenen Vorschriften des SGB V zur Arzneimittelversorgung entsprechen müssen. Deshalb tritt der Kontrahierungszwang der Apotheker auch nach der Rechtsprechung des BSG (vgl BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 2, RdNr 27) erst ein, wenn alle gesetzlichen und vertraglichen Voraussetzungen für die Abgabe eines Arzneimittels erfüllt sind, soweit sie ein Apotheker zu prüfen hat. Ein Apotheker hat zwar von sich aus nicht die Pflicht zu prüfen, ob eine andere Apotheke mit einer Krankenkasse einen Selektivvertrag geschlossen hat; wird die Apotheke aber - wie hier - von der Krankenkasse über das Bestehen eines solchen Selektivvertrages informiert, wird dadurch der Kontrahierungszwang nach § 17 Abs 4 ApBetrO ausgesetzt. Denn die Versorgung wird nach dem Wortlaut des § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V bei Abschluss eines Einzelvertrags durch diesen "sichergestellt". Ein im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung der Krankenkassen zum Abschluss von Verträgen nach § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V geschlossener Einzelvertrag geht daher dem Kontrahierungszwang grundsätzlich vor.

26

dd) Das Recht der Versicherten, unter den zugelassenen Leistungserbringern frei zu wählen - hier das Apothekenwahlrecht - wird notwendig auf die vertraglich gebundenen Leistungserbringer beschränkt, soweit der Gesetzgeber den Abschluss von Einzelverträgen vorsieht. Insoweit wird nicht nur in diesem Zusammenhang, sondern regelmäßig dem Wirtschaftlichkeitsgebot der Vorrang vor dem Versichertenwahlrecht eingeräumt (hierzu (1)). In dem besonderen Fall der Direktbelieferung der Arztpraxis mit parenteralen onkologischen Zubereitungen ist zudem ein berechtigtes Interesse der Versicherten an der freien Wahl der Apotheke nicht erkennbar (hierzu (2)). Vielmehr ist der anwendende Arzt zur Absprache mit der Apotheke berechtigt, sodass in diesem Zusammenhang den Versicherten ohnehin kein Wahlrecht zukommt (hierzu (3)). Einer dem § 33 Abs 6 Satz 2 SGB V vergleichbaren gesetzlichen Regelung bedarf es für die Leistung von parenteralen onkologischen Zubereitungen nicht (hierzu (4)).

27

Es kommt deshalb nicht darauf an, ob das Apothekenwahlrecht der Versicherten hier bereits nach der im Wortlaut des § 31 Abs 1 Satz 5 SGB V enthaltenen Einschränkung auf solche Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs 2 SGB V Geltung hat, nicht eingreift. Wie dargelegt wird der Rahmenvertrag durch einen Einzelvertrag für die vertragsschließenden Parteien verdrängt, soweit er speziellere Regelungen enthält. Für alle übrigen Apotheken wird der Rahmenvertrag jedenfalls insoweit verdrängt, als es zu einem Ausschluss von der Leistungsberechtigung zu Lasten der vertragsschließenden Krankenkasse kommt. Soweit der vorliegende Versorgungsbereich im Streit steht, kann sich der Kläger daher schon nicht auf den Rahmenvertrag berufen.

28

(1) Entgegen der Auffassung des SG gilt die für weite Bereiche des Leistungsrechts geregelte Wahlfreiheit der Versicherten unter den zugelassenen Leistungserbringern prinzipiell nicht uneingeschränkt. Vielmehr kann sich das Wahlrecht der Versicherten nach dem Willen des Gesetzgebers regelmäßig nur im Falle besonderer berechtigter Interessen gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot und/oder gegen Tragung der Mehrkosten durchsetzen. Bereits die freie Arztwahl wird nach § 76 Abs 2 SGB V durch die vom Versicherten zu tragenden Mehrkosten für den Fall eingeschränkt, dass ohne zwingenden Grund ein anderer als einer der nächst erreichbaren an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen oder medizinischen Versorgungszentren in Anspruch genommen wird(vgl hierzu BSG Urteil vom 8.9.2015 - B 1 KR 27/14 R - vorgesehen für SozR 4 - danach sind die erstattungsfähigen Fahrkosten auf Fahrten zum nächsterreichbaren Arzt beschränkt, auch wenn der Versicherte einen Arzt mit weiter entfernt gelegenem Praxissitz wählt). Für die Hilfsmittel bestimmt § 33 Abs 6 SGB V ausdrücklich, dass die Versicherten (nur) Leistungserbringer in Anspruch nehmen können, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Hat die Krankenkasse Verträge nach § 127 Abs 1 SGB V - dh im Wege der Ausschreibung - über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln geschlossen, erfolgt die Versorgung durch einen Vertragspartner, der den Versicherten von der Krankenkasse zu benennen ist(§ 33 Abs 6 Satz 2 SGB V). Einen anderen Leistungserbringer können Versicherte davon abweichend nach § 33 Abs 6 Satz 3 SGB V nur wählen, wenn ein berechtigtes Interesse besteht; dadurch entstehende Mehrkosten haben sie selbst zu tragen. Für den Bereich der Heilmittel ist eine Wahlfreiheit der Versicherten nicht ausdrücklich geregelt. Bei stationären Maßnahmen der Rehabilitation wählt nach § 40 Abs 2 Satz 1 SGB V zunächst die Krankenkasse die Einrichtung aus; ein hiervon abweichendes Wahlrecht wird den Versicherten regelmäßig nur zugestanden, soweit sie die Mehrkosten tragen, allerdings haben sie nicht für Mehrkosten aufzukommen, die im Hinblick auf die Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts nach § 9 SGB IX angemessen sind(§ 40 Abs 2 Satz 2 SGB V). Vergleichbar damit können den Versicherten auch im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nach § 39 Abs 2 SGB V die Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn sie ohne zwingenden Grund ein anderes als ein in der ärztlichen Einweisung genanntes Krankenhaus wählen. Es wird also deutlich, dass das Leistungsrecht des SGB V nicht auf einem uneingeschränkten Grundsatz des freien Wahlrechts der Versicherten bezüglich der Leistungserbringer basiert. Vielmehr ist das Wahlrecht der Versicherten grundsätzlich auf die Vertragspartner der Krankenkasse beschränkt, soweit die Leistungserbringung durch Verträge geregelt wird, und gegenüber dem Wirtschaftlichkeitsgebot genießt das Versichertenwahlrecht regelmäßig nur bei berechtigten Interessen und/oder gegen Tragung der Mehrkosten Vorrang.

29

Zwar wird den Versicherten die Teilnahme an besonderen Versorgungsformen (zB an der integrierten Versorgung gemäß § 140 Abs 2 SGB V, an Strukturverträgen nach § 73a SGB V, an der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB V, an der besonderen ambulanten ärztlichen Versorgung nach § 73c SGB V) regelmäßig freigestellt, dies beruht aber auf den Besonderheiten dieser Versorgungsformen, die eine Vergleichbarkeit mit dem Wahlrecht der Versicherten in der Regelversorgung ausschließen.

30

(2) Aufgrund der gesetzlich vorgesehenen Direktbelieferung der Arztpraxis mit parenteralen onkologischen Zubereitungen ist ein berechtigtes Interesse der Versicherten an der freien Wahl der Apotheke nicht erkennbar. Nach § 31 Abs 1 Satz 5 SGB V gilt das Apothekenwahlrecht der Versicherten - entsprechend der Geltung des Rahmenvertrags - grundsätzlich nur in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung. In diesem Versorgungsbereich werden Arzneimittel regelmäßig ärztlich verordnet und aufgrund einer solchen Verordnung von einer vom Versicherten frei zu wählenden Apotheke unmittelbar an ihn abgegeben. Der Versicherte kann sich dabei Hinweise und Ratschläge vom Apotheker zu dem Arzneimittel und seiner Einnahme einholen.

31

Demgegenüber haben die Versicherten während einer stationären Behandlung grundsätzlich keinen Einfluss auf die Wahl der zuliefernden Apotheke. Vielmehr erbringt das Krankenhaus regelmäßig die gesamte Versorgung einheitlich (§ 2 Krankenhausentgeltgesetz), wobei es sich wegen der notwendigen Arzneimittel der Krankenhausapotheke bedient. Dem Versicherten steht die freie Wahl des Krankenhauses, nicht aber der in diesem Rahmen vom Krankenhaus eingesetzten Hilfspersonen oder Dritten (zur Zulässigkeit der vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter § 2 Abs 2 Nr 2 KHEntG) zu. Ein berechtigtes Interesse des Versicherten an der freien Wahl der Apotheke ist während eines Krankenhausaufenthaltes regelmäßig nicht erkennbar, da die behandelnden Ärzte, Therapeuten und Pfleger die fachgerechte Anwendung der Arzneimittel überwachen und den Versicherten als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Soweit sich der Kläger auf das freie Apothekenwahlrecht der Versicherten für vom Krankenhaus ausgestellte Rezepte nach § 39 Abs 1a SGB V beruft, der durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG) vom 16.7.2015 neu eingefügt wurde (BGBl I S 1211, 1213 f), betrifft diese Regelung nicht die Versorgung der Versicherten während des Krankenhausaufenthaltes, sondern die Versorgung für die Zeit unmittelbar nach der Entlassung. Die Situation ist dann mit der (sonstigen) ambulanten Behandlung identisch: Den Versicherten wird das Rezept mitgegeben und die Medikamente werden von ihnen selbständig eingenommen (vgl auch BT-Drucks 18/4095 S 76).

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Zu einer selbständigen Einnahme der Arzneimittel durch den Versicherten kommt es auch dann nicht, wenn ein Medikament dem Versicherten direkt vom Vertragsarzt während der (ambulanten) Behandlung verabreicht wird. Ein Vertragsarzt muss bestimmte Arznei- und Verbandmittel zur direkten Behandlung durch ihn in seiner Praxis vorrätig halten oder bei Bedarf bestellen. Dazu gehören zB der sogenannte Sprechstundenbedarf, wie Röntgenkontrastmittel, Arzneimittel zur Notfallversorgung uä. Diesbezüglich liegt die Wahl der Bezugsquelle im Rahmen der gesetzlichen Regelungen allein beim Arzt. Eine Zustimmung des Patienten zur Auswahl der zuliefernden Apotheke kennt das Gesetz nicht. Der Versicherte kann nur den Arzt, nicht die ihn beliefernde Apotheke frei wählen. Da der vom Versicherten nach eigenem Vertrauen ausgewählte Arzt die Arzneimittel unmittelbar selbst verabreicht oder anwendet und als Ansprechpartner zur Verfügung steht, ist auch hier ein berechtigtes Interesse der Versicherten an der freien Wahl der Apotheke regelmäßig nicht erkennbar.

33

(3) Das Gleiche gilt für die Versorgung mit parenteralen Zubereitungen in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten. In diesem Bereich sind der anwendende Arzt und der Betreiber einer öffentlichen Apotheke nach § 11 Abs 2 ApoG - in Abweichung von dem grundsätzlichen Verbot von Absprachen zwischen Ärzten und Apothekern nach § 11 Abs 1 ApoG - berechtigt, Absprachen zu treffen, nach denen die anwendungsfertigen Zytostatikazubereitungen, die im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes hergestellt worden sind, direkt an die Arztpraxis geliefert werden, um sie dort den Patienten durch den Arzt parenteral zu verabreichen. In der Gesetzesbegründung zu § 11 Abs 2 ApoG wird darauf hingewiesen, dass aufgrund der erforderlichen besonderen personellen, räumlichen und apparativen Ausstattung nur einzelne Apotheken zur Herstellung dieser Zubereitungen in der Lage seien. Aus Sicherheitsgründen sei eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Abspracheverbot erforderlich, weil die Zytostatikazubereitungen nicht in die Hände der Patienten gelangen sollten (BT-Drucks 14/756 S 5). Es wäre dem behandelnden Arzt auch kaum zumutbar, die Verantwortung für eine Behandlung mit diesen empfindlichen Zubereitungen zu übernehmen, wenn er nicht die vollständige Kontrolle über den Beschaffungsweg, die zwischenzeitlichen Lagerungsbedingungen, einschließlich der Zugriffsmöglichkeiten und des Zeitablaufs hat. Mit einer Absprache nach § 11 Abs 2 ApoG wählt aber gerade der behandelnde Arzt - nicht der Versicherte - den Apotheker aus. Zu dieser Absprache bedarf es weder der Zustimmung des Versicherten, noch kann dieser die Versorgung durch eine andere Apotheke wählen. Der in den Gesetzesmaterialien zu § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V enthaltene Hinweis, dass das Recht der Versicherten zur freien Wahl der Apotheke erhalten bleibe, kann vor diesem Hintergrund nur so verstanden werden, dass dieses Wahlrecht durch die Regelung gar nicht erst berührt wird. Denn dieser Satz wird in der Gesetzesbegründung in einen unmittelbaren Zusammenhang zur Direktlieferung von Arzneimitteln an Arztpraxen gestellt und ausgeführt, Apotheken und Krankenkassen sollten zur Versorgung von Arztpraxen mit Arzneimitteln Vereinbarungen schließen können. "Eine Bindung von Versicherten an eine Apotheke außerhalb von vertraglich vereinbarten Versorgungsformen erfolgt gemäß § 11 Abs 1 ApoG nicht. Das Recht der Versicherten zur freien Wahl der Apotheke bleibt erhalten" (BT-Drucks 16/3100 S 142 zu § 129 SGB V; ebenso die Regierungsvorlage, BR-Drucks 755/06 S 387).

34

(4) Mangels eigener Wahlmöglichkeiten der Versicherten bezüglich der versorgenden Apotheke bedarf es keiner dem § 33 Abs 6 Satz 2 SGB V vergleichbaren gesetzlichen Bestimmung. § 33 Abs 6 Satz 2 SGB V sieht für das grundsätzliche Wahlrecht der Versicherten bezüglich des Hilfsmittelerbringers ausdrücklich die Einschränkung vor, dass bei einem im Wege der Ausschreibung erfolgten Vertragsabschluss über Hilfsmittel die Versorgung ausschließlich durch den von der Krankenkasse zu benennenden Vertragspartner erfolgt. Bei der Behandlung mit anwendungsfertigen, parenteralen Zytostatikazubereitungen entscheidet jedoch allein der Onkologe über die Bezugsquelle der von ihm verabreichten Medikamente. Es liegt daher keine der Hilfsmittelversorgung vergleichbare Situation vor. Einer gesetzlichen Regelung zur Beschränkung des Apothekenwahlrechts der Versicherten auf die Vertragsapotheke bedarf es daher nicht.

35

ee) Stellt eine Krankenkasse die Lieferung von anwendungsfertigen Zytostatikazubereitungen durch den Abschluss eines Exklusivliefervertrags iS von § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V mit einer Apotheke sicher, darf der anwendende Arzt - soweit er von der Krankenkasse über die Beschränkung des Bezugsweges auf eine bestimmte Apotheke informiert wurde - die parenteralen onkologischen Zubereitungen zur Versorgung der bei der vertragsschließenden Krankenkasse Versicherten grundsätzlich nur noch von dieser Apotheke beziehen. Jedenfalls solange nicht aus zwingenden medizinischen Gründen oder sonstigen berücksichtigungsfähigen besonderen Umständen von dem von der Beklagten vorgegebenen wirtschaftlichsten Bezugsweg abgewichen werden muss, sind die Vertragsärzte hierauf beschränkt und die anderen Apotheker haben keine Leistungsberechtigung. Nach der Rechtsprechung des für das Vertragsarztrecht zuständigen 6. Senats des BSG sind Vertragsärzte regelmäßig verpflichtet, den kostengünstigsten Bezugsweg zu wählen, wenn sie von der Krankenkasse hierauf hingewiesen werden und keine besonderen Umstände dagegen sprechen (BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 18/14 R - vorgesehen für SozR 4). Diese Entscheidung betraf insoweit eine vergleichbare Konstellation, als die Krankenkasse des versicherten Patienten die behandelnde Ärztin aufgefordert hatte, die notwendigen Gerinnungsfaktoren unmittelbar vom Hersteller in die Praxis liefern zu lassen und nicht dem Patienten über eine Apotheke zukommen zu lassen. Im Übrigen dürften hier die Ärzte der mit dem Kläger kooperierenden onkologischen Praxis durch die Einflussnahme auf die (vermeintlich) freie Wahl der Apotheke durch ihre Patienten gegen ihre Berufspflichten verstoßen haben. Jedenfalls sind die behandelnden Ärzten nach der Rechtsprechung des BGH berufsrechtlich nicht berechtigt, den Patienten ein vorformuliertes Formular vorzulegen, mit dem diese eine Erklärung zur Wahl eines bestimmten Leistungserbringers abgeben (vgl BGH, MedR 2015, 729; GRUR 2015, 283; VersR 2015, 999; MDR 2015, 292; insoweit enthält auch die Hessische Berufsordnung für Ärzte ein entsprechendes Empfehlungs- und Verweisungsverbot in § 31 Abs 2 HBOÄ). Vertragsärzte, die gegen ihre Verpflichtung zur wirtschaftlichen Erbringung der Versorgung nach §§ 12 Abs 1, 70 Abs 1 Satz 2 SGB V verstoßen, können sich entsprechenden Regressforderungen der Krankenkasse aussetzen. Die Beurteilung, ob die regelmäßige "ad hoc"-Bestellung oder die von der Beklagten beschriebene therapeutische Vorgehensweise einer im Voraus festgelegten Pharmakotherapie die wirtschaftlichere Alternative darstellt, obliegt ausschließlich der Beklagten. Es ist weder Aufgabe der Leistungserbringer, noch Aufgabe der Gerichte, ohne medizinischen Anlass oder sonstige berücksichtigungsfähige Umstände die Wirtschaftlichkeit der von den Kassen abgeschlossenen Verträge zu bewerten.

36

Korrespondierend hiermit hat der davon in Kenntnis gesetzte Apotheker, mit dem kein Selektivvertrag geschlossen wurde, kein Recht mehr zur Lieferung und Abrechnung der Zytostatikazubereitungen zu Lasten der Beklagten. Denn einerseits sind auch Apotheker an das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs 1 SGB V gebunden, andererseits ist für eine Absprache zwischen Arzt und Apotheker gemäß § 11 Abs 2 ApoG kein Raum mehr, wenn schon der Arzt aus wirtschaftlichen Gründen eine solche Absprache nicht mehr treffen darf.

37

Nach diesen Grundsätzen dürfen die Vertragsärzte der onkologischen Praxis zur Versorgung der bei der Beklagten versicherten Patienten seit dem 1.12.2013 weder mit anderen Apotheken Vereinbarungen nach § 11 Abs 2 ApoG schließen, noch den Versicherten die Verordnungen zur Selbstabholung der Zubereitungen aushändigen. Ob die Selbstabholung durch Versicherte im Hinblick auf die damit verbundenen Sicherheitsbedenken bei anwendungsfertigen Zytostatikazubereitungen nicht ohnehin unzulässig ist, braucht daher nicht entschieden zu werden. Denn medizinische Gesichtspunkte oder sonstige berücksichtigungsfähige besondere Umstände, die gegen die Vertragsapotheke aus M. als Bezugsquelle der onkologischen Praxis in D. sprechen könnten, sind bei Einhaltung der von der Beklagten geschilderten therapeutischen Vorgehensweise weder vorgetragen noch ersichtlich. Es wäre ohnehin fraglich, welches subjektive Recht des Klägers verletzt sein könnte, wenn die Beklagte ihre Versicherten (und die behandelnden Vertragsärzte) auf eine nicht ausreichende medizinische Versorgung beschränken würde. Das muss aber ebenfalls nicht abschließend entschieden werden, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der von der Beklagten zur Verfügung gestellte Bezugsweg für parenterale onkologische Zubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten unter medizinischen Gesichtspunkten unzureichend sein könnte.

38

Stellt der behandelnde Arzt, wie die Beklagte ausführt, einen ärztlichen Therapieplan auf, in dem die Pharmakotherapie sowie die Arzttermine für die Infusionen im Voraus festgelegt werden, und liefert die Apotheke aufgrund dieses Therapieplans die onkologischen Zubereitungen termingerecht in die Arztpraxis, spielt die Entfernung der Vertragsapotheke von der Arztpraxis keine wesentliche Rolle. Sollte im Einzelfall eine "ad hoc"-Belieferung notwendig sein, weil entweder der aufgestellte Therapieplan geändert werden muss oder weil aufgrund einer speziellen Indikation ein fester Therapieplan nicht erstellt werden kann, erfolgt eine Lieferung auf Abruf innerhalb von 45 Minuten durch die Vertragsapotheke. Dieser zeitlichen Vorgabe hat sich die Vertragsapotheke aus M. im Ausschreibungsverfahren unterworfen. Bei dieser Vorgehensweise ist eine medizinisch ausreichende und zweckmäßige Versorgung der Versicherten sichergestellt (§ 70 Abs 1 SGB V). Das zeigt sich schon daran, dass deutschlandweit ohnehin nur sehr wenige (nach Angabe der Beteiligten etwa 250 bis 400) Apotheken in der Lage sind, anwendungsfertige Zytostatikazubereitungen selbst herzustellen und sich auch diese teilweise industrieller Herstellerbetriebe bedienen (vgl hierzu § 21 Abs 2 Nr 1b lit a) AMG, der dies rechtlich ermöglicht). Schon diese Tatsache bedingt im allgemeinen gewisse Fahrwege, ohne dadurch eine medizinisch ausreichende und zweckmäßige Versorgung der Versicherten zu gefährden. Auch der Kläger hatte sich mit seiner in D. ansässigen Apotheke auf eine Ausschreibung für das Gebietslos F. beworben und hierfür einen Herstellbetrieb als Unterauftragnehmer mit Sitz in W. angegeben.

39

Nach dem rechtswirksamen Zuschlag im Ausschreibungsverfahren für das Gebietslos in D. zugunsten der Apotheke in M. kann der Kläger als Inhaber einer konkurrierenden Apotheke nicht mehr mit dem Einwand gehört werden, die M. Apotheke könne die Vorgabe der Lieferung innerhalb von 45 Minuten nicht gewährleisten. Der Einwand, ein Konkurrent erfülle nicht die in der Ausschreibung vorgegebenen Anforderungen an die Leistungserbringung, kann nur in einem gegen die Erteilung des Zuschlags im Ausschreibungsverfahren gerichteten Verfahren nach dem GWB, für das der Zivilrechtsweg gegeben ist (vgl § 13 GVG, § 51 Abs 3 SGG), und dort nur von konkurrierenden Apotheken erhoben werden, soweit sie sich an der Ausschreibung beteiligt haben.

40

Auch wenn deshalb davon auszugehen ist, dass eine "ad hoc"-Belieferung innerhalb von 45 Minuten durch die Vertragsapotheke in M. grundsätzlich gewährleistet ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass im Falle von Lieferengpässen oder besonderen Verkehrsproblemen eine konkrete Lieferung nicht oder im Hinblick auf eine kurze Haltbarkeitsdauer der Zubereitungen nicht zeitgerecht oder unter Berücksichtigung sonstiger medizinischer Erfordernisse nur unzureichend erbracht werden kann. Grundsätzlich kann jede Apotheke im Einzelfall auf solche unvorhergesehenen Lieferschwierigkeiten treffen. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens ist aber nicht darüber zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine nicht selektivvertraglich gebundene Apotheke ausnahmsweise eine Lieferung übernehmen darf, weil die gebundene Apotheke diese unter Beachtung der medizinischen Erfordernisse im konkreten Einzelfall nicht erbringen kann. Denn es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer der 149 ärztlichen Verordnungen für die 38 Versicherten der Beklagten, die der streitigen Abrechnung zugrunde liegen, ein solcher Ausnahmefall vorgelegen haben könnte. Auf die Frage, ob die von der Beklagten geschilderte therapeutische Vorgehensweise den Regelfall bildet, oder ob die meisten behandelnden Ärzte - wie die onkologische Praxis in D. in allen Fällen erst anlässlich eines Patiententermins über die Durchführung der Therapie entscheiden und die Herstellung der jeweils benötigten Zubereitung "ad hoc" in Auftrag geben, kommt es nicht entscheidend an. Denn solange die regelmäßige "ad hoc"-Bestellung keine medizinischen Vorteile bietet, sind die Vertragsärzte nicht nur bei der Wahl ihrer Bezugsquelle, sondern auch bei ihrer therapeutischen Vorgehensweise an das Wirtschaftlichkeitsgebot gebunden (§§ 12 Abs 1, 70 Abs 1 Satz 2 SGB V, vgl auch BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 18/14 R - vorgesehen für SozR 4).

41

ff) Die Annahme, bei der von der Beklagten beschriebenen therapeutischen Vorgehensweise komme es ohne Einwilligung der Versicherten zu einer Verletzung von Datenschutzbestimmungen, oder die behandelnden Onkologen könnten sich nach § 203 StGB wegen einer Verletzung ihrer ärztlichen Schweigepflicht strafbar machen, liegt fern. Der Bezug der parenteralen onkologischen Zubereitungen durch den behandelnden Vertragsarzt ist nicht nur gesetzlich vorgesehen (§ 11 Abs 2 ApoG), sondern im Rahmen der ärztlichen Behandlung auch unerlässlich. Insoweit ist daher von einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung zur Weitergabe der Daten an die Vertragsapotheke der Krankenkasse des Versicherten nach § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V auszugehen. Dies gilt im Übrigen auch im Falle einer Absprache zwischen Arzt und Apotheker nach § 11 Abs 2 ApoG. Zudem gehört der seinerseits ebenfalls der Schweigepflicht unterliegende Apotheker, der strikt an die Vorgaben der ärztlichen Verordnung gebunden ist, zum Kreis der zum "Wissen berufenen Personen" (vgl hierzu BGH, NJW 1995, 2915, 2916; Lackner in: Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl 2014, § 203 RdNr 17; Langkeit, NStZ 1994, 6).

42

b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Wertersatz oder Erstattung der Kosten der Warenbeschaffung oder der "Sowiesokosten". Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG besteht ein Vergütungsanspruch des Apothekers gegen die Krankenkasse bei Abgabe vertragsärztlich verordneter Arzneimittel an deren Versicherte lediglich als Pendant zur Lieferberechtigung und -verpflichtung des Apothekers (BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5 RdNr 16; BSGE 106, 303 = SozR 4-2500 § 129 Nr 6 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 9 RdNr 21). Fehlt es an einer Lieferberechtigung und -verpflichtung, kann aus einer dennoch erfolgten Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte einer Krankenkasse kein Vergütungsanspruch des Apothekers gegen die Krankenkasse erwachsen. Einem Anspruch des Apothekers aus ungerechtfertigter Bereicherung stehen übergeordnete Gesichtspunkte des öffentlichen Rechts entgegen. Bestimmungen, die die Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, haben innerhalb des Leistungs- und Leistungserbringungsrechts die Funktion zu gewährleisten, dass sich die Leistungserbringung nach den für die jeweilige Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Deshalb kann der Vertragsarzt, der Apotheker oder der sonstige Leistungserbringer auch bereicherungsrechtlich die Abgeltung von Leistungen, die unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt werden, selbst dann nicht beanspruchen, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden und für den Versicherten geeignet und nützlich sind. Da auch die vertraglichen Vorschriften Normcharakter haben, muss dem gegen vertragliche oder gesetzliche Vorschriften verstoßenden Leistungserbringer auch im Hinblick auf die Regelung des § 134 BGB, deren Rechtsgedanke hier heranzuziehen ist, jeglicher Vergütungsanspruch versagt bleiben. Nur soweit bestimmte Vorschriften reine Ordnungsfunktion haben, besteht kein Grund, dem Leistungserbringer trotz der Entlastung der Krankenkasse eine Entschädigung zu versagen (BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 7 RdNr 29 mwN). Deshalb hat die Krankenkasse für nicht veranlasste, pflichtwidrige Arzneimittelabgaben weder Wertersatz zu leisten, noch dem Apotheker die Kosten der Warenbeschaffung zu erstatten oder ihr durch die Versorgung der Versicherten erspart gebliebene Aufwendungen (sogenannte "Sowiesokosten") herauszugeben (BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 9 RdNr 21 mwN). Denn auch eine Vergütungspflicht in diesem Rahmen würde die den Krankenkassen nach § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V eingeräumte Möglichkeit der Sicherstellung der Versorgung durch Einzelverträge mit Apotheken im Bereich der parenteralen onkologischen Zubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten konterkarieren. Die im Einzelvertrag mit einer bestimmten Apotheke vereinbarten Preise und insbesondere die nach § 129 Abs 5 Satz 3 2. Halbsatz SGB V vorgesehenen Preisabschläge können von den Krankenkassen nur erzielt werden, wenn im Gegenzug ein bestimmter Lieferumfang zugesagt werden kann. Umgekehrt ist die selektivvertraglich verpflichtete Apotheke unter Umständen nicht mehr an die Preisabschläge gebunden, wenn die Krankenkasse den zugesagten Lieferumfang nicht einhalten kann. Erbringen andere Apotheken, mit denen kein Selektivvertrag zur Lieferung von Zytostatikazubereitungen geschlossen wurde, dennoch diese Leistungen, kann die Krankenkasse keinen Lieferumfang garantieren. Zur Durchsetzung des gesetzlich vorgesehenen Systems ist daher der vollständige Ausschluss der Vergütung erforderlich.

43

c) Gegen den vollständigen Ausschluss des Vergütungsanspruchs (sogenannte "Retaxation auf Null") bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das BVerfG hat bereits entschieden, dass zwar ein Eingriff in den Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG vorliegt, dieser aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn bei der Auslegung der einschlägigen gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften die auch für den Gesetzgeber geltenden Maßstäbe bei der Einschränkung der grundsätzlich freien Berufsausübung eingehalten werden. Die Bindung der Apotheker an das Wirtschaftlichkeitsgebot der Arzneimittelversorgung und damit die Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung kann als überragend wichtiger Gemeinwohlbelang ausreichend sein, um selbst einen Eingriff mit berufswahlregelnder Wirkung zu rechtfertigen (BVerfG vom 7.5.2014 - 1 BvR 3571/13, 1 BvR 3572/13 - Juris = NJW 2014, 2340; BVerfG vom 13.9.2005 - 2 BvF 2/03 - BVerfGE 114, 196). Ein vollständiger Vergütungsausschluss greift nach dieser Rechtsprechung ferner nicht unverhältnismäßig in die durch Art 12 Abs 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit der betroffenen Apotheker ein, soweit es keine milderen und insbesondere differenzierteren Mittel gibt, um den gesetzlichen Vorschriften zur Abgabe von Arzneimitteln Wirksamkeit zu verleihen (BVerfG, aaO). Zur Durchsetzung des Exklusivlieferungsrechtes der Apotheke in M., die die Ausschreibung gewonnen hat, sind mildere Mittel als der vollständige Vergütungsausschluss aller anderen Apotheken nicht ersichtlich. Vor dem Hintergrund der vorherigen Information des Klägers sowie der behandelnden Ärzte über das Exklusivlieferungsrecht der M. Apotheke ist der vollständige Vergütungsausschluss dem Kläger nicht unzumutbar. Er durfte sich bei dieser Sachlage nicht auf das Schreiben der Landesapothekerkammer Hessen verlassen, in dem ausgeführt ist, mangels Kenntnis der Ausschreibungsverträge sei nur eine eingeschränkte rechtliche Bewertung möglich. Zum Verhalten der Apotheker, die nicht an der Ausschreibung teilgenommen haben, wird vorausgesetzt, dass diese keinerlei Absprache getroffen hätten. Die Belieferung der onkologischen Praxis erfolgt aber aufgrund einer Absprache nach § 11 Abs 2 ApoG. Es war daher ohne weiteres erkennbar, dass keine rechtliche Bewertung der vorliegenden Situation erfolgt ist. Im Schreiben des Regierungspräsidiums wird lediglich auf die grundsätzliche Pflicht der Apotheken zur Belieferung von Rezepten eingegangen. Nach dem unmissverständlichen Hinweis der Beklagten, dass der Kläger zukünftig für parenterale Zubereitungen keine Vergütung mehr erhalten könne, ist er das Risiko des vollständigen Vergütungsausschlusses sehenden Auges eingegangen.

44

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 1 und 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Teilsatz 1 SGG iVm §§ 63 Abs 2, 52 Abs 1 und 3, 47 Abs 1 GKG.

(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene haben unter Berücksichtigung der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 gemeinsam Rahmenempfehlungen über die einheitliche und flächendeckende Versorgung mit häuslicher Krankenpflege abzugeben; für Pflegedienste, die einer Kirche oder einer Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts oder einem sonstigen freigemeinnützigen Träger zuzuordnen sind, können die Rahmenempfehlungen gemeinsam mit den übrigen Partnern der Rahmenempfehlungen auch von der Kirche oder der Religionsgemeinschaft oder von dem Wohlfahrtsverband abgeschlossen werden, dem die Einrichtung angehört. Vor Abschluß der Vereinbarung ist der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in den Entscheidungsprozeß der Partner der Rahmenempfehlungen einzubeziehen. In den Rahmenempfehlungen sind insbesondere zu regeln:

1.
Eignung der Leistungserbringer einschließlich Anforderungen an die Eignung zur Versorgung nach § 37 Absatz 7,
2.
Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Fortbildung,
3.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des Leistungserbringers mit dem verordnenden Vertragsarzt und dem Krankenhaus,
4.
Grundsätze der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung einschließlich deren Prüfung,
5.
Grundsätze der Vergütungen und ihrer Strukturen einschließlich der Transparenzvorgaben für die Vergütungsverhandlungen zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Tariflöhne oder Arbeitsentgelte sowie erstmals bis zum 30. Juni 2019 Grundsätze für die Vergütung von längeren Wegezeiten, insbesondere in ländlichen Räumen, durch Zuschläge unter Einbezug der ambulanten Pflege nach dem Elften Buch,
6.
Grundsätze zum Verfahren der Prüfung der Leistungspflicht der Krankenkassen sowie zum Abrechnungsverfahren einschließlich der für diese Zwecke jeweils zu übermittelnden Daten und
7.
Anforderungen an die Eignung der Pflegefachkräfte, die Leistungen im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbringen, sowie Maßnahmen zur Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit der im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbrachten Leistungen.
Um den Besonderheiten der intensivpflegerischen Versorgung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege Rechnung zu tragen, sind in den Rahmenempfehlungen auch Regelungen über die behandlungspflegerische Versorgung von Versicherten, die auf Grund eines besonders hohen Bedarfs an diesen Leistungen oder einer Bedrohung ihrer Vitalfunktion einer ununterbrochenen Anwesenheit einer Pflegekraft bedürfen, vorzusehen. In den Rahmenempfehlungen nach Satz 4 Nummer 6 können auch Regelungen über die nach § 302 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 in Richtlinien geregelten Inhalte getroffen werden; in diesem Fall gilt § 302 Absatz 4. Die Inhalte der Rahmenempfehlungen sind den Verträgen nach Absatz 4 zugrunde zu legen.

(2) Kommt eine Rahmenempfehlung nach Absatz 1 ganz oder teilweise nicht zu Stande, können die Rahmenempfehlungspartner die Schiedsstelle nach Absatz 3 anrufen. Die Schiedsstelle kann auch vom Bundesministerium für Gesundheit angerufen werden. Sie setzt innerhalb von drei Monaten den betreffenden Rahmenempfehlungsinhalt fest.

(3) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene bilden erstmals bis zum 1. Juli 2017 eine gemeinsame Schiedsstelle. Sie besteht aus Vertretern der Krankenkassen und der Pflegedienste in gleicher Zahl sowie aus einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Die Amtsdauer beträgt vier Jahre. Über den Vorsitzenden und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die Rahmenempfehlungspartner einigen. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, gilt § 89 Absatz 6 Satz 3 entsprechend. Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zahl und die Bestellung der Mitglieder, die Erstattung der baren Auslagen und die Entschädigung für den Zeitaufwand der Mitglieder, das Verfahren sowie über die Verteilung der Kosten regeln. § 129 Absatz 9 und 10 Satz 1 gilt entsprechend.

(4) Über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung schließen diedieLandesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich Verträge mit den Leistungserbringern. Wird die Fortbildung nicht nachgewiesen, sind Vergütungsabschläge vorzusehen. Dem Leistungserbringer ist eine Frist zu setzen, innerhalb derer er die Fortbildung nachholen kann. Erbringt der Leistungserbringer in diesem Zeitraum die Fortbildung nicht, ist der Vertrag zu kündigen. Die Krankenkassen haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden. Verträge dürfen nur mit zuverlässigen Leistungserbringern abgeschlossen werden, die die Gewähr für eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung bieten. Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden; insoweit gilt § 71 nicht. Bei nicht tarifgebundenen oder nicht an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Leistungserbringern gilt § 82c Absatz 2 Satz 1 des Elften Buches entsprechend. Der Leistungserbringer ist verpflichtet, die entsprechende Bezahlung der Beschäftigten nach Satz 7 jederzeit einzuhalten und sie auf Verlangen einer Vertragspartei nachzuweisen. Im Fall der Nichteinigung wird der Vertragsinhalt durch eine von den Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson innerhalb von drei Monaten festgelegt. Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese vom Bundesamt für Soziale Sicherung innerhalb eines Monats nach Vorliegen der für die Bestimmung der Schiedsperson notwendigen Informationen bestimmt; Widerspruch und Klage gegen die Bestimmung der Schiedsperson durch das Bundesamt für Soziale Sicherung haben keine aufschiebende Wirkung. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihrer Vielfalt, insbesondere der Bedeutung der freien Wohlfahrtspflege, Rechnung zu tragen. Die Leistungserbringer sind verpflichtet, an Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen nach § 275b teilzunehmen; § 114 Absatz 2 des Elften Buches bleibt unberührt. Soweit bei einer Prüfung nach § 275b Absatz 1 Satz 1 bis 3 Qualitätsmängel festgestellt werden, entscheiden die Landesverbände der Krankenkassen oder die Krankenkassen nach Anhörung des Leistungserbringers, welche Maßnahmen zu treffen sind, erteilen dem Leistungserbringer hierüber einen Bescheid und setzen ihm darin zugleich eine angemessene Frist zur Beseitigung der festgestellten Mängel. Der Leistungserbringer hat der Krankenkasse anzuzeigen, dass er behandlungspflegerische Leistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 5 erbringt, wenn er diese Leistungen für mindestens zwei Versicherte in einer durch den Leistungserbringer oder einen Dritten organisierten Wohneinheit erbringt. Abweichend von Satz 1 kann die Krankenkasse zur Gewährung von häuslicher Krankenpflege geeignete Personen anstellen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 12. Juni 2014 und des Sozialgerichts Schleswig vom 25. September 2012 geändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin über den bereits zuerkannten Vergütungsbetrag von 45 514 Euro hinaus weitere 20 562 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 64 144 Euro ab 17. Mai 2006 sowie auf weitere 1932 Euro ab 4. September 2008 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt 3/5 und die Beklagte 2/5 der Kosten des Revisionsverfahrens und des Berufungsverfahrens. Von den Kosten des Klageverfahrens trägt die Klägerin 2/5 und die Beklagte 3/5.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 59 516,25 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die klagende Gesellschaft betreibt einen ambulanten Pflegedienst und hat in der Zeit vom 15.8.2005 bis 15.6.2006 häusliche Krankenpflege in einem Umfang von 24 Stunden täglich für die am 15.3.2005 geborene Versicherte M. erbracht. Die Leistungen sind von der beklagten Krankenkasse nur bis zum 31.3.2006 und zudem nur zu einem geringen Teil vergütet worden. Die Klägerin macht nunmehr restliche Vergütungsansprüche geltend, beschränkt auf die Zeiten vom 15.8. bis 8.12.2005, 1.1. bis 16.2.2006 und 1. bis 23.4.2006.

2

Die Versicherte wurde als zehntes Kind der Familie mit schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Behinderungen geboren und verbrachte ihre ersten Lebensmonate bis zum 15.8.2005 im Krankenhaus. Sie erhielt von der Pflegekasse Sachleistungen der Pflegestufe I. Der behandelnde Kinderarzt verordnete ihr ab der Krankenhausentlassung Behandlungssicherungspflege (§ 37 Abs 2 SGB V) und ab 1.1.2006 Krankenhausvermeidungspflege (§ 37 Abs 1 SGB V) im Umfang von 24 Stunden täglich zur Atmungskontrolle, zur Überwachung des Blutdrucks und der Ausscheidung sowie zum Absaugen. Die Klägerin führte die häusliche Krankenpflege entsprechend den ärztlichen Verordnungen durch und erbrachte auch die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung (Pflegevertrag vom 17.8.2005). Die Geschäftsführerin der Klägerin mietete dazu eine vom Elternhaus 20 km entfernt liegende Einzimmerwohnung an, die sie an die Eltern der Versicherten untervermietete, da die Krankenpflege in der elterlichen Wohnung nicht sichergestellt werden konnte. Die Einzimmerwohnung wurde mit einer Ernährungspumpe, einer Absaugvorrichtung, einem Überwachungsmonitor mit EKG, einem Pulsoximeter und einem transportablen Sauerstoffgerät ausgestattet. Die Kosten der Unterkunft trug der Kreis D. (§ 5 iVm § 22 SGB II).

3

Ursprünglich gewährte die Beklagte der Versicherten nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) häusliche Krankenpflege im Umfang von lediglich drei Stunden täglich und setzte die Klägerin hierüber in Kenntnis (Bescheide vom 6.12.2005 und 15.2.2006). Später lehnte sie die Gewährung häuslicher Krankenpflege für die Zeit ab 1.4.2006 insgesamt ab, da sich die Versicherte nicht in einem eigenen Haushalt und auch nicht in dem ihrer Familie aufhalte, wie sie erst jetzt erfahren habe (Bescheid vom 21.4.2006). Ein hiergegen gerichtetes einstweiliges Rechtsschutzverfahren blieb ohne Erfolg (Beschlüsse des SG Itzehoe vom 3.7.2006 und des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 24.7.2006). Seit dem 16.6.2006 erfolgte die häusliche Krankenpflege durch die Firma Pflegeservice A.

4

Obgleich die Klägerin der Beklagten für die täglich rund um die Uhr zu erbringende Behandlungspflege einen Stundensatz von 28 Euro angeboten hatte (Schreiben vom 5.8.2005), berechnete sie in ihren monatlichen Abrechnungen jeweils einen Stundensatz von 28,50 Euro. Die Beklagte beglich die Rechnungen entsprechend dem von ihr zuerkannten Umfang der häuslichen Krankenpflege von drei Stunden täglich, ließ dabei aber den höheren Stundensatz unbeanstandet. Die Rechnung für den Monat März 2006 beglich sie irrtümlich in voller Höhe.

5

Die Klägerin verlangt nunmehr weitere Zahlungen für die erbrachten Leistungen im Umfang von 24 Stunden täglich nach einem Stundensatz von 28,50 Euro abzüglich der Leistungen der Pflegeversicherung und der bereits erbrachten Zahlungen der Beklagten, jedoch beschränkt auf die Zeiten zwischen dem Beginn des jeweiligen Verordnungszeitraums und dem Zugang der Bescheide vom 6.12.2005, 15.2.2006 und 21.4.2006.

6

Das SG hat die Beklagte zur Vergütung der häuslichen Krankenpflege im Umfang von täglich 24 Stunden nach einem Stundensatz von 28 Euro für die Zeiträume vom 15.8. bis 4.9.2005 und vom 10.10. bis 8.12.2005 nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 17.5.2006 verurteilt. Den von ihr auf täglich drei Stunden veranschlagten Leistungsanspruch der Versicherten habe die Beklagte erfüllt. Ein weitergehender Zahlungsanspruch ergebe sich nur aus Nr 24 der Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 und Abs 7 SGB V in der damaligen Fassung(heute § 6 Abs 6 HKP-Richtlinie). Danach übernehme die Krankenkasse bis zur Entscheidung über die Genehmigung die Kosten für die von Vertragsärzten verordneten und von einem Pflegedienst erbrachten Leistungen entsprechend der vereinbarten Vergütung nach § 132a Abs 2 SGB V, wenn die Verordnung spätestens an dem dritten der Ausstellung folgenden Arbeitstag der Krankenkasse vorgelegt wird. Die Beklagte habe über den Leistungsantrag am 6.12.2005 entschieden, sodass ein sich auf diese Vorschrift stützender Vergütungsanspruch lediglich den Zeitraum bis zur Zustellung dieser Entscheidung am 8.12.2005 erfasse. Die Verordnung vom 30.8.2005 sei der Beklagten nicht innerhalb von drei Arbeitstagen vorgelegt worden. Die Verordnung vom 10.10.2005 enthalte zwar eine Rückwirkung zum 1.10.2005, die aber vom Arzt nicht begründet worden und deshalb insoweit unwirksam sei; sie könne deshalb erst ab 10.10.2005 berücksichtigt werden. Deshalb ergebe sich ein Zahlungsanspruch nur für die Zeiträume vom 15.8. bis 4.9.2005 und vom 10.10. bis 8.12.2005. Für die gesamte Folgezeit entfalle der Vertrauensschutz (Nr 24 HKP-RL), weil die Klägerin ab Zugang des Bescheids vom 6.12.2005 gewusst habe, dass die Beklagte Behandlungspflege nur im Umfang von drei Stunden täglich für gerechtfertigt halte (Urteil vom 25.9.2012). Das LSG hat sich dieser Entscheidung angeschlossen und die Vergütungsforderung auf 45 514 Euro beziffert (Urteil vom 12.6.2014). Ihre Verurteilung zur Zahlung von 45 514 Euro nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 17.5.2006 hat die Beklagte nicht angefochten.

7

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 37 Abs 1 und 2 iVm § 132a SGB V und der Nr 24 HKP-RL. Sie meint, diese Richtlinien-Norm enthalte keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, sodass die Überschreitung der Vorlagefrist von drei Arbeitstagen den Vertrauensschutz nicht grundsätzlich hindere. Die Ablehnung einer Genehmigung betreffe auch nur den geprüften Verordnungszeitraum, entfalte jedoch für ärztliche Folgeverordnungen keine Wirkung, sodass die Frage des Vertrauensschutzes nach Nr 24 HKP-RL ohne Rücksicht auf frühere Entscheidungen der Krankenkasse zu beantworten sei. Die fehlende Begründung des Arztes für die Rückwirkung der Verordnung vom 10.10.2005 sei weder ihr noch der Versicherten zuzurechnen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 12.6.2014 und des Sozialgerichts Schleswig vom 25.9.2012 zu ändern, soweit die Klage abgewiesen worden ist, und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 59 516,25 Euro nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 17.5.2006 zu zahlen.

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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist zulässig, hat aber nur zu einem kleineren Teil Erfolg. Über den vom LSG zuerkannten Vergütungsanspruch von 45 514 Euro hinaus steht der Klägerin eine weitere Vergütung in Höhe von 20 562 Euro zu. Hinsichtlich der Differenz von 38 954,25 Euro zu dem im Revisionsverfahren noch streitigen Betrag von 59 516,25 Euro ist die Klage jedoch unbegründet.

11

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Insbesondere musste die Versicherte zu dem Rechtsstreit nicht notwendig beigeladen werden (§ 75 Abs 2 SGG), obgleich die Beklagte über den Sachleistungsanspruch der Versicherten auf häusliche Krankenpflege (§ 37 SGB V) im hier interessierenden Zeitraum vom 15.8.2005 bis 23.4.2006 bis heute nicht bestandskräftig entschieden hat. Der Vater der Versicherten hat gegen den Bescheid der Beklagten vom 6.12.2005, mit welchem häusliche Krankenpflege in einem Umfang von lediglich drei Stunden täglich zuerkannt worden war, mit Schreiben vom 20./27.12.2005 Widerspruch eingelegt, um die Bewilligung der ärztlich verordneten Krankenpflege rund um die Uhr zu erreichen. Ein Widerspruchsbescheid ist jedoch nicht erteilt worden. Damit ist der Umfang des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege für die Zeit bis zum 31.12.2005 nicht abschließend geklärt. Dies gilt auch für die Folgezeit bis zum 31.3.2006. Der erneut nur drei Stunden häusliche Krankenpflege zuerkennende Bescheid vom 15.2.2006 ist durch Anwaltsschreiben vom 29.5.2006 (mit Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Widerspruchsfrist) angefochten worden, ohne dass über den Widerspruch entschieden worden ist. Gegen den die Leistung ab 1.4.2006 vollständig ablehnenden Bescheid vom 21.4.2006 ist von der Klägerin (damals zugleich handelnd als Bevollmächtigte der Versicherten) durch Schreiben vom 28.4.2006 ebenfalls sinngemäß Widerspruch erhoben worden, über den die Beklagte bislang nicht entschieden hat. Die rechtliche Unsicherheit über den Sachleistungsanspruch der Versicherten gegen die Beklagte hat jedoch keinen Einfluss auf das geltend gemachte Klagebegehren des vorliegenden Rechtsstreits. Anspruchsgrundlage für die Klageforderung der Klägerin gegen die Beklagte auf Vergütung der zugunsten der Versicherten erbrachten Pflegeleistungen ist § 132a Abs 2 SGB V iVm dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrag über die Erbringung häuslicher Krankenpflege. Der Anspruch der Versicherten nach § 37 SGB V gegen die Beklagte auf Gewährung von häuslicher Krankenpflege als Sachleistung(§ 2 Abs 2 SGB V)ist nicht Streitgegenstand, auch wenn er in der Sache eng mit dem Vergütungsanspruch der Klägerin verbunden ist. Im Sachleistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung macht der Leistungserbringer gegen die Krankenkasse indessen nicht einen auf ihn übergegangenen Kostenerstattungsanspruch des Versicherten, sondern eigenständige Vergütungsansprüche gegen die Krankenkasse geltend. Deshalb muss der Versicherte zum Streit um die Vergütung nicht notwendig beigeladen werden (§ 75 Abs 2 SGG); was insoweit gilt, wenn tatsächlich noch Vergütungsansprüche des Leistungserbringers gegen den Versicherten offen sind, weil dieser sich Leistungen nach § 13 Abs 3 SGB V selbst verschafft hat und vom Leistungserbringer tatsächlich auf die Vergütung in Anspruch genommen wird, bedarf keiner Entscheidung, weil ein solcher Fall hier nicht vorliegt. Die Klägerin hat hier im Sachleistungssystem Leistungen gegenüber der Versicherten erbracht, von denen sie annahm, dadurch den Sachleistungsanspruch der Versicherten nach § 37 SGB V zu erfüllen. Für eine "Privatbehandlung" in der Weise, dass die häusliche Krankenpflege ungeachtet einer Leistungsverpflichtung der Beklagten im Umfang von 24 Stunden täglich erbracht und von der Versicherten vergütet werden sollte, die anschließend gegenüber der Beklagten nach § 13 Abs 3 SGB V vorgehen würde, fehlen jegliche Anhaltspunkte.

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2. Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 132a SGB V(in der in den Jahren 2005 und 2006 maßgebenden Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes - GMG - vom 14.11.2003, BGBl I 2190) iVm dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrag über die Erbringung von häuslicher Krankenpflege. Rahmenempfehlungen über die einheitliche Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 1 SGB V waren in den Jahren 2005 und 2006 nicht vereinbart(vgl BT-Drucks 17/10170 S 26). Zudem gelten für die Klägerin keine durch einen insoweit bevollmächtigten Verband abgeschlossene Rahmenbedingungen.

13

Hier kann sich die Klägerin nicht auf die Erbringung einer von der Beklagten zugunsten der Versicherten genehmigten Sachleistung nach § 37 SGB V berufen. Durch die Bescheide vom 6.12.2005 und 15.2.2006 ist für die Zeit bis zum 31.3.2006 lediglich häusliche Krankenpflege im Umfang von drei Stunden täglich bewilligt worden. Weitergehende Bewilligungen liegen nicht vor, weil über die Widersprüche gegen die Bescheide der Beklagten nicht entschieden worden ist. Die Frage, ob die Widersprüche noch aktuell sind und über sie entschieden werden muss oder ob die Widerspruchsverfahren als erledigt zu betrachten sind, kann hier offenbleiben, weil die Klägerin ihren Vergütungsanspruch derzeit jedenfalls nur auf die vorliegenden Teil-Bewilligungen von täglich drei Stunden stützen kann. Diese von der Klägerin als Sachleistung erbrachte Krankenpflege ist von der Beklagten für die Zeit bis zum 28.2.2006 in der geltend gemachten Höhe von täglich 85,50 Euro (3 Stunden x 28,50 Euro) vergütet worden. Zudem hat die Beklagte die Rechnung vom 1.8.2006 für den Monat März 2006 über 21 204 Euro versehentlich in voller Höhe beglichen. Obwohl es dadurch aus Sicht der Beklagten zu einer Überzahlung von täglich 598,50 Euro (21 Stunden x 28,50 Euro) gekommen ist, hat die Beklagte von der Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs über 18 553,50 Euro (31 Tage x 598,50 Euro) abgesehen. Auch im vorliegenden Rechtsstreit ist dieser Erstattungsanspruch nicht zur Aufrechnung gestellt worden, sodass der Senat nicht zu entscheiden brauchte, ob der Aufrechnung nunmehr der Einwand der Verjährung des - bereits mit der Bezahlung der Rechnung im August 2006 entstandenen - Erstattungsanspruchs entgegenstünde.

14

3. Für eine Vergütung von häuslicher Krankenpflege im Umfang von mehr als drei Stunden täglich für die Zeit vom 15.8.2005 bis 28.2.2006 kommt als Rechtsgrundlage allein die Regelung der Nr 24 der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 und Abs 7 SGB V (HKP-RL) in der am 1.7.2005 in Kraft getretenen Fassung vom 15.2.2005 (BAnz 2005 Nr 96 vom 25.5.2005, S 7969) in Betracht. Die Vorschrift lautet: "Die Krankenkasse übernimmt bis zur Entscheidung über die Genehmigung die Kosten für die vom Vertragsarzt verordneten und vom Pflegedienst erbrachten Leistungen entsprechend der vereinbarten Vergütung nach § 132a Abs 2 SGB V, wenn die Verordnung spätestens an dem dritten der Ausstellung folgenden Arbeitstag der Krankenkasse vorgelegt wird. Das Nähere regeln die Partner der Rahmenempfehlungen nach § 132a Abs 1 SGB V." Diese Regelung, die in späteren Fassungen der HKP-RL (wie zB in der Fassung vom 11.6.2008) in der Nr 26 niedergelegt war, hat auch der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner HKP-RL vom 17.9.2009, die am 10.2.2010 in Kraft getreten ist, nahezu wortgleich, aber inhaltlich völlig übereinstimmend, übernommen (BAnz Nr 21a vom 9.2.2010, Beilage) und dort in § 6 Abs 6 niedergelegt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift hat die Klägerin für den Zeitraum vom 15.8.2005 bis zum 8.12.2005 erfüllt, sodass ihr die vertragsgemäße Vergütung für 24 Stunden täglich geleistete häusliche Krankenpflege insoweit zusteht. Für die Zeit vom 9.12.2005 bis zum 28.2.2006 kann die Klägerin hingegen keine weitere Vergütung ihrer Leistungen beanspruchen.

