Landgericht Saarbrücken Beschluss, 18. Sept. 2012 - 5 O 59/11
Tenor
Die Aufhebung der Therapieunterbringung des Betroffenen wird abgelehnt.
Gründe
A.
die gegen ihn angeordnete Unterbringung aufzuheben.
B.
I.
II.
- (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.02.2012, Aktenzeichen: 2 BvR 1064/10, juris Rn. 16, InfAuslR 2012, 186-189:
„In Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit gewährleistet das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG eine umfassende Prüfung der Voraussetzungen für eine Haftanordnung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht.“) -
Urteilsbesprechung zu Landgericht Saarbrücken Beschluss, 18. Sept. 2012 - 5 O 59/11
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Landgericht Saarbrücken Beschluss, 18. Sept. 2012 - 5 O 59/11 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Betroffene wurde mit Urteil der Jugendkammer des Landgerichts Augsburg vom 5. Februar 2003 (Az.: Jug KLs 401 Js 107041/02), rechtskräftig seit dem 13. Februar 2003, wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von zehn Jahren verurteilt, die mit dem Ablauf des 16. Februar 2012 vollständig verbüßt war. Mit Beschluss vom 16. Januar 2012 erließ die Jugendkammer des Landgerichts Augsburg gegen den Betroffenen einen Unterbringungsbefehl gemäß § 105 Abs. 1 JGG, § 7 Abs. 4 JGG (idF vom 8. Juli 2008), § 275a Abs. 5 Satz 1 StPO (idF vom 28. Juli 2009 [im Folgenden § 275a StPO aF]), Art. 316e Abs. 1 EGStGB, auf dessen Grundlage sich der Betroffene seit dem 17. Februar 2012 in der Justizvollzugsanstalt Straubing befindet.
- 2
- Am 14. Dezember 2011 hat der Beteiligte zu 2 - soweit hier noch von Interesse - gemäß § 1 Abs. 1 des Therapieunterbringungsgesetzes (ThUG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) die Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung beantragt. Einen gleichlautenden Antrag hat der Beteiligte zu 3 am 26. Januar 2012 gestellt. Das Landgericht hat den Antrag des Beteiligten zu 2 als unzulässig verworfen und den Antrag des Beteiligten zu 3 als unbegründet zurückgewiesen.
- 3
- Das Oberlandesgericht beabsichtigt, die hiergegen gerichteten Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 3 zurückzuweisen. Hieran sieht es sich aber durch den Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 30. September 2011 (5 W 212/11-94, StV 2012, 31) gehindert. Es hat deshalb die Beschwerden mit Beschluss vom 24. Mai 2012 dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
- 4
- Das vorlegende Gericht meint, dem Beteiligten zu 2 fehle die Berechtigung , einen Antrag nach dem Therapieunterbringungsgesetz zu stellen. Der Leiter einer Einrichtung sei nur dann nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ThUG antragsberechtigt , wenn sich der Betroffene in der Sicherungsverwahrung befinde und diese in der Einrichtung vollstreckt werde. Daran fehle es. Denn der Vollzug des gegen den Betroffenen erlassenen Unterbringungsbefehls nach § 275a Abs. 5 Satz 1 StPO aF sei keine Sicherungsverwahrung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 3 ThUG. Hieraus folge auch die Unbegründetheit des Antrags des Betei- ligten zu 3. Voraussetzung für eine Unterbringung nach dem Therapieunterbringungsgesetz sei nach § 1 Abs. 1 ThUG unter anderem, dass sich der Betroffene derzeit in der Sicherungsverwahrung befinde oder aus ihr bereits entlassen worden sei. Dafür reiche der Vollzug eines Unterbringungsbefehls nach § 275a Abs. 5 Satz 1 StPO aF nicht aus. Das vorlegende Gericht meint, seiner Entscheidung stehe die Rechtsauffassung des Saarländischen Oberlandesgerichts entgegen, das die gegenteilige Ansicht vertrete und das Therapieunterbringungsgesetz auch auf diesen Fall anwende.
III.
- 5
- Die Vorlage ist nach § 18 Abs. 1 Satz 1 ThUG statthaft. Danach hat ein Oberlandesgericht die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen, wenn es bei seiner Entscheidung in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Der Bundesgerichtshof ist zwar bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Vorlage nach § 18 Abs. 1 Satz 1 ThUG an die Auffassung des vorlegenden Gerichts gebunden, es könne ohne Beantwortung der streitigen Rechtsfrage über die sofortige weitere Beschwerde nicht entscheiden (Senat, Beschlüsse vom 11. November 1986 - V ZB 1/86, BGHZ 99, 90, 92, vom 22. Januar 2004 - V ZB 51/03, NJW 2004, 937, 938, insoweit nicht in BGHZ 157, 322 abgedruckt, und vom 30. September 2004 - V ZB 26/04, NJW 2004, 3339). Auf der Grundlage des in dem Vorlagebeschluss mitgeteilten Sachverhalts und der darin zum Ausdruck gebrachten rechtlichen Beurteilung des Falls prüft der Senat jedoch, ob eine Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, die das vorlegende Gericht abweichend von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes beantworten will, für die dieselbe Rechtsfrage eben- falls erheblich war (vgl. Senat, Beschlüsse vom 9. Juli 1956 - V BLw 16/56, BGHZ 21, 234, 236, vom 8. März 2007 - V ZB 149/06, NJW-RR 2007, 1569, vom 30. September 2004- V ZB 26/04, NJW 2004, 3339 und vom 11. Februar 2010 - V ZB 167/09, juris Rn. 8 jeweils mwN). So verhält es sich hier. Das vorlegende Gericht möchte die Rechtsfrage, "ob die vorläufige Unterbringung nach § 275a Abs. 5 StPO aF als Vollzug der Sicherungsverwahrung im Sinne von §§ 1, 5 Abs. 1 Satz 3 ThUG anzusehen ist", anders beantworten als das Saarländische Oberlandesgericht. Auf die Beantwortung der Frage kam es in jenem und kommt es im vorliegenden Verfahren entscheidend an.
IV.
