Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Juli 2018 - 5 Sa 498/17

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2018:0712.5Sa498.17.00
bei uns veröffentlicht am12.07.2018

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17. Oktober 2017, Az. 11 Ca 713/17, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Erhöhung einer Abfindung um einen Aufstockungsbetrag.

2

Der Kläger war bis zu seinem Renteneintritt Mitglied der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall). Er war bei der Beklagten, einem Unternehmen der Automobilzulieferindustrie, seit April 1988 am Standort C-Stadt beschäftigt.

3

Im Firmentarifvertrag vom 13.01.2006 zwischen der IG Metall, dem Verband der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz und der Beklagten (FTV) ist - auszugsweise - folgendes geregelt:

4

"Geltendmachung und Verwirkung von Ansprüchen

5

86.     

(1)     

Gegenseitige Ansprüche aller Art sind spätestens innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen.

        

(2)     

Scheidet der Arbeitnehmer aus dem Betrieb aus, so hat er Ansprüche aller Art aus dem Beschäftigungsverhältnis innerhalb einer Frist von zwei Monaten seit dem Ausscheiden schriftlich geltend zu machen.

87.     

        

Nach Ablauf der angeführten Fristen sind die Ansprüche verwirkt, es sei denn, daß sie jeweils dem anderen Teil gegenüber vorher schriftlich geltend gemacht worden sind. Die Geltendmachung kann auch im Auftrag des Arbeitnehmers durch den Betriebsrat erfolgen."

6

Die Beklagte und die IG Metall schlossen am 01.07.2013 einen Sozialtarifvertrag (SozTV 2013). Dieser hat ua. folgenden Wortlaut:

7

"§ 1 Geltungsbereich

8

9

3. Alle Beschäftigten, die unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallen, erhalten eine Abfindung als sozialen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes aus dringenden betrieblichen Erfordernissen nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen.

10

§ 2 Berechnung der Abfindung

11

1. …

12

2. Der Bruttoabfindungsbetrag errechnet sich nach folgender Formel:

13

Bruttomonatsentgelt x Betriebszugehörigkeit x Faktor

14

15

5. Der Faktor wird für die Jahre in der Laufzeit des Tarifvertrages wie folgt gestaffelt, für die Höhe des Faktors ist Stichtag der Tag der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses:

16

a. 2013

Faktor = 1,50

b. 2014

Faktor = 1,45

c. 2015

Faktor = 1,40

d. 2016

Faktor = 1,30

17

6. Falls das Zusatzgeschäft Opel Insignia (Instrumententafel und Handschuhkasten) nicht nach C-Stadt kommt, werden die so zu berechnenden Abfindungen wie folgt durch einen Aufstockungsbetrag erhöht. Für die Höhe des Aufstockungsbetrages ist Stichtag der Tag der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses:

18

a. 2013

keine Aufstockung

b. 2014

Aufstockungsbetrag = 15.000 €

c. 2015

Aufstockungsbetrag = 15.000 €

d. 2016

Aufstockungsbetrag = 15.000 €

19

 …

20

§ 3 Transfergesellschaft

21

1. Für den Wechsel in eine Transfergesellschaft (TG) entsprechend dem zeitgleich vereinbarten Zukunftstarifvertrag zur Beschäftigungs- und Standortsicherung, der Betriebsvereinbarung zum Interessenausgleich und dem Transfersozialplan verpflichtet sich C. sicherzustellen:

22

23

d) Dass für jeden Beschäftigten, der in die TG wechselt, der Abfindungsanspruch zu 100 % bestehen bleibt und im Monat vor dem Wechsel in die TG zur Auszahlung kommt.“

24

Der SozTV 2013 wurde durch einen Tarifvertrag (SozTV 2016) abgelöst, der am 19.01.2016 abgeschlossen worden und rückwirkend zum 09.11.2015 in Kraft getreten ist. Der SozTV 2016 sieht keine Erhöhung der Abfindung um einen Aufstockungsbetrag vor.

25

Zum 01.03.2015 wechselte der Kläger befristet bis zum 28.02.2016 in eine Transfergesellschaft. Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten wurde mit Ablauf des 28.02.2015 beendet. Am 16./20.01.2015 schlossen der Kläger, die Transfergesellschaft und die Beklagte einen dreiseitigen Vertrag. Der für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragstext hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

26

"§ 2 Aufhebungsvereinbarung

27

1. Mit Abschluss dieses Vertrages endet das zwischen C. und dem Arbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 28.02.2015.

28

2. …

29

3. C. verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß zum 28.02.2015 abzurechnen, die Arbeitspapiere herauszugeben und ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis auszustellen.

30

4. Der Arbeitnehmer verzichtet ausdrücklich darauf, gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtlich vorzugehen. …

31

5. Mit Erfüllung dieser Vereinbarung sind alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zwischen C. und dem Arbeitnehmer sowie seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt.

32

6. Der Arbeitnehmer erhält aufgrund des Sozialtarifvertrages vom 01.07.2013 die vereinbarten Leistungen.

7.

33

§ 3 Abfindung

34

Aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhält der Mitarbeiter für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß den Bedingungen des Sozialtarifvertrages § 2 Abs. 2 in Höhe von126.956,00 Euro brutto sowie eine Abfindung zum Ausgleich der Differenz des 80-prozentigen IST-Nettos und dem Nettolohn der Transfergesellschaft (gem. § 5 Abs. 4 dieses Vertrages) in Höhe von5.145,00 Euro netto.

35

Die Zahlung der Abfindung erfolgt im Monat seines Ausscheidens durch C..

36

Der Abfindungsanspruch ist vererbbar und bereits mit Unterzeichnung dieses Vertrages entstanden.

37

38

§ 12 Ausschlussfristen

39

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden. …

40

Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich erhoben wird."

41

Der Kläger begehrt nach vergeblicher außergerichtlicher Geltendmachung mit Anwaltsschreiben vom 27.01.2017 mit seiner am 06.03.2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Zahlung eines Aufstockungsbetrags iHv. € 15.000,00. Er hat erstinstanzlich vorgetragen, die tariflichen Anspruchsvoraussetzungen seien erfüllt, weil das Zusatzgeschäft Opel Insignia nicht nach C-Stadt gekommen sei, sondern lediglich Teile davon. Der Wortlaut des § 2 Ziff. 6 SozTV 2013 spreche dafür, dass nur dann, wenn das gesamte Zusatzgeschäft nach C-Stadt gekommen wäre, der Aufstockungsbetrag nicht fällig geworden wäre. Sein Anspruch sei nicht aufgrund der Klausel in § 12 des dreiseitigen Vertrags vom 16./20.01.2015 verfallen. Diese Klausel verstoße gegen § 4 Abs. 4 TVG, denn der SozTV 2013 enthalte keine Ausschlussfristenregelung.

42

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

43

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 15.000,00 brutto nebst 5% Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

44

Die Beklagte hat beantragt,

45

die Klage abzuweisen.

46

Sie hat ausgeführt, die tariflichen Voraussetzungen für die Zahlung des Aufstockungsbetrags nach § 2 Ziff. 6 SozTV 2013 seien nicht erfüllt. Danach sei erforderlich, dass für das Zusatzgeschäft Opel Insignia weder die Instrumententafel noch der Handschuhkasten in C-Stadt produziert würden. Die Produktion des Handschuhkastens erfolge indes in C-Stadt, nur die Instrumententafel werde nicht dort produziert. Einem möglichen Anspruch des Klägers stehe die Abgeltungsklausel in § 2 Ziff. 5 des dreiseitigen Vertrags entgegen. Jedenfalls sei Verfall aufgrund der Ausschlussfristenregelungen in § 12 des dreiseitigen Vertrags und Ziff. 86, 87 FTV eingetreten.

47

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 17.10.2017 abgewiesen und - zusammengefasst - ausgeführt, der Kläger könne aufgrund der Abgeltungsklausel in § 2 Ziff. 5 des dreiseitigen Vertrags keine weiteren Zahlungen mehr beanspruchen. Der Aufstockungsbetrag sei keine von der errechneten Abfindung unabhängige Forderung, sondern Teil derselben. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

48

Der Kläger hat gegen das am 26.10.2017 zugestellte Urteil mit einem am Montag, dem 27.11.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

49

Er macht geltend, das Arbeitsgericht habe seiner Entscheidung ausweislich des Urteilstatbestands einen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt. Er sei bereits zum 28.02.2015 und nicht erst am 31.03.2016 bei der Beklagten ausgeschieden, so dass der von der Beklagten und dem Arbeitsgericht zitierte ablösende Zukunfts- und Sozialtarifvertrag vom 19.02.2016 (SozTV 2016) keine Anwendung finde. Der Wortlaut des § 2 Ziff. 6 SozTV 2013 sei nicht dahin auszulegen, dass wegen des Wortes "und" zwischen Instrumententafel und Handschuhkasten die Voraussetzungen des Zusatzgeschäfts kumulativ vorliegen müssten. Sprachlich sei dies nicht zwingend, weil es sich lediglich um eine Aufzählung des Zusatzgeschäfts handele. Aber auch nach den Regeln der Aussagenlogik (siehe Wahrheitstafel nach De Morgan) habe das Wort "und" wegen der Negation nicht zur Folge, dass die Voraussetzungen kumulativ gegeben sein müssten. Dies bedeute, dass die Bedingung "das Zusatzgeschäft (Instrumententafel und Handschuhkasten) nicht nach C-Stadt kommt" erfüllt sei, wenn entweder das Zusatzgeschäft Instrumententafel oder das Zusatzgeschäft Handschuhkasten nicht nach C-Stadt komme. Da eine dieser Bedingungen nicht erfüllt sei, könne er den Aufstockungsbetrag beanspruchen.

50

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

51

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17.10.2017, Az. 11 Ca 713/17, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 15.000,00 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

52

Die Beklagte beantragt,

53

die Berufung zurückzuweisen.

54

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Da der Kläger keinen Tatbestandsberichtigungsantrag gestellt habe, sei das Berufungsgericht zwingend an den erstinstanzlich festgestellten Tatbestand gebunden. Der Kläger könne keinen Aufstockungsbetrag verlangen, weil er die in Ziff. 86, 87 FTV geregelte Ausschlussfrist nicht gewahrt habe. Im Übrigen sei das Zusatzgeschäft Opel Insignia zum Teil nach C-Stadt gekommen, so dass die Voraussetzungen des § 2 Ziff. 6 SozTV 2013 nicht vorlägen.

55

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

56

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß begründet worden.

II.

57

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung eines Aufstockungsbetrags iHv. € 15.000,00 brutto.

58

1. Die Berufungskammer ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht an die unzutreffenden Feststellungen des Arbeitsgerichts im Urteilstatbestand gebunden, weil der Kläger keinen Tatbestandsberichtigungsantrag gem. § 320 ZPO gestellt hat. Die von der Beklagten zitierten Entscheidungen sind für den vorliegenden Fall nicht einschlägig.