15

Ferner steht der Klägerin entgegen der Auffassung des LSG für die Zeit vom 1. bis zum 23.4.2006 ein Anspruch auf Vergütung von häuslicher Krankenpflege im Umfang von drei Stunden täglich zu. Der vollständigen Leistungsablehnung durch den Bescheid der Beklagten vom 21.4.2006 steht bezüglich der Zeit bis 23.4.2006 der sich aus den vorangegangenen Bescheiden vom 6.12.2005 und 15.2.2006 ergebende Vertrauensschutz für die Klägerin gegenüber, die Versicherte habe über den 31.3.2006 hinaus Anspruch auf zumindest drei Stunden täglich zu leistende häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V. Der Vergütungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch insoweit aus Nr 24 HKP-RL (jetzt: § 6 Nr 6 HKP-RL).

16

Nach dieser Regelung kann die Krankenkasse dem Vergütungsanspruch des allein auf Basis einer ihm vorliegenden vertragsärztlichen Verordnung tätig gewordenen Leistungserbringers das - sich erst nach eingehender Prüfung durch den MDK zeigende - Fehlen der medizinischen Notwendigkeit der Leistung nur entgegenhalten, wenn für den Leistungserbringer klar erkennbar war, dass die häusliche Krankenpflege nicht wie verordnet medizinisch notwendig sein konnte. Mit dieser Regelung wollten der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen und später der Gemeinsame Bundesausschuss dem Leistungserbringer das Risiko abnehmen, dass sich die vertragsärztlich verordnete Leistung bei der Prüfung im Genehmigungsverfahren ganz oder teilweise als medizinisch nicht notwendig erweisen sollte, damit der Versicherte für den Zeitraum, den das Genehmigungsverfahren einnimmt, nicht auf eigenes Risiko in Vorleistung treten muss und der Leistungserbringer von Anfang an zur Leistungserbringung bereit ist.

17

Anhaltspunkte dafür, dass die häusliche Krankenpflege bis zum 8.12.2005 im Umfang von mehr als drei Stunden täglich medizinisch erkennbar nicht erforderlich sein könnte und die Leistung im April 2006 nicht einmal mehr im zuvor für gerechtfertigt gehaltenen Umfang von drei Stunden täglich erforderlich gewesen sein könnte, gab es nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht, sodass sich die Klägerin insoweit auf den Vertrauensschutz nach Nr 24 HKP-RL berufen konnte.

18

4. Dem Vertrauensschutz nach Nr 24 HKP-RL steht hier nicht entgegen, dass die Klägerin aufgrund des Ortes der Leistungserbringung keine "häusliche Krankenpflege" iS des § 37 SGB V erbracht hat.

19

a) Nach § 37 SGB V in der in den Jahren 2005 und 2006 geltenden Fassung setzt der Anspruch voraus, dass die häusliche Krankenpflege der Versicherten "in ihrem Haushalt oder ihrer Familie" stattfindet, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Krankenhausvermeidungspflege(§ 37 Abs 1 SGB V) oder um Behandlungssicherungspflege (§ 37 Abs 2 SGB V) handelt. Die Erweiterung des Tatbestandes um "sonst an einem geeigneten Ort" ist erst durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) mit Wirkung ab 1.4.2007 eingeführt worden und damit hier nicht von Belang.

20

Die Versicherte ist weder in ihrem Haushalt noch in einer Familienwohnung betreut und gepflegt worden. Die Führung eines Haushalts beinhaltet eine selbstständige häusliche, familienhafte Lebensführung im wirtschaftlichen Sinne (Schultes, SGb 1999, 471, 472). Haushalt ist nach Sinn und Zweck des § 37 SGB V und des früheren § 185 RVO die wohnungsmäßige familienhafte Wirtschaftsführung. Diese wird zum "eigenen" Haushalt, wenn der Betreffende die Kosten der Lebens- und Wirtschaftsführung im Wesentlichen selbst trägt (BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5). Dem Haushalt immanent sind eine gewisse Dauer der Lebensführung in der entsprechenden Einrichtung (Haus, Wohnung, Heim) und die Befriedigung der Grundbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung, Wohnung, Körperpflege und Gesundheit der Haushaltsangehörigen mit Hilfe der im Haushalt vorhandenen Geldmittel und Güter (Töns, BKK 1986, 273, 275). Kinder haben demgemäß in der Regel keinen eigenen Haushalt, sondern gehören zum Haushalt der Eltern bzw der sie betreuenden Personen. Insofern kommt allerdings eine Pflege in der Familie in Betracht (Padé in jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 37 RdNr 25). Die von der Geschäftsführerin der Klägerin in einer Entfernung von 20 km von der Wohnung der Familie der Versicherten angemietete und an deren Eltern untervermietete Wohnung in dem Haus, in dem eine bei der Klägerin beschäftigte Pflegefachkraft ihre Wohnung hatte, ist weder Teil des Haushaltes noch Teil der Familienwohnung der Versicherten geworden. Die Klägerin hat in der Sache eine stationäre Betreuung der Versicherten mit gelegentlichen Besuchskontakten durch die Mutter und die Geschwister der Versicherten organisiert, ohne berechtigt zu sein, stationäre Pflegeleistungen zu erbringen. Welche Entscheidungen zur rechtlichen Qualifizierung der "Wohnung" der Versicherten im Haus der Mitarbeiterin der Klägerin der Kreis D. unter dem Aspekt der Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 2 SGB II getroffen hat, ist für die Anwendung des § 37 Abs 2 SGB V unerheblich.

21

b) Für die Zeit bis zu ihrer Entscheidung über den Umfang des Leistungsanspruchs der Klägerin am 6.12.2005 kann sich die Beklagte jedoch nicht darauf berufen, der Tatbestand des § 37 SGB V sei schon von der Örtlichkeit der Leistungserbringung her nicht erfüllt gewesen. Sie hat gewusst, dass die Versicherte in einer im Auftrag und im Interesse der Klägerin von deren Geschäftsführerin angemieteten Wohnung lebt und ausschließlich dort betreut und gepflegt wird. Dies ergibt sich aus einem Vermerk des Kompetenzcenters Leistungen (Team Pflege) der Beklagten vom 10.8.2005, als sich die Versicherte noch in stationärer Behandlung befand, und aus dem MDK-Gutachten vom 10.11.2005, auf das die Beklagte ihre Entscheidung gestützt hat. Die spezielle Unterbringung der Versicherten hat sie unter dem Aspekt der "häuslichen" Krankenpflege nicht beanstandet und im Genehmigungsverfahren lediglich die medizinische Erforderlichkeit der Leistung geprüft und daraufhin die häusliche Krankenpflege, zu erbringen durch die Klägerin, im Umfang von drei Stunden täglich bewilligt.

22

aa) Der Sinn der Vertrauensschutzregelung der Nr 24 HKP-RL besteht in erster Linie darin, dass der Pflegedienst bis zur Entscheidung der Krankenkasse über die beantragte Genehmigung bei Vorliegen einer konkreten vertragsärztlichen Verordnung dagegen geschützt ist, dass die Krankenkasse nachträglich den Leistungsanspruch mangels medizinischer Erforderlichkeit oder wegen Unwirtschaftlichkeit verneint und damit dem Vergütungsanspruch die Grundlage entzieht. In der hier zu beurteilenden Konstellation sind aber auch die besonderen Umstände der Gewährung von häuslicher Krankenpflege Gegenstand des Vertrauensschutzes der Klägerin: wenn nämlich die Beklagte am 6.12.2005 die Leistung gewährt, ohne auf den - ihr bekannten - ungewöhnlichen Ort der Leistungserbringung einzugehen, hat sie die Rechtsfolge der Nr 24 HKP-RL für die Zeit ab Ausstellung der vertragsärztlichen Verordnung ausgelöst. Für die Vergangenheit muss sie die Leistungen auf vertraglicher Grundlage so vergüten, wie sie verordnet und erbracht worden sind, also als 24-Stunden-Pflege in der gemieteten Wohnung. Ob das anders zu beurteilen wäre, wenn die Klägerin immer gewusst hat oder hätte wissen müssen, dass in der von ihrer Geschäftsführerin gemieteten und an die Eltern der Versicherten untervermieteten Wohnung häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V nicht erbracht werden darf, kann hier offenbleiben. Ein solcher Fall liegt nicht vor; bis zur Entscheidung des Senats am heutigen Tag war die Frage nicht abschließend geklärt, und auch die Beklagte hat das ursprünglich anders als der Senat gesehen.

23

bb) Die Frist von drei Arbeitstagen iS der Nr 24 HKP-RL muss bei - wie hier - kontinuierlich zu leistender Krankenpflege nur für die erste, den Vergütungsanspruch des Pflegedienstes auslösende vertragsärztliche Verordnung gewahrt sein. Bis zu dem Tag, an dem die Krankenkasse entscheidet, reicht es aus, wenn eine lückenlose Verordnungskette vorliegt, die den gesamten Zeitraum abdeckt. Die sehr kurze Frist von drei Arbeitstagen soll verhindern, dass schon längere Zeiträume verstrichen und hohe Kosten angefallen sind, bevor die Krankenkasse von dem Bedarf Kenntnis erhält. Eine vergleichbare Interessenlage besteht bis zur Entscheidung der Krankenkasse nicht; seit Kenntnis von der Bedarfslage hat sie es in der Hand, eine Entscheidung möglichst zeitnah herbeizuführen.

24

Auch rückwirkende vertragsärztliche Verordnungen sind nicht vollständig wirkungslos; die HKP-RL (damals: Nr 13 Abs 2, jetzt: § 3 Abs 4 Satz 2) lassen solche Verordnungen zumindest mit einer ergänzenden Begründung des Vertragsarztes zu, und eine solche war hier entbehrlich, weil an dem täglich und ohne zeitliche Unterbrechung zu erfüllenden Pflegebedarf dem Grunde nach kein Zweifel bestand. Deshalb muss die Beklagte die verordneten Leistungen im Umfang von täglich 24 Stunden vom 15.8.2005 bis zur Bekanntgabe ihrer (teilweise) ablehnenden Entscheidung (8.12.2005) nach dem vereinbarten Stundensatz von 28 Euro vergüten.

25

Die vertragsärztliche Verordnung vom 4.8.2005 betraf die Zeit vom 15.8. bis 4.9.2005. Sie ist am 8.8.2005 bei der Beklagten eingegangen. Die Frist von drei Arbeitstagen ab Ausstellung der Verordnung ist damit gewahrt.

26

c) Der Vertrauensschutz erstreckt sich nach Nr 24 HKP-RL auf die Zeit bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über die beantragte Genehmigung. Der Bescheid der Beklagten vom 6.12.2005 ist der Versicherten am 8.12.2005 zugegangen. Er bezog sich nicht nur auf die Erstverordnung vom 4.8.2005, sondern auch auf die Folgeverordnungen vom 30.8.2005 (Zeitraum 5.9. bis 30.9.2005) und 10.10.2005 (Zeitraum 1.10. bis 31.12.2005). Die vom LSG vorgenommene Ausklammerung des Zeitraums vom 5.9. bis 9.10.2005 ist nicht gerechtfertigt. Dauert eine Prüfung der Anspruchsberechtigung über das Ende der Erstverordnung hinaus (4.9.2005) an, erfasst der Vertrauensschutz in erweiternder Anwendung der Regelung in Nr 24 HKP-RL auch alle sich zeitlich unmittelbar anschließenden Folgeverordnungen, die der Beklagten im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidungen vorliegen, sofern es sich - wie hier - um einen gleichgelagerten Sachverhalt handelt und sich die Rechtslage zu den Anspruchsvoraussetzungen in dieser Zeit nicht geändert hat. Ob die Folgeverordnungen selbst innerhalb der Dreitagesfrist seit ihrer Ausstellung vorgelegt worden sind, kann nicht entscheidend sein. Auch der Umstand der rückwirkenden Ausstellung der Verordnung vom 10.10.2005 kann nicht anspruchshindernd wirken, wie das LSG angenommen hat, weil Nr 13 HKP-RL die rückwirkende Ausstellung einer vertragsärztlichen Verordnung für Ausnahmefälle zulässt. Die fehlende Begründung für die Rückwirkung ist hier unschädlich, weil der dauerhafte Pflegebedarf der Versicherten für alle Beteiligten offensichtlich war und die verspätete Verordnung ersichtlich auf einem Versehen beruhte. Auch die Beklagte hat sich nicht gehindert gesehen, häusliche Krankenpflege für drei Stunden in diesem Zeitraum (1. bis 9.10.2005) zu gewähren, obwohl die schriftliche Begründung für die Rückwirkung fehlte. Der Vergütungsanspruch aus Nr 24 HKP-RL betrifft also den gesamten Zeitraum vom 15.8. bis 8.12.2005. Ob der Beklagten zuvor bereits die Verordnung vom 30.9.2005 zugegangen ist, was sie bestreitet, braucht somit nicht ermittelt zu werden; diese Verordnung betraf ebenfalls die Zeit vom 1.10. bis 31.12.2005.

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d) Für den Zeitraum vom 15.8. bis 8.12.2005 ergibt sich danach eine Gesamtforderung von 64 144 Euro. Der Betrag setzt sich zusammen aus Teilbeträgen von

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7 859,50 Euro für August 2005
(326,5 Stunden x 28 Euro = 9 142 Euro, am 3.1.2006 bezahlt 1 282,50 Euro),

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17 595 Euro für September 2005
(720 Stunden x 28 Euro = 20 160 Euro, am 3.1.2006 bezahlt 2 565 Euro),

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18 181,50 Euro für Oktober 2005
(744 Stunden x 28 Euro = 20 832 Euro, am 3.1.2006 bezahlt 2 650,50 Euro),

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15 816 Euro für November 2005
(644,25 Stunden x 28 Euro = 18 039 Euro, am 11.4.2006 bezahlt 2 223 Euro; Unterbrechung der häuslichen Pflege durch Krankenhausbehandlung der Versicherten in der Zeit vom 25.11.2005, 11.30 Uhr bis 28.11.2005, 15.15 Uhr,

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4 692 Euro für Dezember 2005
(192 Stunden x 28 Euro = 5 376 Euro, am 7.2.2006 bezahlt 2 650,50 Euro, davon anteilig für die ersten acht Tage 684 Euro).

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5. Im Übrigen folgt der Senat dem LSG nur insoweit nicht, als es den Zeitraum vom 1. bis 23.4.2006 betrifft. Für diese Zeit hat die Klägerin Anspruch auf die Vergütung von täglich drei Stunden häuslicher Krankenpflege. Die Klägerin hat die Folgeverordnung vom 27.3.2006 zwar nicht innerhalb der Frist von drei Arbeitstagen (Nr 24 HKP-RL), sondern erst am 3.4.2006 der Beklagten vorgelegt. Dies ist aber unschädlich, weil wiederum eine ununterbrochene Kette von ärztlichen Verordnungen vorliegt und sich die Sach- und Rechtslage nicht geändert hat. Nach der letzten vorangegangenen Entscheidung der Beklagten vom 15.2.2006 wusste die Klägerin, dass die Beklagte nur drei Stunden täglich für erforderlich hielt; weiter konnte ihr Vertrauensschutz also nicht reichen. Auf der anderen Seite musste die Klägerin zu Beginn des Monats April 2006 nicht damit rechnen, dass die Beklagte Leistungen der häuslichen Krankenpflege nunmehr wegen der Versorgung der Versicherten in der angemieteten Wohnung versagen würde, nachdem sie daran in den beiden vorangegangenen Bescheiden gegenüber der Versicherten keinen Anstoß genommen hatte. Insoweit durfte die Klägerin die verordneten Leistungen für April zunächst ohne das Risiko weiter erbringen, dass die Beklagte die Bezahlung vollständig verweigern würde. Weitergehende Ansprüche stehen der Klägerin nicht zu; die Beklagte hat am 21.4.2006 - zutreffend - entschieden, dass in der von der Klägerin angemieteten Wohnung keine Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegenüber der Versicherten erbracht werden können. Wenn die Klägerin gleichwohl weiter tätig geworden ist, hat sie für die Zeit ab Zustellung des Bescheides am 23.4.2006 auf eigenes Risiko gehandelt.

29

6. Den Vorinstanzen ist zuzustimmen, soweit sie der Klägerin einen Vergütungsanspruch von nur 28 Euro pro Pflegestunde zugesprochen haben. Das Angebot der Klägerin vom 5.8.2005 lautete auf einen Stundensatz von 28 Euro; es ist nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm §§ 133, 147, 157 BGB von der Beklagten konkludent dadurch angenommen worden, dass sie vor Beginn der Pflegeleistungen (15.8.2005) in Kenntnis dieses Angebots telefonisch ihr grundsätzliches Einverständnis mit der Aufnahme der Pflegeleistungen erklärt hat. Streitig war nur der Umfang der von der Beklagten zu finanzierenden Leistung, nicht aber der Stundensatz. Hätte die Klägerin nur zu einem Stundensatz von 28,50 Euro arbeiten wollen, hätte sie dies noch vor Aufnahme der Leistungen deutlich machen müssen. Das ist nicht geschehen. Der vereinbarte Stundensatz von 28 Euro ist auch nicht nachträglich geändert worden. Der erhöhte Satz von 28,50 Euro ergab sich erstmals aus der Rechnung für August 2005, die am 24.11.2005 ausgestellt worden ist. Einen ausdrücklichen Hinweis auf ein erhöhtes, vom ursprünglichem Angebot abweichendes Entgelt, der nach § 242 BGB hätte erwartet werden können, enthalten weder diese Rechnung noch die weiteren Rechnungen für die Folgemonate. Die unterbliebene Beanstandung des Betrags von 28,50 Euro stellt ersichtlich ein Verwaltungsversehen der Beklagten dar und kann nicht als Annahme eines neuen bzw geänderten Entgeltangebots angesehen werden.

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Die der Klägerin zustehende Vergütung beläuft sich somit auf insgesamt 66 076 Euro (1932 Euro davon für die Zeit vom 1. bis 23.4.2006), wovon das LSG in dem - von der Beklagten nicht angefochtenen und daher insoweit rechtskräftigen - Berufungsurteil vom 12.6.2014 einen Teilbetrag von 45 514 Euro bereits zugesprochen hat. Die Beklagte hat daher einen weiteren Betrag von 20 562 Euro an die Klägerin zu zahlen (66 076 - 45 514 = 20 562 Euro).

31

7. Von diesem Betrag sind die Sachleistungsbeträge der Pflegekasse in Höhe von monatlich 384 Euro (Pflegestufe I, vgl § 36 Abs 3 SGB XI in der Fassung der Jahre 2005/2006) nicht zusätzlich abzuziehen. Nach dem zwischen der Klägerin und der Versicherten geschlossenen Pflegevertrag vom 17.8.2005 war für den Mehrbedarf der Versicherten an Grundpflege (§ 15 Abs 2 SGB XI) eine anhand der Leistungskomplexe 2 (7 Einsätze pro Woche, Einzelpreis 9,43 Euro, monatlich im Jahresdurchschnitt 30,42 Einsätze) und 5 (5 Einsätze pro Woche, Einzelpreis 4,51 Euro, monatlich im Durchschnitt 22 Einsätze) berechnete zusätzliche Vergütung von 386,08 Euro vorgesehen. Dieser zusätzliche Vergütungsanspruch galt durch die monatlichen Leistungen der Pflegekasse von 384 Euro als erfüllt.

32

8. Der Zinsanspruch von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 17.5.2006 auf 64 144 Euro ergibt sich aus § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm § 288 Abs 2 BGB(in der bis zum 28.7.2014 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001, BGBl I 3138). Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Versorgungsvertrag nach § 132a SGB V eine abweichende Regelung zu den Zinsen enthielte. Dies ist nicht der Fall, und die Beklagte hat dies auch nicht geltend gemacht. Der Verzug ab 17.5.2006 folgt aus der Mahnung vom 10.5.2006 und dem Ablauf der bis zum 16.5.2006 reichenden Zahlungsfrist. Der Zinsanspruch von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 4.9.2008 auf weitere 1932 Euro ergibt sich aus § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm § 291 und § 288 Abs 2 BGB(ebenfalls in der bis zum 28.7.2014 geltenden Fassung des SMG). Zum Zeitpunkt der Mahnung vom 10.5.2006 waren die Pflegeleistungen des Monats April 2006 noch nicht abgerechnet und der Vergütungsanspruch damit auch nicht fällig. Die Rechnung der Klägerin datiert vom 1.8.2006. Die Vergütungsforderung von 1932 Euro ist daher mangels sonstiger Mahnung erst ab Eintritt der Rechtshängigkeit (§ 94 SGG), also mit Einreichung der Klage bei dem SG am 4.9.2008 zu verzinsen. Der erhöhte Zinssatz von acht Prozentpunkten statt nur fünf Prozentpunkten (§ 288 Abs 1 Satz 1 BGB) über dem jeweiligen Basiszinssatz ergibt sich daraus, dass der Vergütungsanspruch unmittelbar im Leistungserbringungsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten entstanden ist und beide Beteiligten keine Verbraucher iS des § 13 BGB, sondern Unternehmer iS des § 14 BGB sind und es um eine "Entgeltforderung" geht(§ 288 Abs 2 BGB).

33

Offenbleiben kann im vorliegenden Zusammenhang die Frage, ob die Klägerin für die Zeit ab 29.7.2014 den zu diesem Zeitpunkt erhöhten Zinssatz von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz (§ 288 Abs 2 BGB in der Fassung des Gesetzes vom 22.7.2014, BGBl I 1218) hätte beanspruchen können. Die Klägerin hat einen einheitlichen Zinssatz von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für den gesamten Verzinsungszeitraum geltend gemacht, und dieser Antrag ist für den Senat bindend (§ 123 SGG, § 202 SGG iVm § 308 Abs 1 ZPO).

34

Durch das Berufungsurteil rechtskräftig zuerkannt ist bereits der Zinsanspruch von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 17.5.2006 auf 45 514 Euro. Das LSG hat im Berufungsurteil nur den eigentlichen Vergütungsanspruch auf 45 514 Euro konkretisiert, den vom SG zuerkannten Zinsanspruch aber unberührt gelassen; dem steht nicht entgegen, dass dieser Anspruch in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils nicht gesondert erwähnt worden ist.

35

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 161 Abs 1 und § 155 Abs 1 Satz 1 VwGO.

36

10. Die Streitwertfestsetzung basiert auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3 und § 47 Abs 1 GKG.

(1) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden einen Gemeinsamen Bundesausschuss. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist rechtsfähig. Er wird durch den Vorsitzenden des Beschlussgremiums gerichtlich und außergerichtlich vertreten.

(2) Das Beschlussgremium des Gemeinsamen Bundesausschusses besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden, zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern, einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, jeweils zwei von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft und fünf von dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen benannten Mitgliedern. Für die Berufung des unparteiischen Vorsitzenden und der weiteren unparteiischen Mitglieder sowie jeweils zweier Stellvertreter einigen sich die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 jeweils auf einen Vorschlag und legen diese Vorschläge dem Bundesministerium für Gesundheit spätestens zwölf Monate vor Ablauf der Amtszeit vor. Als unparteiische Mitglieder und deren Stellvertreter können nur Personen benannt werden, die im vorangegangenen Jahr nicht bei den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1, bei deren Mitgliedern, bei Verbänden von deren Mitgliedern oder in einem Krankenhaus beschäftigt oder selbst als Vertragsarzt, Vertragszahnarzt oder Vertragspsychotherapeut tätig waren. Das Bundesministerium für Gesundheit übermittelt die Vorschläge an den Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages. Der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages kann einem Vorschlag nach nichtöffentlicher Anhörung der jeweils vorgeschlagenen Person innerhalb von sechs Wochen mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder durch Beschluss widersprechen, sofern er die Unabhängigkeit oder die Unparteilichkeit der vorgeschlagenen Person als nicht gewährleistet ansieht. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 legen innerhalb von sechs Wochen, nachdem das Bundesministerium für Gesundheit den Gemeinsamen Bundesausschuss über einen erfolgten Widerspruch unterrichtet hat, einen neuen Vorschlag vor. Widerspricht der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages nach Satz 5 auch dem neuen Vorschlag innerhalb von sechs Wochen oder haben die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 keinen neuen Vorschlag vorgelegt, erfolgt die Berufung durch das Bundesministerium für Gesundheit. Die Unparteiischen üben ihre Tätigkeit in der Regel hauptamtlich aus; eine ehrenamtliche Ausübung ist zulässig, soweit die Unparteiischen von ihren Arbeitgebern in dem für die Tätigkeit erforderlichen Umfang freigestellt werden. Die Stellvertreter der Unparteiischen sind ehrenamtlich tätig. Hauptamtliche Unparteiische stehen während ihrer Amtszeit in einem Dienstverhältnis zum Gemeinsamen Bundesausschuss. Zusätzlich zu ihren Aufgaben im Beschlussgremium übernehmen die einzelnen Unparteiischen den Vorsitz der Unterausschüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses. Der Vorsitzende nach Absatz 1 Satz 3 stellt übergreifend die Einhaltung aller dem Gemeinsamen Bundesausschuss auferlegten gesetzlichen Fristen sicher. Zur Erfüllung dieser Aufgabe nimmt er eine zeitliche Steuerungsverantwortung wahr und hat ein Antragsrecht an das Beschlussgremium nach Satz 1, er erstattet auch den nach Absatz 11 jährlich vorzulegenden Bericht. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 schließen die Dienstvereinbarungen mit den hauptamtlichen Unparteiischen; § 35a Absatz 6 Satz 2 und Absatz 6a Satz 1 und 2 des Vierten Buches gilt entsprechend. Vergütungserhöhungen sind während der Dauer der Amtszeit der Unparteiischen unzulässig. Zu Beginn einer neuen Amtszeit eines Unparteiischen kann eine über die zuletzt nach § 35a Absatz 6a Satz 1 des Vierten Buches gebilligte Vergütung der letzten Amtsperiode oder des Vorgängers im Amt hinausgehende höhere Vergütung nur durch einen Zuschlag auf die Grundvergütung nach Maßgabe der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes vereinbart werden. Die Aufsichtsbehörde kann zu Beginn einer neuen Amtszeit eines Unparteiischen eine niedrigere Vergütung anordnen. Die Art und die Höhe finanzieller Zuwendungen, die den Unparteiischen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Unparteiische von Dritten gewährt werden, sind den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 mitzuteilen und auf die Vergütung der Unparteiischen anzurechnen oder an den Gemeinsamen Bundesausschuss abzuführen. Vereinbarungen der Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 für die Zukunftssicherung der Unparteiischen sind nur auf der Grundlage von beitragsorientierten Zusagen zulässig. Die von den Organisationen benannten sonstigen Mitglieder des Beschlussgremiums üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus; sie sind bei den Entscheidungen im Beschlussgremium an Weisungen nicht gebunden. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 benennen für jedes von ihnen benannte Mitglied bis zu drei Stellvertreter. Die Amtszeit im Beschlussgremium beträgt ab der am 1. Juli 2012 beginnenden Amtszeit sechs Jahre.

(2a) Bei Beschlüssen, die allein einen der Leistungssektoren wesentlich betreffen, werden ab dem 1. Februar 2012 alle fünf Stimmen der Leistungserbringerseite anteilig auf diejenigen Mitglieder übertragen, die von der betroffenen Leistungserbringerorganisation nach Absatz 1 Satz 1 benannt worden sind. Bei Beschlüssen, die allein zwei der drei Leistungssektoren wesentlich betreffen, werden ab dem 1. Februar 2012 die Stimmen der von der nicht betroffenen Leistungserbringerorganisation benannten Mitglieder anteilig auf diejenigen Mitglieder übertragen, die von den betroffenen Leistungserbringerorganisationen benannt worden sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in seiner Geschäftsordnung erstmals bis zum 31. Januar 2012 fest, welche Richtlinien und Entscheidungen allein einen oder allein zwei der Leistungssektoren wesentlich betreffen. Bei Beschlüssen zur Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden wird die Stimme des von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung benannten Mitglieds ab dem 1. Januar 2012 anteilig auf die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft benannten Mitglieder übertragen.

(3) Für die Tragung der Kosten des Gemeinsamen Bundesausschusses mit Ausnahme der Kosten der von den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 benannten Mitglieder gilt § 139c entsprechend. Im Übrigen gilt § 90 Abs. 3 Satz 4 entsprechend mit der Maßgabe, dass vor Erlass der Rechtsverordnung außerdem die Deutsche Krankenhausgesellschaft anzuhören ist.

(3a) Verletzen Mitglieder oder deren Stellvertreter, die von den in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen benannt oder berufen werden, in der ihnen insoweit übertragenen Amtsführung die ihnen einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, gilt § 42 Absatz 1 bis 3 des Vierten Buches mit der Maßgabe entsprechend, dass die Verantwortlichkeit den Gemeinsamen Bundesausschuss, nicht aber die in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen, trifft. Dies gilt auch im Falle einer Berufung der unparteiischen Mitglieder und deren Stellvertreter durch das Bundesministerium für Gesundheit nach Absatz 2 Satz 7. Soweit von den in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen für die Vorbereitung von Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses Personen für die nach seiner Geschäftsordnung bestehenden Gremien benannt werden und diese Personen zur Wahrung der Vertraulichkeit der für den Gemeinsamen Bundesausschuss geheimhaltungspflichtigen, ihnen zugänglichen Unterlagen und Informationen verpflichtet werden, gilt Satz 1 entsprechend. Das Gleiche gilt für nach § 140f Absatz 2 Satz 1 zweiter Halbsatz benannte sachkundige Personen, denen zur Ausübung ihres Mitberatungsrechts für den Gemeinsamen Bundesausschuss geheimhaltungspflichtige Unterlagen und Informationen zugänglich gemacht werden, wenn sie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss zur Wahrung der Vertraulichkeit dieser Unterlagen verpflichtet worden sind. Das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Geschäftsordnung.

(4) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt

1.
eine Verfahrensordnung, in der er insbesondere methodische Anforderungen an die wissenschaftliche sektorenübergreifende Bewertung des Nutzens, einschließlich Bewertungen nach den §§ 35a und 35b, der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen als Grundlage für Beschlüsse sowie die Anforderungen an den Nachweis der fachlichen Unabhängigkeit von Sachverständigen und das Verfahren der Anhörung zu den jeweiligen Richtlinien, insbesondere die Feststellung der anzuhörenden Stellen, die Art und Weise der Anhörung und deren Auswertung, regelt,
2.
eine Geschäftsordnung, in der er Regelungen zur Arbeitsweise des Gemeinsamen Bundesausschusses insbesondere zur Geschäftsführung, zur Vorbereitung der Richtlinienbeschlüsse durch Einsetzung von in der Regel sektorenübergreifend gestalteten Unterausschüssen, zum Vorsitz der Unterausschüsse durch die Unparteiischen des Beschlussgremiums sowie zur Zusammenarbeit der Gremien und der Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses trifft; in der Geschäftsordnung sind Regelungen zu treffen zur Gewährleistung des Mitberatungsrechts der von den Organisationen nach § 140f Abs. 2 entsandten sachkundigen Personen.
Die Verfahrensordnung und die Geschäftsordnung bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn das Bundesministerium für Gesundheit sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Vorlage des Beschlusses und der tragenden Gründe ganz oder teilweise versagt. Das Bundesministerium für Gesundheit kann im Rahmen der Genehmigungsprüfung vom Gemeinsamen Bundesausschuss zusätzliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern; bis zum Eingang der Auskünfte ist der Lauf der Frist nach Satz 3 unterbrochen. Wird die Genehmigung ganz oder teilweise versagt, so kann das Bundesministerium für Gesundheit insbesondere zur Sicherstellung einer sach- und funktionsgerechten Ausgestaltung der Arbeitsweise und des Bewertungsverfahrens des Gemeinsamen Bundesausschusses erforderliche Änderungen bestimmen und anordnen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb einer bestimmten Frist die erforderlichen Änderungen vornimmt. Kommt der Gemeinsame Bundesausschuss der Anordnung innerhalb der Frist nicht nach, so kann das Bundesministerium für Gesundheit die erforderlichen Änderungen selbst vornehmen. Die Sätze 5 und 6 gelten entsprechend, wenn sich die Erforderlichkeit der Änderung einer bereits genehmigten Regelung der Verfahrensordnung oder der Geschäftsordnung erst nachträglich ergibt. Klagen gegen Anordnungen und Maßnahmen des Bundesministeriums für Gesundheit nach den Sätzen 3 bis 7 haben keine aufschiebende Wirkung.

(5) Bei Beschlüssen, deren Gegenstand die Berufsausübung der Ärzte, Psychotherapeuten oder Zahnärzte berührt, ist der jeweiligen Arbeitsgemeinschaft der Kammern dieser Berufe auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. § 136 Absatz 3 und § 136b Absatz 1 Satz 3 bleiben unberührt.

(5a) Bei Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses, die die Verarbeitung personenbezogener Daten regeln oder voraussetzen, ist dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(6) Die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 136d sind für die Träger nach Absatz 1 Satz 1, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich.

(7) Das Beschlussgremium des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 Satz 1 fasst seine Beschlüsse mit der Mehrheit seiner Mitglieder, sofern die Geschäftsordnung nichts anderes bestimmt. Beschlüsse zur Arzneimittelversorgung und zur Qualitätssicherung sind in der Regel sektorenübergreifend zu fassen. Beschlüsse, die nicht allein einen der Leistungssektoren wesentlich betreffen und die zur Folge haben, dass eine bisher zulasten der Krankenkassen erbringbare Leistung zukünftig nicht mehr zu deren Lasten erbracht werden darf, bedürfen einer Mehrheit von neun Stimmen. Der unparteiische Vorsitzende und die weiteren unparteiischen Mitglieder können dem Beschlussgremium gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag zur Entscheidung vorlegen. Mit der Vorbereitung eines Beschlussvorschlags oder eines Antrags eines Unparteiischen nach § 135 Absatz 1 Satz 1 oder § 137c Absatz 1 Satz 1 können die Unparteiischen oder kann der Unparteiische die Geschäftsführung beauftragen. Die Sitzungen des Beschlussgremiums sind in der Regel öffentlich und werden zeitgleich als Live-Video-Übertragung im Internet angeboten sowie in einer Mediathek zum späteren Abruf verfügbar gehalten. Die nichtöffentlichen Beratungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, insbesondere auch die Beratungen in den vorbereitenden Gremien, sind einschließlich der Beratungsunterlagen und Niederschriften vertraulich.

(8) (weggefallen)

(9) Jedem, der berechtigt ist, zu einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses Stellung zu nehmen und eine schriftliche oder elektronische Stellungnahme abgegeben hat, ist in der Regel auch Gelegenheit zu einer mündlichen Stellungnahme zu geben. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in seiner Verfahrensordnung vorzusehen, dass die Teilnahme jeweils eines Vertreters einer zu einem Beschlussgegenstand stellungnahmeberechtigten Organisation an den Beratungen zu diesem Gegenstand in dem zuständigen Unterausschuss zugelassen werden kann.

(10) Der Gemeinsame Bundesausschuss ermittelt spätestens ab dem 1. September 2012 die infolge seiner Beschlüsse zu erwartenden Bürokratiekosten im Sinne des § 2 Absatz 2 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates und stellt diese Kosten in der Begründung des jeweiligen Beschlusses nachvollziehbar dar. Bei der Ermittlung der Bürokratiekosten ist die Methodik nach § 2 Absatz 3 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates anzuwenden. Das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 30. Juni 2012 in seiner Verfahrensordnung.

(11) Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages einmal jährlich zum 31. März über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über die Einhaltung der Fristen nach § 135 Absatz 1 Satz 4 und 5, § 136b Absatz 3 Satz 1, § 137c Absatz 1 Satz 5 und 6 sowie § 137h Absatz 4 Satz 9 vorzulegen, in dem im Falle von Überschreitungen der Fristen nach § 137c Absatz 1 Satz 5 und 6 sowie § 137h Absatz 4 Satz 9 auch die zur Straffung des Verfahrens unternommenen Maßnahmen und die besonderen Schwierigkeiten einer Bewertung, die zu einer Fristüberschreitung geführt haben können, im Einzelnen dargelegt werden müssen. Zudem sind in dem Bericht auch alle anderen Beratungsverfahren über Entscheidungen und Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses darzustellen, die seit förmlicher Einleitung des Beratungsverfahrens länger als drei Jahre andauern und in denen noch keine abschließende Beschlussfassung erfolgt ist.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt zur Entwicklung und Durchführung der Qualitätssicherung sowie zur Verbesserung der Transparenz über die Qualität der ambulanten und stationären Versorgung Aufträge nach § 137a Absatz 3 an das Institut nach § 137a. Soweit hierbei personenbezogene Daten verarbeitet werden sollen, gilt § 299. Bei Aufträgen zur Entwicklung von Patientenbefragungen nach § 137a Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 soll der Gemeinsame Bundesausschuss ab dem 1. Januar 2022 eine barrierefreie Durchführung vorsehen; für bereits erarbeitete Patientenbefragungen soll er die Entwicklung der barrierefreien Durchführung bis zum 31. Dezember 2025 nachträglich beauftragen.

(2) Das Institut nach § 137a leitet die Arbeitsergebnisse der Aufträge nach § 137a Absatz 3 Satz 1 und 2 und Absatz 4 Satz 2 dem Gemeinsamen Bundesausschuss als Empfehlungen zu. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Empfehlungen im Rahmen seiner Aufgabenstellung zu berücksichtigen.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 legt in Richtlinien nach Maßgabe von Satz 2 geeignete chronische Krankheiten fest, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung chronisch Kranker verbessern. Bei der Auswahl der chronischen Krankheiten sind insbesondere die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:

1.
Zahl der von der Krankheit betroffenen Versicherten,
2.
Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Versorgung,
3.
Verfügbarkeit von evidenzbasierten Leitlinien,
4.
sektorenübergreifender Behandlungsbedarf,
5.
Beeinflussbarkeit des Krankheitsverlaufs durch Eigeninitiative des Versicherten und
6.
hoher finanzieller Aufwand der Behandlung.
Bis zum 31. Juli 2023 erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere für die Behandlung von Adipositas Richtlinien nach Absatz 2.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 erlässt Richtlinien zu den Anforderungen an die Ausgestaltung von Behandlungsprogrammen nach Absatz 1. Zu regeln sind insbesondere Anforderungen an die

1.
Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors,
2.
durchzuführenden Qualitätssicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Ergebnisse nach § 137a Absatz 3,
3.
Voraussetzungen für die Einschreibung des Versicherten in ein Programm,
4.
Schulungen der Leistungserbringer und der Versicherten,
5.
Dokumentation einschließlich der für die Durchführung der Programme erforderlichen personenbezogenen Daten und deren Aufbewahrungsfristen,
6.
Bewertung der Auswirkungen der Versorgung in den Programmen (Evaluation).
Soweit diese Anforderungen Inhalte der ärztlichen Therapie betreffen, schränken sie den zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags im Einzelfall erforderlichen ärztlichen Behandlungsspielraum nicht ein. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat den Medizinischen Dienst Bund zu beteiligen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und der Selbsthilfe sowie den für die sonstigen Leistungserbringer auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen, soweit ihre Belange berührt sind, sowie dem Bundesamt für Soziale Sicherung und den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 hat seine Richtlinien regelmäßig zu überprüfen.

(3) Für die Versicherten ist die Teilnahme an Programmen nach Absatz 1 freiwillig. Voraussetzung für die Einschreibung ist die nach umfassender Information durch die Krankenkasse erteilte schriftliche oder elektronische Einwilligung zur Teilnahme an dem Programm, zur Verarbeitung der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 festgelegten Daten durch die Krankenkasse, die Sachverständigen nach Absatz 4 und die beteiligten Leistungserbringer sowie zur Übermittlung dieser Daten an die Krankenkasse. Die Einwilligung kann widerrufen werden.

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände haben nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 eine externe Evaluation der für dieselbe Krankheit nach Absatz 1 zugelassenen Programme nach Absatz 1 durch einen vom Bundesamt für Soziale Sicherung im Benehmen mit der Krankenkasse oder dem Verband auf deren Kosten bestellten unabhängigen Sachverständigen auf der Grundlage allgemein anerkannter wissenschaftlicher Standards zu veranlassen, die zu veröffentlichen ist. Die Krankenkassen oder ihre Verbände erstellen für die Programme zudem für jedes volle Kalenderjahr Qualitätsberichte nach den Vorgaben der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2, die dem Bundesamt für Soziale Sicherung jeweils bis zum 1. Oktober des Folgejahres vorzulegen sind.

(5) Die Verbände der Krankenkassen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen unterstützen ihre Mitglieder bei dem Aufbau und der Durchführung von Programmen nach Absatz 1; hierzu gehört auch, dass die in Satz 2 genannten Aufträge auch von diesen Verbänden erteilt werden können, soweit hierdurch bundes- oder landeseinheitliche Vorgaben umgesetzt werden sollen. Die Krankenkassen können ihre Aufgaben zur Durchführung von mit zugelassenen Leistungserbringern vertraglich vereinbarten Programmen nach Absatz 1 auf Dritte übertragen. § 80 des Zehnten Buches bleibt unberührt.

(6) (weggefallen)

(7) Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können mit zugelassenen Krankenhäusern, die an der Durchführung eines strukturierten Behandlungsprogramms nach Absatz 1 teilnehmen, Verträge über ambulante ärztliche Behandlung schließen, soweit die Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung in den Verträgen zu den strukturierten Behandlungsprogrammen dies erfordern. Für die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung des Krankenhauses gelten als Mindestvoraussetzungen die Anforderungen nach § 135 entsprechend.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft bei der Erstfassung einer Richtlinie zu den Anforderungen nach Absatz 2 sowie bei jeder regelmäßigen Überprüfung seiner Richtlinien nach Absatz 2 Satz 6 die Aufnahme geeigneter digitaler medizinischer Anwendungen. Den für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände können den Einsatz digitaler medizinischer Anwendungen in den Programmen auch dann vorsehen, wenn sie bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Richtlinien zu den Anforderungen nach Absatz 2 aufgenommen wurden.

(1) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden einen Gemeinsamen Bundesausschuss. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist rechtsfähig. Er wird durch den Vorsitzenden des Beschlussgremiums gerichtlich und außergerichtlich vertreten.

(2) Das Beschlussgremium des Gemeinsamen Bundesausschusses besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden, zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern, einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, jeweils zwei von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft und fünf von dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen benannten Mitgliedern. Für die Berufung des unparteiischen Vorsitzenden und der weiteren unparteiischen Mitglieder sowie jeweils zweier Stellvertreter einigen sich die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 jeweils auf einen Vorschlag und legen diese Vorschläge dem Bundesministerium für Gesundheit spätestens zwölf Monate vor Ablauf der Amtszeit vor. Als unparteiische Mitglieder und deren Stellvertreter können nur Personen benannt werden, die im vorangegangenen Jahr nicht bei den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1, bei deren Mitgliedern, bei Verbänden von deren Mitgliedern oder in einem Krankenhaus beschäftigt oder selbst als Vertragsarzt, Vertragszahnarzt oder Vertragspsychotherapeut tätig waren. Das Bundesministerium für Gesundheit übermittelt die Vorschläge an den Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages. Der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages kann einem Vorschlag nach nichtöffentlicher Anhörung der jeweils vorgeschlagenen Person innerhalb von sechs Wochen mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder durch Beschluss widersprechen, sofern er die Unabhängigkeit oder die Unparteilichkeit der vorgeschlagenen Person als nicht gewährleistet ansieht. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 legen innerhalb von sechs Wochen, nachdem das Bundesministerium für Gesundheit den Gemeinsamen Bundesausschuss über einen erfolgten Widerspruch unterrichtet hat, einen neuen Vorschlag vor. Widerspricht der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages nach Satz 5 auch dem neuen Vorschlag innerhalb von sechs Wochen oder haben die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 keinen neuen Vorschlag vorgelegt, erfolgt die Berufung durch das Bundesministerium für Gesundheit. Die Unparteiischen üben ihre Tätigkeit in der Regel hauptamtlich aus; eine ehrenamtliche Ausübung ist zulässig, soweit die Unparteiischen von ihren Arbeitgebern in dem für die Tätigkeit erforderlichen Umfang freigestellt werden. Die Stellvertreter der Unparteiischen sind ehrenamtlich tätig. Hauptamtliche Unparteiische stehen während ihrer Amtszeit in einem Dienstverhältnis zum Gemeinsamen Bundesausschuss. Zusätzlich zu ihren Aufgaben im Beschlussgremium übernehmen die einzelnen Unparteiischen den Vorsitz der Unterausschüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses. Der Vorsitzende nach Absatz 1 Satz 3 stellt übergreifend die Einhaltung aller dem Gemeinsamen Bundesausschuss auferlegten gesetzlichen Fristen sicher. Zur Erfüllung dieser Aufgabe nimmt er eine zeitliche Steuerungsverantwortung wahr und hat ein Antragsrecht an das Beschlussgremium nach Satz 1, er erstattet auch den nach Absatz 11 jährlich vorzulegenden Bericht. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 schließen die Dienstvereinbarungen mit den hauptamtlichen Unparteiischen; § 35a Absatz 6 Satz 2 und Absatz 6a Satz 1 und 2 des Vierten Buches gilt entsprechend. Vergütungserhöhungen sind während der Dauer der Amtszeit der Unparteiischen unzulässig. Zu Beginn einer neuen Amtszeit eines Unparteiischen kann eine über die zuletzt nach § 35a Absatz 6a Satz 1 des Vierten Buches gebilligte Vergütung der letzten Amtsperiode oder des Vorgängers im Amt hinausgehende höhere Vergütung nur durch einen Zuschlag auf die Grundvergütung nach Maßgabe der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes vereinbart werden. Die Aufsichtsbehörde kann zu Beginn einer neuen Amtszeit eines Unparteiischen eine niedrigere Vergütung anordnen. Die Art und die Höhe finanzieller Zuwendungen, die den Unparteiischen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Unparteiische von Dritten gewährt werden, sind den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 mitzuteilen und auf die Vergütung der Unparteiischen anzurechnen oder an den Gemeinsamen Bundesausschuss abzuführen. Vereinbarungen der Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 für die Zukunftssicherung der Unparteiischen sind nur auf der Grundlage von beitragsorientierten Zusagen zulässig. Die von den Organisationen benannten sonstigen Mitglieder des Beschlussgremiums üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus; sie sind bei den Entscheidungen im Beschlussgremium an Weisungen nicht gebunden. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 benennen für jedes von ihnen benannte Mitglied bis zu drei Stellvertreter. Die Amtszeit im Beschlussgremium beträgt ab der am 1. Juli 2012 beginnenden Amtszeit sechs Jahre.

(2a) Bei Beschlüssen, die allein einen der Leistungssektoren wesentlich betreffen, werden ab dem 1. Februar 2012 alle fünf Stimmen der Leistungserbringerseite anteilig auf diejenigen Mitglieder übertragen, die von der betroffenen Leistungserbringerorganisation nach Absatz 1 Satz 1 benannt worden sind. Bei Beschlüssen, die allein zwei der drei Leistungssektoren wesentlich betreffen, werden ab dem 1. Februar 2012 die Stimmen der von der nicht betroffenen Leistungserbringerorganisation benannten Mitglieder anteilig auf diejenigen Mitglieder übertragen, die von den betroffenen Leistungserbringerorganisationen benannt worden sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in seiner Geschäftsordnung erstmals bis zum 31. Januar 2012 fest, welche Richtlinien und Entscheidungen allein einen oder allein zwei der Leistungssektoren wesentlich betreffen. Bei Beschlüssen zur Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden wird die Stimme des von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung benannten Mitglieds ab dem 1. Januar 2012 anteilig auf die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft benannten Mitglieder übertragen.

(3) Für die Tragung der Kosten des Gemeinsamen Bundesausschusses mit Ausnahme der Kosten der von den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 benannten Mitglieder gilt § 139c entsprechend. Im Übrigen gilt § 90 Abs. 3 Satz 4 entsprechend mit der Maßgabe, dass vor Erlass der Rechtsverordnung außerdem die Deutsche Krankenhausgesellschaft anzuhören ist.

(3a) Verletzen Mitglieder oder deren Stellvertreter, die von den in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen benannt oder berufen werden, in der ihnen insoweit übertragenen Amtsführung die ihnen einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, gilt § 42 Absatz 1 bis 3 des Vierten Buches mit der Maßgabe entsprechend, dass die Verantwortlichkeit den Gemeinsamen Bundesausschuss, nicht aber die in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen, trifft. Dies gilt auch im Falle einer Berufung der unparteiischen Mitglieder und deren Stellvertreter durch das Bundesministerium für Gesundheit nach Absatz 2 Satz 7. Soweit von den in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen für die Vorbereitung von Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses Personen für die nach seiner Geschäftsordnung bestehenden Gremien benannt werden und diese Personen zur Wahrung der Vertraulichkeit der für den Gemeinsamen Bundesausschuss geheimhaltungspflichtigen, ihnen zugänglichen Unterlagen und Informationen verpflichtet werden, gilt Satz 1 entsprechend. Das Gleiche gilt für nach § 140f Absatz 2 Satz 1 zweiter Halbsatz benannte sachkundige Personen, denen zur Ausübung ihres Mitberatungsrechts für den Gemeinsamen Bundesausschuss geheimhaltungspflichtige Unterlagen und Informationen zugänglich gemacht werden, wenn sie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss zur Wahrung der Vertraulichkeit dieser Unterlagen verpflichtet worden sind. Das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Geschäftsordnung.

(4) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt

1.
eine Verfahrensordnung, in der er insbesondere methodische Anforderungen an die wissenschaftliche sektorenübergreifende Bewertung des Nutzens, einschließlich Bewertungen nach den §§ 35a und 35b, der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen als Grundlage für Beschlüsse sowie die Anforderungen an den Nachweis der fachlichen Unabhängigkeit von Sachverständigen und das Verfahren der Anhörung zu den jeweiligen Richtlinien, insbesondere die Feststellung der anzuhörenden Stellen, die Art und Weise der Anhörung und deren Auswertung, regelt,
2.
eine Geschäftsordnung, in der er Regelungen zur Arbeitsweise des Gemeinsamen Bundesausschusses insbesondere zur Geschäftsführung, zur Vorbereitung der Richtlinienbeschlüsse durch Einsetzung von in der Regel sektorenübergreifend gestalteten Unterausschüssen, zum Vorsitz der Unterausschüsse durch die Unparteiischen des Beschlussgremiums sowie zur Zusammenarbeit der Gremien und der Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses trifft; in der Geschäftsordnung sind Regelungen zu treffen zur Gewährleistung des Mitberatungsrechts der von den Organisationen nach § 140f Abs. 2 entsandten sachkundigen Personen.
Die Verfahrensordnung und die Geschäftsordnung bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn das Bundesministerium für Gesundheit sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Vorlage des Beschlusses und der tragenden Gründe ganz oder teilweise versagt. Das Bundesministerium für Gesundheit kann im Rahmen der Genehmigungsprüfung vom Gemeinsamen Bundesausschuss zusätzliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern; bis zum Eingang der Auskünfte ist der Lauf der Frist nach Satz 3 unterbrochen. Wird die Genehmigung ganz oder teilweise versagt, so kann das Bundesministerium für Gesundheit insbesondere zur Sicherstellung einer sach- und funktionsgerechten Ausgestaltung der Arbeitsweise und des Bewertungsverfahrens des Gemeinsamen Bundesausschusses erforderliche Änderungen bestimmen und anordnen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb einer bestimmten Frist die erforderlichen Änderungen vornimmt. Kommt der Gemeinsame Bundesausschuss der Anordnung innerhalb der Frist nicht nach, so kann das Bundesministerium für Gesundheit die erforderlichen Änderungen selbst vornehmen. Die Sätze 5 und 6 gelten entsprechend, wenn sich die Erforderlichkeit der Änderung einer bereits genehmigten Regelung der Verfahrensordnung oder der Geschäftsordnung erst nachträglich ergibt. Klagen gegen Anordnungen und Maßnahmen des Bundesministeriums für Gesundheit nach den Sätzen 3 bis 7 haben keine aufschiebende Wirkung.

(5) Bei Beschlüssen, deren Gegenstand die Berufsausübung der Ärzte, Psychotherapeuten oder Zahnärzte berührt, ist der jeweiligen Arbeitsgemeinschaft der Kammern dieser Berufe auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. § 136 Absatz 3 und § 136b Absatz 1 Satz 3 bleiben unberührt.

(5a) Bei Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses, die die Verarbeitung personenbezogener Daten regeln oder voraussetzen, ist dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(6) Die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 136d sind für die Träger nach Absatz 1 Satz 1, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich.

(7) Das Beschlussgremium des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 Satz 1 fasst seine Beschlüsse mit der Mehrheit seiner Mitglieder, sofern die Geschäftsordnung nichts anderes bestimmt. Beschlüsse zur Arzneimittelversorgung und zur Qualitätssicherung sind in der Regel sektorenübergreifend zu fassen. Beschlüsse, die nicht allein einen der Leistungssektoren wesentlich betreffen und die zur Folge haben, dass eine bisher zulasten der Krankenkassen erbringbare Leistung zukünftig nicht mehr zu deren Lasten erbracht werden darf, bedürfen einer Mehrheit von neun Stimmen. Der unparteiische Vorsitzende und die weiteren unparteiischen Mitglieder können dem Beschlussgremium gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag zur Entscheidung vorlegen. Mit der Vorbereitung eines Beschlussvorschlags oder eines Antrags eines Unparteiischen nach § 135 Absatz 1 Satz 1 oder § 137c Absatz 1 Satz 1 können die Unparteiischen oder kann der Unparteiische die Geschäftsführung beauftragen. Die Sitzungen des Beschlussgremiums sind in der Regel öffentlich und werden zeitgleich als Live-Video-Übertragung im Internet angeboten sowie in einer Mediathek zum späteren Abruf verfügbar gehalten. Die nichtöffentlichen Beratungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, insbesondere auch die Beratungen in den vorbereitenden Gremien, sind einschließlich der Beratungsunterlagen und Niederschriften vertraulich.

(8) (weggefallen)

(9) Jedem, der berechtigt ist, zu einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses Stellung zu nehmen und eine schriftliche oder elektronische Stellungnahme abgegeben hat, ist in der Regel auch Gelegenheit zu einer mündlichen Stellungnahme zu geben. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in seiner Verfahrensordnung vorzusehen, dass die Teilnahme jeweils eines Vertreters einer zu einem Beschlussgegenstand stellungnahmeberechtigten Organisation an den Beratungen zu diesem Gegenstand in dem zuständigen Unterausschuss zugelassen werden kann.