- 7
- 1. Dabei kann offen bleiben, ob die gegen das Therapieunterbringungsgesetz unter dem Blickwinkel der Gesetzgebungskompetenz erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken durchgreifen (Verfahren vor dem BVerfG anhängig unter Az. 2 BvR 2302/11; vgl. i.Ü. einerseits Antrag des Landes Brandenburg für die Plenarberatung des Bundesrats in BR-Drucks. 794/2/12; Kinzig, NJW 2011, 177, 181; und auch LG Lübeck, SchlHA 2011, 417, 418; andererseits OLG Saarbrücken, StV 2012, 31, 32).
- 8
- 2. Die Unbegründetheit des Rechtsmittels folgt auch nicht schon aus dem Umstand, dass es an der in § 1 Abs. 1 ThUG vorausgesetzten (Beschlussempfehlung zu dem Fraktionsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen in BTDrucks. 17/4062, S. 16) rechtskräftigen Entscheidung darüber fehlt, dass der Betroffene deshalb nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann, weil ein Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung zu berücksichtigen ist. Zwar entscheidet das Gericht nach der Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 ThUG über den Antrag in der Hauptsache erst nach Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung. Auch ohne sie kann über einen Antrag aber schon dann entschieden werden, wenn dieser aus anderen Gründen abzuweisen ist, § 10 Abs. 1 Satz 2 ThUG. So ist es hier.
- 9
- 3. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 ist unbegründet, weil dessen Antrag unzulässig ist.
- 10
- a) Die Therapieunterbringung nach § 1 Abs. 1 ThUG kann nicht von Amts wegen, sondern nach § 3 ThUG, § 23 FamFG nur auf Antrag angeordnet werden. Zwar bestimmt § 5 Abs. 1 Satz 1 ThUG, dass das gerichtliche Verfahren eingeleitet wird, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für eine solche Unterbringung gegeben sind. Dabei handelt es sich aber um eine inhaltliche Voraussetzung für die Einleitung des Verfahrens (Begründung des Fraktionsentwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen [Entwurfsbegründung ] in BT-Drucks. 17/3403, S. 51). In diese Prüfung darf das Gericht nur auf Grund eines Antrags der nach § 5 Abs. 1 Sätze 2 und 3 ThUG oder nach von dieser Vorschrift abweichendem Landesrecht (vgl. Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG) antragsberechtigten Stelle eintreten (Entwurfsbegründung in BT-Drucks.
- 11
- b) Der Beteiligte zu 2 ist nicht antragsberechtigt, weil sich der Betroffene in der Justizvollzugsanstalt nicht, wie es § 5 Abs. 1 Satz 3 ThUG verlangt, in der Sicherungsverwahrung befindet.
- 12
- aa) Im Zeitpunkt der Antragstellung befand er sich weder in Sicherungsverwahrung noch in Unterbringung zur Sicherung der Sicherungsverwahrung, sondern in Strafhaft.
- 13
- bb) Dieser Mangel ist nicht - was für die Zukunft möglich gewesen wäre (vgl. dazu: Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318, 319 Rn. 8 und 10) - geheilt worden. Der Betroffene ist zwar seit dem 17. Februar 2012 in der Justizvollzugsanstalt des Beteiligten zu 2 nicht mehr in Strafhaft, sondern nach § 275a Abs. 5 StPO aF zur Sicherung der Sicherungsverwahrung untergebracht. Das führt aber nicht dazu, dass er sich seitdem im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 3 ThUG "in der Sicherungsverwahrung befindet".
- 14
- (1) Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut und der systematischen Stellung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ThUG einerseits und des § 275a Abs. 5 StPO aF anderseits. Beide Vorschriften verwenden den Begriff der Sicherungsverwahrung , ohne ihn eigenständig zu definieren. Dessen bedurfte es auch nicht. Denn sie stehen beide in einem systematischen Zusammenhang zu den Regelungen der §§ 66 bis 66b StGB über die Sicherungsverwahrung als Nebenfolge einer Straftat und verwenden den Begriff in diesem Sinne. Das Therapieunterbringungsgesetz sieht eine weitere Form der Unterbringung zum Schutz der Allgemeinheit , insbesondere potentieller neuer Opfer vor den Folgen einer psychischen Störung eines Straftäters in bestimmten Fällen vor, in denen er durch Sicherungsverwahrung nach dem Strafgesetzbuch nicht mehr gewährleistet werden kann (BVerfGE 128, 326, 401). § 275a Abs. 1 bis 4 StPO aF regelt das Verfahren, in dem eine vorbehaltene oder nachträgliche Sicherungsverwahrung nach §§ 66a, 66b StGB angeordnet wird. Absatz 5 der Vorschrift ermöglicht dem Gericht, die einstweilige Unterbringung anzuordnen um sicherzustellen, dass die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung noch getroffen werden kann. Diese Unterbringung ist von der dann zu treffenden Entscheidung über die Sicherungsverwahrung zu unterscheiden. An sie sind deshalb auch niedrigere Anforderungen zu stellen. So kann etwa auf die Einholung der nach § 275a Abs. 4 StPO aF erforderlichen Gutachten verzichtet werden (OLG München, NStZ 2005, 573, 574 Rn. 15; KK-StPO/Engelhardt, 6. Aufl., § 275a Rn. 10).
- 15
- (2) Nichts anderes ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Antragsberechtigung des Anstaltsleiters. Mit ihr wollte der Gesetzgeber den Umstand für das Therapieunterbringungsverfahren nutzen, dass der Leiter der Einrichtung, in welcher die Sicherungsverwahrung vollzogen wird, die Betroffenen besonders gut kennt und besonders gut zu beurteilen weiß, bei welchen unter ihnen eine Therapieunterbringung angezeigt ist (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 17/3403 S. 56). Das lässt sich nur in der Sicherungsverwahrung erreichen, nicht aber in der vorgeschalteten einstweiligen Unterbringung. Diese sichert die Anordnung der Sicherungsverwahrung, nimmt sie aber inhaltlich nicht vorweg. Das könnte zwar anders sein, wenn die Unterbringung länger dauert und therapeutische Bemühungen einsetzen. Eine Zuständigkeitsregelung, die davon abhinge, wäre aber unklar und deshalb mit Art. 104 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren. Denn der Gesetzgeber muss die Voraussetzungen, unter denen eine Freiheitsentziehung angeordnet werden darf, hinreichend eindeutig regeln (BVerfGE 96, 68, 97). Dazu gehören auch die formellen Voraussetzungen wie Zuständigkeitsregelungen (BVerfG, NVwZ 2011, 1254, 1255).
