Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 15. Feb. 2018 - 2 Sa 20/16

ECLI:ECLI:DE:LAGST:2018:0215.2SA20.16.00
bei uns veröffentlicht am15.02.2018

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 28.10.2015 – 8 Ca 371/15 – teilweise unter Zurückweisung der Be-rufung im Übrigen abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 29.01.2015 nicht zum 31.03.2015, sondern erst zum 31.05.2015 aufgelöst worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses.

2

Die ledige, am geborene Klägerin war bei dem Beklagten seit dem 15.01.2007 als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt. Die Rechtsbeziehungen der Parteien bestimmten sich nach den Arbeitsverträgen vom 09.01.2007 und 15.04.2007 (Bl. 23 f d.A.).

3

Die Klägerin ist zu 60 % schwerbehindert und für 2 Kinder unterhaltspflichtig. Sie befand sich vom 29.02.2012 bis 01.03.2015 in Elternzeit.

4

Der Beklagte, der das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits im Jahr 2011 gekündigt, diese Kündigung jedoch aufgrund einer Schwangerschaft der Klägerin wieder zurückgenommen hatte, kündigte durch ihren dazu beauftragten jetzigen Prozessbevollmächtigten das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut mit Schreiben vom 29.01.2015 (Bl. 57 f d.A.) "fristgemäß" zum 31.03.2015. Der genaue Zeitpunkt des Zugangs dieser Kündigung ist zwischen den Parteien streitig.

5

Zuvor hatte das Integrationsamt mit Bescheid vom 03.12.2014 (Bl. 31 ff d.A.) auf Antrag des Beklagten vom 10.10.2014 (Bl. 190 ff., 285 ff d.A.) die Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung erteilt. Der Beklagte beantragte sodann mit Schreiben vom 10.12.2014 die Zulässigkeitserklärung für eine Kündigung während der Elternzeit der Klägerin bei dem zuständigen Landesamt für Verbraucherschutz. Dieses erklärte mit Bescheid vom 29.01.2015 (Bl. 45 ff d.A.) eine Kündigung frühestens zum 31.03.2015 für zulässig. Im Verlauf des Rechtsstreits ist nach Vorlage eines Faxprotokolls (Bl. 284 d.A.) durch den Beklagten zwischen den Parteien unstreitig geworden, dass dieser Bescheid dem jetzigen Prozessvertreter des Beklagten, dem auch die Durchführung der besagten Verwaltungsverfahren oblag, am 29.01.2015 um 17.21 Uhr per Fax zugegangen ist. Die Klägerin hat gegen beide Bescheide erfolglos Widerspruch erhoben und greift diese gegenwärtig jeweils mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Halle an.

6

Der Beklagte, der hinsichtlich seiner Personalausgaben von dem Land Sachsen-Anhalt gefördert wird, stützt die Kündigung auf das Auslaufen eines geförderten Projekts sowie auf den Umstand, dass nach den Förderrichtlinien des Landes Sachsen-Anhalt Arbeitsverhältnisse nur befristet abgeschlossen werden dürfen. Ein Angebot des Beklagten, das Arbeitsverhältnis nachträglich zu befristen, hat die Klägerin abgelehnt.

7

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der streitgegenständlichen Kündigung komme keine Rechtswirksamkeit zu.

8

Sie bestreitet das Vorliegen von Kündigungsgründen und rügt eine fehlerhafte Sozialauswahl. Hierzu behauptet sie, bei dem Beklagten werden regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer, nämlich 12 Arbeitnehmer einschließlich ihrer Person, beschäftigt. Wegen der von der Klägerin vorgenommenen namentlichen Benennung dieser Mitarbeiter wird auf die Tabelle im Schriftsatz vom 30.06.2015 (Bl. 75 d.A.) verwiesen. Die dort benannte Mitarbeiterin Frau S ist unstreitig als Vertreterin für die Klägerin während ihrer Elternzeit befristet bis zum 28.02.2015 eingestellt worden.

9

Weiter bestreitet die Klägerin die ordnungsgemäße Anhörung des bei dem Beklagten gebildeten Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung.

10

Sie ist darüber hinaus der Auffassung, die Kündigung sei treuwidrig. Der Beklagte wolle sie „loswerden“, nachdem die Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit und andere öffentliche Stellen ausgelaufen sei. Demgemäß habe der Beklagte die Stelle durch Frau S als Elternzeitvertreterin wiederbesetzt. Die Kündigung verstoße auch gegen das Maßregelungsverbot aus § 612a BGB. Sie sei Folge ihrer Weigerung, das Arbeitsverhältnis nachträglich zu befristen. Weiter habe der Beklagte die Vorgaben aus § 88 Abs. 3 SGB IX a.F. nicht eingehalten, da er die Kündigung nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheides des Integrationsamtes ausgesprochen habe. Schlussendlich rügt die Klägerin die Nichteinhaltung der ihr zustehenden Kündigungsfrist und bestreitet einen Zugang der streitgegenständlichen Kündigung vor dem 01.02.2015. Sie habe – unstreitig – an jenem Tag, einem Sonntag, das Kündigungsschreiben gegen 15.30 Uhr aus dem Briefkasten entnommen.

11

Die Klägerin hat beantragt,

12

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 29.01.2015, zugegangen am 01.02.2015, nicht aufgelöst wird.

13

Der Beklagte hat beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Er hat bestritten, dass in seinem Betrieb regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Das Arbeitsverhältnis mit der von der Klägerin benannten Frau R J sei bereits vor 5 Jahren wegen Eintritts dieser Mitarbeiterin in den Rentenstand beendet worden. Bei der von der Klägerin weiter benannten Frau B G und Herrn M P handele es sich um ehrenamtlich tätige Personen. Zu dem Beklagten bestehe kein Arbeitsverhältnis. Ein solches bestehe lediglich mit der Stadt W.

16

Der Betriebsrat – bestehend aus der Betriebsobfrau H – habe der Kündigung – unstreitig – mit Schreiben vom 17.10.2014 (Bl. 130 d.A.) zugestimmt.

17

Das Kündigungsschreiben sei durch den damit beauftragten (jetzigen) Prozessbevollmächtigten am Samstag, 31.01.2015 gegen 13.10 Uhr in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen worden. Damit – so hat der Beklagte gemeint – sei ein Zugang des Kündigungsschreibens an jenem Tag anzunehmen.

18

Die Klägerin hat hierzu entgegnet, an ihrem Wohnort werde am Samstag die Post – einschließlich aller sonstigen Zustelldienste – bis spätestens 11.30 Uhr zugestellt.

19

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 28.10.2015 der Kündigungsschutzklage stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der streitgegenständlichen Kündigung komme wegen Verstoßes gegen § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG keine Rechtswirksamkeit zu. Der Beklagte habe die von der Klägerin bestrittene ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats nicht dargelegt. Aus dem von ihm allein vorgelegten Zustimmungsschreiben vom 17.10.2014 ergebe sich eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Bl. 137 – 143 d.A. verwiesen.

20

Der Beklagte hat gegen dieses, ihm am 14.12.2015 zugestellte Urteil am 14.01.2016 Berufung eingelegt und jene nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.03.2016 am 14.03.2016 begründet.

21

Mit seinem Rechtsmittel verfolgt der Beklagte seinen Klagabweisungsantrag weiter.

22

Er behauptet ergänzend, der Betriebsrat in Person von Frau H sei vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden. So habe die Geschäftsführerin des Beklagten, Frau Dr. S-R Frau H eine Kopie des Antrags an das Integrationsamt nebst sämtlicher Anlagen im Rahmen eines persönlichen Gesprächs im Oktober 2014 übergeben und dabei um Zustimmung zur Kündigung ersucht. Im Übrigen sei Frau H auch aufgrund ihrer Beteiligung an dem Anhörungsverfahren vor Ausspruch der ersten Kündigung im Jahr 2011 als damals stellvertretende Betriebsrätin über die – identischen – Kündigungsgründe informiert gewesen. Ebenso seien Frau H die Sozialdaten der Klägerin bekannt gewesen.

23

Darüber hinaus habe die Geschäftsführerin des Beklagten, nachdem sie von seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten den Bescheid des Landesamtes für Verbraucherschutz am 29.01.2015 per Fax erhalten hatte, diesen am nächsten Tag an Frau H übergeben und erneut um Zustimmung zur Kündigung der Klägerin gebeten. Frau H habe die Zustimmung sodann erneut erteilt. Schlussendlich sei zu berücksichtigen, dass Frau H – unstreitig – in ihrer Eigenschaft als Betriebsobfrau an der Einigungsverhandlung des Integrationsamtes teilgenommen habe, in der – ebenfalls unstreitig – die Kündigungsgründe umfassend erörtert worden seien.

24

Der Beklagte beantragt,

25

das am 28. Oktober 2015 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Halle – 8 Ca 371/15 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

26

Die Klägerin beantragt,

27

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

28

Sie bestreitet den Tatsachenvortrag des Beklagten betreffend die Anhörung des Betriebsrates. Ebenso werde bestritten, dass Frau H das einzige Betriebsratsmitglied sei.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

30

Das Berufungsgericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 26.10.2017 (Bl. 263 d.A.) im Termin am 15.02.2018 wie folgt Beweis erhoben:

31

II.

Es soll Beweis erhoben werden über folgende Behauptungen des Beklagten:

1. Die Geschäftsführerin des Beklagten habe die Betriebsobfrau H im Oktober 2014 über die beabsichtigte Kündigung der Klägerin informiert und ihr zur Begründung den Antrag an das Integrationsamt nebst sämtlicher Anlagen ausgehändigt
– durch zeugenschaftliche Vernehmung der von beiden Parteien benannten Frau Dr. A S-R und der Frau K H.

2. Die Geschäftsführerin habe der Betriebsobfrau H am 30.01.2015 den Bescheid des Landesamtes für Verbraucherschutz vom 29.01.2015 übergeben und erneut um Zustimmung zur Kündigung der Klägerin gebeten. Die Zustimmung sei sodann von Frau H mündlich erteilt worden
– durch zeugenschaftliche Vernehmung der von beiden Parteien benannten Frau Dr. A S-R und der Frau K H.

3. Der Betriebsobfrau H seien aufgrund ihrer Tätigkeit bei dem Beklagten die Sozialdaten der Klägerin bekannt gewesen
– durch zeugenschaftliche Vernehmung der von dem Beklagten benannten Frau K H.

32

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 15.02.2018 (Bl. 329 – 334 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

33

Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Es handelt sich um das gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG statthafte Rechtsmittel. Der Beklagte hat die Frist zur Einlegung der Berufung sowie zur Begründung (§ 66 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 5 ArbGG) eingehalten. Die Berufungsbegründung entspricht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO.

B.

34

Die Berufung des Beklagten ist auch teilweise begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird durch die streitgegenständliche Kündigung vom 29.01.2015 aufgelöst, jedoch nicht zum 31.03., sondern erst zum 31.05.2015. Der Kündigung kommt „an sich“ Rechtswirksamkeit zu. Die von der Klägerin geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe (§ 6 KSchG) greifen allesamt nicht durch. Da die Kündigung jedoch erst am 01.02.2015 der Klägerin zugegangen ist, läuft die ihr zustehende Kündigungsfrist erst zum 31.05.2015 ab.

I.

35

Die Kündigung des Beklagten vom 29.01.2015 ist nicht wegen Verstoßes gegen § 242 BGB (Treu und Glauben) rechtsunwirksam. Die Darlegungslast hierfür liegt nach den allgemeinen Grundsätzen bei dem sich hierauf berufenden Arbeitnehmer. Aus dem Sachvortrag der Klägerin lässt sich eine Treuwidrigkeit der Kündigung nicht ableiten.

36

1. Die Kündigung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses ist nicht per se treuwidrig. Der Grundsatz, auf den die Klägerin im Zusammenhang mit der ausgelaufenen Förderung ihres Arbeitsverhältnisses verweist: „Geld hat man zu haben“ bedeutet nur, dass Ansprüche aus einem Dauerschuldverhältnis bis zu dessen Beendigung durch die fehlende finanzielle Leistungskraft des Schuldners nicht berührt werden.

37

2. Auch die Neubesetzung des Arbeitsplatzes mit einem anderen Arbeitnehmer, vorliegend Frau S, begründet für sich keine Treuwidrigkeit. Relevanz erlangt diese Vorgehensweise des Arbeitgebers nur im Anwendungsbereich des § 1 KSchG (sogenannte Austauschkündigung).

II.

38

Die Kündigung erweist sich nicht wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB als rechtsunwirksam. Auch insoweit trifft die Klägerin die Darlegungslast dahingehend, dass die Ausübung von Rechten ihrerseits den tragenden Grund für die Kündigung bildet (BAG 23.04.2009 – 6 AZR 189/08 – Rn. 13). Hierzu hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Ihr Verweis auf die Ablehnung einer nachträglichen Befristung des Arbeitsvertrages reicht nicht aus. Bei diesem Angebot des Beklagten handelt es sich vielmehr um ein im Vergleich zu einer Beendigungskündigung „milderes Mittel“ im Hinblick auf die für ihn bestehende Bindung an Förderrichtlinien des Landes Sachsen-Anhalt, die wiederum nur den Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen zulassen. Außerhalb des Anwendungsbereiches des § 1 KSchG war der Beklagte jedoch nicht verpflichtet, gegenüber der Klägerin eine diesbezügliche Änderungskündigung auszusprechen.

III.

39

Weiter scheitert die Kündigung nicht an dem Kündigungsverbot des § 85 SGB IX a.F., wonach die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einem schwerbehinderten Menschen der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf.

40

1. Die Zustimmung des Integrationsamtes lag unstreitig bei Ausspruch der Kündigung vor.

41

2. Nicht erforderlich ist, dass der Bescheid des Integrationsamtes bei Ausspruch der Kündigung bereits Bestandskraft erlangt hat, wie sich aus § 88 Abs. 4 SGB IX a.F. ergibt. Die durch das Integrationsamt erteilte Zustimmung zur Kündigung entfaltet – es sei denn, sie wäre nichtig – für den Kündigungsschutzprozess solange Wirksamkeit, wie sie nicht bestands- oder rechtskräftig aufgehoben worden ist (BAG 23.05.2013 – 2 AZR 991/11). Anhaltspunkte dafür, dass der Bescheid des Integrationsamtes nichtig sein könnte, sind nicht gegeben. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung war der Bescheid auch nicht rechtskräftig aufgehoben.

IV.

42

Der Beklagte hat die Kündigung auch nicht unter Verstoß gegen § 88 Abs. 3 SGB IX a.F., wonach die ordentliche Kündigung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides des Integrationsamtes auszusprechen ist, erklärt. Bedarf die ordentliche Kündigung eines schwerbehinderten Menschen außer der Zustimmung des Integrationsamtes einer Zulässigkeitserklärung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG und hat der Arbeitgeber diese vor dem Ablauf der Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB IX beantragt, kann die Kündigung noch nach Fristablauf wirksam ausgesprochen werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber die Kündigung unverzüglich erklärt, nachdem die Zulässigkeitserklärung nach § 18 BErzGG vorliegt (BAG 24.11.2011 – 2 AZR 429/10).

43

Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Beklagte hat den Antrag nach § 18 BEEG innerhalb der Monatsfrist gestellt. Der Bescheid vom 29.01.2015 (Donnerstag) ist ihm zu Händen seines jetzigen Prozessbevollmächtigten am selben Tage um 17.21 Uhr per Fax zugestellt worden. Nach Vorlage des Fax-Protokolls (Bl. 284 d.A.) und der Stellungnahme der Klägerin hierzu im Schriftsatz vom 02.02.2018 ist der Zugang bereits am 29.01.2015 als unstreitig anzusehen. Die Kündigung ist der Klägerin (spätestens) am Sonntag, 01.02.2015 durch Entnahme aus dem Briefkasten zugegangen. Der sich mithin maximal ergebende Zeitraum von 3 Tagen zwischen Eingang des Bescheides und Zugang der Kündigung lässt ein schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) des Beklagten nicht erkennen.

V.

44

Der Beklagte hat die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 BEEG, wonach die Kündigung eines Arbeitnehmers in der Elternzeit der vorherigen Zulässigkeitserklärung der zuständigen Behörde bedarf, eingehalten.

45

1. Eine solche Erklärung lag in Form des Bescheides des Landesamtes für Verbraucherschutz vom 29.01.2015 vor. Der Zugang dieses Bescheides am selben Tage per Fax ist nach Vorlage des Fax-Protokolls seitens des Beklagten als unstreitig anzusehen.

46

2. Eine Bestandskraft des Bescheides vor Ausspruch der Kündigung ist nicht erforderlich. Wird der Bescheid von dem Arbeitnehmer durch Widerspruch bzw. Klage angegriffen, so ist er bis zu einer gegenteiligen Entscheidung als „schwebend wirksam“ anzusehen (BAG 17.06.2003 – 2 AZR 245/02 zu § 9 MuSchG). Eine gegenteilige Entscheidung der Gerichte für Verwaltungssachen lag im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vor.

VI.

47

Weiter steht der Kündigung nicht § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG – Sozialwidrigkeit der Kündigung – entgegen. Diese Bestimmung findet gemäß § 23 Abs. 1 KSchG auf die Rechtsbeziehung der Parteien keine Anwendung. Voraussetzung für das Eingreifen des im Ersten Abschnitt des KSchG geregelten allgemeinen Kündigungsschutzes ist nach der vorgenannten Bestimmung, dass im Betrieb des Arbeitgebers regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Dieser Schwellenwert ist vorliegend – auch nach dem Sachvortrag der Klägerin – nicht überschritten. Die Darlegungs- und Beweislast insoweit liegt bei dem Arbeitnehmer. Der größeren Sachnähe des Arbeitgebers und etwaigen Beweisschwierigkeiten des Arbeitnehmers ist durch eine abgestufte Darlegungslast Rechnung zu tragen (BAG 02.03.2017 – 2 AZR 427/16 – Rn. 12).

48

Auch nach dem Sachvortrag der Klägerin beläuft sich die Zahl der bei dem Beklagten regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer „nur“ auf 10. Zwar benennt die Klägerin insgesamt (einschließlich ihrer selbst) 12 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer im Schriftsatz vom 01.09.2015. Aus ihrem Vorbringen ist jedoch nicht hinreichend substantiiert abzuleiten, dass mindestens 11 dieser Personen in einem Arbeitsverhältnis zu dem Beklagten gestanden haben. Dies gilt zunächst für die von der Klägerin benannte Frau J. Nach dem Sachvortrag des Beklagten habe Frau J sich zum Zeitpunkt der Kündigung bereits seit 5 Jahren im Rentenstand befunden. Ergänzender Sachvortrag der Klägerin, der diesem Vorbringen entgegenstehen würde, ist von ihr nicht geleistet worden. Weiter benennt die Klägerin Frau S, die nach ihrem eigenen Vorbringen – die Klägerin verweist im Schriftsatz vom 30.06.2015, Seite 5 auf den Stellenplan des Beklagten – zum Zeitpunkt der Kündigung als ihre Elternzeitvertreterin befristet bis zum 28.02.2015 eingestellt worden ist. Insoweit gilt § 21 Abs. 7 BEEG. Danach ist eine „Doppelzählung“ des in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmers und des hierfür eingestellten Vertreters ausgeschlossen. Dass für Frau S bereits bei Ausspruch der Kündigung eine „eigene“ Stelle existierte, trägt auch die Klägerin nicht vor. Sie verweist vielmehr selbst auf den Stellenplan des Beklagten, der die Beschäftigung der Frau S als Vertretung aufführt. Mithin verbleiben auch nach dem Vorbringen der Klägerin zum Zeitpunkt der Kündigung lediglich 10 bei dem Beklagten regelmäßig beschäftigte Arbeitnehmer. Über die 12 benannten Beschäftigten hinaus hat die Klägerin keine weiteren Personen, die für den Beklagten als Arbeitnehmer tätig gewesen sein sollen, in individualisierbarer Form benannt,

VII.

49

Schlussendlich scheitert die Rechtswirksamkeit der Kündigung „an sich“ nicht an § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, wonach die ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam ist. Dabei steht eine nicht ordnungsgemäße Anhörung der unterbliebenen Anhörung gleich. Ordnungsgemäß ist die Anhörung des Betriebsrats, die keiner Form bedarf (BAG 23.06.2009 – 2 AZR 474/07 – Rn. 37), dann, wenn dieser über die Sozialdaten des zu kündigenden Arbeitnehmers und über die aus der Sicht des Arbeitgebers (subjektive Determination) tragenden Gründe für die Kündigung derart umfassend informiert worden ist, dass er ohne eigene Nachforschungen anstellen zu müssen, sich ein eigenes Bild machen kann (BAG – ständige Rechtsprechung – 16.07.2015 – 2 AZR 15/15 – Rn. 12 ff). Dabei bedarf es keiner Angaben über die Kündigungsfrist und den Kündigungstermin einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung, wenn der Betriebsrat anhand der ihm bekannten Sozialdaten die Frist und den Endtermin selbst berechnen kann (BAG 20.06.2013 – 6 AZR 805/11 – Rn. 38). Auch ist es nicht erforderlich, den Betriebsrat detailliert über solche Kündigungsgründe zu informieren, die ihm bereits bekannt sind (BAG 28.08.2003 – 2 AZR 377/02). Das Anhörungsverfahren ist abgeschlossen, wenn der Betriebsrat der Kündigung zugestimmt hat, eine abschließende Stellungnahme zu der Kündigung abgegeben hat oder aber er sich innerhalb der ihm zustehenden einwöchigen Frist nicht äußert (§ 102 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BetrVG).

50

Nach dem Gesamtergebnis der mündlichen Verhandlung, insbesondere der durchgeführten Beweisaufnahme, steht zur Überzeugung der Kammer fest (§ 286 ZPO), dass der Beklagte den in seinem Betrieb bestehenden Betriebsrat ordnungsgemäß angehört hat.

51

1. Entgegen der Auffassung der Klägerin waren neben der Betriebsobfrau Frau H keine weiteren „Betriebsratsmitglieder“ in das Verfahren mit einzubeziehen. Gemäß § 9 Abs. 1 BetrVG besteht in Betrieben bis zu 20 Arbeitnehmern der Betriebsrat nur aus einer Person. Dass bei dem Beklagten mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt sind, behauptet auch die Klägerin nicht.

52

2. Der Beklagte hat den Betriebsrat in Person der Betriebsobfrau H ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung beteiligt.

53

a. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, insbesondere der durchgeführten Beweisaufnahme, ist die Beteiligung in ordnungsgemäßer Form bereits im Oktober 2014 erfolgt. Dabei hat die Geschäftsführerin des Beklagten der Betriebsobfrau H die Kopie des an das Integrationsamt gerichteten Antrages auf Zustimmung zur Kündigung der Klägerin einschließlich der dort beigefügten Anlagen (Bl. 190 ff, 285 ff d.A.) zukommen lassen, woraus sich sowohl die Sozialdaten der Klägerin (Alter, Schwerbehinderung, Betriebszugehörigkeit) als auch die tragenden Gründe für die Kündigung, nämlich das Auslaufen eines Projektes sowie die Nichtförderbarkeit des Arbeitsverhältnisses der Klägerin aufgrund des unbefristeten Bestandes, ergeben. Die Übergabe dieser Unterlagen haben sowohl die Zeugin H als auch die Zeugin Dr. S-R in ihrer Vernehmung glaubhaft bestätigt. Nach der Zeugenvernehmung steht weiter zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Betriebsobfrau H die besagten Unterlagen nicht nur in ihrer Eigenschaft als Assistentin der Geschäftsführerin zur Kenntnis gelangt sind, sondern dass seitens der Geschäftsführerin diese Unterlagen auch zum Bestandteil ihrer Bitte um Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin gemacht worden sind. Beide Zeuginnen haben bestätigt, seitens des Beklagten sei um Zustimmung zur Kündigung der Klägerin gebeten worden und in diesem Zusammenhang sei eine Kopie des Antrages an das Integrationsamt übergeben worden. Im Übrigen hat die Zeugin H auch glaubhaft bekundet, ihr sei der Inhalt dieses Antrages bereits aufgrund der Befassung mit dem Personalvorgang als Assistentin der Geschäftsführerin bekannt gewesen. Zwar ergibt sich aus dem vorgenannten Antrag nicht unmittelbar, dass die Klägerin nunmehr für 2 Kinder unterhaltspflichtig war. Nach der auch insoweit glaubhaften Aussage der Zeugin H, war ihr dieser Umstand jedoch bei Durchführung des Anhörungsverfahrens bekannt.

54

Das mithin ordnungsgemäß eingeleitete Verfahren ist durch die unstreitig von der Zeugin H am 17.10.2014 erteilten Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung abgeschlossen worden.

55

b. Darüber hinaus ergibt sich jedenfalls eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung aus den Geschehnissen am 30.01.2015. Auch insoweit haben beide Zeuginnen glaubhaft bekundet, die Geschäftsführerin habe nach Erhalt den Bescheides des Landesamtes für Verbraucherschutz Frau H überreicht und erneut um Zustimmung zur Kündigung der Klägerin gebeten. Frau Hu habe sodann die Zustimmung erteilt. Jedenfalls diese Zustimmung beruht auf einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates. Die Zeugin H hatte zwischenzeitlich aufgrund ihrer unstreitigen Teilnahme an der Einigungsverhandlung des Integrationsamtes „vertiefte“ Kenntnisse betreffend die Sozialdaten der Klägerin und insbesondere über die Gründe für die beabsichtigte Kündigung erlangt.

56

Nach dem Gesamtinhalt der Aussagen sowohl der Zeugin H als auch der Zeugin Dr. S-R kann auch ausgeschlossen werden, dass die Geschäftsführerin des Beklagten die Zeugin H an dem Kündigungsverfahren lediglich in ihrer Eigenschaft als Assistentin der Geschäftsführung beteiligt hat. Beide Zeuginnen haben wiederholt bekundet, die Geschäftsführerin habe die Betriebsobfrau um Zustimmung zur Kündigung gebeten. Hieraus wird deutlich, dass der Beklagte, vertreten durch seine Geschäftsführerin, „förmlich“ das Verfahren nach § 102 BetrVG durchführen wollte.

57

Auch dieses „zweite“ Verfahren ist vor Ausspruch der Kündigung abgeschlossen worden durch die von der Zeugin H erteilte Zustimmung am 30.01.2015. Zwar ist das Kündigungsschreiben durch den damit beauftragten jetzigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten auf den 29.01.2015 datiert worden. Nach dem insoweit unstreitigen Sachverhalt hat dieses Schreiben jedoch den Machtbereich des Beklagten in Person des jetzigen Prozessbevollmächtigten frühestens am Samstag, 31.01.2015 durch Einwurf in den Briefkasten der Klägerin verlassen.