(10) Der Gemeinsame Bundesausschuss ermittelt spätestens ab dem 1. September 2012 die infolge seiner Beschlüsse zu erwartenden Bürokratiekosten im Sinne des § 2 Absatz 2 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates und stellt diese Kosten in der Begründung des jeweiligen Beschlusses nachvollziehbar dar. Bei der Ermittlung der Bürokratiekosten ist die Methodik nach § 2 Absatz 3 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates anzuwenden. Das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 30. Juni 2012 in seiner Verfahrensordnung.

(11) Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages einmal jährlich zum 31. März über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über die Einhaltung der Fristen nach § 135 Absatz 1 Satz 4 und 5, § 136b Absatz 3 Satz 1, § 137c Absatz 1 Satz 5 und 6 sowie § 137h Absatz 4 Satz 9 vorzulegen, in dem im Falle von Überschreitungen der Fristen nach § 137c Absatz 1 Satz 5 und 6 sowie § 137h Absatz 4 Satz 9 auch die zur Straffung des Verfahrens unternommenen Maßnahmen und die besonderen Schwierigkeiten einer Bewertung, die zu einer Fristüberschreitung geführt haben können, im Einzelnen dargelegt werden müssen. Zudem sind in dem Bericht auch alle anderen Beratungsverfahren über Entscheidungen und Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses darzustellen, die seit förmlicher Einleitung des Beratungsverfahrens länger als drei Jahre andauern und in denen noch keine abschließende Beschlussfassung erfolgt ist.

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat den Stand der Qualitätssicherung im Gesundheitswesen festzustellen, sich daraus ergebenden Weiterentwicklungsbedarf zu benennen, eingeführte Qualitätssicherungsmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin zu bewerten und Empfehlungen für eine an einheitlichen Grundsätzen ausgerichtete sowie sektoren- und berufsgruppenübergreifende Qualitätssicherung im Gesundheitswesen einschließlich ihrer Umsetzung zu erarbeiten. Er erstellt in regelmäßigen Abständen einen Bericht über den Stand der Qualitätssicherung.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. Januar 2014 aufgehoben. Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 15. Juli 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2011 wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Herstellerin des Medizinprodukts Jacutin® Pedicul Fluid, welches zur Behandlung des Kopflausbefalls eingesetzt wird und aus 100 Prozent reinem Dimeticon (Silikonöl) besteht. Sie wendet sich gegen dessen Herausnahme aus der "Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte" (Anlage V zum Abschnitt J <"Verordnungsfähigkeit von Medizinprodukten"> der Arzneimittel-Richtlinie ).

2

Auf Antrag der Klägerin beschloss der Beklagte - der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) - in seiner Sitzung vom 19.6.2008 (schriftlicher Bescheid vom selben Tag), das Medizinprodukt Jacutin® Pedicul Fluid als medizinisch notwendig im Sinne von § 31 Abs 1 Satz 2 und 3 SGB V in die (seinerzeitige) Anlage 12 der AM-RL aufzunehmen. Zusammen mit Jacutin® Pedicul Fluid nahm der Beklagte zwei weitere Medizinprodukte zur physikalischen Behandlung des Kopfhaares bei Kopflausbefall in die Anlage auf, nämlich EtoPril® sowie Nyda®.

3

Nach Anhörung der Klägerin nahm der Beklagte mit Beschluss und Bescheid vom 15.7.2010 den Bescheid vom 19.6.2008 zurück und verfügte, Jacutin® Pedicul Fluid sei aus der Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte (nunmehr Anlage V der AM-RL) zu streichen. Der Bescheid vom 19.6.2008 sei rechtswidrig, weil bei seinem Erlass die Voraussetzungen für die Aufnahme von Jacutin® Pedicul Fluid in die Übersicht nicht vorgelegen hätten. Die Klägerin habe keine belastbaren, methodisch und statistisch einwandfreien und mit guter Berichtsqualität veröffentlichten Daten der Evidenzstufe I zum Nachweis eines therapeutischen Nutzens beim Einsatz von Jacutin® Pedicul Fluid bei der Behandlung des Kopflausbefalls vorgelegt.

4

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.9.2011 zurück. Er - der Beklagte - habe Jacutin® Pedicul Fluid zur Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung der Versicherten in den neuen Leistungskatalog aufgenommen und sei dabei auf Grundlage niedrigeren Evidenzniveaus zunächst vom Nachweis des therapeutischen Nutzens ausgegangen. Inzwischen sei eine wesentliche Änderung der Sachlage eingetreten, da mit Beschlüssen vom 20.5.2010, 19.8.2010 und 21.7.2011 weitere Medizinprodukte zur physikalischen Behandlung des Kopfhaares bei Kopflausbefall in die Anlage V der AM-RL aufgenommen worden seien, nämlich Dimet®20, Paranix® ohne Nissenkamm und Mosquito® med LäuseShampoo. Im Vergleich zu dem Produkt der Klägerin sei der therapeutische Nutzen dieser weiteren Medizinprodukte weitaus besser belegt, nämlich auf der Basis jeweils mindestens einer methodisch adäquaten randomisierten und kontrollierten Studie. Dagegen liege für Jacutin® Pedicul Fluid keine Studie vergleichbar hohen Evidenzniveaus vor. Mit dem Beleg für den therapeutischen Nutzen der drei genannten Alternativpräparate sei eine wesentliche Voraussetzung für die Fortgeltung der Verordnungsfähigkeit von Jacutin® Pedicul Fluid nachträglich entfallen. Damit liege eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Sinne von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X vor.

5

Auf die Klage hat das nach § 29 Abs 4 Nr 3 SGG erstinstanzlich zuständige LSG den Bescheid des Beklagten vom 15.7.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.9.2011 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei als Anfechtungsklage statthaft, denn bei der Entscheidung des Beklagten, Jacutin® Pedicul Fluid aus der Anlage V der AM-RL zu streichen, handele es sich trotz des Zusammenhangs mit der Normsetzung um einen Verwaltungsakt (VA) im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X. In der Sache sei die Aufhebung des Bescheides vom 19.6.2008 rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für eine Aufhebung der bestandskräftigen Entscheidung, Jacutin® Pedicul Fluid in die Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte aufzunehmen, nicht vorlägen. Die Aufhebung des begünstigenden Bescheides müsse sich an den Regelungen der §§ 45 ff SGB X messen lassen. § 31 Abs 1 Satz 2 letzter Halbsatz SGB V ordne die entsprechende Geltung von § 34 Abs 6 SGB V an. Danach habe der Beklagte in der Rechtsform des VAs zu handeln, obwohl es sich bei der Aufnahme eines Medizinprodukts in die Anlage V der AM-RL nach § 91 Abs 6 SGB V zugleich um (untergesetzliche) Normgebung handele. Stelle die Aufnahme in die Übersicht einen VA dar, habe deren Aufhebung als actus contrarius die Regelungen der §§ 45 ff SGB X zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen der allein in Frage kommenden §§ 45, 48 SGB X seien jedoch nicht erfüllt.

6

In den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vom 19.6.2008 vorgelegen haben, sei keine wesentliche Änderung eingetreten. Für eine "Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen" reiche es nicht aus, dass sich inzwischen die Anschauungen oder Erkenntnisse gewandelt hätten. Die bloße Neubewertung des im Jahre 2008 vorliegenden Erkenntnismaterials zum medizinischen Nutzen von Jacutin® Pedicul Fluid ohne Änderung der objektiv bei Bescheiderlass bestehenden Sachlage erlaube keine Aufhebung des bestandskräftigen Bescheides. Eine Aufhebung der Listung von Jacutin® Pedicul Fluid komme nur in Betracht, wenn der Beklagte über neue Erkenntnisse der evidenzbasierten Medizin nachweisen könne, dass das Medizinprodukt der Klägerin nicht den Voraussetzungen von § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V in Verbindung mit § 29 der AM-RL entspreche. Solche neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse gebe es jedoch nicht, sondern im Gegenteil konkrete Anhaltspunkte für den medizinischen Nutzen. Allgemein würden dimeticonhaltige Medizinprodukte als Alternative zu insektizidhaltigen Arzneimitteln angeführt, wie etwa vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Eine unmittelbare Empfehlung für die Anwendung von Jacutin® Pedicul Fluid gebe auch das "arznei-telegramm" in seinem Heft 8/12 ab. Die Aufhebung des Bescheides vom 19.6.2008 basiere damit lediglich auf einer im Rahmen von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X nicht relevanten anderen (und strengeren) Beurteilung der seit 2008 unverändert gegebenen Sachlage. Der Beklagte halte das im Jahre 2008 von der Klägerin vorgelegte Studienmaterial nun nicht mehr für ausreichend, um den medizinischen Nutzen von Jacutin® Pedicul Fluid zu belegen, weil eine bestimmte Evidenz nicht erreicht sei. Der Beklagte habe damit seine Anschauung gewandelt und wolle den medizinischen Nutzen von Jacutin® Pedicul Fluid nachträglich originär völlig neu bewerten.

7

Die 2010/2011 erfolgte Aufnahme der drei Medizinprodukte Dimet®20, Paranix® ohne Nissenkamm und Mosquito® med LäuseShampoo in die Anlage V der AM-RL führe nicht zu einer "Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen" im Sinne von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, da mit der Zulassung dieser drei Medizinprodukte nichts über den medizinischen Nutzen des Konkurrenzpräparats der Klägerin gesagt sei. Entscheidende therapeutische Vorteile dieser drei Produkte gegenüber Jacutin® Pedicul Fluid - bzw relevante therapeutische Nachteile bei Jacutin® Pedicul Fluid - seien nach dem Inhalt der Akten auch nicht erkennbar. Dass die Aufnahme der drei genannten Präparate in die Übersicht auf Grundlage höherwertiger Evidenz erfolgt sei, sei für den Verbleib von Jacutin® Pedicul Fluid in der Anlage V rechtlich unerheblich. Denn die Evidenzlage in Bezug auf Konkurrenzprodukte begründe so lange keine maßgebliche "Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen" im Sinne von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, wie damit nicht zugleich - zum Beispiel durch eine vergleichende Studie - der fehlende medizinische Nutzen des bereits gelisteten Produkts erwiesen sei. Insgesamt unterliege der Beklagte damit einer Fehlwertung, wenn er meine, ein später in die Anlage V der AM-RL aufgenommenes Medizinprodukt sei allein dadurch "zweckmäßiger" im Sinne von § 29 Nr 4 der AM-RL, dass es über eine Evidenz höheren Grades verfüge als ein schon länger in der Anlage V gelistetes Produkt. Sofern der Beklagte Medizinprodukte liste, die nicht über optimale Evidenz verfügten, weil er die Versorgung der Versicherten sicherstellen wolle, sei er ohne Weiteres nach § 32 Abs 2 Nr 1 SGB X berechtigt, die Aufnahme eines Produkts in die Anlage V der AM-RL nach pflichtgemäßem Ermessen mit einer zeitlichen Befristung zu versehen, um die Zweckmäßigkeit des Präparats später im Lichte neuer Forschungsergebnisse erneut beurteilen zu können.

8

Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von Bundesrecht. Das LSG messe zu Unrecht dem Vertrauensschutz der Klägerin ein höheres Gewicht bei als dem Interesse der Versichertengemeinschaft an einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung. Die Aufnahme eines Medizinprodukts in die Anlage V der AM-RL sei der untergesetzlichen Normsetzung zuzuordnen. Die Entscheidung darüber, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Medizinprodukte in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden, nehme damit unmittelbar an der Gewährleistungsfunktion teil, wie sie den Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 1 SGB V allgemein beigemessen werde. Dem GBA stehe bei der Zweckmäßigkeitsbeurteilung durch Bewertung der wissenschaftlichen Datenlage ein nur der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegender Gestaltungsspielraum als Normgeber zu. Die Überprüfung von Festlegungen in den Richtlinien sei den Maßstäben zur Beobachtungs- und Kontrollpflicht bei untergesetzlichen Rechtsnormen unterworfen. Der GBA sei verpflichtet, den sich stets weiterentwickelnden "allgemein anerkannten Stand der Medizin" zu beobachten und wesentliche Änderungen in den Richtlinien zu berücksichtigen. Im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit beschließe der GBA über die Konkretisierung des Leistungskatalogs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Bei der Auswahl der konkret notwendigen und geeigneten Medizinprodukte bestehe ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum; die Entscheidung müsse damit (nur) fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein.

9

Demgegenüber gebe es grundsätzlich keinen Vertrauenstatbestand innerhalb des Systems der GKV, dass Leistungen dauerhaft als erstattungsfähige Leistungen im Markt positioniert werden könnten. Das Anbieten von Leistungen stehe insoweit unter dem Vorbehalt einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit der in Rede stehenden Behandlungsmaßnahme; ein fortdauernder Vergleich zu Qualität und Wirtschaftlichkeit der Therapiealternativen sei dieser Betrachtung immanent. Der GBA sei aufgrund der Fortentwicklung des Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse berechtigt, Behandlungsmaßnahmen, die die Schwelle einer im Vergleich zu Therapiealternativen gleichermaßen wissenschaftlichen Untermauerung des therapeutischen Nutzens nicht (mehr) erreichten, aus der Erstattungsfähigkeit auszuschließen. Den Herstellern sei es zumutbar, den Anforderungen an die Fortentwicklung des Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse Rechnung zu tragen und die wissenschaftliche Untermauerung des therapeutischen Nutzens auf dem gleichen Niveau wie Konkurrenzprodukte zu halten. Dem hätten die Hersteller von Nyda® sowie von EtoPril® durch die nachfolgende Vorlage von Studien ausreichender Evidenz Rechnung getragen.

10

Das LSG beschränke seine Prüfung rechtsfehlerhaft auf die Frage des "medizinischen Nutzens" von Jacutin® Pedicul Fluid und verkenne damit die Bedeutung einer Zweckmäßigkeitsbeurteilung. Die Auswahl unter den - innerhalb des Korridors einer ausreichenden und notwendigen Versorgung liegenden - Leistungen nach feststehenden Kriterien sei letztlich Kern der Aufgabe des GBA und diene unmittelbar der Umsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 SGB V. Die verglichenen Medizinprodukte seien danach zu bewerten, welches den gesetzlichen Zielen näher komme. Die Tatsache einer nicht ausreichenden Datenlage rechtfertige die Annahme, dass das zu bewertende Medizinprodukt im Vergleich zu besser belegten Therapiealternativen therapierelevant unterlegen und damit unzweckmäßig sei. Eine schwächere Evidenz bedeute nämlich ein höheres Risiko, dass der erwartete Erfolg nicht eintrete und/oder Gefahren sich verwirklichten. Zu den Grundprinzipien der evidenzbasierten Medizin, an welche der GBA gemäß § 92 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V iVm § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V gebunden sei, gehöre die Maxime, auf der Grundlage der besten verfügbaren Evidenz patientenrelevante Entscheidungen zu treffen.

11

Es liege eine wesentliche Änderung der Verhältnisse vor. Er - der GBA - habe eine Neubewertung nicht allein in Bezug auf den therapeutischen Nutzen, sondern entscheidungsleitend in Bezug auf die Zweckmäßigkeit von Jacutin® Pedicul Fluid im Vergleich zu weiteren, zwischenzeitlich auch erstattungsfähigen Kopflausmitteln vollzogen. Er habe, obwohl der Nutzen von Jacutin® Pedicul Fluid zweifelhaft gewesen sei, den seinerzeitigen Antrag auf Aufnahme dieses Produkts in Anbetracht der Tatsache positiv entschieden, dass keine anderen, zweckmäßigeren Therapieoptionen zur Behandlung des Kopflausbefalls zur Verfügung gestanden hätten. Die Versorgungssituation innerhalb der GKV habe sich durch die nachfolgende Aufnahme weiterer Medizinprodukte (Dimet®20, Paranix® ohne Nissenkamm, Mosquito® med Läuseshampoo) maßgeblich geändert. Diese weiteren Medizinprodukte seien - anders als Jacutin® Pedicul Fluid - durch belastbare, methodisch und statistisch einwandfreie und mit guter Berichtsqualität veröffentlichte Daten der Evidenzstufe I in ihrem therapeutischen Nutzen als besser belegt anzusehen.

12

Schließlich gehe das LSG fehlerhaft davon aus, dass zum medizinischen Nutzen von Jacutin® Pedicul Fluid konkrete Anhaltspunkte vorlägen. Die Gesundheitsinformationen des IQWiG würden nicht in Bewertungsverfahren wie nach § 139a Abs 5 SGB V entwickelt. Der Empfehlung des "arznei-telegramm(s)" sei keine wissenschaftliche Grundlage zu entnehmen. Die Entwesungsliste des Umweltbundesamtes (UBA) sei das Ergebnis von Laborexperimenten; diese Ergebnisse seien nicht mit denen randomisierter, kontrollierter klinischer Studien vergleichbar.

13

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 29.1.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

14

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

15

Sie hält die angefochtene Entscheidung des LSG für zutreffend. Der Beklagte wolle nicht mehr an seiner ursprünglichen Bewertung festhalten, obwohl sich nichts in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen geändert habe. Die zwischenzeitlich in die Übersicht aufgenommenen Konkurrenzprodukte seien lediglich auch positiv bewertet worden, wiesen hingegen keine Überlegenheit gegenüber Jacutin® Pedicul Fluid auf. Der Beklagte verkenne, dass ein Medizinprodukt immer dann in die Anlage V der AM-RL aufgenommen werde, wenn die Voraussetzungen des § 29 AM-RL bzw des Kapitel 4 § 39 VerfO des Beklagten erfüllt seien. Es gehe vorliegend nicht darum, "ob" ein Produkt aus der Übersicht gestrichen werden könne, sondern darum, dass ein Produkt nur dann gestrichen werden könne, wenn es nicht mehr medizinisch notwendig sei und damit die Voraussetzungen der §§ 45 ff SGB X erfüllt würden. Die Überlegenheit anderer Produkte sei vorliegend nicht belegt; der Umstand, dass lediglich die Art der Studien neueren Erfordernissen klinischer Evidenz entspreche, vermöge diesen Beleg nicht zu ersetzen. Es lägen keine Studien oder Erkenntnisse vor, nach denen der medizinische Nutzen von Jacutin® Pedicul Fluid heute anders zu bewerten wäre; insbesondere habe der Beklagte auch keine Erkenntnisse in Bezug auf andere Mittel vorweisen können, die einen besseren Nutzen belegten. Die Aufnahme anderer Produkte in die Übersicht bedeute nicht, dass nunmehr andere Behandlungsmöglichkeiten im Sinne des § 29 Nr 4 AM-RL verfügbar seien. Nicht die Anlage V mache die Behandlungsmethoden verfügbar, sondern die Hersteller, indem sie ihre Produkte auf den Markt brächten.

16

Es treffe nicht zu, dass sich die "Zweckmäßigkeit" anderer Behandlungsmethoden daran orientiere, ob diese besser belegt seien. Belege in Form von Studien höherer Evidenzklassen könnten zwar einen Hinweis geben, doch sei die Studienlage nur einer von vielen Aspekten, die für die Zweckmäßigkeit einer Behandlung ausschlaggebend seien. Der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse, wie er durch die Behandlungsrealität definiert werde, sei das Hauptkriterium; er bestimme sich aber nicht anhand einer Studienlage, die in einem freiwilligen Antragsverfahren sichtbar werde. Der Beklagte verweise zu Unrecht darauf, dass Studien der Evidenzklasse I einen Rückschluss auf die Zweckmäßigkeit einer Behandlung mit Medizinprodukten zuließen. Der therapeutische Nutzen von Jacutin® Pedicul Fluid sei nach wie vor gegeben, und es sei aufgrund der besonders niedrigen Risiken auch zweckmäßiger als die verfügbaren Alternativen.

17

Der Beklagte verkenne, dass im Medizinproduktebereich die Leistungsfähigkeit und damit auch der Nutzen und die Zweckmäßigkeit eines Medizinprodukts auch auf dem Wege wissenschaftlich belegter Äquivalenz nachgewiesen werden könne. Die klinische Bewertung nach § 19 Medizinproduktegesetz (MPG) sei für jedes Medizinprodukt durchzuführen; diese bestehe in der kritischen Bewertung klinischer Daten im Sinne des § 3 Nr 25 MPG. Der Nachweis der medizinischen Leistungsfähigkeit im Sinne der klinischen Bewertung nach § 19 MPG belege, dass mit dem Produkt eine Krankheit behandelt oder geheilt werden könne; es könnten auch Erkenntnisse über äquivalente Produkte herangezogen werden, soweit sie mit wissenschaftlicher Begründung auf das jeweilige Produkt übertragbar seien. Hiermit sei zugleich die Zweckmäßigkeit des Produktes belegt: Wenn das Medizinprodukt seinen Zweck, Krankheiten zu heilen, erreichen könne, sei es auch zweckmäßig. Sie - die Klägerin - habe unter Zugrundelegung der klinischen Daten, die bei der Antragstellung für Jacutin® Pedicul Fluid eingereicht worden seien, das Konformitätsbewertungsverfahren ordnungsgemäß durchlaufen. Der Nachweis der Leistungsfähigkeit und mithin des medizinischen Nutzens sei hiermit gegeben, ohne dass es Studien der Evidenzklasse I bedürfe. Derartige Studien erbrächten lediglich einen methodisch anderen Beleg der Zweckmäßigkeit. Ein höherer Evidenzgrad bedeute aber nicht, dass die geprüften Produkte auch zweckmäßiger seien. Dies könne allenfalls für Studien gelten, in denen konkrete Produktvergleiche mit dem in Frage stehenden Produkt angestellt würden (sog "Head-to-Head-Vergleich").

18

Die vom LSG gewürdigten Nachweise belegten den therapeutischen Nutzen von Jacutin® Pedicul Fluid. Das IQWiG äußere sich ohne Vorbehalt positiv zur Behandlung mit dimeticonhaltigen Medizinprodukten; die positiven Eigenschaften des Dimeticon kämen Jacutin® Pedicul Fluid "erst recht" zu, da es aus 100 % reinem Dimeticon bestehe. Das "arznei-telegramm" empfehle Jacutin® Pedicul Fluid explizit. Es beziehe sich dabei auf die Studie des UBA, dessen Untersuchungen mit Alltagsbedingungen vergleichbar gewesen seien. Jacutin® Pedicul Fluid basiere nicht auf einer pharmakologischen, sondern einer physikalischen Wirkung; dadurch sei der Effekt unabhängig von den individuellen Eigenschaften der Parasiten und der Pharmakokinetik zu bewerten. Die Forderung des Beklagten nach doppelblind-randomisierten Prüfungen unter den realistischen Bedingungen des Alltags sei nicht durchführbar. Im Übrigen erreichten solche Prüfungen auch keine höhere Aussagekraft. Schon die Durchführung von weiteren Besuchen der Eltern von Kindern mit Kopflausbefall bei dem Arzt allein mit dem Zweck, die Daten zur klinischen Prüfung zu vervollständigen, sei unrealistisch: Wenn die Läuse tot seien, seien die Eltern zufrieden und an weiterer Kooperation nicht mehr interessiert. Ein weiterer wichtiger Aspekt sei, dass bei (anerkannten) Präparaten wie EtoPril® das Risiko der Entflammbarkeit bestehe. Jacutin® Pedicul Fluid habe im Vergleich zu allen anderen Läusemitteln mit Abstand die kürzeste Behandlungsdauer. Der Widerruf der Listung schaffe also für die Patienten keinen höheren Nutzen, aber ein deutlich erhöhtes Risiko.

Entscheidungsgründe

19

Die Revision des Beklagten ist begründet. Das LSG hat die angefochtenen Bescheide des Beklagten zu Unrecht aufgehoben.

20

A. Die Klägerin hat mit der (isolierten) Anfechtungsklage die richtige Klageart gewählt.

21

Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass in Verfahren, in denen es um die Aufnahme in die Übersicht der "Zugelassene(n) Ausnahmen zum gesetzlichen Verordnungsausschluss nach § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V (OTC-Liste)"(Anlage I zu den AM-RL) geht, der die Aufnahme in die Übersicht ablehnende Bescheid mit einer Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) angegriffen werden kann (BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 14 RdNr 19 f - Buscopan; BSG Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 34/13 R - Juris RdNr 24 f - für SozR 4-2500 § 34 Nr 16 und BSGE vorgesehen - Vertigoheel®): § 34 Abs 6 SGB V gibt dem pharmazeutischen Unternehmer das Recht auf eine Bescheidung seines Antrags(BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 14 RdNr 19; BSG Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 34/13 R - Juris RdNr 24 für BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 16 und BSGE vorgesehen - in Fällen ablehnender Entscheidungen). Dies gilt gemäß § 31 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V entsprechend für Anträge auf Aufnahme eines Medizinprodukts in die Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte.

22

Während es allerdings in derartigen Verfahren eines - das Anfechtungsbegehren ergänzenden - Feststellungsantrags bedarf, weil das Begehren auf die Aufnahme eines Arzneimittels bzw Medizinprodukts in die jeweilige Übersicht und damit auf den Erlass einer untergesetzlichen Norm gerichtet ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 14 RdNr 20; BSG Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 34/13 R - Juris RdNr 25 für BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 16 und auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen), ist ein solcher weder erforderlich noch sonst geboten, wenn sich ein Unternehmer gegen die - in entsprechender Anwendung des § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V ebenfalls zu verbescheidende(siehe hierzu noch unter B.2.a.) - Herausnahme des von ihm hergestellten oder vertriebenen Produkts aus der jeweiligen Übersicht wehrt. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Senats mit der Feststellungsklage nicht nur die Unwirksamkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm, sondern auch deren fehlerhafte Auslegung oder Anwendung sowie ein Anspruch auf deren Änderung geltend gemacht werden; diese ist auch dann die richtige Klageart, wenn ein Kläger Änderungen von Richtlinien des GBA begehrt (BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 14 RdNr 20; BSG Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 34/13 R - Juris RdNr 25 für BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 16 und BSGE vorgesehen - jeweils unter Hinweis auf BSGE 110, 245 = SozR 4-1500 § 55 Nr 12, RdNr 24).

23

Vorliegend bedarf es jedoch keines (ergänzenden) Feststellungsantrags, weil Jacutin® Pedicul Fluid bereits in die Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte (Anlage V AM-RL) aufgenommen wurde und die Klägerin nur die Revision dieser Entscheidung verhindern will; damit geht es gerade nicht um die Durchsetzung einer Normänderung, sondern um deren Verhinderung: Denn obgleich die Herausnahme eines Medizinprodukts aus der Übersicht letztlich im Wege der Normänderung erfolgt und erst hierdurch Wirksamkeit erlangt, hat dieser Normänderung - in entsprechender Anwendung des § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V - ein gegenüber dem betroffenen Unternehmer zu erlassender Bescheid voranzugehen, welcher die vorgesehene Normänderung "ankündigt"(siehe hierzu noch B.2.a.). Erst wenn dieser Bescheid Bestandskraft erlangt hat, liegen die Voraussetzungen für eine im Wege der Normänderung umzusetzende Streichung des Medizinprodukts aus der Übersicht vor (siehe hierzu B.2.b.bb.). Wird dieser Bescheid hingegen erfolgreich angegriffen, hat auch eine nachfolgende Normänderung zu unterbleiben, sodass das betreffende Arzneimittel bzw Medizinprodukt weiterhin in der Übersicht gelistet bleibt.

24

B. Das LSG hat der Klage jedoch zu Unrecht stattgegeben, weil der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 15.7.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.9.2011, mit dem der Klägerin - im Ergebnis - mitgeteilt wurde, dass Jacutin® Pedicul Fluid aus der Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte (Anlage V der AM-RL) zu streichen ist, rechtmäßig ist.

25

1. Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 31 Abs 1 Satz 2 iVm § 34 Abs 6 und § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V.

26

a. Nach § 31 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V(idF des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der GKV vom 15.12.2008, BGBl I 2426) hat der GBA in den Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V - also der AM-RL - festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr 1 oder Nr 2 MPG zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden. Bei Jacutin® Pedicul Fluid handelt es sich um ein Medizinprodukt in Sinne von § 3 MPG.

27

Die nach § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V gesetzlich nur eingeschränkte Öffnung des Leistungskatalogs der GKV für Medizinprodukte verstößt nach der Rechtsprechung des BSG nicht gegen Verfassungsrecht(BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21 RdNr 38-39 mwN; ebenso - zum gesetzlichen Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel - BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 14 RdNr 22; BSG Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 34/13 R - Juris RdNr 30 für BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 16 und auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Sie beruht auf sachgerechten Gründen, ohne dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG zu widersprechen (BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21 RdNr 38-39 unter Hinweis auf BSGE 109, 218 = SozR 4-2500 § 31 Nr 20, RdNr 36 mwN). Die Krankenkassen sind von Verfassungs wegen nicht gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist; das SGB V hat vielmehr Medizinprodukte grundsätzlich aus dem Leistungskatalog der GKV ausgeschlossen, sie also dem Bereich der Eigenverantwortung des Versicherten zugeordnet (BSG aaO).

28

Die ihm durch § 31 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V übertragene Aufgabe hat der Beklagte mit der Anlage V zum Abschnitt J der AM-RL ("Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte") umgesetzt. Die Befugnis des GBA, in seiner gesetzlich vorgegebenen Struktur (§ 91 SGB V) normsetzend tätig zu werden, ist in der Rechtsprechung des BSG hinreichend geklärt (vgl BSGE 105, 26 = SozR 4-2500 § 92 Nr 8, RdNr 33 unter Bezugnahme auf BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 58<6. Senat> und BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10<1. Senat>; zur Zulässigkeit der Regelung durch Richtlinien des GBA vgl auch BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 f mwN). Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den GBA beauftragt hat, in der Richtlinie nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Medizinprodukte ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden(siehe hierzu BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21, RdNr 26 - Medizinprodukte, Verfassungsbeschwerde anhängig unter 1 BvR 2056/12; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 14 RdNr 23 - OTC-Liste; BSG Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 34/13 R - Juris RdNr 31 für BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 16 und auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen - OTC-Liste). Nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 115, 25, 46 f = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 28) ist es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verwehrt, zur Sicherung der Qualität der Leistungserbringung, im Interesse einer Gleichbehandlung der Versicherten und zum Zweck der Ausrichtung der Leistungen am Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit ein Verfahren vorzusehen, in dem neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung auf ihren diagnostischen und therapeutischen Nutzen sowie ihre medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sachverständig geprüft werden, um die Anwendung dieser Methoden zu Lasten der GKV auf eine fachlich-medizinisch zuverlässige Grundlage zu stellen. Nichts anderes gilt für die Abgrenzung des Kreises der ausnahmsweise verordnungsfähigen Medizinprodukte durch die AM-RL.

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b. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ordnet § 31 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V die entsprechende Geltung von § 34 Abs 6 SGB V an. Die Vorschrift sieht die Durchführung eines besonderen Verwaltungsverfahrens für die Aufnahme von Arzneimitteln in die "Zusammenstellung" nach § 34 Abs 1 Satz 2 und 4 SGB V vor. Dieses Verfahren wird durch einen entsprechenden Antrag des pharmazeutischen Unternehmers in Gang gesetzt (Satz 1 aaO) und endet mit der Bescheidung ausreichend begründeter Anträge (Satz 4 aaO); mit der Bescheidung ist der Antragsteller über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren (aaO). Ergänzend bestimmt Satz 5 aaO, dass eine ablehnende Entscheidung eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten muss. Diese Vorgaben gelten mithin auch für die Aufnahme von Medizinprodukten in die gemäß § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V zu erstellende Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte.

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Die Einfügung des § 34 Abs 6 SGB V durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) war Folge der Entscheidung des EuGH vom 26.10.2006 (C-317/05 = SozR 4-2500 § 34 Nr 5) zur Anwendbarkeit von Art 6 der "Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21.12.1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme" (Transparenz-RL). Nach dieser Entscheidung ist Art 6 Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-RL) 89/105, welcher Vorgaben für den Fall enthält, dass Arzneimittel durch das staatliche Krankenversicherungssystem nur "gedeckt" sind, wenn sie in eine Positivliste aufgenommen worden sind, auf das Verfahren zur Aufnahme von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in die AM-RL anwendbar (EuGH aaO RdNr 36 ff). § 34 Abs 6 SGB V setzt diese europarechtlichen Vorgaben um(vgl BSG Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 34/13 R - Juris RdNr 24 = für SozR 4-2500 § 34 Nr 16 und BSGE - vorgesehen).

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2. Entgegen der Auffassung des LSG ist es für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Belang, ob dieser den Anforderungen der §§ 45, 48 SGB X genügt, denn die Herausnahme von Jacutin® Pedicul Fluid aus der Übersicht setzt nicht die Aufhebung des Bescheides vom 19.6.2008 voraus, mit dem der GBA dem Antrag der Klägerin, dieses Medizinprodukt in die Anlage V der AM-RL aufzunehmen, stattgegeben hatte. Zwar sind Entscheidungen über die Aufnahme eines Medizinprodukts in die Anlage V der AM-RL - wie auch über deren Herausnahme aus der Übersicht - (auch) in der Form eines VAs zu treffen, sodass auf das Antragsverfahren die allgemeinen Vorschriften für Sozialverwaltungsverfahren Anwendung finden (a.). Jedoch erfordert die Herausnahme eines bereits gelisteten Medizinprodukts aus der Übersicht nicht die Aufhebung des Bescheides, mit dem seine Aufnahme in die Übersicht verfügt wurde (b.). Somit muss der GBA für die Streichung eines Medizinprodukts aus der Übersicht auch nicht belegen, dass sich die Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X gegenüber dem Zeitpunkt der Aufnahme des Medizinprodukts in die Übersicht wesentlich geändert haben. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind entsprechend umzudeuten (c.).

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a. Wie bereits aus der Wendung "zu bescheiden" folgt, schreibt § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V eine Entscheidung durch VA vor(vgl schon BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 15 RdNr 26: "auf den Erlass eines VA gerichtet"; so auch Axer in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 34 RdNr 20; Pflugmacher in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 34 RdNr 16). Auch wenn § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V ausdrücklich nur die Bescheidung eines "Antrags" regelt(zu einer Entscheidung durch VA in dieser Konstellation siehe bereits BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 14 RdNr 19 - Buscopan® sowie BSG Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 34/13 R - Vertigoheel®), gebieten Systematik und Zweck der Regelung die entsprechende Anwendung der Norm und damit eine Bescheidung auch in der Konstellation, dass der GBA ein bereits in die Übersicht aufgenommenes Medizinprodukt aus dieser entfernen will (vgl - zur Streichung eines Hilfsmittels aus dem Hilfsmittelverzeichnis durch VA - BSGE 113, 33 = SozR 4-2500 § 139 Nr 6, RdNr 9): Zum einen stellt sich die Streichung eines Medizinprodukts aus der Übersicht als actus contrarius zu dessen Aufnahme dar (vgl zB - zur Honorarrückforderung durch VA als Umkehrung der ursprünglichen Leistungsgewährung - BSGE 74, 44, 45/46 = SozR 3-1300 § 45 Nr 21 S 62). Zum anderen gelten die Vorgaben des Art 6 Transparenz-RL, die den deutschen Gesetzgeber zur Einfügung des § 34 Abs 6 SGB V bewogen haben(siehe BT-Drucks 16/4247 S 32 zu § 34 SGB V), nicht nur für solche Entscheidungen, die einen Antrag auf Aufnahme in die "Liste" ablehnen (Art 6 Nr 2 Transparenz-RL), sondern ausdrücklich auch für die Entscheidung, ein Erzeugnis aus der "Liste" zu streichen (Art 6 Nr 5 Transparenz-RL). Selbst wenn man also davon ausginge, dass sich aus § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V nur die Verpflichtung zum Abschluss des Antragsverfahrens durch VA ergäbe, wäre eine entsprechende - die Streichung aus der Übersicht betreffende - Verpflichtung jedenfalls unmittelbar aus Art 6 der Transparenz-RL herzuleiten(siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 15 RdNr 24). Da der Gesetzgeber erkennbar den Vorgaben der Transparenz-RL umfassend Rechnung tragen wollte, ist jedoch davon auszugehen, dass § 34 Abs 6 SGB V auch auf die Herausnahme aus der Übersicht zumindest entsprechende Anwendung findet.

33

Folge des durch § 34 Abs 6 SGB V vorgeschriebenen Verfahrens ist, dass grundsätzlich die Vorschriften des Sozialverwaltungsverfahrensrechts Geltung beanspruchen. Nicht nur der Begriff der "Bescheidung", sondern auch die ansonsten verwendeten Begriffe wie "Antrag" und "Antragsverfahren", "Rechtsmittelfristen-" und "-belehrung" sprechen dafür, dass es sich bei dem in § 34 Abs 6 SGB V geregelten Verfahren - jedenfalls im Grundsatz - um ein Verwaltungsverfahren im Sinne des SGB X handelt. Damit folgt das Verfahren nach § 34 Abs 6 SGB V, da es insofern nicht auf eine Normsetzung, sondern auf den Erlass eines VAs gerichtet ist, (grundsätzlich) den allgemeinen Regelungen des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrensrechts(BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 15 RdNr 26; so auch Pflugmacher in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 34 RdNr 16).

34

b. Ungeachtet dessen und entgegen der Auffassung des LSG ist die in dem streitgegenständlichen Bescheid nach § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V (entsprechend) getroffene Entscheidung des Beklagten, Jacutin® Pedicul Fluid aus der Übersicht zu streichen, nicht anhand der in den §§ 45, 48 SGB X normierten Maßstäbe zu überprüfen. Denn notwendiger, aber auch ausreichender Regelungsgegenstand des Bescheides vom 15.7.2010 (idF des Widerspruchsbescheides vom 15.9.2011) ist allein die (beabsichtigte) Herausnahme des Medizinprodukts aus der Übersicht, nicht aber (zugleich) die Aufhebung des Bescheides vom 19.6.2008, mit dem die Aufnahme von Jacutin® Pedicul Fluid in die Übersicht verfügt worden war. Einer Aufhebung dieses Bescheides bedarf es schon deswegen nicht, weil sich dieser erledigt hat und es damit keinen VA (mehr) gibt, der zurückgenommen bzw aufgehoben werden müsste.

35

aa. Im Anwendungsbereich des § 34 Abs 6 SGB V besteht die Besonderheit, dass ein Normsetzungsverfahren durch den Antrag eines Normunterworfenen in Gang gesetzt wird und eine Bescheidungspflicht des Normgebers besteht(BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 15 RdNr 26): § 31 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V bestimmt, dass der GBA die ausnahmsweise zu Lasten der GKV verordnungsfähigen Medizinprodukte in der AM-RL festzulegen hat. Da die auf der Grundlage des § 92 SGB V erlassenen Richtlinien des GBA in der Rechtsprechung des BSG als untergesetzliche Rechtsnormen anerkannt sind(stRspr, vgl zB BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 28 mwN; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 32, 37; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 9 RdNr 22), stellt die Aufnahme von Medizinprodukten in die Anlage V der AM-RL einen Akt der Normsetzung durch den GBA dar (siehe hierzu BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21, RdNr 25 f); nichts anderes gilt auch für den actus contrarius - die Streichung eines Medizinprodukts aus der Übersicht. Durch die Vorgabe des § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V, den Antrag auf Aufnahme eines Medizinprodukts in die Anlage V der AM-RL (bzw dessen Herausnahme aus der Anlage) zu bescheiden, erfolgt eine Verzahnung von Normsetzung durch den GBA bei der Gestaltung der AM-RL mit dem Verwaltungsverfahren gegenüber dem Hersteller.

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Diese Verzahnung von Verwaltungsverfahren und Normsetzung erfordert es, die teils gegenläufigen Prinzipien beider Regelungsformen - insbesondere in Bezug auf den Rechtsschutz - zum Ausgleich zu bringen. Sicherzustellen ist dabei einerseits, dass der nach § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V zu erlassende Bescheid nicht dadurch zur "leeren Hülle" wird, dass der GBA unabhängig von dessen Rechtmäßigkeit oder Bestandskraft zu Änderungen der AM-RL berechtigt wäre, andererseits, dass die Normsetzung nicht dadurch übermäßig beschränkt wird, dass eine Normänderung nur bei Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 44 ff SGB X möglich wäre. Dieses Spannungsverhältnis ist dahingehend aufzulösen, dass die Durchführung des Verwaltungsverfahrens gegenüber dem Unternehmer zwar - einerseits - für die Normsetzung vorgreiflich ist, sich aber - andererseits - auch in dieser Funktion erschöpft:

37

Ungeachtet des nach § 34 Abs 6 SGB V durchzuführenden Verwaltungsverfahrens ergibt sich die ausnahmsweise Verordnungsfähigkeit eines Medizinprodukts zu Lasten der GKV nicht aus § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V in Verbindung mit einem entsprechenden positiven Bescheid des GBA, sondern erst durch einen Akt der Normsetzung, nämlich durch die Aufnahme des Medizinprodukts in die Anlage V der AM-RL(vgl auch Spiegel/Jäkel, GesR 2008, 627). Erst die Aufnahme in die Übersicht zeitigt die mit der Antragstellung angestrebten rechtlichen Wirkungen, nämlich die Berechtigung der Ärzte, dieses Medizinprodukt zu Lasten der GKV verordnen zu dürfen, und der Versicherten, dieses im Bedarfsfall beanspruchen zu können. Daher besteht der Regelungsgehalt des durch § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V vorgeschriebenen VAs allein in der Zusage des den Bescheid erlassenden Normgebers, dem Antrag des Unternehmers auf Aufnahme eines Medizinprodukts (bzw Arzneimittels) in die Übersicht in dem Sinne zu entsprechen, dass dieses Begehren durch eine entsprechende Änderung der AM-RL erfüllt wird. Für den Fall einer Streichung eines Medizinprodukts aus der Übersicht gilt im Grundsatz nichts anderes, nur dass hier der Bescheid die Selbstverpflichtung des Normgebers enthält, das Medizinprodukt aus der Übersicht herauszunehmen. In beiden Fällen ist die Bescheidung notwendige (rechtliche) Voraussetzung für die nachfolgende Normsetzung, erschöpft sich aber auch hierin. In dem Moment, in dem der Normgeber diese Zusage bzw Selbstverpflichtung durch entsprechende Normänderung erfüllt, ist der nach § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V zu erlassende VA umgesetzt und hat sich damit erledigt:

38

Nach § 39 Abs 2 SGB X bleibt ein VA wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Von einer Erledigung "auf andere Weise" ist auszugehen, wenn der VA nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu entfalten oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (BSG SozR 4-1200 § 51 Nr 1 RdNr 20 unter Hinweis auf BVerwG Urteil vom 25.9.2008 - 7 C 5/08 - Juris RdNr 13 = NVwZ 2009, 122; ebenso schon BVerwG Beschluss vom 17.11.1998 - 4 B 100/98 - Juris RdNr 9 mwN; Steinwedel in Kasseler Komm, 2015, § 39 SGB X, RdNr 24). VAe ohne Dauerwirkung erledigen sich bereits durch das Erschöpfen ihrer Rechtswirkungen (Steinwedel aaO).

39

Um einen solchen VA ohne Dauerwirkung handelt es sich bei einem Bescheid nach § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V. VAe mit Dauerwirkung sind solche, deren Regelungswirkungen nach dem zugrunde liegenden materiellen Recht über die punktuelle Gestaltung eines Rechtsverhältnisses hinausreichen (Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 45 RdNr 64). Ein Bescheid, in dem einem Unternehmer zugesagt wird, das von ihm hergestellte Medizinprodukt in die Anlage V der AM-RL aufzunehmen, begründet jedoch selbst kein auf Dauer angelegtes Rechtsverhältnis, wie dies bei einem VA mit Dauerwirkung der Fall wäre (zum VA mit Dauerwirkung vgl auch BSG SozR 4-1300 § 47 Nr 1 RdNr 33 mwN - Sonographiegenehmigung). Vielmehr besteht der Regelungsgehalt des Bescheides allein darin, einen Anspruch auf Tätigwerden zu vermitteln, indem die einmalige Gestaltung der Rechtslage zugesagt wird. Wie bereits dargelegt, ergeben sich die vom Unternehmer mit der Antragstellung angestrebten Rechtswirkungen - die Verordnungsfähigkeit seines Medizinprodukts zu Lasten der GKV - allein aus dessen Aufnahme in die Anlage V der AM-RL, also aus einem Akt der Normsetzung. Mit der Normänderung hat der diese zusagende Bescheid seinen - dergestalt begrenzten - Regelungsgehalt erschöpft, somit seinen Zweck erfüllt und verliert damit seine Rechtswirkungen.

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Insofern ist der "Aufnahmebescheid" nach § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V in seinen rechtlichen Wirkungen anderen gestaltenden VAen im Recht des SGB V vergleichbar, insbesondere Bescheiden, mit denen die Errichtung einer Krankenkasse(vgl zB § 148 Abs 1 Satz 1 SGB V) oder ihre Fusion (vgl § 171a Abs 1 Satz 2 SGB V)genehmigt oder ihre Schließung verfügt wird (vgl § 153 Satz 1 SGB V). Die Entscheidung der Aufsichtsbehörde ergeht in Form eines gestaltenden VAs, welcher sich mit dem Eintritt seiner Wirkungen - dem als Körperschaft des öffentlichen Rechts ins-Leben-Treten der Krankenkasse bzw deren Schließung zu dem von der Aufsichtsbehörde bestimmten Zeitpunkt - erledigt hat (stRspr des BSG zu Errichtungsgenehmigungen: BSGE 59, 122, 127 = SozR 2200 § 253 Nr 2 S 6; BSGE 68, 54, 56 = SozR 3-2500 § 147 Nr 2 S 4; BSG SozR 3-2200 § 225a Nr 2 S 5; vgl auch BSGE 83, 118, 123 = SozR 3-2500 § 145 Nr 1 S 7; zu Schließungsverfügungen: BSGE 113, 107 = SozR 4-1500 § 54 Nr 32, RdNr 10; zu Fusionsgenehmigungen: BSG SozR 4-2500 § 171a Nr 1 RdNr 10). In diesen Fallgestaltungen gilt, dass dann, wenn der VA vollzogen ist, dieser nicht mehr durch eine die Genehmigung der Errichtung bzw Fusion oder die Schließungsverfügung aufhebende Entscheidung beseitigt werden kann; beseitigt werden können allein die Folgen (BSG aaO).

41

Ähnlich stellt sich die Situation bei der Entscheidung über die Aufnahme eines Medizinprodukts in die Übersicht dar. Die positive Bescheidung des Antrags gestaltet die Rechtslage zwar nicht unmittelbar, weil sich die begehrten rechtlichen Wirkungen erst aus der nachfolgenden Normänderung ergeben, doch hat sie jedenfalls mittelbar gestaltende Wirkung, denn sie verpflichtet den GBA, die Rechtslage der Verfügung im Bescheid entsprechend zu ändern. Tritt diese Gestaltungswirkung mit der Aufnahme des Medizinprodukts in die Anlage V der AM-RL ein, haben sich die Rechtswirkungen des Bescheides erschöpft; sein Zweck ist erreicht. Eine "Beseitigung der Folgen" kann nicht mehr durch Aufhebung des VAs, sondern nur über eine erneute Normänderung erreicht werden. Eines Aufrechterhaltens der Rechtswirkungen dieses VAs zum Schutze des Bescheidadressaten bedarf es - selbst wenn man davon ausginge, dass unter der Geltung des § 48 SGB X die "anderweitige Erledigung" als "absolute Ausnahme" zu verstehen ist(so Jährling-Rahnefeld, SGb 2006, 320, 325 f) - nicht, weil sich die vom Antragsteller begehrten (fortdauernden) Rechtswirkungen aus der Richtlinie selbst ergeben.

42

bb. Rechtliche Folge der Erledigung des die Aufnahme eines Medizinprodukts in die Übersicht zusagenden VAs ist es, dass bei einer beabsichtigten Streichung des Medizinprodukts aus der Übersicht nicht zugleich auch der "Aufnahmebescheid" aufgehoben werden muss, sondern der nunmehr in entsprechender Anwendung des § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V zu erlassende Bescheid lediglich die Verfügung zu enthalten hat, dass das Medizinprodukt aus der Übersicht herauszunehmen ist. Auf der Normebene hat der GBA dann die durch Bescheid vorgegebene Herausnahme des Medizinprodukts durch entsprechende Änderung der AM-RL umzusetzen.

43

Der gemäß § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V zu erlassende Bescheid über die Aufnahme eines von ihm hergestellten Medizinprodukts in die Anlage V der AM-RL verleiht dem Hersteller keinen anderen Status als ihn alle Hersteller oder Anbieter von Medizinprodukten, Arzneimitteln bzw Behandlungsmethoden haben, zu denen der GBA eine positive Empfehlung abgegeben oder Entscheidung getroffen hat und die deshalb in der vertragsärztlichen Versorgung zum Einsatz kommen dürfen. Derartige positive Feststellungen stehen unter dem - normativen - Vorbehalt, dass der GBA sie korrigieren muss, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht mehr gegeben sind, sich also etwa durch nachfolgende Studien gezeigt hat, dass eine Methode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB V unwirksam ist oder der Einsatz eines OTC-Präparates oder eines in die Übersicht aufgenommenen Medizinprodukts mehr Schaden als Nutzen stiftet bzw nicht mehr Therapiestandard im Sinne des § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V ist. Etwaiger Vertrauensschutz ergibt sich damit allein aus der Normsetzung.

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Damit läuft die Regelung, dass über die Aufnahme eines Medizinprodukts in die Übersicht gemäß § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V durch Bescheid zu entscheiden ist, keineswegs leer. Insbesondere bleibt auch der Rechtsschutz des Unternehmers bei einer Herausnahme des von ihm hergestellten Medizinprodukts aus der Übersicht im Wege einer Änderung der AM-RL gewährleistet, weil der GBA auch hier die Vorgaben des § 34 Abs 6 SGB V sinngemäß beachten muss. Das Verwaltungsverfahren nach § 34 Abs 6 SGB V gegenüber dem Hersteller muss der Normänderung vorausgehen. Das bedeutet zum einen, dass der Unternehmer zunächst über die Absicht des GBA, das Medizinprodukt aus der Übersicht zu streichen, zu unterrichten ist, hierzu Stellung nehmen sowie ggf neue Studien vorlegen kann. Zum anderen wird die Wirksamkeit einer Richtlinienänderung durch vom Unternehmer gegen den Bescheid eingelegte Rechtsmittel hinausgeschoben und ggf verhindert.

45

Das Inkrafttreten der Richtlinie (bzw ihrer Änderung) steht unter einem doppelten Vorbehalt: Zum einen sind die vom GBA beschlossenen Richtlinien gemäß § 94 Abs 1 Satz 1 SGB V dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vorzulegen, welches sie innerhalb von zwei Monaten beanstanden kann(Satz 2 aaO). Die Vorlagepflicht besteht für sämtliche Beschlüsse, mit denen Regelungen in Richtlinien einschließlich deren Anlagen getroffen oder geändert werden (Roters in Kasseler Komm, 2015, § 94 SGB V RdNr 2). Die Beanstandung ist als bindende Anordnung zu verstehen, die Richtlinie nicht in Kraft zu setzen (Roters aaO RdNr 3).

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Zum anderen ist der VA nach § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V der Normsetzung in dem Sinne vorgeschaltet, dass der GBA die AM-RL erst dann - rechtswirksam - ändern darf, wenn der gegenüber dem Unternehmer erlassene Bescheid über die Herausnahme bestandskräftig geworden ist. Mithin darf eine Veröffentlichung der Richtlinie im Bundesanzeiger (§ 94 Abs 2 Satz 1 SGB V), mit der sie ihre rechtliche Wirkung entfaltet (BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 70), erst nach Bestandkraft des VAs erfolgen. Nur so wird dem mit der Einfügung des § 34 Abs 6 SGB V letztlich verfolgten Ziel, den Rechtsschutz des betroffenen Unternehmers zu erhöhen, ausreichend Rechnung getragen.

47

Deutlich wird dies - auch wenn die Anfechtungsmöglichkeit gleichermaßen bei Ablehnung eines Aufnahmeantrags besteht - gerade im Falle einer Herausnahme eines Medizinprodukts aus der Übersicht: Da das BSG in ständiger Rechtsprechung die Möglichkeit bejaht, im Wege der Feststellungsklage die Unwirksamkeit einer - bereits in Kraft getretenen - Richtlinie feststellen lassen zu können (vgl zB BSGE 110, 245 = SozR 4-1500 § 55 Nr 12, RdNr 24; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 14 RdNr 23; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 16 RdNr 25, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; zur Normenfeststellungsklage siehe auch BSG SozR 4-2500 § 135 Nr 2 RdNr 20 ff), besteht der Rechtsschutzgewinn durch § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V im Wesentlichen allein darin, das Wirksamwerden einer Richtlinienänderung hinauszuschieben bzw zu verhindern - mit der Folge, dass das Medizinprodukt jedenfalls bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens verordnungsfähig bleibt.

48

Da es für den Rechtsschutz des Unternehmers entscheidend darauf ankommt, das Inkrafttreten der Richtlinienänderung und damit deren Wirksamkeit zu verhindern, können der Erlass des Bescheides über die beabsichtigte Änderung der Übersicht und die entsprechende Beschlussfassung des GBA zeitgleich erfolgen; mit Zustellung des Bescheides läuft die Rechtsmittelfrist für den betroffenen Unternehmer, welcher den Bescheid anfechten kann, sowie - mit Vorlage des Beschlusses an das BMG - die Beanstandungsfrist nach § 94 Abs 1 Satz 2 SGB V. Die gegen einen nach § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V ergangenen Bescheid erhobene (Anfechtungs-)Klage hat nach § 86a Abs 1 SGG aufschiebende Wirkung, sofern nicht der GBA (oder das LSG) den Sofortvollzug anordnet. § 92 Abs 3 Satz 2 SGB V, der die aufschiebende Wirkung von Klagen "gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach § 92 Abs 2 SGB V" ausschließt, findet keine Anwendung, weil die Übersicht nach § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V keine Preisvergleichsliste in diesem Sinne darstellt. Nach Bestandskraft dieses Bescheides - sowie vorbehaltlich einer Nichtbeanstandung durch das BMG - setzt der GBA die Änderung der AM-RL durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

49

c. Dass der angefochtene Bescheid der Beklagten hier nicht die dargestellte Selbstverpflichtung des Normgebers GBA zur Herausnahme von Jacutin® Pedicul Fluid aus der Übersicht zum Ausdruck bringt, sondern den Verfügungssatz enthält, dass der Bescheid vom 19.6.2008 nach § 45 SGB X zurückgenommen (so der Ausgangsbescheid) bzw nach § 48 SGB X aufgehoben wird (so der Widerspruchsbescheid), ist unschädlich, weil der Bescheid nach § 43 SGB X in einen auf der Grundlage des § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V (analog) ergangenen umgedeutet werden kann. Die Grundsätze des § 43 SGB X sind auch im gerichtlichen Verfahren anwendbar(vgl BSG SozR 4-1300 § 47 Nr 1 RdNr 29 mwN). Nach § 43 Abs 1 SGB X kann ein fehlerhafter VA in einen anderen VA umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Dies ist vorliegend der Fall: Sowohl die zunächst verfügte Rücknahme bzw Aufhebung des Bescheides über die Aufnahme von Jacutin® Pedicul Fluid in die Übersicht als auch ein in entsprechender Anwendung des § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V erlassener Bescheid über die (beabsichtigte) Herausnahme von Jacutin® Pedicul Fluid im Wege der Änderung der AM-RL sind auf das Ziel gerichtet, das Medizinprodukt aus der Übersicht der ausnahmsweise zu Lasten der GKV verordnungsfähigen Medizinprodukte zu entfernen. Auch wäre der Beklagte nicht gehindert gewesen, seinen Bescheid von vornherein auf § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V zu stützen. Dessen Voraussetzungen liegen vor (siehe hierzu unter 3.).