- 16
- 4. Die Beschwerde des Beteiligten zu 3 ist unbegründet, weil dessen Antrag unbegründet ist.
- 17
- a) Eine Therapieunterbringung darf nach § 1 Abs. 1 ThUG unter den in Nr. 1 und 2 dieser Vorschrift genannten weiteren Voraussetzungen nur angeordnet werden, wenn auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung feststeht, dass eine wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Art verurteilte Person deshalb nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann, weil ein Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung zu berücksichtigen ist. Wann ein Betroffener in diesem Sinne "nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann", ist umstritten. Teils wird die Vorschrift weit in dem Sinne ausgelegt, dass diese Voraussetzung auch dann erfüllt ist, wenn der Betroffene - wie hier - nach § 275a Abs. 5 StPO aF einstweilen untergebracht worden ist, gegen ihn Sicherungsverwahrung hätte verhängt werden können und dies im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot unterblieben ist. Das sei "materiell Sicherungsverwahrung" (OLG Saarbrücken, StV 2012, 31, 34). Teils wird die Vorschrift mit dem vorlegenden Beschwerdegericht (so schon in FGPrax 2012, 87, 88) eng in dem Sinn verstanden, dass eine Therapieunterbringung nur möglich ist, wenn sich der Betroffene in der Sicherungsverwahrung befindet oder befunden hat (Schröder/ Starke, DRiZ 2011, 254, 255).
- 18
- b) Der Senat hält die zweite Meinung für zutreffend.
- 19
- aa) Für sie spricht der Wortlaut der Regelung. Die in § 1 Abs. 1 Halbsatz 1 ThUG verwendete Formulierung "…, dass eine Person … nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann, weil …" ist bei isolierter Betrachtung allerdings auslegungsfähig. Sie kann einerseits nur Betroffene erfassen , die sicherungsverwahrt sind oder waren. Sie lässt sich andererseits auch in dem Sinn verstehen, dass es auf den Fortfall der rechtlichen Möglichkeit ankommt, Sicherungsverwahrung anzuordnen. Für diesen Fall hätte an sich die Formulierung näher gelegen "… nicht mehr ... untergebracht werden kann … ". Das ändert aber nichts daran, dass die in dem Gesetz gewählte Formulie- rung, für sich genommen, die Auslegung des Saarländischen Oberlandesgerichts zulässt. Dieses Textverständnis scheitert indes daran, dass die Passage nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern im Textzusammenhang der ganzen Vorschrift gelesen werden muss. Ihr Sinn wird durch § 1 Abs. 2 ThUG deutlich. Danach ist Absatz 1 der Vorschrift unabhängig davon anzuwenden, ob die verurteilte Person sich noch im Vollzug der Sicherungsverwahrung befindet oder bereits entlassen wurde. Diese Regelung wäre überflüssig, würde § 1 Abs. 1 ThUG unabhängig von dem Vollzug von Sicherungsverwahrung nur auf die rechtliche Möglichkeit der Anordnung von Sicherungsverwahrung abstellen. Einen Sinn ergibt sie nur, wenn § 1 Abs. 1 ThUG im Grundsatz nur Betroffene anspricht, die sich in Sicherungsverwahrung befinden. Denn dann bedarf es einer Regelung darüber, was mit Betroffenen geschehen soll, die sich nicht mehr in Sicherungsverwahrung befinden. Nach dem Wortlaut gilt das Gesetz deshalb nur für Betroffene, die sich in Sicherungsverwahrung befinden oder befunden haben.
- 20
- bb) Die Wortlautauslegung wird durch ein systematisches Argument bestätigt.
- 21
- Das Antragsrecht des Anstaltsleiters nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ThUG setzt, wie bereits ausgeführt, eine Sicherungsverwahrung nach dem Strafgesetzbuch voraus. Denn nur bei dieser ist nach Art. 159, 160, 9 BayStVollzG (bei Fehlen entsprechenden Landesrechts: §§ 1, 7 StVollzG) ein Vollzugsplan zu erstellen, aus dem sich - jedenfalls in Zukunft - im Einzelnen ergeben muss, wie dem verfassungsrechtlichen Individualisierungs- und Intensivierungsgebot bei dem einzelnen Betroffenen Rechnung getragen werdensoll (BVerfGE 128, 326, 379 f., juris Rn. 113). Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 ThUG kann der Antrag auf Therapieunterbringung bereits vor der Entlassung des Betroffenen aus der Sicherungshaft gestellt werden. Die für die Durchführung der Sicherungsverwahrung zuständige Vollstreckungsbehörde ist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ThUG zur Übermittlung der für die Entscheidung über die Therapieunterbringung erforderlichen Daten verpflichtet. Auch diese Regelungen setzen voraus, dass sich die Betroffenen in Sicherungsverwahrung befinden oder befunden haben.
- 22
- cc) Von diesem Verständnis ist auch der Gesetzgeber ausgegangen. So heißt es in der Erläuterung zu § 1 ThUG in der Entwurfsbegründung, die Vorschrift regele die "materiellrechtlichen Voraussetzungen, unter denen gegen einen verurteilten Straftäter, der sich in Sicherungsverwahrung befindet oder befand, die Unterbringung … angeordnet werden kann" (BT-Drucks. 17/3403 S. 53). Zweck des Gesetzes war es, die Folgen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (19359/04, NJW 2010, 2495) angemessen und EMRK-konform zu regeln (Entwurfsbegründung in BT-Drucks 17/3403 S. 19, 53). Das Urteil behandelt die Fälle von Straftätern, bei denen die im Zeitpunkt ihrer Verurteilung bestehende Begrenzung der Sicherungsverwahrung auf höchstens zehn Jahre rückwirkend aufgehoben wurde. Um diese auch ausdrücklich so genannten Altfälle ging es. Dem steht nicht entgegen, dass der zuständige Minister des Saarlandes in der Plenardebatte des Bundesrats zu dem Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages die Erklärung zu Protokoll gegeben hat, das Saarland gehe nach der Diskussion um seinen (mündlich) im Rechts- und Innenausschuss gestellten Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses davon aus, dass § 1 ThUG auch den Fall einer Unterbringung auf Grund eines Unterbringungsbefehls gemäß § 275a StPO aF erfasse (PlPBRat 2010, 538 [878. Sitzung vom 17. Dezember 2010 Anlage 14]). Diese Erklärung ist kein Beleg dafür, dass der Gesetzgeber die Vorschrift in diesem Sinne verstanden hätte (aM wohl OLG Saarbrücken, StV 2012, 31, 36). Sie zeigt im Gegenteil, dass am Ende des Gesetzgebungsverfahrens eine Fallgruppe aufgefallen ist, deren Einbeziehung in das Gesetz erwägenswert gewesen wäre, aber eine Textänderung erfordert hätte. Zu einem entsprechenden Vorschlag hat sich der Bundesrat nicht entschließen können, weil sie nur durch die Anrufung des Vermittlungsausschusses zu erreichen gewesen wäre und diese das - allseits angestrebte - Inkrafttreten der Neuregelung zum 1. Januar 2011 gefährdet hätte. Der Gesetzgeber hat damit in Kauf genommen, dass diese Fälle von dem Gesetz nicht erfasst werden und durch eine spätere Ergänzung der Vorschrift einbezogen werden müssten. Das ließ sich durch eine Protokollerklärung nicht vermeiden.