59

Nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszuges gebunden. Diese Bindung entfällt aber, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich ua. aus Fehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. BGH 21.03.2018 - VII ZR 170/17 - Rn. 15 mwN; 08.06.2004 - VI ZR 199/03 - Rn. 13 mwN).

60

Derartige konkrete Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen liegen im Streitfall vor. Der dreiseitige Vertrag zwischen dem Kläger, der Beklagten und der Transfergesellschaft wurde ausweislich des vorgelegten Vertragstextes am 16./20.01.2015 und nicht (wie vom Arbeitsgericht festgestellt) am 10.03.2016 geschlossen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits endete durch den dreiseitigen Vertrag am 28.02.2015 und nicht (wie vom Arbeitsgericht festgestellt) am 31.03.2016. Die im dreiseitigen Vertrag mit dem Kläger vereinbarte Abfindung betrug € 126.956,00 und nicht (wie vom Arbeitsgericht festgestellt) € 78.156,00. Das Arbeitsgericht hat - was der Beklagten zweifellos nicht entgangen sein kann - aufgrund eines offensichtlichen Versehens den dreiseitigen Vertrag eines Arbeitskollegen des Klägers (Az. 11 Ca 2035/16; 5 Sa 114/17) zitiert, der erst zum 31.03.2016 ausgeschieden ist.

61

Da der Kläger aufgrund des dreiseitigen Vertrags vom 16./20.01.2015 bereits zum 28.02.2015 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden ist, war er von der rückwirkenden Inkraftsetzung des SozTV 2016, der am 19.01.2016 geschlossen und zum 09.11.2015 in Kraft getreten ist, nicht betroffen. Zwar kann ein rückwirkender Tarifvertrag auch bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer erfassen, allerdings - von Sonderfällen abgesehen - nur insoweit, als deren Arbeitsverhältnisse im zeitlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags bestanden haben. Im Streitfall endete das Arbeitsverhältnis vor dem zeitlichen Geltungsbereich der rückwirkenden Inkraftsetzung.

62

2. Der Kläger hat keinen tarifvertraglichen Anspruch auf Zahlung eines Aufstockungsbetrags iHv. € 15.000,00 brutto aus § 2 Ziff. 6 SozTV 2013.

63

a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der SozTV 2013 kraft beiderseitiger Tarifbindung (§§ 4 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 TVG) Anwendung. Der Kläger war - was er erstmals in der Berufungsinstanz und erst auf Nachfrage vorgetragen hat - bis zu seinem Renteneintritt Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft IG Metall. Die Beklagte war selbst Partei des Tarifvertrags.

64

b) Nach § 2 Ziff. 6 SozTV 2013 können Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ua. im Jahr 2015 rechtlich beendet worden ist, einen Aufstockungsbetrag iHv. € 15.000,00 beanspruchen, falls das Zusatzgeschäft Opel Insignia (Instrumententafel und Handschuhkasten) nicht nach C-Stadt kommt. Diese tariflichen Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Zusatzgeschäft Opel Insignia ist teilweise nach C-Stadt gekommen, weil der Handschuhkasten an diesem Standort produziert wird. Aufgrund der "Und"-Verknüpfung im Klammersatz zwischen "(Instrumententafel und Handschuhkasten)" müssen die Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Dies folgt aus der Auslegung des Tarifvertrags.

65

c) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Berufungskammer anschließt, folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen (vgl. unter vielen BAG 22.03.2018 - 6 AZR 833/16 - Rn. 17 mwN).

66

d) Ausgehend von diesen Grundsätzen bestehen bei der hier vorzunehmenden Auslegung von § 2 Ziff. 6 SozTV 2013 bereits nach dem Wortlaut der Tarifnorm keine Zweifel daran, dass die im erläuternden Klammersatz ausdrücklich geregelten Voraussetzungen "(Instrumententafel und Handschuhkasten)" kumulativ vorliegen müssen (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 28.09.2017 - 5 Sa 104/17). Von dieser Rechtsprechung abzuweichen geben die Erwägungen des Klägers keinen Anlass. Eine Auslegung des Tarifvertrags mittels Wahrheitstabelle nach den De Morganschen-Regeln - wie dies dem Kläger vorschwebt - kommt nicht in Betracht.

67

Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff "Zusatzgeschäft Opel Insignia" ausdrücklich um einen Klammersatz "(Instrumententafel und Handschuhkasten)" ergänzt. In dem vom Kläger vorgelegten Entwurf des SozTV 2013 ist dieser Klammersatz noch nicht enthalten. Der Klammersatz erklärt mit kaum zu überbietender Deutlichkeit, was die Tarifvertragsparteien unter dem Zusatzgeschäft verstehen. Falls Instrumententafel und Handschuhkasten für den Opel Insignia nicht zusätzlich am Standort C-Stadt produziert werden sollten, soll sich die Abfindung um den Aufstockungsbetrag erhöhen. Dieser Tarifwortlaut kann nicht mit den vom Klägervertreter dargestellten Wahrheitstafeln nach dem Mathematiker De Morgan hinwegargumentiert werden.

68

e) Im Übrigen wäre ein etwaiger tarifvertraglicher Anspruch des Klägers nach Ziff. 87 FTV verfallen, weil er ihn nicht innerhalb der in Ziff. 86 FTV geregelten Ausschlussfrist von zwei Monaten nach seinem Ausscheiden zum 28.02.2015, sondern erst mit Anwaltsschreiben vom 27.01.2017 geltend gemacht hat.

69

Nach § 4 Abs. 4 Satz 3 TVG können die Tarifvertragsparteien Ausschlussfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte vereinbaren. Die tarifliche Ausschlussfristenregelung im FTV erfasst von ihrer sachlichen Reichweite auch tarifliche Ansprüche aus dem SozTV 2013. Die Tarifvertragsparteien mussten - entgegen der Ansicht des Klägers - im SozTV 2013 keine weitere Ausschlussfristenregelung vereinbaren. Dies ergibt die Auslegung des FTV. Die Tarifvertragsparteien haben in Ziff. 86 und 87 FTV "Ansprüche aller Art" dem Erfordernis rechtzeitiger Geltendmachung unterstellt. Unter den Begriff "Ansprüche aller Art" unterfallen auch tarifliche Ansprüche auf einen Aufstockungsbetrag.

70

Die Frage, ob nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) kraft abweichender einzelvertraglicher Regelung eine längere Ausschlussfrist von drei Monaten gilt, kann unbeantwortet bleiben, denn der Kläger hat auch die in § 12 des dreiseitigen Vertrags vereinbarte Ausschlussfrist versäumt.

71

3. Ansprüche aus einem Sozialplan macht der Kläger nicht geltend.

72

4. Ein einzelvertraglicher Anspruch auf einen Aufstockungsbetrag besteht nicht. Im dreiseitigen Vertrag vom 16./20.01.2015 haben die Parteien eine Abfindung iHv. € 126.956,00 und ein Nettoausgleichsbetrag zu den Leistungen der Transfergesellschaft iHv. € 5.145,00 vereinbart. In § 2 Ziff. 5 des dreiseitigen Vertrags ist abschließend geregelt worden, dass mit Erfüllung dieser Vereinbarung alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt sind. Im dreiseitigen Vertrag ist keine Regelung zu einem Aufstockungsbetrag iHv. € 15.000,00 brutto getroffen worden. Dieser Anspruch könnte sich nur aus dem SozTV 2013 ergeben, was nach den obigen Ausführungen nicht der Fall ist.

III.

73

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

74

Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Juli 2018 - 5 Sa 498/17

Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Juli 2018 - 5 Sa 498/17

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Juli 2018 - 5 Sa 498/17 zitiert 11 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Tarifvertragsgesetz - TVG | § 4 Wirkung der Rechtsnormen


(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 320 Berichtigung des Tatbestandes


(1) Enthält der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschriften des vorstehenden Paragraphen fallen, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer zweiwöchigen Frist durch Einreichung ein

Referenzen - Urteile

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Juli 2018 - 5 Sa 498/17 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Juli 2018 - 5 Sa 498/17 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juni 2004 - VI ZR 199/03

bei uns veröffentlicht am 08.06.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 199/03 Verkündet am: 8. Juni 2004 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja

Bundesarbeitsgericht Urteil, 22. März 2018 - 6 AZR 833/16

bei uns veröffentlicht am 22.03.2018

Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 7. Juni 2016 - 2 Sa 151/15 - wird zurückgewiesen.

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2018 - VII ZR 170/17

bei uns veröffentlicht am 21.03.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VII ZR 170/17 vom 21. März 2018 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2018:210318BVIIZR170.17.0 Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. März 2018 durch den Richter Dr. Kartzke und die Richterinnen Graßnack

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 28. Sept. 2017 - 5 Sa 104/17

bei uns veröffentlicht am 28.09.2017

Tenor 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 31. Januar 2017, Az. 11 Ca 2025/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien streiten

Referenzen

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Enthält der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschriften des vorstehenden Paragraphen fallen, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer zweiwöchigen Frist durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.

(2) Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Der Antrag kann schon vor dem Beginn der Frist gestellt werden. Die Berichtigung des Tatbestandes ist ausgeschlossen, wenn sie nicht binnen drei Monaten seit der Verkündung des Urteils beantragt wird.

(3) Das Gericht entscheidet ohne Beweisaufnahme. Bei der Entscheidung wirken nur diejenigen Richter mit, die bei dem Urteil mitgewirkt haben. Ist ein Richter verhindert, so gibt bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung die Stimme des ältesten Richters den Ausschlag. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(4) Die Berichtigung des Tatbestandes hat eine Änderung des übrigen Teils des Urteils nicht zur Folge.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

15
a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszuges gebunden. Diese Bindung entfällt aber, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO). Dieses Gebot kann sich auch auf die erneute Vernehmung von Zeugen erstrecken (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - VII ZR 269/12, BauR 2014, 141 Rn. 8 m.w.N.). Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinn sind alle objektivierbaren rechtlichen oder tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 2016 - X ZR 96/14, GRUR 2016, 1260 Rn. 17 - Yttrium-Aluminium-Granat; Urteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 230/03, BGHZ 159, 254, 258 f., juris Rn. 16 m.w.N.). Derartige konkrete Anhaltspunkte können sich unter anderem aus Vortrag der Parteien (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 2016 - X ZR 96/14, aaO; Urteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 230/03, aaO), vorbehaltlich der Anwendung von Präklusionsvorschriften auch aus Vortrag der Parteien in der Berufungsinstanz (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03, BGHZ 159, 245, 249 ff., juris Rn. 13 ff.; BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2008 - 1 BvR 1404/04, juris Rn. 33) ergeben. Zweifel im Sinne der Regelung in § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juni 2014 - VI ZR 394/13, NJW 2014, 2797 Rn. 10).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 199/03 Verkündet am:
8. Juni 2004
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 823 Aa, I; ZPO (2002) §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 Nr. 3

a) Auch nach der Reform der Zivilprozeßordnung dürfen beim Vortrag zu medizinischen
Fragen im Arzthaftungsprozeß an den Vortrag zu Einwendungen gegen ein
Sachverständigengutachten ebenso wie an den klagebegründenden Sachvortrag
nur maßvolle Anforderungen gestellt werden.