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3. Die Entscheidung des Beklagten, Jacutin® Pedicul Fluid aus der Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte herauszunehmen, ist rechtmäßig.

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a. Die dargestellten Wechselbeziehungen zwischen der Entscheidung durch VA und der Normsetzung sind auch bei den Maßstäben zu berücksichtigen, die an die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides anzulegen sind. Gefordert ist eine (inzidente) Überprüfung der Rechtmäßigkeit der mit dem Bescheiderlass intendierten, im Wege der Normänderung umzusetzenden Herausnahme von Jacutin® Pedicul Fluid aus der Anlage V der AM-RL, weil sich der GBA durch den Bescheid nach § 34 Abs 6 Satz 4 SGB V nur dann (und insoweit) selbst binden darf, wenn die Normänderung ihrerseits rechtmäßig ist. Dies ist der Fall, wenn die Voraussetzungen für eine Aufnahme des Medizinprodukts in die Übersicht nicht mehr erfüllt werden oder von vornherein nicht gegeben waren (vgl BSGE 113, 33 = SozR 4-2500 § 139 Nr 6, RdNr 16 - zur Streichung eines Hilfsmittels aus dem Hilfsmittelverzeichnis).

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Im Übrigen gelten die allgemeinen Grundsätze für die Änderung von Normen, die sich belastend auf Leistungserbringer auswirken können; so müssen die gesetzlichen Vorgaben beachtet und das Gleichbehandlungsgebot berücksichtigt sein. Dass sich an der Bewertung des medizinischen Nutzens von Jacutin® Pedicul Fluid zwischen 2008 und 2010 nichts geändert hat, ist hingegen ohne Bedeutung. Die Auffassung der Klägerin, ein Medizinprodukt, das unter bestimmten Vorzeichen rechtmäßig in die Übersicht aufgenommen worden ist, müsse dort bleiben, solange nicht seine Wirkungslosigkeit belegt ist, ist mit dem auf eine qualitätsgesicherte und wirtschaftliche Versorgung ausgerichteten System des SGB V nicht kompatibel.

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Bei der Prüfung ist der für jeden Normgeber kennzeichnende Gestaltungsspielraum des GBA beim Erlass von Richtlinien zu respektieren (stRspr des BSG, vgl BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 68; BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 46). Daher beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle untergesetzlicher Normen regelmäßig darauf, ob die äußersten Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis durch den Normgeber eingehalten wurden (BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 46); dies ist der Fall, wenn sich die getroffene Regelung auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen kann und die maßgeblichen Verfahrensvorschriften sowie die Grenzen des dem Normgeber ggf zukommenden Gestaltungsspielraums beachtet worden sind (BSG aaO unter Hinweis auf BSGE 100, 254 = SozR 4-2500 § 85 Nr 42, RdNr 17).

54

b. Nach diesen Maßstäben ist die angefochtene Entscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den Verbleib von Jacutin® Pedicul Fluid in der Übersicht, weil das Medizinprodukt nicht den Anforderungen entspricht, die für eine Aufnahme in die Übersicht zu erfüllen sind. Die hierfür aufgestellten und vom Beklagten beachteten Anforderungen unterliegen keinen rechtlichen Bedenken (aa.). Der Beklagte durfte auch die Aufnahme eines Medizinprodukts in die Übersicht davon abhängig machen, dass keine andere, zweckmäßigere Behandlungsmöglichkeit verfügbar ist (bb.). Schließlich durfte er bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit auch allein auf den Umstand abstellen, dass der medizinische Nutzen "konkurrierender" Medizinprodukte durch Studien höherer Evidenz belegt ist (cc.).

55

aa. Nach § 31 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V hat der GBA (durch Aufnahme in die Übersicht) festzulegen, in welchen "medizinisch notwendigen Fällen" Medizinprodukte ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden. Der GBA hat den Begriff zum einen in § 29 AM-RL ("Medizinisch notwendige Fälle") und zum anderen in Kapitel 4 § 39 Abs 1 VerfO ("Bewertungskriterien") - gleichlautend - wie folgt konkretisiert: Danach ist ein Medizinprodukt medizinisch notwendig im Sinne des § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V, wenn

        

1.    

es entsprechend seiner Zweckbestimmung nach Art und Ausmaß der Zweckerzielung zur Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V und § 28 AM-RL geeignet ist,

        

2.    

eine diagnostische oder therapeutische Interventionsbedürftigkeit besteht,

        

3.    

der diagnostische oder therapeutische Nutzen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und

        

4.    

eine andere, zweckmäßigere Behandlungsmöglichkeit nicht verfügbar ist.

56

Der GBA hat die genannten Kriterien für die Aufnahme in die Übersicht der ausnahmsweise verordnungsfähigen Medizinprodukte in der AM-RL unter Berücksichtigung des gesetzlich festgelegten Regel-Ausnahmeverhältnisses (§ 31 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V) formell und inhaltlich rechtmäßig festgelegt, wie der 1. Senat des BSG in seinem Urteil vom 3.7.2012 (B 1 KR 23/11 R) bereits dem Grunde nach entschieden hat (BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21, RdNr 34). Die in Kapitel 4 Abschnitt 5 VerfO festgelegten Anforderungen an die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Verordnungsfähigkeit des Medizinprodukts (Kapitel 4 § 38 VerfO), die Bewertungskriterien zur Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit (Kapitel 4 § 39 VerfO) sowie den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit (Kapitel 4 § 40 VerfO) harmonisierten durch die dort niedergelegten Erfordernisse der Verkehrsfähigkeit der Medizinprodukte, ihrer medizinischen Notwendigkeit nach Eignung, Interventionsbedürftigkeit, allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse des diagnostischen und therapeutischen Nutzens sowie fehlender Verfügbarkeit anderer, zweckmäßigerer Behandlungsmöglichkeiten sowie ferner deren Nachweis anhand von Studien höchstmöglicher Evidenz und ggf weiterer Literatur mit dem gesetzlichen Regelungskonzept (§§ 27, 31, 34 SGB V iVm § 2 Abs 1 Satz 3, § 12 Abs 1 SGB V). Gleiches gelte für die ergänzenden Konkretisierungen in §§ 27 ff AM-RL zum Umfang des Anspruchs unter näherer Berücksichtigung der Verordnungsausschlüsse nach §§ 31, 34 SGB V, zur zusätzlichen Bewertung nach § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V im Falle der Anwendung einer ärztlichen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode sowie zur näheren Eingrenzung der arzneimittelähnlichen Medizinprodukte und der Notwendigkeit ihrer medizinischen Intervention unter Berücksichtigung von Spontanverläufen. Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat in Bezug auf § 29 AM-RL bzw Kapitel 4 § 39 VerfO nach eigener Prüfung an.

57

Es kann dahingestellt bleiben, ob die dort normierten Anforderungen unmittelbar aus dem Begriff der "medizinischen Notwendigkeit" im Sinne des § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V hergeleitet werden können, weil sich die Berechtigung des GBA, die Anforderungen an die "medizinisch notwendigen Fälle" zu konkretisieren, jedenfalls aus § 31 Abs 1 Satz 2 iVm § 92 Abs 1 SGB V ergibt. § 92 Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGB V bestimmt als allgemeinen Gegenstand dieser Richtlinien - und damit auch der AM-RL -, dass diese eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten gewähren sollen; damit dienen sie insbesondere dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V. Ergänzend ermächtigt § 92 Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGB V den GBA, "dabei" die Erbringung oder Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einzuschränken oder auszuschließen, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind.

58

Zu berücksichtigen ist weiter, dass dem GBA auch bei der Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben ein Gestaltungsspielraum zusteht. Der Senat hat bereits in seinen Urteilen vom 14.5.2014 (BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 14 RdNr 32, mwN)und 22.10.2014 (B 6 KA 34/13 R - Juris RdNr 39, mwN - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 34 Nr 16 vorgesehen)bezüglich der Aufnahme eines nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittels in die Anlage I der AM-RL (OTC-Liste) ausgeführt, dass zwar die Auslegung der gesetzlichen Vorgaben gerichtlich voll überprüfbar ist, ebenso die Entscheidung, ob der GBA die für seine Fragestellung maßgebliche Studienlage in der medizinischen und/oder pharmakologischen Wissenschaft vollständig berücksichtigt hat und wie sich der Stand dieser Wissenschaften insoweit zusammenfassen lässt. Bei der weitergehenden Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben, wie sie durch die Regelungen in § 29 AM-RL bzw in Kapitel 4 § 39 VerfO erfolgt ist, bzw der Bewertung des korrekt ermittelten Standes der medizinisch-pharmakologischen Wissenschaft besteht indes der für jede Normsetzung kennzeichnende Gestaltungsspielraum, den auch der GBA für sich in Anspruch nehmen kann(BSG aaO; siehe hierzu auch BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 9 RdNr 25; BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21, RdNr 33). Insoweit beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung darauf, ob die Bewertung nachvollziehbar ist und den gesetzlich vorgegebenen Maßstäben entspricht (BSG aaO, jeweils unter Hinweis auf BSGE 110, 183 = SozR 4-2500 § 34 Nr 9, RdNr 25 und BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 75). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ergeben sich keine rechtlichen Bedenken gegen die vom GBA aufgestellten Vorgaben.

59

bb. Insbesondere ist auch die Vorgabe nicht zu beanstanden, dass ein Medizinprodukt nur dann medizinisch notwendig im Sinne des § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V ist, wenn eine andere, zweckmäßigere Behandlungsmöglichkeit nicht verfügbar ist(§ 29 Nr 4 AM-RL, Kapitel 4 § 39 Abs 1 Nr 4 VerfO), also unter den - an sich als zweckmäßig beurteilten - Medizinprodukten eine verfeinerte Auswahl zu treffen ist.

60

(1) Die "Zweckmäßigkeit" ist ein Teilelement des in § 12 Abs 1 Satz 1 SGB V normierten Wirtschaftlichkeitsgebots. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Eine nähere Konkretisierung des Begriffes enthalten weder Gesetz noch AM-RL oder VerfO. Nach der herrschenden Auffassung ist eine Leistung zweckmäßig, wenn diese auf eines der in den §§ 11 Abs 1, Abs 2 und 27 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Ziele objektiv ausgerichtet ist und auch hinreichend wirksam ist, um diese Ziele zu erreichen(zB Wagner in Krauskopf, SGB V, 2015, § 12 RdNr 6; Engelhard in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 12 RdNr 52; Ulmer in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 12 RdNr 12; Rixen, SGb 2013, 140, 142; siehe auch Greiner/Benedix, SGb 2013, 1, 3; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, 2000, § 12 RdNr 19; vgl schon BSGE 64, 255, 257 = SozR 2200 § 182 Nr 114 S 257). Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Leistung - als Teilelement des Begriffes der "Zweckmäßigkeit" - sind die allgemeinen Anforderungen des Leistungsrechts in die Betrachtung einzubeziehen (in diesem Sinne auch Noftz aaO RdNr 20; vgl auch Kruse in LPK-SGB V, 4. Aufl 2012, § 12 RdNr 7): § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V bestimmt, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben; nach § 28 Abs 1 Satz 1 SGB V umfasst die ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die (ua) zur Behandlung von Krankheiten "nach den Regeln der ärztlichen Kunst" ausreichend und zweckmäßig ist.

61

(2) Der GBA ist auch berechtigt, die Zweckmäßigkeit von Medizinprodukten einer vergleichenden Betrachtung zu unterwerfen und weniger zweckmäßige Medizinprodukte nicht in die Übersicht aufzunehmen bzw wieder aus dieser zu entfernen. Auch wenn § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V nicht zwingend verlangt, dass dann, wenn mehrere Methoden mit nachgewiesenem Wirkungszusammenhang zur Verfügung stehen, die anerkannteste bzw besterprobte zu erbringen ist, hat die Rechtsprechung des BSG ein solches Vorgehen des GBA namentlich in Bezug auf Medizinprodukte gebilligt(BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21 RdNr 36 f; zum Vergleich der Zweckmäßigkeit von Monopräparaten und Wirkstoffkombinationen vgl auch BSGE 110, 20 = SozR 4-2500 § 92 Nr 13, RdNr 40).

62

Zwar wird eine solche Vergleichsbetrachtung - anders als etwa in § 135 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V für die Anerkennung neuer Behandlungsmethoden in Bezug auf die medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - nicht ausdrücklich durch das Gesetz vorgegeben. Auch § 92 Abs 1 Satz 1 Teilsatz 4 SGB V, der den GBA dazu ermächtigt, die Verordnung von Arzneimitteln einzuschränken oder auszuschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist(siehe hierzu BSGE 110, 20 = SozR 4-2500 § 92 Nr 13, RdNr 40), ist jedenfalls nicht unmittelbar anwendbar, da er sich auf Arzneimittel bezieht. Beide Regelungen lassen erkennen, dass eine Vergleichsbetrachtung dem Grunde nach bereits im Gesetz angelegt ist. In Bezug auf die Verordnungsfähigkeit von Medizinprodukten rechtfertigt sich eine vergleichende Betrachtung zudem bereits aus dem gesetzlich vorgegebenen Regel-Ausnahme-Verhältnis. Nach § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V hat der GBA festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Medizinprodukte "ausnahmsweise" in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden. Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis der Verordnungsfähigkeit rechtfertigt es, an die in Frage kommenden Medizinprodukte höhere Anforderungen zu stellen und für den Fall, dass mehrere "zweckmäßige" Produkte zur Verfügung stehen, unter diesen eine Auswahl zu treffen. Ein Medizinprodukt ist (in Anlehnung an die für Arzneimittel geltende Regelung in Kapitel 4 § 12 Abs 1 Satz 1 VerfO) dann als "zweckmäßiger" anzusehen, wenn die mit ihm vergleichbaren Medizinprodukte einen höheren therapierelevanten Nutzen haben.

63

cc. Der Beklagte durfte schließlich seine Entscheidung, dass zur Behandlung des Kopflausbefalls zweckmäßigere Medizinprodukte zur Verfügung stehen, auch darauf stützen, dass der medizinische Nutzen - und speziell die Zweckmäßigkeit - dieser "Konkurrenzprodukte" durch Studien höchstmöglicher Evidenz belegt ist, derjenige von Jacutin® Pedicul Fluid hingegen nicht. Die ausnahmsweise Zulassung der Verordnung von Medizinprodukten in der vertragsärztlichen Versorgung ist nur soweit geboten, wie für das jeweilige Medizinprodukt die höchste erreichbare Evidenz (vgl Kapitel 4 § 40 Abs 1 VerfO: "höchstmöglicher")in der jeweiligen Indikation belegt ist.

64

Das schließt allerdings nicht aus, dass ein Medizinprodukt, dessen medizinische Notwendigkeit nicht durch Studien der höchsten Evidenzstufe, sondern nur mit solchen niedriger Evidenz nachgewiesen ist, zunächst aufgenommen wird, wenn Behandlungsalternativen für die jeweilige Indikation (noch) nicht zur Verfügung stehen. Dass die VerfO diese Konstellation nicht ausdrücklich regelt, sondern in Kapitel 4 § 40 Abs 1 VerfO regelhaft die höchstmögliche Evidenz fordert, steht dem nicht entgegen. Insofern besteht eine unter Versorgungsgesichtspunkten ausfüllungsbedürftige Lücke, die dadurch zu schließen ist, dass in die VerfO eine entsprechende Ausnahmeregelung mit hineinzulesen ist. Ein unter diesen Bedingungen aufgenommenes Medizinprodukt kann genauso wieder aus der Übersicht herausgenommen werden, wenn therapeutisch gleichwertige besser evidenzgesicherte Medizinprodukte vorhanden sind oder für solche, die schon länger verfügbar sind, deren Wirksamkeit durch aktuelle Studien höherer Evidenz belegt wird.

65

(1) Gemäß Kapitel 4 § 40 VerfO ("Anforderungen an den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit") ist die medizinische Notwendigkeit des Einsatzes eines Medizinprodukts nach den Kriterien des § 39 anhand von Studien höchstmöglicher Evidenz und ggf weiterer Literatur zu belegen(Abs 1 aaO). Auf der Basis systematischer Literaturrecherchen ist nachzuweisen, dass ein durch wissenschaftliche Studien hinreichend untermauerter Konsens in den einschlägigen Fachkreisen über den diagnostischen oder therapeutischen Nutzen des Medizinprodukts zur Behandlung der Erkrankung besteht (Abs 2 aaO). Diese Anforderungen gelten für sämtliche der in § 29 AM-RL bzw Kapitel 4 § 39 VerfO aufgeführten Kriterien, also auch für die (höhere) Zweckmäßigkeit eines Medizinprodukts. Bei der Klassifizierung der Evidenzstufen ist im Hinblick auf die "höchstmögliche Evidenz" auf Kapitel 4 § 7 Abs 4 VerfO zurückzugreifen(BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21 RdNr 37); dort sind die einzelnen Evidenzstufen näher erläutert. Danach bedarf es grundsätzlich eines Beleges durch Unterlagen der Evidenzstufe I (Ia: Systematische Übersichtsarbeiten von Studien der Evidenzstufe Ib, Ib: Randomisierte klinische Studien).

66

(2) Diese vom GBA in Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben aufgestellten Anforderungen an den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit sind auch als solche nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des BSG unterliegt die Verfahrensweise des GBA, generell den Beleg der medizinischen Notwendigkeit des Einsatzes eines Medizinprodukts anhand von Studien höchstmöglicher Evidenz und ggf weiterer Literatur zu fordern (Kapitel 4 § 40 Abs 1 VerfO) und die Aufnahme in die Anlage V AM-​RL abzulehnen, wenn die vorgelegten Belege niederer Evidenz im konkreten Bewertungsfall unter Beweisgesichtspunkten nicht als ausreichend erscheinen, keiner Beanstandung (so ausdrücklich BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21 RdNr 37 - Gepan instill; vgl auch BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 45 - Mindestmengen; BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 48 - Festbeträge; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 14, RdNr 45 - OTC-Liste). Die methodischen Anforderungen der evidenzbasierten Medizin im Leistungs- und Leistungserbringungsrecht sind ausgerichtet auf und gerechtfertigt durch die materiellen Anforderungen des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 Abs 1 SGB V, das grundsätzlich eine Versorgung nur mit Leistungen zulässt, die - entsprechend dem Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V - nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bieten(BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 45); diese müssen sich wiederum in zuverlässigen, wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen niedergeschlagen haben (BSG SozR 4-2500 § 28 Nr 8 RdNr 23 mwN).

67

(3) Diese Evidenzanforderungen erfüllt Jacutin® Pedicul Fluid nicht, weil keine der hierzu vorliegenden Veröffentlichungen der Evidenzstufe I entspricht. Die verbleibenden Zweifel an einem durch wissenschaftliche Studien hinreichend untermauerten Konsens in den einschlägigen Fachkreisen über den diagnostischen oder therapeutischen Nutzen (vgl Kapitel 4 § 40 Abs 2 VerfO) von Jacutin® Pedicul Fluid lassen daher die Entscheidung des GBA nachvollziehbar erscheinen. Die Klägerin hat weder im Anhörungsverfahren gegenüber dem Beklagten noch nachfolgend geltend gemacht, dass es auch für Jacutin® Pedicul Fluid eine Studie mit höchster Evidenz gebe oder eine solche Studie kurz vor dem Abschluss stehe. Im Gegenteil hat sie vorgetragen, eine solche Studie sei nicht durchführbar. Das nach dem MPG durchzuführende Konformitätsbewertungsverfahren vermag den nach der AM-RL bzw der VerfO erforderlichen Nachweis des medizinischen Nutzens nicht zu ersetzen. Erst recht kann der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt werden, dass das Behandlungsergebnis bzw der medizinische Nutzen von Jacutin® Pedicul Fluid so evident sei, dass ein Nachweis durch entsprechende Studien nicht erforderlich sei.

68

Es ist auch kein Ausnahmefall gegeben, in dem der Nutzennachweis auf der bestverfügbaren ("best available") Evidenz in der Klassifikation der evidenzbasierten Medizin, mithin auf niedrigeren Rangstufen geführt werden kann. Zwar trifft es nach der Rechtsprechung des BSG zu, dass bei Fehlen höherrangiger Studien auf andere aussage- und beweiskräftige Studien ausgewichen werden kann (BSGE 107, 287 = SozR 4-​2500 § 35 Nr 4, RdNr 62 mwN - Sortis; BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21, RdNr 37 - Gepan instill; vgl auch BSGE 110, 245 = SozR 4-1500 § 55 Nr 12, RdNr 48-49). Hierfür besteht vorliegend jedoch keine Veranlassung. Für andere, zur Behandlung des Kopflausbefalls in die Anlage V der AM-RL aufgenommene Medizinprodukte liegen Studien höchster Evidenz vor, sodass der Vortrag der Klägerin, derartige Studien seien nicht durchführbar, nicht überzeugt. Eine Verringerung der Evidenzanforderungen verbietet sich zumindest für den Bereich der Medizinprodukte schon allein deswegen, weil diese ohnehin nur "ausnahmsweise" in die Versorgung zu Lasten der GKV einbezogen werden; dies rechtfertigt strengere Anforderungen an den Nachweis des medizinischen Nutzens. Im Übrigen besteht jedenfalls im Rahmen der nach § 29 Nr 4 AM-RL bzw Kapitel 4 § 39 Abs 1 Nr 4 VerfO durchzuführenden Vergleichsbetrachtung keine Veranlassung, hinsichtlich des zur Überprüfung anstehenden Medizinprodukts auf Studien niedrigerer Evidenzstufe auszuweichen, wenn für andere Medizinprodukte, mit denen es verglichen wird und nach seiner Ausrichtung verglichen werden kann, Studien der höchsten Evidenzstufe vorliegen.

69

Der Senat verkennt nicht, dass es durchaus eine Reihe von Indizien gibt, die einen medizinischen Nutzen von Jacutin® Pedicul Fluid nahelegen. Hierzu gehört der Umstand, dass das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in der "Bekanntmachung der geprüften und anerkannten Mittel und Verfahren zur Bekämpfung von tierischen Schädlingen nach § 18 Infektionsschutzgesetz" vom 20.6.2008 (Bundesgesundheitsbl 2008, 1220 ff) unter Teil A III. ("Mittel gegen Kopflausbefall") Jacutin® Pedicul Fluid (aaO S 1226) aufführt. Als Mittel der Wahl empfohlen wird Jacutin® Pedicul Fluid sowohl im "arznei-telegramm" als auch im - von den Herausgebern des "arznei-telegramm(s)" herausgegebenen "Arzneimittelkursbuch" (letztverfügbare Ausgabe 2010/11, S 2274 Stichwort Dimeticon, extern: "Mittel der Wahl. Dies gilt aber nur für das Präparat Jacutin® Pedicul Fluid."). Schließlich wird Jacutin® Pedicul Fluid in einer aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Ökotest" (Ausgabe Mai 2015 S 41 ff) als eines von zwei der 16 getesteten Mittel zur Behandlung des Kopflausbefalls mit "sehr gut" beurteilt.

70

Ungeachtet dessen hat es bei den vom GBA aufgestellten Anforderungen zu verbleiben, weil nur so eine einheitliche, identischen Maßstäben unterliegende Handhabung der Listung von Medizinprodukten in die Übersicht gewährleistet ist. Es ist daher Sache des Herstellers eines Medizinprodukts, die Studienlage im Blick zu behalten und den Beleg des medizinischen Nutzens des eigenen Medizinprodukts jeweils auf der höchsten verfügbaren Evidenzstufe zu halten. Dass dies umsetzbar und zumutbar ist, belegen die für Konkurrenzprodukte vorgelegten Studien.

71

dd. Ist der GBA somit nicht nur berechtigt, die Aufnahme eines Medizinprodukts in die Anlage V der AM-RL abzulehnen, sofern andere - zweckmäßigere - Medizinprodukte verfügbar sind, sondern auch dazu, in Bezug auf die Zweckmäßigkeit nach dem Grad des Nachweises des medizinischen Nutzens der Medizinprodukte - speziell der Zweckmäßigkeit - zu differenzieren, besteht kein Anspruch darauf, dass Jacutin® Pedicul Fluid in dieser Übersicht gelistet ist, weil der GBA zeitgleich (Nyda® sowie EtoPril®) bzw nachfolgend (Dimet®20, Paranix® ohne Nissenkamm und Mosquito® med LäuseShampoo) andere Medizinprodukte zur Behandlung des Kopflausbefalls in die Übersicht aufgenommen hat, die der GBA als "zweckmäßiger" ansehen durfte, weil ihre Wirksamkeit durch Studien höchster Evidenz belegt ist. Eines direkten Vergleiches der Zweckmäßigkeit verschiedener Medizinprodukte im Sinne eines "head to head-Vergleiches" bedarf es nicht.

72

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass unter Zugrundelegung der für die Aufnahme und den Verbleib eines Medizinprodukts in die bzw in der Übersicht zu stellenden Evidenzanforderungen Jacutin® Pedicul Fluid nicht allein als "unzweckmäßigeres" Medizinprodukt im Sinne von § 29 Nr 4 AM-RL bzw Kapitel 4 § 39 Abs 1 Nr 4 VerfO anzusehen ist. Die Voraussetzung, dass keine "zweckmäßigeren" Medizinprodukte verfügbar sein dürfen, beinhaltet die Anforderung, dass das zu beurteilende Medizinprodukt seinerseits "zweckmäßig" sein muss, um überhaupt in den Vergleich einbezogen werden zu können. Da für Jacutin® Pedicul Fluid keinerlei Studien der höchsten Evidenzstufe vorliegen, ist auch dessen Zweckmäßigkeit nicht den Anforderungen entsprechend belegt. Nichts anderes gilt für seinen therapeutischen Nutzen (vgl § 29 Nr 3 AM-RL bzw Kapitel 4 § 39 Abs 1 Nr 3 VerfO), hinsichtlich dessen aufgrund der Studienlage nicht belegt ist, dass er dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Dies folgt daraus, dass die Evidenzanforderungen für sämtliche in § 29 AM-RL bzw Kapitel 4 § 39 VerfO aufgeführte Kriterien gelten(siehe hierzu schon 3.b.cc <(1)>).

73

c. Schließlich ist der Beklagte nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, fortlaufend zu überprüfen, ob die in die Übersicht aufgenommenen Medizinprodukte weiterhin die in § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V iVm § 29 AM-RL sowie Kapitel 4 § 39 VerfO normierten Anforderungen an eine - ausnahmsweise - Verordnungsfähigkeit zu Lasten der GKV erfüllen, und hierauf zu reagieren, sobald und soweit dies nicht mehr der Fall ist; einer "wesentlichen Änderung" im Sinne des § 48 Abs 1 SGB X bedarf es hierzu nicht.

74

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG obliegt dem GBA wie jedem Normgeber eine Beobachtungspflicht dahingehend, ob das von ihm verfolgte Ziel der Gewährleistung einer Krankenbehandlung entsprechend dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse weiterhin erreicht wird (BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 62 - Protonentherapie; siehe zB auch BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 74 - Festbeträge; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 71 - Festbeträge; BSG SozR 4-2500 § 28 Nr 8 RdNr 23, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen - Goldinlays). Eine solche Beobachtungspflicht ist auch in Kapitel 1 § 7 Abs 4 VerfO vorgegeben. Danach muss der GBA begründeten Hinweisen nachgehen, dass seine Entscheidungen nicht mehr mit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse übereinstimmen.

75

Auch unabhängig von derartigen Hinweisen ist der GBA nach dem Erlass einer Richtlinie zu der Prüfung verpflichtet, ob neuere wissenschaftliche Erkenntnisse diese Entscheidung noch rechtfertigen oder deren Änderung gebieten (BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 62; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 74; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 71; siehe auch BSG SozR 4-2500 § 28 Nr 8 RdNr 23 mwN). Wird das Ziel der Gewährleistung einer Krankenbehandlung entsprechend dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse offenkundig nicht mehr erreicht, muss er nachbessern (BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 62 unter Hinweis ua auf BVerfGE 95, 267, 314 f und BVerfGE 111, 333, 360). Denn wesentlicher innerer Grund des gesetzlichen Regelungskonzepts, den GBA mit Normsetzungskompetenz auszustatten, ist es gerade, ihn die sich ständig ändernde Entwicklung des allgemein anerkannten Standes der Medizin und der Pharmakologie beobachten zu lassen, damit er wesentliche Änderungen umgehend in den Richtlinien berücksichtigt (BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 74; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 71; siehe auch BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 13 RdNr 26; BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 14 RdNr 21). Klarzustellen ist, dass die Beobachtungspflicht des GBA nicht allein in Bezug auf solche Erkenntnisse Geltung beansprucht, die die Aufhebung einer negativen Entscheidung rechtfertigen könnten, sondern auch für solche Erkenntnisse gilt, die die Änderung einer positiven Entscheidung - wie etwa die Aufnahme in die Übersicht - erfordern oder zumindest rechtfertigen können.

76

Neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen gleichzustellen ist insbesondere die Konstellation, dass sich die tatsächlichen Grundlagen der vom GBA nach § 29 Nr 4 AM-RL bzw Kapitel 4 § 39 Abs 1 Nr 4 VerfO anzustellenden Vergleichsbetrachtung dadurch ändern, dass andere - zweckmäßigere - Medizinprodukte verfügbar werden. Mit dem Begriff "verfügbar" ist in diesem Zusammenhang nicht gemeint, dass zur Behandlung derselben Krankheit vorgesehene Medizinprodukte überhaupt am Markt erhältlich sind; vielmehr bezieht sich die "Verfügbarkeit" darauf, ob ein Medizinprodukt durch seine Aufnahme in die Übersicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig geworden ist. Dies ergibt sich zwingend daraus, dass nur solche Medizinprodukte in die Vergleichsbetrachtung einbezogen werden, die miteinander um die Anerkennung ihrer ausnahmsweisen Verordnungsfähigkeit konkurrieren; dies können nur solche sein, die entweder bereits gelistet sind oder deren Aufnahme zur Überprüfung ansteht. Im Übrigen folgt dies aus der Funktion der gemäß § 31 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V zu erstellenden Übersicht, die Medizinprodukte aufzuführen, die ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden.

77

Gerade die nach § 29 Nr 4 AM-RL bzw Kapitel 4 § 39 Abs 1 Nr 4 VerfO anzustellende Vergleichsbetrachtung erfordert einen - über die allgemeine Beobachtungspflicht des Normgebers hinausgehenden - Prozess permanenter Überprüfung. Eine vergleichende Betrachtung der Zweckmäßigkeit, die sich in einer einmaligen Gegenüberstellung verschiedener - zur Behandlung identischer Krankheitsbilder bestimmter und verfügbarer - Medizinprodukte erschöpfte, würde zum einen den erkennbaren Zweck des Vergleiches verfehlen, nur die Medizinprodukte zur ausnahmsweisen Verordnung zuzulassen, deren Zweckmäßigkeit höchsten Anforderungen entspricht, und zum anderen zu einer Ungleichbehandlung der Hersteller von Medizinprodukten führen, weil die Aussicht, die Aufnahme ihres Medizinprodukts in die Übersicht zu erreichen, wesentlich von der im Zeitpunkt der Entscheidung des GBA bestehenden Konkurrenzsituation mitbestimmt würde.

78

Angesichts der dargestellten Verpflichtung des GBA, die Entwicklung des allgemein anerkannten Standes der Medizin und der Pharmakologie fortlaufend zu beobachten, kommt ein sich aus der Aufnahme in die Anlage V der AM-RL ergebender Vertrauensschutz nicht in Betracht. Die allgemeine Erwartung der Unveränderlichkeit der Rechtslage ist nicht Gegenstand des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (vgl BVerfGE 105, 17, 40; 109, 133, 180 f; BVerfG Beschluss vom 15.5.2007 - 1 BvR 866/07 - Juris RdNr 20 = NZS 2008, 34; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 4 RdNr 23-24; BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 10 RdNr 28).

79

d. Nach alledem ist die Entscheidung des GBA rechtlich nicht zu beanstanden, da die gesetzlichen Vorgaben für die Normänderung beachtet wurden, der Klägerin ausreichend Gelegenheit gegeben wurde, zur beabsichtigten Normänderung Stellung zu nehmen und ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art 3 Abs 1 GG nicht vorliegt, weil an alle Hersteller von Medizinprodukten zur Behandlung des Kopflausbefalls gleiche Anforderungen gestellt wurden.

80

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen, da sie unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. März 2014 - L 4 KR 119/12 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung häuslicher Krankenpflege zur Injektion von Insulin und zur Messung des Blutzuckergehaltes in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen.

2

Der 1942 geborene, bei der Beklagten versicherte Kläger steht unter gesetzlicher Betreuung und lebt in einer von der Beigeladenen zu 2. betriebenen vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen. Er ist dort, nachdem er bis zu seinem 67. Lebensjahr in einer Werkstatt gearbeitet und seit langem in einer Wohngruppe der Einrichtung gelebt hat, nunmehr in einer neu gegründeten Wohngruppe für Senioren in der gleichen Einrichtung untergebracht, um eine ganztägige Betreuung zu gewährleisten. Die Kosten hierfür trägt der zu 1. beigeladene Sozialhilfeträger im Rahmen der Eingliederungshilfe. Der Kläger ist pflegebedürftig und leidet ua unter insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ II.

3

Für die Zeit vom 26.9.2010 bis 30.6.2011 verordnete ihm der behandelnde Arzt häusliche Krankenpflege zur Injektion von Insulin und für das Messen des Blutzuckerspiegels, zunächst wegen stark schwankender Werte, viermal täglich, später nur noch für zweimal tägliche Messungen und einmal tägliche Injektionen. Die Insulininjektionen werden ihm von einem Pflegedienst verabreicht, die Blutzuckermessungen werden teilweise auch von den Betreuern der Wohngruppe durchgeführt. Bei einem Messwert von über 300 sind diese angehalten, unverzüglich den Pflegedienst zu benachrichtigen. Seit Mai 2011 trägt der zu 1. beigeladene Sozialhilfeträger die Kosten des Pflegedienstes.

4

Die Beklagte lehnte die beantragte Erbringung häuslicher Krankenpflege regelmäßig ab (Bescheide vom 14.10.2010, 26.11.2010 und 2.5.2011 jeweils in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 2.2.2011, 6.2.2011 und 4.8.2011), da die Kosten der medizinischen Behandlungspflege nach § 43a Satz 1 SGB XI durch die Pflegekasse abgegolten würden, die nach dieser Vorschrift 10 % des nach § 75 Abs 3 SGB XII vereinbarten Heimentgeltes, maximal 256 Euro monatlich(§ 43a Satz 2 SGB XI) an den Heimträger zu entrichten habe. Diese Regelung sei abschließend und umfasse auch die Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Soweit Einrichtungen externe Pflegedienste beauftragten, sei eine Kostenerstattung gegebenenfalls mit dem Sozialhilfeträger zu regeln.

5

Der Kläger hat zur Begründung seiner Klage vorgetragen, er habe gegen den Einrichtungsträger keinen Anspruch auf Behandlungspflege. Sollte gegen die Beklagte ein solcher Anspruch nicht bestehen, wäre jedenfalls der beigeladene Sozialhilfeträger zur Kostenübernahme verpflichtet.

6

Der beigeladene Sozialhilfeträger hat im Klageverfahren ausgeführt, der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung könne dem Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs 6 SGB V iVm der Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie (HKP-Richtlinie) nur entgegenstehen, wenn ein Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Träger der Einrichtung bestehe. Das sei vorliegend nicht der Fall.

7

Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 26.9.2010 bis 30.6.2011 häusliche Krankenpflege (Behandlungspflege) in Form von Blutzuckertests und Insulininjektionen jeweils viermal täglich und siebenmal wöchentlich zu leisten (Gerichtsbescheid vom 15.3.2012). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 12.3.2014). Es hat ausgeführt, die von der Beigeladenen zu 2. betriebene Wohneinrichtung, in welcher der Kläger lebe, sei ein geeigneter Ort iS des § 37 Abs 2 SGB V, weil diese selbst dem Kläger keine Behandlungspflege schulde. Es könne offenbleiben, ob diese Wohneinrichtung eine besondere Ausprägung des betreuten Wohnens iS von § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V darstelle, da jedenfalls stationäre Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen, in denen die Versicherten keinen Anspruch auf Behandlungspflege haben, aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten mit den betreuten Wohnformen als geeignete Orte im Sinne dieser Vorschrift anzusehen seien. Der Begriff des "betreuten Wohnens" sei gesetzlich nicht definiert und die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit Betreuungshilfe zu einer stationären Einrichtung seien in Abhängigkeit der Fähigkeiten der Bewohner fließend. Der Kläger habe nach dem Wohnstättenvertrag keinen Anspruch auf Behandlungspflege gegen die Einrichtung. Nach diesem Vertrag sei die Einrichtung verpflichtet, im Rahmen der medizinischen Versorgung lediglich eine Begleitung zu Arztbesuchen und externen Therapien sicherzustellen sowie die Einnahme von Medikamenten entsprechend einer schriftlichen ärztlichen Verordnung zu gewährleisten und den Kläger bei Krankheit, soweit kein Klinikaufenthalt erforderlich sei, zu versorgen. Zur Injektion von Insulin oder zu Blutzuckermessungen sei die Einrichtung nicht verpflichtet.

8

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen die Regelungen des § 37 Abs 2 SGB V iVm der HKP-Richtlinie sowie des § 43a SGB XI iVm § 43 Abs 2 Satz 1 SGB XI. Eine stationäre Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen sei nicht mit einer Einrichtung des betreuten Wohnens vergleichbar, in der Pflegebedürftige ambulante Leistungen der Pflegeversicherung erhielten und sich die Hilfe auch auf die Führung eines eigenen Haushaltes erstrecke. In stationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen werde kein eigener Haushalt geführt; die Leistungen würden entsprechend dem ganzheitlichen Ansatz der Eingliederungshilfe vollstationär vom Einrichtungsträger erbracht. Durch den Verweis in § 43a SGB XI auf § 43 Abs 2 Satz 1 SGB XI entspreche der Leistungsumfang dem der stationären Pflegeeinrichtungen und umfasse daher auch Behandlungspflegeleistungen. Der Sozialhilfeträger könne sich nicht durch den Abschluss von Verträgen mit den Eingliederungseinrichtungen über die Bestimmungen des SGB XI hinwegsetzen.

9

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. März 2014 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 15. März 2012 zu ändern und die Klagen abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er nimmt auf die seiner Ansicht nach zutreffenden Ausführungen des Bayerischen LSG Bezug.

12

Der Beigeladene zu 1. schließt sich ebenfalls den Ausführungen des Bayerischen LSG an und betont die fließenden Übergänge im Bereich verschiedener Formen des betreuten Wohnens. In Bayern unterlägen sowohl ambulant als auch stationär betreute Wohnformen dem Gesetz zur Regelung der Pflege, Betreuungs- und Wohnqualität im Alter und bei Behinderung und stellten damit Varianten ein und derselben Wohnform dar. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) habe eine Regelung der HKP-Richtlinie (Punkt I.4, Abs 1 Nr 6 der HKP-Richtlinie) beanstandet, nach der in Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden konnte, worauf diese Regelung gestrichen worden sei. Zudem verstoße es gegen die UN-Behindertenrechtskonvention und missachte das Wunsch- und Wahlrecht der Betroffenen aus § 9 Abs 2 SGB IX, wenn Menschen mit Behinderungen wegen ihres Bedarfs an medizinischer Behandlungspflege die Einrichtung nach § 55 Satz 2 SGB XII wechseln müssten, wenn diese die Behandlungspflege nicht sicherstellen könne.

13

Auch der Beigeladene zu 2. schließt sich den Ausführungen des Bayerischen LSG an und betont, dass die Einrichtung nach den Leistungsvereinbarungen mit dem Beigeladenen zu 1. keine medizinische Behandlungspflege schulde. Diese sei nach den aktuellen Vereinbarungen sogar ausdrücklich vom Inhalt ausgenommen. Die Einrichtung erbringe Leistungen der Eingliederungshilfe, die auf eine Förderung der Bewohner und die Verwirklichung ihres Teilhabeanspruchs gerichtet seien. Dem Kläger schulde sie "Hilfe bei Krankheit" nur in folgender Form:
- "Arzt- und Therapeutenbesuche: die Mitarbeiter begleiten die Bewohner
- Einnehmen der Medizin nach ärztlicher Verordnung
- Unterstützung des gesunden Lebens".
Zum Personal der Einrichtung gehörten daher auch keine ausgebildeten Krankenpflegekräfte.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Beklagten ist im Sinne einer Zurückverweisung begründet. Der Kläger hatte zwar grundsätzlich auch während er in der Einrichtung der Eingliederungshilfe lebte Anspruch auf häusliche Krankenpflege durch die Beklagte (hierzu 1.). Der Anspruch reicht aber nur soweit, wie die Einrichtung nicht selbst zur Erbringung der erforderlichen Maßnahmen der Behandlungspflege verpflichtet ist (hierzu 2.) und umfasst daher hier zwar die Injektion von Insulin, nicht aber das Messen der Blutzuckerwerte (hierzu 3.). Die Zurückverweisung ist erforderlich, weil das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, in welchen Zeiträumen wie häufig täglich Insulin injiziert werden musste, in welchem Umfang die Leistung tatsächlich erbracht wurde und ob und ggf in welcher Höhe dem Kläger hierfür Kosten entstanden sind. Da der Leistungszeitraum in der Vergangenheit liegt, kann der Kläger nur noch Kostenerstattung geltend machen (hierzu 4.).

15

1. Nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V(idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Nach § 37 Abs 6 SGB V legt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien nach § 92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Abs 1 und 2 des § 37 SGB V auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können.

16

a) Bis zum 31.3.2007 erhielten Versicherte häusliche Krankenpflege (nur) "in ihrem Haushalt oder ihrer Familie" (vgl § 37 Abs 1 und 2 SGB V idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I 2190). Schon nach § 185 RVO aus dem Jahr 1911 konnten solche Pflegeleistungen gewährt werden, wenn ein wichtiger Grund vorlag, "den Kranken in seinem Haushalt oder in seiner Familie zu belassen", und nicht im Krankenhaus zu behandeln. Seitdem war dieses Tatbestandsmerkmal bis zum 31.3.2007 nicht erweitert worden. Zu dieser Gesetzeslage hatte das BSG entschieden, dass es zwar - sofern nicht Krankenhausbehandlung oder vollstationäre Pflege vorliege - nicht auf den Aufenthaltsort des Versicherten ankomme und daher häusliche Krankenpflege auch während des Kindergarten- oder Schulbesuchs zu leisten sei (BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 = SozR 3-1500 § 96 Nr 11); aufgrund des engen Wortlauts der Vorschrift sah sich die Rechtsprechung aber bis zur Änderung durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 378) daran gehindert, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege darüber hinaus auch auf Zeiten des Aufenthalts in einer stationären Einrichtung auszudehnen (BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5). Bei der Umschreibung des Aufenthaltsortes der Versicherten "in ihrem Haushalt oder ihrer Familie" ging es dem Gesetzgeber vor allem um die Abgrenzung zur Leistungserbringung im stationären Bereich. Schon in der Ursprungsfassung des § 185 RVO aus dem Jahr 1911 wurde der Begriff als Unterscheidung von der Krankenhausversorgung(vgl Poske, Hauspflege, 1990, S 70 ff, 112 ff) verwendet: "Die Kasse kann mit Zustimmung des Versicherten Hilfe und Wartung durch Krankenpfleger, Krankenschwestern oder andere Pfleger namentlich auch dann gewähren, wenn die Aufnahme des Kranken in ein Krankenhaus geboten, aber nicht ausführbar ist, oder ein wichtiger Grund vorliegt, den Kranken in seinem Haushalt oder seiner Familie zu belassen." Diese Formulierung wurde als Voraussetzung für den Anspruch auf Behandlungssicherungspflege übernommen, die zunächst als Satzungsleistung eingeführt (§ 185 Abs 1 Satz 2 RVO idF des Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 27.6.1977, BGBl I 1069; vgl zum Gesetzgebungsverfahren Zipperer, DOK 1978, 11, 20) und später in § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V(durch das Gesetz über die neunzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften vom 26.6.1990, BGBl I 1211) zum gesetzlichen Anspruch bestimmt wurde. Schon damals wurde die Notwendigkeit einer Abgrenzung zum stationären Bereich der Heimpflege diskutiert, und bei einem Daueraufenthalt in Einrichtungen der Alten- oder Behindertenhilfe sahen zahlreiche Autoren den Anspruch auf Fälle beschränkt, in denen die Einrichtung dem Versicherten (vertraglich) keine umfassende Versorgung schulde (vgl Hanau/Rolfs, VSSR 1993, 237, 252; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, Stand August 1999, K § 37 RdNr 15; Höfler in Kasseler Komm, Bd 1, Stand Einzelkommentierung Dezember 2004, § 37 SGB V RdNr 14). Nach der bis zum 31.3.2007 geltenden Gesetzesfassung war aber die vom Gesetzgeber beabsichtigte Abgrenzung zur stationären Krankenhausbehandlung in gleicher Weise geeignet, sonstige stationäre Einrichtungen von den Leistungen der häuslichen Krankenpflege auszunehmen (vgl BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5). Der Gesetzgeber hatte noch bei der Änderung des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB V durch das GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) keinen Handlungsbedarf dafür gesehen, Menschen in Einrichtungen der Behindertenhilfe ohne eigenen Haushalt Anspruch auf häusliche Krankenpflege einzuräumen. Nach dieser Regelung, die unverändert bis heute fortgilt (§ 37 Abs 2 Satz 7 SGB V), erhalten Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs 2 und 4 SGB XI aufgenommen sind, Leistungen der häuslichen Krankenpflege auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Bei dieser Regelung ging es insbesondere um die Sicherstellung medizinischer Behandlungspflege für alleinstehende Wohnungslose, um kostentreibende Krankenhauseinweisungen zu verhindern (vgl BT-Drucks 15/1525 S 90). Nach der Gesetzesbegründung wurde damit aber zugleich "klargestellt, dass bei Daueraufenthalt ohne eigenen Haushalt, zB in Heimen, weiterhin kein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege besteht" (BT-Drucks 15/1525 S 90 zu Buchst a).

17

b) Erst mit dem GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 378) hat der Gesetzgeber den Anspruch auf sonstige geeignete Orte, insbesondere betreute Wohnformen, Schulen, Kindergärten und bei besonders hohem Pflegebedarf auch auf Werkstätten für behinderte Menschen erweitert und dem GBA aufgegeben festzulegen, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen der häuslichen Krankenpflege auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können. In der Gesetzesbegründung ist hierzu ausgeführt, die Beschränkung der Leistungen zur häuslichen Krankenpflege auf Haushalt und Familie des Versicherten habe sich im Hinblick auf das Ziel, vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, als kontraproduktiv erwiesen. Die Neuregelung bewirke durch eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs, dass neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht benachteiligt würden. Betreute Wohnformen, deren Bewohner ambulante Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung erhalten, sollten verbesserte Angebote für ambulant Pflegebedürftige darstellen. Darüber hinaus werde im Hinblick auf bestimmte, eng begrenzte Personengruppen durch den erweiterten Haushaltsbegriff eine vorschnelle Einweisung in stationäre Einrichtungen verhindert. Ein "geeigneter Ort" für die Leistung häuslicher Krankenpflege durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) sei jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sich der Versicherte in einer Einrichtung befinde, in der er nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung habe. Um die notwendige Flexibilität bei der Bestimmung der geeigneten Erbringungsorte zu wahren, werde auf eine gesetzliche Festlegung verzichtet und die nähere Ausgestaltung dem GBA übertragen. Dieser Lösungsweg vermeide Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung (BT-Drucks 16/3100 S 104).

18

c) Der GBA ist seinem Regelungsauftrag durch die zum 11.6.2008 in Kraft getretene Änderung der HKP-Richtlinie (HKP-Richtlinie idF vom 16.2.2000, zuletzt geändert am 17.1.2008/10.4.2008, veröffentlicht im BAnz 2008, Nr 84, S 2028, 2029 und 2030) nachgekommen. Unter I.2 ist bestimmt:

        

"Häusliche Krankenpflege wird im Haushalt des Versicherten oder seiner Familie erbracht. Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht auch an sonstigen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen

        

-       

die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und

        

-       

für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (z. B. im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung),

        

wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Orte im Sinne des Satzes 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein."

Unter I.6 ist bestimmt:

        

"Für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Be-stimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z. B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkassen zu prüfen.

                 
        

Abweichend davon kann häusliche Krankenpflege in Werkstätten für behinderte Menschen verordnet werden, wenn die Intensität oder Häufigkeit der in der Werkstatt zu erbringenden Pflege so hoch ist, dass nur durch den Einsatz einer Pflegefachkraft Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vermieden oder das Ziel der ärztlichen Behandlung gesichert werden kann und die Werkstatt für behinderte Menschen nicht auf Grund des § 10 der Werkstättenverordnung verpflichtet ist, die Leistung selbst zu erbringen.

                 
        

Eine Verordnung von Behandlungspflege ist auch für Versicherte in Pflegeheimen zulässig, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben (§ 37 Abs. 2 Satz SGB V). Dies ist der Fall, wenn (…)."

19

Der GBA hatte in seinem Beschlusstext ursprünglich folgende Regelung vorgesehen: "Für die Zeit des Aufenthaltes in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z.B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen oder Behinderteneinrichtungen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden" (vgl https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/598/; dort finden sich die "Tragenden Gründe zum Beschluss vom 17.1.2008" als PDF-Datei, Beschlusstext, S 9). Die ausdrückliche Aufführung der Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen ist trotz zahlreicher kritischer Stellungnahmen (aaO, S 12 ff) erst aufgrund einer Prüfung durch das BMG gemäß § 94 SGB V gestrichen worden(vgl https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/598/; dort findet sich die "Prüfung gem. § 94 SGB V durch das BMG" als PDF-Datei, Schreiben vom 20.3.2008). Zudem wurde der Satz: "Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen" aufgrund der Prüfung aufgenommen. Das BMG hat von einer Beanstandung der vorgesehenen Regelung nur unter der Auflage abgesehen, die Regelung bei nächster Gelegenheit so zu überarbeiten, dass Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nicht grundsätzlich von der Verordnung häuslicher Krankenpflege ausgeschlossen werden und dass vom GBA sichergestellt wird, dass die Regelung bis zu ihrer Überarbeitung ohne den grundsätzlichen Ausschluss von Behinderteneinrichtungen angewandt wird. Das BMG hat hierzu ausgeführt, eine rechtliche Begründung dafür, dass grundsätzlich in allen (dh in der Regel oder in der großen Mehrheit der nicht näher definierten) ambulanten und stationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen ein Anspruch auf Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe, sei nicht ersichtlich. Die vom GBA beschlossene Formulierung könne dazu führen, dass häusliche Krankenpflege für Versicherte in diesen Einrichtungen regelmäßig abgelehnt werde, ohne dass tatsächlich im Einzelfall geprüft werde, ob anderweitige Ansprüche auf die Erbringung von Behandlungspflege bestehen. Deshalb sei klarzustellen, dass im Einzelfall zu prüfen sei, ob nach gesetzlichen Bestimmungen ein Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe.

20

d) Nach dem Regelungsgefüge, das sich aus den gesetzlichen Vorschriften iVm den Normen der HKP-Richtlinie ergibt, besteht der Anspruch zunächst an allen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält, wenn die Leistung aus medizinisch pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Einschränkungen in Bezug auf den Aufenthaltsort ergeben sich - abgesehen von der Geeignetheit der räumlichen Verhältnisse - erst aus den Regelungen unter I.6, dh für die Zeit des Aufenthaltes in Einrichtungen nur dann, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht (wie zB in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen). Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen. Einrichtungen der Eingliederungshilfe werden in den HKP-Richtlinien den Krankenhäusern und Pflegeheimen ausdrücklich nicht (mehr) gleichgestellt. In dieser Fassung ist die HKP-Richtlinie gesetzeskonform.

21

e) Der Vorschrift des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V und der Bezeichnung der dort nach der Verwendung des Begriffs "insbesondere" beispielhaft aufgeführten "geeigneten Orte" lässt sich nicht die Beschränkung entnehmen, häusliche Krankenpflege könne weiterhin nur beansprucht werden, wenn noch ein Mindestmaß eines eigenen Haushalts (oder ein Leben in der Familie) geführt wird, und weitere Leistungen ggf ambulant in Anspruch genommen werden. Gegen die Auffassung der Beklagten, eine stationäre Einrichtung, in der sich ein Versicherter dauerhaft aufhält, ohne an einem anderen Ort noch einen Haushalt zu führen oder in einem solchen zu leben, könne nie ein sonstiger geeigneter Ort iS des § 37 Abs 2 SGB V sein, sprechen die Gesetzesbegründung und der vom Gesetzgeber mit der Erweiterung des Anspruchs verfolgte Zweck. Auch dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich eine solche Einschränkung nicht entnehmen.