- 23
- dd) Die Regelung in § 1 Abs. 1 ThUG kann auf den Fall der Unterbringung nach § 275a Abs. 5 StPO aF auch nicht entsprechend angewendet werden. Dafür spielt es keine Rolle, ob eine Einbeziehung dieser Fallgruppe in den Regelungsbereich der Vorschrift sachlich vertretbar oder wünschenswert wäre. Eine Therapieunterbringung darf als Freiheitsentziehung nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG nur unter den Voraussetzungen angeordnet werden, die sich unmittelbar und hinreichend bestimmt aus dem Gesetz selbst ergeben (BVerfG, NVwZ-RR 2009, 616; BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1954 - IV ZB 52/54, BGHZ 15, 61, 63 f.). Diese Verfassungsvorschrift steht einer analogen Heranziehung materiell-rechtlicher Ermächtigungsgrundlagen für Freiheitsentziehungen entgegen (BVerfG, BVerfGE 29, 183, 196; 83, 24, 31 f.; NVwZ-RR 2009,
616).
V.
- 24
- Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf § 19 ThUG. Unter Berücksichtigung der Regelungen in Art. 5 Abs. 5 EMRK und § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG entspricht es billigem Ermessen, den Freistaat Bayern und die Stadt Straubing als diejenigen Körperschaften, denen die beteiligten Behörden jeweils angehören (vgl. § 3 ThUG, § 337 Abs. 2 FamFG), je zur Hälfte zur Erstattung der Auslagen des Betroffenen zu verpflichten (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, juris Rn. 27, insoweit nicht in FGPrax 2010, 210 abgedruckt , für § 430 FamFG).
Brückner Weinland
Vorinstanzen:
LG Regensburg, Entscheidung vom 05.03.2012 - 7 AR 35/11 ThUG -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 24.05.2012 - 15 W 637/12 Th -
(1) Steht auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung fest, dass eine wegen einer Straftat der in § 66 Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches genannten Art verurteilte Person deshalb nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann, weil ein Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung zu berücksichtigen ist, kann das zuständige Gericht die Unterbringung dieser Person in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung anordnen, wenn
- 1.
sie an einer psychischen Störung leidet und eine Gesamtwürdigung ihrer Persönlichkeit, ihres Vorlebens und ihrer Lebensverhältnisse ergibt, dass sie infolge ihrer psychischen Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person erheblich beeinträchtigen wird, und - 2.
die Unterbringung aus den in Nummer 1 genannten Gründen zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist.
(2) Absatz 1 ist unabhängig davon anzuwenden, ob die verurteilte Person sich noch im Vollzug der Sicherungsverwahrung befindet oder bereits entlassen wurde.
Strafprozeßordnung - StPO | § 275a Einleitung des Verfahrens; Hauptverhandlung; Unterbringungsbefehl
(1) Ist im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten (§ 66a des Strafgesetzbuches), übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichts. Diese übergibt die Akten so rechtzeitig dem Vorsitzenden des Gerichts, dass eine Entscheidung bis zu dem in Absatz 5 genannten Zeitpunkt ergehen kann. Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67d Absatz 6 Satz 1 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des Gerichts, das für eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66b des Strafgesetzbuches) zuständig ist. Beabsichtigt diese, eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu beantragen, teilt sie dies der betroffenen Person mit. Die Staatsanwaltschaft soll den Antrag auf nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung unverzüglich stellen und ihn zusammen mit den Akten dem Vorsitzenden des Gerichts übergeben.
(2) Für die Vorbereitung und die Durchführung der Hauptverhandlung gelten die §§ 213 bis 275 entsprechend, soweit nachfolgend nichts anderes geregelt ist.
(3) Nachdem die Hauptverhandlung nach Maßgabe des § 243 Abs. 1 begonnen hat, hält ein Berichterstatter in Abwesenheit der Zeugen einen Vortrag über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens. Der Vorsitzende verliest das frühere Urteil, soweit es für die Entscheidung über die vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung von Bedeutung ist. Sodann erfolgt die Vernehmung des Verurteilten und die Beweisaufnahme.
(4) Das Gericht holt vor der Entscheidung das Gutachten eines Sachverständigen ein. Ist über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden, müssen die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt werden. Die Gutachter dürfen im Rahmen des Strafvollzugs oder des Vollzugs der Unterbringung nicht mit der Behandlung des Verurteilten befasst gewesen sein.
(5) Das Gericht soll über die vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung spätestens sechs Monate vor der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden.
(6) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen. Für den Erlass des Unterbringungsbefehls ist das für die Entscheidung nach § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches zuständige Gericht so lange zuständig, bis der Antrag auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei dem für diese Entscheidung zuständigen Gericht eingeht. In den Fällen des § 66a des Strafgesetzbuches kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen, wenn es im ersten Rechtszug bis zu dem in § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bestimmten Zeitpunkt die vorbehaltene Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Die §§ 114 bis 115a, 117 bis 119a und 126a Abs. 3 gelten entsprechend.
Das Gericht hebt die Anordnung einer Unterbringung nach § 1 von Amts wegen auf, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Vor der Aufhebung der Maßnahme soll das Gericht die zuständige untere Verwaltungsbehörde, den Leiter der Einrichtung, in der sich der Betroffene befindet, und den Betroffenen anhören, es sei denn, dass dies zu einer nicht nur geringen Verzögerung des Verfahrens führen würde.