b) Der Patient und sein Prozeßbevollmächtigter sind nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen
Prozeßführung medizinisches Fachwissen anzueignen.

c) Läßt das Berufungsgericht fehlerhaft Vorbringen nicht zu, weil es zu Unrecht dieses
für neu hält oder Nachlässigkeit bejaht (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO), so kann es
sich nicht auf die Bindung an die erstinstanzlich festgestellten Tatsachen berufen,
wenn die Berücksichtigung des Vorbringens zu Zweifeln im Sinne von § 529 Abs.
1 Nr. 1 ZPO hätte führen müssen.
BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03 - OLG Köln
LG Aachen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Juni 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. Juni 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen die Beklagte als Trägerin des Krankenhauses B. Schadensersatzansprüche geltend. Im Dezember 1998 stürzte die Klägerin und zog sich einen Speichenbruch mit Abriß des Griffelfortsatzes der Elle zu. Der erlittene Trümmerbruch mit einer hauptsächlich streckseitig gelegenen Trümmerzone wurde im Krankenhaus der Beklagten operativ eingerichtet. Anschließend wurde die Reponierung mit zwei durch die Haut eingebrachten Kirschner-Drähten und einer Gipsschiene stabilisiert. Nach Entfernung der Drähte Anfang Februar 1999 klagte die Klägerin über Beschwerden im Bereich des rechten Handgelenks und über ein
Taubheitsgefühl der Streckseite des rechten Daumens. Bei einer Untersuchung in der unfallchirurgischen Klinik R. wurde eine in Fehlstellung verheilte Radiusfraktur sowie eine Defektläsion des Daumenastes des Nervus radialis superficialis diagnostiziert. Die Klägerin hat vor dem Landgericht behauptet, die Ärzte des Krankenhauses B. hätten den Bruch fehlerhaft behandelt. Die unzureichende Stabilisierung habe zu einer Verheilung in Fehlstellung geführt. Auf ihre starken postoperativen Schmerzen sei nicht in angemessener Weise durch die Verordnung von Schmerzmitteln reagiert worden. Dies sei zur Prophylaxe eines Morbus Sudeck erforderlich gewesen. Bei Entfernung der Kirschner-Drähte sei es behandlungsfehlerhaft zu einer Durchtrennung des sensiblen Astes des Nervus radialis superficialis gekommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil in VersR 2004, 517 veröffentlicht ist, ist der Klage auf der Grundlage der in erster Instanz festgestellten Tatsachen der Erfolg zu versagen. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründeten und deshalb eine neue Feststellung gebieten würden, lägen nicht vor (§ 529 Abs. 1 ZPO).
Soweit die Klägerin weiterhin Behandlungsfehler bei der Durchführung der Spickdrahtosteosynthese rüge, bestehe keine Veranlassung zu einer weiteren Sachaufklärung. Der Sachverständige habe ausdrücklich hervorgehoben, die Einbringung der Drähte sei fehlerfrei erfolgt in Anwendung eines Verfahrens , welches dem Lehrbuchstandard entspreche und auch lehrbuchhaft durchgeführt worden sei. Die abweichende Auffassung der Klägerin, daß die Spickdrähte nicht korrekt angebracht worden seien, so daß eine ausreichende Stabilität nicht habe erzielt werden können, begründe keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen. Keine im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erheblichen Zweifel bestünden auch, soweit die Klägerin es als behandlungsfehlerhaft ansehe, daß die Enden der Drähte unter der Haut versenkt worden seien. Auch hierzu habe der Sachverständige festgestellt, die Einbringung der beiden Bohrdrähte sei regelgerecht erfolgt. Es stehe auch nicht fest, daß die Nervverletzung vermeidbar fehlerhaft von den behandelnden Ärzten verursacht worden sei. Der Sachverständige habe dargelegt, trotz größtmöglicher Sorgfalt habe es zu einer Durchtrennung bzw. Quetschung von kleinen Hautnerven kommen können. Mit ihrem erstmals in zweiter Instanz erfolgten Vorbringen, die Spickdrahtosteosynthese sei nicht die Methode der Wahl gewesen, könne die Klägerin ebensowenig durchdringen wie mit der gleichfalls neuen Behauptung, der Morbus Sudeck sei nicht adäquat bzw. überhaupt nicht behandelt worden. Auch bei der dargelegten Behandlungsalternative mit einem Fixateur externe handele es sich um eine Tatsachenbehauptung und nicht - wie die Klägerin meine - um die Darlegung eines von Amts wegen zu berücksichtigenden medizinischen Erfahrungssatzes. Beide Tatsachenbehauptungen fielen unter die Bestimmungen der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO. Sie stellten neue Angriffsmittel im Sinne von § 531 ZPO dar und seien nicht zuzulassen, weil die Voraussetzun-
gen der hier nur in Betracht kommenden Bestimmungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO nicht dargetan seien. Dem Landgericht sei kein Verfahrensfehler im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO unterlaufen. Es sei auf der Grundlage des erstinstanzlichen Vorbringens zu einer weiteren Sachaufklärung nicht gehalten gewesen. Die schriftliche Begutachtung sei eindeutig gewesen; die von der Klägerin erstinstanzlich für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen habe der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung beantwortet. Sei das Vorbringen somit als neuer Sachvortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, scheide eine weitere Sachaufklärung nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aus. Der neue Sachvortrag könne aus Rechtsgründen auch nicht geeignet sein, Zweifel an der Richtigkeit der bisherigen Feststellungen des Sachverständigen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu begründen; anderenfalls würden die Präklusionsregeln und das Reformziel, den Rechtsstreit möglichst im ersten Rechtszug umfassend aufzuklären, unterlaufen. Die Klägerin habe nicht dargetan, daß sie den neuen Vortrag ohne Nachlässigkeit nicht bereits im ersten Rechtszug hätte in den Rechtsstreit einführen können (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Sie sei gehalten gewesen, jede in Betracht kommende Möglichkeit zu nutzen, Einwendungen gegen die in erster Instanz vorgelegte Begutachtung ausfindig zu machen. Sie habe auch nicht vorgetragen , daß sie bzw. ihr Prozeßbevollmächtigter sich nicht in gleicher Weise hätten informieren können wie der Prozeßbevollmächtigte in der zweiten Instanz. Fehl gehe auch der Vorwurf, der entstandene Morbus Sudeck sei nicht adäquat behandelt worden. Eine unzureichende Sudeck-Prophylaxe sei nicht erwiesen.

II.