58

c. Nach alledem haben die Zeuginnen glaubhaft bekundet, dass sowohl im Oktober 2014 als auch Ende Januar 2015 eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates stattgefunden hat. An der Glaubwürdigkeit der Zeuginnen bestehen für die Kammer ebenfalls keine Zweifel. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass beide Zeuginnen für den Beklagten (nach wie vor) tätig sind. Hieraus allein ergeben sich jedoch keine durchgreifenden Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit. Nach dem Gesamteindruck, den die Zeuginnen auf die Kammer gemacht haben, ist die Kammer vielmehr davon überzeugt, dass diese wahrheitsgemäße Angaben getätigt haben. Insbesondere haben die Zeuginnen Erinnerungslücken eingeräumt. Ein „gesteigertes“ Eigeninteresse an einem für den Beklagten günstigen Prozessausgang ist demgegenüber nicht zu erkennen.

VIII.

59

Die streitbefangene Kündigung konnte das Arbeitsverhältnis der Parteien jedoch erst zum 31.05.2015 auflösen. Angesichts der Betriebszugehörigkeit der Klägerin steht dieser gemäß § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB eine Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Monatsende zu. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist unstreitig bereits am 15.01.2007 begründet worden und bestand daher bei Ausspruch der Kündigung mehr als 8 Jahre. Nach dem sich bietenden Sachverhalt ist die Kündigung der Klägerin erst am 01.02.2015 zugegangen. Dabei kann zugunsten des Beklagten unterstellt werden, das Schreiben sei bereits am 31.01.2015 gegen 13.10 Uhr in den Hausbriefkasten der Klägerin eingeworfen worden.

60

Eine verkörperte Willenserklärung ist zugegangen, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen. Zum Bereich des Empfängers gehören auch von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtungen, z.B. ein Briefkasten. Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den „Gepflogenheiten des Verkehrs“ zu beurteilen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, sondern im Interesse der Rechtssicherheit zu generalisieren. Bei Hausbriefkästen ist mit einer Leerung im Allgemeinen zum Zeitpunkt der üblichen Postzustellzeiten zu rechnen, die allerdings stark variieren können (BAG 22.03.2012 – 2 AZR 224/11 – Rn. 21).

61

Danach ist ein Zugang der Kündigung erst mit der Entnahme des Schreibens aus dem Hausbriefkasten am 01.02.2015 erfolgt und nicht bereits am Tag des Einwurfs. Dieser erfolgte erst geraume Zeit nach Ablauf der üblichen Zustellzeiten. Die Klägerin hat diese für einen Samstag mit maximal 11.30 Uhr angegeben. Der für den Zugangszeitpunkt darlegungspflichtige Beklagte hat nicht vorgetragen, dass am Wohnort der Klägerin an Samstagen noch nach 13.10 Uhr üblicherweise Postsendungen zugestellt werden.

62

Die von dem Beklagten verwendete unzutreffende Kündigungsfrist führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung "an sich". Diese ist angesichts der verwendeten Formulierung "fristgemäß" vielmehr dahin auszulegen, dass der Beklagte das Arbeitsverhältnis jedenfalls zu dem sich bei Anwendung der der Klägerin zustehenden Kündigungsfrist ergebenden Endtermin beenden wollte (BAG 15.05.2013 – 5 AZR 130/12).

IX.

63

Nach alledem kommt nach dem sich zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bietenden Sachstand der streitgegenständlichen Kündigung Rechtswirksamkeit mit einem Endtermin zum 31.05.2015 zu. Allerdings sind bei dem Verwaltungsgericht Halle Verfahren betreffend die Zustimmung des Integrationsamtes zur streitgegenständlichen Kündigung und die Zulässigkeitserklärung des Landesamtes für Verbraucherschutz nach wie vor anhängig. Das Berufungsgericht hat dennoch von der Möglichkeit, den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO bis zum rechtskräftigen Abschluss dieser Verfahren auszusetzen, keinen Gebrauch gemacht. Nach § 148 ZPO kann das Gericht den Rechtsstreit aussetzen, wenn die Entscheidung von dem Ausgang eines anderen Rechtsstreits abhängt.

64

1. Vorliegend sind die beiden Rechtsstreite vor dem Verwaltungsgericht vorgreiflich im Sinne der vorgenannten Bestimmung.

65

2. Es steht im pflichtgemäßen Ermessen der Gerichte für Arbeitssachen, ob sie den Kündigungsschutzrechtsstreit aussetzen oder nicht, wenn noch ein verwaltungsgerichtlicher Rechtsstreit anhängig ist. Gegenüber dem vorrangigen Zweck einer Aussetzung – einander widersprechende Entscheidungen zu verhindern – sind der Nachteil einer langen Verfahrensdauer und die daraus für die Parteien entstehenden Folgen abzuwägen. Dabei kommt bei Bestandsschutzstreitigkeiten dem gesetzlich geregelten Beschleunigungsgrundsatz von § 9 Abs. 1, § 64 Abs. 8 und § 61a ArbGG eine besondere Bedeutung zu. Auf Grund dessen hat das Interesse der Parteien an der Verhinderung einander widersprechender Entscheidungen grundsätzlich zurückzutreten. Dem Kläger steht ggf. der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7b ZPO analog zur Seite, falls er später vor dem Verwaltungsgericht obsiegen sollte (BAG 02.03.2006 – 2 AZR 53/05 – Rn. 56).

66

Bei Anwendung dieser Rechtssätze bewertet die Kammer auch im vorliegenden Fall das Interesse an einem beschleunigten Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits höher als das gegenläufige Interesse an der Vermeidung sich widersprechender Gerichtsentscheidungen. Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend ausnahmsweise eine abweichende Beurteilung der Sachlage insoweit zu erfolgen hat, sind nicht gegeben.

X.

67

Das Berufungsgericht konnte auch in der Sache selbst entscheiden. Insbesondere kam eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht nicht in Betracht. Dem steht § 68 ArbGG entgegen. Im Übrigen hat die Klägerin einen solchen Antrag (§ 538 Abs. 2 Satz 1 ZPO) entgegen ihrer Ankündigung im Schriftsatz vom 29.04.2016 weder im Termin am 26.10.2017 noch im Termin am 15.02.2018 gestellt.

C.

68

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Im Hinblick auf die Streitwertregelung des § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG erachtet das Berufungsgericht die Anteile des jeweiligen Unterliegens bzw. Obsiegens als gleichwertig.

D.

69

Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt.

70

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Den entscheidungserheblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

71

Die Kammer weicht mit ihrer Entscheidung auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.

72

Auf § 72a ArbGG wird hingewiesen.


Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 15. Feb. 2018 - 2 Sa 20/16

Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 15. Feb. 2018 - 2 Sa 20/16

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 15. Feb. 2018 - 2 Sa 20/16 zitiert 31 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

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(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

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Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 102 Mitbestimmung bei Kündigungen


(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. (2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kün

Zivilprozessordnung - ZPO | § 538 Zurückverweisung


(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. (2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an d

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72a Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständ

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 42 Wiederkehrende Leistungen


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 148 Aussetzung bei Vorgreiflichkeit


(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 622 Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen


(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden. (2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die K

Zivilprozessordnung - ZPO | § 580 Restitutionsklage


Die Restitutionsklage findet statt:1.wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;2.wenn eine Urkunde, auf die das Urteil

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 121 Anfechtungsfrist


(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rech

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 23 Geltungsbereich


(1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 8 Gang des Verfahrens


(1) Im ersten Rechtszug sind die Arbeitsgerichte zuständig, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. (2) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet die Berufung an die Landesarbeitsgerichte nach Maßgabe des § 64 Abs. 1 statt. (3) Gegen di

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 85 Klagerecht der Verbände


Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selb

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 612a Maßregelungsverbot


Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 6 Verlängerte Anrufungsfrist


Hat ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege geltend gemacht, dass eine rechtswirksame Kündigung nicht vorliege, so kann er sich in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ers

§ 9 Gestaltung der Arbeitsbedingungen; unverantwortbare Gefährdung


(1) Der Arbeitgeber hat bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen einer schwangeren oder stillenden Frau alle aufgrund der Gefährdungsbeurteilung nach § 10 erforderlichen Maßnahmen für den Schutz ihrer physischen und psychischen Gesundheit sowie der

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 9 Allgemeine Verfahrensvorschriften und Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren


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Der Betriebsrat besteht in Betrieben mit in der Regel 5 bis 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus einer Person, 21 bis 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus 3 Mitgliedern, 51 wahlberechtigten Arbeitnehmern bis 100 Arbeitnehmern aus 5 Mitgliedern, 101

Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG | § 18 Kündigungsschutz


(1) Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, nicht kündigen. Der Kündigungsschutz nach Satz 1 beginnt 1. frühestens acht Wochen vor Beginn einer Elternzeit bis zum vollendeten dritten Leb

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(1) Die Bundesregierung berichtet den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes einmal in der Legislaturperiode, mindestens jedoch alle vier Jahre, über die Lebenslagen der Menschen mit Behinderungen und der von Behinderung bedrohten Menschen sowie üb

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 68 Zurückverweisung


Wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts ist die Zurückverweisung unzulässig.

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(1) Verfahren in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind nach Maßgabe der folgenden Vorschriften vorrangig zu erledigen. (2) Die Güteverhandlung soll innerhalb von zwei Wochen n

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Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 15. Feb. 2018 - 2 Sa 20/16 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

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Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Schlussurteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. April 2016 - 10 Sa 887/15, 10 Sa 2231/15 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. Juni 2013 - 6 AZR 805/11

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Tenor 1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 6. April 2011 - 6 Sa 9/11 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 23. Mai 2013 - 2 AZR 991/11

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Tenor 1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 21. Juli 2011 - 7 Sa 1155/09 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12

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Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 8. Juni 2011 - 4 Sa 252/10 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 22. März 2012 - 2 AZR 224/11

bei uns veröffentlicht am 22.03.2012

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 2. Februar 2011 - 11 Sa 17/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. Nov. 2011 - 2 AZR 429/10

bei uns veröffentlicht am 24.11.2011

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 9. Oktober 2009 - 3 Sa 684/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Referenzen

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

(1) Die Bundesregierung berichtet den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes einmal in der Legislaturperiode, mindestens jedoch alle vier Jahre, über die Lebenslagen der Menschen mit Behinderungen und der von Behinderung bedrohten Menschen sowie über die Entwicklung ihrer Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gesellschaft. Die Berichterstattung zu den Lebenslagen umfasst Querschnittsthemen wie Gender Mainstreaming, Migration, Alter, Barrierefreiheit, Diskriminierung, Assistenzbedarf und Armut. Gegenstand des Berichts sind auch Forschungsergebnisse über Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit staatlicher Maßnahmen und der Leistungen der Rehabilitationsträger für die Zielgruppen des Berichts.

(2) Die Verbände der Menschen mit Behinderungen werden an der Weiterentwicklung des Berichtskonzeptes beteiligt.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Im ersten Rechtszug sind die Arbeitsgerichte zuständig, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(2) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet die Berufung an die Landesarbeitsgerichte nach Maßgabe des § 64 Abs. 1 statt.

(3) Gegen die Urteile der Landesarbeitsgerichte findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 72 Abs. 1 statt.

(4) Gegen die Beschlüsse der Arbeitsgerichte und ihrer Vorsitzenden im Beschlußverfahren findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 87 statt.

(5) Gegen die Beschlüsse der Landesarbeitsgerichte im Beschlußverfahren findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 92 statt.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Hat ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege geltend gemacht, dass eine rechtswirksame Kündigung nicht vorliege, so kann er sich in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe berufen. Das Arbeitsgericht soll ihn hierauf hinweisen.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

(1) Die Bundesregierung berichtet den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes einmal in der Legislaturperiode, mindestens jedoch alle vier Jahre, über die Lebenslagen der Menschen mit Behinderungen und der von Behinderung bedrohten Menschen sowie über die Entwicklung ihrer Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gesellschaft. Die Berichterstattung zu den Lebenslagen umfasst Querschnittsthemen wie Gender Mainstreaming, Migration, Alter, Barrierefreiheit, Diskriminierung, Assistenzbedarf und Armut. Gegenstand des Berichts sind auch Forschungsergebnisse über Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit staatlicher Maßnahmen und der Leistungen der Rehabilitationsträger für die Zielgruppen des Berichts.

(2) Die Verbände der Menschen mit Behinderungen werden an der Weiterentwicklung des Berichtskonzeptes beteiligt.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 21. Juli 2011 - 7 Sa 1155/09 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war bei dem Beklagten seit 1992 als Elektriker beschäftigt. Er ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 60 anerkannt und war Mitglied des für das Dezernat „Kultur/Umwelt“ gewählten Personalrats.

3

Am 24. April 2008 erschien in der örtlichen Presse ein Artikel unter der Überschrift „Chef der Abtei … unter Verdacht - ‚ausgeprägte Selbstbedienungsmentalität’ in der Außenstelle …“. Darin heißt es: „In der Schreinerei sollen Gartenmöbel für den Chef gebaut worden sein, wie der ehemalige Personalvertreter … sagt.“ Auf Befragen des Beklagten räumte der Kläger ein, sich gegenüber dem recherchierenden Journalisten entsprechend geäußert zu haben.

4

Mit Datum vom 23. Mai 2008 beantragte der Beklagte beim Integrationsamt die Zustimmung zu einer außerordentlichen Tat-, hilfsweise Verdachtskündigung des Klägers. Diese wurde mit Bescheid vom 6. Juni 2008 erteilt. Am selben Tag kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nach Zustimmung von Personalrat und Gesamtpersonalrat außerordentlich fristlos.

5

Der Kläger hat rechtzeitig die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben. Gegen den Zustimmungsbescheid des Integrationsamts hat er Widerspruch eingelegt. Dieser wurde vom Widerspruchsausschuss zurückgewiesen. Dagegen hat der Kläger Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Mit Urteil vom 24. Juni 2010 hat dieses den Bescheid des Integrationsamts in Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.

6

Der Kläger hat die Kündigung für unwirksam gehalten. Seine Auskünfte gegenüber der Presse entsprächen der Wahrheit. Jahrelang seien in der Schreinerei mit Kenntnis und Billigung des Leiters Möbel für Privatzwecke gebaut und verkauft worden. Der Leiter habe durch Mitarbeiter des Beklagten auch die Privatwohnungen von Angehörigen renovieren lassen. Im Übrigen habe es nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts an einem wirksamen Zustimmungsbescheid des Integrationsamts gefehlt.

7

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 6. Juni 2008 nicht aufgelöst worden ist.

8

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger habe haltlose Vorwürfe gegen Vorgesetzte erhoben und diese der Presse zugänglich gemacht. Er habe zudem fünf - unberechtigte - anonyme Anzeigen zu seinen - des Beklagten - Lasten erstattet. Der Zustimmungsbescheid des Integrationsamts sei inhaltlich nicht zu beanstanden und zu keinem Zeitpunkt rechtskräftig aufgehoben worden.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsstreit mit Blick auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren zunächst ausgesetzt. Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat es das Verfahren fortgeführt und der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

10

Mit rechtskräftigem Urteil vom 28. Januar 2013 hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts abgeändert und die Anfechtungsklage abgewiesen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung vom 6. Juni 2008 nicht als unwirksam ansehen. Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden. Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).

12

A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei unwirksam, weil im Zeitpunkt seiner letzten mündlichen Verhandlung eine wirksame Zustimmung des Integrationsamts nicht (mehr) vorgelegen habe. Dem stehe nicht entgegen, dass die den Zustimmungsbescheid aufhebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts noch nicht rechtskräftig gewesen sei. Sie habe die Wirkung des Bescheids jedenfalls zunächst beseitigt. Eine Fortdauer der Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits sei dem Kläger wegen des im arbeitsgerichtlichen Verfahren geltenden Beschleunigungsgrundsatzes nicht zumutbar gewesen. Der Beklagte sei für den Fall eines ihm günstigen Ausgangs des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens durch die Möglichkeit der Restitutionsklage hinreichend geschützt.

13

B. Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

14

I. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ergibt bereits deshalb eine Rechtsverletzung iSv. § 561 ZPO, weil aufgrund des Urteils des Oberverwaltungsgerichts inzwischen rechtskräftig feststeht, dass das Integrationsamt der Kündigung zustimmen durfte. Der Klage kann deshalb jedenfalls mittlerweile nicht (mehr) mit der Begründung stattgegeben werden, ein wirksamer Zustimmungsbescheid habe nicht vorgelegen.

15

1. Zwar sind neue Tatsachen in der Revisionsinstanz grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Abweichendes gilt jedoch, wenn andernfalls ein Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens gegeben wäre (vgl. BAG 16. Mai 2002 - 2 AZR 730/00 - zu B II 2 a cc der Gründe, BAGE 101, 138; 15. Mai 1997 - 2 AZR 43/96 - zu IV der Gründe, BAGE 86, 7). Das Revisionsgericht darf nicht sehenden Auges ein Urteil erlassen, das alsbald durch eine Restitutionsklage wieder beseitigt würde (GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 74 Rn. 117).

16

2. So liegt es hier. Würde der Senat die angefochtene Entscheidung mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung, dh. ohne Berücksichtigung des mittlerweile ergangenen Urteils des Oberverwaltungsgerichts bestätigen, wäre das Verfahren auf Antrag des Beklagten nach § 580 Nr. 6 ZPO wieder aufzunehmen.

17

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch ungeachtet dieses nach Abschluss des Berufungsverfahrens eingetretenen Umstands als rechtsfehlerhaft.

18

1. Gemäß § 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Das gilt nach § 91 Abs. 1 SGB IX uneingeschränkt auch für die außerordentliche Kündigung. Eine ohne wirksame Zustimmung ausgesprochene Kündigung ist nach § 134 BGB nichtig(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 703/09 - Rn. 14).

19

2. Im Streitfall hatte das Integrationsamt die erforderliche Zustimmung vor Abgabe der Kündigungserklärung erteilt. Dem Beklagten war damit die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger gestattet. Diese Wirkung des Zustimmungsbescheids ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht - auch nicht vorübergehend - dadurch entfallen, dass das Verwaltungsgericht den Bescheid aufgehoben hat.

20

a) Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, die Gerichte für Arbeitssachen seien bezogen auf die Wirksamkeit der Zustimmung an die Entscheidungen von Verwaltung und Verwaltungsgerichten gebunden. Das Gesetz sieht für den Fall der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen eine Aufspaltung des Rechtswegs vor. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Zustimmungsbescheids sind danach ausschließlich die Verwaltungsgerichte zuständig. Die Arbeitsgerichte sind nicht befugt, deren Entscheidungen rechtlich zu überprüfen (KR/Etzel/Gallner 10. Aufl. §§ 85-90 SGB IX Rn. 125; GK-SGB IX/Lampe § 88 Rn. 103).

21

b) Rechtsfehlerhaft hat das Landesarbeitsgericht aber angenommen, auch die noch nicht rechtskräftige Aufhebung des Zustimmungsbescheids des Integrationsamts durch ein Verwaltungsgericht entfalte Bindungswirkung im arbeitsgerichtlichen Verfahren.

22

aa) Gemäß § 88 Abs. 4 SGB IX haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Zustimmung des Integrationsamts keine aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass die durch das Integrationsamt einmal erteilte Zustimmung zur Kündigung - vorbehaltlich ihrer Nichtigkeit - so lange Wirksamkeit entfaltet, wie sie nicht rechtskräftig aufgehoben ist (LPK-SGB IX/Düwell 3. Aufl. § 88 Rn. 28; Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 85 Rn. 80).

23

bb) Für die Berechtigung des Arbeitgebers, auf der Grundlage des Zustimmungsbescheids die Kündigung zunächst zu erklären, ist es folglich ohne Bedeutung, ob die Zustimmung vom Widerspruchsausschuss oder einem Gericht aufgehoben wird, solange die betreffende Entscheidung nicht bestands- bzw. rechtskräftig ist (KR/Etzel/Gallner 10. Aufl. §§ 85-90 SGB IX Rn. 107; Schaub/Koch ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 179 Rn. 45).

24

(1) Die Regelung des § 88 Abs. 4 SGB IX will verhindern, dass der Arbeitnehmer durch die Einlegung von Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für oft längere Zeit auch in den Fällen erzwingen kann, in denen er ohne Zusammenhang mit der Behinderung einen Grund zur Kündigung gegeben hat(BT-Drucks. 7/656, S. 44). Nach der Wertung des Gesetzgebers ist es dem Arbeitgeber bei einmal erteilter Zustimmung nicht zumutbar, für die (weitere) Dauer des verwaltungsrechtlichen Widerspruchs- und Anfechtungsverfahrens von einer Kündigung abzusehen. Etwas anderes gilt erst mit der rechtskräftigen Aufhebung des Zustimmungsbescheids. In diesem Fall wird eine aufgrund der zunächst erteilten Zustimmung ausgesprochene Kündigung rückwirkend unwirksam (BAG 15. Mai 1986 - 2 AZR 497/85 - zu B II 3 b der Gründe). Sollte bis dahin die Kündigungsschutzklage bereits rechtskräftig abgewiesen worden sein, ist das Kündigungsschutzverfahren auf Antrag des Arbeitnehmers in entsprechender Anwendung von § 580 Nr. 6 ZPO wieder aufzunehmen(BAG 29. September 2011 - 2 AZR 674/10 - Rn. 33; KR/Etzel/Gallner 10. Aufl. §§ 85-90 SGB IX Rn. 144; Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 85 Rn. 22; Hauck/Noftz/Griebeling SGB IX § 85 Rn. 39a; Schaub/Koch ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 179 Rn. 49).

25

(2) Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts findet in der gesetzlichen Regelung keine Stütze. Zwar schließt § 88 Abs. 4 SGB IX die aufschiebende Wirkung ausdrücklich nur für „Widerspruch und Anfechtungsklage“ aus. Unter der „Anfechtungsklage“ ist jedoch nicht nur der Rechtszug erster Instanz, sondern sind auch die gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittelverfahren zu verstehen (Deinert/Neumann/Braasch SGB IX 2. Aufl. § 19 Rn. 244).

26

(a) Dieses Verständnis folgt schon aus dem Wortsinn. Die „Anfechtungsklage“ ist nicht bereits mit Ende der ersten Instanz erledigt. Auch im ggf. zweiten und dritten Rechtszug ist weiterhin „Anfechtungsklage“ erhoben, solange sie rechtshängig ist. Dies gilt unabhängig davon, wie die jeweilige Vorinstanz über sie entschieden hat. § 80b VwGO bestätigt diese Lesart. Dort heißt es, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ende nach einer bestimmten Frist, wenn „die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist“. Das impliziert ein Begriffsverständnis, demzufolge ggf. auch im zweiten und dritten Rechtszug noch über „die Anfechtungsklage“ entschieden wird.

27

(b) Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift gebietet ebenfalls ein solches Verständnis. § 18 Abs. 5 SchwbG sah in seiner bis zum 31. Juli 1986 geltenden Fassung bei der außerordentlichen Kündigung den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von „Rechtsmitteln“ vor. Diese Regelung wurde in § 18 Abs. 4 SchwbG 1986 und später in § 88 Abs. 4 SGB IX mit der Änderung übernommen, dass die aufschiebende Wirkung auch bei einer ordentlichen Kündigung entfallen sollte(vgl. BT-Drucks. 10/3138, S. 21). Dafür, dass der Gesetzgeber mit der zugleich erfolgten Ersetzung des Begriffs „Rechtsmittel“ durch die präzisere Formulierung „Widerspruch und Anfechtungsklage“ eine zeitliche Beschränkung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung auf die Dauer der Anfechtungsklage in erster Instanz beabsichtigt hätte, gibt es keinen Anhaltspunkt.

28

(c) Die gegenteilige Ansicht widerspricht überdies Sinn und Zweck der Regelung. Ihr zufolge wären die Gerichte für Arbeitssachen nach einem erstinstanzlichen Erfolg der Anfechtungsklage auch bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes gehalten, auf die Unwirksamkeit der Kündigung zu erkennen. Der Arbeitnehmer könnte damit entgegen der gesetzlichen Intention die vorläufige Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erzwingen, obwohl die Kündigung behördlich zugelassen worden und das verwaltungsgerichtliche Anfechtungsverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Auch wären die Gerichte für Arbeitssachen gezwungen, innerhalb ihres Instanzenzugs selbst bei übereinstimmend angenommenem Vorliegen eines Kündigungsgrundes unterschiedliche Entscheidungen zu treffen, wenn mittlerweile ein Verwaltungsgericht anders als die Behörde und/oder die gerichtliche Vorinstanz geurteilt hätte, ohne dass dessen Entscheidung in Rechtskraft erwachsen wäre. Dies entspricht nicht dem Grundsatz der Unabhängigkeit der Gerichtszweige und schon aus Kostengründen nicht den wohlverstandenen Interessen der Parteien. Auch das prozessuale Beschleunigungsgebot verlangt danach, dass die Gerichte für Arbeitssachen bei behördlich erteilter Zustimmung zur Kündigung den Kündigungsrechtsstreit der Parteien ohne Rücksicht auf den Fortgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nach Maßgabe der einschlägigen arbeitsrechtlichen Vorschriften entscheiden und - falls es darauf ankommt - erst auf eine rechtskräftige Versagung der Zustimmung Bedacht zu nehmen haben. Dementsprechend ist eine Aussetzung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens für die Dauer des Verwaltungsrechtsstreits in der Regel nicht angezeigt (BAG 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - zu B V der Gründe).

29

C. Die Sache war an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Sie ist nicht entscheidungsreif. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft, ob ein wichtiger Grund für die Kündigung gegeben war. Der Senat kann dies mangels der erforderlichen Feststellungen nicht selbst beurteilen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

        

        

    Beckerle    

        

    Torsten Falke    

                 

(1) Die Bundesregierung berichtet den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes einmal in der Legislaturperiode, mindestens jedoch alle vier Jahre, über die Lebenslagen der Menschen mit Behinderungen und der von Behinderung bedrohten Menschen sowie über die Entwicklung ihrer Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gesellschaft. Die Berichterstattung zu den Lebenslagen umfasst Querschnittsthemen wie Gender Mainstreaming, Migration, Alter, Barrierefreiheit, Diskriminierung, Assistenzbedarf und Armut. Gegenstand des Berichts sind auch Forschungsergebnisse über Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit staatlicher Maßnahmen und der Leistungen der Rehabilitationsträger für die Zielgruppen des Berichts.