(1) Steht auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung fest, dass eine wegen einer Straftat der in § 66 Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches genannten Art verurteilte Person deshalb nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann, weil ein Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung zu berücksichtigen ist, kann das zuständige Gericht die Unterbringung dieser Person in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung anordnen, wenn
- 1.
sie an einer psychischen Störung leidet und eine Gesamtwürdigung ihrer Persönlichkeit, ihres Vorlebens und ihrer Lebensverhältnisse ergibt, dass sie infolge ihrer psychischen Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person erheblich beeinträchtigen wird, und - 2.
die Unterbringung aus den in Nummer 1 genannten Gründen zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist.
(2) Absatz 1 ist unabhängig davon anzuwenden, ob die verurteilte Person sich noch im Vollzug der Sicherungsverwahrung befindet oder bereits entlassen wurde.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Beteiligte zu 3 gab dem Betroffenen mit einem sofort vollziehbaren Bescheid vom 20. Februar 2008 auf, das Bundesgebiet bis zum Ablauf des 31. März 2008 zu verlassen, und drohte ihm die Abschiebung an. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung lehnte das Verwaltungsgericht Münster mit Beschluss vom 22. April 2008 ab; ein paralleles Klageverfahren ist noch anhängig. Mit Schreiben vom 24. Juni 2008, das er in den Briefkasten der Wohnung der Eltern des Betroffenen einlegen ließ, teilte der Beteiligte zu 3 diesem mit, dass er ihn am 25. Juni 2008 abschieben wolle. Dies misslang, weil der Betroffene an diesem Tag in der Wohnung seiner Eltern nicht angetroffen wurde. Er wurde am 9. Juli 2008 in E. festgenommen. Auf Antrag des Beteiligten zu 2 ordnete das Amtsgericht Essen am selben Tag gegen den Betroffenen die Haft zur Sicherung der Abschiebung für die Dauer von drei Monaten an. Diesen Beschluss focht der Betroffene mit einem Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 31. Juli 2008 an und beantragte die Aufhebung des Beschlusses.
- 2
- Das Amtsgericht hat darin einen Aufhebungsantrag nach § 10 Abs. 2 FreihEntzG gesehen, diesen als unbegründet zurückgewiesen und dem Betroffenen eine Rechtsmittelbelehrung erteilt, nach welcher gegen seine Entscheidung die sofortige Beschwerde gegeben sei. Die daraufhin von dem Betroffenen eingelegte sofortige Beschwerde, mit der er geltend macht, die Voraussetzungen für die Haftanordnung hätten nicht vorgelegen, hat das Landgericht als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen, der das Oberlandesgericht stattgeben möchte. Daran sieht es sich durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 15. Oktober 2007 (OLG-Report 2008, 193, 194) gehindert. Es hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
- 3
- Die Vorlage ist statthaft (§ 28 Abs. 2 FGG i.V.m. § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, § 3 Satz 2 FreihEntzG).
- 4
- Für den Erfolg oder Misserfolg des Rechtsmittels kommt es darauf an, ob die Zurückweisung eines Antrags auf Haftaufhebung nach § 10 Abs. 2 FreihEntzG mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden kann und ob ein Antrag auf Haftaufhebung auch darauf gestützt werden kann, die Anordnungsvoraussetzungen hätten nicht vorgelegen. Beide Fragen möchte das vorlegende Oberlandesgericht bejahen. Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat sie in der angeführten Entscheidung verneint. Die Divergenz rechtfertigt die Vorlage.
III.
- 5
- Die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen ist begründet.
- 6
- 1. Die Vorinstanzen haben das Schreiben des Betroffenen zutreffend als Antrag nach § 10 Abs. 2 FreihEntzG ausgelegt. Darin wendet sich der Betroffene zwar in erster Linie gegen den Beschluss vom 9. Juli 2008, durch den das Amtsgericht die Abschiebehaft angeordnet hat. Seinem Schreiben lässt sich aber entnehmen, dass er sich mit jedem dazu geeigneten Antrag gegen die Fortdauer der Haft wenden will. Dazu stand ihm nur der Antrag nach § 10 Abs. 2 FreihEntzG zu Gebote.
- 7
- 2. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen die Zurückweisung des Antrags durch das Amtsgericht durfte nicht als unzulässig verworfen werden.
- 8
- a) Ob gegen die Zurückweisung eines Antrags nach § 10 Abs. 2 FreihEntzG ein Rechtsmittel gegeben ist, wird allerdings unterschiedlich beurteilt. Nach einer Meinung, der das Beschwerdegericht folgt, soll sich aus den Vorschriften der §§ 7 und 12 FreihEntzG ergeben, dass nur die Entscheidungen über die Anordnung und die Fortdauer der Haft mit der sofortigen Beschwerde angreifbar seien (OLG Saarbrücken OLG-Report 2008, 193, 194 unter Bezugnahme auf die aufgegebene Auffassung des OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25. September 2002, 3 Wx 296/02, juris, und v. 16. April 2003, 3 Wx 116/03, juris). Anträge auf Aufhebung der angeordneten Haft seien demgegenüber als Ausnahme von dem Abänderungsverbot des § 18 Abs. 2 FGG nicht beschwerdefähig , da sie in jedem Fall (erneut) zu prüfen seien. Nach der Gegenmeinung sind gegen Entscheidungen über die Zurückweisung der Haftaufhebung die allgemeinen Rechtsmittel gegeben (BayObLG, Beschl. v. 3. August 2004, 4Z BR 32/04; KG OLGZ 1977, 161, 162; OLG Stuttgart FGPrax 1996, 40; OLG Düs- seldorf, Beschl. v. 5. Oktober 2004, 3 Wx 255/04, juris; OLG Frankfurt/Main OLG-Report 2006, 83 [Ls], Volltext bei juris; OLG Köln OLG-Report 2007, 792, 793).
- 9
- b) Der Senat erachtet die zuletzt genannte Auffassung für zutreffend.