Das angefochtene Urteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. 1. a) Nicht zu beanstanden ist das Berufungsurteil allerdings, soweit es keine Notwendigkeit für eine weitere Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich eines Behandlungsfehlers bei der Durchführung der Spickdrahtosteosynthese und bei der Prophylaxe für einen Morbus Sudeck sieht und diesbezüglich Behandlungsfehler auf der Grundlage der erstinstanzlichen Feststellungen verneint. Die Revision macht hierzu nur geltend, das Berufungsgericht sei dem Einwand der Klägerin nicht nachgegangen, die Schädigung des Nervs bei Entfernung der Kirschner-Drähte wäre vermieden worden, wenn deren Enden nicht zuvor unter die Haut versenkt worden wären. Indessen hält die Auffassung des Berufungsgerichts , aus dem Vorbringen der Klägerin ergäben sich keine Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, die eine neue Tatsachenfeststellung erforderten, in diesem Punkt revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. aa) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich aus Fehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 230/03 - und BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03 - WM 2004, 845, 846, jeweils vorgesehen zur Veröffentlichung in BGHZ; Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drs.
14/4722, S. 100; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann, NJW 2003, 169, 171). Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - NJW 2003, 3480, 3481; Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 14/6036 S. 124). Dies gilt grundsätzlich auch für Tatsachenfeststellungen , die auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens getroffen worden sind. In diesem Fall kann unter anderem die - hier von der Revisionsklägerin gerügte - Unvollständigkeit des Gutachtens Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen wecken (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - aaO; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 529 Rdn. 18; Zöller /Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 529 Rdn. 9). bb) Gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es die Notwendigkeit einer neuen Tatsachenfeststellung insoweit verneint, sind keine durchgreifenden Revisionsrügen vorgebracht. Das Berufungsgericht hat im Hinblick darauf, daß der Sachverständige ausführlich dazu Stellung genommen hat, ob bei Durchführung der hier angewandten Spickdrahtosteosynthese Behandlungsfehler vorlagen, und er dies verneint hat, ausgeführt, daß es keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen hat, die hinsichtlich dieses Komplexes eine erneute Feststellung geböten. Hiergegen ist von Seiten des Revisionsgerichts nichts zu erinnern.
b) Das Berufungsurteil hält auch dem Angriff der Revision stand, soweit das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin zu einer unterlassenen Behandlung des Morbus Sudeck als neues Vorbringen nicht zugelassen hat.
Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin wurde zutreffend als neu im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO angesehen. Entgegen der Auffassung der Revision schließt nämlich der erstinstanzliche Sachvortrag der Klägerin nicht die Frage ein, ob ein Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der Behandlung des entstandenen Morbus Sudeck vorliegt. Der von ihr in Bezug genommene und aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ersichtliche erstinstanzliche Vortrag der Klägerin befaßte sich nämlich allein mit dessen Prophylaxe und nicht mit einer angeblich unterlassenen Behandlung. Die Behauptungen , den Ausbruch einer Krankheit nicht verhindert und eine ausgebrochene Krankheit nicht behandelt zu haben, betreffen indes zwei unterschiedliche zeitliche Abschnitte des Behandlungsverlaufs. Mit dem zweitinstanzlich erhobenen Vorwurf wird die Behauptung fehlerhafter Prophylaxe demgemäß nicht lediglich konkretisiert, sondern der Angriff der Klägerin geändert. Das Berufungsgericht hat dieses neue Vorbringen auch zu Recht nicht zugelassen, weil nicht dargetan ist, daß die Klägerin es nicht bereits im ersten Rechtzug hätte in den Rechtsstreit einführen können. Anders als bei einer vorzugswürdigen Behandlungsalternative (vgl. dazu unter 2.) geht es hier nämlich zunächst nicht um eine medizinische Frage, sondern darum, auch diesen Abschnitt des gesamten Behandlungsverlaufs zur Überprüfung durch das Gericht zu stellen. Dazu waren keine medizinischen Fachkenntnisse erforderlich. Die Klägerin wußte vielmehr aus eigenem Erleben, ob eine Behandlung des Morbus Sudeck erfolgt war, und konnte die von ihr jetzt behauptete Unterlassung der Behandlung deshalb zum Gegenstand der gerichtlichen und sachverständigen Überprüfung machen, ohne auf vertiefte medizinische Kenntnisse angewiesen zu sein. Indem sie dies im ersten Rechtszug nicht getan hat, hat sie gegen die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten verstoßen.
2. Das Berufungsurteil hält jedoch den Angriffen der Revision nicht stand, soweit das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin zu einer Behandlungsalternative als neues Vorbringen nicht zugelassen hat (§ 531 Abs. 2 ZPO) und deshalb nicht zu Zweifeln im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gelangt ist.
a) Das Vorbringen der Klägerin zu einer Behandlungsalternative ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bereits nicht als neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO zu werten. aa) Die Revision macht geltend, der Vortrag fehlerhafter Behandlung, insbesondere auch durch Erzielung einer unzureichenden Stabilität und Drehstabilität , schließe den Vorwurf mit ein, im Hinblick auf die ausgedehnte Trümmerzone sei seitens der Ärzte mit der Spickdrahtosteosynthe se eine Behandlungsmethode gewählt worden, die wesentlich weniger geeignet gewesen sei als eine Behandlung mittels eines Fixateur externe. Der gerichtliche Sachverständige hätte sich deshalb bereits in erster Instanz mit der Frage einer besser geeigneten Methode und damit einer Behandlungsalternative befassen müssen. Dem ist unter den Umständen des Streitfalls zuzustimmen. bb) Der Begriff der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ist nach dem bisherigen Recht auszulegen (Meyer-Seitz in Hannich/Meyer-Seitz, ZPOReform , 2002, § 531 Rdn. 8). Ob ein in zweiter Instanz konkretisiertes Vorbringen neu ist, hängt also davon ab, wie allgemein es in erster Instanz gehalten war. Wenn es einen sehr allgemein gehaltenen Vortrag der ersten Instanz konkretisiert oder erstmals substantiiert, ist es neu, nicht aber dann, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus der ersten Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (vgl. BGH, Urteile vom 5. Juni 1991 - VIII ZR 129/90 - NJW-RR 1991, 1214, 1215 und vom 26. Juni 2003 - VII ZR 281/02 - NJW-RR 2003, 1321, 1322; Baum-
bach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 531 Rdn. 12; Drossart, Bauprozessrecht 2004, 4, 6). Zwar enthielt der erstinstanzliche Vortrag der Klägerin nicht ausdrücklich den Vortrag einer besseren Behandlungsalternative durch einen Fixateur externe. Bei der Beurteilung, ob ein neuer Vortrag vorliegt, ist aber zu berücksichtigen , daß an die Substantiierungspflicht der Partei im Arzthaftungsprozeß nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen, weil vom Patienten regelmäßig keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden kann. Die Partei darf sich auf Vortrag beschränken, der die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes auf Grund der Folgen für den Patienten gestattet (vgl. Senatsurteile vom 19. Mai 1981 - VI ZR 220/79 - VersR 1981, 752; vom 10. November 1981 - VI ZR 92/80 - VersR 1982, 168, 169 und vom 15. Juli 2003 - VI ZR 203/02 - VersR 2003, 1541, 1542; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht , 4. Aufl., E Rdn. 2). Der Vortrag, es habe eine bessere Behandlungsmethode , also eine echte und indizierte Behandlungsalternative gegeben, stellt im Streitfall unter Berücksichtigung dieser Darlegungserleichterungen im Arzthaftungsprozeß lediglich eine weitere Verdeutlichung des schlüssigen Vorbringens einer fehlerhaften Behandlung des Bruchs dar, der nicht ausreichend stabilisiert worden sei.
b) Im übrigen hätte das Berufungsgericht das Vorbringen zur Behandlungsalternative selbst dann berücksichtigen müssen, wenn es - entgegen den obigen Darlegungen - neu gewesen wäre. Bei der Beurteilung, ob der Klägerin Nachlässigkeit im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO vorzuwerfen ist, hat das Berufungsgericht zu hohe Anforderungen an die Informations- und Substantiierungspflicht der Partei im Arzthaftungsprozeß gestellt.
Das Berufungsgericht hat das von ihm als neu angesehene Vorbringen nicht zugelassen, weil die Klägerin nicht dargetan habe, daß sie den neuen Vortrag ohne Nachlässigkeit nicht bereits im ersten Rechtszug hätte in den Rechtsstreit einführen können. Das rügt die Revision mit Erfolg. Die in der Revisionsinstanz zulässige Prüfung, ob § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO richtig angewendet worden ist (vgl. Meyer-Seitz in Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 531 Rdn. 26; MünchKomm/ZPO/Aktualisierungsband-Rimmelspacher, § 531 Rdn. 35 und § 530 Rdn. 34; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 22 ff.; Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 531 Rdn. 37), führt zu dem Ergebnis, daß die unterlassene Geltendmachung im ersten Rechtszug nicht auf einer Nachlässigkeit der Klägerin beruhte. Jede Partei ist zwar grundsätzlich gehalten, schon im ersten Rechtszug die Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen, deren Relevanz für den Rechtsstreit ihr bekannt ist oder bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt hätte bekannt sein müssen und zu deren Geltendmachung sie dort imstande ist. Sorgfaltsmaßstab ist dabei die einfache Fahrlässigkeit (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2003, 139, 140 und OLGR Saarbrücken, 2003, 249, 250; KG, MDR 2003, 471, 472; MünchKomm/ZPO/Aktualisierungsband-Rimmelspacher, § 531 Rdn. 28; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 19; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1904; Gehrlein, MDR 2003, 421, 428; BT-Drs. 14/4722 S. 101 f.). Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze überspannt das Berufungsgericht indes die Anforderungen an die Informations- und Substantiierungspflicht einer klagenden Partei im Arzthaftungsprozeß. Der oben dargelegte Grundsatz, daß in einem Arzthaftungsprozeß an die Substantiierungspflicht des Klägers nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen, gilt nämlich auch für Einwendungen gegen ein gerichtliches Gutachten. Die Partei ist nicht verpflichtet, bereits in erster Instanz ihre Einwendun-
gen gegen das Gerichtsgutachten auf die Beifügung eines Privatgutachtens oder auf sachverständigen Rat zu stützen oder - wie das Berufungsgericht meint - selbst oder durch Dritte in medizinischen Bibliotheken Recherchen anzustellen , um Einwendungen gegen ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu formulieren. Sie ist durchaus berechtigt, ihre Einwendungen zunächst ohne solche Hilfe vorzubringen (vgl. Senatsurteile vom 19. Mai 1981 - VI ZR 220/79 - VersR 1981, 752 und vom 10. November 1981 - VI ZR 92/80 - VersR 1982, 168; BGH, Urteil vom 19. Februar 2003 - IV ZR 321/02 - VersR 2004, 83, 84). Das Gesetz zur Reform der Zivilprozeßordnung hat an diesen Grundsätzen nichts geändert, weil der dafür maßgebende Gesichtspunkt, die Waffengleichheit zwischen Arzt und Patienten zu gewährleisten, weiter gilt. Die Klägerin hat in erster Instanz das gerichtliche Gutachten nicht hingenommen , sondern mit substantiierten Ausführungen in Frage gestellt. Bei dieser Sachlage kann es nicht als Nachlässigkeit angesehen werden, wenn sie in zweiter Instanz ihren Angriff konkretisiert hat, nachdem ihr zweitinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter durch eigene medizinische Recherchen zusätzliche Informationen über die Behandlung eines Trümmerbruchs erlangte. Daß sich die Klägerin bereits erstinstanzlich durch zwei Fachärzte hat beraten lassen und hierbei möglicherweise nicht vollständig informiert wurde, geht nicht zu ihren Lasten. Der Patient und sein Prozeßbevollmächtigter sind nämlich nicht verpflichtet , sich zur ordnungsgemäßen Prozeßführung medizinisches Fachwissen anzueignen. Im konkreten Fall hätte überdies auch für das erstinstanzliche Gericht Veranlassung bestanden, den Sachverständigen nach einer Behandlungsalternative zu befragen, nachdem dieser ausgeführt hatte, nach Angaben in der Fachliteratur komme es erfahrungsgemäß bei dem angewandten Spickdrahtosteosyntheseverfahren bei einem Bruch wie dem vorliegenden in etwa 20 % der Fälle zu einem Korrekturverlust. Unter diesen Umständen war mit dem
Sachverständigen zu erörtern, wie die Praxis dieses beträchtliche Risiko zu vermeiden oder zu verringern suchte.
c) Bei der mithin gebotenen Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin zur Behandlungsalternative mußten sich für das Berufungsgericht konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ergeben, die eine erneute Tatsachenfeststellung geboten. Hier hat die Klägerin nämlich nach den von ihrem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten durchgeführten Recherchen in der Berufungsbegründung ausführlich und substantiiert vorgetragen und durch Nachweise aus der medizinischen Fachliteratur belegt, daß ihrer Ansicht nach eine vorzugswürdige Behandlungsmethode hätte angewendet werden müssen.

III.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich die Berücksichtigung des übergangenen Vortrags zum Bestehen einer Behandlungsalternative auf
die Beurteilung des Rechtsstreits ausgewirkt hätte. Deshalb war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur Nachholung der gebotenen Feststellungen zurückzuverweisen.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 7. Juni 2016 - 2 Sa 151/15 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers für Arbeit an gesetzlichen Wochenfeiertagen.

2

Die Beklagte betreibt öffentlichen Nahverkehr. Der Kläger ist seit 1976 bei ihr bzw. ihren Rechtsvorgängern als Busfahrer in Vollzeit beschäftigt.

3

Bis zum 31. Dezember 2003 fand auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe - (BMT-G-O) vom 10. Dezember 1990 Anwendung. Dieser lautete auszugsweise wie folgt:

        

§ 22 

        

Zeitzuschläge

        

(1) Für die in Satz 2 genannten Arbeiten erhält der Arbeiter Zeitzuschläge. Sie betragen je Stunde

        

…       

        
        

c)    

für Arbeit an

                 

aa)     

gesetzlichen Wochenfeiertagen sowie am Ostersonntag und am Pfingstsonntag

                          

-       

ohne Freizeitausgleich

135 v. H.

                          

-       

bei Freizeitausgleich

35 v. H.

                 

…“    

                          
4

Die „Sondervereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a BMT-G-O für Arbeiter im Betriebs- und Verkehrsdienst von Nahverkehrsbetrieben“ (Anlage 1 zum BMT-G-O) enthielt folgende Sonderregelungen:

        

§ 8   

        

…       

        
        

(2)     

Ferner werden in jedem Kalenderjahr so viele freie Tage gewährt, wie lohnzahlungspflichtige Wochenfeiertage in dieses Jahr fallen. Für diese freien Tage werden der Monatsgrundlohn und etwaige für den Kalendermonat zustehende ständige (ggf. pauschalierte) Lohnzuschläge weitergezahlt.

        

…       

        
        

§ 12   

        

(1)     

§ 22 BMT-G-O gilt mit der Maßgabe, dass

        

…       

        
        

c)    

anstelle der in § 22 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c BMT-G-O genannten Zeitzuschläge folgende Zeitzuschläge gezahlt werden:

                 

aa)     

Für Arbeit

                          

-     

an gesetzlichen Wochenfeiertagen

35 v. H.