22

Dem Gesetzgeber war es nach der Gesetzesbegründung zur Ausweitung des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege auf sonstige geeignete Orte durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 378) ein besonderes Anliegen, Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung zu vermeiden. Bei ambulanten Einrichtungen, insbesondere auch bei ambulant betreuten Wohnformen, wird aber regelmäßig (allein oder gemeinsam mit anderen) ein eigener Haushalt geführt, sodass bereits vor der Gesetzesänderung auch für dort lebende Versicherte ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege bestehen konnte. Zudem war nach der Rechtsprechung des BSG der Anspruch auch schon vor der Neuregelung zum 1.4.2007 nicht auf die Erbringung der Leistung in der Wohnung des Versicherten beschränkt; vielmehr konnte häusliche Krankenpflege auch in der Schule oder im Kindergarten erbracht werden (so ausdrücklich BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 = SozR 3-1500 § 96 Nr 11). Wenn die vom Gesetzgeber beabsichtigte vorsichtige Erweiterung des Anspruchs auch auf sonstige geeignete Orte nicht weitgehend leerlaufen soll, müssen grundsätzlich auch die stationären Einrichtungen einbezogen werden, in denen sich ein Versicherter auf unabsehbare Zeit aufhält und betreut wird, ohne noch anderswo zu leben und zu wohnen. Die Beklagte hat Recht mit ihrer Auffassung, dass es in den bisher vom Senat entschiedenen Fällen darum ging, Versicherte auch in Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten mit Krankenpflege zu versorgen, in denen sich diese lange, aber eben nicht ausschließlich im Sinne eines Lebensmittelpunktes aufhalten. Genau diese Situation sollte indessen durch die Neuregelung des § 37 Abs 2 SGB V erfasst werden, und zwar für die Konstellation, dass in der vollstationären Einrichtung keine umfassende pflegerische Versorgung stattfindet und gesetzlich auch nicht geschuldet wird. Denn nur dadurch kann dem Sinn und Zweck der Vorschrift, durch (ambulante) häusliche Krankenpflege vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, entsprochen werden. Bei den zu vermeidenden stationären Einweisungen kann es sich nur um Einweisungen in Einrichtungen handeln, in denen die Versicherten medizinische Behandlungspflege erhalten, wie Krankenhäuser, medizinische Rehabilitationseinrichtungen oder Pflegeheime. Die Aufnahme in andere Einrichtungen, die regelmäßig schon nicht auf ärztliche Veranlassung erfolgt, kann (und soll) nicht durch die Erbringung ambulanter Leistungen der häuslichen Krankenpflege vermieden werden. Vielmehr soll die nach der Gesamtsituation des Versicherten sinnvolle Aufnahme zB in eine stationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe nicht daran scheitern, dass zusätzlich zum Eingliederungsbedarf auch ein Bedarf an Krankenpflegeleistungen besteht, der von der Eingliederungseinrichtung nicht gedeckt werden kann. Es kann (auch) für die Krankenkasse wirtschaftlich sinnvoll sein, Versicherte in solchen Einrichtungen, in denen sie keinen Anspruch auf medizinische Behandlungspflege gegen die Einrichtung haben, mit häuslicher Krankenpflege zu versorgen, um eine vorschnelle Einweisung in ein Krankenhaus zu vermeiden.

23

Auch dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich seit der Ausweitung des Anspruchs auf sonstige geeignete Orte nicht entnehmen, dass stationäre Einrichtungen etwa der Eingliederungshilfe dafür grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Die beispielhafte Aufzählung enthält hierfür keine Anhaltspunkte. Der im Gesetz verwandte Begriff der "betreuten Wohnformen" ist gesetzlich nicht definiert. Die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit ambulanten Betreuungshilfen zu einer stationären Einrichtung sind inzwischen fließend. Daher werden in den Landesheimgesetzen neben stationären Einrichtungen regelmäßig auch andere Formen des betreuten Wohnens erfasst (vgl Weber NZS 2011, 650, 651 mwN), und längst nicht alle Formen des betreuten Wohnens weisen eine größere Nähe zur eigenständigen Haushaltsführung auf, als herkömmliche stationäre Einrichtungen. Eine eindeutige Zuordnung jeder Einrichtung entweder als stationäres Heim oder als ambulantes Angebot mit Betreuungshilfen, wird durch die andauernde Entwicklung neuer Wohnformen zunehmend schwierig. Auch in betreuten Wohnformen haben Versicherte keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege, wenn sie bereits Anspruch auf die Maßnahme durch die Einrichtung bzw den Betreuungsdienst haben, weil häusliche Krankenpflege dann nicht erforderlich ist. Gerade im Grenzbereich verschiedener Wohnformen ist es aber sachgerecht, nach dem Anspruch gegen die Einrichtung bzw den Betreuungsdienst zu differenzieren und nicht dem Begriff "betreute Wohnformen" eine Festlegung dahin zu entnehmen, dass in vollstationären Betreuungseinrichtungen keine häusliche Krankenpflege erbracht werden kann.

24

Es ist daher konsequent, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Einrichtungen nur dann und insoweit zu beschränken, als nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht. Der Gesetzgeber hat auf eine gesetzliche Festlegung der geeigneten Leistungsorte bewusst verzichtet. Er wollte damit im Hinblick auf die Vielzahl unterschiedlicher Einrichtungen jeglichen Eingriff in die bestehenden Strukturen der Einrichtungen und insbesondere in ihre Leistungspflichten im Hinblick auf die medizinische Behandlungspflege vermeiden und die Präzisierung der Einrichtungen, in denen die Versicherten Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach dem SGB V haben, dem GBA überlassen.

25

f) Die Richtlinien des GBA haben normativen Charakter und sind für die Beteiligten verbindlich (BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 21; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12; BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3; BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 7; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8; vgl auch amtl Begründung zu den Ergänzungen von § 92 Abs 1 SGB V durch das GMG - BT-Drucks 15/1525 oder die Ergänzungen des Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung des GKV-WSG). Der Senat hat keine Zweifel an der verfassungsrechtlichen Legitimation des GBA als untergesetzlichem Normgeber in der Form, wie sie inzwischen gesetzlich festgelegt ist (so auch BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 22; BSGE 112, 251 = SozR 4-2500 § 106 Nr 38, RdNr 14; BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21, RdNr 26; vgl auch Beier in jurisPK-SGB V, Online-Ausgabe, § 92 SGB V RdNr 31.1, Stand Juni 2013).

26

2. Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind nach den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich nur soweit zur Erbringung von medizinischer Behandlungspflege verpflichtet, wie diese aufgrund der sächlichen und personellen Ausstattung von der Einrichtung erbracht werden kann.

27

a) Erbringt der Träger der Sozialhilfe die Leistungen der Eingliederungshilfe in einer vollstationären Einrichtung (§ 13 SGB XII, zum Einrichtungsbegriff iS des SGB XII vgl BSGE 106, 264 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2, RdNr 13) der Hilfe für behinderte Menschen, wird grundsätzlich der gesamte Bedarf des Hilfebedürftigen nach § 9 Abs 1 SGB XII in der Einrichtung in einrichtungsspezifischer Weise befriedigt. Die Einrichtung übernimmt für den Hilfebedürftigen von dessen Aufnahme bis zur Entlassung die Gesamtverantwortung für seine tägliche Lebensführung (vgl Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand November 2014, K § 13 RdNr 58, 59 mwN). Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII, § 26 SGB IX auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zu denen nach § 26 Abs 2 SGB IX ua auch die Behandlung durch Angehörige von Heilberufen gehört, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche Anordnung ausgeführt werden, wie es bei der häuslichen Krankenpflege der Fall ist. Nach § 55 Satz 1 SGB XII umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen iS des § 43a SGB XI auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung. Ist der behinderte Mensch allerdings so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird, wobei den angemessenen Wünschen des behinderten Menschen Rechnung zu tragen ist (§ 55 Satz 2 SGB XII).

28

b) Danach hat der Träger der Sozialhilfe zwar letztlich alle Teilhabebedarfe der Eingliederungshilfe zu decken und kann dies durch Leistungen für Einrichtungen (§ 13 Abs 1 SGB XII) gewährleisten, zu beachten ist aber der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII). Leistungen anderer Sozialleistungsträger gehen grundsätzlich den Leistungen der Sozialhilfe vor (§ 2 Abs 1 SGB XII), und auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind (§ 2 Abs 2 Satz 2 SGB XII). Die medizinische Behandlungspflege ist Aufgabe der GKV, die daher diese Leistung vorrangig vor dem Träger der Sozialhilfe zu erbringen hat. Deshalb hat der Sozialhilfeträger im Verhältnis zur GKV nicht die Aufgabe, durch entsprechende Verträge mit den Einrichtungen der Eingliederungshilfe dafür zu sorgen, dass diese regelmäßig auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen. Die Verpflichtung der Einrichtung zur Übernahme der Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung sowie zur Deckung der Bedarfe in einrichtungsspezifischer Weise weist den Einrichtungen daher keine weitergehenden Pflichten zu, als sie aufgrund ihrer Ausrichtung, des Eingliederungszwecks, dem sie dienen, und nach den Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII schulden. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden danach regelmäßig selbst keine medizinischen Behandlungsmaßnahmen, sondern haben lediglich organisatorisch dafür Sorge zu tragen, dass die Bewohner der Einrichtung neben den von der Einrichtung selbst geschuldeten Leistungen auch solche anderer Träger in Anspruch nehmen können. So schulden solche Einrichtungen keine ärztliche Behandlung, sie haben aber ggf Arztbesuche zu organisieren bzw zu ermöglichen und die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die medizinische Behandlungspflege, es sei denn, aus den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII ergeben sich weitergehende Leistungsverpflichtungen.

29

c) Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind auch nicht allein aufgrund der von den Pflegekassen für Pflegebedürftige nach § 43a Satz 1 SGB XI zu gewährenden pauschalen Abgeltung verpflichtet, grundsätzlich alle im Einzelfall notwendigen Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen. Nach § 43a Satz 1 SGB XI übernimmt die Pflegekasse zur Abgeltung der in § 43 Abs 2 SGB XI genannten Aufwendungen 10 vH des nach § 75 Abs 3 SGB XII vereinbarten Heimentgeltes für Pflegebedürftige in einer stationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen(§ 71 Abs 4 SGB XI). Dabei dürfen aber die Aufwendungen der Pflegekasse im Einzelfall je Kalendermonat 256 Euro (ab 1.1.2015 266 Euro) nicht übersteigen (§ 43a Satz 2 SGB XI). Zu den in § 43 Abs 2 SGB XI genannten Aufwendungen gehören die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege.

30

Trotz der ausdrücklichen Erwähnung auch der medizinischen Behandlungspflege zeigt die Verortung der Vorschrift im SGB XI, dass es dabei lediglich um die von der Pflegeversicherung abzudeckenden Bedarfe geht. Die Pauschale wird auch nur für Pflegebedürftige geleistet. Stationäre Pflegeeinrichtungen iS des § 71 Abs 2 und 4 SGB XI haben grundsätzlich auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen; erst bei einem dauerhaften, voraussichtlich mindestens sechs Monate währenden besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben Versicherte in Pflegeheimen Anspruch auf häusliche Krankenpflege. Hier kommt es nicht zu einer Lücke zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden nach § 43a SGB XI zwar grundsätzlich Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung. Die medizinische Behandlungspflege iS des § 37 Abs 2 SGB V kann aber durch diese an die Pflegeversicherung gerichtete Vorschrift grundsätzlich nicht vom Zuständigkeitsbereich der GKV auf Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen übertragen werden. Dies ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die Eingliederungseinrichtungen dann nur gegenüber pflegebedürftigen Bewohnern zur Erbringung von Behandlungspflege nach § 37 Abs 2 SGB V verpflichtet wären und auch nur für diese Personen das pauschalierte Entgelt erhalten(so im Ergebnis bereits BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5 RdNr 9). Ansprüche auf medizinische Behandlungspflege können auch Versicherten zustehen, die nicht pflegebedürftig sind.

31

d) Das ergibt sich auch aus den Regelungen des § 55 SGB XII. Danach haben Einrichtungen der Eingliederungshilfe auch die (notwendigen) Pflegeleistungen zu erbringen. Wird der behinderte Mensch aber so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird (§ 55 Satz 2 SGB XII). Auch diese Vorschrift knüpft zunächst nur an die Pflegebedürftigkeit und Pflege iS des SGB XI an, nicht an Behandlungspflege. Insbesondere aus § 55 Satz 2 SGB XII ist aber abzuleiten, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigt hat, jede Einrichtung der Eingliederungshilfe personell und sächlich so auszustatten, dass sie neben der üblichen Pflege auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen kann. Trägerübergreifend betrachtet, wäre das unwirtschaftlich. Hilfen zur Grundpflege und zur hauswirtschaftlichen Versorgung können innerhalb bestimmter Grenzen regelmäßig von Personen erbracht werden, die diesbezüglich keine besondere Ausbildung haben. Hierzu gehören insbesondere die Hilfen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens. Erst wenn es darum geht, aktivierende Pflege zu leisten, weitere Pflegebedürftigkeit zu verhüten oder akute Beschwerden zu lindern oder medizinische Behandlungspflege zu leisten, die nicht ohne Weiteres vom Personal einer Eingliederungseinrichtung erbracht werden kann, und die Pflege daher in der Einrichtung nicht mehr sichergestellt werden kann, ist der Hilfebedürftige in einer anderen Einrichtung unterzubringen.

32

e) Die Leistungspflichten der Eingliederungseinrichtungen ergeben sich für deren Nutzer aus zivilrechtlichen Verträgen mit der Einrichtung und gegenüber dem Träger der Sozialhilfe ausschließlich aus dem SGB XII iVm den auf diesen gesetzlichen Grundlagen basierenden Verträgen (zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis BSGE 102, 1 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9, RdNr 15 ff). Entscheidend für die Leistungspflichten der Einrichtungen zur Hilfe behinderter Menschen ist danach das in den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII festgelegte Ziel und der Zweck der Einrichtung, ihr Aufgabenprofil, die vorgesehene sächliche und personelle Ausstattung sowie der zu betreuende Personenkreis. Handelt es sich danach zB um eine Einrichtung, deren vorrangige Aufgabe darin besteht, Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten zu leisten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (vgl § 55 Abs 2 Nr 3 SGB IX), gehören einfachste medizinische Maßnahmen, die für Versicherte im eigenen Haushalt von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden können und keine medizinische Fachkunde erfordern, wie die Einnahme von Medikamenten, regelmäßig der Natur der Sache nach zum Aufgabenkreis der Einrichtung. Sie sind mit der Gewährung von Eingliederungshilfe durch den Sozialhilfeträger in einer stationären Einrichtung untrennbar verbunden und daher objektiv bereits Bestandteil der Eingliederungshilfe. Dies gilt auch für betreute Wohnformen, wenn dort nach Inhalt und Umfang vergleichbare Eingliederungsleistungen erbracht werden. Zum Erwerb lebenspraktischer Kenntnisse und Fähigkeiten gehört auch die Hilfe bei der Führung eines gesunden Lebens einschließlich der Vermittlung von Einsicht für gesundheitsförderliches Verhalten allgemein und speziell für die Notwendigkeit bestimmter medizinischer Maßnahmen. Bei den einfachsten Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege handelt es sich häufig, wie etwa beim An- und Ausziehen von Thrombosestrümpfen, um verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, die ohnehin sowohl dem Aufgabenbereich der Kranken- als auch dem der Pflegeversicherung gleichermaßen zugeordnet und daher - soweit kein Fachpersonal erforderlich ist - auch bereits von der Pauschale nach § 43a SGB XI mitumfasst sind. Danach verläuft die Grenze der von einer Einrichtung geschuldeten Leistungen genau dort, wo diese vom Personal der Einrichtung der Eingliederungshilfe erbracht werden können und müssen. Muss die Einrichtung kein medizinisch ausgebildetes Personal vorhalten, sind regelmäßig nur einfachste Maßnahmen der Krankenpflege von der Einrichtung selbst zu erfüllen. Leistungspflichten, die nur von medizinisch ausgebildetem Fachpersonal erfüllt werden könnten, scheiden dann aus. Ist die Einrichtung hingegen nach ihrem Aufgabenprofil auf eine besondere Zielgruppe ausgerichtet, bei der ständig bestimmte behandlungspflegerische Maßnahmen erforderlich werden, und ist die Einrichtung deshalb entsprechend sächlich und personell auszustatten, hat sie diese behandlungspflegerischen Maßnahmen auch zu erbringen, weil ohne sie die Eingliederungsaufgabe im Hinblick auf die Zielgruppe der Einrichtung nicht erreicht werden kann. Es ist daher - so wie es die HKP-Richtlinie vorgibt - im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Einrichtung die konkrete behandlungspflegerische Maßnahme nach ihrem Aufgabenprofil, der Ausrichtung auf ein bestimmtes Bewohnerklientel und insbesondere aufgrund ihrer sächlichen und personellen Ausstattung selbst zu erbringen hat. Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe wird dadurch nicht betroffen, weil die sächliche und personelle Ausstattung dieser Einrichtungen für die Eingliederungsleistungen ohnehin vorzuhalten ist, die Gewährung von Eingliederungshilfe deutlich im Vordergrund steht und die Leistungen der Behandlungspflege dann untrennbarer Bestandteil der Eingliederungshilfe sind.

33

f) Dieses Ergebnis führt zu einer Parallele zu den Pflegehilfsmitteln, die nach der Rechtsprechung des BSG (vgl hierzu BSGE 85, 287 = SozR 3-2500 § 33 Nr 37) von Einrichtungen vorzuhalten sind. Danach hat der Träger eines Pflegeheimes alle Hilfsmittel bereitzustellen, die zur sachgerechten Durchführung der in zugelassenen Pflegeheimen gewöhnlich anfallenden Pflegeleistungen erforderlich sind. Obwohl die Pflegeheime nach § 43 SGB XI nicht nur zur Pflege und sozialen Betreuung, sondern auch zur medizinischen Behandlungspflege verpflichtet sind, gehören Hilfsmittel, die der Durchführung von Behandlungspflege dienen, nur dann zu dem vom Heimträger vorzuhaltenden Inventar, wenn sich dies im Einzelfall aus dem Versorgungsvertrag bzw der Leistungs- oder Qualitätsvereinbarung ergibt. Die Vorhaltepflicht eines Pflegeheims, in dem überwiegend Pflegebedürftige nach der Pflegestufe I leben, sieht danach zB anders aus, als bei Pflegeheimen mit beatmungsbedürftigen Schwerstpflegebedürftigen oder Apallikern (BSGE 89, 271 = SozR 3-2500 § 33 Nr 43).

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g) In Einrichtungen, die aufgrund entsprechender Verträge auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen haben, besteht für Versicherte ein Anspruch hierauf gegen die Einrichtung "nach den gesetzlichen Bestimmungen" iS von I.6 Satz 1 HKP-Richtlinie. Denn wirksame und rechtmäßige vertragliche Regelungen können Ansprüche "nach gesetzlichen Bestimmungen" begründen, soweit diese eine Regelung durch entsprechende Verträge ausdrücklich vorsehen. Daher wird in der Literatur und der Rechtsprechung nicht zwischen vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger unterschieden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 2 sowie Weber, NZS 2011, 650, 653; ausdrücklich auch LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 24.10.2012 - L 4 KR 30/10 - Juris; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 22.11.2011 - L 10 KR 32/11 B ER - Juris).

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h) Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen grundsätzlich geeignete Orte für die Erbringung von häuslicher Krankenpflege nach § 37 SGB V durch die GKV sein können, wenn der Versicherte im Einzelfall keinen Anspruch auf die Erbringung der Maßnahme durch die Einrichtung hat. Im Rahmen der von der Einrichtung geschuldeten Pflege hat diese grundsätzlich nur einfachste Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen, für die es keiner besonderen medizinischen Sachkunde oder medizinischer Fertigkeiten bedarf und die daher regelmäßig von dem in der Einrichtung beschäftigten Personal, wie von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen, ohne Weiteres ausgeführt werden können. Insoweit ist zur Abgrenzung auch § 37 Abs 3 SGB V heranzuziehen. Danach ist der Anspruch auf häusliche Krankenpflege ausgeschlossen, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann. Das bedeutet nicht, dass die Betreuer in den Eingliederungseinrichtungen damit in jeder Hinsicht pflegebereiten Haushaltsangehörigen iS des § 37 Abs 3 SGB V gleichgestellt werden. Der Senat entnimmt § 37 Abs 2 SGB V im hier maßgeblichen Zusammenhang nur, dass es nach den gesetzlichen Regelungen Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege gibt, die ohne medizinische Vorkenntnisse von Laien erbracht werden können. Das gilt auch für Mitarbeiter in Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Dazu gehört zB regelmäßig die Gabe von Tabletten nach ärztlicher Anweisung, das Messen des Blutdrucks oder des Blutzuckergehalts, das Anziehen von Thrombosestrümpfen, das An- und Ablegen einfach zu handhabender Stützverbände, das Einreiben mit Salben (soweit es sich nicht um schwierige Wundversorgung handelt), die Verabreichung von Bädern uÄ.

36

Weitergehende medizinische Behandlungspflege schuldet die Einrichtung nur, wenn sich dies aus ihren Verträgen, ihrer Leistungsbeschreibung, ihrem Aufgabenspektrum auch unter Berücksichtigung ihrer Zielgruppe und ihrer sächlichen und personellen Ausstattung ergibt.

37

3. Nach diesen Grundsätzen hat die Einrichtung vorliegend zwar mit ihrem Personal beim Kläger die erforderlichen Blutzuckermessungen selbst vorzunehmen, sie ist aber nicht verpflichtet, dem Kläger auch Insulininjektionen zu verabreichen.

38

Nach dem Bayerischen Rahmenvertrag gemäß § 79 Abs 1 SGB XII vom 15.6.2004, an dessen Abschluss der Beigeladene zu 1. als überörtlicher Sozialhilfeträger und der Landesverband der Beigeladenen zu 2. beteiligt waren, leisten die Einrichtungen Hilfe nach dem individuellen Bedarf des Hilfeempfängers in einem den §§ 1 und 9 SGB XII entsprechenden Umfang(§ 7). Nach der auf dieser Grundlage zwischen den beiden Beigeladenen geschlossenen Leistungsvereinbarung nach §§ 75 ff SGB XII betreut die Einrichtung, in welcher der Kläger lebt, nach § 43a SGB XI auch Menschen mit Pflegestufe und ist auf Personen mit mittlerer bis schwerer Behinderung ausgerichtet, die (auch altersbedingt) nicht in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen oder einer Förderstätte aufgenommen werden. Die Einrichtung nimmt keine Personen mit einem vorrangigen Pflegebedarf nach dem SGB XI oder mit einem dauerhaften medizinischen Versorgungs- und Überwachungsbedarf auf. Die Aufgabe der Einrichtung besteht im Wesentlichen darin, den Hilfebedürftigen Assistenz und Begleitung im Alltag zu leisten unter Berücksichtigung ihrer Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und der Weiterentwicklung ihrer Persönlichkeit. Zur Personalausstattung der Einrichtung ist neben der Leitung durch eine/einen Dipl Sozialpädagogin/en (FH), der Verwaltung, der Hauswirtschaft und dem technischen Dienst ein Fachdienst aus Dipl Sozialpädagogen mit einem nach Hilfebedarfsgruppen gestaffelten Personalschlüssel vorgesehen. Die Fachkraftquote liegt bei 62,5 %. Fachkräfte sind Heilerziehungspfleger, Heilpädagogen, Erzieher, Gesundheits- und Krankenpfleger, Altenpfleger und Personal mit vergleichbarer Qualifikation.

39

Danach ist die Einrichtung nicht verpflichtet, medizinisch ausgebildetes Personal vorzuhalten; sie kann ihren Verpflichtungen auch mit lediglich pädagogisch ausgebildetem Personal nachkommen. Medizinische Versorgung schuldet die Einrichtung grundsätzlich nicht. Allerdings sollte sie mit ihrem Personal jedenfalls zu den einfachsten Maßnahmen der Behandlungspflege, die in einem Haushalt grundsätzlich von jedem Erwachsenen erbracht werden können, in der Lage sein. Sie betreut auch pflegebedürftige Menschen und solche mit schweren Behinderungen. Bei diesem Personenkreis gehören zur Assistenz und Begleitung im Alltag immer auch Handgriffe und Maßnahmen einfachster Art, die aus medizinischen Gründen erforderlich sind. Deshalb kann die Einrichtung als Fachkräfte auch Personal mit medizinisch-pflegerischen Kenntnissen einsetzen.

40

Zum Messen des Blutzuckers wird ein Tropfen Blut - meist aus einer Fingerkuppe - gewonnen und mit einem Blutzuckermessgerät aufgefangen, das daraufhin den Blutzuckerspiegel anzeigt. Dieses Verfahren kann grundsätzlich von jedem Erwachsenen ohne medizinische Kenntnisse oder Fertigkeiten durchgeführt werden. Es birgt keine nennenswerten Infektions- oder Verletzungsgefahren. Das Personal der vom Beigeladenen zu 2. betriebenen Einrichtung hat die Blutzuckermessungen offenbar über lange Zeiträume beim Kläger durchgeführt. Das Messen des Blutzuckergehaltes gehört für Bewohner, die an insulinpflichtigem Diabetes mellitus leiden, zu der von der Einrichtung geschuldeten Unterstützung eines gesunden Lebens und ist daher untrennbarer Bestandteil der Eingliederungshilfe. Denn es geht insoweit insbesondere auch um die Vermittlung von Einsicht in die Notwendigkeit der Maßnahme sowie die Förderung von Eigenständigkeit und Mithilfe bei der Durchführung oder zumindest das Vermeiden von Abwehrreaktionen. Insoweit betrifft die Maßnahme auch die Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und Weiterentwicklung der Persönlichkeit des Klägers als Kernaufgabe der Einrichtung, der sie sich nicht deshalb entziehen kann, weil es sich um eine Maßnahme handelt, die aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Soweit die Maßnahme keine medizinischen Fachkenntnisse oder Fertigkeiten voraussetzt, ist sie daher von dem Personal der Eingliederungseinrichtung zu erbringen. Die Mitarbeiter der Einrichtung haben lediglich die vom Blutzuckermessgerät angezeigten Messergebnisse festzuhalten und dem behandelnden Arzt bzw medizinischen Pflegedienst zur Verfügung zu stellen, die ihre Maßnahmen darauf ausrichten können. Bei kritischen Messwerten kann - wie in der Vergangenheit auch praktiziert wurde - der Pflegedienst, ggf auch der Notarzt benachrichtigt werden. Nicht entscheidend ist, wie häufig Blutzuckermessungen erforderlich sind. Weitere medizinische Maßnahmen werden in diesem Zusammenhang vom Personal der Einrichtung nicht erwartet. Der in der Leistungsvereinbarung enthaltene ausdrückliche Ausschluss von Leistungen der medizinischen Behandlungspflege steht dem nicht entgegen, da das Messen des Blutzuckergehaltes für insulinpflichtige Diabetiker als Bestandteil der Eingliederungshilfe zu erbringen ist.

41

Die Injektion von Insulin ist hingegen eine behandlungspflegerische Maßnahme, die zwar von erwachsenen Patienten regelmäßig selbst durchgeführt werden kann; hierfür sind aber erhebliche medizinische Kenntnisse erforderlich, die den Patienten, die die Injektionen selbst durchführen, zuvor vermittelt werden. Insulin wird ins Unterhautfettgewebe gespritzt. Das Einführen der Injektionsnadel in das Unterhautfettgewebe stellt schon als solches einen Eingriff in den Körper dar. Es sind Kenntnisse über günstige Injektionsregionen sowie das Wechseln der Injektionsstellen erforderlich. Wird ohne ausreichende Regenerationszeit allzu häufig dieselbe Einstichstelle genutzt, kann es zu ungewollten Haut- und Fettgewebsveränderungen kommen. Dosis und Art des verordneten Insulins (zu unterscheiden sind insbesondere schnell wirkende Insuline und solche mit einer längerfristigen Wirkung) sollten regelmäßig in Absprache zwischen Arzt und Patient entsprechend der Blutzuckermesswerte sowie des Ess- und Bewegungsverhaltens angepasst werden, wobei dem Patienten ein bedarfsabhängiger Beurteilungsspielraum eingeräumt werden kann. Denn den Bedarf kann ein entsprechend interessierter, geschulter und im Umgang mit seiner Erkrankung erfahrener erwachsener Patient am besten selbst einschätzen. Von Dritten erfordert der sachgerechte Umgang mit solchen medizinischen Beurteilungsspielräumen beachtliche medizinische Kenntnisse, über die regelmäßig nur medizinisches Fachpersonal verfügt. Da die Einrichtung des Beigeladenen zu 2. kein medizinisches Fachpersonal vorhalten muss, schuldet sie dem Kläger nicht die Verabreichung von Insulininjektionen.

42

4. Die Zurückverweisung ist erforderlich, weil das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, in welchen Zeiträumen wie häufig täglich Insulin injiziert werden musste, in welchem Umfang die Leistung tatsächlich erbracht wurde und ob und ggf in welcher Höhe dem Kläger hierfür Kosten entstanden sind. Diese Feststellungen wird das LSG nachzuholen haben. Da der Leistungszeitraum in der Vergangenheit liegt, kann der Kläger nur noch Kostenerstattung oder Freistellung von den Kosten geltend machen. Das Anliegen des Klägers kann anders nicht verstanden werden. Auf die Erstattung tatsächlich aufgewandter Kosten bzw auf eine Freistellung von gestundeten Verpflichtungen hat der Kläger nach § 13 Abs 3 SGB V Anspruch, soweit der Pflegedienst häusliche Krankenpflege zur Injektion von Insulin erbracht hat und soweit und so häufig dies medizinisch erforderlich war, weil die Beklagte diese Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Das LSG wird deshalb festzustellen haben, in welcher Höhe der Kläger für häusliche Krankenpflege zur Injektion von Insulin Kosten selbst getragen hat, oder er für den streitigen Leistungszeitraum noch berechtigten Kostenforderungen ausgesetzt ist und ggf den Tenor auf Kostenerstattung oder Freistellung von Kosten in entsprechender Höhe zu korrigieren haben.

43

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. November 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den Umfang zu gewährender Kostenerstattung für die privatärztliche Behandlung mit dem Fertigarzneimittel Lucentis.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte, für das Jahr 2011 von Zuzahlungen befreite Kläger leidet an einer chorioidalen Neovaskularisation infolge altersabhängiger Makuladegeneration. Sein linkes Auge ist nahezu erblindet. Der Visus des rechten Auges verschlechterte sich aufgrund einer Blutung von 0,5 auf 0,3. Deshalb empfahl Vertragsarzt Dr. P. eine Lucentis-Therapie, die der Kläger beantragte (14.6.2011, Kosten: Apothekenverkaufspreis für drei Injektionen Lucentis je 1285,90 Euro; drei ärztliche Injektionen je 335,15 Euro, 2,3-facher Satz analog GOÄ (Gebührenordnung für Ärzte)-Nr A 1383 - Vitrektomie; drei ärztliche Nachbehandlungen je 80 Euro, 2,3-facher Satz GOÄ-Nrn 1, 6, 1201, 1242, 1,8-facher Satz GOÄ-Nr 1256, 2,242-facher Satz GOÄ-Nr 6 in einem jeweiligen zweiten Termin, insgesamt 5103,15 Euro). Die hierzu erforderlichen intravitrealen Injektionen und Nachbehandlungen sind bisher nicht in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgenommen. Das europaweit zur Behandlung der altersbedingten feuchten Makuladegeneration zugelassene (22.1.2007) Fertigarzneimittel Lucentis (Wirkstoff: Ranibizumab) ist ein monoklonaler Antikörper. Dieser hemmt ein Protein, das an der Ausbildung kleiner Blutgefäße beteiligt ist (VEGF-Hemmer). Die Zulassung umschreibt als Art der Anwendung "Durchstechflasche zum einmaligen Gebrauch. Nur zur intravitrealen Anwendung". Die Beklagte bewilligte für drei Zyklen insgesamt höchstens 3607,02 Euro (jeweils pro Zyklus Lucentis 1125,41 Euro; ärztliches Honorar 76,93 Euro, GOÄ-Nrn 257 und 447 bei 2,3-fachem Gebührensatz; keine Kosten der mit der Behandlung bereits abgegoltenen Nachbehandlung; Bescheid vom 22.6.2011; Widerspruchsbescheid vom 19.8.2011). Der Kläger erhielt privatärztlich drei Zyklen Lucentis-Injektionen (8.7., 12.8. und 16.9.2011) nebst Nachbehandlung. Die Beklagte übernahm hiervon zusätzlich zu den bewilligten 3607,02 Euro vergleichsweise, vorläufig und vorbehaltlich einer Rückforderung weitere 735,84 Euro. Der Kläger trug unter Berücksichtigung von 0,49 Euro Rabatt 759,80 Euro selbst. Das SG hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt (Urteil vom 6.12.2011). Das LSG hat die Berufung unter klarstellender Änderung des SG-Urteilstenors zurückgewiesen, da der Kläger Anspruch auf volle Kostenerstattung habe (Urteil vom 15.11.2012).

3

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 13 Abs 3 S 1 SGB V. Die Mehrkosten beruhten lediglich auf unzutreffender privatärztlicher Beratung und Abrechnung. Lucentis hätte vertragsärztlich verordnet und die Honorarabrechnung auf 76,93 Euro beschränkt sein müssen (§ 5 Abs 2, § 6 Abs 2 GOÄ, 2,3-facher Satz).

4

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. November 2012 und des Sozialgerichts Koblenz vom 6. Dezember 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. November 2012 aufzuheben und die Sache an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der beklagten KK ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das SG-Urteil unter Klarstellung des Tenors zurückgewiesen. Der Kläger hat nämlich gegen die Beklagte über die von ihr anerkannten 3607,02 Euro und die zusätzlich vorläufig geleisteten 735,84 Euro hinaus Anspruch auf Zahlung von weiteren 759,80 Euro. Die Beklagte lehnte es rechtwidrig ab, dem Kläger die vollen Kosten für die selbstbeschaffte Behandlung mit drei intravitrealen Injektionen von privatärztlich verordnetem Lucentis nebst Nachbehandlung in Höhe von insgesamt 5102,66 Euro zu erstatten. Die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage des § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(dazu 1.) sind erfüllt. Die Beklagte lehnte es zu Unrecht ab, die vollen Injektionsbehandlungskosten vorab zu übernehmen und unmittelbar mit dem Leistungserbringer abzurechnen. Die Beklagte konnte den Kläger nicht auf eine geringere privatärztliche Liquidation und eine vertragsärztliche Verordnung von Lucentis verweisen (dazu 2.). Der Kläger beschaffte sich deshalb die notwendige Behandlung selbst (dazu 3.). Dadurch entstanden ihm die geltend gemachten Kosten (dazu 4.).

8

1. Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten ist § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(hier anzuwenden in der seit 1.7.2001 geltenden Fassung des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Die Norm bestimmt: Hat die KK eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der KK in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN - LITT; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 13; BSGE 111, 137 = SozR 4-2500 § 13 Nr 25, RdNr 15; vgl zum Ganzen: E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, 19. Aufl, Stand 1.1.2013, § 13 SGB V RdNr 233 ff). Versicherte haben aus § 27 SGB V nicht lediglich ein bloßes subjektiv-öffentlich-rechtliches Rahmenrecht oder einen bloßen Anspruch dem Grunde nach(so noch BSGE 73, 271, 279 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 4 S 18 f = Juris RdNr 37), sondern einen konkreten Individualanspruch, dessen Reichweite und Gestalt sich aus dem Zusammenspiel mit weiteren gesetzlichen und untergesetzlichen Rechtsnormen ergibt (zum Individualanspruch Versicherter vgl BSG Beschluss vom 7.11.2006 - B 1 KR 32/04 R -, GesR 2007, 276, 283 = Juris RdNr 54; BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29, RdNr 11 mwN; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, 19. Aufl, Stand 1.1.2013, § 13 SGB V RdNr 53 f). Für den Anspruch aus § 13 Abs 3 S 1 SGB V genügt es, dass der Versicherte zwar keinen Natural- oder Sachleistungsanspruch nach Maßgabe des Leistungserbringungsrechts hat, wohl aber einen sachleistungsersetzenden Kostenerstattungs- oder -freistellungsanspruch wegen Systemversagens. So liegt es hier.

9

2. Der Kläger hatte zur Zeit der Behandlung 2011 einen Naturalleistungsanspruch auf drei intravitreale Injektionen mit ärztlich verordnetem Lucentis nebst Nachuntersuchung wegen feuchter Makuladegeneration. Welche Leistungen die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben, bemisst sich grundsätzlich nach dem Zusammenspiel von Leistungs- und Leistungserbringungsrecht (dazu a). Der Kläger hatte zwar keinen Naturalleistungsanspruch auf intravitreale Injektionen mit privatärztlich verordnetem Lucentis nebst Nachuntersuchung nach Maßgabe des Leistungserbringungsrechts, als die Beklagte den Antrag teilweise ablehnte. Denn es fehlte an einer Abrechnungsposition für eine vertragsärztliche intravitreale Injektion nebst zugehöriger Nachbehandlung im EBM (dazu b). Der Kläger hatte aber wegen Systemversagens einen Anspruch gegen die Beklagte darauf, dass sie die vollen Kosten der Injektionen vorab übernimmt, unmittelbar mit dem Leistungserbringer abrechnet und ihn freistellt oder sie ihm erstattet. Zu Unrecht lehnte es die Beklagte ab, dem Kläger Freistellung oder Erstattung der Kosten der Injektionen in vollem Umfang zu gewähren (dazu c).

10

a) Die Beklagte hatte dem Kläger im Rahmen der Krankenbehandlung sowohl ärztliche Behandlung als auch Arzneimittelversorgung zu gewähren. Sie war nach § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V dem Kläger zur Gewährung ärztlicher Behandlung verpflichtet, die vom Anspruch auf Krankenbehandlung umfasst ist. Versicherte haben hiernach Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit - hier altersbedingte feuchte Makuladegeneration rechts, subfoveal mit frischer Blutung - zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung auch die Versorgung der Versicherten ua mit Arzneimitteln (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB V; § 31 SGB V; BSGE 109, 218 = SozR 4-2500 § 31 Nr 20, RdNr 9 mwN). Versicherte erhalten grundsätzlich die krankheitsbedingt notwendigen, nicht der Eigenverantwortung (§ 2 Abs 1 S 1 SGB V)zugeordneten Arzneimittel (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB V)aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgrund vertragsärztlicher Verordnung (BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 3 RdNr 14; BSGE 111, 146 = SozR 4-2500 § 35 Nr 6, RdNr 12). Die Arzneimittel müssen hierzu apotheken- (§ 31 Abs 1 SGB V) und grundsätzlich - wie Lucentis - verschreibungspflichtig sein (vgl § 34 Abs 1 S 1 SGB V und zB BSGE 102, 30 = SozR 4-2500 § 34 Nr 4, RdNr 11 ff - Gelomyrtol forte, hierzu BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 12.12.2012 - 1 BvR 69/09 - NZS 2013, 297; BSGE 110, 183 = SozR 4-2500 § 34 Nr 9, RdNr 15 ff mwN).

11

Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, ggf modifiziert durch die Grundsätze grundrechtsorientierter Auslegung (vgl § 2 Abs 1a SGB V, zuvor BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 sowie zB BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 14 mwN zur Rspr).

12

aa) Ein Versorgungsanspruch eines Versicherten mit einem Fertigarzneimittel zur Krankenbehandlung erfordert, dass es zu Qualität und Wirksamkeit eines Arzneimittels grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne gibt, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (vgl zB BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, RdNr 7 mwN). Hierzu bedarf es bei Fertigarzneimitteln der erfolgreichen arzneimittelrechtlichen Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Mittels (vgl § 1 Arzneimittelgesetz; BSGE 95, 132 RdNr 9 f, 20 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 16 f, 27 - Wobe-Mugos E; dem folgend zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 21). Dementsprechend sind Fertigarzneimittel mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs 1 S 1, § 12 Abs 1 SGB V) grundsätzlich nicht von der Leistungspflicht der GKV nach § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 und 3, § 31 Abs 1 S 1 SGB V umfasst, wenn ihnen für die beabsichtigte Behandlung die nach § 21 Abs 1 AMG(§ 21 neugefasst durch Bekanntmachung vom 12.12.2005, BGBl I 3394, hier anzuwenden mit der Einfügung durch Art 2 Nr 12 Gesetz über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen vom 20.7.2007, BGBl I 1574 mWv 1.8.2007) erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (vgl zB BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 22 mwN - D-Ribose; BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 15 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 20 - Venimmun; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 29 mwN - Lorenzos Öl; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 21 mwN). Lucentis war zur Zeit der Behandlung des Klägers arzneimittelrechtlich zur intravitrealen Anwendung bei altersbedingter feuchter Makuladegeneration zugelassen.

13

bb) Die KKn sind nicht bereits dann für eine ärztliche Behandlung leistungspflichtig, wenn eine begehrte Therapie nach eigener Einschätzung des Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der GKV umfasst sein. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs 1 S 1 SGB V grundsätzlich nur dann der Fall, wenn zunächst der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben und der Bewertungsausschuss sie zudem zum Gegenstand des EBM gemacht hat(stRspr, vgl zum Ganzen zB BSGE 88, 126, 128 = SozR 3-2500 § 87 Nr 29; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 17 RdNr 14; BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29, RdNr 13 mwN; Hauck, NZS 2007, 461, 464 mwN). Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der KKn erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den KKn geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 12 - LITT; BSGE 111, 137 = SozR 4-2500 § 13 Nr 25, RdNr 16, stRspr; zur Bindungswirkung gegenüber allen Systembeteiligten vgl früher § 91 Abs 9 SGB V idF des Art 1 Nr 70 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I 2190; jetzt § 91 Abs 6 SGB V idF des Art 2 Nr 14 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378; zur Verfassungsmäßigkeit und ihrer Überprüfung vgl grundlegend BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 ff mwN - LITT; s auch zB BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 26 mwN).

14

b) Als der Kläger die Übernahme der kompletten Injektions-Behandlung bei der Beklagten beantragte, diese die Leistungsgewährung als Naturalleistung ablehnte und der Kläger sie sich anschließend selbst beschaffte, konnte die Beklagte die Injektions-Behandlung dem Kläger nach Maßgabe des vertragsärztlichen Leistungserbringungsrechts nicht als Naturalleistung zur Verfügung stellen. Das beruhte darauf, dass der GBA eine Empfehlung für intravitreale Injektionen nicht für erforderlich hielt, der EBM (vgl § 87 Abs 1 SGB V) aber keine Position für intravitreale Injektionen enthielt. Der GBA sah die Applikation von VEGF-Hemmern mittels intravitrealer Injektion nicht als neue ärztliche "Behandlungsmethode" im Sinne der GKV an und lehnte aus diesem Grund eine Empfehlung ab. Der Bewertungsausschuss schuf für intravitreale Injektionen nebst Nachbehandlung keine Abrechnungsposition im EBM. Der EBM sieht für solche Fälle auch keine Analogbewertung vor. Stationäre Krankenhausbehandlung anstelle vertragsärztlicher Behandlung kam nicht in Betracht. Krankenhausbehandlung ist nämlich nicht bereits deshalb erforderlich, weil eine bestimmte Leistung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zwar ambulant erbracht werden kann, vertragsärztlich aber mangels positiver Empfehlung des GBA oder Aufnahme einer Position in den EBM nicht zu Lasten der GKV geleistet werden darf (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19, zum Fehlen einer GBA-Empfehlung).

15

Der Kläger hatte in dieser Situation auch keinen Anspruch auf zumindest vertragsärztliche Verordnung von Lucentis. Denn eine vertragsärztliche Anwendung kam mangels EBM-Position nicht in Betracht. Das Arzneimittel darf nur ärztlich angewendet werden, denn es ist allein zur intravitrealen Injektion bestimmt. Solche Injektionen dürfen aufgrund der zu beachtenden qualitativen Anforderungen an Präzision und Sterilität nur von Ärzten vorgenommen werden, was keiner näheren Darlegung bedarf. Eine isolierte vertragsärztliche Verordnung, bei der anschließend eine eigentlich gebotene vertragsärztliche Anwendung nicht gesichert ist, dient keinem zulässigen Zweck einer Krankenbehandlung im Rahmen vertragsärztlicher Versorgung (§ 72 Abs 2 SGB V).

16

c) Der Kläger hatte aber wegen Systemversagens einen sachleistungsersetzenden Freistellungs- oder Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats sind Leistungen in einem solchen Ausnahmefall in den GKV-Leistungskatalog einbezogen, ohne dass es einer positiven Empfehlung des GBA und einer Aufnahme der Methode in den EBM bedarf. Die Rechtsprechung des erkennenden Senats erstreckt den Anwendungsbereich der Regelung des § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V über den ausdrücklich geregelten Kostenerstattungsanspruch hinaus auch auf Fälle der Kostenfreistellung(stRspr, vgl zB BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29, RdNr 10), wenn aufgrund Systemversagens eine Lücke im Naturalleistungssystem besteht, die verhindert, dass Versicherte sich die begehrte Leistung im üblichen Weg der Naturalleistung verschaffen können.

17

Grundsätzlich erbringt die KK den Versicherten - soweit hier von Interesse - vertragsärztliche Leistungen, indem sie - in der Regel vermittelt durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KÄVen; § 73 Abs 2, § 75 Abs 1 S 1 und 2 SGB V) - ihnen eine Vielzahl von zugelassenen Leistungserbringern verfügbar hält, unter denen sich die Versicherten den gewünschten Therapeuten frei auswählen und sich dann von ihm behandeln lassen (vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 29). Der Versicherte erhält die von ihm zu beanspruchenden Leistungen in der Regel dementsprechend nicht unmittelbar von der KK in Natur, sondern von Leistungserbringern. Die KKn bedienen sich regelmäßig der zugelassenen Leistungserbringer, um die Naturalleistungsansprüche der Versicherten zu erfüllen. Deshalb schließen sie über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (vgl § 2 Abs 2 S 3 SGB V idF durch Art 4 Nr 1 Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27.12.2003, BGBl I 3022; zuvor § 2 Abs 2 S 2 SGB V). Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung Zugelassenen (Ärzte etc) frei wählen. Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden (§ 76 Abs 1 S 1 und 2 SGB V, hier anzuwenden in der Fassung durch Art 6 Nr 17 Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung vom 28.5.2008, BGBl I 874 mWv 1.7.2008).

18

Dem Wahlrecht der Versicherten entsprechen die ihnen erwachsenden Obliegenheiten, um Naturalleistungen zu erhalten. Sie haben regelmäßig einen der zugelassenen Ärzte etc auszuwählen und zur Behandlung unter Vorlage der Krankenversicherungskarte aufzusuchen. Dabei ist den Versicherten geläufig, dass sie die Leistungen abgesehen von gesetzlichen Zuzahlungen kostenfrei erhalten. Wenn sie dagegen eine Leistung außerhalb des Naturalleistungssystems in Anspruch nehmen wollen, etwa weil die Versorgung mit zugelassenen Leistungserbringern vermeintlich nicht sichergestellt ist, müssen sie vorher die KK aufsuchen, um ihr zu ermöglichen, die angebliche Versorgungslücke zu überprüfen. Die Prüfung der KK ist auf das Vorhandensein einer Versorgungslücke beschränkt, die aus dem konkreten ärztlich festgestellten Bedarf erwächst, und erstreckt sich lediglich auf die Möglichkeiten, sie zu schließen (vgl zum Ganzen BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 32 ff mwN).

19

Welche Leistungen die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben, bemisst sich grundsätzlich - wie dargelegt - nach dem Zusammenspiel von Leistungs- und Leistungserbringungsrecht. Fehlt es an den erforderlichen Regelungen, um Versicherten die gebotenen Leistungen in der dargelegten Weise zu verschaffen, müssen die KKn hierfür durch Vorkehrungen außerhalb des Naturalleistungssystems Sorge tragen. Hierzu dient die Rechtsgrundlage des § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V. Es genügt in diesem Sinne für den Anspruch auf Kostenfreistellung aus § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V, dass der Versicherte zwar keinen Natural- oder Sachleistungsanspruch nach Maßgabe des Leistungserbringungsrechts hat, wohl aber einen sachleistungsersetzenden Kostenerstattungs- oder -freistellungsanspruch wegen Systemversagens. Der Anspruch sichert, dass Versicherte ihren Individualanspruch trotz der Mängel im System der Leistungserbringung verwirklichen können.

20

Der Senat hat dies bereits bejaht, wenn der GBA bei seiner Entscheidung gegen höherrangiges Recht verstieß (vgl zB BSGE 88, 62, 67 f = SozR 3-2500 § 27a Nr 3), etwa weil er objektiv willkürlich ein sektorenübergreifendes Prüfverfahren nicht auf die Empfehlung einer Methode für eine spezifische Indikation für die vertragsärztliche Versorgung erstreckte. In solchen Fällen gibt § 13 Abs 3 S 1 SGB V Versicherten ua das Recht, von ihrer KK zu verlangen, von den Kosten der betreffenden Leistung freigestellt zu werden, wenn sie notwendig ist(vgl dazu BSGE 88, 62, 74 f = SozR 3-2500 § 27a Nr 3 S 35 f; BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29, RdNr 16 mwN; Hauck, NZS 2007, 461, 464). Gleiches gilt, wenn zwar der GBA rechtmäßig über eine Empfehlung entschied, der Bewertungsausschuss aber eine danach mögliche Aufnahme (mindestens) einer Abrechnungsposition in den EBM unterließ, obwohl ohne (mindestens) eine solche Leistungsposition im EBM die gebotene ambulante Versorgung der Versicherten nicht möglich ist (vgl in diesem Sinne auch BSGE 79, 239, 243 = SozR 3-2500 § 87 Nr 14 S 50; BSGE 84, 247, 253 = SozR 3-2500 § 135 Nr 11; Freudenberg in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 87 RdNr 81; Hauck, NZS 2007, 461, 464; vgl auch Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand August 2014, K § 87 RdNr 53 mwN). So liegt der Fall hier.

21

Der GBA hielt rechtmäßig eine Empfehlung einer intravitrealen Injektion als neue Behandlungsmethode nicht für erforderlich (§ 135 Abs 1 S 1 SGB V). Er ging vertretbar davon aus, die Applikation von VEGF-Hemmern mittels intravitrealer Injektion nicht als neue ärztliche "Behandlungsmethode" im Sinne der GKV zu qualifizieren. Ärztliche "Behandlungsmethoden" im Sinne der GKV sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (vgl zB BSGE 82, 233, 237 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 - Jomol; vgl BSGE 88, 51, 60 = SozR 3-2500 § 27a Nr 2 mwN; BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29, RdNr 15 mwN). Die Applikation von Arzneimitteln durch Injektionen in den menschlichen Körper ist als wissenschaftliches Konzept schon lange bekannt und als solche im EBM abgebildet, nicht aber der spezielle Applikationsweg der intravitrealen Injektion. Es hält sich jedenfalls im Rahmen des Ermessens des Normgebers GBA, aus diesem Grund für den Gesamtkomplex intravitrealer Injektionen keine zusätzliche Empfehlung auszusprechen.

22

Der Bewertungsausschuss kam demgegenüber ohne tragfähige Sachgründe zunächst seinem gesetzlichen Auftrag nicht nach, für intravitreale Injektionen nebst Nachbehandlung Abrechnungspositionen im EBM zu schaffen (vgl auch Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage - BT-Drucks 17/10912 - vom 18.10.2012, BT-Drucks 17/11080 S 9 f). Ohne diese Positionen ist die vertragsärztliche Gesamtbehandlung mit intravitrealer Applikation von VEGF-Hemmern bei feuchter Makuladegeneration nicht möglich. Die Versorgung betrifft - unter Berücksichtigung insbesondere der Erkenntnisse aus der arzneimittelrechtlichen Zulassung - mit dem Erhalt der Sehfähigkeit für betroffene Versicherte eine Kernleistung der GKV. Sie steht als solche - bei wie dargelegt bestehender Beachtung der gesetzlichen Vorgaben - nicht zur Disposition des untergesetzlichen Normgebers, mag er auch im Interesse des Patientenschutzes Regelungen zur Qualitätssicherung vorsehen. Erst ab Oktober 2014 wird der EBM die Gebührenordnungsposition (GOP) 31371 für den operativen Eingriff am rechten Auge, die GOP 31372 für den operativen Eingriff am linken Auge und die GOP 31373 für einen beidseitigen Eingriff enthalten, zudem für die Abrechnung der Verlaufskontrolle für das rechte Auge die GOP 06334 und für das linke Auge die GOP 06335. Für belegärztliche Operationen werden laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KÄBV) analog dazu GOPs in das Kapitel 36 des EBM aufgenommen. Ärzte, die die intravitreale Injektion danach vornehmen, benötigen eine Genehmigung ihrer KÄV. Eine Vereinbarung zur Qualitätssicherung, die die Anforderungen an die Ärzte definiert, soll ebenfalls zum 1.10.2014 in Kraft treten (vgl Beschluss des Bewertungsausschusses in seiner 328. Sitzung am 25.6.2014 zur Änderung des EBM, DÄ 2014, A-1329 ff; KBV, Praxisnachrichten, Intravitreale Medikamenteneingabe bei Augenerkrankungen ab Oktober im EBM, 26.6.2014).

23

Die Beklagte musste den Kläger nach der Rechtsfolge des § 13 Abs 3 S 1 SGB V in vollem Umfang für die selbst beschaffte Leistung von entstandenen Kosten freistellen oder diese in der entstandenen Höhe erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Reichweite des Kostenerstattungsanspruchs bestimmt sich auch insoweit maßgeblich nach der konkreten Lücke im Leistungssystem, die er zu schließen hat (vgl BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 18, 23 mwN - UAE; BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23, RdNr 33; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, 19. Aufl, Stand 1.1.2013, § 13 SGB V RdNr 274 mwN). Erzwingt die rechtswidrige Leistungsablehnung der KK eine privatärztliche Selbstverschaffung des Versicherten, beschränkt sich der Erstattungsanspruch auf eine der Naturalleistung entsprechende Leistung (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25, 27). Bei der Leistungskonkretisierung ziehen die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen und nicht diejenigen für das Naturalleistungssystem die Grenzen für die Verschaffung einer entsprechenden Leistung. Nach den unangegriffenen, den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)war die Injektionsbehandlung des Klägers mit Lucentis einschließlich Nachuntersuchung notwendig.

24

d) Der Kläger musste sich nicht auf eine vertragsärztliche Verordnung von Lucentis verweisen lassen. Hierzu bestand nach dem oben Dargelegten kein Raum. Will im Übrigen eine KK durch die konkrete Wahl des privatärztlichen Leistungserbringers entstehende Mehrkosten vermeiden, weil zB nicht die Grenzen des gesetzlichen Preisrechts der GOÄ eingreifen, kann sie allerdings nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Versicherten im Rahmen ihrer die Leistungen ablehnenden Entscheidung auf konkrete günstige Möglichkeiten angemessener Selbstbeschaffung hinweisen (vgl BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23, RdNr 34). Die Beklagte bot indessen dem Kläger zur Schließung der Lücke im Versorgungssystem aufgrund des Systemversagens keine Möglichkeit angemessener Selbstbeschaffung an, auf die er sich im Interesse einer Kostenminderungsobliegenheit hätte einlassen müssen. Sie hätte dem Kläger konkret einen Vertragsarzt benennen müssen, der zur unverzüglichen Verordnung des benötigten Lucentis bereit war. Das unterblieb.

25

3. Der Kläger beschaffte sich aufgrund des Systemversagens die in Rede stehende notwendige Behandlung selbst. Das folgt aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG. Der Kläger hielt sich im Rahmen der - wie aufgezeigt durch das Systemversagen geprägten - Systemgrenzen, wenn er sich die Gesamtbehandlung einschließlich der Injektionen privatärztlich besorgte. Denn darauf hatte er Anspruch, wie oben dargelegt (vgl nochmals BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23, RdNr 33).