(2) Die Verbände der Menschen mit Behinderungen werden an der Weiterentwicklung des Berichtskonzeptes beteiligt.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 9. Oktober 2009 - 3 Sa 684/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses und damit in Zusammenhang stehende Ansprüche.

2

Der 1971 geborene Kläger trat im Dezember 2001 in die Dienste des Beklagten. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag für den Hessischen Rundfunk (MTV HR) Anwendung. Aufgrund eines im Jahr 1992 erlittenen Motorradunfalls war der Kläger als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 70 anerkannt.

3

Mit der Behauptung, dem Kläger seien zahlreiche Fehlleistungen anzulasten, setzte der Beklagte eine zum 1. Juli 2004 anstehende tarifliche Stufensteigerung aus. Im September 2004 forderte er den Kläger auf, sich zur Begutachtung seiner Leistungsfähigkeit in einer neurologischen Klinik einzufinden. In der Folgezeit stritten die Parteien über die Verpflichtung des Klägers, sich der Untersuchung zu unterziehen. Im Januar 2005 erklärte der Kläger seine Bereitschaft, einen Amtsarzt aufzusuchen. Einen ersten Termin nahm er nicht wahr. Anlässlich eines weiteren Termins legte er ein anwaltliches Schreiben vor, aufgrund dessen sich die Amtsärztin zu einer Untersuchung nicht in der Lage sah. Mit Schreiben vom 30. Mai 2005 mahnte der Beklagte den Kläger deshalb ab. Gleichzeitig verlangte er vom Kläger unter Hinweis auf geänderte tarifvertragliche Regelungen, sich am 1. Juni 2005 zu einer im Auftrag des Betriebsarztes durchzuführenden fachärztlichen neurologischen Begutachtung einzufinden. Auch diesen und spätere Untersuchungstermine nahm der Kläger nicht wahr.

4

Vom 1. Juli 2005 bis zum 24. Mai 2008 nahm der Kläger Elternzeit in Anspruch. Für deren Dauer vereinbarte er mit dem Beklagten die Verringerung seiner Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden.

5

Ende Januar/Anfang Februar 2006 fielen im Betrieb des Beklagten übliche Projektarbeiten an, die teilweise während der Nachtzeit durchzuführen waren. Mit Rücksicht darauf, dass der Kläger während der Elternzeit absprachegemäß freitags nicht zu arbeiten brauchte, sicherte ihm der Beklagte zu, ihm keine Projektarbeiten in einer Nacht von Donnerstag auf Freitag zuzuweisen. Für die Zeit vom 6. bis 21. Februar 2006 legte der Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, die von einem ihn behandelnden Neurologen und Psychiater ausgestellt worden war. Mit Schreiben vom 14. Februar 2006 forderte der Beklagte den Kläger auf, entweder den ihn behandelnden Neurologen gegenüber der Betriebsärztin von der Schweigepflicht zu entbinden oder aber sich am 16. Februar 2006 zu einer Untersuchung bei der Betriebsärztin einzufinden, um seine Einsatzfähigkeit zu klären. Dem Anliegen kam der Kläger erneut nicht nach. Stattdessen ließ er über seinen Anwalt erklären, für seine aktuelle Arbeitsunfähigkeit gebe es nur einen Grund, nämlich „die Wiederaufnahme der arbeitgeberseitigen Schikanen“.

6

Der Beklagte fasste daraufhin den Entschluss, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Mit getrennten Schreiben vom 22. Februar 2006 beantragte er beim Integrationsamt und beim Regierungspräsidium - als der gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 BErzGG zuständigen Stelle - die Zustimmung zu einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien. Der gleichzeitig beteiligte Personalrat erklärte am 27. Februar 2006, er nehme die außerordentliche Kündigung zur Kenntnis und stimme einer vorsorglichen ordentlichen Kündigung zu. Mit Bescheid vom 7. März 2006, der dem Beklagten am 9. März 2006 zugestellt wurde, erklärte das Integrationsamt seine Zustimmung zur Kündigung. Mit Bescheid vom 23. Mai 2006, der dem Beklagten am Vormittag des gleichen Tages zuging, stimmte auch das Regierungspräsidium der Kündigung zu. Noch mit Schreiben vom 23. Mai 2006, das dem Kläger um die Mittagszeit dieses Tages zuging, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 30. September 2006.

7

Der Kläger hat geltend gemacht, die fristlose Kündigung sei unwirksam, die ordentliche Kündigung sozial ungerechtfertigt. Zudem fehle es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats. Die Kündigung sei entgegen § 88 Abs. 3 SGB IX auch nicht innerhalb eines Monats nach Zustimmung des Integrationsamts erfolgt. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ab 1. Juli 2004 stehe ihm Vergütung nach der Stufe 4 der VergGr. 6 des einschlägigen Tarifvertrags zu. Für die Zeit ab 24. Mai 2006 bis einschließlich Juli 2007 bestehe ein Vergütungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs. Zudem sei der Beklagte verpflichtet, ihm restlichen Erholungsurlaub im Umfang von 23 Tagen zu gewähren, hilfsweise Schadenersatz zu leisten. Für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe er Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Über sämtliche Zahlungsansprüche sei ihm eine Abrechnung in Textform zu erteilen.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23. Mai 2006 nicht beendet worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass ihm ab dem 1. Juli 2004 Vergütung nach Stufe 4 der VergGr. 6 der Vergütungstabelle gemäß Tarifvertrag vom 21. Januar 2004 zusteht;

        

3.    

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 18.140,22 Euro brutto abzüglich 7.370,79 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 2.015,58 Euro brutto abzüglich 1.721,79 Euro netto seit dem 1. Juni 2006, abzüglich 1.020,60 Euro netto seit dem 1. Juli 2006 und abzüglich jeweils 661,20 Euro netto seit dem 1. August 2006, 1. September 2006, 1. Oktober 2006, 1. November 2006, 1. Dezember 2006, 1. Januar 2007 sowie 1. Februar 2007 zu zahlen;

        

4.    

den Beklagten zu verurteilen, ihm 23 Urlaubstage aus dem Jahr 2006 zu gewähren;

        

5.    

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 2.139,62 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2007 zu zahlen;

        

6.    

den Beklagten zu verurteilen, ihm Abrechnung über die zu Nr. 3. und Nr. 5. eingeklagten Beträge zu erteilen;

        

7.    

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 12.093,48 Euro brutto abzüglich 2.800,22 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 2.015,58 Euro brutto abzüglich 791,70 Euro netto seit dem 1. März 2007, abzüglich 661,20 Euro netto seit dem 1. April 2007, abzüglich 730,20 Euro netto seit dem 1. Mai 2007, sowie abzüglich 617,12 Euro netto seit dem 1. Juni 2007, 1. Juli 2007 und 1. August 2007 zu zahlen;

        

8.    

den Beklagten zu verurteilen, ihm Abrechnung über den zu Nr. 7. eingeklagten Betrag zu erteilen;

        

9.    

den Beklagten zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als Betriebstechniker weiterzubeschäftigen.

9

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 23. Mai 2006 sei wirksam. Im Kündigungszeitpunkt habe die Zustimmung sämtlicher zu beteiligender Stellen vorgelegen. Zumindest sei das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Eine gedeihliche Zusammenarbeit der Parteien sei nicht mehr zu erwarten. Der Kläger habe seinen Arbeitskollegen und ihm - dem Beklagten - zu Unrecht „Mobbing“ vorgeworfen. Das Verhältnis zu den Kollegen sei zerrüttet, wie unter anderem die Stellungnahme des Personalrats zur Kündigung vom 27. Februar 2006 belege.

10

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen. Er sei schon deshalb unbegründet, weil die ordentliche Kündigung nicht nur sozialwidrig, sondern auch aus anderen Gründen unwirksam sei.

11

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Beklagten zum Ablauf des 30. September 2006 gegen Zahlung einer Abfindung iHv. 10.440,00 Euro brutto aufgelöst. Darüber hinaus hat es dem Kläger für die Zeit von Juni 2006 bis einschließlich September 2006 Annahmeverzugsvergütung iHv. 7.700,76 Euro brutto abzüglich 3.004,20 Euro netto nebst Zinsen zuerkannt und den Beklagten verurteilt, hierüber Abrechnung zu erteilen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des Klägers insoweit stattgegeben, als es die Abfindung auf 11.000,00 Euro brutto festgesetzt und den Beklagten verurteilt hat, an den Kläger für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis zum 30. September 2006 weitere 271,17 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung des Beklagten hat es die Klage auf Erteilung einer Abrechnung abgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht - beschränkt auf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses und die vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 30. September 2006 hinaus abhängigen Ansprüche - zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Abweisung des Auflösungsantrags und Eingruppierung, seine Vergütungs- und Urlaubsansprüche einschließlich der Hilfsanträge und seine Anträge auf Erteilung von Abrechnungen unverändert weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision hat keinen Erfolg. Soweit zulässig, ist sie unbegründet.

13

A. Die Revision ist teilweise unzulässig. Sie ist für einen Teil der vom Kläger weiterverfolgten Anträge nicht zugelassen worden und ist in diesem Umfang nicht statthaft.

14

I. Nach § 72 Abs. 1 Satz 1 ArbGG findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 ArbGG zugelassen worden ist. Dies ist hier nicht in vollem Umfang geschehen. Der Senat hat die Revision laut des Tenors seines Beschlusses vom 1. Juli 2010 nur zugelassen, „soweit das Landesarbeitsgericht das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2006 aufgelöst und die vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 30. September 2006 hinaus abhängigen Ansprüche abgewiesen hat“. Die Zulassung umfasst damit keine Ansprüche, die sich auf die Zeit vor dem 1. Oktober 2006 beziehen, und nicht solche Ansprüche, die eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2006 gerade voraussetzen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Gründen des Beschlusses. Die dortigen Ausführungen, im Falle einer stattgebenden Entscheidung über den Auflösungsantrag wäre weiter in Betracht gekommen, „dass das Landesarbeitsgericht die von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abhängigen und mit den Anträgen zu (…) erhobenen Ansprüche teilweise nicht abgewiesen hätte“, sind - wie das Wort „teilweise“ deutlich macht - im Zusammenhang mit der sich aus dem Tenor ergebenden Beschränkung der Zulassung zu sehen und greifen diese auf.

15

II. Die Revision ist danach unstatthaft, soweit sich das die Eingruppierung betreffende Feststellungsbegehren (Klageantrag zu 2.) auf die Zeit bis zum 30. September 2006 erstreckt. Gleiches gilt, soweit sich der Klageantrag zu 3. auf diese Zeit bezieht. Nicht statthaft ist die Revision außerdem, soweit der Kläger mit dem (Hilfs-)Antrag zu 5. einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend macht. Der Anspruch hängt nicht vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 30. September 2006 ab, sondern setzt dessen Beendigung voraus. Schließlich ist die Revision unstatthaft, soweit sich die Anträge auf Abrechnung auf bis zum 30. September 2006 entstandene Zahlungsansprüche und den Anspruch auf Urlaubsabgeltung beziehen.

16

B. In dem Umfang, in dem die Revision zulässig ist, ist sie unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat das Arbeitsverhältnis zu Recht zum 30. September 2006 aufgelöst (I.). Damit bleibt auch das sonstige, vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängige Begehren des Klägers erfolglos (II.).

17

I. Die Voraussetzungen, unter denen der Arbeitgeber berechtigt ist, den Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu stellen, liegen vor(1.). Der Antrag ist auch begründet (2.).

18

1. Die ordentliche Kündigung vom 23. Mai 2006 ist nach der insoweit rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts sozial ungerechtfertigt. Das Auflösungsbegehren des Beklagten scheitert auch nicht daran, dass die Kündigung noch aus anderen Gründen unwirksam wäre.

19

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitgeber die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG nur verlangen, wenn die Rechtsunwirksamkeit der ordentlichen Kündigung allein auf der Sozialwidrigkeit und nicht auch auf anderen Gründen iSv. § 13 Abs. 3 KSchG beruht(BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 54 mwN, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 61 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 58; 28. August 2008 - 2 AZR 63/07 - Rn. 27 mwN, BAGE 127, 329). Die Lösungsmöglichkeit nach § 9 KSchG bedeutet für den Arbeitgeber eine Vergünstigung. Sie kommt nur in Betracht, wenn eine Kündigung „lediglich“ sozialwidrig und nicht (auch) aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist (so schon BAG 9. Oktober 1979 - 6 AZR 1059/77 - zu 4 der Gründe, BAGE 32, 122). Etwas anderes gilt allenfalls, wenn die Norm, aus der der Arbeitnehmer die sonstige Unwirksamkeit der Kündigung herleitet, nicht den Zweck verfolgt, diesem einen zusätzlichen Schutz zu verschaffen, sondern allein der Wahrung der Interessen Dritter dient (BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 949/07 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 59). Für dieses Verständnis des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG sprechen sowohl die Entstehungsgeschichte als auch systematische und teleologische Gründe(BAG 28. August 2008 - 2 AZR 63/07 - Rn. 31 - 40 mwN, aaO).

20

b) Ein anderer Unwirksamkeitsgrund liegt nicht vor.

21

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Beklagte habe den Personalrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß nach § 77 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. i HPVG beteiligt. Diese Würdigung, die vom Kläger nicht mehr angegriffen wird, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Der Beklagte hat den Personalrat mit Schreiben vom 22. Februar 2006 über die für seinen Kündigungsentschluss maßgebenden Gründe eingehend unterrichtet. Der Personalrat hat der ordentlichen Kündigung ausdrücklich zugestimmt. Unschädlich ist, dass im Zeitpunkt der Personalratsbeteiligung die Anträge des Beklagten auf Zustimmung zur Kündigung nach § 85 ff. SGB IX und auf Erklärung der Zulässigkeit nach § 18 Abs. 1 Satz 3 BErzGG noch nicht beschieden waren. Dem Arbeitgeber steht es grundsätzlich frei, den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten bei dem Integrationsamt schon vor oder während oder erst nach der Betriebsrats- bzw. Personalratsbeteiligung zu stellen (BAG 11. Mai 2000 - 2 AZR 276/99 - zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 94, 313; 18. Mai 1994 - 2 AZR 626/93 - zu B II 2 a der Gründe mwN, AP BPersVG § 108 Nr. 3 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 31). Er ist auch nicht verpflichtet, dem Personalrat das Vorliegen der Zustimmung vor Ausspruch der Kündigung anzuzeigen. Für die Zulässigkeitserklärung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BErzGG gilt nichts anderes. Einer Wiederholung der Personalratsbeteiligung hätte es nur bedurft, wenn sich die Grundlagen, auf die der Arbeitgeber seinen Kündigungsentschluss unmittelbar stützt, vor Ausspruch der Kündigung wesentlich verändert hätten (BAG 20. Januar 2000 - 2 AZR 378/99 - zu B II 2 der Gründe mwN, BAGE 93, 255). Ein solcher Fall liegt nicht vor.

22

bb) Die ordentliche Kündigung ist nicht nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BErzGG(jetzt: § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG)iVm. § 134 BGB unwirksam. Von dem aus diesen Bestimmungen folgenden Kündigungsverbot, das gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 BErzGG auch dann besteht, wenn der Arbeitnehmer während der Elternzeit bei demselben Arbeitgeber Teilzeitarbeit leistet, war der Beklagte befreit. Im Kündigungszeitpunkt lag eine wirksame Zulässigkeitserklärung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BErzGG vor. Dass der Bescheid des Regierungspräsidiums vom 23. Mai 2006 im Kündigungszeitpunkt noch nicht bestandskräftig war, hinderte den Ausspruch der Kündigung nicht (zum vergleichbaren Fall einer Erklärung nach § 9 Abs. 3 MuSchG: BAG 25. März 2004 - 2 AZR 295/03 - Rn. 21 ff., AP MuSchG 1968 § 9 Nr. 36 = EzA MuSchG § 9 nF Nr. 40). Die durch § 18 Abs. 1 BErzGG eröffnete Möglichkeit, die Kündigung während der Elternzeit bei Vorliegen eines besonderen Falls für zulässig zu erklären, ist unionsrechtlich unbedenklich.

23

cc) Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Kündigung auch nicht wegen Versäumung der Frist des § 88 Abs. 3 SGB IX nach § 85 SGB IX iVm. § 134 BGB unwirksam.

24

(1) Dem Kläger stand im Kündigungszeitpunkt der besondere Kündigungsschutz aus § 85 ff. SGB IX zu. Er war mit einem Grad von 70 als schwerbehinderter Mensch anerkannt.

25

(2) Die gemäß § 85 SGB IX erforderliche - vorherige - Zustimmung des Integrationsamts lag im Kündigungszeitpunkt vor. Dem steht nicht entgegen, dass der Zustimmungsbescheid des Integrationsamts dem Beklagten bereits am 9. März 2006 zugestellt worden war, die Kündigung dem Kläger dagegen erst am 23. Mai 2006 - und damit geraume Zeit nach Ablauf der Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB IX - zuging. Die Zustimmung hatte dadurch ihre privatrechtsgestaltende Wirkung nicht eingebüßt. Bedarf die ordentliche Kündigung eines schwerbehinderten Menschen außer der Zustimmung des Integrationsamts noch einer weiteren behördlichen Erlaubnis und hat der Arbeitgeber diese rechtzeitig - spätestens bis zum Ablauf der Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB IX - beantragt, so ist die verspätet erklärte Kündigung nicht wegen Versäumung der Monatsfrist unwirksam, wenn die weitere Erlaubnis bei Fristablauf noch nicht vorlag. Der vom Gesetzgeber ersichtlich nicht hinreichend bedachten Möglichkeit des Erfordernisses mehrerer behördlicher Zustimmungen ist dadurch Rechnung zu tragen, dass an die Stelle des Ausspruchs der Kündigung der Antrag auf Zustimmung durch die weitere Behörde tritt.

26

(a) Erteilt das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung, kann der Arbeitgeber die Kündigung gemäß § 88 Abs. 3 SGB IX nur innerhalb eines Monats nach Zustellung erklären. Die Kündigungserklärungsfrist ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Der sachliche Regelungsgehalt der Vorschrift besteht in einer zeitlich beschränkten Aufhebung der gesetzlichen Kündigungssperre. Der Arbeitgeber erhält eine begrenzte Erlaubnis, die beabsichtigte ordentliche Kündigung zu erklären (BAG 8. November 2007 - 2 AZR 425/06 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 30 = EzA SGB IX § 88 Nr. 1; zur Vorgängerregelung des § 18 Abs. 3 SchwbG idF vom 26. August 1986: 16. Oktober 1991 - 2 AZR 332/91 - zu B II 2 d bb der Gründe mwN, BAGE 68, 333). Die Kündigung kann erst nach förmlicher Zustellung des die Zustimmung enthaltenden Bescheids wirksam ausgesprochen werden (BAG 16. Oktober 1991 - 2 AZR 332/91 - zu B II 2 a der Gründe, aaO; 17. Februar 1982 - 7 AZR 846/79 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 38, 42). Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand kommt selbst bei schuldloser Fristversäumnis nicht in Betracht (ErfK/Rolfs 12. Aufl. § 88 SGB IX Rn. 3; Lampe GK-SGB IX Stand August 2008 § 88 Rn. 76; Kossens/von der Heide/Maaß SGB IX 3. Aufl. § 88 Rn. 14).

27

(b) Die Ausschlussfrist gilt auch dann, wenn die Wirksamkeit der Kündigung nicht nur von der Zustimmung des Integrationsamts abhängt, sondern zudem unter dem Vorbehalt einer behördlichen Zulassung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BErzGG steht. Die Vorschrift sieht ihrerseits eine Frist für das Gebrauchmachen von der eröffneten Kündigungsmöglichkeit nicht vor (BAG 22. Juni 2011 - 8 AZR 107/10 - Rn. 24, AP BGB § 613a Nr. 408).

28

(aa) Die Regelung des § 88 Abs. 3 SGB IX ist sprachlich eindeutig. Sie lässt die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen nach Zustimmung des Integrationsamts nur bei Einhaltung der Monatsfrist zu. Dies gilt einschränkungslos und ohne Rücksicht darauf, ob die Kündigung noch der Beteiligung oder Zustimmung dritter Stellen bedarf. Eine Anhörung des Betriebsrats oder Beteiligung des Personalrats hat deshalb vor Fristablauf zu erfolgen (ErfK/Rolfs 12. Aufl. § 88 SGB IX Rn. 3; Lampe GK-SGB IX § 88 Rn. 78; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 88 Rn. 14). Auch für das Erfordernis sonstiger behördliche Zustimmungen, etwa nach § 9 Abs. 3 MuSchG oder - wie hier - § 18 Abs. 1 BErzGG, sieht das Gesetz keine Ausnahme vor.

29

(bb) Dies entspricht durchaus dem Sinn und Zweck des § 88 Abs. 3 SGB IX. Die Monatsfrist für die Erklärung der Kündigung wurde mit dem Schwerbehindertengesetz 1974 als § 17 Abs. 3 des Gesetzes eingeführt. Der Arbeitgeber sollte im Interesse des betroffenen Schwerbehinderten nur innerhalb einer gewissen Frist von der ihm erteilten Zustimmung zur Kündigung Gebrauch machen dürfen. Die Frist wurde mit einem Monat so bemessen, dass dem Arbeitgeber ausreichend Zeit zu der Überlegung bleibt, ob er kündigen will oder nicht (vgl. BT-Drucks. 7/1515 S. 11). Die zeitliche Begrenzung der Kündigungsmöglichkeit soll gewährleisten, dass der schwerbehinderte Mensch nicht über längere Zeit hinweg im Ungewissen darüber bleibt, ob es zur Kündigung kommt oder nicht. Insbesondere soll verhindert werden, dass der Arbeitgeber gleichsam „auf Vorrat” die behördliche Zustimmung erwirkt, um künftig ohne dieses Hindernis kündigen und dadurch ggf. Druck auf den behinderten Menschen ausüben zu können (vgl. Lampe GK-SGB IX § 88 Rn. 71 mwN). Daran hat sich durch die Ersetzung von § 17 Abs. 3 SchwbG durch § 88 Abs. 3 SGB IX nichts geändert(BAG 8. November 2007 - 2 AZR 425/06 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 30 = EzA SGB IX § 88 Nr. 1). Unabhängig davon stellt die Kündigungserklärungsfrist sicher, dass der vom Integrationsamt festgestellte und seiner Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt auch wirklich die Grundlage der Kündigung des Arbeitgebers bildet und dieser Bezug nicht durch Zeitablauf verloren geht (BAG 8. November 2007 - 2 AZR 425/06 - Rn. 24 aaO mwN).

30

(c) Der Zwang zur Einhaltung der Monatsfrist kollidiert freilich mit schützenswerten und letztlich überwiegenden Belangen des Arbeitgebers, falls bei Fristablauf eine notwendige weitere, ihrerseits nicht fristgebundene behördliche Zustimmung noch nicht vorliegt. § 88 Abs. 3 SGB IX enthält dazu keine Regelung. Eine solche ist deshalb von den Gerichten im Wege eines angemessenen Ausgleichs der durch Art. 12 GG in Gestalt von § 88 Abs. 3 SGB IX geschützten Belange des schwerbehinderten Arbeitnehmers mit dem - ebenfalls von Art. 12 GG erfassten - Interesse des Arbeitgebers, von seinem gesetzlich gegebenen Kündigungsrecht ohne sachlich nicht gebotene Hindernisse Gebrauch machen zu können, im Sinne praktischer Konkordanz zu treffen(für das vergleichbare Verhältnis von § 103 BetrVG und § 626 Abs. 2 BGB vgl. schon BAG 24. April 1975 - 2 AZR 118/74 - zu II 6 b der Gründe, BAGE 27, 113).

31

(aa) Muss der Arbeitgeber eine Kündigung binnen bestimmter Frist erklären, wird ihm grundsätzlich zugemutet, alles zu unternehmen, um die Frist einhalten zu können (BAG 8. Juni 2000 - 2 AZR 375/99 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 95, 98). Im Fall einer außerordentlichen Kündigung ist etwa eine erforderliche Beteiligung des Betriebs- oder Personalrats innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB zum Abschluss zu bringen. Bedarf die Kündigung der Zustimmung des Betriebs- oder Personalrats, muss der Arbeitgeber im Fall der Zustimmungsverweigerung - analog zu § 91 Abs. 2 SGB IX - noch innerhalb der Frist das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einleiten. Die Kündigung ist sodann - in analoger Anwendung von § 91 Abs. 5 SGB IX - unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung zu erklären(vgl. BAG 2. Februar 2006 - 2 AZR 57/05 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 204 = EzA BGB 2002 § 626 Ausschlussfrist Nr. 1; 21. Oktober 1983 - 7 AZR 281/82 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 43, 368).

32

(bb) Will der Arbeitgeber einem schwerbehinderten Menschen außerordentlich kündigen, trägt das Gesetz in § 91 Abs. 2 SGB IX dem Erfordernis der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts dadurch Rechnung, dass es dem Arbeitgeber ab Kenntnis von dem Kündigungsgrund eine zweiwöchige Antragsfrist einräumt. Wird die Zustimmung erteilt und ist zu diesem Zeitpunkt die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB bereits verstrichen, kann die Kündigung gemäß § 91 Abs. 5 SGB IX auch nach Fristablauf erfolgen, wenn sie unverzüglich erklärt wird. Hat der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht schon vor oder während des behördlichen Zustimmungsverfahrens beteiligt, kann dies - selbst wenn eine Beteiligung nach § 103 BetrVG erforderlich ist - noch nach (fingierter) Zustimmungserteilung erfolgen(BAG 22. Januar 1987 - 2 ABR 6/86 - zu III 2 c der Gründe, BAGE 55, 9; 3. Juli 1980 - 2 AZR 340/78 - zu II 3 b dd der Gründe, BAGE 34, 20; Besgen NZA 2011, 133, 135). Der Schwerbehinderte weiß bereits durch das behördliche Zustimmungsverfahren, dass eine außerordentliche Kündigung beabsichtigt ist. Es besteht deshalb kein sachliches Bedürfnis, vom Arbeitgeber zu verlangen, auch den Antrag nach § 103 Abs. 2 BetrVG noch innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu stellen.