                          

…“    

                 
5

Seit dem 1. Januar 2004 gilt für das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft beiderseitiger Tarifbindung der Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe Mecklenburg-Vorpommern (TV-N MV) vom 18. März 2003. Dieser enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:

        

§ 9   

Ausgleich für Sonderformen der Arbeit

        

(1)     

1Der Arbeitnehmer erhält neben dem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung einen Zeitzuschlag. 2Er beträgt für

                 

…       

                 

c)    

für Feiertagsarbeit

135 v. H.

                 

…       

                 
                 

des auf die Arbeitsstunde entfallenden Anteils des monatlichen Entgelts der Stufe 1 seiner Entgeltgruppe. …

                 

4Die nach den vorstehenden Sätzen zu zahlenden Zeitzuschläge können auf schriftlichen Antrag im Verhältnis 1:1 in Zeit umgewandelt und dem Arbeitszeitkonto (§ 10) zugeführt werden.

        

…       

        
        

(3)     

Der Arbeitnehmer, der Wechselschichtarbeit im Sinne des § 8 Abs. 4 leistet, erhält eine Wechselschichtzulage von 110 Euro monatlich.

        

(4)     

Der Arbeitnehmer, der Schichtarbeit im Sinne des § 8 Abs. 5 leistet, erhält eine Schichtzulage von 90 Euro monatlich.

        

(5)     

Absatz 3 und 4 gilt nicht für Arbeitnehmer, die im Fahrdienst beschäftigt sind.

        

…       

        
        

§ 20   

Besondere Bestimmungen für AN im Fahrdienst

                 

Besondere Bestimmungen für AN im Betriebs- und Verkehrsdienst - einschließlich Verkehrs- und Fahrmeister - (Fahrdienst) ergeben sich aus Anlage 3.

                 

…       

                 

Anlage 3

        

Besondere Bestimmungen für Arbeitnehmer im Fahrdienst gemäß § 20 TV-N MV

        

…       

        

§ 11   

        

3Ferner werden in jedem Kalenderjahr so viele bezahlte freie Tage gewährt, wie lohnzahlungspflichtige Wochenfeiertage in dieses Jahr fallen.

        

…“    

6

Der Kläger hat ua. an den Wochenfeiertagen 25. und 26. Dezember 2013 und 1. Januar 2014 gearbeitet. Hierfür erhielt er neben seiner regulären Vergütung einen Zeitzuschlag von 35 vH sowie bezahlte freie Tage. Mit Schreiben vom 4. März 2014 hat der Kläger erfolglos einen Zeitzuschlag von 135 vH geltend gemacht.

7

Der Kläger meint, er habe nach § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV unabhängig von der konkreten Diensteinteilung einen Anspruch darauf, in jedem Kalenderjahr so viele bezahlte freie Tage gewährt zu bekommen, wie lohnzahlungspflichtige Wochenfeiertage in dieses Jahr fallen. Bei Arbeit an einem Wochenfeiertag habe er zudem zusätzlich zu seiner regulären Vergütung Anspruch auf den Zeitzuschlag iHv. 135 vH aus § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV, welcher auf seinen Antrag hin im Verhältnis 1:1 in Zeit umgewandelt und dem Arbeitszeitkonto zugeführt werden könne. Die Ansprüche aus § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV und § 9 Abs. 1 TV-N MV stünden nach Wortlaut und Tarifsystematik nebeneinander. Die Tarifvertragsparteien hätten die Regelungen des BMT-G-O, wonach ein Zeitzuschlag nur iHv. 35 vH zu leisten war, nicht übernommen. Durch diese Verbesserung seien Verschlechterungen für das Fahrpersonal zumindest teilweise ausgeglichen worden. Die sich daraus bezüglich der Feiertagsarbeit ergebende unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern im Fahrdienst und solchen außerhalb des Fahrdienstes sei wegen der unterschiedlichen Arbeitszeitmodelle gerechtfertigt. Arbeitnehmer im Fahrdienst würden im Rahmen des Dienstplans an allen Wochentagen in einer sog. Früh- oder Mittellage beschäftigt. Selbst innerhalb einer Schichtlage würden sie zu unterschiedlichen Zeiten eingesetzt, was zu gesteigerten Belastungen führe. Arbeitnehmer außerhalb des Fahrdienstes arbeiteten demgegenüber allenfalls im Schicht- bzw. Wechselschichtdienst.

8

Der Kläger hat zuletzt vor dem Landesarbeitsgericht beantragt

        

1.    

festzustellen, dass der Kläger für jeden zahlungspflichtigen Wochenfeiertag Anspruch auf einen bezahlten freien Tag nach § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV in der Fassung vom 18. März 2003 hat;

        

2.    

festzustellen, dass über den Anspruch auf Bezahlung an Wochenfeiertagen hinaus die Ansprüche auf Zahlung eines Zeitzuschlags nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV sowie auf einen bezahlten weiteren freien Tag nach § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV bestehen, wenn an einem weiteren lohnzahlungspflichtigen Arbeitstag gearbeitet worden ist, nebeneinanderstehen und eine Verrechnung unzulässig ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Ansprüche aus § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV und § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV stünden nicht nebeneinander. Bei der Aufnahme des Zuschlags von 135 vH in § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV sei ungewollt nicht beachtet worden, dass die Arbeitnehmer im Fahrdienst nach § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV bereits bezahlte freie Tage gewährt bekommen. Es handle sich um ein Redaktionsversehen, welches durch die Protokolle der Tarifvertragsverhandlungen belegt werden könne. Hieraus ergebe sich, dass zwischen den Tarifvertragsparteien Einvernehmen dahingehend bestanden habe, dass Feiertagsarbeit wie unter Geltung des BMT-G-O vergütet werden sollte. Eine Besserstellung des Fahrdienstpersonals sei nicht beabsichtigt gewesen. § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV und § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV hätten denselben Regelungszweck. Es sollte ein Ausgleich für die Belastung der Feiertagsarbeit geschaffen werden, sei es durch Auszahlung eines Zeitzuschlags oder durch Gewährung eines bezahlten freien Tags. Der einzige Unterschied zwischen § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV und § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV bestünde darin, dass der Arbeitnehmer im Falle des § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 TV-N MV selbst entscheiden könne, ob er sich den Zeitzuschlag iHv. 135 vH auszahlen oder als Gutschrift auf sein Arbeitszeitkonto buchen lassen wolle. Unabhängig davon, wie er sich entscheide, werde damit auch der Anspruch auf einen bezahlten freien Tag nach § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV erfüllt. Dies entspreche der Tarifpraxis.

10

Ohnehin würde eine Regelung, welche die Mitarbeiter des Fahrdienstes im Hinblick auf die Abgeltung von Feiertagsarbeit besserstellte als andere Berufsgruppen, gegen den Gleichheitssatz verstoßen. Auch die Arbeitnehmer in der Leitstelle oder in der Werkstatt arbeiteten nach einem Schichtplan, welcher jeden Wochentag umfasse. Die Belastung einer Feiertagsarbeit beträfe diese Arbeitnehmer in gleichem Maße wie die im Fahrdienst Beschäftigten. Es gebe keinen sachlichen Grund für die vom Kläger behauptete Differenzierung der Arbeitnehmergruppen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dieses Urteil teilweise abgeändert und dem Klageantrag zu 1. stattgegeben. Der Antrag sei auf die Feststellung gerichtet, dass dem Kläger der Anspruch aus § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV neben dem Anspruch aus § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV zustehe. Mit diesem Inhalt sei der Antrag zulässig und begründet. Bezogen auf den Antrag zu 2. hat das Landesarbeitsgericht die Berufung zurückgewiesen. Die Klage sei insoweit unzulässig, da der Antrag zu 2. inhaltlich nicht über den Antrag zu 1. hinausgehe. Gegen diese Entscheidung hat nur die Beklagte die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie begehrt damit die vollständige Zurückweisung der Berufung.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung zu Recht entschieden, dass der Kläger einen neben dem Anspruch aus § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV stehenden Anspruch aus § 20 TV-N MV iVm. § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV hat.

13

I. Die Klage ist zulässig. Da der Kläger gegen die auf seinen ursprünglichen Antrag zu 2. bezogene Zurückweisung seiner Berufung keine Revision eingelegt hat, ist die Abweisung seiner Klage insoweit in Rechtskraft erwachsen. Der im Revisionsverfahren noch rechtshängige ehemalige Antrag zu 1. ist nach der gebotenen Auslegung zulässig.

14

1. Der Antrag bedarf der Auslegung. Er bezieht sich seinem Wortlaut nach nur auf § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV und lässt das Verhältnis dieser Norm zu § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV offen. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch zutreffend erkannt, dass der Kläger nach seinem Prozessvorbringen festgestellt wissen will, dass er neben dem Anspruch aus § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV die bezahlte Freistellung nach § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV verlangen kann. Dieses Antragsverständnis wurde im Revisionsverfahren auch nicht in Frage gestellt.

15

2. Mit diesem Inhalt ist das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Der angestrebte feststellende Ausspruch ist trotz seiner nicht vollstreckbaren Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über das Verhältnis von § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV zu § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV beizulegen und insoweit weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Das rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses (vgl. BAG 21. Dezember 2017 - 6 AZR 245/16 - Rn. 24 mwN).

16

II. Die Klage ist begründet. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TV-N MV kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung (§ 4 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 TVG). Der Kläger kann unstreitig für Feiertagsarbeit einen Zeitzuschlag bzw. eine entsprechende Gutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c bzw. Satz 4 TV-N MV verlangen. Hiervon unberührt sind ihm gemäß § 20 TV-N MV iVm. § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV in jedem Kalenderjahr so viele bezahlte freie Tage zu gewähren, wie lohnzahlungspflichtige Wochenfeiertage in dieses Jahr fallen. Die beiden Ansprüche stehen nebeneinander. Dies folgt aus der Auslegung des Tarifvertrags.

17

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen ( BAG 27. Juli 2017 - 6 AZR 701/16 - Rn. 19; 2. November 2016 - 10 AZR 615/15  - Rn. 14 ; kritisch bezüglich der Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte BAG 19. Oktober 2016 - 4 AZR 457/15  - Rn. 28 ).

18

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ergeben sich bei der hier vorzunehmenden Auslegung von § 9 TV-N MV und § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV keine Zweifel, welche eine Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags erforderlich machen würden. Es besteht auch keine Unklarheit, welche die Annahme eines Redaktionsversehens rechtfertigen könnte. Der Ablauf der Tarifverhandlungen sowie die entstandene Tarifpraxis sind daher ohne Belang.

19

a) Sowohl § 9 Abs. 1 TV-N MV als auch § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV weisen ihrem Wortlaut nach keinen Bezug zueinander auf. Insbesondere ist nicht angeordnet, dass der Anspruch auf Gewährung bezahlter freier Tage nach § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV dadurch erfüllt werden kann, dass ein Arbeitnehmer des Fahrpersonals nach § 9 Abs. 1 TV-N MV einen Zeitzuschlag oder eine entsprechende Gutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto erhält.

20

b) Diese Trennung der beiden Anspruchsgrundlagen entspricht ihrem unterschiedlichen Sinn und Zweck, wie er im tariflichen Gesamtzusammenhang zum Ausdruck kommt. Die beiden Vorschriften weisen unterschiedliche Regelungsmaterien auf.