- 10
- aa) Aus den Vorschriften der §§ 7 Abs. 1, 12 FreihEntzG ergibt sich nur, dass jedenfalls die Anordnung der Haft nach § 6 FreihEntzG und ihre Verlängerung nach § 9 FreihEntzG der sofortigen Beschwerde unterliegen. Dass andere Entscheidungen nach dem Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen (Freiheitsentziehungsverfahrensgesetz) nicht beschwerdefähig sein sollen, lässt sich weder den genannten noch anderen Vorschriften des Gesetzes entnehmen.
- 11
- bb) Dies folgt auch nicht aus der hierfür in Anspruch genommenen Systematik des Gesetzes. Sie ergibt das Gegenteil.
- 12
- (1) Es ist zwar richtig, dass die Möglichkeit der Haftaufhebung nach § 10 FreihEntzG systematisch eine Ausnahme von dem Grundsatz in § 18 Abs. 2 FGG bildet, dass eine der sofortigen Beschwerde unterliegende Entscheidung nicht von dem Ausgangsgericht abgeändert werden darf. Über die Anfechtbarkeit der Entscheidung über die Aufhebung der Haft besagt das aber nichts. Das zeigt die der Freiheitsentziehung insoweit vergleichbare Konstellation der Unterbringung. Sie unterliegt nach § 70m Abs. 1 FGG der sofortigen Beschwerde (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 70m Rdn. 3). Abweichend von § 18 Abs. 2 FGG ist sie – wie die Freiheitsentziehung – nach § 70i Abs. 1 Satz 1 FGG aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen weggefallen sind. Das schließt die Anfechtbarkeit der Entscheidung nicht aus. Gegen sie findet die einfache Beschwerde statt (Bumiller, FGG, 8. Aufl., § 70m Rdn. 2; Kei- del/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 70m Rdn. 5; Sonnenfeld in: Jansen, FGG, 3. Aufl., § 70m Rdn. 14).
- 13
- (2) Die Haftaufhebung ist in § 10 FreihEntzG als selbständige Entscheidung ausgestaltet. Sie unterliegt nach § 3 Satz 2 FreihEntzG daher wie alle anderen Entscheidungen nach dem Freiheitsentziehungsverfahrensgesetz der Beschwerde. Die Anschlussfrage, ob es sich dabei um eine einfache oder eine sofortige Beschwerde handelt, ist nach den auch sonst geltenden Grundsätzen zu entscheiden. Diese ergeben sich aus § 7 Abs. 1 FreihEntzG und § 12 FreihEntzG in Verbindung mit jener Vorschrift. Dem wird entnommen, dass gegen Entscheidungen, die die Freiheitsentziehung selbst betreffen, die sofortige Beschwerde , für alle andere Entscheidungen die einfache Beschwerde gegeben ist (Marschner in Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung und Unterbringungen , 4. Aufl., § 7 FreihEntzG Rdn. 2). Danach ist gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Haftaufhebung die sofortige Beschwerde gegeben, weil ihr Gegenstand nicht die Modalitäten der Haft sind, sondern ihr (Fort-) Bestand.
- 14
- 3. Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif. Sie ist zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
- 15
- a) Der Betroffene trägt allerdings nicht vor, dass sich die Umstände nach seiner Inhaftierung geändert hätten. Er begründet seinen Antrag vielmehr damit, dass die Voraussetzungen für die Anordnung der Haft nicht vorgelegen hätten. Könnte er damit im Verfahren über einen Antrag nach § 10 Abs. 2 FreihEntzG nicht gehört werden, wäre die Sache zur Entscheidung reif, seine sofortige Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
- 16
- b) Das ist indessen nicht der Fall.
- 17
- aa) Ob der Betroffene im Verfahren nach § 10 Abs. 2 FreihEntzG mit Einwänden gegen die Haftanordnung ausgeschlossen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Nach einer von dem Beschwerdegericht geteilten Ansicht ist die Frage zu bejahen (KG OLGZ 1977, 161, 164; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25. September 2002, 3 Wx 296/02, juris, und v. 16. April 2003, 3 Wx 116/03, juris; OLG Saarbrücken, OLG-Report 2007, 193, 194). Nach anderer Ansicht, der das vorlegende Oberlandesgericht folgt, können nicht nur neue Tatsachen, sondern auch Einwände gegen die Anordnung der Haft zu ihrer Aufhebung nach § 10 FreihEntzG führen (BayObLG Beschl. v. 3. August 2004, 4Z BR 32/04; OLG Stuttgart, FGPrax 1996, 40; OLG Celle NdsRpfl 2004, 16; OLG Frankfurt/Main OLG-Report 2006, 83 [Ls], Volltext bei juris; Marschner in Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung und Unterbringungen, 4. Aufl., § 10 FreihEntzG Rdn. 2).
- 18
- bb) Dieser zweiten Meinung tritt der Senat bei. § 10 Abs. 1 FreihEntzG verpflichtet zu einer Aufhebung der angeordneten Haft nach seinem Wortlaut zwar nur, wenn der Grund für die Freiheitsentziehung weggefallen ist. Dem könnte entnommen werden, dass Voraussetzung dafür der Eintritt neuer Umstände ist. § 10 Abs. 2 FreihEntzG löst sich aber von dieser engen Begrifflichkeit und verpflichtet dazu, Anträge nach § 6 Abs. 2 FreihEntzG „in jedem Fall“ zu prüfen und zu bescheiden. Das lässt jedenfalls vom Wortsinn her eine Aufhebung auch dann zu, wenn sich die Sachlage zwar nicht verändert, ein Grund für die Anordnung der Haft aber nicht bestanden hat und auch weiterhin nicht besteht.
- 19
- Nur ein solches weites Verständnis wird dem Zweck des Aufhebungsverfahrens gerecht. Dieses zielt darauf, eine sachlich nicht gerechtfertigte Inhaftierung zur Verwirklichung der Freiheitsgarantien des Art. 104 GG umgehend zu beenden. Unter diesem Aspekt ist es unerheblich, ob sich die fehlende Berechtigung der Inhaftierung aus neuen Umständen oder daraus ergibt, dass sie nicht hätte angeordnet werden dürfen. Einer Berücksichtigung von Einwänden gegen die Haftanordnung bei der Prüfung der Haftaufhebung steht auch nicht entgegen , dass der Betroffene eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Haftanordnung schon mit den gegen diesen gegebenen Rechtsmitteln erreichen kann und in der Regel auch erreicht. Entscheidungen über die Anordnung der Haft sind nur der formellen, nicht der materiellen Rechtskraft fähig (Marschner, aaO). Die damit einhergehende mehrfache Prüfung ist bei einer Freiheitsentziehung nicht zu vermeiden. Ihre Fortdauer ist nicht nur unverhältnismäßig, wenn der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist, sondern in gleicher Weise, wenn eine erneute Prüfung ergibt, dass er (doch) nicht vorgelegen hat.