26

4. Durch die selbst beschaffte Behandlung entstanden dem Kläger auch die geltend gemachten Kosten. Die Beklagte zieht dies im Ergebnis hinsichtlich der Arzneimittelkosten zu Recht nicht in Zweifel. Nach den unangegriffenen, den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war der Kläger bei der Behandlung 2011 nicht zuzahlungspflichtig.

27

Das LSG hat mit zutreffenden Erwägungen aber auch bejaht, dass die Abrechnungen der ärztlichen Behandlung formell konform mit der GOÄ sind. Bei der ärztlichen Gebührenordnung handelt es sich um ein für alle Ärzte geltendes zwingendes Preisrecht. Vorbehaltlich eines anders lautenden Bundesgesetzes verpflichtet § 1 Abs 1 GOÄ alle Ärzte, die Vergütungen für ihre beruflichen Leistungen nach der GOÄ zu berechnen(vgl hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 20; zum Anwendungsbereich auch BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23, RdNr 37 ff). Die Fälligkeit der ärztlichen Vergütung hängt davon ab, dass die Rechnung die formellen Voraussetzungen der Regelung des § 12 Abs 2 bis 4 GOÄ erfüllt. Dies entspricht dem Zweck der komplexen Regelung über den notwendigen Inhalt einer Rechnung, dem Zahlungspflichtigen, von dem weder medizinische noch gebührenrechtliche Kenntnisse erwartet werden können, eine Grundlage für eine Überprüfung der in Rechnung gestellten Leistungen zu geben. Die Fälligkeit wird nicht davon berührt, dass die Rechnung mit dem materiellen Gebührenrecht nicht übereinstimmt (vgl insgesamt BGHZ 170, 252, RdNr 12 ff).

28

Soweit ein Versicherter - hier der Kläger - im Rahmen der Selbstbeschaffung einer ihm vorenthaltenen GKV-Leistung einer nach GOÄ fälligen Forderung ausgesetzt ist, kann ihn die auf Kostenerstattung in Anspruch genommene KK nicht darauf verweisen, er hätte auf eigenes Risiko einen Rechtsstreit gegen eine möglicherweise nach materiellem Gebührenrecht überhöhte Rechnung führen müssen. Dies würde vernachlässigen, dass die KK den Versicherten erst durch die rechtswidrige Leistungsablehnung oder Nichtleistung einer unaufschiebbaren Leistung in die Verlegenheit gebracht hat, sich das ihm Zustehende selbst zu beschaffen. Die KK kann vielmehr dem Versicherten anbieten, ihn in einem Rechtsstreit auf Abrechnungsminderung zu unterstützen und von den Kosten freizustellen mit der Folge, dass sich bei einem Erfolg der Umfang der zu erstattenden Kosten reduziert.

29

Die Beklagte machte hiervon keinen Gebrauch. Sie kann sich insoweit nicht mit Erfolg darauf berufen, die Abrechnung der intravitrealen Injektionen analog einer Vitrektomie (§ 6 Abs 2 GOÄ, Ziff A 1383)entsprechend der seinerzeit bestehenden Empfehlung des Bundesverbandes der Augenärzte sei überhöht gewesen und habe auch die Nachbehandlung umfasst (vgl dagegen zB VG Ansbach Urteil vom 26.1.2011 - AN 15 K 08.02057, AN 15 K 10.00633, AN 15 K 10.00634).

30

Anders läge es, wenn dem Kläger etwa deshalb gar keine Kosten entstanden, weil der behandelnde Arzt anstelle der Vergütung von Einzelleistungen ein Pauschalhonorar ohne Bezugnahme auf das Leistungsverzeichnis der GOÄ in Rechnung stellte und den Auslagenersatz pauschalierte (vgl zB BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 17 S 79 mwN; BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 22; BVerfG NJW 1992, 737; BGH NJW 2006, 1879 ff). Trotzdem - ohne positive Kenntnis dieser Rechtslage - geleistete Zahlungen kann der Patient vom Arzt selbst dann zurückfordern, wenn er sich mit dem Operationsergebnis zufrieden gezeigt hat (vgl BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 22; BGH NJW 2006, 1879 ff). Der Kläger war demgegenüber nach diesem Maßstab einer fälligen, GOÄ-konformen Forderung ausgesetzt.

31

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Qualitätssicherung der Früherkennungsuntersuchungen sowie zur Durchführung organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a einschließlich der systematischen Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität dieser Programme,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden,
6.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes,
7.
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches,
8.
Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation,
9.
Bedarfsplanung,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 sowie die Kryokonservierung nach § 27a Absatz 4,
11.
Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Krankentransporten,
13.
Qualitätssicherung,
14.
spezialisierte ambulante Palliativversorgung,
15.
Schutzimpfungen.

(1a) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 sind auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben, einen Beschluss zu einzelnen dem Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu überprüfen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Bei Nichteinhaltung der Frist fasst eine aus den Mitgliedern des Bundesausschusses zu bildende Schiedsstelle innerhalb von 30 Tagen den erforderlichen Beschluss. Die Schiedsstelle besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Bundesausschusses und je einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmten Vertreter. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ist den für die Wahrnehmung der Interessen von Zahntechnikern maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1b) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 ist den in § 134a Absatz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(2) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a und 35b so zusammenzustellen, daß dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, sind zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zu den Therapiekosten und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt; § 73 Abs. 8 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können ferner für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:

1.
Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind,
2.
Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind,
3.
Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
Absatz 3a gilt entsprechend. In den Therapiehinweisen nach den Sätzen 1 und 7 können Anforderungen an die qualitätsgesicherte Anwendung von Arzneimitteln festgestellt werden, insbesondere bezogen auf die Qualifikation des Arztes oder auf die zu behandelnden Patientengruppen. In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 können auch Therapiehinweise zu Arzneimitteln außerhalb von Zusammenstellungen gegeben werden; die Sätze 3 und 4 sowie Absatz 1 Satz 1 dritter Halbsatz gelten entsprechend. Die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 können Empfehlungen zu den Anteilen einzelner Wirkstoffe an den Verordnungen im Indikationsgebiet vorsehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt die Grundsätze für die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 in seiner Verfahrensordnung. Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse nach Absatz 1 für Arzneimittel beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss gesondert in Richtlinien außerhalb von Therapiehinweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 hergestellt werden kann. Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nach Absatz 1 Satz 1 dürfen den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen.

(2a) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Absatz 3a gilt für die Forderung nach Satz 1 entsprechend. Das Nähere zu den Voraussetzungen, zu der Forderung ergänzender Studien, zu Fristen sowie zu den Anforderungen an die Studien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Werden die Studien nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der Gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine gesonderte Klage gegen die Forderung ergänzender Studien ist ausgeschlossen.

(3) Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach Absatz 2 gelten die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen nach Absatz 2 Satz 2, die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen nach Absatz 2 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach Absatz 2 ist unzulässig.

(3a) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes und Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gutachten oder Empfehlungen von Sachverständigen, die er bei Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes sowie bei Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 zu Grunde legt, bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zu benennen und zu veröffentlichen sowie in den tragenden Gründen der Beschlüsse zu benennen.

(4) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 sind insbesondere zu regeln

1.
die Anwendung wirtschaftlicher Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen mehrere Maßnahmen zur Früherkennung zusammenzufassen sind,
2.
das Nähere über die Bescheinigungen und Aufzeichnungen bei Durchführung der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
3.
Einzelheiten zum Verfahren und zur Durchführung von Auswertungen der Aufzeichnungen sowie der Evaluation der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einschließlich der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a.

(4a) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2021 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung in geeigneten Fällen. Bei der Festlegung der Regelungen nach Satz 1 ist zu beachten, dass im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung diese nicht über einen Zeitraum von bis zu drei Kalendertagen hinausgehen und ihr keine Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit folgen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen nach Satz 1 über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Bei der Erstellung des Berichtes ist den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In Ergänzung der nach Satz 1 beschlossenen Regelungen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Januar 2024 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen sowie ausschließlich bezogen auf in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannte Patientinnen und Patienten auch nach telefonischer Anamnese.

(5) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 ist den in § 111b Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer, den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Neunten Buches) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. In den Richtlinien ist zu regeln, bei welchen Behinderungen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Verfahren die Vertragsärzte die Krankenkassen über die Behinderungen von Versicherten zu unterrichten haben.

(6) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist insbesondere zu regeln

1.
der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel,
2.
die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen,
3.
die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung,
4.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer,
5.
auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Absatz 11 Satz 1 verzichtet werden kann sowie
6.
die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Absatz 11 Satz 1.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Heilmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 125 Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen Anforderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.

(6b) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die diagnoseorientiert und leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. In der Richtlinie sind auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs von der stationären in die ambulante Versorgung zu treffen.

(6c) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierzu Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Er kann den Anwendungsbereich seiner Richtlinie auf die Versorgung von Versicherten erstrecken, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.

(7) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 sind insbesondere zu regeln

1.
die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung,
2.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus,
3.
die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege und für die Mitgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt,
4.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur Dekolonisation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA),
5.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Leistungserbringern und zu den Regelungen gemäß Satz 1 Nummer 5 zusätzlich den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7a) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Hilfsmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 127 Absatz 9 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer und den Spitzenorganisationen der betroffenen Hilfsmittelhersteller auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7b) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 14 ist den maßgeblichen Organisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7c) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Soziotherapie nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7d) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e ist den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Methoden, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung am Menschen angewandt werden, ist auch der Strahlenschutzkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7e) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht. Es wird durch zwei Vertreter der Länder ausgeübt, die von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder benannt werden. Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über Anträge der Länder in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Entscheidungen über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe und die Bestellung von Sachverständigen durch den zuständigen Unterausschuss sind nur im Einvernehmen mit den beiden Vertretern der Länder zu treffen. Dabei haben diese ihr Votum einheitlich abzugeben.

(7f) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 und den Beschlüssen nach den §§ 136b und 136c erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht; Absatz 7e Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach § 136 Absatz 1 in Verbindung mit § 136a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ist dem Robert Koch-Institut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Robert Koch-Institut hat die Stellungnahme mit den wissenschaftlichen Kommissionen am Robert Koch-Institut nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes abzustimmen. Die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(7g) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ist den in § 132l Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer sowie den für die Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Versicherten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(8) Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Bestandteil der Bundesmantelverträge.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. November 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für das selbst beschaffte Arzneimittel Iscador M (Iscador).

2

Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin erkrankte an einem Mammakarzinom, das im Juli 2007 operativ entfernt wurde. Die Klägerin erhielt im Anschluss an die durchgeführte Chemotherapie eine Therapie mit dem apothekenpflichtigen nicht verschreibungspflichtigen anthroposophischen Mistelpräparat Iscador zunächst zu Lasten der Beklagten. Die Klägerin beantragte, die von ihrer Hausärztin und dem Gynäkologen Dr. S. befürwortete adjuvante Iscador-Therapie für weitere fünf Jahre zu übernehmen (13.12.2011). Die Beklagte lehnte dies ab: Die Tumorbehandlung mit Mistelpräparaten zu Lasten der KK sei auf die palliative Behandlung beschränkt (Bescheid vom 27.12.2011; Widerspruchsbescheid vom 15.6.2012). Die Klägerin hat sich deshalb schrittweise Iscador aufgrund privatärztlicher Verordnung für insgesamt 1504,27 Euro selbst verschafft. Ihre Klage auf Kostenerstattung ist ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des SG vom 18.12.2013). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen: Die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 3 SGB V lägen nicht vor. Die Verordnung von Mistelpräparaten unterliege Anwendungsbeschränkungen (§ 34 Abs 1 S 1 und 2 SGB V, § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V iVm § 12 Abs 6 und der Anlage I zum Abschnitt F der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung - Arzneimittel-Richtlinie ). Mistelpräparate seien danach zu Lasten der KK nicht im Rahmen einer adjuvanten, sondern nur einer palliativen Therapie von malignen Tumoren zur Verbesserung der Lebensqualität verordnungsfähig. Das habe auch schon vor der klarstellenden Änderung des § 12 Abs 6 S 1 AM-RL mWv 21.6.2012 gegolten (Urteil vom 12.11.2014).

3

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der § 34 Abs 1 S 2, 3, Abs 3 S 2 und § 2 Abs 1 S 2 SGB V und macht Verfahrensfehler geltend.

4

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. November 2014 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 18. Dezember 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 1504,27 Euro zu erstatten,

 hilfsweise,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. November 2014 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat zu Recht die Berufung der Klägerin gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das selbstbeschaffte anthroposophische Mistelpräparat Iscador gegen die beklagte KK.

8

Die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten - § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(dazu 1.) - sind nicht erfüllt. Iscador ist als nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel für die adjuvante Krebstherapie grundsätzlich nicht vom Leistungskatalog des SGB V umfasst. Der GBA macht hiervon in der AM-RL lediglich für Mistelpräparate beschränkt auf den Einsatz in der palliativen Therapie eine Ausnahme, indem er diese in die Liste der verordnungsfähigen nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel aufnahm. Die Anwendungsbeschränkung "in der palliativen Therapie" gilt auch für Arzneimittel der besonderen Therapierichtung Anthroposophie (dazu 2.). Die Regelung der AM-RL steht mit Gesetzesrecht (dazu 3.) und Verfassungsrecht in Einklang (dazu 4.). Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine Verletzung europäischen Rechts berufen (dazu 5.).

9

1. Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten ist § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(idF durch Art 1 Nr 5 Buchst b Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21.12.1992, BGBl I 2266). Die Norm bestimmt: Hat die KK eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der KK in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN - LITT; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 13; BSGE 111, 137 = SozR 4-2500 § 13 Nr 25, RdNr 15; vgl zum Ganzen: Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, 19. Aufl, Stand: Juni 2015, § 13 SGB V RdNr 233 ff). Hierfür genügt schon ein sachleistungsersetzender Kostenerstattungs- oder -freistellungsanspruch wegen Systemversagens (vgl BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 8). An einem Naturalleistungsanspruch in diesem Sinne fehlt es.

10

2. Die Versorgung Versicherter mit dem Arzneimittel Iscador zur adjuvanten Krebstherapie ist nicht vom Leistungskatalog des SGB V umfasst. Das Mittel ist mangels Verschreibungspflicht gesetzlich grundsätzlich aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgeschlossen (dazu a). Der GBA hat es auch nicht in die Liste dennoch verordnungsfähiger Arzneimittel aufgenommen (dazu b).

11

a) Nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ua die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 3 Fall 1 SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V ausgeschlossen sind(§ 31 Abs 1 S 1 SGB V). Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel wie Iscador sind gemäß § 34 Abs 1 S 1 SGB V von der Versorgung nach § 31 SGB V grundsätzlich ausgeschlossen.

12

b) Der GBA hat keine Ausnahme vom grundsätzlich bestehenden Versorgungsausschluss für Iscador geregelt. Der GBA legt in den Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können(§ 34 Abs 1 S 2 SGB V). Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen (§ 34 Abs 1 S 3 SGB V). Das nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel Iscador ist nach der AM-RL des GBA lediglich palliativ, nicht aber in der adjuvanten Krebstherapie ausnahmsweise verordnungsfähig. Dies gilt sowohl für die Zeit bis 20.6.2012 (dazu aa) als auch für die Zeit ab dem 21.6.2012 (dazu bb).

13

aa) Die ab Dezember 2011 geltende Fassung der AM-RL lässt lediglich die Versorgung mit Mistel-Präparaten zu Lasten der GKV in der palliativen Therapie von malignen Tumoren zur Verbesserung der Lebensqualität zu. Die AM-RL wiederholt zunächst den grundsätzlichen Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V(vgl § 4 Abs 2 Nr 2, § 12 Abs 1 AM-RL 2011 in der ab 1.12.2011 maßgebenden Fassung vom 18.12.2008/22.1.2009, BAnz 2009 Nr 49a vom 31.3.2009, zuletzt geändert am 20.10.2011, BAnz Nr 173 vom 17.11.2011 S 4041), sodann den vom GBA auszufüllenden Ausnahmetatbestand (§ 34 Abs 1 S 2 SGB V), dass Arzneimittel bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten (vgl § 4 Abs 4, § 12 Abs 2 AM-RL). Sie definiert Krankheiten als schwerwiegend, die lebensbedrohlich sind oder aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigen (§ 12 Abs 3 AM-RL). Als Therapiestandard gilt nach der AM-RL ein Arzneimittel, wenn der therapeutische Nutzen zur Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht (§ 12 Abs 4 AM-RL). Die AM-RL führt sodann schwerwiegende Erkrankungen und Standardtherapeutika zu deren Behandlung in ihrer Anlage I (OTC-Übersicht) auf (§ 12 Abs 5 AM-RL). Die Anlage I der AM-RL bezeichnet in Nr 32 als ausnahmsweise verordnungsfähige Arzneimittel Mistel-Präparate, parenteral, auf Mistellektin normiert, nur in der palliativen Therapie von malignen Tumoren zur Verbesserung der Lebensqualität. Die Regelung erfasst dagegen nicht die betroffene Versorgung der Klägerin mit Iscador, auch wenn es auf Mistellektin normiert sein sollte. Hierzu wie auch zum Schweregrad der Erkrankung der Klägerin fast fünf Jahre nach der Tumorentfernung hat das LSG - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Denn die Klägerin erhielt Iscador im Rahmen einer adjuvanten, nicht einer palliativen Therapie.

14

Die AM-RL bezieht die adjuvante Tumortherapie mit Iscador auch nicht durch die Regelung über Arzneimittel der Anthroposophie und Homöopathie in den GKV-Leistungskatalog ein (§ 12 Abs 6 AM-RL). Danach kann die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt für die in der Anlage I aufgeführten Indikationsgebiete bei schwerwiegenden Erkrankungen auch Arzneimittel der Anthroposophie und Homöopathie verordnen, sofern die Anwendung dieser Arzneimittel für diese Indikationsgebiete nach dem Erkenntnisstand als Therapiestandard in der jeweiligen Therapierichtung angezeigt ist.

15

Die Verordnung eines anthroposophischen Arzneimittels (zur Legaldefinition s § 4 Abs 33 Arzneimittelgesetz) zu Lasten der GKV "für die in der Anlage I aufgeführten Indikationsgebiete bei schwerwiegenden Erkrankungen" setzt schon nach dem klaren Wortlaut voraus, dass ua alle in der Anlage I Nr 32 genannten Merkmale erfüllt sind. Sie umfasst nach ihrem Wortlaut mit dem Begriff "Indikationsgebiete" auch die Anwendungsvoraussetzungen - hier in der palliativen Therapie zur Verbesserung der Lebensqualität -, die den zweckbestimmten Einsatz der Wirkstoffe beschreiben. In der medizinischen Wissenschaft bezeichnet der Begriff "Indikation" bei einem Arzneimittel die dem Arzneimittel gegebene Zweckbestimmung. Die Anwendungsbezogenheit eines Arzneimittels zeigt sich auch bei der arzneimittelrechtlichen Zulassung. Danach ist der Begriff Indikation bzw Anwendungsgebiet gleichbedeutend mit dem in der medizinischen Wissenschaft gebräuchlichen Begriff "Indikation". Er bezeichnet die dem Arzneimittel gegebene Zweckbestimmung, umschreibt also das Gebiet, in dem das Arzneimittel im konkreten Fall eingesetzt werden soll (vgl BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 6 RdNr 9; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 21 f; BSGE 89, 184, 191 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 35 f; BSGE 108, 183 = SozR 4-2500 § 92 Nr 12 RdNr 43; Kloesel/Cyran, Kommentar zum Arzneimittelrecht - AMG, Stand 1.4.2014, Bd 2, § 11 Anm 36; zum Begriff der Indikation siehe auch Hauck, NJW 2013, 3334).

16

Die Regelung des § 12 Abs 6 AM-RL unterscheidet zudem systematisch zwischen dem "Indikationsgebiet" und der "schwerwiegenden Erkrankung". Sie ergäbe einen anderen Sinn, reichte - wie die Klägerin meint - die schwerwiegende Erkrankung für eine Verordnung des Mistelpräparats aus. Der GBA hat gerade nicht geregelt, dass "für die in der Anlage I aufgeführten schwerwiegenden Erkrankungen die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt auch Arzneimittel der Anthroposophie und Homöopathie verordnen kann, sofern dies nach dem Erkenntnisstand als Therapiestandard in der jeweiligen Therapierichtung angezeigt ist".

17

Die Regelung des § 12 Abs 6 AM-RL bezweckt, an die gesetzliche Voraussetzung der "nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten", anzuknüpfen, und zwar konkret an die "in der Anlage I aufgeführten Indikationsgebiete bei schwerwiegenden Erkrankungen". Eine Voraussetzung für die Verordnung des Arzneimittels Iscador ist dementsprechend jedenfalls auch dessen Einsatz in der palliativen Tumortherapie zur Verbesserung der Lebensqualität. Daran fehlte es bei der Klägerin.

18

Die Entwicklungsgeschichte der AM-RL und der OTC-Übersicht bestätigt die Auslegung des erkennenden Senats. Vorgängerregelung zu § 12 Abs 6 AM-RL war die im Wesentlichen wortgleiche Regelung in Nr 16.5 AM-RL aF, die ebenfalls eine vollumfängliche Bezugnahme auf alle in - der OTC-Übersicht entsprechenden - Nr 16.4 AM-RL aF genannten Merkmale also auch auf den Einsatz in der Palliativmedizin enthielt. Dies wird bereits in der Überschrift zu 16.4 AM-RL aF "Schwerwiegende Erkrankungen und Standardtherapeutika" deutlich, die nicht zwischen "Anwendungsvoraussetzungen" und "Indikationsgebiete" unterscheidet. Wenn 16.5 AM-RL aF nun auf die im Abschnitt 16.4 AM-RL aF "aufgeführten Indikationsgebiete" verweist, kann damit nur eine vollumfängliche Bezugnahme auf die in 16.4 AM-RL aF genannten Voraussetzungen gemeint sein. Anderenfalls hätte es genügt, in 16.5 der AM-RL auf die im Abschnitt 16.4 AM-RL aF genannten "schwerwiegenden Erkrankungen" zu verweisen.

19

Nachdem dennoch eine Diskussion darüber entstand, ob durch den Passus der Nr 16.5 AM-RL aF "für diese Indikationsgebiete nach dem Erkenntnisstand als Therapiestandard in der jeweiligen Therapierichtung angezeigt" eine vollumfängliche Bezugnahme auf alle in Nr 16.4 AM-RL aF jeweils genannten Merkmale erfolgt sei, nahm der GBA eine Änderung der Nr 16.5 AM-RL aF vor. Er beschloss am 21.12.2004, dass nach dem (zweiten) Wort "Indikationsgebiete" in der Formulierung der Nr 16.5 AM-RL aF die Wörter "und Anwendungsvoraussetzungen" eingefügt werden. Damit sollte klargestellt werden, dass die Anwendungseingrenzung auf den Einsatz "nur in der palliativen Therapie" auch für die anthroposophische und homöopathische Medikation Geltung beansprucht. Der GBA hat damit als Normgeber selbst eine "authentische Interpretation" des genannten Passus vorgenommen, an der er auch festhielt, nachdem das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) diesen Beschluss beanstandete (18.2.2005). Die vom GBA hiergegen erhobene Klage war vor dem BSG erfolgreich (Urteil vom 11.5.2011 - B 6 KA 25/10 R - BSGE 108, 183 = SozR 4-2500 § 92 Nr 12). Das BSG bestätigte die Rechtsauffassung des GBA zum Umgang mit homöopathischen und anthroposophischen Präparaten im Sinne einer formalen Gleichstellung zu allopathischen nicht verschreibungspflichtigen Präparaten auch bezüglich der eingrenzenden Anwendungsvoraussetzungen. Eine weitergehende Verpflichtung des GBA, der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen, als dies mit Nr 16.5 AM-RL aF geschehen ist, bestehe nicht. Nach der Entscheidung des BSG gab der GBA den Änderungsbeschluss vom 21.12.2004 - redaktionell angepasst - nach § 94 Abs 2 SGB V bekannt, wonach in § 12 Abs 6 S 1 AM-RL nach den Wörtern "für diese Indikationsgebiete" die Wörter "und Anwendungsvoraussetzungen" eingefügt wurden.

20

bb) Für die Zeit ab dem 21.6.2012 gilt das Gleiche wie zuvor. Die wirksame Einfügung der Worte in § 12 Abs 6 S 1 AM-RL seit 21.6.2012: "und Anwendungsvoraussetzungen" bedeutet - wie dargelegt - keine sachliche Änderung, sondern lediglich eine redaktionelle Klarstellung.

21

Der GBA machte die Änderung der AM-RL wirksam am 20.6.2012 bekannt. Den Richtlinien des GBA kommt rechtliche Bedeutung erst ab ihrer Bekanntmachung im Bundesanzeiger (§ 94 Abs 2 SGB V) zu; der Zeitpunkt der Beschlussfassung ist nicht maßgebend (vgl grundlegend BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 70). Der GBA durfte sich formell darauf beschränken, den ursprünglich am 21.12.2004 gefassten, wegen der Beanstandung des Ministeriums zunächst nicht veröffentlichten Beschluss zur Änderung der AM-RL idF vom 31.8.1993 nebst späterer Änderung (GBA Beschluss vom 16.3.2004, Bekanntmachung im BAnz Nr 77 vom 23.4.2004 S 8905) redaktionell anzupassen und die tragenden Gründe entsprechend zu ergänzen, um ihn wirksam werden zu lassen (zum Fehlen des Erfordernisses, ein neues Stellungnahmeverfahren durchzuführen, vgl unten II 3. a). Die vom GBA beschlossenen Richtlinien sind dem BMG vorzulegen. Es kann sie innerhalb von zwei Monaten beanstanden (vgl § 94 Abs 1 S 1 und S 2 Halbs 1 SGB V). Unterbleibt die Beanstandung, sind sie zu veröffentlichen (§ 94 Abs 2 S 1 SGB V). Dem Unterbleiben einer Beanstandung ist es zunächst gleich zu erachten, wenn das Ministerium eine Richtlinie beanstandet, der GBA sich dagegen mit der Anfechtungs- oder Aufsichtsklage wendet und das Gericht die Beanstandung aufhebt. Denn mit der Rechtskraft des Urteils ist die Beanstandung beseitigt. Dasselbe muss gelten, wenn der GBA entsprechend gerichtlicher Anregung seine ursprünglich gegen eine Beanstandung erhobene Anfechtungs- oder Aufsichtsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umstellt, weil das Gericht nach lediglich formeller Änderung der Richtlinie - hier: Ersetzung der römischen Ziffern durch Paragraphen ohne inhaltliche Änderung - von einer Erledigung nach Klageerhebung ausgeht. Auch in einem solchen Fall gebietet es der Grundsatz der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG), dem GBA zu ermöglichen, nach Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beanstandung die nunmehr in der Sache nicht zu beanstandende Richtlinie unter redaktioneller Anpassung zu veröffentlichen. Die Bekanntmachung der Richtlinie muss in diesem Fall nicht nur einen Hinweis auf die Fundstelle der Veröffentlichung der tragenden Gründe im Internet enthalten (§ 94 Abs 2 S 2 SGB V), sondern in den tragenden Gründen auf diesen Sonderfall eingehen.

22

Der GBA ist verfahrensmäßig korrekt diesen Weg gegangen: Er beschloss nach gerichtlicher Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beanstandung, die AM-RL entsprechend dem Ausgangsbeschluss vom 21.12.2004 redaktionell angepasst zu veröffentlichen (Beschluss vom 19.4.2012). Das Ministerium beanstandete diesen Beschluss nicht. Der GBA gab ihn daraufhin am 20.6.2012 formgerecht im Bundesanzeiger bekannt und verwies für den Inhalt der hierzu von ihm verfassten tragenden Gründe auf die Fundstelle der Veröffentlichung der tragenden Gründe im Internet.

23

3. Es steht mit Gesetzesrecht in Einklang, dass die adjuvante Tumortherapie mit Iscador nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig ist. Die Entscheidung des GBA in der AM-RL aF (Nr 16.5 idF durch den Beschluss vom 16.3.2004, BAnz Nr 77 vom 23.4.2004 S 8905; § 12 Abs 6 in der bis 20.6.2012 geltenden Fassung, aaO) und in der AM-RL nF (§ 12 Abs 6 idF ab 21.6.2012, aaO) nach § 34 Abs 1 S 2 SGB V beachtet die gesetzlichen Vorgaben. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Entscheidung des GBA, die nach § 34 Abs 1 S 1 SGB V ausgeschlossene adjuvante Tumortherapie mit Iscador nicht durch die AM-RL in den Kreis der zu Lasten der GKV verordnungsfähigen Arzneimittel einzubeziehen, mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar. Richtlinien des GBA - hier speziell zum Ausnahmekatalog apotheken-, aber nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel (§ 34 Abs 1 S 2, § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V)- sind nach der Gesetzeskonzeption (§§ 91, 92, 94 SGB V)entsprechend der Rechtsprechung des BSG untergesetzliche Rechtsnormen. Ihre Bindungswirkung gegenüber allen Systembeteiligten sieht das Gesetz ausdrücklich vor (vgl § 91 Abs 9 SGB V idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, jetzt § 91 Abs 6 SGB V). Die vom GBA erlassenen, im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden normativen Regelungen sind gerichtlich nicht nur formell, sondern auch inhaltlich in der Weise zu überprüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte, wenn und soweit hierzu aufgrund hinreichend substantiierten Beteiligtenvorbringens konkreter Anlass besteht (bisher stRspr; vgl zB BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 32, 37; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 21, 26 mwN). Zusätzlich ist besonderes Augenmerk auf die Normdichte der gesetzlichen Ermächtigung in Relation zur Eingriffstiefe zu richten, um verfassungsrechtlich die hinreichende Legitimation des GBA zu überprüfen (vgl dazu unten, unter II 4.).

24

Die Rechtmäßigkeit der Nichtaufnahme der adjuvanten Tumortherapie mit Iscador als verordnungsfähig in die AM-RL aF und die AM-RL ist insbesondere an den Regelungen des § 34 Abs 1 S 2 und 3 SGB V zu messen. Nach § 34 Abs 1 S 3 SGB V ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Hinsichtlich der Auslegung der gesetzlichen Rechtsbegriffe "nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten", und "der therapeutischen Vielfalt Rechnung tragen" verbleibt dem GBA kein Gestaltungsspielraum. Das gilt auch für die Vollständigkeit der vom GBA zu berücksichtigenden Studienlage (vgl hierzu zB BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 37).

25

Erst über die weitere Konkretisierung des Gesetzes entscheidet der GBA als Normgeber. Insoweit darf die sozialgerichtliche Kontrolle ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom GBA getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (vgl BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 38; ähnlich BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 67 - Therapiehinweise). Nach diesem Maßstab hat der GBA über die Nichtaufnahme der adjuvanten Tumortherapie mit Iscador inhaltlich gesetzeskonform entschieden.

26

a) Der GBA hat die im Interesse der verfassungsrechtlichen Anforderungen der Betroffenenpartizipation umfassend durch Gesetz und - inzwischen - Verfahrensordnung (VerfO) des GBA (vgl jetzt Kap 4 der VerfO des GBA) ausgestalteten und abgesicherten Beteiligungsrechte gewahrt. Diese stellen sicher, dass alle sachnahen Betroffenen selbst oder durch Repräsentanten auch über eine unmittelbare Betroffenheit in eigenen Rechten hinaus Gelegenheit zur Stellungnahme haben, wenn ihnen nicht nur marginale Bedeutung zukommt (vgl dazu BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 34; Hauck, NZS 2010, 600, 604). Die den Beteiligten bekannten "tragenden Gründe zum Beschluss" des GBA vom 19.4.2012 und die ebenso bekannte Pressemitteilung des GBA vom 16.3.2004 belegen konkret sein formal korrektes Vorgehen ab Ende 2003 (durch den Vorgänger des GBA), 2004 und 2012, soweit - und sei es auch nur mittelbar - Rechte der Klägerin betroffen sein können. Dagegen kann es der erkennende Senat offenlassen, ob der GBA auch insoweit korrekt vorgegangen ist, als lediglich Rechte Dritter betroffen sein könnten.

27

Die Klägerin zieht - dementsprechend zutreffend - zwar nicht die Rechtmäßigkeit des Verfahrens für den Erlass der Ursprungsrichtlinie (GBA Beschluss vom 16.3.2004, Bekanntmachung im BAnz Nr 77 vom 23.4.2004 S 8905) und die Fassung des Änderungsbeschlusses vom 21.12.2004 in Zweifel, wohl aber die Rechtmäßigkeit der Bekanntmachung 2012 ohne erneutes Stellungnahmeverfahren (§ 92 Abs 3a SGB V). Damit vermag sie ungeachtet der Frage nach einer Verletzung in eigenen Rechten nicht durchzudringen. Denn es bedurfte keines neuen Stellungnahmeverfahrens.

28

Ein erneutes Stellungnahmeverfahren ist durchzuführen, wenn sich die Tatsachengrundlage oder der Beschlussinhalt gegenüber dem zur Stellungnahme gestellten Entwurf wesentlich verändert haben und die Stellungnahmeberechtigten von den Änderungen unmittelbar betroffen sind (Kap 1 § 14 Abs 1 S 1 VerfO des GBA vom 18.12.2008, Beilage BAnz Nr 84a vom 10.6.2009). Diese Regelung ist gesetzeskonform (vgl § 91 Abs 4 S 1 Nr 1, § 92 Abs 3a SGB V). Der GBA durfte rechtmäßig davon ausgehen, dass sich weder die Tatsachengrundlage noch der Beschlussinhalt gegenüber dem zur Stellungnahme gestellten Entwurf wesentlich verändert haben.

29

Der ursprünglich zur Stellungnahme gestellte Entwurf mündete im Beschluss vom 21.12.2004. Die Korrektheit des seinerzeit gewählten Verfahrens wird daraus deutlich, dass der GBA die stellungnahmeberechtigten Organisationen zur Stellungnahme aufforderte (Beschluss vom 17.8.2004, Schreiben vom 10.9.2004), hierbei die in Nr 16.5 beabsichtigte Änderung in Gestalt der Einführung der Worte "und Anwendungsvoraussetzungen" mitteilte und die eingegangenen Stellungnahmen in der 3. Sitzung der Arbeitsgruppe "OTC" des Unterausschusses "Arzneimittel" beraten ließ. Der Arbeitsgruppe "OTC" gehörten Vertreter der Kassen- und der Ärzteseite sowie Patientenvertreter an. Nach der Abschlussdiskussion im Unterausschuss "Arzneimittel" (7.12.2004) wertete der GBA die Stellungnahmen zur beabsichtigten Änderung (Nr 16.5 der AM-RL) ausführlich aus (tragende Gründe des Beschlusses vom 21.12.2004).

30

Der Inhalt des Beschlusses vom 19.4.2012 änderte jenen Beschluss vom 21.12.2004 lediglich redaktionell, indem er "Nummer 16.5" durch die Angabe "§ 12 Abs. 6 Satz 1" ersetzte. Zudem entschied der GBA, den Beschluss vom 21.12.2004 in der redaktionell angepassten Form nunmehr im Bundesanzeiger zu veröffentlichen, da das BSG die Rechtswidrigkeit der Beanstandung festgestellt hatte (vgl oben). Der GBA prüfte und verneinte auch, dass sich die Tatsachengrundlage gegenüber jener im Jahre 2004 wesentlich geändert hatte. Für eine wesentliche Änderung der relevanten Tatsachengrundlage - ausgehend von einem am Qualitätsgebot ausgerichteten Begriff des Therapiestandards - hat die Klägerin nichts vorgetragen und ist auch sonst nichts ersichtlich. Die Klägerin beruft sich lediglich auf abweichende Standards der Anthroposophie, auf die es indes nicht ankommt.

31

b) Der GBA hat als Grundlage seiner Entscheidung die Studienlage vollständig berücksichtigt, denn er hat sich auf die relevanten verfügbaren Fachveröffentlichungen gestützt. Er hat hierbei auch - wie dargelegt - die im Anhörungsverfahren eingegangenen Stellungnahmen berücksichtigt. Die Klägerin zieht das nicht substantiiert in Zweifel, sondern verweist - ausgehend von ihrem abweichenden Rechtsstandpunkt - lediglich auf abweichende Auffassungen aus dem Kreis der besonderen Therapierichtungen, insbesondere der Anthroposophie. Die Festlegung des GBA beruht demgegenüber gesetzeskonform (vgl dazu sogleich c bis e) auf einer an den Maßstäben der evidenzbasierten Medizin durchgeführten Bewertung des therapeutischen Nutzens von Mistelpräparaten gemäß den Vorgaben des Qualitätsgebots (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V). Dabei kam der Unterausschuss "Arzneimittel" zu dem Ergebnis, dass ein durch wissenschaftliche Studien hinreichend untermauerter Konsens über den Nutzen der Misteltherapie bei der kurativen, adjuvanten Behandlung maligner Tumoren, insbesondere des Mammakarzinoms, nicht besteht. Nichts anderes ergibt sich, wenn Iscador - wie die Klägerin behauptet - nicht auf Mistellektin normiert ist. Dann scheidet eine Verordnung nach Anlage I Nr 32 der OTC-Übersicht selbst in der palliativen Therapie aus. Für diesen Bereich konnte der GBA gerade keinen gebotenen Konsens feststellen.

32

c) Der Ausgangspunkt der Entscheidung des GBA ist rechtmäßig, nämlich die Definition einer schwerwiegenden Erkrankung. § 12 Abs 3 AM-RL bezeichnet eine Krankheit als schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt. Das stimmt mit der Definition der schwerwiegenden Krankheit überein, die die Rechtsprechung des BSG zum Off-Label-Use entwickelt hat (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 31 mwN)und die auch hier anwendbar ist. Der Gesetzgeber hat nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 34 Abs 1 S 2 SGB V bewusst diesen rechtstechnisch eingeführten Begriff gewählt, um die Erheblichkeitsschwelle der betroffenen Krankheiten für den GBA zu umreißen(vgl BSGE 110, 183 = SozR 4-2500 § 34 Nr 9, RdNr 26 mwN; ebenso auch 6. Senat BSGE 117, 129 = SozR 4-2500 § 34 Nr 16, RdNr 40 mwN).

33

d) Der GBA hat es auch gesetzeskonform abgelehnt, die Versorgung mit der adjuvanten Tumortherapie mit Iscador als verordnungsfähigen Therapiestandard in die AM-RL aF oder die AM-RL nF aufzunehmen. In Einklang mit dem Gesetz beantwortet der GBA die Frage nach dem Bestehen eines Therapiestandards gemäß § 12 Abs 4 AM-RL übergreifend für alle Therapierichtungen zumindest danach, ob der therapeutische Nutzen eines Arzneimittels zur Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Das gesetzliche Erfordernis des Beachtens des "Therapiestandards" verlangt, dass ohne die Einbeziehung der Therapie mit dem nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel der Standard der Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung - das nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse Gebotene - nicht gewährleistet ist. In diesem Sinne muss der therapeutische Nutzen des betroffenen nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittels zur Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (ebenso die Vereinbarkeit von § 12 Abs 4 AM-RL mit dem Gesetzesrecht bejahend 6. Senat BSGE 117, 129 = SozR 4-2500 § 34 Nr 16, RdNr 53 mwN). Das entspricht dem bereits dargelegten klaren Wortlaut, dem Regelungssystem (dazu aa), der Entstehungsgeschichte (dazu bb) und dem Regelungszweck des § 34 Abs 1 S 2 SGB V(dazu cc).

34

aa) Das Erfordernis des "Therapiestandards" setzt nach dem Regelungssystem auf den schon nach allgemeinen Grundsätzen geltenden Anforderungen an eine Pharmakotherapie zu Lasten der GKV auf und verlangt mehr als deren Beachtung und das Bestehen einer schwerwiegenden Erkrankung. Schon die Binnensystematik der Regelung des § 34 Abs 1 S 2 SGB V verdeutlicht, dass der "Therapiestandard bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen" ein herausgehobenes Erfordernis bedeutet. Es umschreibt die konkretisierungsbedürftige Ausnahme vom grundsätzlichen Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV. Das Gesetz umreißt den Ausnahmebereich nicht etwa dadurch, dass die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel bloß als Therapie zur Behandlung schwerwiegender Erkrankungen arzneimittelrechtlich zugelassen sind. Seine Anforderungen gehen darüber hinaus, indem sie einen Therapiestandard fordern.

35

Die Anwendung eines arzneimittelrechtlich zugelassenen Fertigarzneimittels (zum hier nicht betroffenen Bereich der Rezepturarzneimittel vgl zB BSGE 104, 160 = SozR 4-2500 § 13 Nr 22, RdNr 18 - Orthomol vision diabet; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 47 - Lorenzos Öl)zu Lasten der GKV setzt grundsätzlich nicht nur die arzneimittelrechtliche Zulassung voraus, sondern den Einsatz gerade im Rahmen des arzneimittelrechtlich zugelassenen Anwendungsgebiets. Schon die Qualität als Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelrechts ist notwendige, aber nicht in jedem Fall hinreichende Bedingung der Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der GKV (vgl BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 29; BSGE 95, 132 RdNr 17 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 24; ebenso auch 6. Senat BSGE 117, 129 = SozR 4-2500 § 34 Nr 16, RdNr 61 mwN). Die arzneimittelrechtliche Zulässigkeit einer Arzneimittelanwendung stellt in diesem Sinne für die GKV immer nur ein "Mindestsicherheits- und Qualitätserfordernis" dar und ist nur "negativ vorgreiflich", weil eine erforderliche, aber nicht vorhandene Zulassung auch die Verordnungsfähigkeit stets ausschließt (stRspr, vgl zB BSGE 95, 132 RdNr 16 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 23). Obwohl das AMG einem Arzt die indikations- und zulassungsüberschreitende Anwendung eines Arzneimittels nicht verbietet, darf selbst ein zugelassenes Arzneimittel grundsätzlich nicht (sondern nur unter qualifizierten Voraussetzungen) zu Lasten der KK in einem Anwendungsgebiet verordnet werden, auf das sich seine Zulassung nicht erstreckt (stRspr, vgl zB BSGE 95, 132 RdNr 17 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 24). Soweit Versicherte ausnahmsweise außerhalb des Indikationsgebiets der arzneimittelrechtlichen Zulassung Versorgung mit arzneimittelrechtlich zugelassenen Arzneimitteln nach den Grundsätzen des sogenannten Off-Label-Use beanspruchen können, setzt dies grundsätzlich eine arzneimittelrechtliche Zulassung (zur Ausnahme des zulässigen Einzelimports nach § 73 Abs 3 AMG bei Fällen grundrechtsorientierter Auslegung vgl grundlegend BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4 - Tomudex)und ua eine Studienlage voraus, die eine Zulassung des Arzneimittels nach den Anforderungen des AMG zur betroffenen Indikation rechtfertigen würde (stRspr, vgl zB BSGE 89, 184, 191 f = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 36 - Sandoglobulin; BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 17 f - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 31 mwN - Ritalin). Hätte der Gesetzgeber sich für die Ausnahmeregelung vom Verordnungsausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel mit diesen Anforderungen begnügt, hätte er "Arzneimittel für schwerwiegende Erkrankungen" in § 34 Abs 1 S 2 SGB V einbezogen. Demgegenüber schränkt die erlassene Gesetzesregelung den Ausnahmebereich mit dem zusätzlichen Erfordernis des "Therapiestandards" weiter ein.

36

Nach der Gesamtsystematik fordert - entgegen der Ansicht der Klägerin - das Gesetzesrecht nicht, für die Qualifikation als "Therapiestandard" die bloße Binnensicht einer Therapierichtung zugrunde zu legen. Vielmehr begründet dieses Erfordernis eine für alle nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel gleiche Hürde unter Achtung des Qualitätsgebots (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V)und des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs 1 SGB V). Das Gesetz bringt dies dadurch zum Ausdruck, dass es zunächst die generelle Aufgabe des GBA normiert, festzulegen, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können (§ 34 Abs 1 S 2 SGB V). Die Norm spricht nicht etwa einen Standard nach Maßgabe der jeweiligen Therapierichtung an, sondern einheitlich Festlegungen betreffend die "nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten". Erst in einem zweiten Schritt ("Dabei") hat der GBA der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen (§ 34 Abs 1 S 3 SGB V; ebenso auch 6. Senat BSGE 117, 129 = SozR 4-2500 § 34 Nr 16, RdNr 56 mwN).

37

bb) Auch die Entstehungsgeschichte spricht für das aufgezeigte sachgerechte Verständnis des Begriffs "Therapiestandard". So fordert die Gesetzesbegründung die Aufnahme solcher Fertigarzneimittel in die OTC-Liste, die "unverzichtbare Standardwirkstoffe" für die Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung enthalten (Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum GMG, BT-Drucks 15/1525 S 86). Die Gesetzesmaterialien reden dagegen hierbei keiner Bevorzugung der besonderen Therapierichtungen das Wort.

38

cc) Die aufgezeigte Auslegung des Begriffs "Therapiestandard" entspricht auch dem Sinn der Regelung des § 34 Abs 1 SGB V, gerade nicht schon jede indikationsgerechte, nach allgemeinen Grundsätzen verordnungsfähige Pharmakotherapie schwerwiegender Erkrankungen in die OTC-Liste aufzunehmen. Mit einem solch weiten Verständnis würde nicht nur das Erfordernis des "Therapiestandards" weitgehend funktionslos, sondern auch die beabsichtigte einschränkende Wirkung der Gesamtregelung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel weitgehend obsolet.

39

e) Die Klägerin kann auch nichts für sich daraus herleiten, dass Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen generell gesetzlich nicht ausgeschlossen sind (vgl § 2 Abs 1 S 2 SGB V). Schon das umfassende Verständnis des "Therapiestandards" (vgl oben zu § 34 Abs 1 S 2 SGB V)und die Pflicht des GBA, in einem zweiten Schritt der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen (vgl oben zu § 34 Abs 1 S 3 SGB V), sichern die Möglichkeit, Versicherte im gesetzlich geregelten, vom GBA konkretisierten Ausnahmebereich mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie Anthroposophie oder Phytotherapie zu versorgen. Hinzu kommen die Gestaltungsleistungen bei der Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen apothekenpflichtigen Arzneimitteln kraft Satzung (vgl § 11 Abs 6 S 1 SGB V; vgl zu dessen Regelungsgrenzen - bzgl § 27a SGB V - BSGE 117, 236 = SozR 4-2500 § 11 Nr 2, RdNr 11 ff).

40

Die Reichweite der Regelung des § 2 Abs 1 S 2 SGB V ist zudem begrenzt. Sie setzt das Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V)nicht außer Kraft. Eine Begünstigung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen mit der Folge, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts entsprechen, widerspräche den gesetzlichen Vorgaben (vgl Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, 19. Aufl, Stand: Juni 2015, § 34 SGB V RdNr 33). Nach den Gesetzesmaterialien sollte die Regelung lediglich klarstellen, dass die Ausrichtung der Gesundheitsleistungen am "allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse" (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) die Leistungen der besonderen Therapierichtungen nicht ausschließt; den besonderen Therapierichtungen sollte hingegen keine Sonderstellung eingeräumt werden; allerdings sollte der besonderen Wirkungsweise der Mittel und Methoden der Naturheilkunde und der Vielfalt der therapeutischen Ansätze unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots und der Qualitätssicherung Rechnung getragen werden (vgl Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung <11. Ausschuss> zum Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen , zu § 2 Abs 1 S 2 SGB V, BT-Drucks 11/3480 S 49; ebenso auch 6. Senat BSGE 117, 129 = SozR 4-2500 § 34 Nr 16, RdNr 57). Soweit man der früheren Rechtsprechung des erkennenden Senats hiervon Abweichendes entnehmen will (vgl BSG SozR 3-2200 § 182 Nr 13 S 60 f; BSGE 94, 221 RdNr 27 f = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 28 f), gibt er diese Rechtsprechung auf.

41

f) Es entspricht den aufgezeigten gesetzlichen Vorgaben, dass nach der Regelung des GBA die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt - anknüpfend an den gesetzeskonform konkretisierten Therapiestandard - für die in der Anlage I der AM-RL aufgeführten Indikationsgebiete bei schwerwiegenden Erkrankungen auch Arzneimittel der Anthroposophie und Homöopathie verordnen kann, sofern die Anwendung dieser Arzneimittel für diese Indikationsgebiete (nF: und Anwendungsvoraussetzungen) nach dem Erkenntnisstand als Therapiestandard in der jeweiligen Therapierichtung angezeigt ist (§ 12 Abs 6 S 1 AM-RL).

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4. Die Regelung der AM-RL, ihre gesetzliche Grundlage und die Rechtsanwendung stehen auch mit Verfassungsrecht in Einklang. Der GBA verfügt über eine hinreichende demokratische Legitimation zum Erlass der betroffenen AM-RL (dazu a). Der grundsätzliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (dazu b). Die Klägerin kann eine Einbeziehung des Mittels in den Leistungskatalog auch nicht aus den Grundsätzen grundrechtsorientierter Auslegung herleiten (dazu c).

43

a) Es ist verfassungsrechtlich hinzunehmen, dass der Gesetzgeber den GBA nach § 34 Abs 1 S 2 SGB V und § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V konkret ermächtigt hat, in Richtlinien festzulegen, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Der erkennende Senat hält mit ergänzenden Erwägungen im Ergebnis an der bisherigen Rechtsprechung des BSG fest (zur bisherigen stRspr vgl BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 f mwN; BSGE 102, 30 = SozR 4-2500 § 34 Nr 4, RdNr 19). Der GBA verfügt über eine hinreichende demokratische Legitimation zum Erlass der betroffenen AM-RL. Im hier einschlägigen Bereich der funktionalen Selbstverwaltung fordert das demokratische Prinzip nicht, dass eine lückenlose personelle Legitimationskette vom Volk zum Entscheidungsträger vorliegen muss. Es ist vielmehr bei hinreichend normdichter gesetzlicher Ausgestaltung ausreichend, dass Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Organe gesetzlich ausreichend vorherbestimmt sind, ihre Wahrnehmung der Aufsicht personell legitimierter Amtswalter unterliegt und die Wahrung der Interessen der Betroffenen rechtssicher gewährleistet ist. Der GBA droht die Grenzen hinreichender demokratischer Legitimation für eine Richtlinie zu überschreiten, wenn sie mit hoher Intensität Angelegenheiten Dritter regelt, die an deren Entstehung nicht haben mitwirken können. Maßgeblich ist hierfür insbesondere, inwieweit der GBA für seine zu treffenden Entscheidungen gesetzlich angeleitet ist (vgl BVerfG Beschluss vom 10.11.2015 - 1 BvR 2056/12 - Juris RdNr 22). Diesen Anforderungen wird die Ermächtigung des GBA zur Bestimmung von Ausnahmen vom Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel gerecht.

44

aa) Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht gehindert, außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung und der gemeindlichen Selbstverwaltung für abgegrenzte Bereiche der Erledigung öffentlicher Aufgaben durch Gesetz besondere Organisationsformen der Selbstverwaltung zu schaffen. Die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit bei der Schaffung und näheren Ausgestaltung von Organisationseinheiten erlaubt es auch, den Selbstverwaltungsträger zu verbindlichem Handeln mit Entscheidungscharakter zu ermächtigen (BVerfGE 107, 59, 90 ff; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2). Im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung fordert das demokratische Prinzip (Art 20 Abs 2 GG) nicht, dass eine lückenlose personelle Legitimationskette vom Volk zum Entscheidungsträger vorliegen muss. Es ist vielmehr ausreichend, dass Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Organe gesetzlich ausreichend vorherbestimmt sind und ihre Wahrnehmung der Aufsicht personell legitimierter Amtswalter unterliegt (BVerfGE 107, 59, 94; 111, 191, 217 f; zur historischen Entwicklung der Normsetzungsbefugnis ausführlich BSGE 78, 70, 78 ff = SozR 3-2500 § 92 Nr 6; vgl auch Hauck, NZS 2010, 600, 606 ff). Der Gesetzgeber muss allerdings für die Wahrung der Interessen der Betroffenen sorgen; die Organisationsstruktur des Trägers muss deren angemessene Partizipation an der Willensbildung gewährleisten und darf nicht die Interessen Einzelner bevorzugen, ohne dass insoweit das Gebot strikter formeller Gleichheit besteht (BVerfGE 111, 191, 217; BSGE, aaO). Diese Grundsätze gelten auch für die Entscheidung des Gesetzgebers, dem GBA als Entscheidungsgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung die Aufgabe zu übertragen, Ausnahmen vom generellen Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel in einer Richtlinie festzulegen.

45

bb) Der GBA ist verfassungskonform kraft Gesetzes zur Konkretisierung des sich aus § 34 Abs 1 SGB V ergebenden Regelungsprogramms ermächtigt, außenwirksame Normen im Range untergesetzlichen Rechts in Gestalt von Richtlinien zu erlassen(§ 34 Abs 1 S 2 iVm § 92 Abs 1 S 2 Nr 6; zur Gesetzeskonzeption vgl bereits oben, II 3.). Die vorgeschriebene Handlungsform ist gesetzlich präzise ausgeformt und genügt rechtsstaatlichen Anforderungen. Das Verfahren zum Erlass der Richtlinien ist transparent, die Publizität gesichert und die Reichweite der Bindungswirkung gegenüber den Systembeteiligten gesetzlich festgelegt (vgl § 91 Abs 9 SGB V idF des Art 1 Nr 70 GMG; jetzt § 91 Abs 6 SGB V idF des Art 2 Nr 14 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378).

46

Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit dieser gesetzlich ausgestalteten Handlungsform des GBA steht für die betroffene AM-RL schon entgegen, dass die Handlungsform der Normsetzung durch eine andere verfassungskonforme spezifische Form der Normanwendung wirkungsgleich substituiert werden könnte: Das Grundgesetz stellt der vollziehenden Gewalt weder einen abschließenden Katalog bestimmter Handlungsformen zur Verfügung noch werden ausdrücklich erwähnte Handlungsformen inhaltlich im Einzelnen definiert (BVerfGE 100, 249, 258; BSGE 81, 73, 82 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7). Der GBA könnte als rechtlich verselbstständigter Teil der sozialversicherungsrechtlichen Selbstverwaltung (§ 91 Abs 1 SGB V) nach dem hinreichend dichten Normprogramm des § 34 Abs 1 S 2 SGB V iVm § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V Ausnahmen vom Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel auch durch Allgemeinverfügung nach § 31 S 2 SGB X nach pflichtgemäßem Ermessen ermessensfehlerfrei anordnen(vgl auch BVerfGE 106, 275, 305 ff = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 22 ff, zur Festsetzung der Festbeträge nach § 35 SGB V durch Allgemeinverfügung; vgl auch BSGE 116, 42 = SozR 4-2500 § 266 Nr 12, RdNr 21 ff, wonach das Bundesversicherungsamt Regelungen über das Versichertenklassifikationsmodell nach Morbiditätsgruppen nach pflichtgemäßem Ermessen durch Allgemeinverfügung treffen kann), wenn der Gesetzgeber ihm nicht durch § 34 Abs 1 S 2 SGB V iVm § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V die untergesetzliche Normsetzung als Handlungsform vorgegeben hätte(vgl BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 12 ff; s ferner BSGE 117, 94 = SozR 4-2500 § 137 Nr 5, RdNr 22 und 24).