21

aa) § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV ist gemäß § 20 TV-N MV eine Sonderregelung für den Fahrdienst. Sie bestimmt bezogen auf das gesamte Kalenderjahr eine Verringerung der für das reguläre Tabellenentgelt zu erbringenden Arbeitsleistung, indem nach einem abstrakten Kriterium (Anzahl der lohnzahlungspflichtigen Wochenfeiertage) eine bestimmte Zahl von Tagen festgelegt wird, an welchen bei Aufrechterhaltung des Entgeltanspruchs keine Arbeitsleistung zu erbringen ist. Damit soll ebenso wie vormals durch § 8 Abs. 2 der Anlage 1 BMT-G-O ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass Arbeitnehmer im Fahrdienst an Feiertagen eingesetzt werden, die für andere Beschäftigte unter Fortzahlung der Vergütung(§ 2 Abs. 1 EFZG) in der Regel arbeitsfrei sind (zu § 8 Abs. 2 der Anlage 1 BMT-G II BAG 20. September 2000 - 5 AZR 20/99 - zu B III 2 b cc der Gründe).

22

bb) Demgegenüber will der für alle Beschäftigten geltende § 9 Abs. 1 TV-N MV die ua. durch Feiertagsarbeit verursachten Belastungen ausgleichen. Die Vorschrift setzt im Gegensatz zu § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV eine tatsächliche Arbeitsleistung an bestimmten Tagen voraus und erhöht diesbezüglich die vom Arbeitgeber geschuldete Gegenleistung mittels eines Zeitzuschlags, welcher auf Antrag des Arbeitnehmers in eine Zeitgutschrift umgewandelt werden kann. Der Belastungsausgleich kann somit in zweierlei Form erfolgen, er steht aber in beiden Varianten in keinem Bezug zur jahresbezogenen Reduzierung der Arbeitspflicht für Angehörige des Fahrpersonals nach § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV.

23

cc) Die Unterscheidung zwischen dem Fahrpersonal und anderen Beschäftigtengruppen ist § 9 TV-N MV nicht fremd. § 9 TV-N MV sieht in seinen Absätzen 3 und 4 für Wechselschicht- bzw. Schichtarbeit bestimmte Zulagen vor. Diese Regelungen gelten nach § 9 Abs. 5 TV-N MV jedoch nicht für Arbeitnehmer, die im Fahrdienst beschäftigt sind. Die Tarifvertragsparteien waren sich offensichtlich bewusst, dass für das ebenfalls im Schichtdienst beschäftigte Fahrpersonal besondere Bestimmungen gelten, die den spezifischen Umständen des Fahrdienstes gerecht werden sollen. Hätten die Tarifvertragsparteien die Sonderregelung des § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV im Rahmen von § 9 Abs. 1 TV-N MV berücksichtigen wollen, hätten sie dies zum Ausdruck bringen können. Dies ist jedoch auch in den bisherigen Änderungstarifverträgen nicht erfolgt. Nach dem Vortrag der Beklagten lässt die weitere Tarifentwicklung vielmehr darauf schließen, dass die Tarifvertragsparteien bei dem Ausgleich für Sonderformen der Arbeit mit einer Anwendungsvereinbarung vom 18. Dezember 2015 bezüglich einer speziellen Schichtzulage für Mitarbeiter im Fahrdienst eine weitere Unterscheidung vorgenommen haben.

24

c) Entgegen der Auffassung der Revision kann bezogen auf das Verhältnis von § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV zu § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV ein Redaktionsversehen nicht angenommen werden.

25

aa) Es ist zwar anerkannt, dass bei der Auslegung von Tarifverträgen eine Bindung an den möglichen Wortsinn eines Begriffs dann nicht besteht, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang das Vorliegen eines Redaktionsversehens ergibt (BAG 19. Januar 2016 - 9 AZR 608/14 - Rn. 19). Dieser Gesamtzusammenhang muss sich jedoch aus den Tarifnormen ergeben. Redaktionsversehen können nur dann zu einer vom Tarifwortlaut abweichenden Auslegung des Tarifvertrags führen, wenn die Tarifnorm nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang unklar ist (BAG 5. Juli 2017 - 4 AZR 831/16 - Rn. 31; 4. August 2016 - 6 AZR 129/15 - Rn. 37 mwN). Letztlich muss sich das Redaktionsversehen den Tarifnormen entnehmen lassen.

26

bb) Aus diesen ergibt sich hier kein Redaktionsversehen. Wie ausgeführt, sind weder § 9 Abs. 1 TV-N MV noch § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV unklar formuliert. Für das nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang zu bestimmende Verhältnis der beiden Normen zueinander gilt das Gleiche. Im Tariftext deutet nichts darauf hin, dass die Tarifvertragsparteien entsprechend der Behauptung der Beklagten keine Besserstellung des Fahrpersonals im Verhältnis zu den Regelungen des BMT-G-O vornehmen wollten und bei der Abfassung von § 9 Abs. 1 TV-N MV übersehen haben, dass die Sonderregelung in § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV vereinbart wurde. Der für die normunterworfenen Anwender des TV-N MV unbekannte Verlauf der Tarifvertragsverhandlungen ist dabei ohne Belang. Es ist auch nicht offensichtlich, dass die Tarifvertragsparteien aus wirtschaftlichen Gründen keinesfalls „doppelte Ansprüche“ für das Fahrpersonal aus § 9 Abs. 1 TV-N MV und § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV begründen wollten. Es ist zwar zutreffend, dass ein im Fahrdienst Beschäftigter bei Arbeit an einem Wochenfeiertag neben seiner regulären Vergütung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV einen Zeitzuschlag von 135 vH beanspruchen kann, obwohl seine zu erbringende Jahresarbeitsleistung durch § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV bereits um einen Tag vermindert wird. Diese Belastung des Arbeitgebers ist jedoch nicht so signifikant, dass ein entsprechender Wille der Tarifvertragsparteien gleichsam ausgeschlossen scheint.

27

d) Die punktuelle Besserstellung der Beschäftigten im Fahrdienst durch die Kombination der Ansprüche aus § 9 Abs. 1 TV-N MV und § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

28

aa) Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 Abs. 1 GG verletzen(BAG 22. März 2017 - 4 ABR 54/14 - Rn. 25; 15. Dezember 2015 - 9 AZR 611/14 - Rn. 27). Den Tarifvertragsparteien kommt als selbständigen Grundrechtsträgern aufgrund der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser Spielraum reicht, hängt von den Differenzierungsmerkmalen im Einzelfall ab. Den Tarifvertragsparteien steht hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und der betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative zu. Sie sind nicht verpflichtet, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen (BAG 22. September 2016 - 6 AZR 432/15 - Rn. 22 mwN). Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt (BAG 27. Juli 2017 - 6 AZR 701/16 - Rn. 32; 26. April 2017 - 10 AZR 856/15 - Rn. 28).

29

bb) Der den Tarifvertragsparteien zustehende Gestaltungsspielraum wird offenkundig nicht überschritten, wenn nur für Angehörige des Fahrdienstes ein Anspruch auf bezahlte Freistellung nach § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV neben dem Anspruch aus § 9 Abs. 1 TV-N MV besteht und das Fahrpersonal damit gegenüber anderen Beschäftigten punktuell bessergestellt ist. § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV will für sich genommen zwar ebenso wie § 8 Abs. 2 der Anlage 1 BMT-G-O eine Gleichstellung des Fahrdienstes mit anderen Beschäftigten und keine Besserstellung erreichen(vgl. zu § 8 Abs. 2 der Anlage 1 BMT-G II BAG 20. September 2000 - 5 AZR 20/99 - zu B III 2 b cc der Gründe). Dies zwingt jedoch nicht zu einer vollständigen Gleichbehandlung aller Beschäftigtengruppen bei der Gegenleistung für Feiertagsarbeit. Das neue Tarifrecht darf das Fahrpersonal durch die uneingeschränkte Anwendbarkeit des § 9 Abs. 1 TV-N MV im Vergleich zu § 22 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c BMT-G-O iVm. § 8 Abs. 2, § 12 Abs. 1 Buchst. c der Anlage 1 BMT-G-O, wonach die Arbeit an einem gesetzlichen Wochenfeiertag bei Freizeitausgleich mit einem Zeitzuschlag von nur 35 vH vergütet wurde, besserstellen. Die Beschäftigten des Fahrdienstes sind sowohl hinsichtlich der Lage als auch der Ausgestaltung ihrer Arbeitszeit unstreitig besonderen Bedingungen ausgesetzt. Für sie gelten nicht nur hinsichtlich der Einsatzzeiten besondere Regelungen, auch ihre Dienstschichten sind anders strukturiert (zB hinsichtlich Wendezeiten, Ruhezeiten und geteilten Schichtdiensten). Dadurch unterscheiden sie sich von anderen Arbeitnehmern, welche ebenfalls belastende Wechselschicht- oder Schichtarbeit verrichten. Eine Wechselschicht- oder Schichtzulage erhalten Arbeitnehmer im Fahrdienst gemäß § 9 Abs. 5 TV-N MV im Unterschied zu anderen Arbeitnehmern, die Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten, nicht. Es ist daher bei Berücksichtigung des tariflichen Gestaltungsspielraums nicht zu beanstanden, wenn der Tarifvertrag eine unterschiedliche Gegenleistung für Feiertagsarbeit vorsieht.

30

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Heinkel    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Wollensak    

        

    Kohout    

                 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 31. Januar 2017, Az. 11 Ca 2025/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Erhöhung einer Abfindung um einen Aufstockungsbetrag.

2

Der Kläger ist Mitglied der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall). Er war bei der Beklagten, einem Unternehmen der Automobilzulieferindustrie, am Standort Sch. beschäftigt. Die Beklagte und die IG Metall schlossen am 1. Juli 2013 einen Sozialtarifvertrag (TV 2013). Dieser hat ua. folgenden Wortlaut:

3

"§ 1Geltungsbereich

4

...
3. Alle Beschäftigten, die unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallen, erhalten eine Abfindung als sozialen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes aus dringenden betrieblichen Erfordernissen nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen.

5

§ 2 Berechnung der Abfindung

6

1. ...
2. Der Bruttoabfindungsbetrag errechnet sich nach folgender Formel:

7

Bruttomonatsentgelt x Betriebszugehörigkeit x Faktor

8

...
5. Der Faktor wird für die Jahre in der Laufzeit des Tarifvertrages wie folgt gestaffelt, für die Höhe des Faktors ist Stichtag der Tag der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses:

9

a. 2013

Faktor = 1,50

b. 2014

Faktor = 1,45

c. 2015

Faktor = 1,40

d. 2016

Faktor = 1,30

10

6. Falls das Zusatzgeschäft O. I. (Instrumententafel und Handschuhkasten) nicht nach Sch. kommt, werden die so zu berechnenden Abfindungen wie folgt durch einen Aufstockungsbetrag erhöht. Für die Höhe des Aufstockungsbetrages ist Stichtag der Tag der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses:

11

a. 2013

keine Aufstockung

b. 2014

Aufstockungsbetrag = 15.000 €

c. 2015

Aufstockungsbetrag = 15.000 €

d. 2016

Aufstockungsbetrag = 15.000 €

...