33

(cc) Die Wertungen, die § 91 Abs. 2 und Abs. 5 SGB IX zugrunde liegen, geben einen allgemeinen Rechtsgedanken zu erkennen. Der Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB wird aufgeschoben, wenn der Arbeitgeber für die Kündigung auf die Zustimmung einer Behörde oder - so die Senatsrechtsprechung - des Betriebs-/Personalrats angewiesen ist, diese innerhalb der Frist beantragt hat und die Zustimmung bei förmlichem Fristablauf noch nicht erteilt ist. Vom Arbeitgeber würde anderenfalls Unmögliches verlangt. Bedarf der Arbeitgeber - kumulativ - der Zustimmung der Behörde und des Betriebsrats, genügt es - so gleichfalls die bisherige Senatsrechtsprechung -, wenn die Beteiligung des Betriebsrats unverzüglich nach behördlicher Zustimmung eingeleitet wird.

34

Diese gesetzgeberischen Wertungen und die auf ihnen beruhende Rechtsprechung zum Verhältnis von § 626 Abs. 2 BGB, § 103 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG und § 91 Abs. 2, Abs. 5 SGB IX (bzw. den einschlägigen Vorgängerregelungen) lassen sich auf die Regelung des § 88 Abs. 3 SGB IX im Fall der Notwendigkeit einer weiteren behördlichen Zustimmung übertragen. Zwar handelt es sich bei der Regelung des § 91 SGB IX um eine von § 88 SGB IX abweichende, speziellere Norm(BAG 12. Mai 2005 - 2 AZR 159/04 - Rn. 20, AP SGB IX § 91 Nr. 5 = EzA SGB IX § 91 Nr. 2; Lampe GK-SGB IX § 88 Rn. 71). Auch räumt § 88 Abs. 3 SGB IX, weil es um den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung geht, dem Arbeitgeber eine längere als die zweiwöchige Überlegungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ein. Wie § 88 Abs. 3 SGB IX verfolgen aber § 626 Abs. 2 BGB und § 91 Abs. 2 SGB IX den Zweck, dem Arbeitnehmer in angemessener Zeit Klarheit darüber zu verschaffen, ob der Kündigungsberechtigte einen bestimmten Sachverhalt zum Anlass für eine Kündigung nimmt, und zu verhindern, dass sich der Arbeitgeber die Kündigungsmöglichkeit „aufsparen“ kann, um den Arbeitnehmer unter einem gewissen Druck zu halten(für § 626 Abs. 2 BGB grundlegend: BAG 28. Oktober 1971 - 2 AZR 32/71 - zu II der Gründe, BAGE 23, 475, seither st. Rspr., vgl. 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15, AP BGB § 626 Nr. 231 = EzA BPersVG § 108 Nr. 5). Trotz dieses Ziels und weil es wegen § 91 Abs. 2 SGB IX dadurch nicht beeinträchtigt wird, lässt § 91 Abs. 5 SGB IX eine außerordentliche Kündigung auch außerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu. Wie für die außerordentliche Kündigung eines schwerbehinderten Menschen gesetzlich geregelt, muss die Rechtsordnung dem Arbeitgeber auch bei der ordentlichen Kündigung, die wegen § 88 Abs. 3 SGB IX an eine Erklärungsfrist gebunden ist, eine praktikable Möglichkeit bieten, ohne Rechtsverlust die gesetzlich vorgeschriebene Zustimmung einer weiteren Behörde einzuholen.

35

(dd) Die sachgerechte Lösung liegt - in entsprechender Anwendung von § 91 Abs. 2 und Abs. 5 SGB IX und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zum Zusammentreffen eines Zustimmungserfordernisses nach §§ 85, 91 SGB IX und eines solchen nach § 103 Abs. 1 BetrVG - darin, dass der Arbeitgeber die erforderliche weitere behördliche Zustimmung - hier nach § 18 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BErzGG - bis zum Ablauf der Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB IX beantragen kann. Wird einem solchen Antrag erst außerhalb der Monatsfrist entsprochen, wird der Fristablauf verschoben und bleibt die Kündigung aufgrund der bereits erteilten Zustimmung des Integrationsamts zulässig.

36

Vom Arbeitgeber stattdessen zu verlangen, die Zustimmung nach § 18 BErzGG(jetzt § 18 BEEG) schon unmittelbar im Anschluss an die (fingierte) Zustimmung des Integrationsamts zu beantragen, ließe sich allenfalls dann rechtfertigen, wenn über die Zustimmungserteilung nach § 18 Abs. 1 Satz 3 BErzGG/BEEG innerhalb kurzer Frist zu entscheiden wäre. Das ist nicht der Fall. Soweit die zuständige Stelle nach bestehenden Verwaltungsvorschriften (AVV vom 2. Januar 1986, BAnz. Nr. 1 vom 3. Januar 1986 S. 4; jetzt: vom 3. Januar 2007, BAnz. Nr. 5 vom 9. Januar 2007 S. 247) die Entscheidung über den Antrag auf Zulässigkeitserklärung unverzüglich zu treffen hat, schließt dies nicht aus, dass sich das Verfahren aufgrund notwendiger Ermittlungen über Wochen hinzieht.

37

Ebenso wenig sachangemessen ist es, vom Arbeitgeber zum Zweck der Vermeidung eines Verstoßes gegen § 88 Abs. 3 SGB IX zu verlangen, zunächst das Verfahren nach § 18 BErzGG/BEEG einzuleiten und erst bei Vorliegen der Zulässigkeitserklärung einen Antrag nach § 87 Abs. 1 SGB IX zu stellen. Das Gesetz gibt für den Fall eines Zusammentreffens eines Zustimmungserfordernisses nach § 85 ff. SGB IX einerseits und § 18 BErzGG andererseits keine Antragsreihenfolge vor. Liegt aus Sicht des Arbeitgebers ein Kündigungsgrund vor, muss ihm mit Blick auf sein von Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Interesse daran, das Arbeitsverhältnis bei Vorliegen eines vom Gesetz anerkannten Kündigungsgrundes zu beenden, die Möglichkeit gegeben werden, die ordentliche Kündigung möglichst zügig zu erklären. Er muss deshalb beide Verfahren auch parallel betreiben können, um ggf. Zeit zu sparen. Hat der Arbeitgeber durch ein entsprechendes Vorgehen darauf hingewirkt, sein Beendigungsinteresse alsbald verwirklichen zu können, darf es ihm nicht zum Nachteil gereichen, wenn die behördlichen Entscheidungen zeitlich so weit auseinanderfallen, dass ihm die Einhaltung der Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB IX aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist. Aus denselben Gründen kann der Arbeitgeber auch nicht darauf verwiesen werden, das Antragsverfahren nach §§ 85 bis 89 SGB IX - selbst mit der Chance auf zügige gleichlautende Zweitbescheidung - ggf. zu wiederholen.

38

Nur so wird zudem ein Wertungswiderspruch vermieden, der entstünde, wenn der Arbeitgeber bei einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung ein Zustimmungsverfahren nach § 103 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG auch noch nach erteilter Zustimmung des Integrationsamts einleiten könnte, er dagegen eine ordentliche Kündigung, selbst wenn er - wie hier - gleichzeitig mit der Einleitung des Verfahrens nach § 85 ff. SGB IX die erforderliche weitere Zustimmung beantragt hat, nicht mehr wirksam erklären könnte, falls ihm die weitere Zustimmung erst nach Ablauf der Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB IX erteilt wird.

39

(3) Danach hat der Beklagte die Kündigung mit Zustimmung des Integrationsamts iSv. § 85 SGB IX erklärt. Ob die Kündigung nach Erklärung der Zulässigkeit iSv. § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG analog zu § 91 Abs. 5 SGB IX unverzüglich erfolgen musste - wofür manches spricht - oder ob nunmehr etwa erneut die Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB IX in Gang gesetzt wurde, kann offenbleiben. Die Kündigung vom 23. Mai 2006 wurde gegenüber dem Kläger noch am selben Tag erklärt, an dem die Zulässigkeitserklärung dem Beklagten zugegangen war.

40

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG gerechtfertigt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

41

a) Das Kündigungsschutzgesetz lässt allerdings die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bei Sozialwidrigkeit der Kündigung nur ausnahmsweise zu. Es ist nach seiner Konzeption ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz. An die Auflösungsgründe sind deshalb strenge Anforderungen zu stellen (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 20, EzA KSchG § 9 nF Nr. 62; 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 61 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 58). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist derjenige der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (BAG 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 14 mwN, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 65 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 57 ). Von diesem Standpunkt aus ist zu fragen, ob in der Zukunft eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zu erwarten ist (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 43, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).

42

b) Auflösungsgründe iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit gefährdet ist (BAG 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 9 Rn. 65 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 57).

43

c) Die Würdigung, ob nach diesen Maßstäben im Einzelfall die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt ist, obliegt in erster Linie dem Tatsachengericht. Das Revisionsgericht kann aber nachprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen für den Auflösungsantrag verkannt und bei Prüfung der vorgetragenen Auflösungsgründe alle wesentlichen Umstände vollständig und widerspruchsfrei berücksichtigt und gewürdigt hat (BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 61 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 58; 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 9 Rn. 65 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 57). Dem hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand.

44

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Verhältnis zwischen dem Kläger und seinen Kollegen und Vorgesetzten sei dauerhaft zerrüttet. Dafür spreche zum einen die Stellungnahme des Personalrats vom 27. Februar 2006, zum anderen die des Leiters des Sachgebiets Schlosserei vom 27. Februar 2006. Dieser sei eine erhebliche Verunsicherung im Umgang mit dem Kläger zu entnehmen. So habe es der Sachgebietsleiter trotz einer von ihm als Eigenmächtigkeit bewerteten Materialentnahme vermieden, den Kläger hierauf anzusprechen, um nicht Gefahr zu laufen, dass dieser später unter unzutreffender Darstellung des Sachverhalts behaupte, er sei an seiner Arbeit gehindert worden. Die Beeinträchtigungen eines gedeihlichen betrieblichen Miteinanders seien - so die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts - überwiegend auf das Verhalten des Klägers zurückzuführen. Die Maßnahmen, die vom Beklagten angesichts von Zweifeln an der uneingeschränkten Einsetzbarkeit des Klägers ergriffen worden seien, habe dieser sowohl vorprozessual als auch im Verlauf des Verfahrens ausschließlich als gegen ihn persönlich gerichtete Anfeindungen gesehen, getragen von der Absicht, ihn auszugrenzen. Die Zweifel an einer vollen Einsatzfähigkeit des Klägers seien hingegen erst nach einer groben Fehlleistung bei Verdrahtungsarbeiten Ende 2002/Anfang 2003 entstanden. Dieser Fehler sei Anlass für die betriebsärztliche Empfehlung gewesen, ihn vorerst nicht mit gefährlichen Tätigkeiten, wie Arbeiten mit Strom, zu beschäftigen. Nach dem Ergebnis einer Beweisaufnahme stehe zudem fest, dass der Kläger anlässlich seiner Fehlleistung gegenüber einem Vorgesetzten geäußert habe, er habe unfallbedingt Probleme, sich bestimmte Dinge zu merken. Außerdem habe der Kläger keine hinreichende Bereitschaft zur Kooperation bei den von dem Beklagten unternommenen Versuchen gezeigt, seine Einsatzfähigkeit medizinisch klären zu lassen. Er habe zumindest in zwei Fällen unentschuldigt Untersuchungstermine versäumt. Sein Verhalten habe er erst unter dem Druck eines beim Regierungspräsidium eingeleiteten - früheren - Zustimmungsverfahrens nach § 18 BErzGG geändert. Darüber hinaus habe er sich gegenüber einer Vorgesetzten einer unangemessenen Wortwahl bedient. Dem Kläger fehle die Einsichtsfähigkeit oder -bereitschaft, die eigenen erheblichen Anteile am Eintritt der Störungen zu erkennen. Er verhalte sich widersprüchlich, wenn er dem Beklagten einerseits vorwerfe, seinen Pflichten in Bezug auf die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nicht nachzukommen, andererseits geltend mache, durch gerade darauf beruhende Vorsichtsmaßnahmen schikaniert, ausgegrenzt und diskriminiert zu werden. Eine Bereinigung dieser Konflikte für die Zukunft sei nicht zu erwarten.

45

bb) Diese Würdigung hält sich im Rahmen des dem Landesarbeitsgericht zukommenden tatrichterlichen Bewertungsspielraums. Die materiell-rechtlichen und formellen Rügen der Revision greifen nicht durch. Das Berufungsgericht hat keinen entscheidungserheblichen Vortrag des Klägers übergangen oder fehlerhaft gewichtet.

46

(1) Das Landesarbeitsgericht hat mit Blick auf das anfängliche Beharren des Beklagten auf einer fachärztlichen Untersuchung des Klägers durchaus erkannt, dass dieses Begehren nicht von § 8 Abs. 6 MTV HR aF gedeckt war. Seine Auffassung, dies sei auf ein Versehen des Beklagten zurückzuführen, hat es damit begründet, dass sich der Kläger hinsichtlich des von ihm reklamierten Rechts auf Wahl einer amtsärztlichen Untersuchung nicht auf die einschlägige Tarifregelung bezogen habe. Diese Würdigung ist nachvollziehbar. Sie lässt keine sachfremden Erwägungen erkennen, zumal sich der Beklagte, nachdem ihm sein Fehler bewusst geworden war, ohne Weiteres auf eine amtsärztliche Untersuchung einließ. Im Übrigen ändert die anfängliche Fehleinschätzung des Beklagten nichts daran, dass der Kläger anlässlich eines nachfolgenden Termins der Amtsärztin ein anwaltliches Schreiben übergab, mit dem er den Sinn der anstehenden Untersuchung als zweifelhaft darstellte, und dies die Ärztin - unter Berufung auf das Fehlen eines Vertrauensverhältnisses - zum Anlass nahm, von einer Untersuchung Abstand zu nehmen. Das Landesarbeitsgericht hat darin mit plausiblen Gründen ein zusätzliches Indiz für die mangelnde Bereitschaft des Klägers gesehen, an der Untersuchung seiner Leistungsfähigkeit mitzuwirken.

47

(2) Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe bei seiner Würdigung entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Das Arbeitsgericht hat das tatsächliche Vorbringen des Klägers, das die Revisionsbegründung in diesem Zusammenhang anführt, im Tatbestand seines Urteils dargestellt; hierauf hat das Landesarbeitsgericht gemäß § 69 Abs. 3 ArbGG Bezug genommen und es seiner Berufungsentscheidung zugrunde gelegt. Soweit das Landesarbeitsgericht im Rahmen seiner rechtlichen Bewertung nicht auf alle Einzelheiten des Vorbringens eingegangen ist, bedeutet dies nicht, dass es sie bei seiner Entscheidungsfindung außer Acht gelassen hätte. Hierfür bedürfte es besonderer Anhaltspunkte (vgl. BVerfG 31. März 2006 - 1 BvR 2444/04 - zu III 1 der Gründe, BVerfGK 7, 485, vgl. auch BAG 22. März 2005 - 1 ABN 1/05 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 114, 157), die nicht zu erkennen sind. Das gilt umso mehr, als es dem Landesarbeitsgericht nicht darauf ankam, ob die gegen die Untersuchung erhobenen Bedenken sachlich berechtigt waren. Es hat aus der Art und Weise, wie der Kläger seine Einwände vorgebracht hat, und aus der Tatsache, dass er dem Beklagten kein Attest darüber vorgelegt hat, eine Untersuchung sei derzeit medizinisch untunlich, auf ein Fehlen der Bereitschaft geschlossen, bei der Prüfung seiner Einsatzfähigkeit zu kooperieren.

48

(3) Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe dadurch, dass es von einer Vernehmung benannter Zeuginnen abgesehen habe, sowohl § 286 ZPO als auch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör(Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, ist unzulässig. Es fehlt - auch unter Einbeziehung des Vorbringens in der Nichtzulassungsbeschwerde - an hinreichenden Darlegungen, zu welchem konkreten tatsächlichen Gesichtspunkt das Landesarbeitsgericht eine Beweisaufnahme hätte durchführen sollen (zu den Voraussetzungen der Verfahrensrüge im Einzelnen: BAG 12. April 2011 - 9 AZR 36/10 - Rn. 88; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 d aa der Gründe, BAGE 109, 145). Im Übrigen legt der Kläger nicht dar, inwieweit seine in das Zeugnis der Betriebsärztin gestellte Behauptung, diese habe sich gegen seine Weiterbildung zum Betriebselektroniker ausgesprochen, nach der Argumentationslinie des Landesarbeitsgerichts entscheidungserheblich war. Entsprechendes gilt für seine Behauptung, ein für den betriebsärztlichen Dienst bestimmtes Gutachten sei an anderen Stellen des Betriebs „aufgetaucht“. Sie ist ebenfalls unsubstantiiert. Sie lässt nicht erkennen, wer für das „Auftauchen“ des Gutachtens verantwortlich sein soll. Ebenso wenig substantiiert ist die in das Zeugnis einer Mitarbeiterin des Regierungspräsidiums gestellte Behauptung des Klägers, er sei „von Anfang an“ zu einer fachärztlichen Untersuchung bereit gewesen und habe einen von der Behörde vorgeschlagenen Gutachter „sofort akzeptiert“.

49

(4) Der Kläger rügt ferner, das Landesarbeitsgericht habe bei der Annahme, die Konflikte der Parteien seien nicht bereinigt, seinen Vortrag nebst Beweisangeboten zu der im Oktober 2005 durchgeführten fachärztlichen Untersuchung übergangen. Auch diese Rüge ist unzulässig. Der Kläger benennt kein Thema, über das Beweis zu erheben gewesen wäre. Zudem fehlt es an Darlegungen zur Entscheidungserheblichkeit des behaupteten Verfahrensmangels. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, das neurologische Fachgutachten vom 16. Oktober 2005 sei nicht hinreichend geeignet, Zweifel an der uneingeschränkten Einsatzfähigkeit des Klägers für die Zukunft auszuschließen. Es hat dies damit begründet, dass in das Gutachten keine arbeitsmedizinischen Fachkenntnisse in Bezug auf die Anforderungen an die Tätigkeit eines Betriebstechnikers beim Beklagten eingeflossen seien. Zu dieser - keineswegs sachfremden - Erwägung verhält sich die Rüge nicht. Der Kläger will lediglich seine eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Landesarbeitsgerichts setzen.

50

d) Gegen den Auflösungszeitpunkt und die Höhe der festgesetzten Abfindung erhebt die Revision keine Einwände. Ein Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts ist auch objektiv nicht zu erkennen.

51

II. Da das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2006 sein Ende gefunden hat, stehen dem Kläger keine noch rechtshängigen Zahlungs- oder sonstigen Ansprüche zu, die vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängen. Aus demselben Grund bleibt sein Feststellungsantrag erfolglos, soweit er sich auf die Zeit ab 1. Oktober 2006 bezieht.

52

III. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Er ist auf eine Weiterbeschäftigung für die Dauer des Rechtsstreits gerichtet. Dieser ist mit der Entscheidung über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtskräftig abgeschlossen.

53

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Vesper    

        

    B. Schipp    

                 

(1) Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, nicht kündigen. Der Kündigungsschutz nach Satz 1 beginnt

1.
frühestens acht Wochen vor Beginn einer Elternzeit bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes und
2.
frühestens 14 Wochen vor Beginn einer Elternzeit zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes.
Während der Elternzeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen. In besonderen Fällen kann ausnahmsweise eine Kündigung für zulässig erklärt werden. Die Zulässigkeitserklärung erfolgt durch die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle. Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Satzes 4 erlassen.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen

1.
während der Elternzeit bei demselben Arbeitgeber Teilzeitarbeit leisten oder
2.
ohne Elternzeit in Anspruch zu nehmen, Teilzeitarbeit leisten und Anspruch auf Elterngeld nach § 1 während des Zeitraums nach § 4 Absatz 1 Satz 2, 3 und 5 haben.

(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.

(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

(1) Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, nicht kündigen. Der Kündigungsschutz nach Satz 1 beginnt

1.
frühestens acht Wochen vor Beginn einer Elternzeit bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes und
2.
frühestens 14 Wochen vor Beginn einer Elternzeit zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes.
Während der Elternzeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen. In besonderen Fällen kann ausnahmsweise eine Kündigung für zulässig erklärt werden. Die Zulässigkeitserklärung erfolgt durch die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle. Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Satzes 4 erlassen.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen

1.
während der Elternzeit bei demselben Arbeitgeber Teilzeitarbeit leisten oder
2.
ohne Elternzeit in Anspruch zu nehmen, Teilzeitarbeit leisten und Anspruch auf Elterngeld nach § 1 während des Zeitraums nach § 4 Absatz 1 Satz 2, 3 und 5 haben.

(1) Der Arbeitgeber hat bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen einer schwangeren oder stillenden Frau alle aufgrund der Gefährdungsbeurteilung nach § 10 erforderlichen Maßnahmen für den Schutz ihrer physischen und psychischen Gesundheit sowie der ihres Kindes zu treffen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls den sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Soweit es nach den Vorschriften dieses Gesetzes verantwortbar ist, ist der Frau auch während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit die Fortführung ihrer Tätigkeiten zu ermöglichen. Nachteile aufgrund der Schwangerschaft, der Entbindung oder der Stillzeit sollen vermieden oder ausgeglichen werden.

(2) Der Arbeitgeber hat die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Gefährdungen einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes möglichst vermieden werden und eine unverantwortbare Gefährdung ausgeschlossen wird. Eine Gefährdung ist unverantwortbar, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung angesichts der zu erwartenden Schwere des möglichen Gesundheitsschadens nicht hinnehmbar ist. Eine unverantwortbare Gefährdung gilt als ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber alle Vorgaben einhält, die aller Wahrscheinlichkeit nach dazu führen, dass die Gesundheit einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes nicht beeinträchtigt wird.

(3) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass die schwangere oder stillende Frau ihre Tätigkeit am Arbeitsplatz, soweit es für sie erforderlich ist, kurz unterbrechen kann. Er hat darüber hinaus sicherzustellen, dass sich die schwangere oder stillende Frau während der Pausen und Arbeitsunterbrechungen unter geeigneten Bedingungen hinlegen, hinsetzen und ausruhen kann.

(4) Alle Maßnahmen des Arbeitgebers nach diesem Unterabschnitt sowie die Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 10 müssen dem Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und der Hygiene sowie den sonstigen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen. Der Arbeitgeber hat bei seinen Maßnahmen die vom Ausschuss für Mutterschutz ermittelten und nach § 30 Absatz 4 im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlichten Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen; bei Einhaltung dieser Regeln und bei Beachtung dieser Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass die in diesem Gesetz gestellten Anforderungen erfüllt sind.

(5) Der Arbeitgeber kann zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm obliegende Aufgaben nach diesem Unterabschnitt in eigener Verantwortung wahrzunehmen.

(6) Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz darf der Arbeitgeber nicht den Personen auferlegen, die bei ihm beschäftigt sind. Die Kosten für Zeugnisse und Bescheinigungen, die die schwangere oder stillende Frau auf Verlangen des Arbeitgebers vorzulegen hat, trägt der Arbeitgeber.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts gelten mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach den Sätzen 2 und 3 sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.

(2) Die Vorschriften des Dritten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten Rechts sowie für Betriebe, die von einer öffentlichen Verwaltung geführt werden, soweit sie wirtschaftliche Zwecke verfolgen.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Schlussurteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. April 2016 - 10 Sa 887/15, 10 Sa 2231/15 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 23. April 2015 - 7 Ca 300/14 - wird auch insoweit zurückgewiesen, wie über sie nicht durch das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Oktober 2015 - 10 Sa 887/15, 10 Sa 932/15 - entschieden ist.

3. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Beklagte zu 61 % und der Kläger zu 39 %. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer ordentlicher Kündigungen.

2

Die Beklagte ist eine konzernunabhängige Fondsgesellschaft. Sie unterhält zwei Betriebsstätten in H und M. Der Kläger war bei ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit Juli 2011 als Vertriebsleiter beschäftigt.

3

Bei der Beklagten waren im Februar/März 2014 neben dem Kläger insgesamt acht Mitarbeiter in Vollzeit sowie ein Mitarbeiter mit neun Arbeitsstunden wöchentlich beschäftigt. Darüber hinaus war im H Büro eine Mitarbeiterin als Leiterin Fondsmanagement tätig, deren Beschäftigungsumfang zwischen den Parteien streitig gewesen ist. Arbeitsvertraglich war zwischen ihr und der Beklagten eine Arbeitszeit von 15 Stunden wöchentlich, mit Wirkung ab März 2014 von 18 Stunden wöchentlich vereinbart. Mit ihrem Gehalt sollten monatlich bis zu acht Überstunden abgegolten sein.

4

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 6. Februar, 21. Februar und 4. März 2014 jeweils außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30. September 2014.

5

Gegen diese Kündigungen hat sich der Kläger mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt und weitere Ansprüche erhoben. Durch mittlerweile rechtskräftig gewordenes Teilurteil des Landesarbeitsgerichts steht ua. fest, dass die außerordentlichen Kündigungen das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst haben. Bezogen auf die von der Beklagten hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen hat der Kläger geltend gemacht, sie seien sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Das Kündigungsschutzgesetz finde Anwendung. Die Beklagte betreibe einen einheitlichen Betrieb mit regelmäßig mehr als zehn Beschäftigten. Die Leiterin Fondsmanagement arbeite tatsächlich mehr als 20 Stunden wöchentlich.

6

Der Kläger hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 6. Februar 2014, 21. Februar 2014 und 4. März 2014 aufgelöst worden ist.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Sie hat gemeint, der betriebliche Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes sei nicht eröffnet. Bei den beiden Betriebsstätten in H und M handele es sich um eigenständige Betriebe, in denen jeweils deutlich weniger als zehn Arbeitnehmer beschäftigt seien.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage in Bezug auf die ordentlichen Kündigungen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben und den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Diese ist unbegründet. Das kann der Senat selbst abschließend entscheiden.

10

I. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Rechtswirksamkeit der von der Beklagten hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen vom 6. Februar 2014, 21. Februar 2014 und 4. März 2014 sowie der darauf bezogene Auflösungsantrag der Beklagten. Die Revision ist insoweit vom Landesarbeitsgericht, entgegen der Auffassung des Klägers, ohne Beschränkung auf einen abtrennbaren Teil des Streitgegenstandes zugelassen worden.

11

II. Der Kündigungsschutzantrag ist unbegründet. Bereits die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 6. Februar 2014 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2014 aufgelöst. Der erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes fand gem. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Andere Gründe für eine Unwirksamkeit der Kündigung als ihre mangelnde soziale Rechtfertigung iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG hat der Kläger nicht geltend gemacht. Auf die Wirksamkeit der weiteren Kündigungen zum 30. September 2014 kommt es demnach nicht mehr an.