47

cc) Der GBA unterliegt bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben und Handlungsbefugnisse - hier speziell beim Erlass der AM-RL nach § 34 Abs 1 S 2 SGB V - der Aufsicht personell demokratisch legitimierter Amtswalter. Das SGB V regelt in § 91 Abs 8, § 94 Abs 1 im Zusammenspiel mit dem SGB IV(§ 91 Abs 8 S 2 SGB V iVm §§ 67, 88, 89 SGB IV) detailliert und umfassend die staatliche Aufsicht über den GBA generell und speziell beim Erlass von Richtlinien. Danach sind die vom GBA beschlossenen Richtlinien dem BMG vorzulegen. Es kann sie innerhalb von zwei Monaten beanstanden. Das BMG kann im Rahmen der Richtlinienprüfung vom GBA zusätzliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern; bis zum Eingang der Auskünfte ist der Lauf der Zweimonatsfrist für eine Beanstandung unterbrochen. Die Nichtbeanstandung einer Richtlinie kann vom BMG mit Auflagen verbunden werden; es kann zur Erfüllung einer Auflage eine angemessene Frist setzen. Kommen die für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Beschlüsse des GBA nicht oder nicht innerhalb einer vom BMG gesetzten Frist zustande oder werden die Beanstandungen des BMG nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, erlässt es die Richtlinien selbst.

48

§ 94 Abs 1 SGB V ermöglicht damit eine präventive aufsichtsrechtliche Kontrolle, bevor die Richtlinien des GBA im Bundesanzeiger publiziert und damit grundsätzlich wirksam werden. Die aufsichtsrechtlichen Befugnisse des BMG sind auf eine Rechtskontrolle beschränkt. Das entspricht dem Grundsatz, dass die Staatsaufsicht gegenüber Selbstverwaltungsträgern prinzipiell auf eine Rechtsaufsicht begrenzt und für eine weiterreichende Zweckmäßigkeitskontrolle nur Raum ist, wenn der Gesetzgeber dies ausdrücklich angeordnet hat (vgl hierzu BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 40 mwN). Die danach gebotene reine Rechtmäßigkeitskontrolle führt beim Prüfmaßstab zum Gleichlauf mit der gerichtlichen Kontrolle. Die Kontrolle ist - wie oben dargelegt (vgl II 3. a) - in der Prüfdichte nur dort eingeschränkt, wo dem GBA ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist.

49

dd) Die verfassungsrechtlich erforderliche Beteiligtenpartizipation wird durch § 92 Abs 3a SGB V gewahrt. Danach ist vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Arzneimitteln nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Die Beteiligungsrechte sind durch das SGB V damit so umfassend ausgestaltet und verfahrensmäßig auch durch die VerfO des GBA abgesichert, dass alle sachnahen Betroffenen selbst oder durch Repräsentanten Gelegenheit zur Stellungnahme haben, wenn ihnen nicht nur marginale Bedeutung zukommt, auch über eine unmittelbare Betroffenheit in eigenen Rechten hinaus. Bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen sind auch Stellungnahmen von Sachverständigen dieser Therapierichtungen einzuholen (zur Betroffenenpartizipation Hauck, NZS 2010, 600, 603 ff). Die eingehenden Stellungnahmen werden auch - institutionell abgesichert - in die Entscheidung des GBA einbezogen, ohne dass der GBA an sie gebunden ist.

50

ee) Der GBA ist auch inhaltlich hinreichend normdicht für seine zu treffenden Entscheidungen gesetzlich angeleitet, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Die Bedeutung und Reichweite dieser Entscheidung ist von vornherein durch den gesetzlich normierten Grundsatz begrenzt, dass apothekenpflichtige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel idR nicht zum GKV-Leistungskatalog gehören. Welche Arzneimittel nach dem gesetzlichen Normprogramm "apothekenpflichtig" (vgl § 31 Abs 1 S 1 SGB V),aber "nicht verschreibungspflichtig" sind, ist präzise durch die Regelung des § 48 AMG iVm der Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln bestimmt(vgl dazu zB BSGE 110, 183 = SozR 4-2500 § 34 Nr 9, RdNr 18). Die Begriffe der "Behandlung schwerwiegender Erkrankungen" und "als Therapiestandard" sind jedenfalls durch die Rechtsprechung des BSG (vgl oben) so präzisiert, dass dem GBA kein nennenswerter Auslegungsspielraum verbleibt. Auch bei der Feststellung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse zur Operationalisierung der genannten Rechtsbegriffe unterliegt der GBA weitgehender gerichtlicher Kontrolle: So überprüft das Gericht bei entsprechendem Anlass auch die Vollständigkeit der vom GBA zu berücksichtigenden Studienlage (vgl zB BSGE 116, 153 = SozR 4-2500 § 137 Nr 4, RdNr 15)und - so diese Voraussetzung erfüllt ist - die Vertretbarkeit seiner Schlussfolgerung (vgl auch BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 28).

51

Der Gesetzgeber wählte diese Ausgestaltung der Ausnahmeentscheidung durch den GBA, um die Qualität der Leistungserbringung zu sichern, eine Gleichbehandlung der Versicherten zu erreichen und um die Leistungen am Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit auszurichten. Dies gewährleistet, dass die betroffenen Pharmakotherapien auf ihren therapeutischen Nutzen sowie ihre medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sachverständig geprüft werden, um die Ausnahmeentscheidungen zu Lasten der GKV auf eine fachlich-medizinisch zuverlässige Grundlage zu stellen. Ein solches Vorgehen darf dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verwehrt sein (vgl entsprechend BVerfGE 115, 25, 46 f = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 28; BSGE 102, 30 = SozR 4-2500 § 34 Nr 4, RdNr 19).

52

ff) Die Intensität, mit der die Richtlinie zu Ausnahmen vom generellen Ausschluss von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an der Regelsetzung Beteiligte und Unbeteiligte trifft, ist insgesamt gering. Nichtärztliche Leistungserbringer in einem weiteren Sinne sind durch die Richtlinie nicht betroffen. Zwar verändert jede Neugestaltung des Leistungsrechts den Leistungsanspruch des Versicherten und damit auch den Umfang dessen, woran die Leistungserbringer teilhaben. Das aber ist ein unvermeidlicher Reflex geänderter Leistungsansprüche und gerade kein Eingriff in subjektive, insbesondere verfassungsrechtlich geschützte Rechte (Berufsfreiheit) dieser Leistungserbringer. Dies liefe auf ein Mitspracherecht des "Verkäufers" an der Entscheidung über die Produktwahl hinaus (vgl BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 14 ff mwN zur Rspr des BVerfG; BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 13; vgl auch Neumann, NZS 2010, 593, 597; Hauck, GesR 2011, 69 ff, Fn 29 mwN).

53

Betroffen von Änderungen des Leistungsrechts sind hingegen in erster Linie Versicherte, zudem Ärzte in ihrer ärztlichen Therapiefreiheit (vgl zur Bedeutung als dienende Freiheit Hauck, SGb 2014, 8 f mwN). Die Eingriffsintensität ist insoweit aber gering. Denn zur Beurteilung der Betroffenheit ist zunächst die vom Bundesgesetzgeber verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende (dazu 4. b) Entscheidung in den Blick zu nehmen, nicht verschreibungspflichtige Medikamente generell aus dem Leistungskatalog auszuschließen. In diesem gesetzlichen Ausschluss liegt die eigentliche Belastung Betroffener. Die Ermächtigung des GBA, hiervon in Richtlinien unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen Ausnahmen zu machen, benachteiligt den betroffenen Personenkreis nicht, sondern begünstigt ihn. Einen gesetzlichen Anspruch, bestimmte Arzneimittel in die OTC-Übersicht aufzunehmen, billigt der Gesetzgeber diesem Personenkreis nicht zu.

54

b) Der grundsätzliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und den Grundrechten aus Art 2 Abs 2 und Art 2 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip vereinbar.

55

Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (BSGE 102, 30 = SozR 4-2500 § 34 Nr 4, RdNr 12; BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55 mwN; BVerfGE 117, 316 = SozR 4-2500 § 27a Nr 3, stRspr). Daran fehlt es. Das BVerfG (vgl BVerfG Beschluss vom 12.12.2012 - 1 BvR 69/09 - BVerfGK 20, 159 = NJW 2013, 1220) und der erkennende Senat (BSGE 102, 30 = SozR 4-2500 § 34 Nr 4, RdNr 12 ff)haben dies unter Berücksichtigung der im Gesetz angelegten Abmilderungen geprüft und verneint. Der erkennende Senat verweist hierauf.

56

Gleiches gilt für die Vereinbarkeit der Leistungsbegrenzung in § 34 Abs 1 SGB V mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit(Art 2 Abs 2 S 1 GG) und dem Grundrecht aus Art 2 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (vgl dazu BVerfGE 115, 25, 43 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 21, 24). Denn der Gesetzgeber hat lediglich in verhältnismäßiger Weise von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht, den Bereich der Eigenvorsorge zu umreißen (vgl BVerfG Beschluss vom 12.12.2012 - 1 BvR 69/09 - BVerfGK 20, 159 = NJW 2013, 1220; BSGE 102, 30 = SozR 4-2500 § 34 Nr 4, RdNr 20).

57

c) Ein anderes Ergebnis folgt schließlich für die Klägerin nicht aus den Grundsätzen grundrechtsorientierter Auslegung. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, die Grundsätze des Beschlusses vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) auf Erkrankungen zu erstrecken, die wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbar sind. Dies würde dem Ausnahmecharakter eines solchen verfassungsunmittelbaren Leistungsanspruchs nicht gerecht werden. Vielmehr bleibt der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf extreme Situationen einer krankheitsbedingten Lebensgefahr beschränkt (vgl BVerfG Beschluss vom 10.11.2015 - 1 BvR 2056/12 - Juris RdNr 18).

58

Der Gesetzgeber hat demgegenüber im Anschluss an die Rechtsprechung des erkennenden Senats die grundrechtsorientierte Auslegung auch auf wertungsmäßig vergleichbare Erkrankungen erstreckt (vgl § 2 Abs 1a SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs 1 S 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Schon die Voraussetzungen der Regelung des am 1.1.2012 in Kraft getretenen § 2 Abs 1a SGB V sind nach den Feststellungen des LSG nicht erfüllt.

59

Es ist nach den nicht angegriffenen, den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) bereits nicht erkennbar, dass die Klägerin bei Antragstellung und danach (noch) an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung litt. § 2 Abs 1a SGB V enthält nach der Gesetzesbegründung eine Klarstellung zum Geltungsumfang des sog Nikolaus-Beschlusses des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) für das Leistungsrecht der GKV (BT-Drucks 17/6906 S 53). Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird (vgl BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 21 und 30 mwN; BSG Urteil vom 27.3.2007 - B 1 KR 17/06 R - Juris RdNr 23; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KN 3/07 KR R - Juris RdNr 32). Nichts anderes gilt für wertungsmäßig vergleichbare Erkrankungen (BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 32). Dies behauptet selbst die Klägerin nicht. Zudem fehlen hierfür nach den Feststellungen des LSG Anhaltspunkte. Denn die Klägerin wurde im Jahr 2007 operiert, erhielt in der Folgezeit wegen des rezeptor-negativen Tumors eine begleitende Chemotherapie und stellte ihren Antrag auf Versorgung mit dem anthroposophischen Arzneimittel zur adjuvanten Therapie Ende 2011. Zudem stand mit der Chemotherapie für die Klägerin eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung, die sie auch erhielt. Schließlich hat die Klägerin auch nicht geltend gemacht, durch die Eigenfinanzierung der adjuvanten Therapie unzumutbar belastet zu werden.

60

5. Die Klägerin kann sich schließlich nicht auf einen Verstoß der AM-RL gegen die Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21.12.1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme berufen (sog Transparenz-Richtlinie; ABl EG L vom 11.2.1989, 40, 8). Dies hat der erkennende Senat bereits entschieden (BSGE 102, 30 = SozR 4-2500 § 34 Nr 4, RdNr 21 ff). Hieran hält er fest.

61

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe

A.

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Versorgung der Beschwerdeführerin mit einem Medizinprodukt auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung. Die beantragte Versorgung war mit der Begründung abgelehnt worden, das Medizinprodukt sei nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss in die Liste der verordnungsfähigen Medizinprodukte aufgenommen worden, und es gebe keinen Anspruch darauf, dass die Kosten der Behandlung einer lebensbedrohlichen Erkrankung nach den Grundsätzen des Beschlusses des Ersten Senats vom 6. Dezember 2005 (BVerfGE 115, 25) übernommen würden.

II.

2

1. Die Beschwerdeführerin leidet an einer chronischen Erkrankung der Harnblasenwand. Die Krankheit hat eine erhebliche Verringerung der Blasenkapazität sowie Entleerungsstörungen mit ausgeprägten Schmerzen und imperativem Harndrang zur Folge. Bei chronischem Verlauf kann eine Schrumpfblase entstehen, die bei unglücklicher Entwicklung der Krankheit eventuell operativ entfernt werden muss. Die Beschwerdeführerin beantragte bei ihrer Krankenkasse die Versorgung mit einem Medizinprodukt zur Therapie dieser Krankheit. Sämtliche Rechtsbehelfe und Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Versorgung blieben ohne Erfolg. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung der Revision durch das Bundessozialgericht und mittelbar gegen § 31 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 SGB V.

3

2. Die Verfassungsbeschwerde stützt sich im Wesentlichen auf zwei Argumente:

4

a) Zum einen beansprucht die Beschwerdeführerin nach Maßgabe des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (BVerfGE 115, 25) eine Versorgung mit dem Medizinprodukt unmittelbar aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. In dieser Entscheidung hatte das Bundesverfassungsgericht einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Versorgung anerkannt, wenn ein Versicherter an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung leidet, für die schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht existieren, und wenn die gewünschte Behandlung eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht (vgl. BVerfGE 115, 25 <49>). Die Beschwerdeführerin trägt vor, sie erfülle alle Voraussetzungen dieses Anspruchs; die Krankheit sei lebensbedrohlich, weil sie nach bisherigen Erfahrungen auch Anlass für einen Suizid sein könne.

5

Zumindest müsse der Anspruch in Fortführung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 auch in Fällen schwerwiegender Erkrankungen eröffnet sein, die zum Verlust eines Körperorgans führen und die sozialen Kontakte der Erkrankten erheblich beeinträchtigen könnten. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 formuliere, dass der Anspruch "insbesondere" in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung bestehe (vgl. BVerfGE 115, 25 <45>); dass das Tatbestandsmerkmal nur als Beispiel aufgeführt werde, belege, dass es Krankheiten gleichen Gewichts gebe, die ebenfalls zu einem solchen Anspruch führen könnten.

6

b) Zum anderen rügt die Beschwerdeführerin, der nach § 91 SGB V tätige Gemeinsame Bundesausschuss verweigere die Aufnahme des von ihr gewünschten Medizinprodukts in seine Arzneimittel-Richtlinie, ohne dafür hinreichend demokratisch legitimiert zu sein. Diese Weigerung wirke ihr gegenüber rechtlich wie eine Ablehnung, denn nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V sei die Aufnahme des Medizinprodukts in eine Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V Voraussetzung einer Versorgung.

7

Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses erfassten alle an der Krankenversorgung Beteiligten ohne eine hinreichende Steuerung durch parlamentarisches Gesetz oder durch Weisung und Aufsicht der Gesundheitsbehörden. Die Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses seien völlig weisungsunabhängig. Zehn Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses würden von den Leistungserbringern und -finanzierern der gesetzlichen Krankenversicherung bestellt, die drei unparteiischen Mitglieder im Einvernehmen dieser beiden Gruppen ernannt. Die vom Demokratieprinzip erforderte personelle Legitimationskette vom Volk über das Parlament zum Gemeinsamen Bundesausschuss fehle gänzlich.

B.

8

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie zeigt nicht entsprechend den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG substantiiert und schlüssig die Möglichkeit der Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin auf. Teilweise genügt sie auch nicht den Anforderungen an die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

I.

9

1. a) Nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerfGE 89, 155 <171>). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das jeweils bezeichnete Grundrecht verletzt sein und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidieren soll (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 108, 370 <386 f.>). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe dargelegt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffenen Maßnahmen verletzt werden (vgl. BVerfGE 99, 84 <87> m.w.N.).

10

b) Der aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG abgeleitete Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde fordert, dass ein Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 68, 384 <388 f.>). Dem Bundesverfassungsgericht soll vor seiner Entscheidung unter anderem ein regelmäßig in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet und die Fallanschauung der Gerichte, insbesondere der obersten Bundesgerichte, vermittelt werden (vgl. BVerfGE 72, 39 <43>). Deswegen ist dem Subsidiaritätsgrundsatz auch nicht genügt, wenn im Instanzenzug ein Mangel nicht nachgeprüft werden konnte, weil er nicht oder nicht in ordnungsgemäßer Form gerügt worden war (vgl. BVerfGE 16, 124 <127>; 54, 53 <65>; 74, 102 <114>). Zwar resultiert daraus keine allgemeine Pflicht, verfassungsrechtliche Erwägungen und Bedenken schon in das fachgerichtliche Verfahren einzuführen (vgl. BVerfGE 112, 50 <60 ff.>). Dies lässt aber die Obliegenheit der Parteien unberührt, die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen bereits im Ausgangsverfahren vollständig vorzutragen; ein grundsätzlich neuer Tatsachenvortrag ist im Verfahren der Verfassungsbeschwerde ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 112, 50 <62>). Hat der Beschwerdeführer die Tatsachen dort nicht vollständig vorgebracht, hat er nicht alles ihm Zumutbare getan, um eine fachgerichtliche Entscheidung zu seinen Gunsten herbeizuführen.

11

2. An diesen Substantiierungsanforderungen und am Grundsatz der Subsidiarität scheitert die Verfassungsbeschwerde mit ihren Angriffen gegen das Urteil des Bundessozialgerichts und mittelbar gegen § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V.

12

a) Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 geben die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 GG einen Anspruch auf Krankenversorgung insbesondere in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung, wenn für sie schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorliegen und die vom Versicherten gewählte andere Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht. Dann könnten diese Grundrechte in besonders gelagerten Fällen zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten (vgl. BVerfGE 115, 25 <45 und 49>).

13

b) Nach ihren eigenen Darlegungen ist die Beschwerdeführerin von keiner lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung betroffen. Sie leidet zwar zweifellos an einer schwerwiegenden Erkrankung mit gewichtigen Folgen; diese begründet aber keine zeitlich naheliegende Todesgefahr. Ihr Hinweis auf statistisch erfasste Suizide bei einer Erkrankung dieser Art kann in seiner Allgemeinheit das individuelle Vorliegen dieses Anspruchsmerkmals nicht begründen.

14

c) Auch sind die medizinischen Angaben der Beschwerdeführerin unzureichend, um im Hinblick auf das von ihr begehrte Medizinprodukt eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf prüfen zu können. Zwar gibt die Verfassungsbeschwerde die Indizien für einen individuellen Wirkungszusammenhang aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (vgl. BVerfGE 115, 25 <50>) abstrakt wieder, konkretisiert sie aber nicht für den Einzelfall. Die Beschwerdeführerin hat weder vergleichende Angaben zu ihrem und dem Gesundheitszustand anderer behandelter Versicherter gemacht noch eine fachliche Einschätzung ihrer behandelnden Ärzte zu der beabsichtigten Therapie vorgelegt. Warum beides im Hinblick auf ihre nicht näher dargelegte finanzielle Situation von vornherein unzumutbar sein sollte, erschließt sich nicht. Zudem fehlt es an wesentlichen Informationen zu medizinischen Erkenntnissen über die Wirksamkeit des von ihr begehrten Medizinprodukts. Dessen positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ist zunächst lediglich behauptet und mit pauschalen Verweisen auf Anwendungsuntersuchungen begründet worden. Erst nach Ablauf der maßgeblichen Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für die Begründung der Verfassungsbeschwerde hat die Beschwerde detaillierter vorgetragen, aber auch dann nur vorgebracht, dass ihrer Ansicht nach eine in das Verfahren neu eingebrachte Studie trotz deren höherer Evidenzstufe nicht geeignet sei, einen Wirksamkeitsnachweis auszuschließen.

15

d) Dem Vortrag der Beschwerdeführerin lässt sich auch nicht entnehmen, dass sie im Verfahren vor den Sozialgerichten ausreichende Darlegungen für einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf das begehrte Medizinprodukt nach den Maßstäben des Beschlusses vom 6. Dezember 2005 vorgebracht und so dem Grundsatz der Subsidiarität genügt hätte.

16

3. Die Beschwerdeführerin trägt vor, es sei verfassungsrechtlich geboten, den grundgesetzlichen Leistungsanspruch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 auf schwerwiegende Krankheiten zu erweitern, die wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankungen vergleichbar sind. Sie verweist dazu auf die Formulierung im genannten Beschluss, der Anspruch entstehe "insbesondere" in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung (vgl. BVerfGE 115, 25 <45>). Er müsse also auch für andere Krankheiten gleichen Gewichts gelten.

17

a) Eine solche Erweiterung ist fachgerichtlich schon anerkannt und mittlerweile auch gesetzlich normiert worden. Schon das Bundessozialgericht hat den verfassungsrechtlichen Leistungsanspruch auf wertungsmäßig vergleichbare Erkrankungsfälle in notstandsähnlichen Situationen erweitert (vgl. BSGE 96, 153 <160 f. Rn. 31-32>; BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06 R -, SozR 4-2500 § 31 Nr. 8 Rn. 16 ff.). Dies sei bei einem drohenden, nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gegeben. Der Verlust müsse jedoch in absehbarer Zeit, das heißt in einem kürzeren, überschaubaren Zeitraum, mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (vgl. BSGE 100, 103 <112 Rn. 32>). Der Gesetzgeber ist dem gefolgt und hat mit Wirkung zum 1. Januar 2012 in § 2 Abs. 1a SGB V einen Anspruch bei einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung gegeben. Es blieb dem Gesetzgeber zwar unbenommen, die vom Bundessozialgericht vorgenommene Anspruchserweiterung in § 2 Abs. 1a SGB V nachzuzeichnen. Diese Änderung des einfachen Gesetzesrechts vermag jedoch den hier im Verfahren der Verfassungsbeschwerde allein maßgeblichen verfassungsunmittelbaren Anspruch für sich genommen nicht zu erweitern. Im Übrigen ist die einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage erst im Jahr 2012 geschaffen worden, erfasst also zeitlich das vorliegende fachgerichtliche Verfahren nicht.

18

b) Das Bundesverfassungsgericht hat sich wiederholt mit krankenversicherungsrechtlichen Leistungsansprüchen in Fällen schwerwiegender Erkrankungen befasst, aber in keinem Fall festgestellt, dass es verfassungsrechtlich geboten sei, die Grundsätze des Beschlusses vom 6. Dezember 2005 auf Erkrankungen zu erstrecken, die wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbar sind. Es würde auch dem Ausnahmecharakter eines aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 GG abgeleiteten Leistungsanspruchs nicht gerecht, in großzügiger Auslegung der Verfassung einen solchen zu erweitern und so die sozialstaatliche Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers außer Acht zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb festgestellt, dass die notwendige Gefährdungslage erst in einer notstandsähnlichen Situation vorliege, in der ein erheblicher Zeitdruck für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Anknüpfungspunkt eines derartigen Anspruchs ist deswegen unverändert "das Vorliegen einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage" (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. März 2014 - 1 BvR 2415/13 -, juris, Rn. 14). Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch ist so auf extreme Situationen einer krankheitsbedingten Lebensgefahr beschränkt. Entscheidend ist es, dass eine Krankheit lebensbedrohlich ist, das heißt in überschaubarer Zeit das Leben beenden kann, und dies eine notstandsähnliche Situation herbeiführt, in der Versicherte nach allen verfügbaren medizinischen Hilfen greifen müssen. Dies bedeutet nicht, dass in anderen Krankheitsfällen Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung keinen grundrechtlichen Schutz genießen; insoweit kommt nach den Maßstäben des Beschlusses vom 6. Dezember 2005 jedoch kein verfassungsunmittelbarer Leistungsanspruch auf Versorgung in Betracht.

19

4. Die Verfassungsbeschwerde ist mangels hinreichender Substantiierung auch insoweit unzulässig, als die Beschwerdeführerin eine fehlende demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses bei der Ausgestaltung der Leistungsansprüche der Versicherten geltend macht.

20

a) Die Schutzwirkungen des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gehen über den im Beschluss vom 6. Dezember 2005 anerkannten, besonderen Extremfall der lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Krankheit hinaus und vermitteln einen weitergehenden subjektivrechtlichen Grundrechtsschutz. Die Ausgestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich an der grundrechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stellen (vgl. BVerfGE 115, 25 <44 f.> m.w.N.). Zugleich schützt das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip in einem auf Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflicht beruhenden Versicherungssystem, bei dem der Einzelne typischerweise keinen unmittelbaren Einfluss auf die Höhe seines Beitrags und auf Art und Ausmaß der aus seinem Versicherungsverhältnis geschuldeten Leistung hat, den beitragspflichtigen Versicherten vor einer Unverhältnismäßigkeit von Beitrag und Leistung. Zwar ergibt sich daraus grundsätzlich kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf bestimmte Leistungen zur Krankenbehandlung. Gesetzliche oder auf Gesetz beruhende Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen sind aber daraufhin zu prüfen, ob sie im Rahmen von Art. 2 Abs. 1 GG gerechtfertigt sind (vgl. BVerfGE 115, 25 <43>). Den Versicherten steht insoweit ein Anspruch auf eine verfassungsmäßige Ausgestaltung und auf eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung zu (vgl. BVerfGE 115, 25 <45>). Gesetzlicher Ausgestaltung bedürfen insbesondere auch die grundsätzlich zulässigen (vgl. BVerfGE 115, 25 <45>) Verfahren zur Bewertung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens sowie der medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Würde eine zur Behandlung einer Krankheit benötigte Leistung in einem Entscheidungsprozess verweigert, der verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt, wären Versicherte in ihren Grundrechten verletzt. Auf einen derartigen Anspruch auf Gewährleistung verfassungsmäßiger Ausgestaltung des Verfahrens der Leistungsgewährung könnte sich ein Beschwerdeführer prozessrechtlich nach § 90 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG jedoch nur dann berufen, wenn er darlegte, die begehrte Behandlungsmethode biete eine zumindest auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

21

Hieran fehlt es jedoch vorliegend. Die Beschwerdeführerin hat - wie bereits festgestellt - im Rahmen der Verfassungsbeschwerde nicht innerhalb der Begründungsfrist substantiiert dazu vorgetragen, dass die von ihr begehrte Behandlungsmethode eine derartige Aussicht auf Heilung oder spürbar positive Einwirkung verspricht.

22

b) Zudem bedürfte eine Verfassungsbeschwerde, die im Ergebnis auf Aufnahme eines Medizinprodukts in eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V zielt und das dem zugrunde liegende Verfahren aufgreift, einer Befassung mit der konkreten Befugnisnorm, auf der die streitige Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses fußt. Vorliegend fehlt jedoch die Darlegung, aus welchen Gründen gerade § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V, der es dem Gemeinsamen Bundesausschuss gestattet, ausnahmsweise Medizinprodukte in die Reihe der verordnungsfähigen Versorgung aufzunehmen, mit verfassungsrechtlichen Vorgaben, etwa zur demokratischen Legitimation (vgl. BVerfGE 115, 25 <47>), unvereinbar sein könnte. Mit dem Vorbringen - durchaus gewichtiger - genereller und allgemeiner Zweifel an der demokratischen Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses als Institution kann das nicht gelingen. Vielmehr bedarf es konkreter Ausführungen nicht nur zum Einzelfall, sondern auch zur Ausgestaltung der in Rede stehenden Befugnis, zum Gehalt der Richtlinie und zur Reichweite der Regelung auf an ihrer Entstehung Beteiligte oder auch unbeteiligte Dritte. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss für eine Richtlinie hinreichende Legitimation besitzt, wenn sie zum Beispiel nur an der Regelsetzung Beteiligte mit geringer Intensität trifft, während sie für eine andere seiner Normen fehlen kann, wenn sie zum Beispiel mit hoher Intensität Angelegenheiten Dritter regelt, die an deren Entstehung nicht mitwirken konnten. Maßgeblich ist hierfür insbesondere, inwieweit der Ausschuss für seine zu treffenden Entscheidungen gesetzlich angeleitet ist.

23

Dem wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht. Auf die allein in Frage stehende Befugnisnorm des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V und auf die demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses gerade für die darauf gründende Richtliniensetzung geht sie gar nicht ein, sondern begnügt sich mit der Wiedergabe allgemeiner Zweifel an der generellen Legitimation dieser Institution. Auch wäre es erforderlich gewesen, auf die tatsächliche Bedeutung der dem Ausschuss gerade für die Medizinprodukteversorgung übertragenen Befugnisse näher einzugehen und den Gehalt der gesetzlichen Vorgaben und deren Auslegung in der Praxis in Abgrenzung etwa zu denen der Arzneimittelversorgung zu würdigen, um so dem Bundesverfassungsgericht eine Beurteilungsgrundlage dafür zu schaffen, wieweit die Entscheidungen des Ausschusses gesetzlich angeleitet sind und welche Bedeutung ihnen praktisch zukommt.

II.

24

1. Die Verfassungswidrigkeit des Inhalts der die Verordnungsfähigkeit von Medizinprodukten regelnden §§ 27 bis 29 Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) rügt die Beschwerdeführerin nicht. Die Verfassungsbeschwerde kritisiert zwar die vom Gemeinsamen Bundesausschuss im 4. Kapitel seiner Verfahrensordnung für alle Richtlinienentscheidungen festgelegten Evidenzanforderungen und Bewertungskriterien sowie die aus ihrer Sicht unzureichenden Ermittlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses im Herstellerzulassungsverfahren und will hieraus ein Systemversagen ableiten. Weder die Verfahrensordnung noch das Genehmigungsverfahren selbst sind aber von der Beschwerdeführerin zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gemacht worden.

25

2. Die zusätzlich und ausdrücklich als verfassungswidrig gerügte Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 3 SGB V war für das angegriffene Urteil des Bundessozialgerichts ohne rechtliche Relevanz. Sie erklärt den in § 34 Abs. 1 Satz 6 SGB V geregelten gesetzlichen Versorgungsausschluss für bestimmte Arzneimittel - wie Erkältungs-, Schmerz- oder Abführmittel und Reisemedizin - für entsprechend anwendbar. Von dieser Vorschrift ist die Beschwerdeführerin, soweit erkennbar, in keiner Weise selbst betroffen. Es ist im Übrigen nicht ersichtlich, weshalb diese Regelung, die überhaupt keine Normsetzungskompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses begründet, unvereinbar mit dem Grundgesetz sein sollte. Die Beschwerdebegründung geht darauf nicht ein.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Qualitätssicherung der Früherkennungsuntersuchungen sowie zur Durchführung organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a einschließlich der systematischen Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität dieser Programme,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden,
6.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes,
7.
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches,
8.
Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation,
9.
Bedarfsplanung,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 sowie die Kryokonservierung nach § 27a Absatz 4,
11.
Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Krankentransporten,
13.
Qualitätssicherung,
14.
spezialisierte ambulante Palliativversorgung,
15.
Schutzimpfungen.

(1a) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 sind auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben, einen Beschluss zu einzelnen dem Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu überprüfen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Bei Nichteinhaltung der Frist fasst eine aus den Mitgliedern des Bundesausschusses zu bildende Schiedsstelle innerhalb von 30 Tagen den erforderlichen Beschluss. Die Schiedsstelle besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Bundesausschusses und je einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmten Vertreter. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ist den für die Wahrnehmung der Interessen von Zahntechnikern maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1b) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 ist den in § 134a Absatz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(2) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a und 35b so zusammenzustellen, daß dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, sind zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zu den Therapiekosten und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt; § 73 Abs. 8 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können ferner für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:

1.
Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind,
2.
Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind,
3.
Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
Absatz 3a gilt entsprechend. In den Therapiehinweisen nach den Sätzen 1 und 7 können Anforderungen an die qualitätsgesicherte Anwendung von Arzneimitteln festgestellt werden, insbesondere bezogen auf die Qualifikation des Arztes oder auf die zu behandelnden Patientengruppen. In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 können auch Therapiehinweise zu Arzneimitteln außerhalb von Zusammenstellungen gegeben werden; die Sätze 3 und 4 sowie Absatz 1 Satz 1 dritter Halbsatz gelten entsprechend. Die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 können Empfehlungen zu den Anteilen einzelner Wirkstoffe an den Verordnungen im Indikationsgebiet vorsehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt die Grundsätze für die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 in seiner Verfahrensordnung. Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse nach Absatz 1 für Arzneimittel beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss gesondert in Richtlinien außerhalb von Therapiehinweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 hergestellt werden kann. Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nach Absatz 1 Satz 1 dürfen den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen.

(2a) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Absatz 3a gilt für die Forderung nach Satz 1 entsprechend. Das Nähere zu den Voraussetzungen, zu der Forderung ergänzender Studien, zu Fristen sowie zu den Anforderungen an die Studien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Werden die Studien nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der Gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine gesonderte Klage gegen die Forderung ergänzender Studien ist ausgeschlossen.

(3) Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach Absatz 2 gelten die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen nach Absatz 2 Satz 2, die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen nach Absatz 2 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach Absatz 2 ist unzulässig.

(3a) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes und Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gutachten oder Empfehlungen von Sachverständigen, die er bei Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes sowie bei Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 zu Grunde legt, bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zu benennen und zu veröffentlichen sowie in den tragenden Gründen der Beschlüsse zu benennen.

(4) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 sind insbesondere zu regeln

1.
die Anwendung wirtschaftlicher Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen mehrere Maßnahmen zur Früherkennung zusammenzufassen sind,
2.
das Nähere über die Bescheinigungen und Aufzeichnungen bei Durchführung der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
3.
Einzelheiten zum Verfahren und zur Durchführung von Auswertungen der Aufzeichnungen sowie der Evaluation der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einschließlich der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a.

(4a) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2021 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung in geeigneten Fällen. Bei der Festlegung der Regelungen nach Satz 1 ist zu beachten, dass im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung diese nicht über einen Zeitraum von bis zu drei Kalendertagen hinausgehen und ihr keine Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit folgen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen nach Satz 1 über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Bei der Erstellung des Berichtes ist den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In Ergänzung der nach Satz 1 beschlossenen Regelungen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Januar 2024 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen sowie ausschließlich bezogen auf in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannte Patientinnen und Patienten auch nach telefonischer Anamnese.

(5) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 ist den in § 111b Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer, den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Neunten Buches) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. In den Richtlinien ist zu regeln, bei welchen Behinderungen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Verfahren die Vertragsärzte die Krankenkassen über die Behinderungen von Versicherten zu unterrichten haben.

(6) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist insbesondere zu regeln

1.
der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel,
2.
die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen,
3.
die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung,
4.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer,
5.
auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Absatz 11 Satz 1 verzichtet werden kann sowie
6.
die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Absatz 11 Satz 1.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Heilmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 125 Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen Anforderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.

(6b) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die diagnoseorientiert und leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. In der Richtlinie sind auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs von der stationären in die ambulante Versorgung zu treffen.

(6c) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierzu Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Er kann den Anwendungsbereich seiner Richtlinie auf die Versorgung von Versicherten erstrecken, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.

(7) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 sind insbesondere zu regeln

1.
die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung,
2.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus,
3.
die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege und für die Mitgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt,
4.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur Dekolonisation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA),
5.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Leistungserbringern und zu den Regelungen gemäß Satz 1 Nummer 5 zusätzlich den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7a) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Hilfsmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 127 Absatz 9 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer und den Spitzenorganisationen der betroffenen Hilfsmittelhersteller auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7b) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 14 ist den maßgeblichen Organisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7c) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Soziotherapie nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7d) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e ist den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Methoden, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung am Menschen angewandt werden, ist auch der Strahlenschutzkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7e) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht. Es wird durch zwei Vertreter der Länder ausgeübt, die von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder benannt werden. Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über Anträge der Länder in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Entscheidungen über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe und die Bestellung von Sachverständigen durch den zuständigen Unterausschuss sind nur im Einvernehmen mit den beiden Vertretern der Länder zu treffen. Dabei haben diese ihr Votum einheitlich abzugeben.

(7f) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 und den Beschlüssen nach den §§ 136b und 136c erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht; Absatz 7e Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach § 136 Absatz 1 in Verbindung mit § 136a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ist dem Robert Koch-Institut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Robert Koch-Institut hat die Stellungnahme mit den wissenschaftlichen Kommissionen am Robert Koch-Institut nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes abzustimmen. Die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(7g) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ist den in § 132l Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer sowie den für die Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Versicherten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(8) Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Bestandteil der Bundesmantelverträge.

(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene haben unter Berücksichtigung der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 gemeinsam Rahmenempfehlungen über die einheitliche und flächendeckende Versorgung mit häuslicher Krankenpflege abzugeben; für Pflegedienste, die einer Kirche oder einer Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts oder einem sonstigen freigemeinnützigen Träger zuzuordnen sind, können die Rahmenempfehlungen gemeinsam mit den übrigen Partnern der Rahmenempfehlungen auch von der Kirche oder der Religionsgemeinschaft oder von dem Wohlfahrtsverband abgeschlossen werden, dem die Einrichtung angehört. Vor Abschluß der Vereinbarung ist der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in den Entscheidungsprozeß der Partner der Rahmenempfehlungen einzubeziehen. In den Rahmenempfehlungen sind insbesondere zu regeln:

1.
Eignung der Leistungserbringer einschließlich Anforderungen an die Eignung zur Versorgung nach § 37 Absatz 7,
2.
Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Fortbildung,
3.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des Leistungserbringers mit dem verordnenden Vertragsarzt und dem Krankenhaus,
4.
Grundsätze der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung einschließlich deren Prüfung,
5.
Grundsätze der Vergütungen und ihrer Strukturen einschließlich der Transparenzvorgaben für die Vergütungsverhandlungen zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Tariflöhne oder Arbeitsentgelte sowie erstmals bis zum 30. Juni 2019 Grundsätze für die Vergütung von längeren Wegezeiten, insbesondere in ländlichen Räumen, durch Zuschläge unter Einbezug der ambulanten Pflege nach dem Elften Buch,
6.
Grundsätze zum Verfahren der Prüfung der Leistungspflicht der Krankenkassen sowie zum Abrechnungsverfahren einschließlich der für diese Zwecke jeweils zu übermittelnden Daten und
7.
Anforderungen an die Eignung der Pflegefachkräfte, die Leistungen im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbringen, sowie Maßnahmen zur Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit der im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbrachten Leistungen.
Um den Besonderheiten der intensivpflegerischen Versorgung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege Rechnung zu tragen, sind in den Rahmenempfehlungen auch Regelungen über die behandlungspflegerische Versorgung von Versicherten, die auf Grund eines besonders hohen Bedarfs an diesen Leistungen oder einer Bedrohung ihrer Vitalfunktion einer ununterbrochenen Anwesenheit einer Pflegekraft bedürfen, vorzusehen. In den Rahmenempfehlungen nach Satz 4 Nummer 6 können auch Regelungen über die nach § 302 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 in Richtlinien geregelten Inhalte getroffen werden; in diesem Fall gilt § 302 Absatz 4. Die Inhalte der Rahmenempfehlungen sind den Verträgen nach Absatz 4 zugrunde zu legen.

(2) Kommt eine Rahmenempfehlung nach Absatz 1 ganz oder teilweise nicht zu Stande, können die Rahmenempfehlungspartner die Schiedsstelle nach Absatz 3 anrufen. Die Schiedsstelle kann auch vom Bundesministerium für Gesundheit angerufen werden. Sie setzt innerhalb von drei Monaten den betreffenden Rahmenempfehlungsinhalt fest.

(3) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene bilden erstmals bis zum 1. Juli 2017 eine gemeinsame Schiedsstelle. Sie besteht aus Vertretern der Krankenkassen und der Pflegedienste in gleicher Zahl sowie aus einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Die Amtsdauer beträgt vier Jahre. Über den Vorsitzenden und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die Rahmenempfehlungspartner einigen. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, gilt § 89 Absatz 6 Satz 3 entsprechend. Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zahl und die Bestellung der Mitglieder, die Erstattung der baren Auslagen und die Entschädigung für den Zeitaufwand der Mitglieder, das Verfahren sowie über die Verteilung der Kosten regeln. § 129 Absatz 9 und 10 Satz 1 gilt entsprechend.

(4) Über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung schließen diedieLandesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich Verträge mit den Leistungserbringern. Wird die Fortbildung nicht nachgewiesen, sind Vergütungsabschläge vorzusehen. Dem Leistungserbringer ist eine Frist zu setzen, innerhalb derer er die Fortbildung nachholen kann. Erbringt der Leistungserbringer in diesem Zeitraum die Fortbildung nicht, ist der Vertrag zu kündigen. Die Krankenkassen haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden. Verträge dürfen nur mit zuverlässigen Leistungserbringern abgeschlossen werden, die die Gewähr für eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung bieten. Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden; insoweit gilt § 71 nicht. Bei nicht tarifgebundenen oder nicht an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Leistungserbringern gilt § 82c Absatz 2 Satz 1 des Elften Buches entsprechend. Der Leistungserbringer ist verpflichtet, die entsprechende Bezahlung der Beschäftigten nach Satz 7 jederzeit einzuhalten und sie auf Verlangen einer Vertragspartei nachzuweisen. Im Fall der Nichteinigung wird der Vertragsinhalt durch eine von den Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson innerhalb von drei Monaten festgelegt. Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese vom Bundesamt für Soziale Sicherung innerhalb eines Monats nach Vorliegen der für die Bestimmung der Schiedsperson notwendigen Informationen bestimmt; Widerspruch und Klage gegen die Bestimmung der Schiedsperson durch das Bundesamt für Soziale Sicherung haben keine aufschiebende Wirkung. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihrer Vielfalt, insbesondere der Bedeutung der freien Wohlfahrtspflege, Rechnung zu tragen. Die Leistungserbringer sind verpflichtet, an Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen nach § 275b teilzunehmen; § 114 Absatz 2 des Elften Buches bleibt unberührt. Soweit bei einer Prüfung nach § 275b Absatz 1 Satz 1 bis 3 Qualitätsmängel festgestellt werden, entscheiden die Landesverbände der Krankenkassen oder die Krankenkassen nach Anhörung des Leistungserbringers, welche Maßnahmen zu treffen sind, erteilen dem Leistungserbringer hierüber einen Bescheid und setzen ihm darin zugleich eine angemessene Frist zur Beseitigung der festgestellten Mängel. Der Leistungserbringer hat der Krankenkasse anzuzeigen, dass er behandlungspflegerische Leistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 5 erbringt, wenn er diese Leistungen für mindestens zwei Versicherte in einer durch den Leistungserbringer oder einen Dritten organisierten Wohneinheit erbringt. Abweichend von Satz 1 kann die Krankenkasse zur Gewährung von häuslicher Krankenpflege geeignete Personen anstellen.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Qualitätssicherung der Früherkennungsuntersuchungen sowie zur Durchführung organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a einschließlich der systematischen Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität dieser Programme,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden,
6.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes,
7.
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches,
8.
Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation,
9.
Bedarfsplanung,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 sowie die Kryokonservierung nach § 27a Absatz 4,
11.
Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Krankentransporten,
13.
Qualitätssicherung,
14.
spezialisierte ambulante Palliativversorgung,
15.
Schutzimpfungen.

(1a) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 sind auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben, einen Beschluss zu einzelnen dem Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu überprüfen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Bei Nichteinhaltung der Frist fasst eine aus den Mitgliedern des Bundesausschusses zu bildende Schiedsstelle innerhalb von 30 Tagen den erforderlichen Beschluss. Die Schiedsstelle besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Bundesausschusses und je einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmten Vertreter. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ist den für die Wahrnehmung der Interessen von Zahntechnikern maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1b) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 ist den in § 134a Absatz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(2) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a und 35b so zusammenzustellen, daß dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, sind zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zu den Therapiekosten und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt; § 73 Abs. 8 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können ferner für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:

1.
Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind,
2.
Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind,
3.
Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
Absatz 3a gilt entsprechend. In den Therapiehinweisen nach den Sätzen 1 und 7 können Anforderungen an die qualitätsgesicherte Anwendung von Arzneimitteln festgestellt werden, insbesondere bezogen auf die Qualifikation des Arztes oder auf die zu behandelnden Patientengruppen. In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 können auch Therapiehinweise zu Arzneimitteln außerhalb von Zusammenstellungen gegeben werden; die Sätze 3 und 4 sowie Absatz 1 Satz 1 dritter Halbsatz gelten entsprechend. Die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 können Empfehlungen zu den Anteilen einzelner Wirkstoffe an den Verordnungen im Indikationsgebiet vorsehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt die Grundsätze für die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 in seiner Verfahrensordnung. Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse nach Absatz 1 für Arzneimittel beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss gesondert in Richtlinien außerhalb von Therapiehinweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 hergestellt werden kann. Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nach Absatz 1 Satz 1 dürfen den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen.

(2a) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Absatz 3a gilt für die Forderung nach Satz 1 entsprechend. Das Nähere zu den Voraussetzungen, zu der Forderung ergänzender Studien, zu Fristen sowie zu den Anforderungen an die Studien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Werden die Studien nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der Gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine gesonderte Klage gegen die Forderung ergänzender Studien ist ausgeschlossen.

(3) Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach Absatz 2 gelten die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen nach Absatz 2 Satz 2, die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen nach Absatz 2 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach Absatz 2 ist unzulässig.

(3a) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes und Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gutachten oder Empfehlungen von Sachverständigen, die er bei Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes sowie bei Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 zu Grunde legt, bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zu benennen und zu veröffentlichen sowie in den tragenden Gründen der Beschlüsse zu benennen.

(4) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 sind insbesondere zu regeln

1.
die Anwendung wirtschaftlicher Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen mehrere Maßnahmen zur Früherkennung zusammenzufassen sind,
2.
das Nähere über die Bescheinigungen und Aufzeichnungen bei Durchführung der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
3.
Einzelheiten zum Verfahren und zur Durchführung von Auswertungen der Aufzeichnungen sowie der Evaluation der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einschließlich der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a.

(4a) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2021 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung in geeigneten Fällen. Bei der Festlegung der Regelungen nach Satz 1 ist zu beachten, dass im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung diese nicht über einen Zeitraum von bis zu drei Kalendertagen hinausgehen und ihr keine Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit folgen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen nach Satz 1 über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Bei der Erstellung des Berichtes ist den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In Ergänzung der nach Satz 1 beschlossenen Regelungen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Januar 2024 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen sowie ausschließlich bezogen auf in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannte Patientinnen und Patienten auch nach telefonischer Anamnese.

(5) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 ist den in § 111b Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer, den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Neunten Buches) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. In den Richtlinien ist zu regeln, bei welchen Behinderungen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Verfahren die Vertragsärzte die Krankenkassen über die Behinderungen von Versicherten zu unterrichten haben.

(6) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist insbesondere zu regeln

1.
der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel,
2.
die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen,
3.
die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung,
4.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer,
5.
auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Absatz 11 Satz 1 verzichtet werden kann sowie
6.
die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Absatz 11 Satz 1.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Heilmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 125 Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen Anforderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.

(6b) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die diagnoseorientiert und leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. In der Richtlinie sind auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs von der stationären in die ambulante Versorgung zu treffen.

(6c) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierzu Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Er kann den Anwendungsbereich seiner Richtlinie auf die Versorgung von Versicherten erstrecken, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.

(7) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 sind insbesondere zu regeln

1.
die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung,
2.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus,
3.
die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege und für die Mitgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt,
4.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur Dekolonisation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA),
5.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Leistungserbringern und zu den Regelungen gemäß Satz 1 Nummer 5 zusätzlich den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7a) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Hilfsmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 127 Absatz 9 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer und den Spitzenorganisationen der betroffenen Hilfsmittelhersteller auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7b) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 14 ist den maßgeblichen Organisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7c) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Soziotherapie nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7d) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e ist den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Methoden, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung am Menschen angewandt werden, ist auch der Strahlenschutzkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7e) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht. Es wird durch zwei Vertreter der Länder ausgeübt, die von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder benannt werden. Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über Anträge der Länder in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Entscheidungen über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe und die Bestellung von Sachverständigen durch den zuständigen Unterausschuss sind nur im Einvernehmen mit den beiden Vertretern der Länder zu treffen. Dabei haben diese ihr Votum einheitlich abzugeben.

(7f) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 und den Beschlüssen nach den §§ 136b und 136c erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht; Absatz 7e Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach § 136 Absatz 1 in Verbindung mit § 136a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ist dem Robert Koch-Institut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Robert Koch-Institut hat die Stellungnahme mit den wissenschaftlichen Kommissionen am Robert Koch-Institut nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes abzustimmen. Die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(7g) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ist den in § 132l Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer sowie den für die Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Versicherten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(8) Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Bestandteil der Bundesmantelverträge.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 29. Juli 2014 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 133,96 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Untersuchung im Krankenhaus.

2

Die Klägerin betreibt in H. ein für die Behandlung Versicherter zugelassenes Krankenhaus. Ein Arzt der vertragsärztlichen Gemeinschaftspraxis K (Allgemein- und Sportmedizin) in S. verordnete nach einer von ihm veranlassten MRT-Untersuchung (21.12.2005, Arztbrief der radiologischen Praxis F. vom 22.12.2005) der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherten I. K. (im Folgenden: Versicherte) Krankenhausbehandlung wegen "Kniebinnenschaden re. M17.1" (23.12.2005). Das Krankenhaus der Klägerin untersuchte die Versicherte (23.12.2005), berücksichtigte die MRT-Untersuchung, fertigte Röntgenaufnahmen an (23.12.2005) und stellte fest, dass nur eine ambulante Operation erforderlich sei. Es operierte nach Voruntersuchung (27.12.2005) die Versicherte ambulant (Kniegelenks-Arthroskopie mit oberflächlicher Knorpelglättung und partieller Synovektomie, 28.12.2005). Die Beklagte vergütete die ambulante Operation und zunächst auch die Untersuchung vom 23.12.2005 (133,96 Euro; Rechnung vom 31.12.2005). 2008 "stornierte" die Beklagte die Untersuchungsvergütung, weil sie als präoperative Leistung mit der für die ambulante Operation gezahlten Vergütung abgegolten sei. Sie rechnete mit einer unstreitigen Forderung in entsprechender Höhe auf (16.7.2008). Das SG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, 133,96 Euro nebst Zinsen iHv zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.7.2008 zu zahlen (Urteil vom 5.8.2011). Das LSG hat das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die vorstationäre Behandlung am 23.12.2005 sei der ambulanten Operation am 28.12.2005 zuzuordnen. Die Vergütungsregelungen des AOP-Vertrages (Vertrag nach § 115b Abs 1 SGB V - Ambulantes Operieren und stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus, hier anzuwenden in der vom Bundesschiedsamt in der Sitzung am 18.3.2005 festgesetzten Fassung) schlössen den Anspruch auf eine separate Vergütung der vorstationären Behandlung aus (Urteil vom 29.7.2014).

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 115a SGB V. Die vorstationäre Behandlung sei zu vergüten (§ 115a Abs 3 SGB V), da die Versicherte erst durch einen Krankenhausarzt habe untersucht werden müssen, um zu entscheiden, welche Art der Behandlung geboten gewesen sei (§ 115a Abs 1 S 1 Nr 1 Fall 1 SGB V).

4

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 29. Juli 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 5. August 2011 zurückzuweisen,

hilfsweise,

        
        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 29. Juli 2014 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der klagenden Krankenhausträgerin ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

8

Das angefochtene LSG-Urteil ist aufzuheben, denn es verletzt materielles Recht und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend über den zulässigerweise mit der (echten) Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG; stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 8, alle mwN) geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von 133,96 Euro nebst Zinsen für die Behandlung anderer Versicherter (dazu 1.) zu entscheiden. Es steht nicht fest, ob der anderweitige Vergütungsanspruch für Krankenhausbehandlung durch Aufrechnung erlosch (dazu 2.), weil das LSG nicht die Erforderlichkeit vorstationärer Untersuchung als Voraussetzung des Erstattungsanspruchs festgestellt hat, mit dem die Beklagte aufrechnete (dazu 3.).

9

1. Zu Recht ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass der Klägerin aufgrund stationärer Behandlung anderer Versicherter der Beklagten zunächst Anspruch auf die abgerechnete Vergütung in Höhe von 133,96 Euro zustand; eine nähere Prüfung des erkennenden Senats erübrigt sich insoweit (vgl zur Zulässigkeit dieses Vorgehens zB BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 7 RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 2 RdNr 15; BSG SozR 4-5562 § 9 Nr 4 RdNr 8).

10

2. Es steht nicht fest, dass die Voraussetzungen dafür erfüllt waren, dass der anderweitige Vergütungsanspruch für Krankenhausbehandlung dadurch erlosch, dass die Beklagte wirksam mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausuntersuchung der Versicherten analog § 387 BGB die Aufrechnung erklärte(zur entsprechenden Anwendung auf überzahlte Krankenhausvergütung vgl zB BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 9 ff mwN, stRspr). Wenn die Beklagte einen Erstattungsanspruch auf Zahlung von 133,96 Euro hatte, waren der Vergütungsanspruch der Klägerin und der von der Beklagten aufgerechnete öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch gegenseitig und gleichartig (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 3 RdNr 16), der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch war fällig und der Vergütungsanspruch der Klägerin erfüllbar. Die Voraussetzungen des Gegenanspruchs aus öffentlich-rechtlicher Erstattung iHv 133,96 Euro waren aber nur dann erfüllt, wenn die Untersuchung der Versicherten am 23.12.2005 keine erforderliche Krankenhausbehandlung war. Die Beklagte hatte in diesem Falle rechtsgrundlos 133,96 Euro vergütet. Hierzu fehlt es an Feststellungen der Vorinstanz.

11

3. Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin für die Untersuchung vom 23.12.2005 ist die Vergütungsregelung für vorstationäre Behandlung (dazu a). Außerhalb dieser Vergütungsregelung bestehen vorliegend keine gesetzlichen oder vertraglichen Vergütungsansprüche (dazu b). Die Voraussetzungen der Vergütung vorstationärer Behandlung waren hinsichtlich der Abrechenbarkeit an sich (dazu c) und der speziellen Anforderungen des § 115a SGB V(dazu d) erfüllt. Es fehlt aber an Feststellungen dazu, dass die vorstationäre Untersuchung erforderlich war (dazu e).