12

§ 3 Transfergesellschaft

13

1. Für den Wechsel in eine Transfergesellschaft (TG) entsprechend dem zeitgleich vereinbarten Zukunftstarifvertrag zur Beschäftigungs- und Standortsicherung, der Betriebsvereinbarung zum Interessenausgleich und dem Transfersozialplan verpflichtet sich F. sicherzustellen:

14

...
d) Dass für jeden Beschäftigten, der in die TG wechselt, der Abfindungsanspruch zu 100 % bestehen bleibt und im Monat vor dem Wechsel in die TG zur Auszahlung kommt.“

15

Am 19. Januar 2016 schlossen die Beklagte und die IG Metall einen neuen Zukunfts- und Sozialtarifvertrag (TV 2016). Dieser lautet - auszugsweise wie folgt:

16

"Präambel

17

...
Mit diesem Zukunfts- und Sozialtarifvertrag werden der Zukunftstarifvertrag zur Beschäftigungs- und Standortsicherung sowie der Sozialtarifvertrag vom 01.07.2013 abgelöst. ..."

18

§ 8 des TV 2016 enthält in Ziff. 1.2 eine Abfindungsregelung nach folgender Formel:

19

"Bruttomonatsentgelt x Betriebszugehörigkeit x 1,3"

20

Eine Verpflichtung der Beklagten, einen Aufstockungsbetrag zu zahlen, enthält der TV 2016 nicht. Er trat nach seiner Unterzeichnung am 19. Januar 2016 zum 9. November 2015 in Kraft.

21

Zum 1. April 2016 wechselte der Kläger befristet bis zum 31. März 2017 in eine Transfergesellschaft. Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten wurde mit Ablauf des 31. März 2016 beendet. Am 10./11. März 2016 schlossen der Kläger, die Transfergesellschaft und die Beklagte einen dreiseitigen Vertrag. Der für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragstext hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

22

"§ 2 Aufhebungsvereinbarung

23

1. Mit Abschluss dieses Vertrages endet das zwischen F. und dem Arbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 31.03.2016.

2. ...

24

3. F. verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß zum 31.03.2016 abzurechnen, die Arbeitspapiere herauszugeben und ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis auszustellen.

25

4. Der Arbeitnehmer verzichtet ausdrücklich darauf, gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtlich vorzugehen. ...

26

5. Mit Erfüllung dieser Vereinbarung sind alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zwischen F. und dem Arbeitnehmer sowie seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt.

27

6. Der Arbeitnehmer erhält aufgrund des Sozialtarifvertrages vom 01.07.2013 die vereinbarten Leistungen.

28

§ 3 Abfindung

29

Aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhält der Mitarbeiter für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß den Bedingungen des Sozialtarifvertrages § 2 Abs. 2 in Höhe von77.771,00 Euro brutto sowie eine Abfindung zum Ausgleich der Differenz des 80-prozentigen IST-Nettos und dem Nettolohn der Transfergesellschaft (gem. § 5 Abs. 4 dieses Vertrages) in Höhe von2.392,00 Euro netto.

30

Die Zahlung der Abfindung erfolgt im Monat seines Ausscheidens durch F..

31

Der Abfindungsanspruch ist vererbbar und bereits mit Unterzeichnung dieses Vertrages entstanden.
..."

32

Der Kläger begehrt nach vergeblicher außergerichtlicher Geltendmachung mit seiner am 30. Juni 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Zahlung eines Aufstockungsbetrags iHv. 15.000 EUR.

33

Er hat erstinstanzlich gemeint, die Geltung des TV 2013 sei aufgrund der in § 2 Ziff. 6 des dreiseitigen Vertrags erfolgten Bezugnahme umfassend vereinbart worden, so dass auch der Aufstockungsbetrag gem. § 2 Ziff. 6 TV 2013 zu zahlen sei. Der TV 2013 sei eindeutig als zur Anwendung kommende Vertragsgrundlage bestimmt worden, weil er datumsmäßig genau bezeichnet worden sei. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die Bezugnahme infolge der Ablösung des TV 2013 durch den TV 2016 hinfällig sei. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen, unter denen nach § 2 Ziff. 6 TV 2013 der Aufstockungsbetrag zu zahlen sei, vor. Das Zusatzgeschäft O. I. sei jedenfalls nicht in Gänze nach Sch. gekommen.

34

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

35

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.000 EUR nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2016 zu zahlen.

36

Die Beklagte hat beantragt,

37

die Klage abzuweisen.

38

Sie hat vorgetragen, der dreiseitige Vertrag sei von der Transfergesellschaft getextet worden. Aufgrund eines Redaktionsversehens sei offensichtlich in § 2 Ziff. 6 des dreiseitigen Vertrags der Verweis auf den TV 2013 noch enthalten. Der TV 2013 sei jedoch nicht anwendbar, weil er durch den TV 2016 abgelöst worden sei. Im Übrigen widerspreche auch die Auslegung des dreiseitigen Vertrags der Anwendbarkeit des TV 2013. Im dreiseitigen Vertrag komme unmissverständlich zum Ausdruck, dass - abgesehen von der bezifferten Abfindungssumme - weitere Zahlungen nicht erfolgen sollen. Dies folge auch aus der Abgeltungsklausel in § 2 Ziff. 5 des dreiseitigen Vertrags. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für die Zahlung des Aufstockungsbetrags gem. § 2 Ziff. 6 TV 2013 nicht vor. Insofern sei erforderlich, dass für das Zusatzgeschäft O. weder die Instrumententafel noch der Handschuhkasten in Sch. produziert würden. Die Produktion des Handschuhkastens erfolge indes in Sch., nur die Instrumententafel werde nicht dort produziert. Dementsprechend bestehe kein Anspruch, eine Teilzahlung sei ausdrücklich nicht vereinbart worden.

39

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 31. Januar 2017 Bezug genommen.

40

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 31. Januar 2017 abgewiesen. Der Kläger hat gegen das am 15. Februar 2017 zugestellte Urteil mit am 14. März 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 18. Mai 2017 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit am 17. Mai 2017 eingegangenem Schriftsatz begründet.

41

Er macht geltend, die Entscheidung des Arbeitsgerichts sei in sich nicht schlüssig. Einerseits habe das Arbeitsgericht anerkannt, dass der dreiseitige Vertrag Regelungen des TV 2013 aufgreife, andererseits solle dies jedoch nur punktuell gelten. Dies überzeuge nicht. Die Argumentation, aus der Abgeltungsklausel in § 2 Ziff. 5 des dreiseitigen Vertrags sei zu folgern, dass § 2 Ziff. 6 TV 2013 nicht in Bezug genommen worden sei, laufe auf einen Zirkelschluss hinaus. Die Abgeltungsklausel besage, dass mit Erfüllung des Vertrags alle Ansprüche erledigt sein sollen, sie gebe aber keine nähere Auskunft darüber, was alles "zur Erfüllung" zähle. Dafür könne es letztlich allein auf die Auslegung von § 2 Ziff. 6 und § 3 des dreiseitigen Vertrags ankommen. Es gebe zwei klare Anknüpfungspunkte dafür, dass Regelungen des TV 2013 in Bezug genommen worden seien. Zum einen sei das Datum des TV 2013 in § 2 Ziff. 6 genannt worden, zum anderen verweise § 3 des dreiseitigen Vertrags zur Höhe der Abfindung auf "§ 2 Abs. 2" des TV 2013. Im TV 2016 sei die Abfindung an anderer Stelle geregelt worden. Wortlaut und Grammatik des dreiseitigen Vertrags ließen nicht die Auslegung zu, dass nur § 2 Ziff. 2 TV 2013 in Bezug genommen werde, § 2 Ziff. 6 TV 2013 hingegen nicht. Das Arbeitsgericht führe dazu aus, das Wort "aufgrund" in § 2 Ziff. 6 des dreiseitigen Vertrags verdeutliche, dass der TV 2013 nur deklaratorisch genannt werde. Dagegen spreche klar, dass der TV 2013 nicht normativ gelte, weshalb ein deklaratorischer Hinweis auf seine Geltung - gerade vor dem Hintergrund eines 2016 abgeschlossenen neuen Sozialtarifvertrags - unsinnig sei. Sinn ergebe die Inbezugnahme des TV 2013 im dreiseitigen Vertrag nur dann, wenn seine Geltung konstitutiv vereinbart werden sollte. Dass § 3 des dreiseitigen Vertrags nur "§ 2 Abs. 2" des TV 2013 benenne, spreche nicht zwingend dagegen, dass auch weitere Regelungen des TV 2013 gelten sollen. Die vertragliche Regelung zeige lediglich auf, dass die Beklagte der Ansicht sei, nur die Abfindung nach § 2 Ziff. 2 TV 2013 zu schulden. Es lasse sich jedoch nicht begründen, dass damit zugleich ein Ausschluss sonstiger Ansprüche verbunden sein solle.

42

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

43

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 31.01.2017, Az. 11 Ca 2025/16, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.000 EUR brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2016 zu zahlen.

44

Die Beklagte beantragt,

45

die Berufung zurückzuweisen.

46

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

47

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß begründet worden.

II.

48

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung eines Aufstockungsbetrags iHv. 15.000 EUR.

49

1. Der Kläger hat keinen tarifvertraglichen Anspruch.

50

Der TV 2013, der in § 2 Ziff. 6 - unter den dort geregelten Voraussetzungen - die Erhöhung der Abfindung um einen Aufstockungsbetrag regelte, ist durch den TV 2016 abgelöst worden. Der TV 2016 wurde am 19. Januar 2016 abgeschlossen und trat nach Unterzeichnung rückwirkend zum 9. November 2015 in Kraft. Im Verhältnis zweier zeitlich aufeinanderfolgender Normen derselben Normgeber gilt, soweit das beabsichtigt ist, das Ablösungsprinzip. Die Tarifvertragsparteien können einen von ihnen selbst früher geschlossenen Tarifvertrag grundsätzlich jederzeit abändern, einschränken oder aufheben (sog. Zeitkollisionsregel). Die spätere Regelung löst die frühere ab. Eine solche Ablösung können die Tarifvertragsparteien - wie hier in der Präambel des TV 2016 geschehen - auch ausdrücklich normieren (vgl. BAG 17.07.2007 - 9 AZR 1089/06 - Rn. 14 mwN). Aus dem Ablösungsprinzip, nach dem die jüngere tarifliche Regelung der älteren vorgeht, ergibt sich, dass eine Tarifnorm immer unter dem Vorbehalt steht, durch eine tarifliche Folgeregelung verschlechtert oder aufgehoben zu werden. Im Zeitpunkt des Abschlusses des dreiseitigen Vertrags zwischen dem Kläger, der Beklagten und der Transfergesellschaft in der ersten Märzhälfte 2016 galt der TV 2013 nicht mehr. Der neue TV 2016 sieht keine Erhöhung der Abfindung um einen Aufstockungsbetrag vor.