12

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Mitarbeiterin B sei bei der Anzahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer gem. § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG mit einem Wert von mehr als 0,5 zu zählen. Das Berufungsgericht ist dabei von unzutreffenden Grundsätzen für die Verteilung der Beweislast ausgegangen. Es hat dahinstehen lassen, wie viele Stunden wöchentlich Frau B tatsächlich für die Beklagte erbracht hat und es für ausreichend gehalten, dass die Beklagte nicht bewiesen habe, dies seien regelmäßig nur 20 oder weniger Stunden gewesen. Bereits dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Berufungsurteils. Für das Überschreiten des Schwellenwertes gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 bzw. Satz 3 KSchG trägt der Arbeitnehmer die Beweislast. Einer größeren Sachnähe des Arbeitgebers und etwaigen Beweisschwierigkeiten des Arbeitnehmers ist durch eine abgestufte Darlegungslast Rechnung zu tragen (im Einzelnen BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 131/07 - Rn. 29 f.; 26. Juni 2008 - 2 AZR 264/07 - Rn. 15 ff., BAGE 127, 102). An dieser Auffassung hält der Senat fest. Das angefochtene Urteil enthält keine Argumente, mit denen sich der Senat nicht bereits auseinandergesetzt hat.

13

2. Es kann dahinstehen, ob der Senat selbst abschließend entscheiden könnte, dass der Kläger auch nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast keine hinreichenden Anhaltspunkte vorgetragen hat, die entgegen dem Vorbringen der Beklagten für einen regelmäßigen Beschäftigungsumfang von Frau B von mehr als 20 Stunden wöchentlich sprachen. Der Kläger hat jedenfalls nicht in der erforderlichen Weise dargelegt, dass die Betriebsstätten der Beklagten in H und M einen einheitlichen Betrieb iSd. § 23 Abs. 1 KSchG bildeten. Der Schwellenwert gem. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG war in den Betriebsstätten für sich genommen selbst bei voller Berücksichtigung der Mitarbeiterin B unstreitig jeweils nicht erreicht. Mit dem von ihm nicht in ausreichender Weise bestrittenen und damit gem. § 138 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO als zugestanden geltenden Vorbringen der Beklagten ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich bei den Betriebsstätten in H und M um eigenständige Betriebe iSd. § 23 Abs. 1 KSchG handelte. Besondere Umstände, die in verfassungskonformer Auslegung von § 23 Abs. 1 KSchG ausnahmsweise ein Abstellen auf die Unternehmensgröße erforderten, sind weder vorgetragen noch objektiv ersichtlich.

14

a) Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gelten in Betrieben, in denen in der Regel nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden, die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes mit Ausnahme von dessen §§ 4 bis 7, § 13 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis - wie hier - nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat.

15

b) § 23 Abs. 1 KSchG enthält ebenso wie das gesamte Kündigungsschutzgesetz keine eigene Definition des Betriebsbegriffs. Es gilt daher im Wesentlichen derjenige des § 1 BetrVG. Danach ist der Betrieb die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht nur in der Befriedigung von Eigenbedarf liegt (zuletzt BAG 19. Juli 2016 - 2 AZR 468/15 - Rn. 12). Dies setzt einen einheitlichen organisatorischen Einsatz der Sachmittel und Personalressourcen voraus. Die einen Betrieb konstituierende Leitungsmacht wird dabei dadurch bestimmt, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung im Wesentlichen selbstständig ausgeübt wird. Entscheidend ist, wo schwerpunktmäßig über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen entschieden wird und in welcher Weise Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vorgenommen werden (BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 476/10 - Rn. 36; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 392/08 - Rn. 16). Entsprechend der Unterscheidung zwischen „Betrieb“ und „Unternehmen“ in § 1 Abs. 1 KSchG ist der Betriebsbegriff auch in § 23 Abs. 1 KSchG nicht mit dem des Unternehmens gleichzusetzen(BAG 19. Juli 2016 - 2 AZR 468/15 - Rn. 12; 17. Januar 2008 - 2 AZR 902/06 - Rn. 15 f., BAGE 125, 274). Dies ist verfassungsrechtlich im Grundsatz nicht zu beanstanden (BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - zu B II 4 b bb der Gründe, BVerfGE 97, 169).

16

c) Der Betriebsbegriff ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei der Beurteilung, ob eine Organisationseinheit ein Betrieb, ein selbständiger oder ein unselbständiger Betriebsteil ist, steht dem Gericht der Tatsacheninstanz ein Beurteilungsspielraum zu. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nur daraufhin überprüfbar, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (BAG 13. Februar 2013 - 7 ABR 36/11 - Rn. 31; 18. Januar 2012 - 7 ABR 72/10 - Rn. 28).

17

d) Die angefochtene Entscheidung hält selbst diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat dem Erfordernis einer einheitlichen Leitungsmacht als Voraussetzung einer betrieblichen Einheit nicht die zutreffende Bedeutung beigemessen. Die von ihm gewürdigten Tatsachen rechtfertigen nicht die Annahme, die beiden Betriebsstätten der Beklagten in H und M hätten im Zeitpunkt der Kündigung unter einer einheitlichen institutionalisierten Leitung in Bezug auf den Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten gestanden.

18

aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lassen weder eine „gemeinsame Telefonanlage“ noch die in einem Fragebogen dargestellte enge Verbindung zwischen dem Fondsmanagement in H und dem Fondsrechnungswesen in M oder das Abhalten einer regelmäßigen montäglichen Telefonkonferenz zwischen beiden Standorten darauf schließen, die wesentlichen Entscheidungen in personellen oder sozialen Angelegenheiten würden von einer einheitlichen Leitung getroffen.

19

bb) Soweit das Landesarbeitsgericht darauf abgestellt hat, die „internen Angelegenheiten des Klägers“ wie Urlaubsanträge, Reisekostenabrechnungen und Mobilfunkrechnungen seien unmittelbar in M „bearbeitet“ worden, ist nicht festgestellt, worin diese „Bearbeitung“ bestanden haben soll. Insbesondere hat das Landesarbeitsgericht nicht etwa angenommen, über die Urlaubsanträge sei von einer einheitlichen Leitung in M entschieden worden.

20

cc) Das Landesarbeitsgericht hat auch sonst keine solchen „Verzahnungen“ der beiden Betriebsstätten festgestellt, die auf die Ausübung des Kerns der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten durch eine einheitliche Leitung schließen ließen.

21

e) Einer Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht bedarf es nicht. Der Senat kann selbst abschließend entscheiden, dass das Vorbringen der Parteien nicht die Annahme gestattet, die Betriebsstätten der Beklagten in H und M bildeten einen einheitlichen Betrieb iSd. § 23 Abs. 1 KSchG.

22

aa) Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast (dazu Rn. 12) dürfen an die Darlegungslast des Arbeitnehmers zur betrieblichen Organisation keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es reicht in der Regel aus, wenn dieser die äußeren Umstände schlüssig darlegt, die für die Annahme sprechen, dass die Betriebsstätte, in der er beschäftigt ist, über keinen eigenständigen Leitungsapparat verfügt, diese vielmehr zentral gelenkt wird. Hat der Arbeitnehmer schlüssig derartige Umstände behauptet, hat der Arbeitgeber hierauf gem. § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen zu erklären, welche rechtserheblichen Umstände gegen die Annahme eines einheitlichen Leitungsapparates für mehrere Betriebsstätten sprechen. Nach dem Prinzip der Sachnähe ist regelmäßig nur der Arbeitgeber in der Lage, nähere Auskunft über die betrieblichen Führungsstrukturen zu geben (BAG 15. März 2001 - 2 AZR 151/00 - zu II 1 c der Gründe).

23

bb) Selbst unterstellt, der Kläger sei auf der ersten Stufe seiner Darlegungslast für einen einheitlichen Betrieb noch nachgekommen, ist die Beklagte dem in erheblicher Weise entgegengetreten. Sie hat im Einzelnen Umstände vorgetragen, aus denen sich eine organisatorisch eigenständige Leitung der beiden Betriebsstätten in den wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten ergibt. Die von der Beklagten behaupteten Tatsachen hat der Kläger weder konkret bestritten noch hat er substantiierten Gegenvortrag zur Darlegung einer einheitlichen Leitungsmacht gehalten. Er hat sich auch nicht darauf berufen, ihm habe insofern die eigene Kenntnis gefehlt. Sein demnach gem. § 138 Abs. 2 ZPO nicht hinreichend substantiiertes Bestreiten führt dazu, dass das Vorbringen der Beklagten nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Diese Würdigung kann der Senat selbst vornehmen. Ob ein Bestreiten ausreichend ist, unterliegt selbst ohne Rüge der Überprüfung durch das Revisionsgericht (zu § 138 Abs. 4 ZPO vgl. BGH 10. Oktober 1994 - II ZR 95/93 - zu 3 d der Gründe).

24

(1) Die Beklagte hat mit dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Schriftsatz vom 14. Dezember 2015 behauptet, die Entscheidungen über Einstellungen, Entlassungen, Versetzungen und Urlaubsgewährung treffe für die Betriebsstätte in H der für diese zuständige Geschäftsführer V und für den Standort M der dortige Geschäftsführer H. Auch Personalgespräche und Personalbeurteilungen führe der jeweils zuständige Geschäftsführer durch. Ebenso werde über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen am jeweiligen Standort entschieden.

25

(2) Der Kläger ist diesem Vorbringen nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Er hat die von der Beklagten behaupteten Zuständigkeiten der Geschäftsführer in den personellen und sozialen Angelegenheiten des jeweiligen Standorts nicht konkret bestritten. Soweit er geltend gemacht hat, es gebe nicht zwei Betriebe, es existierten auch nicht zwei klar getrennte Aufgabenbereiche, der Vortrag über die „gekünstelt dargestellte“ vorgebliche Aufgabenverteilung werde als unzutreffend in Abrede gestellt, liegt darin kein substantiiertes Bestreiten. Dies gilt auch, soweit der Kläger behauptet hat, der Geschäftsführer H habe sich ebenso für Vertriebsaktivitäten verantwortlich gefühlt und beide Geschäftsführer hätten „auch parallele Aktionen“ durchgeführt, entsprechend hätten in der Vergangenheit seine Ansprechpartner in der Geschäftsführung gewechselt. Dies spricht zwar möglicherweise für eine unternehmerische Befassung auch des Geschäftsführers H mit Vertriebsaktivitäten, nicht aber gegen die von der Beklagten behauptete eigenständige Leitungsmacht der beiden Geschäftsführer in den jeweiligen personellen und sozialen Angelegenheiten „ihres“ Standorts. Der Kläger hat sich auch nicht darauf berufen, er könne sich hierzu mangels eigener Kenntnis nicht näher einlassen. Soweit er seine eigene organisatorische Anbindung an die H Betriebsstätte bestreitet, fehlt es an ausreichendem Tatsachenvortrag, woraus sich stattdessen seine Zuordnung zur M Betriebsstätte ergeben soll. Aus der Formulierung im Arbeitsvertrag, dass er am Sitz der Gesellschaft an zwei Tagen im Monat persönlich verfügbar sein müsse, folgt dies jedenfalls nicht. Unerheblich ist auch sein Vorbringen zum Firmensitz der Beklagten sowie ihrer Eintragung im Handelsregister. Weshalb sich schließlich aus den gesetzlichen Vorgaben des Investmentgesetzes ergeben soll, dass die von der Beklagten behauptete Struktur mit zwei eigenständigen Betrieben unzulässig sei, wird weder aus dem Vortrag des Klägers deutlich, noch ist dies objektiv ersichtlich.

26

f) Für eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Berechnung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl iSd. § 23 Abs. 1 KSchG besteht im Streitfall kein Anlass. Es ist nicht ausnahmsweise geboten, auf die Unternehmensgröße der Beklagten abzustellen, weil anderenfalls eine mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr zu vereinbarende Ungleichbehandlung der Mitarbeiter ihrer Betriebe mit den Arbeitnehmern in einem nicht in mehrere betriebliche Einheiten gegliederten Unternehmen vorläge.

27

aa) Der Betriebsbezug des § 23 Abs. 1 KSchG ist verfassungsrechtlich unbedenklich, solange dadurch nicht angesichts der vom Arbeitgeber geschaffenen konkreten Organisation die gesetzgeberischen Erwägungen für die Privilegierung von Kleinbetrieben bei verständiger Betrachtung ins Leere gehen und die Bestimmung des Betriebsbegriffs nach herkömmlicher Definition zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung betroffener Arbeitnehmer führt(BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - zu B II 4 b bb der Gründe, BVerfGE 97, 169; BAG 19. Juli 2016 - 2 AZR 468/15 - Rn. 20; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 392/08 - Rn. 25). Die Durchbrechung des Betriebsbezugs des Schwellenwerts ist demnach nicht schon immer dann geboten, wenn sich das Unternehmen zwar in mehrere kleine, organisatorisch verselbständigte Einheiten gliedert, insgesamt aber mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Das liefe auf eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte generelle Gleichsetzung von Betrieb und Unternehmen hinaus und berücksichtigte nicht, dass auch das Bundesverfassungsgericht lediglich von Einzelfällen ausgegangen ist, die dem gesetzgeberischen Leitbild nicht entsprächen (BAG 19. Juli 2016 - 2 AZR 468/15 - aaO; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 392/08 - Rn. 24). Die Anwendung der Kleinbetriebsklausel ist auch nicht schon dann ausgeschlossen, wenn die als „Betrieb“ im kündigungsschutzrechtlichen Sinne zu verstehende Einheit nicht sämtliche vom Bundesverfassungsgericht als charakteristisch benannten Merkmale eines Kleinbetriebs erfüllt. Dieses hat lediglich typologisch Gesichtspunkte angeführt, die für einen Kleinbetrieb bezeichnend sind (BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - zu B I 3 b bb der Gründe, BVerfGE 97, 169), ohne dass diese wie tatbestandliche Voraussetzungen einer Norm zu behandeln wären. Maßgeblich ist vielmehr eine alle Umstände des Einzelfalls einbeziehende, wertende Gesamtbetrachtung dahingehend, ob die Anwendung der Kleinbetriebsklausel nach Maßgabe des allgemeinen Betriebsbegriffs unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse dem mit ihr verbundenen Sinn und Zweck (noch) gerecht wird (BAG 19. Juli 2016 - 2 AZR 468/15 - aaO; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 392/08 - aaO).

28

bb) Danach sind Umstände weder vorgetragen noch objektiv ersichtlich, die die Annahme rechtfertigten, dass sich die enge Zusammenarbeit der am jeweiligen Standort beschäftigten Arbeitnehmer wesentlich von der in einem typischen Kleinbetrieb unterschiede, dass sich also etwa die Persönlichkeit und der Leistungsbeitrag eines jeden einzelnen Beschäftigten nicht in einer solchen Weise unmittelbar auf das Betriebsklima und die Funktionsfähigkeit der jeweils in H und M gelegenen betrieblichen Einheiten auswirkte, wie dies für einen Kleinbetrieb typischerweise anzunehmen ist. Auch für eine missbräuchliche, allein auf die Verhinderung des Entstehens allgemeinen Kündigungsschutzes der Beschäftigten gerichtete willkürliche Zersplitterung des Unternehmens der Beklagten in mehrere eigenständige Einheiten gibt es keine Anhaltspunkte.

29

III. Der Auflösungsantrag der Beklagten fällt nicht zur Entscheidung an. Er ist nur hilfsweise für den Fall des Unterliegens der Beklagten mit dem Klageabweisungsantrag gestellt.

30

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 ZPO.

        

    Koch     

        

    Berger     

        

    Rachor     

        

        

        

    Alex     

        

    Sieg     

                 

(1) Ein sachlicher Grund, der die Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigt, liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers oder einer anderen Arbeitnehmerin für die Dauer eines Beschäftigungsverbotes nach dem Mutterschutzgesetz, einer Elternzeit, einer auf Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder einzelvertraglicher Vereinbarung beruhenden Arbeitsfreistellung zur Betreuung eines Kindes oder für diese Zeiten zusammen oder für Teile davon eingestellt wird.

(2) Über die Dauer der Vertretung nach Absatz 1 hinaus ist die Befristung für notwendige Zeiten einer Einarbeitung zulässig.

(3) Die Dauer der Befristung des Arbeitsvertrags muss kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar oder den in den Absätzen 1 und 2 genannten Zwecken zu entnehmen sein.

(4) Der Arbeitgeber kann den befristeten Arbeitsvertrag unter Einhaltung einer Frist von mindestens drei Wochen, jedoch frühestens zum Ende der Elternzeit, kündigen, wenn die Elternzeit ohne Zustimmung des Arbeitgebers vorzeitig endet und der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin die vorzeitige Beendigung der Elternzeit mitgeteilt hat. Satz 1 gilt entsprechend, wenn der Arbeitgeber die vorzeitige Beendigung der Elternzeit in den Fällen des § 16 Absatz 3 Satz 2 nicht ablehnen darf.

(5) Das Kündigungsschutzgesetz ist im Falle des Absatzes 4 nicht anzuwenden.

(6) Absatz 4 gilt nicht, soweit seine Anwendung vertraglich ausgeschlossen ist.

(7) Wird im Rahmen arbeitsrechtlicher Gesetze oder Verordnungen auf die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen abgestellt, so sind bei der Ermittlung dieser Zahl Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die sich in der Elternzeit befinden oder zur Betreuung eines Kindes freigestellt sind, nicht mitzuzählen, solange für sie aufgrund von Absatz 1 ein Vertreter oder eine Vertreterin eingestellt ist. Dies gilt nicht, wenn der Vertreter oder die Vertreterin nicht mitzuzählen ist. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn im Rahmen arbeitsrechtlicher Gesetze oder Verordnungen auf die Zahl der Arbeitsplätze abgestellt wird.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 6. April 2011 - 6 Sa 9/11 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 8. Dezember 2010 - 2 Ca 1002/10 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf betriebliche Gründe gestützten Kündigung.

2

Die Klägerin war seit 1. August 1987 bei der E GmbH (Schuldnerin) und deren Rechtsvorgängerin als Industriekauffrau beschäftigt. Die Schuldnerin vertrieb Teppiche. Für sie waren regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer tätig.

3

Der Arbeitsvertrag vom 22. November 1990 sieht ua. vor:

        

Tätigkeit und Aufgabengebiet

        

…       

        
        

2.    

Die Gesellschaft behält sich vor, dem Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens bei unveränderten Bezügen auch eine andere seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übertragen. Eine Versetzung an einen anderen Ort kann nur im Einvernehmen mit dem Mitarbeiter erfolgen.

        

...     

        
        

Vertragsdauer und Kündigung

        

1.    

Der Vertrag ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Er kann von jedem Vertragspartner unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Vierteljahresschluß durch schriftliche Erklärung gekündigt werden.

                 

…       

        

...“   

4

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 28. Januar 2010 die vorläufige Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt angeordnet. Der Beklagte wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.

5

Die F GmbH, die Linoleumfußböden vertreibt, teilte der Geschäftsführung der Schuldnerin mit, bei ihr fielen erhebliche Arbeitsmengen an. Es bestehe jedoch ein Einstellungsstopp. Die Klägerin war deshalb zunächst bis 31. August 2010 in den Räumen der Schuldnerin für die F GmbH tätig und in deren Betriebsabläufe eingebunden. Das Arbeitsentgelt leistete der Beklagte an die Klägerin. Die Vergütung wurde von der F GmbH erstattet. Später begründeten die Klägerin und die F GmbH ein vom 1. September 2010 bis 31. Dezember 2010 befristetes Arbeitsverhältnis. Mittlerweile steht die Klägerin in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit der F GmbH.

6

Am 30. April 2010 schloss der Beklagte als vorläufiger Insolvenzverwalter einen Interessenausgleich mit dem bei der Schuldnerin gebildeten Betriebsrat. Dort heißt es auszugsweise:

        

„Präambel

        

Mit Beschluss des Amtsgerichts P vom 28.01.2010 wurde über das Vermögen der E GmbH (künftig Schuldnerin genannt) eine vorläufige Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt angeordnet. Es besteht gemäß dem Gutachten nach § 5 InsO eine negative Fortbestehens- und Fortführungsprognose. Da die Marken- und Lizenzrechte für wichtige Produkte an einen Wettbewerber veräußert wurden und die Produktion von Teppichfußböden in P bis spätestens zum 31.08.2010 eingestellt wird, sind sich die Beteiligten darüber einig, dass eine Betriebseinstellung unumgänglich ist.

        

Der Betriebsrat ist über die anstehende Maßnahme umfangreich informiert worden.

        

Die nachfolgenden Regelungen dienen dazu, das Verfahren nach § 122 InsO auf gerichtliche Zustimmung zur Durchführung einer Betriebsänderung bzw. einen Feststellungsantrag nach § 126 InsO zu vermeiden.

        

…       

                 
        

§ 2 Gegenstand der Betriebsänderung

        

Der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin in P wird kurzfristig, spätestens bis zum 31.08.2010, stillgelegt. Alle Arbeitsplätze werden entfallen.

        

§ 3 Durchführung der Betriebsänderung - Personalmaßnahmen

        

Aufgrund der in § 2 genannten Maßnahme, die im Einzelnen gegenüber dem Betriebsrat begründet und in diesem erörtert worden ist, besteht Einigkeit darüber, dass es erforderlich ist, sämtliche Arbeitsverhältnisse/Dienstverhältnisse der Beschäftigten unter Beachtung der Kündigungsfristen gemäß § 113 InsO zu kündigen.

        

Lediglich in Einzelfällen wird sich der Arbeitgeber vorbehalten, die Kündigungen mit einer längeren Auslauffrist als derjenigen in § 113 InsO auszusprechen.

        

Die Masse wird voraussichtlich nicht zur Bezahlung der Löhne während der verkürzten Kündigungsfrist ausreichen.

        

§ 4 Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG

        

Der Betriebsrat erklärt mit Unterzeichnung dieses Interessenausgleichs, dass er bereits im Rahmen dieser Verhandlungen im Interessenausgleich ordnungsgemäß die nach § 102 BetrVG erforderlichen Informationen der berücksichtigten Kündigungsgründe und die Informationen zur Sozialauswahl in einer Liste sämtlicher Arbeitnehmer mit ihren relevanten Sozialdaten (Name, Funktion, Abteilung, Geburtsdatum, Eintrittsdatum, Familienstand, Unterhaltspflichten, lt. Lohnsteuerkarte, individuelle Kündigungsfrist, Schwerbehinderung, Verdienst) erhalten hat und so bereits ordnungsgemäß angehört wurde.

        

Der Betriebsrat hat damit auch eine Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer erhalten. Der Betriebsrat erklärt, dass er die beabsichtigten Kündigungen zur Kenntnis nimmt und keine weitere Stellungnahme abgeben wird und das Anhörungsverfahren als abgeschlossen sieht.

        

...“   

7

Am 1. Mai 2010 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin unter dem 3. Mai 2010. Das Kündigungsschreiben lautet auszugsweise:

        

„Sehr geehrte Frau B,

        

mit Beschluss des AG P vom 01.05.2010 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Unterzeichner als Insolvenzverwalter bestellt.

        

Als Insolvenzverwalter spreche ich hiermit die ordentliche

        

Kündigung

        

des Arbeitsvertrages zum nächstmöglichen Zeitpunkt aus.

        

Der Kündigungszeitpunkt richtet sich nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses gemäß § 622 BGB. Wenn das Arbeitsverhältnis keine 2 Jahre bestanden hat, wirkt die Kündigung mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende des Kalendermonats. Bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als 2 Jahren endet das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von einem Monat zum Ende des Kalendermonats und bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als 5 Jahren mit einer Frist von zwei Monaten zum Ende des Kalendermonats. Besteht das Arbeitsverhältnis mehr als 8 Jahre, so endet das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von drei Monaten zum Ende des Kalendermonats. Bei noch älteren Arbeitsverhältnissen greift gemäß § 113 Abs. I S. 2 InsO die Kündigung ebenfalls regelmäßig mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats. Die noch längeren Fristen gemäß § 622 Abs. II BGB werden auf die Dreimonatsfrist des § 113 Abs. I S. 2 InsO reduziert. Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt.

        

Für ein Arbeitsverhältnis, bei dem sich zwar aus § 622 Abs. II BGB eine kürzere als eine dreimonatige Kündigungsfrist ergeben würde, bei dem jedoch einzelvertraglich oder tarifvertraglich eine längere Kündigungsfrist vereinbart ist, wirkt sich § 113 Abs. I S. 2 InsO dahingehend aus, dass die vereinbarte Frist insoweit maßgeblich ist, als sie die Dreimonatsfrist nicht überschreitet. Ist sie länger als diese, so gilt die reduzierte Dreimonatsfrist, so dass solche Arbeitsverhältnisse ebenfalls mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats enden.

        

Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis wirkt sich § 113 Abs. I InsO so aus, dass mit der Dreimonatsfrist gekündigt werden kann, sofern der Befristungszeitpunkt später liegt. Läuft die Frist vorher ab, so erlischt das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt, ohne dass es dieser Kündigung bedarf.

        

…“    

8

Mit ihrer am 18. Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt. Sie hat der Klage das Kündigungsschreiben beigefügt und die beklagte Partei als „RAe K & Partner als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. E GmbH“ bezeichnet. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Die beabsichtigte Betriebsstilllegung habe sich auf ihren Arbeitsplatz nicht auswirken können, weil sie von der F GmbH beschäftigt worden sei. Der Beklagte habe nicht dargelegt, dass eine Beschäftigung über den 31. August 2010 hinaus nicht möglich gewesen sei. Im Übrigen sei die Betriebsratsanhörung unzureichend, weil der Betriebsrat nicht über ihre Tätigkeit für die F GmbH unterrichtet worden sei.

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 3. Mai 2010 nicht beendet wird;

        

2.    

den Beklagten im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Industriekauffrau weiterzubeschäftigen.