12

a) Die Zahlungsverpflichtung einer KK für vor- und nachstationäre Krankenhausbehandlung entsteht nach näherer Maßgabe von § 115a Abs 3 SGB V zur Anspruchshöhe - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt, zudem den speziellen Anforderungen des § 115a SGB V genügt, erforderlich und abrechenbar ist. Das entspricht den speziellen gesetzlichen Vorgaben in Verbindung mit den allgemeinen Grundsätzen für die Vergütung von Krankenhausbehandlung, die ergänzend auch für vor- und nachstationäre Behandlungen gelten (vgl BSG SozR 4-2500 § 115a Nr 5 RdNr 8; BSGE 114, 199 = SozR 4-2500 § 115a Nr 4, RdNr 9).

13

b) Außerhalb der Vergütungsregelung für vorstationäre Behandlung ergibt sich weder eine weitere Anspruchsgrundlage aus § 109 Abs 4 S 3 SGB V iVm dem Krankenhausfinanzierungsgesetz, dem Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und den dazu maßgeblichen Normenverträgen noch aus einem anderen Vertrag, insbesondere auch nicht aus einem für das Land Niedersachsen geltenden Vertrag nach § 115 Abs 1 oder § 112 SGB V. Dies käme denkmöglich in Betracht, weil die Krankenhausaufnahme Versicherter seit 1.1.1993 voraussetzt, dass die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist (vgl § 39 Abs 1 S 2 SGB V idF durch Art 1 Nr 23 Buchst a des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung - Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992, BGBl I 2266 mWv 1.1.1993). Der erkennende Senat lässt die Frage offen, ob und inwieweit in Verträgen nach §§ 115, 112 SGB V eine Pauschale für einen solchen Untersuchungsaufwand des Krankenhauses geregelt werden kann.

14

c) Entgegen der Auffassung des LSG war ein Anspruch auf Vergütung vorstationärer Behandlung abrechenbar, soweit seine übrigen Entstehungsvoraussetzungen erfüllt waren. Die Abrechenbarkeit ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich an die vorstationäre Behandlung eine ambulante Operation nach Maßgabe des § 115b SGB V anschließt(vgl bereits BSG SozR 4-2500 § 115a Nr 5, RdNr 8). Eine vorstationäre Behandlung ist zwar im Falle einer stationären Behandlung neben der zu vergütenden Fallpauschale nicht gesondert berechenbar (§ 8 Abs 2 S 3 Nr 4 KHEntgG). Eine entsprechende gesetzliche Ausschlussregelung gibt es für den Vergütungsanspruch wegen vorstationärer Behandlung bei nachfolgender ambulanter Operation aber nicht. Auch andere hier in Betracht kommende (normen)vertragliche Regelungen, insbesondere die des § 4 AOP-Vertrag oder eines Vertrages nach § 115 Abs 1 iVm Abs 2 S 1 Nr 4 SGB V, verhalten sich nicht dazu. Dies läge nach dem Regelungssystem auch fern: Ergibt die vorstationäre Untersuchung des Krankenhauses, dass ambulante Behandlung ausreicht, fehlt ein den Fallpauschalen vergleichbarer Kompensationsmechanismus.

15

d) Die vorstationäre Behandlung des Versicherten genügte den speziellen Anforderungen des § 115a SGB V(vgl dazu insgesamt BSG SozR 4-2500 § 115a Nr 5 RdNr 9 ff; BSGE 114, 199 = SozR 4-2500 § 115a Nr 4, RdNr 10 ff). Danach kann das Krankenhaus bei Verordnung von Krankenhausbehandlung (dazu aa) Versicherte in medizinisch geeigneten Fällen ohne Unterkunft und Verpflegung behandeln (dazu bb), um die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären oder die vollstationäre Krankenhausbehandlung vorzubereiten - vorstationäre Behandlung - (§ 115a Abs 1 Nr 1 SGB V, hier anzuwenden in der durch Art 1 Nr 71 GSG vom 21.12.1992, BGBl I 2266, eingefügten Fassung). Die vorstationäre Behandlung ist grundsätzlich auf längstens drei Behandlungstage innerhalb von fünf Tagen vor Beginn der stationären Behandlung begrenzt (vgl § 115a Abs 2 S 1 SGB V dazu cc).

16

aa) Die Versicherte hatte eine erforderliche "Verordnung von Krankenhausbehandlung". Dies setzt eine begründete Verordnung eines Vertragsarztes oder eines sonstigen an der vertragsärztlichen Versorgung Teilnehmenden voraus. Die vertragsärztliche Versorgung umfasst ausdrücklich ua auch die Verordnung von Krankenhausbehandlung (§ 73 Abs 2 S 1 Nr 7 Fall 6 SGB V). Die Begrenzung auf im dargelegten Sinne vertragsärztliche Verordnungen von Krankenhausbehandlung sichert die vertragsärztliche Pflicht, Krankenhausbehandlung nur zu verordnen, wenn eine ambulante Versorgung der Versicherten zur Erzielung des Heil- oder Linderungserfolgs nicht ausreicht (§ 73 Abs 4 S 1 SGB V). Im gleichen Sinne wirkt die damit ebenfalls abgesicherte vertragsärztliche Pflicht, die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung bei der Verordnung zu begründen (§ 73 Abs 4 S 2 SGB V).

17

Die Verordnung von Krankenhausbehandlung durch einen Vertragsarzt der Gemeinschaftspraxis K. vom 23.12.2005, die stationäre Krankenhausbehandlung wegen eines Kniebinnenschadens rechts vorsah, erfüllte nach dem Gesamtzusammenhang der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) diese Voraussetzungen. Ihnen ist zu entnehmen, dass der Vertragsarzt die Verordnung von Krankenhausbehandlung mit dem von der Gemeinschaftspraxis veranlassten aktuellen MRT-Befund vom 21.12.2005 (insbesondere degenerative Chondropathie des medialen femoro-tibialen Gelenkkompartimentes - Grad 2 bis 3) begründete.

18

bb) Wenn Krankenhausbehandlung der Versicherten erforderlich war, um die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären, war hierzu aus allein medizinischen Gründen Krankenhausbehandlung jedenfalls ohne Unterkunft und Verpflegung ausreichend. Es bedurfte hierzu nach dem Gesamtzusammenhang der unangegriffenen Feststellungen des LSG unstreitig keiner vollstationären Krankenhausbehandlung.

19

cc) Wenn Krankenhausbehandlung der Versicherten erforderlich war, um die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären, war hierzu aus allein medizinischen Gründen eine Untersuchung in dem gesetzlich vorgegebenen Zeitrahmen von längstens drei Behandlungstagen innerhalb von fünf Tagen vor Beginn der stationären Behandlung (vgl § 115a Abs 2 S 1 SGB V) ausreichend. Dies entspricht dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.

20

e) Es steht nicht fest, dass die vorstationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten geboten war, um - hier allein in Betracht kommend - die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung der Versicherten abzuklären. Eine vorstationäre Behandlung ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl BSGE 114, 199 = SozR 4-2500 § 115a Nr 4, RdNr 25 und LS 2; BSG SozR 4-2500 § 115a Nr 5 RdNr 18) nicht erforderlich, wenn sich aus der Verordnung von Krankenhausbehandlung und den beigefügten Unterlagen ohne Weiteres ergibt, dass die notwendige vertragsärztliche Diagnostik nicht ausgeschöpft ist und das Krankenhaus den Versicherten zumutbar und kunstgerecht hierauf verweisen kann. Denn eine vorstationäre Behandlung ist regelmäßig nicht erforderlich, wenn stattdessen vertragsärztliche Versorgung ausreichend ist. Krankenhausbehandlung, und sei sie auch vorstationär, darf nach den Vorgaben des Gesetzes nur dann vertragsärztlich verordnet werden, wenn eine ambulante Versorgung der Versicherten zur Erzielung des Heil- oder Linderungserfolgs nicht ausreicht (vgl § 73 Abs 4 S 1 SGB V). Der im Regelungssystem angelegte Vorrang der vertragsärztlichen vor der stationären, auch nachstationären Versorgung wurzelt in den Kostenvorteilen der vertragsärztlichen Versorgung, im Kern also im Wirtschaftlichkeitsgebot.

21

Das Krankenhaus, dem eine Versicherte zur (vor)stationären Behandlung überwiesen wird, hat die objektive Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung nach allein medizinischen Erfordernissen zu prüfen. Das Gericht hat dabei von dem im Behandlungszeitpunkt objektiv verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes auszugehen (vgl BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 27 und LS 2). Es prägt diesen Kenntnisstand, dass der Vertragsarzt der Verordnung von Krankenhausbehandlung die für die Indikation der stationären Behandlung des Patienten bedeutsamen Unterlagen hinsichtlich Anamnese, Diagnostik und ambulanter Therapie beizufügen hat, soweit sie ihm vorliegen (§ 6 Krankenhausbehandlungs-Richtlinien, Zusammenarbeit von Vertragsarzt und Krankenhaus). Ergibt sich daraus ohne Weiteres, dass der Vertragsarzt pflichtwidrig die notwendige vertragsärztliche Diagnostik nicht ausgeschöpft hat, sodass das Krankenhaus den Versicherten zumutbar und kunstgerecht hierauf verweisen kann, hat das Krankenhaus hiernach zu verfahren und eine vorstationäre Abklärung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit abzulehnen (BSGE 114, 199 = SozR 4-2500 § 115a Nr 4, RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 115a Nr 5 RdNr 18). Hätte die Klägerin schon bei bloßer Durchsicht des MRT-Befundes, der Verordnung von Krankenhausbehandlung und einer orientierenden Befragung der Versicherten erkennen können, dass eine vorstationäre Krankenhausbehandlung (im Sinne einer Abklärungsuntersuchung) nicht geboten war, konnte sie keine vorstationäre Vergütung beanspruchen. Ließ der bei Aufnahme der Versicherten zur vorstationären Abklärung dem aufnehmenden Arzt verfügbare Wissens- und Kenntnisstand demgegenüber keine der Versicherten zumutbare Verweisung auf notwendige vertragsärztliche Diagnostik zu, sondern erforderte er den Eintritt in eine Untersuchung mit den besonderen Mitteln des Krankenhauses, begründete dies zugleich den Anspruch auf Vergütung des Krankenhauses (zur Möglichkeit der KK, gegenüber dem Vertragsarzt einen "sonstigen Schaden" geltend zu machen, vgl BSGE 114, 199 = SozR 4-2500 § 115a Nr 4, RdNr 26 mwN).

22

Das LSG hat es ausdrücklich offengelassen, dass "die dem vorliegenden Behandlungsfall zugrunde liegende Krankenhauseinweisung eine vorstationäre Behandlungsbedürftigkeit zu rechtfertigen vermochte" und dass die vertragsärztliche Diagnose "für den Krankenhausarzt ohne Weiteres eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit erkennen ließ". Soweit das LSG an anderer Stelle ausgeführt hat, dass die vorstationäre Behandlung der Versicherten einen Anspruch nach § 115a SGB V ausgelöst habe, der aber daran scheitere, dass er durch die sich aus § 115b SGB V ergebenden Ansprüche verdrängt werde, hat es auch dort zur Erforderlichkeit vorstationärer Behandlung keine Feststellungen getroffen. Das LSG wird die gebotenen Feststellungen nunmehr nachzuholen haben: Es hat festzustellen, dass die Klägerin die Versicherte nicht zumutbar auf ergänzende vertragsärztliche Diagnostik verweisen konnte, zu der grundsätzlich auch die fachärztliche klinische Untersuchung und Anfertigung von Röntgenaufnahmen zählt, die hier die Klägerin durchführte.

23

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG.

(1) Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach § 116b an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 2 Satz 2, den nach § 72a Abs. 3 vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern sowie den Einrichtungen nach § 75 Abs. 9 frei wählen. Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden. Die Inanspruchnahme der Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 1 und 2 Satz 1 richtet sich nach den hierüber abgeschlossenen Verträgen. Die Zahl der Eigeneinrichtungen darf auf Grund vertraglicher Vereinbarung vermehrt werden, wenn die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 Satz 1 erfüllt sind.

(1a) In den Fällen des § 75 Absatz 1a Satz 7 können Versicherte auch zugelassene Krankenhäuser in Anspruch nehmen, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen; dies gilt auch, wenn die Terminservicestelle Versicherte in den Fällen des § 75 Absatz 1a Satz 3 Nummer 3 in eine Notfallambulanz vermittelt. Die Inanspruchnahme umfasst auch weitere auf den Termin folgende notwendige Behandlungen, die dazu dienen, den Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen.

(2) Wird ohne zwingenden Grund ein anderer als einer der nächsterreichbaren an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen oder medizinische Versorgungszentren in Anspruch genommen, hat der Versicherte die Mehrkosten zu tragen.

(3) Die Versicherten sollen den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt innerhalb eines Kalendervierteljahres nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Der Versicherte wählt einen Hausarzt. Der Arzt hat den Versicherten vorab über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung (§ 73) zu unterrichten; eine Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung hat er auf seinem Praxisschild anzugeben.

(3a) Die Partner der Verträge nach § 82 Abs. 1 haben geeignete Maßnahmen zu vereinbaren, die einer unkoordinierten Mehrfachinanspruchnahme von Vertragsärzten entgegenwirken und den Informationsaustausch zwischen vor- und nachbehandelnden Ärzten gewährleisten.

(4) Die Übernahme der Behandlung verpflichtet die in Absatz 1 genannten Personen oder Einrichtungen dem Versicherten gegenüber zur Sorgfalt nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechts.

(5) Die Versicherten der knappschaftlichen Krankenversicherung können unter den Knappschaftsärzten und den in Absatz 1 genannten Personen und Einrichtungen frei wählen. Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend.

(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene haben unter Berücksichtigung der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 gemeinsam Rahmenempfehlungen über die einheitliche und flächendeckende Versorgung mit häuslicher Krankenpflege abzugeben; für Pflegedienste, die einer Kirche oder einer Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts oder einem sonstigen freigemeinnützigen Träger zuzuordnen sind, können die Rahmenempfehlungen gemeinsam mit den übrigen Partnern der Rahmenempfehlungen auch von der Kirche oder der Religionsgemeinschaft oder von dem Wohlfahrtsverband abgeschlossen werden, dem die Einrichtung angehört. Vor Abschluß der Vereinbarung ist der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in den Entscheidungsprozeß der Partner der Rahmenempfehlungen einzubeziehen. In den Rahmenempfehlungen sind insbesondere zu regeln:

1.
Eignung der Leistungserbringer einschließlich Anforderungen an die Eignung zur Versorgung nach § 37 Absatz 7,
2.
Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Fortbildung,
3.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des Leistungserbringers mit dem verordnenden Vertragsarzt und dem Krankenhaus,
4.
Grundsätze der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung einschließlich deren Prüfung,
5.
Grundsätze der Vergütungen und ihrer Strukturen einschließlich der Transparenzvorgaben für die Vergütungsverhandlungen zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Tariflöhne oder Arbeitsentgelte sowie erstmals bis zum 30. Juni 2019 Grundsätze für die Vergütung von längeren Wegezeiten, insbesondere in ländlichen Räumen, durch Zuschläge unter Einbezug der ambulanten Pflege nach dem Elften Buch,
6.
Grundsätze zum Verfahren der Prüfung der Leistungspflicht der Krankenkassen sowie zum Abrechnungsverfahren einschließlich der für diese Zwecke jeweils zu übermittelnden Daten und
7.
Anforderungen an die Eignung der Pflegefachkräfte, die Leistungen im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbringen, sowie Maßnahmen zur Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit der im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbrachten Leistungen.
Um den Besonderheiten der intensivpflegerischen Versorgung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege Rechnung zu tragen, sind in den Rahmenempfehlungen auch Regelungen über die behandlungspflegerische Versorgung von Versicherten, die auf Grund eines besonders hohen Bedarfs an diesen Leistungen oder einer Bedrohung ihrer Vitalfunktion einer ununterbrochenen Anwesenheit einer Pflegekraft bedürfen, vorzusehen. In den Rahmenempfehlungen nach Satz 4 Nummer 6 können auch Regelungen über die nach § 302 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 in Richtlinien geregelten Inhalte getroffen werden; in diesem Fall gilt § 302 Absatz 4. Die Inhalte der Rahmenempfehlungen sind den Verträgen nach Absatz 4 zugrunde zu legen.

(2) Kommt eine Rahmenempfehlung nach Absatz 1 ganz oder teilweise nicht zu Stande, können die Rahmenempfehlungspartner die Schiedsstelle nach Absatz 3 anrufen. Die Schiedsstelle kann auch vom Bundesministerium für Gesundheit angerufen werden. Sie setzt innerhalb von drei Monaten den betreffenden Rahmenempfehlungsinhalt fest.

(3) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene bilden erstmals bis zum 1. Juli 2017 eine gemeinsame Schiedsstelle. Sie besteht aus Vertretern der Krankenkassen und der Pflegedienste in gleicher Zahl sowie aus einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Die Amtsdauer beträgt vier Jahre. Über den Vorsitzenden und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die Rahmenempfehlungspartner einigen. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, gilt § 89 Absatz 6 Satz 3 entsprechend. Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zahl und die Bestellung der Mitglieder, die Erstattung der baren Auslagen und die Entschädigung für den Zeitaufwand der Mitglieder, das Verfahren sowie über die Verteilung der Kosten regeln. § 129 Absatz 9 und 10 Satz 1 gilt entsprechend.

(4) Über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung schließen diedieLandesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich Verträge mit den Leistungserbringern. Wird die Fortbildung nicht nachgewiesen, sind Vergütungsabschläge vorzusehen. Dem Leistungserbringer ist eine Frist zu setzen, innerhalb derer er die Fortbildung nachholen kann. Erbringt der Leistungserbringer in diesem Zeitraum die Fortbildung nicht, ist der Vertrag zu kündigen. Die Krankenkassen haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden. Verträge dürfen nur mit zuverlässigen Leistungserbringern abgeschlossen werden, die die Gewähr für eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung bieten. Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden; insoweit gilt § 71 nicht. Bei nicht tarifgebundenen oder nicht an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Leistungserbringern gilt § 82c Absatz 2 Satz 1 des Elften Buches entsprechend. Der Leistungserbringer ist verpflichtet, die entsprechende Bezahlung der Beschäftigten nach Satz 7 jederzeit einzuhalten und sie auf Verlangen einer Vertragspartei nachzuweisen. Im Fall der Nichteinigung wird der Vertragsinhalt durch eine von den Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson innerhalb von drei Monaten festgelegt. Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese vom Bundesamt für Soziale Sicherung innerhalb eines Monats nach Vorliegen der für die Bestimmung der Schiedsperson notwendigen Informationen bestimmt; Widerspruch und Klage gegen die Bestimmung der Schiedsperson durch das Bundesamt für Soziale Sicherung haben keine aufschiebende Wirkung. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihrer Vielfalt, insbesondere der Bedeutung der freien Wohlfahrtspflege, Rechnung zu tragen. Die Leistungserbringer sind verpflichtet, an Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen nach § 275b teilzunehmen; § 114 Absatz 2 des Elften Buches bleibt unberührt. Soweit bei einer Prüfung nach § 275b Absatz 1 Satz 1 bis 3 Qualitätsmängel festgestellt werden, entscheiden die Landesverbände der Krankenkassen oder die Krankenkassen nach Anhörung des Leistungserbringers, welche Maßnahmen zu treffen sind, erteilen dem Leistungserbringer hierüber einen Bescheid und setzen ihm darin zugleich eine angemessene Frist zur Beseitigung der festgestellten Mängel. Der Leistungserbringer hat der Krankenkasse anzuzeigen, dass er behandlungspflegerische Leistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 5 erbringt, wenn er diese Leistungen für mindestens zwei Versicherte in einer durch den Leistungserbringer oder einen Dritten organisierten Wohneinheit erbringt. Abweichend von Satz 1 kann die Krankenkasse zur Gewährung von häuslicher Krankenpflege geeignete Personen anstellen.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene haben unter Berücksichtigung der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 gemeinsam Rahmenempfehlungen über die einheitliche und flächendeckende Versorgung mit häuslicher Krankenpflege abzugeben; für Pflegedienste, die einer Kirche oder einer Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts oder einem sonstigen freigemeinnützigen Träger zuzuordnen sind, können die Rahmenempfehlungen gemeinsam mit den übrigen Partnern der Rahmenempfehlungen auch von der Kirche oder der Religionsgemeinschaft oder von dem Wohlfahrtsverband abgeschlossen werden, dem die Einrichtung angehört. Vor Abschluß der Vereinbarung ist der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in den Entscheidungsprozeß der Partner der Rahmenempfehlungen einzubeziehen. In den Rahmenempfehlungen sind insbesondere zu regeln:

1.
Eignung der Leistungserbringer einschließlich Anforderungen an die Eignung zur Versorgung nach § 37 Absatz 7,
2.
Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Fortbildung,
3.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des Leistungserbringers mit dem verordnenden Vertragsarzt und dem Krankenhaus,
4.
Grundsätze der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung einschließlich deren Prüfung,
5.
Grundsätze der Vergütungen und ihrer Strukturen einschließlich der Transparenzvorgaben für die Vergütungsverhandlungen zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Tariflöhne oder Arbeitsentgelte sowie erstmals bis zum 30. Juni 2019 Grundsätze für die Vergütung von längeren Wegezeiten, insbesondere in ländlichen Räumen, durch Zuschläge unter Einbezug der ambulanten Pflege nach dem Elften Buch,
6.
Grundsätze zum Verfahren der Prüfung der Leistungspflicht der Krankenkassen sowie zum Abrechnungsverfahren einschließlich der für diese Zwecke jeweils zu übermittelnden Daten und
7.
Anforderungen an die Eignung der Pflegefachkräfte, die Leistungen im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbringen, sowie Maßnahmen zur Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit der im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbrachten Leistungen.
Um den Besonderheiten der intensivpflegerischen Versorgung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege Rechnung zu tragen, sind in den Rahmenempfehlungen auch Regelungen über die behandlungspflegerische Versorgung von Versicherten, die auf Grund eines besonders hohen Bedarfs an diesen Leistungen oder einer Bedrohung ihrer Vitalfunktion einer ununterbrochenen Anwesenheit einer Pflegekraft bedürfen, vorzusehen. In den Rahmenempfehlungen nach Satz 4 Nummer 6 können auch Regelungen über die nach § 302 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 in Richtlinien geregelten Inhalte getroffen werden; in diesem Fall gilt § 302 Absatz 4. Die Inhalte der Rahmenempfehlungen sind den Verträgen nach Absatz 4 zugrunde zu legen.

(2) Kommt eine Rahmenempfehlung nach Absatz 1 ganz oder teilweise nicht zu Stande, können die Rahmenempfehlungspartner die Schiedsstelle nach Absatz 3 anrufen. Die Schiedsstelle kann auch vom Bundesministerium für Gesundheit angerufen werden. Sie setzt innerhalb von drei Monaten den betreffenden Rahmenempfehlungsinhalt fest.

(3) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene bilden erstmals bis zum 1. Juli 2017 eine gemeinsame Schiedsstelle. Sie besteht aus Vertretern der Krankenkassen und der Pflegedienste in gleicher Zahl sowie aus einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Die Amtsdauer beträgt vier Jahre. Über den Vorsitzenden und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die Rahmenempfehlungspartner einigen. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, gilt § 89 Absatz 6 Satz 3 entsprechend. Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zahl und die Bestellung der Mitglieder, die Erstattung der baren Auslagen und die Entschädigung für den Zeitaufwand der Mitglieder, das Verfahren sowie über die Verteilung der Kosten regeln. § 129 Absatz 9 und 10 Satz 1 gilt entsprechend.

(4) Über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung schließen diedieLandesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich Verträge mit den Leistungserbringern. Wird die Fortbildung nicht nachgewiesen, sind Vergütungsabschläge vorzusehen. Dem Leistungserbringer ist eine Frist zu setzen, innerhalb derer er die Fortbildung nachholen kann. Erbringt der Leistungserbringer in diesem Zeitraum die Fortbildung nicht, ist der Vertrag zu kündigen. Die Krankenkassen haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden. Verträge dürfen nur mit zuverlässigen Leistungserbringern abgeschlossen werden, die die Gewähr für eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung bieten. Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden; insoweit gilt § 71 nicht. Bei nicht tarifgebundenen oder nicht an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Leistungserbringern gilt § 82c Absatz 2 Satz 1 des Elften Buches entsprechend. Der Leistungserbringer ist verpflichtet, die entsprechende Bezahlung der Beschäftigten nach Satz 7 jederzeit einzuhalten und sie auf Verlangen einer Vertragspartei nachzuweisen. Im Fall der Nichteinigung wird der Vertragsinhalt durch eine von den Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson innerhalb von drei Monaten festgelegt. Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese vom Bundesamt für Soziale Sicherung innerhalb eines Monats nach Vorliegen der für die Bestimmung der Schiedsperson notwendigen Informationen bestimmt; Widerspruch und Klage gegen die Bestimmung der Schiedsperson durch das Bundesamt für Soziale Sicherung haben keine aufschiebende Wirkung. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihrer Vielfalt, insbesondere der Bedeutung der freien Wohlfahrtspflege, Rechnung zu tragen. Die Leistungserbringer sind verpflichtet, an Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen nach § 275b teilzunehmen; § 114 Absatz 2 des Elften Buches bleibt unberührt. Soweit bei einer Prüfung nach § 275b Absatz 1 Satz 1 bis 3 Qualitätsmängel festgestellt werden, entscheiden die Landesverbände der Krankenkassen oder die Krankenkassen nach Anhörung des Leistungserbringers, welche Maßnahmen zu treffen sind, erteilen dem Leistungserbringer hierüber einen Bescheid und setzen ihm darin zugleich eine angemessene Frist zur Beseitigung der festgestellten Mängel. Der Leistungserbringer hat der Krankenkasse anzuzeigen, dass er behandlungspflegerische Leistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 5 erbringt, wenn er diese Leistungen für mindestens zwei Versicherte in einer durch den Leistungserbringer oder einen Dritten organisierten Wohneinheit erbringt. Abweichend von Satz 1 kann die Krankenkasse zur Gewährung von häuslicher Krankenpflege geeignete Personen anstellen.

(1) Heilmittel, die als Dienstleistungen abgegeben werden, insbesondere Leistungen der Physiotherapie, der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie, der Ergotherapie, der Podologie oder der Ernährungstherapie, dürfen an Versicherte nur von zugelassenen Leistungserbringern abgegeben werden, die

1.
die für die Leistungserbringung erforderliche Ausbildung sowie eine entsprechende zur Führung der Berufsbezeichnung berechtigende Erlaubnis oder einen vergleichbaren akademischen Abschluss besitzen,
2.
über eine Praxisausstattung verfügen, die eine zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung gewährleistet, und
3.
die für die Versorgung mit Heilmitteln geltenden Verträge nach § 125 Absatz 1 anerkennen.

(2) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen bilden gemeinsam und einheitlich bei einem der Landesverbände oder den Ersatzkassen eine Arbeitsgemeinschaft, die mit Wirkung für alle Krankenkassen die Entscheidungen über die Zulassungen trifft. Die Arbeitsgemeinschaften sind berechtigt, zur Erfüllung dieser Aufgabe Verwaltungsakte zu erlassen, zu ändern oder aufzuheben. Die Möglichkeit der Änderung oder Aufhebung gilt auch für Verwaltungsakte, die von den Landesverbänden der Krankenkassen oder den Ersatzkassen erteilt worden sind. Die Arbeitsgemeinschaft kann sich dabei auch auf mehrere Bundesländer erstrecken. Die Kosten tragen die Landesverbände und die Ersatzkassen anteilig nach Versicherten nach der Statistik KM 6. Die Arbeitsgemeinschaft darf die für die Überprüfung der Anforderungen nach den Absätzen 1 und 2a erforderlichen Daten von Leistungserbringern erheben, verarbeiten und nutzen. Die Arbeitsgemeinschaft darf die Daten von Leistungserbringern nach Absatz 5 erheben, verarbeiten und nutzen, zu denen in den Verträgen nach § 125 gemäß § 125 Absatz 2 Nummer 5a eine Anzeigepflicht besteht. Sie hat die maßgeblichen Daten nach den Sätzen 6 und 7 an den Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu übermitteln, der die Krankenkassen regelmäßig über die Leistungserbringer nach den Absätzen 1 und 5 informiert. Das Nähere zur Datenübermittlung und zum Verfahren regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Die Arbeitsgemeinschaften sind bis zum 31. August 2019 zu bilden. Bis zu diesem Zeitpunkt gilt § 124 Absatz 5 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat auf Grundlage der Daten nach Satz 8 eine Liste über die Leistungserbringer nach den Absätzen 1 und 5 mit den maßgeblichen Daten des jeweiligen Leistungserbringers nach den Absätzen 1 und 5 zu veröffentlichen; über den Umfang der zu veröffentlichenden Daten verständigen sich die Vertragspartner in den jeweiligen Verträgen nach § 125 Absatz 1.

(2a) Die Arbeitsgemeinschaften nach Absatz 2 prüfen zudem, ob Leistungserbringer die Voraussetzungen nach § 125 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 für die Durchführung von besonderen Maßnahmen der Physiotherapie unter Berücksichtigung der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 erfüllen. Bei Erfüllung der Anforderungen erteilt die Arbeitsgemeinschaft eine entsprechende Abrechnungserlaubnis. Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(3) Die Arbeitsgemeinschaft nach Absatz 2 ist berechtigt, die zuzulassenden Leistungserbringer im Hinblick auf die vertraglich vereinbarten räumlichen, sachlichen und personellen Voraussetzungen zu überprüfen. Die Leistungserbringer haben hierzu den Zutritt zu ihrer Praxis zu den üblichen Praxiszeiten zu gewähren. Mehrfache Praxisprüfungen durch die Arbeitsgemeinschaft sind zu vermeiden.

(4) (weggefallen)

(5) Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen und ihnen vergleichbare Einrichtungen dürfen die in Absatz 1 genannten Heilmittel durch Personen abgeben, die die Voraussetzung nach Absatz 1 Nummer 1 erfüllen, wenn sie über eine Praxisausstattung im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 verfügen. Einer Zulassung bedarf es nicht. Für die in Satz 1 genannten Einrichtungen gelten die nach § 125 Absatz 1 abgeschlossenen Verträge entsprechend, ohne dass es einer Anerkennung dieser Verträge bedarf.

(6) (weggefallen)

(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene haben unter Berücksichtigung der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 gemeinsam Rahmenempfehlungen über die einheitliche und flächendeckende Versorgung mit häuslicher Krankenpflege abzugeben; für Pflegedienste, die einer Kirche oder einer Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts oder einem sonstigen freigemeinnützigen Träger zuzuordnen sind, können die Rahmenempfehlungen gemeinsam mit den übrigen Partnern der Rahmenempfehlungen auch von der Kirche oder der Religionsgemeinschaft oder von dem Wohlfahrtsverband abgeschlossen werden, dem die Einrichtung angehört. Vor Abschluß der Vereinbarung ist der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in den Entscheidungsprozeß der Partner der Rahmenempfehlungen einzubeziehen. In den Rahmenempfehlungen sind insbesondere zu regeln:

1.
Eignung der Leistungserbringer einschließlich Anforderungen an die Eignung zur Versorgung nach § 37 Absatz 7,
2.
Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Fortbildung,
3.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des Leistungserbringers mit dem verordnenden Vertragsarzt und dem Krankenhaus,
4.
Grundsätze der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung einschließlich deren Prüfung,
5.
Grundsätze der Vergütungen und ihrer Strukturen einschließlich der Transparenzvorgaben für die Vergütungsverhandlungen zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Tariflöhne oder Arbeitsentgelte sowie erstmals bis zum 30. Juni 2019 Grundsätze für die Vergütung von längeren Wegezeiten, insbesondere in ländlichen Räumen, durch Zuschläge unter Einbezug der ambulanten Pflege nach dem Elften Buch,
6.
Grundsätze zum Verfahren der Prüfung der Leistungspflicht der Krankenkassen sowie zum Abrechnungsverfahren einschließlich der für diese Zwecke jeweils zu übermittelnden Daten und
7.
Anforderungen an die Eignung der Pflegefachkräfte, die Leistungen im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbringen, sowie Maßnahmen zur Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit der im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbrachten Leistungen.
Um den Besonderheiten der intensivpflegerischen Versorgung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege Rechnung zu tragen, sind in den Rahmenempfehlungen auch Regelungen über die behandlungspflegerische Versorgung von Versicherten, die auf Grund eines besonders hohen Bedarfs an diesen Leistungen oder einer Bedrohung ihrer Vitalfunktion einer ununterbrochenen Anwesenheit einer Pflegekraft bedürfen, vorzusehen. In den Rahmenempfehlungen nach Satz 4 Nummer 6 können auch Regelungen über die nach § 302 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 in Richtlinien geregelten Inhalte getroffen werden; in diesem Fall gilt § 302 Absatz 4. Die Inhalte der Rahmenempfehlungen sind den Verträgen nach Absatz 4 zugrunde zu legen.

(2) Kommt eine Rahmenempfehlung nach Absatz 1 ganz oder teilweise nicht zu Stande, können die Rahmenempfehlungspartner die Schiedsstelle nach Absatz 3 anrufen. Die Schiedsstelle kann auch vom Bundesministerium für Gesundheit angerufen werden. Sie setzt innerhalb von drei Monaten den betreffenden Rahmenempfehlungsinhalt fest.

(3) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene bilden erstmals bis zum 1. Juli 2017 eine gemeinsame Schiedsstelle. Sie besteht aus Vertretern der Krankenkassen und der Pflegedienste in gleicher Zahl sowie aus einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Die Amtsdauer beträgt vier Jahre. Über den Vorsitzenden und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die Rahmenempfehlungspartner einigen. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, gilt § 89 Absatz 6 Satz 3 entsprechend. Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zahl und die Bestellung der Mitglieder, die Erstattung der baren Auslagen und die Entschädigung für den Zeitaufwand der Mitglieder, das Verfahren sowie über die Verteilung der Kosten regeln. § 129 Absatz 9 und 10 Satz 1 gilt entsprechend.

(4) Über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung schließen diedieLandesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich Verträge mit den Leistungserbringern. Wird die Fortbildung nicht nachgewiesen, sind Vergütungsabschläge vorzusehen. Dem Leistungserbringer ist eine Frist zu setzen, innerhalb derer er die Fortbildung nachholen kann. Erbringt der Leistungserbringer in diesem Zeitraum die Fortbildung nicht, ist der Vertrag zu kündigen. Die Krankenkassen haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden. Verträge dürfen nur mit zuverlässigen Leistungserbringern abgeschlossen werden, die die Gewähr für eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung bieten. Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden; insoweit gilt § 71 nicht. Bei nicht tarifgebundenen oder nicht an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Leistungserbringern gilt § 82c Absatz 2 Satz 1 des Elften Buches entsprechend. Der Leistungserbringer ist verpflichtet, die entsprechende Bezahlung der Beschäftigten nach Satz 7 jederzeit einzuhalten und sie auf Verlangen einer Vertragspartei nachzuweisen. Im Fall der Nichteinigung wird der Vertragsinhalt durch eine von den Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson innerhalb von drei Monaten festgelegt. Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese vom Bundesamt für Soziale Sicherung innerhalb eines Monats nach Vorliegen der für die Bestimmung der Schiedsperson notwendigen Informationen bestimmt; Widerspruch und Klage gegen die Bestimmung der Schiedsperson durch das Bundesamt für Soziale Sicherung haben keine aufschiebende Wirkung. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihrer Vielfalt, insbesondere der Bedeutung der freien Wohlfahrtspflege, Rechnung zu tragen. Die Leistungserbringer sind verpflichtet, an Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen nach § 275b teilzunehmen; § 114 Absatz 2 des Elften Buches bleibt unberührt. Soweit bei einer Prüfung nach § 275b Absatz 1 Satz 1 bis 3 Qualitätsmängel festgestellt werden, entscheiden die Landesverbände der Krankenkassen oder die Krankenkassen nach Anhörung des Leistungserbringers, welche Maßnahmen zu treffen sind, erteilen dem Leistungserbringer hierüber einen Bescheid und setzen ihm darin zugleich eine angemessene Frist zur Beseitigung der festgestellten Mängel. Der Leistungserbringer hat der Krankenkasse anzuzeigen, dass er behandlungspflegerische Leistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 5 erbringt, wenn er diese Leistungen für mindestens zwei Versicherte in einer durch den Leistungserbringer oder einen Dritten organisierten Wohneinheit erbringt. Abweichend von Satz 1 kann die Krankenkasse zur Gewährung von häuslicher Krankenpflege geeignete Personen anstellen.

(1) Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach § 116b an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 2 Satz 2, den nach § 72a Abs. 3 vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern sowie den Einrichtungen nach § 75 Abs. 9 frei wählen. Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden. Die Inanspruchnahme der Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 1 und 2 Satz 1 richtet sich nach den hierüber abgeschlossenen Verträgen. Die Zahl der Eigeneinrichtungen darf auf Grund vertraglicher Vereinbarung vermehrt werden, wenn die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 Satz 1 erfüllt sind.

(1a) In den Fällen des § 75 Absatz 1a Satz 7 können Versicherte auch zugelassene Krankenhäuser in Anspruch nehmen, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen; dies gilt auch, wenn die Terminservicestelle Versicherte in den Fällen des § 75 Absatz 1a Satz 3 Nummer 3 in eine Notfallambulanz vermittelt. Die Inanspruchnahme umfasst auch weitere auf den Termin folgende notwendige Behandlungen, die dazu dienen, den Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen.

(2) Wird ohne zwingenden Grund ein anderer als einer der nächsterreichbaren an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen oder medizinische Versorgungszentren in Anspruch genommen, hat der Versicherte die Mehrkosten zu tragen.

(3) Die Versicherten sollen den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt innerhalb eines Kalendervierteljahres nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Der Versicherte wählt einen Hausarzt. Der Arzt hat den Versicherten vorab über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung (§ 73) zu unterrichten; eine Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung hat er auf seinem Praxisschild anzugeben.

(3a) Die Partner der Verträge nach § 82 Abs. 1 haben geeignete Maßnahmen zu vereinbaren, die einer unkoordinierten Mehrfachinanspruchnahme von Vertragsärzten entgegenwirken und den Informationsaustausch zwischen vor- und nachbehandelnden Ärzten gewährleisten.

(4) Die Übernahme der Behandlung verpflichtet die in Absatz 1 genannten Personen oder Einrichtungen dem Versicherten gegenüber zur Sorgfalt nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechts.

(5) Die Versicherten der knappschaftlichen Krankenversicherung können unter den Knappschaftsärzten und den in Absatz 1 genannten Personen und Einrichtungen frei wählen. Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Versicherte haben nach den folgenden Vorschriften Anspruch auf Leistungen

1.
bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§§ 24c bis 24i),
2.
zur Verhütung von Krankheiten und von deren Verschlimmerung sowie zur Empfängnisverhütung, bei Sterilisation und bei Schwangerschaftsabbruch (§§ 20 bis 24b),
3.
zur Erfassung von gesundheitlichen Risiken und Früherkennung von Krankheiten (§§ 25 und 26),
4.
zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52),
5.
des Persönlichen Budgets nach § 29 des Neunten Buches.

(2) Versicherte haben auch Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Leistungen der aktivierenden Pflege nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit werden von den Pflegekassen erbracht. Die Leistungen nach Satz 1 werden unter Beachtung des Neunten Buches erbracht, soweit in diesem Buch nichts anderes bestimmt ist.

(3) Bei stationärer Behandlung umfassen die Leistungen auch die aus medizinischen Gründen notwendige Mitaufnahme einer Begleitperson des Versicherten oder bei stationärer Behandlung in einem Krankenhaus nach § 108 oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung nach § 107 Absatz 2 die Mitaufnahme einer Pflegekraft, soweit Versicherte ihre Pflege nach § 63b Absatz 6 Satz 1 des Zwölften Buches durch von ihnen beschäftigte besondere Pflegekräfte sicherstellen. Ist bei stationärer Behandlung die Anwesenheit einer Begleitperson aus medizinischen Gründen notwendig, eine Mitaufnahme in die stationäre Einrichtung jedoch nicht möglich, kann die Unterbringung der Begleitperson auch außerhalb des Krankenhauses oder der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung erfolgen. Die Krankenkasse bestimmt nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls Art und Dauer der Leistungen für eine Unterbringung nach Satz 2 nach pflichtgemäßem Ermessen; die Kosten dieser Leistungen dürfen nicht höher sein als die für eine Mitaufnahme der Begleitperson in die stationäre Einrichtung nach Satz 1 anfallenden Kosten.

(4) Versicherte haben Anspruch auf ein Versorgungsmanagement insbesondere zur Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche; dies umfasst auch die fachärztliche Anschlussversorgung. Die betroffenen Leistungserbringer sorgen für eine sachgerechte Anschlussversorgung des Versicherten und übermitteln sich gegenseitig die erforderlichen Informationen. Sie sind zur Erfüllung dieser Aufgabe von den Krankenkassen zu unterstützen. In das Versorgungsmanagement sind die Pflegeeinrichtungen einzubeziehen; dabei ist eine enge Zusammenarbeit mit Pflegeberatern und Pflegeberaterinnen nach § 7a des Elften Buches zu gewährleisten. Das Versorgungsmanagement und eine dazu erforderliche Übermittlung von Daten darf nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen. Soweit in Verträgen nach § 140a nicht bereits entsprechende Regelungen vereinbart sind, ist das Nähere im Rahmen von Verträgen mit sonstigen Leistungserbringern der gesetzlichen Krankenversicherung und mit Leistungserbringern nach dem Elften Buch sowie mit den Pflegekassen zu regeln.

(5) Auf Leistungen besteht kein Anspruch, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind. Dies gilt auch in Fällen des § 12a des Siebten Buches.

(6) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung zusätzliche vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht ausgeschlossene Leistungen in der fachlich gebotenen Qualität im Bereich der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation (§§ 23, 40), der Leistungen von Hebammen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§ 24d), der künstlichen Befruchtung (§ 27a), der zahnärztlichen Behandlung ohne die Versorgung mit Zahnersatz (§ 28 Absatz 2), bei der Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen apothekenpflichtigen Arzneimitteln (§ 34 Absatz 1 Satz 1), mit Heilmitteln (§ 32), mit Hilfsmitteln (§ 33) und mit digitalen Gesundheitsanwendungen (§ 33a), im Bereich der häuslichen Krankenpflege (§ 37) und der Haushaltshilfe (§ 38) sowie Leistungen von nicht zugelassenen Leistungserbringern vorsehen. Die Satzung muss insbesondere die Art, die Dauer und den Umfang der Leistung bestimmen; sie hat hinreichende Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung zu regeln. Die zusätzlichen Leistungen sind von den Krankenkassen in ihrer Rechnungslegung gesondert auszuweisen.

(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene haben unter Berücksichtigung der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 gemeinsam Rahmenempfehlungen über die einheitliche und flächendeckende Versorgung mit häuslicher Krankenpflege abzugeben; für Pflegedienste, die einer Kirche oder einer Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts oder einem sonstigen freigemeinnützigen Träger zuzuordnen sind, können die Rahmenempfehlungen gemeinsam mit den übrigen Partnern der Rahmenempfehlungen auch von der Kirche oder der Religionsgemeinschaft oder von dem Wohlfahrtsverband abgeschlossen werden, dem die Einrichtung angehört. Vor Abschluß der Vereinbarung ist der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in den Entscheidungsprozeß der Partner der Rahmenempfehlungen einzubeziehen. In den Rahmenempfehlungen sind insbesondere zu regeln:

1.
Eignung der Leistungserbringer einschließlich Anforderungen an die Eignung zur Versorgung nach § 37 Absatz 7,
2.
Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Fortbildung,
3.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des Leistungserbringers mit dem verordnenden Vertragsarzt und dem Krankenhaus,
4.
Grundsätze der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung einschließlich deren Prüfung,
5.
Grundsätze der Vergütungen und ihrer Strukturen einschließlich der Transparenzvorgaben für die Vergütungsverhandlungen zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Tariflöhne oder Arbeitsentgelte sowie erstmals bis zum 30. Juni 2019 Grundsätze für die Vergütung von längeren Wegezeiten, insbesondere in ländlichen Räumen, durch Zuschläge unter Einbezug der ambulanten Pflege nach dem Elften Buch,
6.
Grundsätze zum Verfahren der Prüfung der Leistungspflicht der Krankenkassen sowie zum Abrechnungsverfahren einschließlich der für diese Zwecke jeweils zu übermittelnden Daten und
7.
Anforderungen an die Eignung der Pflegefachkräfte, die Leistungen im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbringen, sowie Maßnahmen zur Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit der im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbrachten Leistungen.
Um den Besonderheiten der intensivpflegerischen Versorgung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege Rechnung zu tragen, sind in den Rahmenempfehlungen auch Regelungen über die behandlungspflegerische Versorgung von Versicherten, die auf Grund eines besonders hohen Bedarfs an diesen Leistungen oder einer Bedrohung ihrer Vitalfunktion einer ununterbrochenen Anwesenheit einer Pflegekraft bedürfen, vorzusehen. In den Rahmenempfehlungen nach Satz 4 Nummer 6 können auch Regelungen über die nach § 302 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 in Richtlinien geregelten Inhalte getroffen werden; in diesem Fall gilt § 302 Absatz 4. Die Inhalte der Rahmenempfehlungen sind den Verträgen nach Absatz 4 zugrunde zu legen.

(2) Kommt eine Rahmenempfehlung nach Absatz 1 ganz oder teilweise nicht zu Stande, können die Rahmenempfehlungspartner die Schiedsstelle nach Absatz 3 anrufen. Die Schiedsstelle kann auch vom Bundesministerium für Gesundheit angerufen werden. Sie setzt innerhalb von drei Monaten den betreffenden Rahmenempfehlungsinhalt fest.

(3) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene bilden erstmals bis zum 1. Juli 2017 eine gemeinsame Schiedsstelle. Sie besteht aus Vertretern der Krankenkassen und der Pflegedienste in gleicher Zahl sowie aus einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Die Amtsdauer beträgt vier Jahre. Über den Vorsitzenden und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die Rahmenempfehlungspartner einigen. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, gilt § 89 Absatz 6 Satz 3 entsprechend. Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zahl und die Bestellung der Mitglieder, die Erstattung der baren Auslagen und die Entschädigung für den Zeitaufwand der Mitglieder, das Verfahren sowie über die Verteilung der Kosten regeln. § 129 Absatz 9 und 10 Satz 1 gilt entsprechend.

(4) Über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung schließen diedieLandesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich Verträge mit den Leistungserbringern. Wird die Fortbildung nicht nachgewiesen, sind Vergütungsabschläge vorzusehen. Dem Leistungserbringer ist eine Frist zu setzen, innerhalb derer er die Fortbildung nachholen kann. Erbringt der Leistungserbringer in diesem Zeitraum die Fortbildung nicht, ist der Vertrag zu kündigen. Die Krankenkassen haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden. Verträge dürfen nur mit zuverlässigen Leistungserbringern abgeschlossen werden, die die Gewähr für eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung bieten. Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden; insoweit gilt § 71 nicht. Bei nicht tarifgebundenen oder nicht an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Leistungserbringern gilt § 82c Absatz 2 Satz 1 des Elften Buches entsprechend. Der Leistungserbringer ist verpflichtet, die entsprechende Bezahlung der Beschäftigten nach Satz 7 jederzeit einzuhalten und sie auf Verlangen einer Vertragspartei nachzuweisen. Im Fall der Nichteinigung wird der Vertragsinhalt durch eine von den Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson innerhalb von drei Monaten festgelegt. Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese vom Bundesamt für Soziale Sicherung innerhalb eines Monats nach Vorliegen der für die Bestimmung der Schiedsperson notwendigen Informationen bestimmt; Widerspruch und Klage gegen die Bestimmung der Schiedsperson durch das Bundesamt für Soziale Sicherung haben keine aufschiebende Wirkung. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihrer Vielfalt, insbesondere der Bedeutung der freien Wohlfahrtspflege, Rechnung zu tragen. Die Leistungserbringer sind verpflichtet, an Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen nach § 275b teilzunehmen; § 114 Absatz 2 des Elften Buches bleibt unberührt. Soweit bei einer Prüfung nach § 275b Absatz 1 Satz 1 bis 3 Qualitätsmängel festgestellt werden, entscheiden die Landesverbände der Krankenkassen oder die Krankenkassen nach Anhörung des Leistungserbringers, welche Maßnahmen zu treffen sind, erteilen dem Leistungserbringer hierüber einen Bescheid und setzen ihm darin zugleich eine angemessene Frist zur Beseitigung der festgestellten Mängel. Der Leistungserbringer hat der Krankenkasse anzuzeigen, dass er behandlungspflegerische Leistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 5 erbringt, wenn er diese Leistungen für mindestens zwei Versicherte in einer durch den Leistungserbringer oder einen Dritten organisierten Wohneinheit erbringt. Abweichend von Satz 1 kann die Krankenkasse zur Gewährung von häuslicher Krankenpflege geeignete Personen anstellen.

(1) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Die häusliche Krankenpflege umfaßt die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung. Der Anspruch besteht bis zu vier Wochen je Krankheitsfall. In begründeten Ausnahmefällen kann die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege für einen längeren Zeitraum bewilligen, wenn der Medizinische Dienst (§ 275) festgestellt hat, daß dies aus den in Satz 1 genannten Gründen erforderlich ist.

(1a) Versicherte erhalten an geeigneten Orten im Sinne von Absatz 1 Satz 1 wegen schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung, soweit keine Pflegebedürftigkeit mit Pflegegrad 2, 3, 4 oder 5 im Sinne des Elften Buches vorliegt, die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung. Absatz 1 Satz 4 und 5 gilt entsprechend.

(2) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Der Anspruch nach Satz 1 besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 des Elften Buches, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben; § 37c Absatz 3 gilt entsprechend. Die Satzung kann bestimmen, dass die Krankenkasse zusätzlich zur Behandlungspflege nach Satz 1 als häusliche Krankenpflege auch Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erbringt. Die Satzung kann dabei Dauer und Umfang der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nach Satz 4 bestimmen. Leistungen nach den Sätzen 4 und 5 sind nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne des Elften Buches nicht zulässig. Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs. 2 oder 4 des Elften Buches aufgenommen sind, erhalten Leistungen nach Satz 1 und den Sätzen 4 bis 6 auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen nur zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder in einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Versicherte erhalten in stationären Einrichtungen im Sinne des § 43a des Elften Buches Leistungen nach Satz 1, wenn der Bedarf an Behandlungspflege eine ständige Überwachung und Versorgung durch eine qualifizierte Pflegefachkraft erfordert.

(2a) Die gesetzliche Krankenversicherung beteiligt sich an den Kosten der medizinischen Behandlungspflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen mit einem jährlichen Pauschalbetrag in Höhe von 640 Millionen Euro, der an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung zu leisten ist. Die Zahlung erfolgt anteilig quartalsweise. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erhebt hierzu von den Krankenkassen eine Umlage gemäß dem Anteil der Versicherten der Krankenkassen an der Gesamtzahl der Versicherten aller Krankenkassen. Das Nähere zum Umlageverfahren und zur Zahlung an die Pflegeversicherung bestimmt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

(2b) Die häusliche Krankenpflege nach den Absätzen 1 und 2 umfasst auch die ambulante Palliativversorgung. Für Leistungen der ambulanten Palliativversorgung ist regelmäßig ein begründeter Ausnahmefall im Sinne von Absatz 1 Satz 5 anzunehmen. § 37b Absatz 4 gilt für die häusliche Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung entsprechend.

(3) Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann.

(4) Kann die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen oder besteht Grund, davon abzusehen, sind den Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft in angemessener Höhe zu erstatten.

(5) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 3 ergebenden Betrag, begrenzt auf die für die ersten 28 Kalendertage der Leistungsinanspruchnahme je Kalenderjahr anfallenden Kosten an die Krankenkasse.

(6) Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in Richtlinien nach § 92 fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in Richtlinien nach § 92 unter Berücksichtigung bestehender Therapieangebote das Nähere zur Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden. Die Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden kann auch in spezialisierten Einrichtungen an einem geeigneten Ort außerhalb der Häuslichkeit von Versicherten erfolgen.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in der Richtlinie über die Verordnung häuslicher Krankenpflege nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Juli 2022 Rahmenvorgaben zu einzelnen nach dem Leistungsverzeichnis der Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 verordnungsfähigen Maßnahmen, bei denen Pflegefachkräfte, die die in den Rahmenempfehlungen nach § 132a Absatz 1 Satz 4 Nummer 7 geregelten Anforderungen erfüllen, innerhalb eines vertragsärztlich festgestellten Verordnungsrahmens selbst über die erforderliche Häufigkeit und Dauer bestimmen können, sowie Vorgaben zur Notwendigkeit eines erneuten Arztkontaktes und zur Information der Vertragsärztin oder des Vertragsarztes durch den Leistungserbringer über die erbrachten Maßnahmen.

(9) Zur Feststellung des tatsächlichen Ausgabenvolumens für die im Rahmen einer Versorgung nach Absatz 8 erbrachten Leistungen pseudonymisieren die Krankenkassen die Angaben zu den Ausgaben jeweils arztbezogen sowie versichertenbezogen. Sie übermitteln diese Angaben nach Durchführung der Abrechnungsprüfung dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der diese Daten für den Zweck der nach Absatz 10 durchzuführenden Evaluierung kassenartenübergreifend zusammenführt und diese Daten dem nach Absatz 10 Satz 2 beauftragten unabhängigen Dritten übermittelt. Das Nähere zur Datenübermittlung und zum Verfahren der Pseudonymisierung regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der beauftragte unabhängige Dritte nach Absatz 10 Satz 2 haben die ihnen nach Satz 2 übermittelten pseudonymisierten Daten spätestens ein Jahr nach Abschluss der Evaluierung zu löschen.

(10) Drei Jahre nach Inkrafttreten der Regelungen nach Absatz 8 evaluieren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die in § 132a Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer unter Berücksichtigung der nach Absatz 9 Satz 2 übermittelten Daten insbesondere die mit der Versorgung nach Absatz 8 verbundenen Auswirkungen auf das Versorgungsgeschehen im Bereich der häuslichen Krankenpflege, die finanziellen Auswirkungen auf die Krankenkassen, die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nach Absatz 8 sowie die Auswirkungen auf die Behandlungs- und Ergebnisqualität. Die Evaluierung hat durch einen durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die in § 132a Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer gemeinsam zu beauftragenden unabhängigen Dritten zu erfolgen.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.