51

2. Der Kläger hat keinen einzelvertraglichen Anspruch auf Zahlung eines Aufstockungsbetrags iHv. 15.000 EUR aus dem dreiseitigen Vertrag vom 10./11. März 2016.

52

a) Das Arbeitsgericht Koblenz hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der TV 2013 sei im dreiseitigen Vertrag nicht vollumfänglich hinsichtlich sämtlicher Regelungen in Bezug genommen worden. Der dreiseitige Vertrag enthalte eine abschließende Regelung bezüglich der Abfindungszahlung. Für zusätzliche Ansprüche aus dem TV 2013 sei kein Raum. Mit der unter § 2 Ziff. 5 des dreiseitigen Vertrags vereinbarten Abgeltungsklausel sei abschließend geregelt worden, dass mit Ausnahme der in der Vereinbarung genannten Zahlungen keine weiteren Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis mehr bestehen. Der Aufstockungsbetrag gem. § 2 Ziff. 6 TV 2013 sei im dreiseitigen Vertrag nicht als dem Kläger zustehende Leistung genannt. Damit sei seine Geltendmachung ausgeschlossen. Im dreiseitigen Vertrag sei ausdrücklich bestätigt worden, dass mit Erfüllung desselben "alle Ansprüche" aus dem Arbeitsverhältnis der Parteien "gleich aus welchem Rechtsgrund" erledigt sein sollen. Eine derartige Abgeltungsklausel sei im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen. Bei Unterzeichnung des dreiseitigen Vertrags habe ein umfassender Erledigungswille vorgelegen. Dafür spreche zunächst der eindeutige Wortlaut der Abgeltungsklausel in § 2 Ziff. 5 selbst. Außerdem seien in § 3 des dreiseitigen Vertrags die Abfindungsansprüche konkret beziffert worden. Darüber hinaus sei auch der Rechtsgrund eindeutig auf "§ 2 Abs. 2" bestimmt worden. Die Bezugnahme sei punktuell auf die Berechnungsformel in § 2 Ziff. 2 des TV 2013 und nicht etwa - globaler - auf den die Abfindung insgesamt regelnden § 2 TV 2013 insgesamt erfolgt. Für den umfassenden Regelungscharakter spreche weiter, dass der Aufstockungsbetrag keine von der Abfindung unabhängige Forderung sei, sondern Teil derselben. § 2 Ziff. 6 TV 2013 sehe vor, dass sich die Abfindung ggf. um den Aufstockungsbetrag erhöhe. Wenn im dreiseitigen Vertrag eine konkrete Abfindungszahlung in Anwendung von § 2 Ziff. 2 TV 2013 beziffert worden sei, komme hierin zum Ausdruck, dass die Abfindungszahlung - und damit auch der Aufstockungsbetrag als Teil derselben - umfassend und endgültig geregelt sein solle. Damit sei auch in Anlegung der für die Auslegung vorformulierter Vertragsbedingungen geltenden Grundsätze eindeutig, dass der Anspruch auf Zahlung einer Abfindung auf den im dreiseitigen Vertrag bezifferten Betrag beschränkt sei. Nach dem Verständnis eines objektiven, rechtlich nicht vorgebildeten, durchschnittlichen Arbeitnehmers seien neben der bezifferten Abfindungssumme keine weiteren Zahlungen zu erwarten.

53

Diesem Auslegungsergebnis stehe nicht entgegen, dass es in § 2 Ziff. 6 des dreiseitigen Vertrags heiße, der Arbeitnehmer erhalte "aufgrund des Sozialtarifvertrages vom 01.07.2013 die vereinbarten Leistungen". Zwar sei es rechtlich möglich, die Geltung des TV 2013 einzelvertraglich zu vereinbaren (sog. statische Bezugnahmeklausel), obwohl der TV 2013 durch den TV 2016 abgelöst worden sei. Der TV 2013 sei jedoch nicht umfassend in Bezug genommen worden. Seine Erwähnung in § 2 Ziff. 6 des dreiseitigen Vertrags begründe nicht dessen verbindliche Anwendbarkeit, sondern stelle nur - deklaratorisch und nicht rechtsverbindlich - fest, dass die im dreiseitigen Vertrag abschließend festgeschriebenen Leistungen an den Kläger aufgrund des Sozialtarifvertrags erfolgen. Dies ergebe die Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen des dreiseitigen Vertrags. Bereits der Wortlaut spreche dafür, dass es sich bei § 2 Ziff. 6 des dreiseitigen Vertrags um eine deklaratorische Erklärung, nicht aber um eine den Anspruch auf Zahlung des Aufstockungsbetrags begründende Bezugnahme auf den TV 2013 insgesamt handele. Die Bestimmung sei aus Sicht eines objektiven, durchschnittlichen Arbeitnehmers so zu verstehen, dass „vereinbarte Leistungen“ in diesem Sinne die im dreiseitigen Vertrag festgelegten Leistungen seien. Eine überschießende, die Abgeltungsklausel überwindende Bezugnahme hätte einer eindeutigen Festlegung bedurft, dass es sich bei den vereinbarten Leistungen um solche „gemäß" dem TV 2013 handeln solle. Es sei jedoch lediglich festgehalten worden, dass die im dreiseitigen Vertrag abschließend festgelegten Leistungen „aufgrund“ des TV 2013 erfolgen sollen. Hierfür spreche unterstützend, dass die Vertragsparteien grammatikalisch zwischen „gemäß“ im Rahmen der (punktuellen) Bezugnahme auf die Berechnungsformel zur Abfindung (§ 3 des dreiseitigen Vertrags) und „aufgrund“ unterschieden. „Aufgrund“ bedeute „begründet", „veranlasst durch", „wegen" wohingegen mit „gemäß“ zum Ausdruck komme, dass einer Sache zufolge oder entsprechend gehandelt werde oder werden solle (vgl. Duden Die deutsche Rechtschreibung Bd. 1 8. Aufl. 2014). Erstere Wendung stelle - ausschließlich - den Bezug zum Anlass der Leistung her, wohingegen letztere die Verbindlichkeit der in Bezug genommenen Bestimmung festschreibe. Für die Anwendbarkeit der Zweifelsregelung des § 305c Abs. 2 BGB bleibe aufgrund des eindeutigen Auslegungsergebnisses kein Raum.

54

b) Die Berufungskammer folgt den sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts im Ergebnis und der Begründung. Von der Darstellung eigener vollständiger Entscheidungsgründe wird daher gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Das Arbeitsgericht hat den dreiseitigen Vertrag vom 10./11. März 2016 gründlich und überzeugend ausgelegt. Es kommt zutreffend zu dem Schluss, dass der Kläger aus diesem Vertrag keinen Aufstockungsbetrag iHv. 15.000 EUR beanspruchen kann. Seine Abfindung wurde in § 3 des Vertrags auf einen bestimmten Bruttobetrag (77.771 EUR) festgelegt, den ihm die Beklagte gezahlt hat. Das Berufungsvorbringen des Klägers gibt zu einer abweichenden Entscheidung keine Veranlassung.

55

aa) Entgegen der Ansicht der Berufung kann der Kläger eine Erhöhung der in § 3 des dreiseitigen Vertrags vereinbarten konkreten Abfindungssumme nicht mit dem Argument beanspruchen, in § 2 Ziff. 6 sei konstitutiv geregelt worden, der Arbeitsnehmer "erhält aufgrund des Sozialtarifvertrages vom 01.07.2013 die vereinbarten Leistungen". Diese Formulierung, die nach dem Vortrag der Beklagten auf einem Redaktionsversehen beruht, ist nicht isoliert zu betrachten und insbesondere nicht als konstitutive Bezugnahmeklausel auf den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits durch den TV 2016 abgelösten TV 2013 zu verstehen.

56

bb) Der dreiseitige Vertrag vom 10./11. März 2016 enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. §§ 305 ff. BGB. Dabei ist gleichgültig, ob er von der Beklagten oder der Transfergesellschaft formuliert worden ist. Der Inhalt Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu ermitteln. Sie sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen (vgl. BAG 23.03.2017 - 6 AZR 705/15 - Rn. 14 mwN). Abzustellen ist dabei auf den typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden nicht rechtskundigen Arbeitnehmer. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (vgl. BAG 23.01.2014 - 8 AZR 130/13 - Rn. 18 mwN).

57

cc) Das Arbeitsgericht hat die Klauseln des dreiseitigen Vertrags, den die Parteien (und weitere 10 Arbeitnehmer) sowie die Transfergesellschaft in der ersten Märzhälfte 2016 abgeschlossen haben, nach diesen Grundsätzen rechtsfehlerfrei ausgelegt und geprüft.

58

Aus Sicht eines verständigen, nicht rechtskundigen durchschnittlichen Arbeitnehmers wird im dreiseitigen Vertrag eine Abfindungssumme vereinbart, die in § 3 beziffert worden ist. Es wird unmissverständlich deutlich, dass die Beklagte für den Verlust des Arbeitsplatzes zum 31. März 2016 eine Abfindung in der konkret genannten Höhe zahlt, das Arbeitsverhältnis bis dahin ordnungsgemäß abrechnet, die Arbeitspapiere herausgibt und ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis ausstellt. Mit der Erfüllung dieser Vereinbarung sollen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis "gleich aus welchem Rechtsgrund" erledigt sein. Die Formulierung in § 2 Ziff. 6 des dreiseitigen Vertrags kann angesichts des weiteren Vertragsinhalts von einem nicht rechtskundigen Arbeitnehmer nicht so verstanden werden, dass für den Verlust des Arbeitsplatzes noch ein Rechtsanspruch auf zusätzliche 15.000 EUR begründet werden soll.

59

dd) Das Arbeitsgericht hat außerdem zutreffend erkannt, dass die vertraglichen Regelungen nicht mehrdeutig iSd. § 305c Abs. 2 BGB sind. Bei Berücksichtigung der anerkannten Auslegungsmethoden bestehen im Entscheidungsfall keine erheblichen Zweifel. Auch insoweit schließt sich die Berufungskammer dem Arbeitsgericht an.

60

3. Selbst wenn man der hier vertretenen Auslegung des dreiseitigen Vertrags aus der ersten Märzhälfte 2016 nicht folgen wollte, lägen die Voraussetzungen nach § 2 Ziff. 6 TV 2013 für eine Erhöhung der Abfindung um einen Aufstockungsbetrag von 15.000 EUR nicht vor.

61

Das Zusatzgeschäft O. I. ist teilweise nach Sch. gekommen, weil der Handschuhkasten an diesem Standort produziert wird. In § 2 Ziff. 6 TV 2013 ist geregelt worden, dass der Aufstockungsbetrag zu zahlen ist, falls das Zusatzgeschäft O. I. nicht nach Sch. kommt. In einem Klammerzusatz ist ausdrücklich angefügt worden: "Instrumententafel und Handschuhkasten". Aufgrund dieser "Und"-Verknüpfung müssen die Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Dies ist aber unstreitig nicht der Fall.

III.

62

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

63

Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.