10

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat gemeint, wegen der Veräußerung von Marken- und Lizenzrechten durch die Konzernmutter der Schuldnerin sei es rechtlich nicht möglich gewesen, die Teppichfertigung und den Teppichvertrieb über den Stichtag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus fortzusetzen. Während des Insolvenzeröffnungsverfahrens habe noch eine „Ausproduktion“ stattfinden können. Diese Sach- und Rechtslage sei dem Betriebsrat mitgeteilt worden und Grundlage der Verhandlungen über den Interessenausgleich und Sozialplan gewesen. Die Geschäftsführung der Schuldnerin habe mit Zustimmung des Beklagten die Entscheidung getroffen, den Geschäftsbetrieb mit der Verfahrenseröffnung stillzulegen und das Unternehmen nach der Verfahrenseröffnung abzuwickeln. Der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin sei mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingestellt worden. Die Abwicklungstätigkeit habe mit dem 31. August 2010, dem Ende der Kündigungsfristen, geendet. Die Außendienstmitarbeiter seien im Wesentlichen durch einen Wettbewerber übernommen worden. Für die verbliebenen Arbeitnehmer sei der Beschäftigungsbedarf entfallen. Nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats seien die Arbeitsverhältnisse gekündigt worden. Dem Betriebsrat seien die Sozialdaten der Arbeitnehmer mitgeteilt worden, wie sich schon aus dem Interessenausgleich ergebe. Mit dem Betriebsrat sei über alle Arbeitnehmer gesprochen worden. Ihm sei auch der Einsatz von zwei Arbeitnehmerinnen für die F GmbH bekannt gewesen.

11

Die Parteien haben die Beklagtenbezeichnung vor dem Arbeitsgericht dahin richtiggestellt, dass sich die Klage gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin richte. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision will der Beklagte die Klage weiter abgewiesen wissen.

Entscheidungsgründe

12

A. Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Die Kündigung vom 3. Mai 2010 beendete das Arbeitsverhältnis mit dem 31. August 2010. Der Senat hat deshalb nicht über den Weiterbeschäftigungsantrag zu entscheiden.

13

I. Die „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ erklärte Kündigung war darauf gerichtet, das Arbeitsverhältnis zum 31. August 2010 zu beenden. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigungserklärung sei bereits deswegen unwirksam, weil sie nicht ausreichend bestimmt sei, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung selbst dann nicht stand, wenn es sich bei dem Kündigungsschreiben um eine nur beschränkt revisible atypische Willenserklärung handeln sollte. Das gilt erst recht, wenn das Kündigungsschreiben eine typische, revisionsrechtlich weiter gehend überprüfbare Erklärung sein sollte. Eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB hätte der Senat auch in diesem Fall nicht durchzuführen. Einseitige Rechtsgeschäfte des Verwenders enthalten keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB(vgl. BAG 14. April 2011 - 6 AZR 727/09 - Rn. 29 mwN, BAGE 137, 347).

14

1. Bei der Auslegung einer Kündigung ist nicht allein auf ihren Wortlaut abzustellen. Zu würdigen sind auch alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt waren und die für die Frage erheblich sein können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe der Erklärung hatte (vgl. BAG 5. Februar 2009 - 6 AZR 151/08 - Rn. 30 mwN, BAGE 129, 265). Der Erklärungsempfänger muss aus dem Wortlaut und den Begleitumständen der Kündigung ua. erkennen können, wann das Arbeitsverhältnis enden soll. Bei Zugang der Kündigung muss für ihn bestimmbar sein, ob eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung gewollt ist und zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll (vgl. BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 24, BAGE 116, 336).

15

2. Dafür genügt im Fall einer ordentlichen Kündigung regelmäßig die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist. Ein Hinweis auf die maßgeblichen gesetzlichen oder tariflichen Regelungen reicht aus, wenn der Erklärungsempfänger dadurch unschwer ermitteln kann, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll (vgl. Staudinger/Oetker (2012) Vorbem. zu §§ 620 ff. Rn. 125; ähnlich Eisemann NZA 2011, 601, 602). Auch eine Kündigung zum nächstzulässigen Termin ist möglich, wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn bestimmbar ist (vgl. Muthers Anm. RdA 2012, 172, 176; Raab RdA 2004, 321, 326). Eine Kündigung ist allerdings nicht auslegungsfähig und damit nicht hinreichend bestimmt, wenn in der Erklärung mehrere Termine für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genannt werden und für den Erklärungsempfänger nicht erkennbar ist, welcher Termin gelten soll (vgl. BAG 21. Oktober 1981 - 7 AZR 407/79 - zu I der Gründe).

16

3. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 1. September 2010 (- 5 AZR 700/09 - BAGE 135, 255) geht entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts von keinen anderen Voraussetzungen für eine hinreichend bestimmte Kündigung aus (aA Ziemann jurisPR-ArbR 3/2011 Anm. 1). Der Fünfte Senat hatte dort zu beurteilen, ob sich bei einer Kündigung, die einen bestimmten Kündigungstermin nennt, durch Auslegung ein anderer Kündigungstermin ermitteln lässt, wenn die Kündigung keine weiteren Angaben enthält. In diesem Zusammenhang hat der Fünfte Senat ausgeführt, auch das Bestimmtheitsgebot stehe der Auslegung der Kündigungserklärung zu einem anderen Termin entgegen. Es sei nicht Aufgabe des Arbeitnehmers, darüber zu rätseln, zu welchem anderen als dem in der Kündigungserklärung angegebenen Termin der Arbeitgeber die Kündigung gewollt haben könne (vgl. BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 27, aaO). Dem ist nicht zu entnehmen, ohne Angabe eines datierten Kündigungstermins handle es sich nicht um eine ausreichend bestimmte Kündigungserklärung. Auch der Fünfte Senat geht davon aus, dass eine Kündigungserklärung in der Regel auslegungsfähig ist.

17

4. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichtsgerichts, die Kündigungserklärung vom 3. Mai 2010 „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ sei unbestimmt, weil der Klägerin nicht das maßgebliche „Rechenprogramm“ (gesetzliche, tarif- oder arbeitsvertragliche Regelungen) und die maßgeblichen Tatsachen (insbesondere die Dauer der Betriebszugehörigkeit) mitgeteilt worden seien, wird diesen Grundsätzen nicht gerecht. Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass das Bestimmtheitsgebot der gebotenen Auslegung nicht entgegensteht (vgl. BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 12, BAGE 135, 278; 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 24, BAGE 116, 336; 21. Oktober 1981 - 7 AZR 407/79 - zu I der Gründe). Es hat aber nicht den gesamten Inhalt der Kündigungserklärung bei seiner Auslegung verwertet. Zugleich hat das Landesarbeitsgericht Auslegungsgrundsätze verletzt, indem es davon ausgegangen ist, der Beklagte habe der Klägerin Tatsachen - vor allem ihre Betriebszugehörigkeit - mitteilen müssen, um sie in die Lage zu versetzen, den Kündigungstermin zu bestimmen. Die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 3. Mai 2010 „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ ist als Kündigung zum 31. August 2010 auszulegen. Nur so konnte die Klägerin die Erklärung des Beklagten verstehen.

18

a) Der Zeitpunkt, zu dem die ausdrücklich als ordentliche Kündigung bezeichnete Erklärung vom 3. Mai 2010 das Arbeitsverhältnis beenden sollte, lässt sich dem Kündigungsschreiben entnehmen. Die Erklärung des Beklagten beschränkt sich nicht auf eine ordentliche Kündigung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“, sondern gibt zugleich an, nach welchen Vorschriften sich die Kündigungsfrist bestimmt. Das Kündigungsschreiben gibt den Regelungsgehalt von § 622 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BGB wieder. Zudem wird ausgeführt, dass bei „noch älteren Arbeitsverhältnissen“ nach „§ 113 Abs. 1 Satz 2 InsO“ eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats gelte. Das Kündigungsschreiben erläutert die Wirkung von § 113 Satz 2 InsO, wenn auch unter Hinweis auf die bis 31. Dezember 2003 geltende Fassung. So führt es aus, dass Fristen, die drei Monate überschritten, nach § 622 Abs. 2 BGB auf die Dreimonatsfrist des „§ 113 Abs. 1 Satz 2 InsO“ reduziert würden. Dargestellt wird ferner, dass einzel- oder tarifvertragliche längere Kündigungsfristen als die Fristen des § 622 Abs. 2 BGB nach „§ 113 Abs. 1 Satz 2 InsO“ nur insoweit maßgeblich seien, als sie die Dreimonatsfrist nicht überstiegen. Für die Klägerin war deshalb nicht unklar, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis gekündigt werden sollte. Sie konnte der Erklärung entnehmen, dass nach § 113 InsO eine dreimonatige Kündigungsfrist galt, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich war.

19

b) Die Klägerin musste die Erklärung so verstehen, dass ihr Arbeitsverhältnis mit einer dreimonatigen Frist zum 31. August 2010 gekündigt wurde, ohne dass weitere Angaben des Beklagten erforderlich gewesen wären.

20

aa) Der Arbeitgeber kann in der Regel davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer seine Betriebszugehörigkeit kennt. Ausnahmsweise - zB im Fall eines zweifelhaften Betriebsübergangs - kann anderes gelten. Für einen solchen Ausnahmetatbestand bestehen hier keine Anhaltspunkte. Im Regelfall der dem Arbeitnehmer bekannten Betriebszugehörigkeit ist die Kündigungserklärung hinreichend bestimmt, wenn das Kündigungsschreiben die maßgeblichen Kündigungsfristen nennt. Der Arbeitnehmer ist dann unschwer in der Lage zu bestimmen, zu welchem „nächstmöglichen Zeitpunkt“ der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden möchte.

21

bb) Die Klägerin konnte anhand ihrer Betriebszugehörigkeit seit 1. August 1987 und der im Arbeitsvertrag getroffenen Regelung erkennen, zu welchem Termin die Kündigung vom 3. Mai 2010 wirken sollte. Unter Berücksichtigung der verlängerten gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB konnte sie dem Kündigungsschreiben entnehmen, dass § 113 Satz 2 InsO die Kündigungsfrist in ihrem Fall auf drei Monate verringerte und einen anderen Kündigungstermin als das arbeitsvertraglich vorgesehene Vierteljahresende zuließ. Der Kündigungstermin des 31. August 2010 war daher - für sie ersichtlich - der „nächstmögliche Zeitpunkt“.

22

c) Für die Frage einer ausreichend bestimmten Kündigung ist nicht erheblich, dass im Kündigungsschreiben ausgeführt ist, bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer seien Zeiten, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres lägen, nicht zu berücksichtigen. Das widerspricht der rechtlichen Einordnung, dass § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB unionsrechtswidrig und wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht anzuwenden ist(vgl. EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 43, Slg. 2010, I-365; BVerfG 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - [Honeywell] Rn. 53, BVerfGE 126, 286; BAG 29. September 2011 - 2 AZR 177/10 - Rn. 11; 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 15 ff., BAGE 135, 278; 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 16 ff., BAGE 135, 255). Mit Rücksicht auf ihr Lebensalter und ihre Betriebszugehörigkeit seit 1. August 1987 konnte die Klägerin jedoch ohne Weiteres erkennen, dass sich die Kündigungsfrist nach § 113 Satz 2 InsO - unabhängig von der Anwendbarkeit des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB - in jedem Fall auf drei Monate verkürzte.

23

II. Die Kündigung des Beklagten vom 3. Mai 2010 ist wirksam. Sie beendete das Arbeitsverhältnis der Parteien nach § 113 Satz 2 InsO mit dem 31. August 2010.

24

1. Die Kündigungsschutzklage wahrt die Erfordernisse des § 4 Satz 1 KSchG.

25

a) Die Kündigung gilt nicht bereits wegen Zeitablaufs nach § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Die dreiwöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG wurde durch die am 18. Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage, die sich gegen „RAe K & Partner … als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. E GmbH“ richtete, gewahrt. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass sich die Klage von Anfang an gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als Partei kraft Amtes richtete. Die Parteibezeichnung war lediglich ungenau und deswegen richtigzustellen (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 348/11 - Rn. 41 ff.; 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 18 ff.).

26

b) Zwischen den Parteien bestand bei Zugang der Kündigung noch ein Arbeitsverhältnis.

27

aa) Der Bestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ist Voraussetzung für die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst wurde (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 826/09 - Rn. 13; 28. Mai 2009 - 2 AZR 282/08 - Rn. 20).

28

bb) Bei der Tätigkeit der Klägerin für die F GmbH handelte es sich nicht um gewerbsmäßige, also erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG idF vom 23. Dezember 2002 (aF).

29

(1) Gewerbsmäßig iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF war jede nicht nur gelegentliche, sondern auf eine gewisse Dauer angelegte und auf unmittelbare oder mittelbare wirtschaftliche Vorteile gerichtete selbständige Arbeitnehmerüberlassungstätigkeit. Entscheidendes Kriterium war die Gewinnerzielungsabsicht. Dabei kam es nicht darauf an, ob tatsächlich Gewinn erzielt wurde. Gewinnerzielungsabsicht war ua. dann zu verneinen, wenn die Überlassung lediglich gegen Erstattung der Personalkosten erfolgen sollte und der Verleiher dadurch auch mittelbar keine wirtschaftlichen Vorteile erlangte. Zu den Kosten gehörten nicht nur die Kosten der Beschäftigung als Leiharbeitnehmer selbst, sondern auch die Verwaltungskosten, die beim Verleiher für die Arbeitnehmerüberlassung anfielen (vgl. BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 32/10 - Rn. 35; 2. Juni 2010 - 7 AZR 946/08 - Rn. 19).

30

(2) Danach überließ der Beklagte die Klägerin nicht gewerbsmäßig an die F GmbH. Ihm fehlte die Gewinnerzielungsabsicht, weil er sich von der F GmbH lediglich das an die Klägerin geleistete Arbeitsentgelt erstatten ließ und darüber hinaus keine unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen Vorteile erzielte.

31

(3) Da der Beklagte keine gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung betrieb, brauchte er keine Überlassungserlaubnis iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF. Zwischen der Klägerin und der F GmbH konnte daher kein Arbeitsverhältnis kraft gesetzlicher Fiktion nach § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF zustande kommen. Darauf beruft sich die Klägerin auch nicht. Ihre Kündigungsschutzklage wäre sonst bereits aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen, weil bei Zugang der Kündigung nicht länger ein Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten bestanden hätte. Der Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten wäre durch die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis unwirksam geworden (vgl. ErfK/Wank 13. Aufl. § 9 AÜG Rn. 2). Auf die Fragen der Wirksamkeit der Kündigung käme es dann nicht mehr an (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 826/09 - Rn. 13; 28. Mai 2009 - 2 AZR 282/08 - Rn. 20).

32

2. Die Kündigung ist formell und materiell wirksam.

33

a) Sie musste neben dem Beklagten nicht auch von der F GmbH erklärt werden.

34

aa) Stehen mehrere natürliche oder juristische Personen in arbeitsrechtlichen Beziehungen zu demselben Arbeitnehmer, kann ein einheitliches Arbeitsverhältnis begründet sein. Dafür ist ein rechtlicher Zusammenhang der arbeitsvertraglichen Beziehungen erforderlich, der es verbietet, sie rechtlich getrennt zu behandeln. Ein solcher Zusammenhang kann sich aus der Auslegung der geschlossenen Verträge, aber auch aus zwingenden rechtlichen Wertungen ergeben (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 16; 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - Rn. 30). Besteht ein einheitliches Arbeitsverhältnis, kann es im Regelfall nur von allen auf einer Vertragsseite Beteiligten gekündigt werden (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 16 mwN).

35

bb) Hier bestehen keinerlei Anhaltspunkte für ein einheitliches Arbeitsverhältnis. Die vertraglichen Beziehungen des Beklagten, der F GmbH und der Klägerin waren nicht in einer Weise verknüpft, die eine rechtliche Trennung ausschloss. Die Klägerin war nur in den insoweit nicht mehr für den eigenen Betriebszweck genutzten Räumen der Schuldnerin tätig, über die der Beklagte verfügte. Sie war jedoch in die Betriebsabläufe der F GmbH eingebunden. Ihr Entgelt trug wirtschaftlich die F GmbH, die an den Beklagten die erbrachte Leistung erstattete. Die Hauptleistungspflichten bestanden deswegen wirtschaftlich betrachtet ausschließlich im Verhältnis zwischen der Klägerin und der F GmbH.

36

b) Die Betriebsratsanhörung genügt den Erfordernissen des § 102 BetrVG.

37

aa) Der Insolvenzverwalter ist auch dann verpflichtet, den Betriebsrat ordnungsgemäß nach § 102 BetrVG anzuhören, wenn die Betriebsparteien zuvor einen Interessenausgleich geschlossen haben. Die Betriebsratsanhörung unterliegt keinen erleichterten Anforderungen. Der Insolvenzverwalter muss das aus seiner Sicht entfallene Beschäftigungsbedürfnis und die der Sozialauswahl zugrunde liegenden Tatsachen, die dem Betriebsrat bereits aus den Interessenausgleichsverhandlungen bekannt sind, im Anhörungsverfahren allerdings nicht erneut mitteilen. Der Insolvenzverwalter kann das Verfahren nach § 102 BetrVG mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich verbinden. Diese Verbindung ist schon bei Einleitung des Beteiligungsverfahrens klarzustellen und ggf. im Wortlaut des Interessenausgleichs zum Ausdruck zu bringen (vgl. für die st. Rspr. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 63 mwN).

38

bb) Der Betriebsrat ist regelmäßig ausreichend über den Zeitpunkt der beabsichtigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses informiert, wenn die geltende Kündigungsfrist feststeht und der Arbeitgeber klarstellt, dass die Kündigung in naher Zukunft ausgesprochen werden soll (vgl. BAG 23. April 2009 - 6 AZR 516/08 - Rn. 18, BAGE 130, 369; 27. April 2006 - 2 AZR 426/05 - Rn. 21). Der Arbeitgeber kann bei Einleitung des Anhörungsverfahrens häufig nicht sicher beurteilen, zu welchem Zeitpunkt dem Arbeitnehmer die beabsichtigte Kündigung zugehen wird. Anderes gilt, wenn der Arbeitgeber gänzlich offenlässt, mit welcher Frist und zu welchem Termin die geplante Kündigung erklärt werden wird (vgl. BAG 25. April 2013 - 6 AZR 49/12 - Rn. 143). Kennt der Betriebsrat die Sozialdaten des Arbeitnehmers und ist die gesetzliche oder tarifliche Kündigungsfrist anzuwenden, muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat regelmäßig nicht die Berechnung der Kündigungsfrist und den konkreten Endtermin mitteilen. Es reicht aus, wenn sich aus der Unterrichtung des Arbeitgebers ergibt, dass es sich um eine ordentliche Kündigung - im Zweifel zum nächsten Kündigungstermin - handelt (vgl. BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 64).

39

cc) Nach diesen Grundsätzen unterrichtete der Beklagte den Betriebsrat ordnungsgemäß.

40

(1) Der Beklagte hat vorgetragen, er habe die Betriebsratsanhörung gemeinsam mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich eingeleitet. Das entspricht § 4 Abs. 1 des vorgelegten und in Bezug genommenen Interessenausgleichs vom 30. April 2010. In § 3 Abs. 1 des Interessenausgleichs ist ausgeführt, dass sämtliche Arbeitsverhältnisse unter Beachtung der Kündigungsfristen des § 113 InsO zu kündigen seien. Der Betriebsrat konnte den Verhandlungen über den Interessenausgleich damit entnehmen, dass die Kündigungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgesprochen werden sollten. Das ergibt sich schon daraus, dass § 113 InsO zur Anwendung kommen sollte. In § 3 Abs. 2 des Interessenausgleichs heißt es zwar weiter, dass sich der Arbeitgeber im Einzelfall vorbehalte, die Kündigungen mit einer längeren Auslauffrist als derjenigen des § 113 InsO auszusprechen. Die Klägerin reklamiert für sich aber keinen Fall, der von der gewöhnlichen Konstellation der höchstens dreimonatigen Kündigungsfrist nach § 113 Satz 2 InsO abweichen sollte. Der Betriebsrat bestätigte in § 4 Abs. 1 des Interessenausgleichs auch ausdrücklich, dass er im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen die nach § 102 BetrVG erforderlichen Informationen, insbesondere über die Sozialdaten und die individuelle Kündigungsfrist, erhalten habe und ordnungsgemäß angehört worden sei. Der Betriebsrat konnte das vom Beklagten geplante Ende des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin deshalb bestimmen.

41

(2) Den Vortrag des Beklagten durfte die Klägerin nicht mit Nichtwissen iSv. § 138 Abs. 4 ZPO bestreiten.

42

(a) Hat der Arbeitgeber - wie hier - eine Anhörung des Betriebsrats dargelegt, die den Erfordernissen des § 102 BetrVG entspricht, ist es Sache des Arbeitnehmers, nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO vollständig und im Einzelnen auszuführen, in welchen Punkten er die tatsächlichen Erklärungen des Arbeitgebers zu der Unterrichtung des Betriebsrats für falsch oder unvollständig hält(vgl. BAG 24. April 2008 - 8 AZR 268/07 - Rn. 30; 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - Rn. 50).

43

(b) Die Klägerin hat eine ausreichende Betriebsratsanhörung zu den Fragen der Kündigungsfrist und des Kündigungszeitpunkts nicht in Zweifel gezogen, nachdem der Beklagte zu der Anhörung des Betriebsrats vorgetragen hatte. Die Klägerin hat in der Folge lediglich bestritten, dass der Betriebsrat zu ihrem Einsatz für die F GmbH und über „die Einstellung der Arbeitnehmerüberlassung“ unterrichtet worden sei. Der Vortrag des Beklagten zu der Unterrichtung des Betriebsrats im Übrigen gilt damit nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Das hat das Landesarbeitsgericht übersehen und zu Unrecht darauf abgestellt, das Vorbringen des Beklagten sei unzureichend gewesen, weil der Beklagte keine dem Betriebsrat zugänglich gemachte Liste mit den individuellen Kündigungsfristen vorgelegt habe.

44

(3) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Anhörung des Betriebsrats auch nicht mangelhaft, weil der Beklagte dem Gremium Beginn und Ende ihres Einsatzes für die F GmbH nicht mitteilte. Diese Umstände bestimmten den Kündigungsentschluss des Beklagten aus seiner subjektiven Sicht nicht. Die Unterrichtung des Betriebsrats über den für den Beklagten allein maßgeblichen Kündigungsgrund der beabsichtigten vollständigen Betriebsstilllegung bis spätestens 31. August 2010 steht zwischen den Parteien nicht im Streit (§ 138 Abs. 3 ZPO). Dieser Umstand war in § 2 des Interessenausgleichs vom 30. April 2010 festgehalten.

45

c) Die Kündigung vom 3. Mai 2010 ist sozial gerechtfertigt.

46

aa) Für die Kündigung bestand ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG.

47

(1) Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG gehört die Stilllegung des gesamten Betriebs. Unter einer Betriebsstilllegung ist die Auflösung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verstehen. Sie besteht darin, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiterzuverfolgen (st. Rspr., vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 47). Der Arbeitgeber kann eine Kündigung auch auf die beabsichtigte Stilllegung des Betriebs stützen. Er muss im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst haben, den Betrieb endgültig und nicht nur vorübergehend stillzulegen. Die geplanten Maßnahmen müssen bei Zugang der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen haben (vgl. nur BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 37 f.).

48

(2) Der Beklagte hat ohne erheblichen Gegenvortrag schlüssig dargelegt, dass der Beschäftigungsbedarf für die Klägerin spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31. August 2010 entfiel.

49

(a) Der Beklagte hat vorgetragen, bereits die Geschäftsführung der Schuldnerin habe mit seiner Zustimmung die Betriebseinstellung bis spätestens 31. August 2010 beschlossen. Hintergrund der Entscheidung sei gewesen, dass auch die Produktion der von der Schuldnerin vertriebenen Teppiche eingestellt worden sei.

50

(aa) Die einer solchen betrieblichen Maßnahme zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit, sondern nur darauf zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist ferner, ob die Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfiel (vgl. zB BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 16).

51

(bb) Die Klägerin hat die vom Beklagten vorgebrachte Entscheidung, den Betrieb stillzulegen, zu keinem Zeitpunkt bestritten. Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung zur Stilllegung nicht auf Dauer getroffen wurde, bestehen nicht und sind von der Klägerin nicht behauptet worden.

52

(b) Zur Umsetzung des Stilllegungsbeschlusses wurde am 30. April 2010 ein Interessenausgleich und ein Sozialplan geschlossen. Das spricht für die ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht des Beklagten (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 40). Auch die Klägerin hat nicht vorgebracht, der Betrieb sei tatsächlich nicht eingestellt, sondern nur der Betriebszweck geändert worden, etwa um gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung zu betreiben. Der Vortrag des Beklagten, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Mai 2010 sei der Geschäftsbetrieb, dh. der Vertrieb von Teppichen, eingestellt worden, ist unbestritten geblieben. Der Beklagte kündigte daraufhin unstreitig allen verbliebenen Arbeitnehmern.

53

(c) Es stünde einer ernsthaften Stilllegungsabsicht nicht entgegen, wenn der Beklagte gekündigte Arbeitnehmer in der Kündigungsfrist noch eingesetzt haben sollte, um vorhandene Aufträge abzuarbeiten. Der Arbeitgeber erfüllt damit lediglich seine Beschäftigungspflicht (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 37; 7. Juli 2005 - 2 AZR 447/04 - zu II 1 a der Gründe). Das gilt entsprechend für den Einsatz der Klägerin in den Räumlichkeiten der Schuldnerin für die F GmbH bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Die Klägerin konnte nur für die F GmbH tätig werden, weil der Beklagte keinen Beschäftigungsbedarf für sie hatte. Der Beklagte hat unwidersprochen darauf hingewiesen, dass die Klägerin ohne die mit der F GmbH getroffene Vereinbarung voraussichtlich bis zum Ende der Kündigungsfrist freigestellt worden wäre. Auch die Klägerin hat nicht behauptet, der vom Beklagten verwaltete Betrieb der Schuldnerin sei auf die F GmbH übergegangen. Sie hat nicht in Zweifel gezogen, dass der Betrieb - wie geplant - zum 31. August 2010 eingestellt wurde.

54

bb) Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit war nicht vorhanden.

55

(1) Das geltend gemachte betriebliche Erfordernis ist nicht dringend iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, wenn der Arbeitnehmer auf einem anderen, freien Arbeitsplatz desselben Betriebs oder eines anderen Betriebs des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Als „frei“ sind grundsätzlich nur solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 24). Es obliegt dem Arbeitnehmer darzulegen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, wenn sein bisheriger Arbeitsplatz weggefallen ist. Erst danach muss der Arbeitgeber erläutern, weshalb eine Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz nicht möglich war (BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 50 mwN).

56

(2) Die Klägerin konnte unstreitig nicht auf einem freien Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen des Beklagten weiterbeschäftigt werden.

57

(3) Eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht bei der F GmbH bestand nicht.

58

(a) Der Beklagte führte mit der F GmbH keinen Gemeinschaftsbetrieb.