- 20
- c) Feststellungen dazu, ob die in Betracht kommenden Haftgründe nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 und 5 AufenthG gegeben waren, hat das Beschwerdegericht, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, nicht getroffen, weil es die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen die Anordnung der Haft wegen Versäumung der Antragsfrist als unzulässig und eine sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf Haftaufhebung als unstatthaft angesehen hat. Die Prüfung in der Sache ist nachzuholen. Klein Lemke Schmidt-Räntsch Czub Roth
LG Essen, Entscheidung vom 12.08.2008 - 7 T 425/08 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 11.09.2008 - I-15 Wx 254/08 -
Die Entscheidungen des Beschwerdegerichts können nicht mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden. Die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen können nicht mit der Sprungrechtsbeschwerde angefochten werden.
(1) Will ein Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. Der Bundesgerichtshof entscheidet dann anstelle des Oberlandesgerichts. Der Bundesgerichtshof kann sich auf die Entscheidung der Divergenzfrage beschränken und dem Beschwerdegericht die Entscheidung in der Hauptsache übertragen, wenn dies nach dem Sach- und Streitstand des Beschwerdeverfahrens angezeigt erscheint.
(2) In einstweiligen Anordnungsverfahren ist Absatz 1 nicht anwendbar.
Strafprozeßordnung - StPO | § 275a Einleitung des Verfahrens; Hauptverhandlung; Unterbringungsbefehl
(1) Ist im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten (§ 66a des Strafgesetzbuches), übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichts. Diese übergibt die Akten so rechtzeitig dem Vorsitzenden des Gerichts, dass eine Entscheidung bis zu dem in Absatz 5 genannten Zeitpunkt ergehen kann. Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67d Absatz 6 Satz 1 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des Gerichts, das für eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66b des Strafgesetzbuches) zuständig ist. Beabsichtigt diese, eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu beantragen, teilt sie dies der betroffenen Person mit. Die Staatsanwaltschaft soll den Antrag auf nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung unverzüglich stellen und ihn zusammen mit den Akten dem Vorsitzenden des Gerichts übergeben.
(2) Für die Vorbereitung und die Durchführung der Hauptverhandlung gelten die §§ 213 bis 275 entsprechend, soweit nachfolgend nichts anderes geregelt ist.
(3) Nachdem die Hauptverhandlung nach Maßgabe des § 243 Abs. 1 begonnen hat, hält ein Berichterstatter in Abwesenheit der Zeugen einen Vortrag über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens. Der Vorsitzende verliest das frühere Urteil, soweit es für die Entscheidung über die vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung von Bedeutung ist. Sodann erfolgt die Vernehmung des Verurteilten und die Beweisaufnahme.
(4) Das Gericht holt vor der Entscheidung das Gutachten eines Sachverständigen ein. Ist über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden, müssen die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt werden. Die Gutachter dürfen im Rahmen des Strafvollzugs oder des Vollzugs der Unterbringung nicht mit der Behandlung des Verurteilten befasst gewesen sein.
(5) Das Gericht soll über die vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung spätestens sechs Monate vor der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden.
(6) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen. Für den Erlass des Unterbringungsbefehls ist das für die Entscheidung nach § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches zuständige Gericht so lange zuständig, bis der Antrag auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei dem für diese Entscheidung zuständigen Gericht eingeht. In den Fällen des § 66a des Strafgesetzbuches kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen, wenn es im ersten Rechtszug bis zu dem in § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bestimmten Zeitpunkt die vorbehaltene Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Die §§ 114 bis 115a, 117 bis 119a und 126a Abs. 3 gelten entsprechend.
(1) Steht auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung fest, dass eine wegen einer Straftat der in § 66 Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches genannten Art verurteilte Person deshalb nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann, weil ein Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung zu berücksichtigen ist, kann das zuständige Gericht die Unterbringung dieser Person in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung anordnen, wenn
- 1.
sie an einer psychischen Störung leidet und eine Gesamtwürdigung ihrer Persönlichkeit, ihres Vorlebens und ihrer Lebensverhältnisse ergibt, dass sie infolge ihrer psychischen Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person erheblich beeinträchtigen wird, und - 2.
die Unterbringung aus den in Nummer 1 genannten Gründen zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist.
(2) Absatz 1 ist unabhängig davon anzuwenden, ob die verurteilte Person sich noch im Vollzug der Sicherungsverwahrung befindet oder bereits entlassen wurde.
(1) Das gerichtliche Verfahren wird eingeleitet, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für eine Therapieunterbringung nach § 1 gegeben sind. Den Antrag stellt die untere Verwaltungsbehörde, in deren Zuständigkeitsbereich das Bedürfnis für die Therapieunterbringung entsteht. Befindet sich der Betroffene in der Sicherungsverwahrung, so ist auch der Leiter der Einrichtung antragsberechtigt, in der diese vollstreckt wird. Der Betroffene ist über die Antragstellung zu unterrichten.
(2) Der Antrag ist bereits vor der Entlassung des Betroffenen aus der Sicherungsverwahrung zulässig. Er gilt als zurückgenommen, wenn nicht innerhalb von zwölf Monaten seit Antragstellung die in § 1 Absatz 1 vorausgesetzte Entscheidung rechtskräftig geworden ist.
(3) Die für die Sicherungsverwahrung des Betroffenen zuständige Vollstreckungsbehörde, der in Absatz 1 Satz 3 genannte Antragsberechtigte sowie die Führungsaufsichtsstelle des Betroffenen teilen der zuständigen unteren Verwaltungsbehörde die für die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens notwendigen Daten mit, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für eine Therapieunterbringung nach § 1 gegeben sind. Die Übermittlung personenbezogener Daten zu dem in Satz 1 genannten Zweck ist zulässig, wenn dem keine schutzwürdigen Interessen des Betroffenen entgegenstehen. Der Inhalt der Mitteilung, die Art und Weise ihrer Übermittlung und der Empfänger sind aktenkundig zu machen. Der Betroffene ist über die Mitteilung und den Inhalt der Mitteilung zu unterrichten.