59

(aa) Eine Weiterbeschäftigungspflicht auf freien Arbeitsplätzen eines anderen Unternehmens kommt in Betracht, wenn das kündigende Unternehmen mit dem anderen Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb führt. Eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht besteht jedoch nicht, wenn es den Gemeinschaftsbetrieb bei Zugang der Kündigung als solchen bereits nicht mehr gibt. Mit der Beseitigung der einheitlichen Leitungsstruktur ist der Unternehmer des stillzulegenden Betriebs rechtlich nicht mehr in der Lage, eine Weiterbeschäftigung im fortgeführten Betrieb des anderen Unternehmens durchzusetzen (BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 53 mwN).

60

(bb) Die Klägerin hat schon nicht behauptet, die Schuldnerin oder der Beklagte und die F GmbH hätten zu irgendeinem Zeitpunkt einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet. Ein solcher Gemeinschaftsbetrieb wäre aufgrund der Stilllegung des Betriebs der Schuldnerin durch den Beklagten spätestens zum 31. August 2010 aufgelöst worden. Der Beklagte hätte nicht durchsetzen können, dass die Klägerin von der F GmbH weiterbeschäftigt wird.

61

(b) Eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht im Konzern bestand nicht.

62

(aa) Beruft sich der Arbeitnehmer auf konzernweiten Kündigungsschutz, muss er konkret aufzeigen, aus welchen vertraglichen Regelungen sich die konzernweite Weiterbeschäftigungspflicht ableitet und wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt (BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 58 mwN).

63

(bb) Die Klägerin hat bereits nicht die tatsächlichen Voraussetzungen dafür dargelegt, dass die F GmbH sowie die Schuldnerin und später der Beklagte einen Konzern iSv. § 18 Abs. 1 oder 2 AktG bildeten.

64

(cc) Die Klägerin hat auch keinen Konzernbezug ihres Arbeitsverhältnisses geltend gemacht.

65

(aaa) Der mit der Schuldnerin geschlossene Arbeitsvertrag sieht eine konzernweite „Versetzungsmöglichkeit“ nicht vor.

66

(bbb) Der Beklagte übt als Insolvenzverwalter ein ihm vom Gesetz übertragenes Amt aus. Er ist Rechtsnachfolger der Schuldnerin. Schon deswegen ist nicht ersichtlich, wie er auf die „Versetzung“ der Klägerin zur F GmbH bestimmenden gesellschaftsrechtlichen Einfluss hätte nehmen können (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 59 mwN). Auch nach dem Vortrag der Klägerin ergibt sich lediglich eine Absprache zwischen der Geschäftsführung der Schuldnerin oder dem Beklagten und der F GmbH. Danach war der Einsatz der Klägerin für die F GmbH bis 31. August 2010 vorgesehen. Die Klägerin hat nicht behauptet, der Arbeitsvertrag, aufgrund dessen sie die Arbeit für die F GmbH zum 1. September 2010 erneut aufnahm, habe darauf beruht, dass sich die F GmbH gegenüber dem Beklagten zur „Übernahme“ der Klägerin verpflichtet gehabt habe. Sie hat auch nicht geltend gemacht, eine sog. Unterbringungsverpflichtung des Beklagten habe ausnahmsweise aus sonstigen Umständen hergerührt (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 56 ff. mwN).

67

cc) Der Beklagte musste keine soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG treffen. Er beschäftigte über den Kündigungstermin hinaus keine vergleichbaren, weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer.

68

B. Die Klägerin hat nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Oye    

        

    Jerchel    

                 

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

Der Betriebsrat besteht in Betrieben mit in der Regel
5 bis 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus einer Person,
21 bis 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus 3 Mitgliedern,
51 wahlberechtigten Arbeitnehmern
bis 100 Arbeitnehmern aus 5 Mitgliedern,
101 bis 200 Arbeitnehmern aus 7 Mitgliedern,
201 bis 400 Arbeitnehmern aus 9 Mitgliedern,
401 bis 700 Arbeitnehmern aus 11 Mitgliedern,
701 bis 1.000 Arbeitnehmern aus 13 Mitgliedern,
1.001 bis 1.500 Arbeitnehmern aus 15 Mitgliedern,
1.501 bis 2.000 Arbeitnehmern aus 17 Mitgliedern,
2.001 bis 2.500 Arbeitnehmern aus 19 Mitgliedern,
2.501 bis 3.000 Arbeitnehmern aus 21 Mitgliedern,
3.001 bis 3.500 Arbeitnehmern aus 23 Mitgliedern,
3.501 bis 4.000 Arbeitnehmern aus 25 Mitgliedern,
4.001 bis 4.500 Arbeitnehmern aus 27 Mitgliedern,
4.501 bis 5.000 Arbeitnehmern aus 29 Mitgliedern,
5.001 bis 6.000 Arbeitnehmern aus 31 Mitgliedern,
6.001 bis 7.000 Arbeitnehmern aus 33 Mitgliedern,
7.001 bis 9.000 Arbeitnehmern aus 35 Mitgliedern.
In Betrieben mit mehr als 9.000 Arbeitnehmern erhöht sich die Zahl der Mitglieder des Betriebsrats für je angefangene weitere 3.000 Arbeitnehmer um 2 Mitglieder.
-----

*)
Gemäß Artikel 14 Satz 2 des Gesetzes zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVerf-Reformgesetz) vom 23. Juli 2001 (BGBl. I S. 1852) gilt § 9 (Artikel 1 Nr. 8 des BetrVerf-Reformgesetzes) für im Zeitpunkt des Inkrafttretens bestehende Betriebsräte erst bei deren Neuwahl.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,

1.
wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
2.
wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 2. Februar 2011 - 11 Sa 17/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier fristloser Kündigungen. In diesem Zusammenhang streiten sie vorab darüber, ob die Klage gegen eine der Kündigungen verspätet und ggf. nachträglich zuzulassen ist.

2

Die Beklagte betreibt das Krankenhaus M. Der Kläger war dort seit dem 7. Februar 1983 als „OP-Pfleger“ beschäftigt. In der Zeit vom 12. bis 27. Juni 2009 hatte er Erholungsurlaub und hielt sich im Ausland auf.

3

Bei seiner Rückkehr am 27. Juni 2009 fand er in seinem Briefkasten ein Kündigungsschreiben vom 25. Juni 2009 und ein weiteres vom 26. Juni 2009 vor. Im Schreiben vom 25. Juni 2009 erklärte die Beklagte eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen „Arbeitszeitbetrugs“ am 2. Juni 2009. Im Schreiben vom 26. Juni 2009 erklärte sie eine außerordentliche Kündigung, weil der Kläger am 12. Juni 2009 unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben sei, um seinen Urlaub „mit einem Flug nach K vorzeitig anzutreten“.

4

Am 9. Juli 2009 erhob der Kläger zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts Klage mit dem Antrag festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 26. Juni 2009 nicht aufgelöst worden sei. Er legte der Antragsstelle zwar das Kündigungsschreiben vom 26. Juni 2009, nicht aber das vom 25. Juni 2009 vor. Am 13. Juli 2009 suchte der Kläger einen Rechtsanwalt auf und zeigte ihm die Klageschrift vom 9. Juli 2009 sowie beide Kündigungsschreiben; am 16. Juli 2009 entzog er ihm die Vollmacht wieder.

5

Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2009, der am selben Tag beim Arbeitsgericht einging, erhob der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers Klage auch gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009. In der Klagebegründung heißt es, das Schreiben vom 25. Juni 2009 sei dem Kläger zusammen mit dem zweiten Kündigungsschreiben am 27. Juni 2009 zugegangen.

6

Mit Schriftsatz vom 18. August 2009, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugegangen am 20. August 2009, behauptete die Beklagte, das Kündigungsschreiben vom 25. Juni 2009 sei noch am selben Tag in den Briefkasten des Klägers eingeworfen worden.

7

Mit Schriftsatz vom 3. September 2009, beim Arbeitsgericht am selben Tag eingegangen, beantragte der Kläger, die gegen die außerordentliche Kündigung vom 25. Juni 2009 gerichtete Klage nachträglich zuzulassen.

8

Der Kläger hat mit Nichtwissen bestritten, dass die Kündigungserklärung vom 25. Juni 2009 noch am selben Tag in seinen Briefkasten eingeworfen worden sei. Er hat die Auffassung vertreten, die gegen diese Kündigung gerichtete Klage sei für den Fall, dass dem doch so gewesen sei, nachträglich zuzulassen. Er habe annehmen dürfen, dass er mit seiner Klage gegen die Kündigung vom 26. Juni 2009 zugleich die Kündigung vom Tag zuvor angegriffen habe. Auch habe er annehmen dürfen, dass die Klagefrist erst begonnen habe, nachdem er von den Kündigungserklärungen am 27. Juni 2009 tatsächlich Kenntnis erhalten habe. Er habe ferner davon ausgehen können, dass der ursprünglich von ihm beauftragte Rechtsanwalt noch vor der Mandatsbeendigung die Klage entsprechend erweitert habe. Der Kläger hat behauptet, erst mit Zugang des Schriftsatzes vom 18. August 2009 davon erfahren zu haben, dass die Beklagte das Kündigungsschreiben vom 25. Juni 2009 noch am Ausstellungstag in seinen Briefkasten eingelegt haben will.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 25. Juni 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die mit Schriftsatz vom 17. Juli 2009 erhobene Klage gegen die fristlose Kündigung vom 25. Juni 2009 nachträglich zuzulassen;

        

3.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 26. Juni 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

4.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Tatbestände geendet hat, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 26. Juni 2009 hinaus fortbesteht.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 nicht rechtzeitig Klage erhoben.

11

Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf nachträgliche Zulassung durch Zwischenurteil zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen eingelegte Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 war verspätet. Gründe für ihre nachträgliche Zulassung liegen nicht vor.

13

I. Gegenstand der Revision ist allein der Zwischenstreit über den Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung seiner Klage gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009.

14

1. Das Arbeitsgericht hat das Verfahren zunächst auf den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage beschränkt und darüber durch Zwischenurteil (§ 303 ZPO) entschieden. Dies ist auch nach Einführung des sog. Verbundverfahrens zum 1. April 2008 gem. § 5 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 KSchG zulässig. Im Rahmen des Zwischenstreits ist zu prüfen, ob die Klage verspätet war und ggf. nachträglich zuzulassen ist. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ist ein Hilfsantrag für den Fall, dass die Klage verspätet ist. Das Gericht darf daher über den Antrag nur entscheiden, wenn es zu der Ansicht gelangt ist, der Kläger habe gegen eine dem Arbeitgeber zuzurechnende Kündigung verspätet Klage erhoben (BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 732/08 - Rn. 17, BAGE 131, 105; Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 46 Rn. 118).

15

2. Nach rechtskräftigem Abschluss des Zwischenstreits hat das Arbeitsgericht unter Beachtung von § 318 ZPO von Amts wegen abschließend über die Kündigungsschutzklage zu entscheiden.

16

II. Die Revision ist unbegründet. Der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

17

1. Der Antrag ist gem. § 5 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG zulässig. Er ist insbesondere innerhalb der Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG gestellt worden. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, der Kläger habe entsprechend seinem Vorbringen erst am 20. August 2009 erfahren, dass das Kündigungsschreiben vom 25. Juni 2009 noch an diesem Tag in seinen Briefkasten eingeworfen worden sei. Mit seinem am 3. September 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger folglich innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG beantragt, die gegen diese Kündigung gerichtete Klage nachträglich zuzulassen.

18

2. Der Antrag ist unbegründet.

19

a) Die am 17. Juli 2009 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 wahrte nicht die Frist des § 4 Satz 1 KSchG. Das Kündigungsschreiben war dem Kläger iSv. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB noch am 25. Juni 2009 zugegangen. Die Kündigungsschutzklage hätte daher spätestens am 16. Juli 2009 beim Arbeitsgericht eingehen müssen. Die am 9. Juli 2009 zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle erhobene Klage richtete sich allein gegen die Kündigung vom 26. Juni 2009. Der Beklagten ist es auch mit Blick auf § 242 BGB nicht verwehrt, sich auf die Versäumung der Frist für eine Klage gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 zu berufen.

20

aa) Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wird eine unter Abwesenden abgegebene Willenserklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie dem Empfänger zugeht.

21

(1) Eine verkörperte Willenserklärung ist zugegangen, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen (BAG 11. November 1992 - 2 AZR 328/92 - zu III 1 der Gründe, AP BGB § 130 Nr. 18 = EzA BGB § 130 Nr. 24; 16. März 1988 - 7 AZR 587/87 - zu I 1 der Gründe, BAGE 58, 9; BGH 11. April 2002 - I ZR 306/99 - zu II der Gründe, NJW 2002, 2391). Zum Bereich des Empfängers gehören auch von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtungen wie zB ein Briefkasten (Palandt/Ellenberger 70. Aufl. § 130 BGB Rn. 5). Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den „Gepflogenheiten des Verkehrs“ zu beurteilen (BAG 8. Dezember 1983 - 2 AZR 337/82 - zu B II 2 a der Gründe, AP BGB § 130 Nr. 12 = EzA BGB § 130 Nr. 13; BGH 3. November 1976 - VIII ZR 140/75 - zu 2 b aa der Gründe, BGHZ 67, 271; Palandt/Ellenberger aaO; Staudinger/Dilcher BGB § 130 Rn. 21). So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist (vgl. BAG 8. Dezember 1983 - 2 AZR 337/82 - aaO; Palandt/Ellenberger aaO Rn. 6; jurisPK-BGB/Reichold 5. Aufl. § 130 Rn. 12). Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, sondern im Interesse der Rechtssicherheit zu generalisieren (vgl. BGH 21. Januar 2004 - XII ZR 214/00 - zu II 2 b der Gründe, EzA BGB 2002 § 130 Nr. 3; Palandt/Ellenberger aaO). Bei Hausbriefkästen ist mit einer Leerung im Allgemeinen zum Zeitpunkt der üblichen Postzustellzeiten zu rechnen, die allerdings stark variieren können (Reichold aaO).

22

(2) Wenn danach für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist es unerheblich, ob und wann er die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat und ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war (BAG 11. November 1992 - 2 AZR 328/92 - zu III 1 der Gründe, AP BGB § 130 Nr. 18 = EzA BGB § 130 Nr. 24; 16. März 1988 - 7 AZR 587/87 - zu I 1 der Gründe, BAGE 58, 9; BGH 21. Januar 2004 - XII ZR 214/00 - zu II 2 b der Gründe, EzA BGB 2002 § 130 Nr. 3). In diesem Fall trifft den Empfänger die Obliegenheit, die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu treffen. Unterlässt er dies, so wird der Zugang durch solche - allein in seiner Person liegende - Gründe nicht ausgeschlossen (BGH 21. Januar 2004 - XII ZR 214/00 - aaO). Ein an die Heimatanschrift des Arbeitnehmers gerichtetes Kündigungsschreiben kann diesem deshalb selbst dann zugehen, wenn der Arbeitgeber von einer urlaubsbedingten Ortsabwesenheit weiß (BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 461/03 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 22 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 9; 16. März 1988 - 7 AZR 587/87 - zu I 4 a der Gründe, BAGE 58, 9).

23

Daran hält der Senat auch angesichts der Kritik der Revision fest. Es besteht keine rechtliche Notwendigkeit, dem Urlaub des Arbeitnehmers allein in der Rechtsbeziehung zum Arbeitgeber eine zugangshemmende Wirkung zukommen zu lassen, während dies im sonstigen Rechtsverkehr nicht der Fall ist (BAG 11. August 1988 - 2 AZR 11/88 - zu III 1 der Gründe, RzK I 2c Nr. 14; 16. März 1988 - 7 AZR 587/87 - zu I 1 der Gründe mwN, BAGE 58, 9). Ist ein Arbeitnehmer infolge von Urlaubsabwesenheit unverschuldet an einer rechtzeitigen Klageerhebung nach § 4 Satz 1 KSchG gehindert, besteht die Möglichkeit einer nachträglichen Zulassung seiner Klage gemäß § 5 KSchG. Dem Arbeitgeber wiederum muss es möglich sein, den Zugang einer Kündigung auch während einer urlaubsbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers zu bewirken, nicht zuletzt, um Erklärungsfristen wie etwa nach § 626 Abs. 2 BGB wahren zu können.

24

bb) Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dem Kläger sei das Kündigungsschreiben vom 25. Juni 2009 durch Einwurf in seinen Hausbriefkasten gegen 13:00 Uhr noch am selben Tag zugegangen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

25

(1) Das Landesarbeitsgericht hat nach Beweisaufnahme für wahr gehalten, dass das Kündigungsschreiben vom 25. Juni 2009 an diesem Tag gegen 13:00 Uhr in den Briefkasten des Klägers eingeworfen wurde.

26

(a) Eine vom Berufungsgericht nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommene Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme ist durch das Revisionsgericht nur begrenzt überprüfbar. Dieses kann lediglich prüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und Grenzen des § 286 ZPO gewahrt und eingehalten hat. Revisionsrechtlich von Bedeutung ist nur, ob das Berufungsgericht den gesamten Inhalt der Verhandlung berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei und ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt ist und ob sie rechtlich möglich ist. Dabei verlangt die Berücksichtigung der Ergebnisse einer Beweisaufnahme nicht eine Würdigung jeder einzelnen Ausführung eines Sachverständigen oder Zeugen. Ausreichend ist, dass das Berufungsgericht insgesamt widerspruchsfrei und umfassend zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen hat. Zu verlangen ist allerdings, dass alle wesentlichen Aspekte in der Begründung des Gerichts erwähnt und gewürdigt worden sind (BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 51, EzA TzBfG § 17 Nr. 14; 18. Januar 2007 - 2 AZR 759/05 - Rn. 28, PatR 2008, 34; BGH 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91 - zu B II 3 a der Gründe, NJW 1993, 935).

27

(b) Unter Anwendung dieser Grundsätze hält die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat insgesamt widerspruchsfrei und umfassend zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen. Es hat die Aussage des Zeugen T insbesondere deshalb für glaubhaft gehalten, weil sie sich in den wesentlichen Geschehensabläufen mit derjenigen des Zeugen Ko decke.

28

(aa) Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht keine wesentlichen Teile des Beweisergebnisses unberücksichtigt gelassen.

29

Der Kläger macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe nicht gewürdigt, dass der Zeuge T die Unwahrheit gesagt haben müsse, als er bekundete, er habe nicht gewusst, dass der Kläger ortsabwesend gewesen sei. Dies ergebe sich daraus, dass die Kündigung vom 26. Juni 2009 damit begründet worden sei, er - der Kläger - habe mit einem Flug nach K am 12. Juni 2009 vorzeitig seinen Urlaub angetreten, und der Zeuge T bekundet habe, die Kündigungsschreiben selbst erstellt zu haben.

30

Der vermeintliche Widerspruch in der Aussage des Zeugen besteht nicht. Es kann dahinstehen, ob sich das Landesarbeitsgericht anderenfalls damit hätte auseinandersetzen müssen. Der Zeuge hat nicht bekundet, er habe „die“, also beide Kündigungsschreiben selbst erstellt. Er hat lediglich ausgesagt, er habe „am 25. Juni 2009“ „ein bereits vorgefertigtes Kündigungsschreiben“ einem der Geschäftsführer zur Unterschrift vorgelegt bzw. „das Kündigungsschreiben selbst vorbereitet“. Die Aussage betraf die Kündigung vom 25. Juni 2009. Auch Thema des Beweises war nur das Kündigungsschreiben vom 25. Juni 2009. Zudem müsste der Zeuge selbst dann, wenn er auch das Kündigungsschreiben vom 26. Juni 2009 gefertigt hätte, nicht zwangsläufig schon am 25. Juni 2009 Kenntnis von der Auslandsreise des Klägers gehabt haben. Im Übrigen folgt aus einer Kenntnis des Umstands, dass der Kläger am 12. Juni 2009 nach K geflogen ist, nicht notwendig, es habe bekannt sein müssen, dass er auch am 25. Juni 2009 noch ortsabwesend war.

31

Der Kläger rügt ferner, es sei ungewürdigt geblieben, dass der Zeuge in der Güteverhandlung als Vertreter der Beklagten anwesend gewesen und zudem bereits vom Arbeitsgericht vernommen worden sei. Entgegen der Auffassung des Klägers musste das Landesarbeitsgericht jedoch auf diese Umstände nicht noch einmal gesondert eingehen. Der Umstand, dass der Zeuge schon erstinstanzlich vernommen wurde, war für das Gericht ersichtlich ohne besondere Bedeutung für die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit. Das ist ohne Weiteres nachzuvollziehen. Auch der Kläger begründet nicht näher, warum dieser Umstand gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen spreche. Er macht nicht etwa geltend, es habe Widersprüche zwischen erst- und zweitinstanzlicher Aussage gegeben. Soweit der Zeuge als Vertreter der Beklagten am Gütetermin teilgenommen hatte, hat das Landesarbeitsgericht diesen Umstand nicht unberücksichtigt gelassen. Zum einen hat es sich die Begründung des Arbeitsgerichts zu Eigen gemacht, welches den Zeugen ausdrücklich auch unter Berücksichtigung seiner Anwesenheit in der Güteverhandlung für glaubwürdig gehalten hat. Zum anderen ergibt sich aus seinen weiteren Ausführungen, in denen die Anwesenheit des Zeugen im Gütetermin erneut thematisiert wird, dass es diesen Umstand nicht übersehen hat.

32

(bb) Es stellt - anders als der Kläger meint - keinen Verstoß gegen Denkgesetze dar, dass das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die in Anwesenheit des Zeugen T erfolgte Darstellung des Geschäftsführers der Beklagten im Gütetermin, die Kündigung vom 26. Juni 2009 sei erst am 27. Juni 2009 in den Briefkasten eingeworfen worden, beruhe auf einer Information durch Dritte. Für das Landesarbeitsgericht war der Widerspruch zwischen dieser Darstellung des Geschäftsführers und der Aussage des Zeugen T über den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 26. Juni 2009 schon deshalb nicht entscheidend, weil Gegenstand der Beweisaufnahme nicht die Kündigung vom 26. Juni 2009, sondern diejenige vom 25. Juni 2009 war. Soweit es ausgeführt hat, ohnehin seien Datumsangaben, zumal wenn sie auf der Information Dritter beruhten, erfahrungsgemäß irrtumsanfällig, stellt es ersichtlich darauf ab, der Geschäftsführer habe die Erklärung nicht aus eigener Kenntnis der Umstände abgegeben, sondern nach Information durch eine andere Person. Der Kläger behauptet nicht, es habe sich entgegen dieser Annahme um eine Erklärung des Zeugen T selbst gehandelt. Dies ergibt sich auch nicht aus der Sitzungsniederschrift über die Güteverhandlung. Darin ist lediglich eine Erklärung „des Beklagtenvertreters“ vermerkt, ohne nähere Angabe dazu, welcher der beiden Beklagtenvertreter sie abgegeben hat.

33

(2) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, das Kündigungsschreiben vom 25. Juni 2009 sei dem Kläger am selben Tag iSv. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugegangen, weil nach den objektiv zu bestimmenden gewöhnlichen Verhältnissen bei einem Einwurf in den Hausbriefkasten gegen 13:00 Uhr mit einer Kenntnisnahme noch am selben Tag zu rechnen gewesen sei.

34

(a) Allerdings lässt sich dem nicht - wie nach der Zweitbegründung des Landesarbeitsgerichts - die Annahme zugrunde legen, es sei wegen der zwischenzeitlich erfolgten „Liberalisierung“ der Briefzustellung mit Einwürfen in einen vorgehaltenen Hausbriefkasten - allgemein oder ortsüblich - noch bis 17:00 Uhr eines Tages zu rechnen. Das Landesarbeitsgericht hat zu den tatsächlichen Grundlagen einer solchen - gewandelten - Verkehrsanschauung keine Feststellungen getroffen. Es ist auch nicht ersichtlich, auf welches möglicherweise eigene Erfahrungswissen es insoweit abgestellt hätte.

35

(b) Hingegen ist die Erstbegründung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Danach war am Wohnort des Klägers jedenfalls bis 14:00 Uhr gewöhnlich mit Zustellungen zu rechnen. Hierfür stützt sich das Landesarbeitsgericht maßgeblich auf die Auskunft der Deutschen Post AG vom 16. Juli 2010. Dieser zufolge beginnt die Zustellung am Wohnort des Klägers in der Regel um 8:15 Uhr und endet „mit Erreichung der gesetzlichen Arbeitszeitvorschriften“. Der beispielhaft beigelegte Dienstplan weist für den zuständigen Zusteller eine Dienstzeit an vier von sechs Arbeitstagen bis 14:05 Uhr aus.

36

Es hält sich innerhalb des Wertungsspielraums der Tatsacheninstanz, wenn das Landesarbeitsgericht auch angesichts der Ausführungen im letzten Absatz der Auskunft nicht davon ausgegangen ist, am Wohnort des Klägers sei mit Briefzustellungen gewöhnlich nur bis zu einem Zeitpunkt vor 14:00 Uhr, oder gar - mit Blick auf den Streitfall - vor 13:00 Uhr zu rechnen gewesen. Die Deutsche Post AG hat dort mitgeteilt: „Bei normalen Sendungsaufkommen und der Tatsache, dass sich der Zustellabschnitt in der ersten Hälfte befindet, können wir von einer Zustellzeit gegen Mittag ausgehen“. Zum einen bezeichnet die Angabe „gegen Mittag“ keine eindeutige Uhrzeit. Zum anderen ergibt sich aus dem Hinweis auf den Umfang des Sendungsaufkommens und die Lage des Zustellabschnitts, dass zeitliche Schwankungen oder Veränderungen nicht ausgeschlossen sind.

37

(c) Darauf, ob die Beklagte bei Einwurf des Kündigungsschreibens vom 25. Juni 2009 Kenntnis vom Aufenthalt des Klägers im Ausland hatte, kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht an. Maßgeblich ist allein, ob unter gewöhnlichen Umständen mit einer Kenntnisnahme des Kündigungsschreibens durch den Kläger noch am 25. Juni 2009 zu rechnen war. Hierfür ist im Interesse der Rechtssicherheit auf die üblichen Zustellzeiten der Briefpost abzustellen, nicht auf persönliche Besonderheiten des Erklärungsempfängers. Im Übrigen lässt sich daraus, dass im Schreiben vom 26. Juni 2009 als Kündigungsgrund angegeben ist, der Kläger habe durch einen Flug nach K am 12. Juni 2009 vorzeitig seinen Urlaub angetreten, nicht schließen, der Beklagten habe bekannt sein müssen, dass sich der Kläger auch am 25. Juni 2009 noch im Ausland aufhielt.

38

cc) Gegen die demnach noch am 25. Juni 2009 zugegangene Kündigung vom selben Tag hätte der Kläger nach § 4 Satz 1 KSchG spätestens am 16. Juli 2009 (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB) Kündigungsschutzklage erheben müssen. Die Kündigung ist jedoch erst mit der am 17. Juli 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden. Die am 9. Juli 2009 zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle erhobene Klage hat die Klagefrist in Bezug auf diese Kündigung nicht gewahrt. Sie richtete sich nur gegen die Kündigung vom 26. Juni 2009 und enthielt keinen allgemeinen Feststellungsantrag. Nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung der Vorinstanzen handelte es sich bei den Kündigungserklärungen vom 25. und 26. Juni 2009 nicht etwa nur um eine einzige, lediglich doppelt verlautbarte Kündigung (vgl. dazu BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 17, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 6. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 38, AP BGB § 626 Nr. 208 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 18). Es lagen vielmehr zwei eigenständige Kündigungen vor. Das Arbeitsgericht und ihm folgend das Landesarbeitsgericht stellen rechtsfehlerfrei darauf ab, die Kündigungsschreiben ließen sich auch nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont nur als zwei nebeneinander gewollte, jeweils eigenständig auf eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtete Willenserklärungen verstehen. So tragen die Kündigungsschreiben verschiedene Daten, die Beklagte hat darin jeweils ausdrücklich eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers ausgesprochen und sie hat die Kündigungen auf unterschiedliche, in den Kündigungsschreiben im einzelnen näher ausgeführte Kündigungssachverhalte gestützt.

39

dd) Im Streitfall kann dahinstehen, ob besondere Umstände in Betracht kommen, unter denen sich ein Arbeitgeber nach § 242 BGB ausnahmsweise nicht auf einen Zugang eines an die Heimatanschrift gerichteten Kündigungsschreibens berufen kann, wenn er die Urlaubsanschrift des Arbeitnehmers kannte(vgl. BAG 16. März 1988 - 7 AZR 587/87 - zu I 4 a der Gründe, BAGE 58, 9). Der Kläger hat nicht behauptet, der Beklagten sei seine Urlaubsanschrift bekannt gewesen.

40

b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, Gründe für eine nachträgliche Zulassung der Klage gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 lägen nicht vor, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Der Kläger greift sie mit der Revision auch nicht mehr an.

41

aa) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist eine Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage rechtzeitig beim Arbeitsgericht zu erheben. Dabei ist ihm das Verschulden eines (Prozess-)Bevollmächtigten an der Versäumung der gesetzlichen Klagefrist nach § 4 Satz 1 KSchG gem. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen(vgl. BAG 11. Dezember 2008 - 2 AZR 472/08 - Rn. 23, BAGE 129, 32).

42

bb) Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er unverschuldet iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG daran gehindert gewesen wäre, die Klage gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 rechtzeitig zu erheben.

43

(1) Trotz seiner Urlaubsabwesenheit wäre es ihm möglich gewesen, rechtzeitig bis zum Ablauf der Drei-Wochen-Frist am 16. Juli 2009 Klage auch gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 zu erheben. Er hat nach seiner Rückkehr am 27. Juni 2009 die Kündigung vom 25. Juni 2009 zusammen mit derjenigen vom 26. Juni 2009 in seinem Briefkasten vorgefunden.

44

(2) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, das Vorbringen des Klägers, er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass er gegen jede einzelne Kündigung vorgehen müsse, schließe sein Verschulden nicht aus. Es gehört zu den für jeden Arbeitnehmer geltenden Sorgfaltspflichten, sich zumindest nach Ausspruch einer Kündigung unverzüglich darum zu kümmern, ob und wie er dagegen vorgehen kann (vgl. BAG 26. August 1993 - 2 AZR 376/93 - zu B I 2 c aa der Gründe, AP LPVG NW § 72 Nr. 8 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 47; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 5 KSchG Rn. 11).

45

(3) Ob der Kläger selbst das Unterbleiben der rechtzeitigen Klageerhebung gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 zu vertreten hat, weil er dem am 13. Juli 2009 unter Vorlage beider Kündigungsschreiben mandatierten Rechtsanwalt das Mandat noch während des Laufs der Klagefrist wieder entzogen hat, bedarf keiner Entscheidung. Selbst wenn dieser die Versäumung der Klagefrist zu vertreten hätte, müsste sich der Kläger das nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Ebenso kann wegen dieser Bestimmung dahinstehen, ob eine uU auch nach Mandatierung seines jetzigen Prozessbevollmächtigten noch mögliche rechtzeitige Klageerweiterung infolge von dessen oder infolge eigenen Verschuldens des Klägers unterblieben ist.

46

(4) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, die Klagefrist gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 sei nicht wegen eines unverschuldeten Irrtums der Prozessbevollmächtigten darüber, wann die Kündigung dem Kläger zugegangen sei, versäumt worden. Vielmehr habe der Bevollmächtigte angesichts des Datums des Kündigungsschreibens und des zweifelsfrei erkennbaren Umstands, dass dieses nicht mit der Post befördert worden sei, einen Zugang bereits am 25. Juni 2009 in Betracht ziehen müssen. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Irrtum über die für die Fristberechnung erheblichen tatsächlichen Umstände kann nur dann zur nachträglichen Klagezulassung führen, wenn er unverschuldet ist (vgl. für die Wiedereinsetzung Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 233 Rn. 23 Stichwort „Irrtum“). Das war hier nicht der Fall. Vielmehr muss auch die mögliche Unrichtigkeit einer Parteiinformation in Betracht gezogen und müssen bestehende Zweifel ausgeräumt werden (vgl. Zöller/Greger aaO).

47

III. Die Kosten seines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat der Kläger zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    Beckerle    

        

    Torsten Falke    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 8. Juni 2011 - 4 Sa 252/10 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 4. März 2010 - 4 Ca 8208/09 - in den Ziffern 3. und 4. abgeändert und insoweit die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 93/100 und die Beklagte 7/100 zu tragen. Die Kosten der Berufung und der Revision hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über Vergütung wegen Annahmeverzugs für den Monat Oktober 2009.

2

Der 1959 geborene Kläger war seit Juni 1991 bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt und bezog zuletzt ein Bruttomonatsentgelt iHv. 2.200,00 Euro.

3

Der vormalige, zwischenzeitlich einem Krebsleiden erlegene Inhaber der Beklagten suchte den damals arbeitsunfähigen Kläger am 27. Juni 2009 zuhause auf und übergab ihm ein auf den 30. Juni 2009 vordatiertes Schreiben, das lautet:

        

„K Ü N D I G U N G

        

Sehr geehrter Herr Sch,

        

hiermit kündigen wir Ihnen fristgemäß zum 30.09.09.

        

Die Kündigung erfolgt aus betriebsbedingten Gründen.

        

Mit freundlichen Grüßen

        

D S“   

4

Vom Kläger, der eine außerordentliche Kündigung vermeiden wollte, darauf angesprochen, versicherte Herr S, er habe dies geprüft. Die ordnungsgemäße Frist zum 30. September 2009 sei wie das Wort „fristgemäß“ ausdrücklich im Kündigungsschreiben enthalten. Der Kläger zeichnete das Kündigungsschreiben gegen und wurde von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt.

5

Zum 1. November 2009 ging der Kläger ein neues Arbeitsverhältnis ein, in dem er 1.800,00 Euro brutto monatlich verdiente.

6

Mit einem per Telefax am 27. Oktober 2009 eingereichten und der Beklagten am 31. Oktober 2009 zugestellten Schriftsatz hat der Kläger zunächst Kündigungsschutzklage erhoben, mit der er die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung geltend gemacht hat. Außerdem hat er einen allgemeinen Feststellungsantrag anhängig gemacht und ein Zeugnis sowie - für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag - Weiterbeschäftigung begehrt. Darüber hinaus hat er „vorsorglich Wiedereinsetzung“ beantragt und dazu unter Beweisantritt vorgetragen, er sei im Anschluss an die Übergabe des Kündigungsschreibens schwer erkrankt und weder prozess- noch geschäftsfähig gewesen. Erst am 26. Oktober 2009 sei er wieder soweit hergestellt gewesen, dass er erkannte, der Beklagten müsse bei der Kündigungsfrist offenbar ein Irrtum unterlaufen sein.

7

Nach der Güteverhandlung hat der Kläger erklärt, es sei ihm - auch wenn Wiedereinsetzungsgründe vorlägen - nur noch an der Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist und dem Erhalt der entsprechenden Vergütung gelegen. Er sei im Oktober 2009 arbeitslos gewesen, habe aber wegen fehlender Arbeitsbescheinigung kein Arbeitslosengeld erhalten.

8

Der Kläger hat erstinstanzlich - unter Klagerücknahme im Übrigen - zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.760,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.200,00 Euro seit dem 1. November 2009, weiteren 160,00 Euro seit dem 1. Dezember 2009 und weiteren 400,00 Euro seit dem 1. Januar 2010 zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses eine Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III auszustellen und zuzusenden.

9

Die Beklagte hat wegen eines Betrags von 2.200,00 Euro brutto Klageabweisung beantragt und im Übrigen die Anträge anerkannt. Sie hat zunächst geltend gemacht, im Monat Oktober 2009 nicht im Annahmeverzug gewesen zu sein. Der Kläger habe erstmals mit der Zustellung der Kündigungsschutzklage seine Arbeitsleistung angeboten und zuvor das Arbeitsverhältnis für beendet gehalten. In der Revisionsinstanz hat die Beklagte sich darauf berufen, die Kündigung sei nach § 7 KSchG zum 30. September 2009 wirksam geworden und habe das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt beendet.

10

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Teilanerkenntnis- und Schlussurteil stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für den Monat Oktober 2009 beschränkte Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht zurückgewiesen. Die Klage ist, soweit sie in der Revisionsinstanz anhängig geworden ist, unbegründet. Der Kläger hat für den Monat Oktober 2009 keinen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs gemäß § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB.

12

I. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat durch die Kündigung der Beklagten nicht zum 30. September 2009, sondern erst zum 31. Dezember 2009 geendet. Davon geht das Landesarbeitsgericht mit der Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts im Ergebnis zutreffend aus.

13

1. Die ordentliche, auf den 30. Juni 2009 vordatierte und zum 30. September 2009 ausgesprochene Kündigung der Beklagten hat die gesetzliche - verlängerte - Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht gewahrt. Ohne dass es auf den wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht mehr anwendbaren § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB(vgl. EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 43, Slg. 2010, I-365; BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 18 mwN, BAGE 135, 255) ankäme, hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum Zeitpunkt der Kündigung mehr als 15 Jahre bestanden. Die Kündigungsfrist beträgt somit nach § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats. Das Arbeitsverhältnis konnte deshalb durch eine am 27. Juni 2009 übergebene ordentliche Kündigung erst zum 31. Dezember 2009 beendet werden.

14

2. Die Kündigung der Beklagten ist nicht nach § 7 KSchG zum 30. September 2009 wirksam geworden.

15

Ob bei einer ordentlichen Kündigung die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist mit der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht werden muss, hängt davon ab, ob die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung führt. Das ist der Fall, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt. Bedürfte die Kündigung der Umdeutung in ein anderes Rechtsgeschäft, nämlich in eine Kündigung mit zulässiger Frist, gilt die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nach § 7 KSchG als rechtswirksam und beendet das Arbeitsverhältnis zum „falschen Termin“, wenn die zu kurze Kündigungsfrist nicht als anderer Rechtsunwirksamkeitsgrund binnen drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege(§ 4 Satz 1, § 6 KSchG) geltend gemacht worden ist (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 20, BAGE 135, 255; vgl. auch APS/Linck 4. Aufl. § 622 BGB Rn. 66 ff.; ErfK/Kiel 13. Aufl. § 4 KSchG Rn. 5; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 6 KSchG Rn. 18 ff.; KR/Rost 10. Aufl. § 7 KSchG Rn. 3b und KR/Friedrich 10. Aufl. § 13 KSchG Rn. 289; Schwarze Anm. zu BAG AP KSchG 1969 § 4 Nr. 71, jeweils mwN zum Streitstand im Schrifttum). Insoweit besteht entgegen der Auffassung des Klägers keine Divergenz zwischen dem Fünften und dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 12, BAGE 135, 278).

16

3. Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat allerdings in der Vergangenheit angenommen, die Auslegbarkeit einer ordentlichen Kündigung mit fehlerhafter Kündigungsfrist als solche zum richtigen Kündigungstermin sei der Regelfall. Denn der Empfänger der Kündigungserklärung dürfe sich nicht einfach auf den wörtlichen Sinn der Erklärung verlassen, sondern müsse seinerseits unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände, die dafür von Bedeutung sein können, danach trachten, das Gemeinte zu erkennen. Bei einer ordentlichen Kündigung sei für den Kündigungsadressaten erkennbar, dass der Kündigende die einzuhaltende Kündigungsfrist grundsätzlich wahren wolle, weil er aufgrund gesetzlicher, tariflicher oder einzelvertraglicher Regelungen an sie gebunden sei (BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 25 ff., BAGE 116, 336; dem folgend: BAG 9. Februar 2006 - 6 AZR 283/05 - Rn. 32, BAGE 117, 68; ausdrücklich offengelassen: BAG 21. August 2008 - 8 AZR 201/07 - Rn. 31; nicht entscheidungserheblich: BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 13, BAGE 135, 278). Einer solchen Auslegungsregel fehlt die hinreichende Tatsachenbasis. Ob Arbeitgeber tatsächlich stets - und für die Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger erkennbar - die objektive einzuhaltende Kündigungsfrist wahren wollen, ist bislang empirisch unerforscht geblieben. Zudem ist eine Kündigung zum 30. September ein anderes Rechtsgeschäft als eine solche zum 31. Dezember. Das Risiko, einen ausdrücklich genannten Kündigungstermin rechtlich zutreffend bestimmt zu haben, darf nicht auf den Empfänger der Kündigungserklärung abgewälzt werden (zutr. Schwarze Anm. zu BAG AP KSchG 1969 § 4 Nr. 71; vgl. auch vHH/L/Linck 15. Aufl. § 4 KSchG Rn. 22a).

17

4. Ob eine ordentliche Kündigung mit objektiv fehlerhafter Kündigungsfrist im Regelfall als eine solche mit rechtlich zutreffender Kündigungsfrist ausgelegt werden kann, bedarf keiner abschließenden Entscheidung des Senats. Im Streitfall kann die Kündigung der Beklagten nach ihrem Inhalt und den festgestellten Begleitumständen als eine solche zum 31. Dezember 2009 ausgelegt werden.

18

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungserklärung der Beklagten nicht ausgelegt, sondern ist durch Bezugnahme auf das Urteil des Arbeitsgerichts ohne nähere Begründung der Auslegungsregel des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts gefolgt, obwohl es in der Berufungsverhandlung zur Erläuterung seines Vergleichsvorschlags noch auf - vermeintlich - „unterschiedliche Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts“ hingewiesen hatte. Die Auslegung der atypischen Willenserklärung kann der Senat aber selbst vornehmen, weil der erforderliche Sachverhalt vollständig festgestellt und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (st. Rspr., vgl. nur BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 24 mwN, BAGE 135, 225).

19

b) Gegen eine Auslegung als Kündigung zum 31. Dezember 2009 spricht, dass die Kündigungserklärung ausdrücklich das Datum 30. September 2009 enthält. Damit hat die Beklagte den Wirkungszeitpunkt ihrer Willenserklärung bestimmt und grundsätzlich das Risiko der rechtlichen Zulässigkeit des Termins übernommen. Das Datum relativiert sich aber durch den Zusatz „fristgemäß zum“. Damit lässt die Kündigungserklärung erkennen, dass die Beklagte auch Wert darauf legte, die maßgebliche Kündigungsfrist einzuhalten (insoweit aA Schwarze Anm. zu BAG AP KSchG 1969 § 4 Nr. 71). Ob es der Beklagten entscheidend auf das Datum oder die Einhaltung der „richtigen“ Kündigungsfrist angekommen ist, erschließt sich aus den vom Landesarbeitsgericht durch Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung festgestellten, außerhalb der Kündigungserklärung liegenden Begleitumständen. Diese bieten hinreichende Anhaltspunkte dafür, die Beklagte habe die Kündigung (auch) zu einem anderen Termin gewollt als (nur) zu dem im Kündigungsschreiben festgehaltenen Datum. Denn bei der Übergabe des Kündigungsschreibens wurde dem Kläger auf sein Begehr, keine außerordentliche Kündigung zu erhalten, von dem damaligen Inhaber der Beklagten versichert, er habe dies geprüft, die ordnungsgemäße Frist sei im Kündigungsschreiben benannt. Daraus ist - für den Kläger erkennbar - deutlich geworden, dass es der Beklagten wesentlich um die Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist ging und sich das in das Kündigungsschreiben aufgenommene Datum lediglich als das Ergebnis einer fehlerhaften Berechnung der zutreffenden Kündigungsfrist erweist.

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c) Einer Auslegung der Kündigungserklärung als Kündigung zum 31. Dezember 2009 steht das Bestimmtheitsgebot nicht entgegen. Danach muss sich aus der Kündigungserklärung ergeben, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet werden soll (BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 24, BAGE 116, 336), ohne dass der Arbeitnehmer darüber rätseln muss, zu welchem anderen als in der Kündigungserklärung genannten Termin der Arbeitgeber die Kündigung gewollt haben könnte (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 27, BAGE 135, 225). Dem genügt die Kündigung der Beklagten. Sie enthält nicht nur ein bestimmtes Datum, sondern den Zusatz „fristgemäß zum“. Nachdem zwischen den Parteien außer Streit steht, dass für ihr Arbeitsverhältnis keine anderen als die gesetzlichen Kündigungsfristen gelten, kann der Kläger anhand von § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB in einem einfachen Rechenschritt die maßgebliche Kündigungsfrist selbst berechnen, ohne dass er von § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB in die Irre geführt werden könnte.

21

II. Die Beklagte befand sich im Monat Oktober 2009 nicht im Annahmeverzug.

22

1. Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Streiten die Parteien über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, genügt gemäß § 295 BGB ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers, weil der Arbeitgeber mit der Berufung auf das Ende des Arbeitsverhältnisses erklärt, er werde keine weitere Arbeitsleistung mehr annehmen. Dieses wörtliche Angebot kann darin liegen, dass der Arbeitnehmer gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses protestiert und/oder eine Bestandsschutzklage einreicht (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 28 mwN). Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von der Anwendbarkeit des § 296 BGB aus(zuletzt BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 14; 16. April 2013 - 9 AZR 554/11 - Rn. 18, jeweils mwN). Soweit der Zweite Senat in einer älteren Entscheidung (BAG 21. März 1996 - 2 AZR 362/95 -) angenommen hat, § 296 BGB könne auch im ungekündigten Arbeitsverhältnis Anwendung finden, hält der nunmehr nach dem Geschäftsverteilungsplan für die Vergütung wegen Annahmeverzugs allein zuständige erkennende Senat daran nicht fest.

23

2. Gemessen an diesen Grundsätzen war ein Angebot der Arbeitsleistung nicht nach § 296 BGB entbehrlich. Die fehlerhafte Kündigungsfrist bedingt im Streitfall nicht die Unwirksamkeit der Kündigung, sondern lässt sich als solche zu dem „richtigen“ Termin auslegen.

24

Andererseits war der Kläger nicht gehalten, die Arbeitsleistung tatsächlich anzubieten. Auch bei einem Streit lediglich über den Zeitpunkt der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses genügt gemäß § 295 BGB ein wörtliches Angebot jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber mit der Aufnahme eines Datums in die Kündigung erklärt, er werde nach diesem Zeitpunkt keine weitere Arbeitsleistung mehr annehmen. Ein wörtliches Angebot ist aber erst mit der am 31. Oktober 2009 zugestellten Kündigungsschutzklage erfolgt. Dieses Angebot wirkt nicht zurück. Danach hat der Kläger für den gesamten Monat Oktober 2009 die Arbeitsleistung nicht wörtlich angeboten. Er hat bis dahin auch nicht gegen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2009 in anderer Weise protestiert.

25

3. Ein Angebot der Arbeitsleistung wäre entbehrlich gewesen, wenn der Kläger im Monat Oktober 2009 von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt gewesen wäre. Denn die Aufhebung der Arbeitspflicht bedeutet einen Verzicht auf das Angebot der Arbeitsleistung (BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 13). Ob der Kläger über den 30. September 2009 hinaus freigestellt war, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beurteilen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, zwischen den Parteien sei eine Freistellungsvereinbarung zustande gekommen, die sich zumindest auch auf den Monat Oktober 2009 bezogen habe, steht im Widerspruch zur - vorherigen - Feststellung des Landesarbeitsgerichts, der damalige Inhaber der Beklagten habe bei Übergabe des Kündigungsschreibens am 27. Juni 2009 den Kläger von der Erbringung der Arbeitsleistung „einseitig“ freigestellt. Mit welchem (ungefähren) Wortlaut dies erfolgte, ist ebenso wenig festgestellt wie möglicherweise für die Auslegung ergiebige Begleitumstände der Freistellungserklärung.

26

4. War der Kläger - zu seinen Gunsten unterstellt - im Oktober 2009 von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt und deshalb ein Angebot der Arbeitsleistung nicht erforderlich, ist die Klage gleichwohl unbegründet. Denn unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen des Annahmeverzugs kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Leistung zu bewirken, § 297 BGB. Die objektive Leistungsfähigkeit ist eine von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss. Die Aufhebung der Arbeitspflicht bedeutet zwar einen Verzicht des Arbeitgebers auf das Angebot der Arbeitsleistung. Jedoch muss der Arbeitnehmer zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung fähig sein, ein Absehen von den Erfordernissen des § 297 BGB bedarf der ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien(BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 13 mwN).

27

Grundsätzlich hat bei Streit über die Leistungsfähigkeit der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande war. Er muss hierfür Indizien vortragen, aus denen darauf geschlossen werden kann (BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 16 f. mwN). Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass sich bereits aus dem Sachvortrag des Arbeitnehmers selbst Indizien ergeben, aus denen auf eine fehlende Leistungsfähigkeit in dem Zeitraum, für den Vergütung wegen Annahmeverzugs begehrt wird, geschlossen werden kann. In einem solchen Falle ist die Klage unschlüssig, wenn der Arbeitnehmer die selbst geschaffene Indizwirkung nicht ausräumt und substantiiert darlegt, dass er gleichwohl arbeitsfähig war.

28

Im Streitfall hat der Kläger vorgetragen, nach Übergabe des Kündigungsschreibens schwer erkrankt und bis fast Ende Oktober 2009 prozess- und geschäftsunfähig gewesen zu sein. Er hat dafür sogar Beweis angeboten durch das Zeugnis des ihn behandelnden Arztes. War der Kläger aber aufgrund einer schweren Erkrankung bis zum 26. Oktober 2009 prozess- und geschäftsunfähig, musste er erläutern, aufgrund welcher Tatsachen er gleichwohl ab dem 1. Oktober 2009 für die geschuldete Tätigkeit als Kraftfahrer arbeitsfähig gewesen sein soll. Das ist nicht erfolgt.

29

III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben gemäß § 92 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO der Kläger 93/100 und die Beklagte 7/100 zu tragen. Die Kosten der Berufung und der Revision hat der Kläger nach § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.

       

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

       

        

        

    Ilgenfritz-Donné    

        

    A. Christen    

                 

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

(1) Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen.

(2) Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, über die Gerichtssprache, über die Wahrnehmung richterlicher Geschäfte durch Referendare und über Beratung und Abstimmung gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landesarbeitsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesarbeitsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Arbeitsgerichtsgesetz tritt.

(3) Die Vorschriften über die Wahrnehmung der Geschäfte bei den ordentlichen Gerichten durch Rechtspfleger gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Als Rechtspfleger können nur Beamte bestellt werden, die die Rechtspflegerprüfung oder die Prüfung für den gehobenen Dienst bei der Arbeitsgerichtsbarkeit bestanden haben.

(4) Zeugen und Sachverständige erhalten eine Entschädigung oder Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.

(5) Alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen enthalten die Belehrung über das Rechtsmittel. Soweit ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, ist eine entsprechende Belehrung zu erteilen. Die Frist für ein Rechtsmittel beginnt nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsmittel nicht gegeben sei; § 234 Abs. 1, 2 und § 236 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gelten für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Verfahren in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind nach Maßgabe der folgenden Vorschriften vorrangig zu erledigen.

(2) Die Güteverhandlung soll innerhalb von zwei Wochen nach Klageerhebung stattfinden.

(3) Ist die Güteverhandlung erfolglos oder wird das Verfahren nicht in einer sich unmittelbar anschließenden weiteren Verhandlung abgeschlossen, fordert der Vorsitzende den Beklagten auf, binnen einer angemessenen Frist, die mindestens zwei Wochen betragen muß, im einzelnen unter Beweisantritt schriftlich die Klage zu erwidern, wenn der Beklagte noch nicht oder nicht ausreichend auf die Klage erwidert hat.

(4) Der Vorsitzende kann dem Kläger eine angemessene Frist, die mindestens zwei Wochen betragen muß, zur schriftlichen Stellungnahme auf die Klageerwiderung setzen.

(5) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf der nach Absatz 3 oder 4 gesetzten Fristen vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.

(6) Die Parteien sind über die Folgen der Versäumung der nach Absatz 3 oder 4 gesetzten Fristen zu belehren.

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

Wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts ist die Zurückverweisung unzulässig.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, einer Dienstpflicht oder einer Tätigkeit, die anstelle einer gesetzlichen Dienstpflicht geleistet werden kann, bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen sowie in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen dem Grunde oder der Höhe nach geltend gemacht oder abgewehrt werden, ist der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Ist im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit die Höhe des Jahresbetrags nicht nach dem Antrag des Klägers bestimmt oder nach diesem Antrag mit vertretbarem Aufwand bestimmbar, ist der Streitwert nach § 52 Absatz 1 und 2 zu bestimmen.

(2) Für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet. Bei Rechtsstreitigkeiten über Eingruppierungen ist der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrags zur begehrten Vergütung maßgebend, sofern nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.

(3) Die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge werden dem Streitwert hinzugerechnet; dies gilt nicht in Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen. Der Einreichung der Klage steht die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe gleich, wenn die Klage alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:

1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit,
2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder
3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.

(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.