Strafprozeßordnung - StPO | § 275a Einleitung des Verfahrens; Hauptverhandlung; Unterbringungsbefehl
(1) Ist im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten (§ 66a des Strafgesetzbuches), übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichts. Diese übergibt die Akten so rechtzeitig dem Vorsitzenden des Gerichts, dass eine Entscheidung bis zu dem in Absatz 5 genannten Zeitpunkt ergehen kann. Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67d Absatz 6 Satz 1 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des Gerichts, das für eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66b des Strafgesetzbuches) zuständig ist. Beabsichtigt diese, eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu beantragen, teilt sie dies der betroffenen Person mit. Die Staatsanwaltschaft soll den Antrag auf nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung unverzüglich stellen und ihn zusammen mit den Akten dem Vorsitzenden des Gerichts übergeben.
(2) Für die Vorbereitung und die Durchführung der Hauptverhandlung gelten die §§ 213 bis 275 entsprechend, soweit nachfolgend nichts anderes geregelt ist.
(3) Nachdem die Hauptverhandlung nach Maßgabe des § 243 Abs. 1 begonnen hat, hält ein Berichterstatter in Abwesenheit der Zeugen einen Vortrag über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens. Der Vorsitzende verliest das frühere Urteil, soweit es für die Entscheidung über die vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung von Bedeutung ist. Sodann erfolgt die Vernehmung des Verurteilten und die Beweisaufnahme.
(4) Das Gericht holt vor der Entscheidung das Gutachten eines Sachverständigen ein. Ist über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden, müssen die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt werden. Die Gutachter dürfen im Rahmen des Strafvollzugs oder des Vollzugs der Unterbringung nicht mit der Behandlung des Verurteilten befasst gewesen sein.
(5) Das Gericht soll über die vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung spätestens sechs Monate vor der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden.
(6) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen. Für den Erlass des Unterbringungsbefehls ist das für die Entscheidung nach § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches zuständige Gericht so lange zuständig, bis der Antrag auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei dem für diese Entscheidung zuständigen Gericht eingeht. In den Fällen des § 66a des Strafgesetzbuches kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen, wenn es im ersten Rechtszug bis zu dem in § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bestimmten Zeitpunkt die vorbehaltene Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Die §§ 114 bis 115a, 117 bis 119a und 126a Abs. 3 gelten entsprechend.
Strafgesetzbuch - StGB | § 66b Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn
- 1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und - 2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
(1) Steht auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung fest, dass eine wegen einer Straftat der in § 66 Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches genannten Art verurteilte Person deshalb nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann, weil ein Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung zu berücksichtigen ist, kann das zuständige Gericht die Unterbringung dieser Person in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung anordnen, wenn
- 1.
sie an einer psychischen Störung leidet und eine Gesamtwürdigung ihrer Persönlichkeit, ihres Vorlebens und ihrer Lebensverhältnisse ergibt, dass sie infolge ihrer psychischen Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person erheblich beeinträchtigen wird, und - 2.
die Unterbringung aus den in Nummer 1 genannten Gründen zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist.
(2) Absatz 1 ist unabhängig davon anzuwenden, ob die verurteilte Person sich noch im Vollzug der Sicherungsverwahrung befindet oder bereits entlassen wurde.
(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn
- 1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die - a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet, - b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder - c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
- 2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, - 3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und - 4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.
(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.
(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.
(1) Steht auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung fest, dass eine wegen einer Straftat der in § 66 Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches genannten Art verurteilte Person deshalb nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann, weil ein Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung zu berücksichtigen ist, kann das zuständige Gericht die Unterbringung dieser Person in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung anordnen, wenn
- 1.
sie an einer psychischen Störung leidet und eine Gesamtwürdigung ihrer Persönlichkeit, ihres Vorlebens und ihrer Lebensverhältnisse ergibt, dass sie infolge ihrer psychischen Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person erheblich beeinträchtigen wird, und - 2.
die Unterbringung aus den in Nummer 1 genannten Gründen zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist.
(2) Absatz 1 ist unabhängig davon anzuwenden, ob die verurteilte Person sich noch im Vollzug der Sicherungsverwahrung befindet oder bereits entlassen wurde.
(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.
(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.
(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.
(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.
(1) Das Bundesverfassungsgericht kann im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.
(2) Die einstweilige Anordnung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Bei besonderer Dringlichkeit kann das Bundesverfassungsgericht davon absehen, den am Verfahren zur Hauptsache Beteiligten, zum Beitritt Berechtigten oder Äußerungsberechtigten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(3) Wird die einstweilige Anordnung durch Beschluß erlassen oder abgelehnt, so kann Widerspruch erhoben werden. Das gilt nicht für den Beschwerdeführer im Verfahren der Verfassungsbeschwerde. Über den Widerspruch entscheidet das Bundesverfassungsgericht nach mündlicher Verhandlung. Diese muß binnen zwei Wochen nach dem Eingang der Begründung des Widerspruchs stattfinden.
(4) Der Widerspruch gegen die einstweilige Anordnung hat keine aufschiebende Wirkung. Das Bundesverfassungsgericht kann die Vollziehung der einstweiligen Anordnung aussetzen.
(5) Das Bundesverfassungsgericht kann die Entscheidung über die einstweilige Anordnung oder über den Widerspruch ohne Begründung bekanntgeben. In diesem Fall ist die Begründung den Beteiligten gesondert zu übermitteln.
(6) Die einstweilige Anordnung tritt nach sechs Monaten außer Kraft. Sie kann mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen wiederholt werden.
(7) Ist ein Senat nicht beschlußfähig, so kann die einstweilige Anordnung bei besonderer Dringlichkeit erlassen werden, wenn mindestens drei Richter anwesend sind und der Beschluß einstimmig gefaßt wird. Sie tritt nach einem Monat außer Kraft. Wird sie durch den Senat bestätigt, so tritt sie sechs Monate nach ihrem Erlaß außer Kraft.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
In Verfahren nach diesem Gesetz über die Anordnung, Verlängerung oder Aufhebung der Therapieunterbringung werden keine Gerichtskosten erhoben.